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Full text of "Neue Jahrbücher für Philologie und Paedogogik"

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Neue 


JAHRBÜCHER 


für 


Philologie  und  Paedagogil£. 


Begründet 


von 


IM«  Johann  Christian  Jahn. 


Gegenwärtig  herAiisgegebeti 


von 


Alfred  Fleckeisen       <•»••       Hermann  Masius 

Professor  in  Drt^siiei)  Professor  in  Leipzig. 


A€HTUMDDREISZI«,9TC}R   JAHRCIAM«. 

Siebenundneunzigster  Band. 


Leipdg  1868 

Drnck  und   Verlag  von   B.   G.    Teubner. 


6i99 


JAHRBÜCHER 


FÜR 


CLASSISCHE  PHILOLOGIE 


HERAUSGEGEBEN 

VON  ^~ 

ALFRED  FLECKEISEN. 


VIERZEHNTER  JAHRGANG  1868 


ODER  V. 

DER    JAHNSCHEN    JAHRBÜCHER   PUR    PHILOLOGIE    UND  PAEDAQOGIK 

SIEBBNUNDNEUNZIQSTER    BAND. 


LEIPZIG 

DRUCK  UND  VERLAG  VON  B.  «.  TEUBNER. 


^ 


VERZEICHNIS  DER  MITARBEITER 

AN  DEN  JAHRGÄNGEN  1865  BIS  1868. 

(die  in  parenthese  beigreseUten  lahlon  beziehen  sich  anf  das  naehstehende  inhaltsverzeirhni»« 
die  nameo  der  mitarbeitcr  su  den  ersten  zehn  jahrg-ängrn  1865—1864  sind  za  anlang:  des 

jahrg-ang-s  1864  abg-edruckt.) 


1.  Edväkd  Albsrti  in  Kiel 

2.  Cabl  Aldenhoven  in  Ratseburg  (61) 

3.  Gkobo  Autbnbisth  in  Erlangen 

4.  Albbbt  von  Bambbbg  in  Berlin  (63) 

5.  Wilhelm  Bäumlkin  in  Manlbronn  (f  1865) 

6.  Fribdbich  Baub  in  Maulbronn 

7.  Gustav  Beckbb  in  Cüstrin 

8.  Theodor  Bbbok  in  Halle  (63) 

9.  UicHABD  Bbbomamn  In  Brandenburg  (85) 

10.  Huoo  Blümnbb  in  Breslau  (66) 

11.  Wilhelm  Bbambach  in  Freiburg  (38) 

12.  Wilhelm  Bbaun  in  Wesel 

13.  Julius  Bbix  in  Liegnitz 

14.  Fbamz  Böcheleb  in  Greifswald  (18.  35) 

15.  Bebnbabd  Büchsenscuütz  in  Berlin 

16.  CoNSTARTiN  BuLLE  In  Bremen  (3) 

17.  Theophil  Bubckhabdt  in  Basel  (97) 

18.  CoNBAD  BuBsiAN  in  Zürich 

19.  J.  F.  C.  Campe  in  Greiffenberg 

20.  Wilhelm  Chbist  in  München  (49) 

21.  Thbodob  Creizenach  in  Frankfurt  am  Main  (41) 

22.  Chbibtian  Cbon  in  Augsburg  (87) 

23.  Gbobo  Cubtius  in  Leipzig 

24.  Rudolf  Dahms  in  Berlin 

26.  Detlef  Dbtlefsen  in  Glückstadt 

26.  Wilhelm  Dindobf  in  Leipzig  (56.  67) 

27.  Max  Dinsb  in  Berlin 

28.  Heinbich    Dittbich-Fabeicius  in  Dresden 

29.  Thbodob  Dörneb  in  Plauen 

30.  Ludwig  Dbewes  in  Braunschweig  (23) 

31.  Fbiedbich  Dbosihn  in  Neustettin  (8) 

32.  Heinbich  Düntzeb  in  Köln  (50) 

33.  Anton  Ebebz  in  Frankfurt  am  Main 

34.  Otto  Eichhobbt  in  Danzig 

35.  Gbobo  Ellendt  in  Königsberg  (80) 

36.  Robebt  Engeb  in  Posen 

37.  Adam  Eussneb  in  Würzburg  (88) 

38.  Fbanz  Etbsbnhardt  in  Berlin  (37) 

39.  Wilhelm  Fielttz  in  Stralsund  (91) 

40.  Christoph  Ederhard  Finckh  in  Heilbronn 


VI  Vcrzciclinis  der  luilarbeiler. 

41.  Alkred  Fleckkihkn  in  Drosden  (30.  31    47.  59.  77) 

42.  Kbikdkicii  Frankb  in  Meiszcn 

43.  RiCHAUD  FuAMKE  in  Leipzig 

44.  Gottfried  Fbiedlein  iu  Ilof 

45.  Carl  Fuhrmann  in  Köln  (110) 

46.  Karl  Hermann  Fdnkhabnel  in  Eiöenach 

47.  Hermann  Gbntub  in  Berlin 

48.  Ludwig  Georgii  iu  Tübingen  (42) 

49.  Christian  Wilhelm  Glück  in  München  (f  1866) 

50.  Anton  Goedel  in  Königsberg 

51.  Eduard  Gobbbl  in  Fulda 

52.  Theodor  Gomperz  in  Wion 

53.  Lorenz  Grasberoer  in  Würzburg 

54.  Kicuard  Grosser  iu  Minden 

55.  Albert  Grummr  in  Bielefeld 

56.  Alfred  von  Gutschmid  in  Kiel 

57.  Hermann  Hagen  in  Bern  (62.  78.  95) 

58.  Karl  Halm  in  München 

59.  Karl  Hansel  in  Glatz 

60.  Adolf  Hart  in  Berlin  (45) 

61.  Karl  Hartuno  in  Cleve 

62.  Otto  Heinb  in  Weimar 

63.  Wolfgang  Helbig  in  Kom 

64.  Peter  Dibdeuich  Christian  Henning»  in  Husum 

65.  James  Henry  in  Livorno 

66.  Carl  Heraeus  iu  Hamm  (69.  77) 

67.  Gottfried  Herold  in  Nürnberg 

68.  Friedrich  Karl  Hertlein  in  Wertheim   (7.  36) 

69.  Martin  Hertz  in  Breslau  (34) 

70.  Wilhelm  Hertzberg  in  Bremen 

71.  Eduard  Hiller  in  Frankfurt  am  Main  (105) 

72.  Hugo  Hinck  in  Kom  (45) 

73.  Otto  Hirschfeld  in  Königsberg  (93) 

74.  Kichard  Hocue  in  Wesel 

75.  Arnold  Hug  in  Winterthur 

76.  Friedrich  Hultsch  in  Dresden  (11.  55.  101) 

77.  Oscar  Jänicke  in  Wriezen  (54) 

78.  Carl  von  Jan  in  Landsberg  au  der  Warthe 

79.  Ludwig  von  Jan  in  Erlangen  (46) 

80.  JusTus  Jeep  in  Wolfenbüttel  (103) 

81.  N.  J.  B.  Kappeyne  van  de  Coppello  iu  Amsterdam  (64) 

82.  Ludwig  Kayser  in  Heidelberg  (106) 

83.  Heinrich  Keil  in  Erlangen 

84.  Otto  Keller  in  Oehringen  (66) 

85.  Arthur  Kerbeu  in  Guben 

86.  Adolf  Kiene  in  Stade 

87.  Adolf  Kiesslino  in  Basel  (86) 

88.  Adolf  Kirchhopf  in  Berlin 

89.  Joseph  Klein  in  Bonn 

90.  Keinuold  Klotz  in  Leipzig  (52) 

91.  Theodor  Kock  in  Berlin  (68) 

92.  Ulrich  Köblbr  in  Athen 

93.  Johannes  Koknighoff  in  Trier 

94.  Wilhelm  Heinrich  Kolster  iu  Meldorf 

95.  Hermann  Kraffert  in  Liognitz 

96.  Heinrich  Kratz  in  Stuttgart 

97.  Gustav  Krüger  in  Charlottcnburg  (29) 

98.  Emil  Kuhn  in  Dresden 

99.  Johann  Kvicala  in  Prag 


Verzeiclmis  der  luilarbeiler.  VII 

00.  Thkodou  Ladbwig  in  Neastrelitz 

01.  Ludwig  Lb  Bbau  in  Heidelberg 

02.  AuouBT  Lkmtz  in  Graudenz  (f  1868) 
.03.  August  Leskikn  in  Göttingen 

04.  Gustav  Limkbk  in  Lemberg 

05.  Rudolf  Löhbacu  in  Andernach  (36) 

06.  Anton  iiOwiNSKi  in  Deutsch-Crone 

07.  ParBDRicH  Lüdeckb  in  Bremen  (16.  70) 

08.  Fbrdinand  Lüdkbs  in  Hamburg  (10) 

09.  Abthub  Ludwich  in  Königsberg 

10.  Alfred  Ludwig  in  Prag 

11.  T.  M.  in  L.  (24) 

12.  Jacob  Mahly  in  Basel 

13.  Karl  Mbmoblssohh-Babtholdy  in  Freibiirg 

14.  Gotthold  Mbutznbb  in  Plauen 

15.  Gustav  Mbynckr  in  Paris  (108) 

16.  Friedrich  Mbzoer  in  Hof 

17.  C.  F.  W.  Müller  in  Berlin 

18.  Eduard  Müller  in  Liegnitz  (13.  74) 

19.  LuciAN  MÜLLBR  in  Bonn  (15.  30.  60.  95) 

20.  Moritz  Müller  in  Stendal  (55) 

21.  Paul  Richard  Müller  in  Merseburg  (9) 

22.  Friedrich  Wilhelm  Münscher  in  Torgau 

23.  August  Nauck  in  St.  Petersburg  (100) 

24.  Heinrich  Nissen  in  Bonn 

25.  Gustav  Oppkrt  in  Oxford 

26.  Friedrich  Paule  in  Jever  (28) 

27.  Rudolf  Peiper  in  Breslau  (14.  22.  27) 

28.  Christian  Traügott  Pfuhl  in  Dresden 

29.  Adolph  Philippi  in  Berlin  (79) 

30.  Karl  Wilhelm  Pidebit  in  Hanau 

31.  Eugen  Plew  in  Königsberg  (109) 

32.  Theodob  Plüss  in  Posen  (75) 

33.  Friedrich  Polle  in  Dresden  (102) 

34.  Ernst  Friedrich  Poppo  in  Frankfurt  hu  der  Oder  (f  1866) 

35.  Hermann  Probst  in  Essen  (51.  92) 

36.  Rudolf  Rauchenstein  in  Aaruu  (81.  84) 

37.  Woldemar  Ribbeck  in  Berlin 

38.  Ernst  Albert  Richter  in  Leipzig 

39.  Gustav  Richter  in  Pforta 

40.  JoHANNKs  Richter  in  Rastenburg  (33) 

41.  Julius  Ribckher  in  Heilbronu 

42.  Albzander  Riese  in  Heidelberg  (78.  94) 

43.  Friedrich  Ritscul  in  Leipzig  (47) 

44.  Carl  Ludwig  Roth  in  Tübingen  (f  1868) 

45.  Adolph  Rothmaler  in  Nordhauseu 

46.  Carl  August  Rüdiger  in  Dresden 

47.  Franz  Rühl  in  Schleswig  (90) 

48.  Heinrich  Rümpf  in  Frankfurt  am  Main 

49.  Arnold  Scharfer  in  Bonn  (18.  35) 

50.  Karl  Scheibe  in  Dresden  (67) 

51.  Hebmann  Schiller  in  Wertheim 

52.  Gustav  Schimmelpfeng  in  Pforta 

53.  Georg  Schmid  in  Pernau  (58) 

54.  Bernhard  Schmidt  in  Jena  (104) 

55.  Moritz  Schmidt  in  Jena  (4.  6) 

56.  Otto  Schmidt  in  Jena 

57.  Wilhelm  Schmitz  in  Köln  (83.  89) 

58.  Franz  Schnorr  von  Carolsfeld  in  Dresden 


VIII  Verzeichnis  der  milarlieiler. 

159.  Geobg  Fbiedbich  Schömank  in  Greifßwald 

160.  Alfkkd  Schönb  iu  Leipzig  (107) 

161.  Hebmann  Schbadeb  in  Hamburg  (32) 

162.  Wilhelm  Schbadbb  in  Königsberg 

163.  JoH.  Hbinbich  Ch.  Schubabt  in  Kassel  (26.  73) 

164.  Febdinand  Schultz  in  Berlin  (98) 

165.  Bbbmbabd  Schulz  in  Rössel 

166.  Ebmst  Schulze  in  Qotha  (12) 

167.  Hbinbich  Schwbizeb-Sidleb  in  Zürich  (2.  43) 

168.  Cabl  Sibkeb  in  Andernach  (39) 
160.  Julius  Sommebbbodt  in  Kiel 

170.  Johann  Matthias  Stahl  in  Köln  (20) 

171.  Hbinbich  Stein  in  Danzig 

172.  Eduabo  Stbphinsky  in  Trier 

173.  Wilhelm  Studemund  in  Würzbarg  (76) 

174.  Fbanz  Susbmihl  in  Greifswald  (19.  71) 

175.  Wilhelm  Teufpbl  in  Tübingen  (40.  72.  99) 

176.  Conbad  Thomann  in  Zürich 

177.  Ludwig  Tillmanns  in  Cleve 

178.  Albxanoeb  Tittlbb  in  Brieg 

179.  Adolf  Tobstbik  in  Bremen 

180.  Gustav  Ungbbmann  in  Coblenz 

181.  Ludwig  Ublicbs  in  Würzburg 

182.  Hebmann  Useneb  in  Bonn 

183.  Richard  Volkmann  in  Jauer 

184.  CuBT  Wachsmuth  in  Marburg  (1) 

185.  Philipp  Waghbb  in  Dresden  (25) 

186.  Wilhelm  WagnBb  in  London 

187.  Hugo  Weber  in  Weimar 

188.  Nicolaus  Weoklein  in  München  (82) 

189.  Hbinbich  Weil  in  BesauQon 

190.  Cabl  Wex  in  Schwerin  (f  1865) 

191.  Fbiedbich  Wieseler  in  Göttingen  (21) 

192.  Eugen  Wilhelm  in  Eisenach 

193.  Moritz  Wilms  in  Duisburg 

194.  Mabtin  Wohloab  in  Dresden  (5) 

195.  Chbistofh  Zieoleb  in  Stuttgart  (44.  48) 


INHALTSVERZEICHNIS. 

(die  in  parenlhese  beig'eselzlen    zahlen   beliehen  »ich  auf  da«  voranstehende  verzeSchiii« 

der  mitarbeiter.) 

<<»»ite 

1.  der  historische  orsprung  des  doppelkünigtams  in  Sparta  (184)  .       1 

2.  die  formale  bildung  durch  die  antiken  classischen  sprachen  (167)  10 

3.  Pindaros  achte  nemeische  ode  (16) 15 

4.  in  Aeschyli  supplicum  v.  162—167  (155) 25 

5.  zn  Platona  Theätetos  (194)       27 

6.  emendatio  Callimachea  (155) 36 

7.  anz.  y.  Diodori  bibl.  hist.  ed.  L.  Dindurf.  vol.  I  et  II  (68)    .     .  37 

8.  zn  Oyidins  metamorphosen  III  642  (31) 47 

9.  za  Livius  (121) 48 

10.  über  ein  gesetz  des  Selon  (108) 49 

11.  anz.  y.  Q.  Friedlein:  die  geometrie  des  Pediasimus  (76)  ...    55 

12.  anz.  y.  F.  Matz:  de  Philostratoram  fide  (166) 59 

13.  zn  Juyenalis  sechster  Satire  (118) 63 

14.  Chancer  und  seine  yorbilder  im  altertum  (127) 65 

15.  mittelalterliche  kataloge  zweier  klosterbibliotheken  (IIU)      .     .     66 

16.  za  Scaligers  briefen  (107) 69 

17.  anz.  y.  F.  Qodefroy:  notice  snr  J.  Fr.  Dübner 80 

18.  das  neuerdings  anfgefundene  brachstück  eines  geschieh tsbnchs 
yon  Aristodemos,  und  kritik  desselben  (149.  14) 81 

19.  Arete  in  der  Odyssee  (174) 101 

20.  zar  litteratnr  des  Thnkydides  (170) 105.   169 

21.  gemmac  Htteratae  in  der  Ermitage  zu  St.  Pctürabarg  und  in 
einigen  anderen  samlungen  (191) 123 

22.  anz.  y.  C.  Freytag:  coniecturarum  in  Tlieocriti  curmen  I  lusus 
otiosi  (127) 137 

23.  zu  Demosthenes  IX  §  46  (30) 139 

24.  nochmals  zu  Polybios  X  17,  11—13  (111) 142 

25.  anz.  y.  £.  Benoist:  les  oeuyres  de  Virgile.  t.  I  (185)  ....  145 

26.  anz.  y.  J.  Overbeck:   die  antiken  schriftqaellen  zur  geschichte 
der  bildenden  künste  bei  den  Griechen  (163) 153 

27.  noch  einmal  Theokritos  nnd  Vergilius  (127) 167 

28.  zur  erklärnng  des  ersten  buches  derHorazischen  episteln  (126)  185.  269 

29.  zu  Ciceros  rede  für  Sextus  Roscius  (97) 207 

30.  Titus  Maccius  Plautus  (119.  41) 212 

31.  philologische  gelegenheitsschriften  (41)  215.296.359.440.655.  736.  800 


X  Inhaksverzeicbiiis. 

seito 

32.  über  die  quellen  der  pseadoaristotelischen  scbrift  iccpi  Oaufiadwv 
dKOUCfidTiuv  (161) 217 

33.  in  PUtonis  Gorgiam  (140) 232 

34.  miscellen.     15—18  (69) 236.  571 

35.  A-iBtodemos  echt  oder  unecht?  (14.  149) 237.  832 

36.  zur  kritik  des  AriBtodemos  (68.  105) 241 

37.  zu  Tfaeodosios  Tripoliies  (38) 243 

38.  ans.  v.  A.  v.  Cohansen:  CäBars  Rheinbrucken  (11) 249 

39.  zn  Tacitas  historien  (168) 267 

40.  za  PlautuB  miles  gloriosns  1042  (175) 268 

41.  der  name  VirgiliuB  (21) 294 

42.  die  SchaarschmidtBche  kritik  des  Pbilobns  (48) 297 

43.  anz.  v.  W.  Wackernagel:  voces  variae  animantinm  (167)      .     .  326 

44.  niittcilangen  ans  bandscbriften  (195) 329 

45.  die  Psendophokylideia  nnd  Theognis  im  codex  Venetus  Marcia- 
nns  622  (60.  72) 331 

46.  nochmals  zu  Piatons  Phaedon  62'  (79) 339 

47.  zu  Plantns  miles  gloriosns  [23.  24]  (143.  41) Ul 

48.  berichtignngen  [zn  Ch.  Zieglers  ausgäbe  des  Bioii  nnd  Moschos] 
(195) 344 

49.  über  den  werth  des  nnmmns  bei  Plantns  (20) 345 

50.  zn  Horatins  (32) 350.  506 

51.  zn  Ciceros  Sestiana  (135) 351 

52.  verbessemngSYorschl&ge  zn  Ciceros  briefen  (90) 354 

53.  anz.  v.  Sophoclis  tragoediae  ed.  A.  Nauck  (8) 361 

54.  die  verse  auf  Pan  zum  vierten  mal  (77)  .........  391 

55.  zu  Polybios  (76.  120) ,392 

56.  nachträgliche  bemerkungen  zur  fünften  aufläge  der  poetae  ace- 
nici  Graeci  (26) 393 

57.  über  eine  angebliche  handscbrift  des  Aristobnios  (26)  .    .     .     .411 

58.  zum  Ion  des  Enripides  (153) 412 

59.  zn  Gellius  IV  9.  1  (41) 415 

60.  Sammelsurien  (119) 417 

61.  anz.  V.  Sophoclis  Oedipus  Coloneus  ed.  E.  Wunder,  ed.  IV  (2)  441 

62.  zu  Vergilius  nnd  Donatus  (57) 472 

63.  anz.  v.  Aristophanis  Phitns  ed.  N.  J.  R.  Kappcyne  van  de  Cop- 
pello  (4) 473 

64.  analecta  [zu  Lysias  nnd  AristophahesJ  (81) 479 

65.  zu  Lnkianos  (10) 482 

66.  zu  Ciceros  Rosciana  nnd  Pompeiana  (84) 485 

67.  in  Ciceronis  de  oratore  librnm  tertium  (150)     .....    488.  780 

68.  metrische  kleinigkeiten  (91) 489 

69.  zu  Herodotos  VIII  25  (66)    .     . ' 607 

70.  ein  nngedrnckter  brief  von  Casanbonns  (107) 510 

71.  die  neueste  litteratur  über  die  ältere  griechische  sophistik<174)  513 

72.  zu  Sophokles  Philoktetes  [v.  228]  (175) 528 

73.  Verschiebungen  im  Pausanias  (163) 529.  821 


Inhaltsverzeichnis.  XI 

»eile 

74.  sprBchvergleicheDdes  über  die  numerali»  (118) 536 

75.  sex  saffragin  (132) 637 

76.  über  die  editio  princeps  der  Tercnz-BchoHen  des  codex  Bembi- 
nna  (173) 646 

77.  zn  Gelliu»  (66.  41) 673 

78.  snr  lateinischen  anibologie  (142.  67) 676 

79.  anz.  v.  J.  St.  Blackie:  Homer  and  the  Iliad.  vol.  1—4  (129)  .  677 

80.  einige  bemerkungen  zu  H.  Hej.nans  aasgabe  der  Odyssee  (36)  686 

81.  zu  Demosthenes  rede  18  und  19  (136) 688 

82.  anz.  v.  Sophoclis  Oedipus  rex  ed.  H.  van  Ilerwerden  (188)      .  693 

83.  zur  Straszbarger  handschrift  der  Tironiscfaen  noten  (167)    .    .  599 

84.  anz.  V.  Lysias  ausgew.  reden  v.  H.  Frohberger.  28  bdchen  (136)  600 
86.  fünf  Inschriften  von  stempeln  thasiscfaer  thongefasze  (9)     .     .  607 

86.  anz.  v.  Planti  Truculentus  ed.  A.  Spengel  (87) 609 

87.  zu  Cicero  de  oratore  [II  62,  209]  (22) 643 

88.  anz.  v.  W.  S.  Tenffel:  über  Sallustins  nnd  Tacitns  (37)      .     .  646 

89.  Kölnische  Terentinsfragmente  (167) 652 

90.  über  die  quellen  dos  Platarchischen  Perikles  (147)      ....  657 

91.  über  anfang  nnd  ende  der  Menandrischen  adelphen  (39)      .     .  676 

92.  zn  Tacitns  annalen  [II  2.S]  (136) .  682 

93.  das  aerarinm  militare  nnd  die  Verwaltung  der  heeresgelder  in 
der  römischen  kaiserzeit  (73)      . 683 

94.  znr  lateinischen  anthologie  (142) >     •     •  698 

96.  eine  antike  komödie  in  distichischer  nachbildnng  (67.  119)     .711 

96.  zn  Friedrich  Rücke rts  gedichten 735 

97.  zum  Verständnis  des  Homeridenhymnos  auf  Hermes  (17)      .     .  737 

98.  nach  trag  zn  den  Aeschinesscholten  (164) 749 

99.  zu  Sophokles  könig  Oedipus  [v.  1306]  (176) 752 

100.  zur  kritik  griechischer  dichter  (123) 763 

101.  zur  litteratur  des  Nikomachos  von  Gerasa  (76) 762 

102.  zu  Piatons  apologic  (133) 770 

103.  anz.  v.  Q.  Cnrtius  Rufus  ed.  £.  Hedicke  (80) 773 

104.  anz.  v.  Senecae  tragoediae  edd.  R.  Peiper  et  G.  Richter  (154)  781.  865 

105.  die  Iliasscholien  des  codex  Venetus  B  (71) 801 

106.  anz.  v.  Dionysi  Hai.  antiq.  rom.  rec.  A.  Kiessling.  vol.  III  (82)  805 

107.  anz.  v.J.  H.  Schneiderwirth :  geschichtc  der  Insel  Rhodus  (160)  818 

108.  über  die  handschrift  des  Aristodemos  (115) 834 

109.  zu  einer  griechischen  Inschrift  (131) 839 

110.  die  Vergleichungssätze  bei  Piautas  (46) 841 


BERICHTIGUNGEN. 


s.  388  z.  10  ▼.  u.  lies 

irp6coöa  bei  Sophokles  fragrm.  220 

statt 

irp6TTO&a  bei  Sophokles  Trach.  220. 
8.  675  z.  19  lies 

juovÄCTixoi  statt  fiovöcTixat. 


ERSTE  ABTEILUNG 
FÜR  CLASSISCHE  PHILOLOGIE 

HEBACSaEaEBEN  VON  ALFRED  FlECKEISEN. 


BEB   mSTOBISOHE    URSPRUNG  DES  DOPPELKÖNIO* 

TUM8  IN  SPARTA. 


Das  sparUnische  doppelkdoiglum,  eine  der  verwunderUchsten  Insti- 
tutionen, die  in  keinem  antiken  gemeinwesen  eine  genügende  parallele 
und  die  in  ihrer  ursprungssage  nur  eine  symboHsierung,  aber  keine  er- 
klärung  findet,  kann  in  seiner  eigenart  nur  als  «in  compromiss  verstanden 
werden. 

Darüber  besteht  unter  allen  competenten  beute  nur  dine  meinung : 
und  diese  jetzt  allgemeine  annähme  faszt  der  jüngste  geschichtschreiber 
der  Hellenen,  H.  Duncker  (gesch.  des  alter tums  IIP  s.  345  f.)  vortrefflich 
in  folgenden  Worten  zusammen: 

*Die  fabel  von  den  Zwillingen  des  Aristodemos  genügt  nicht,  den 
bestand  einer  so  eigentümlichen,  weder  in  einem  andern  griechischen 
kantone  noch  in  dem  gesamten  verlauf  der  geschichte  wieder  vorkom- 
menden erscheinung  zu  erklären:  das  bestehen  eines  zwiefachen  lebens- 
länglichen und  erblichen  königtums  in  Sparta,  welches  zwei  dynastien 
gleichzeitig  gehört  und  von  ihnen  gleichzeitig  nebeneinander  bekleidet 
wird,  eine  institution  dieser  art  trägt  am  wenigsten  den  Charakter  der 
ursprünglichkeit  sie  ist  wider  die  eigenste  natur  der  heerführerschaft, 
aus  welcher  das  königtum  bei  den  Griechen  henrorgieng;  wider  das  be- 
dürfnis  einer  geschlossenen ,  festen  und  einigen  leitung ,  welches  gerade 
die  Dorer  von  Sparta  um  so  entschiedener  empfinden  musten ,  je  länger 
sich  der  kämpf  gegen  Aroyklä  hinzog;  wider  das  innerste  wesen  der 
monarchischen  gewalt,  welche  den  bestimmenden  willen,  der  dieses  ihr 
wesen  ausmacht,  durch  eine  Zweiteilung  vernichtet,  es  bedarf  keiner 
Untersuchung  der  sage  selbst,  um  sie  als  eine  spätere  fiction,  welche 
einen  vorhandenen  zustand  erklären  soll,  zu  erkennen,  die  beiden  kdnigs- 
geschlecbter,  welche  wir  in  Sparta  herschend  finden,  werden  nicht  nach 
diesen  ihren  angeblichen  zwillingsstanunvätem,  dem  Eurysthenes  und 
PrdLles  genannt,  sondern  nach  dem  Agis  und  Eurypon,  von  denen  jener 
der  söhn  des  Eurysthenes,  dieser  der  söhn  oder  enkel  des  Prokies  sein, 
sollte,   das  geschlecht  des  Eurysthenes  fflhrt  den  namen  der  Ägiden,  dasr 

Jahrbacher  für  elagi.  philol  1868  hft.  i.  1 


2    C.  Wachsmuth:  der  hist  urspruDg  des  doppelkönigliimB  in  SparU. 

gesclilecfat  des  Prokies  den  namen  der  Eurypontiden,  wodurch  sehr  deut-* 
lieh  zn  tage  tritt,  dasx  die  xwillinge  den  Ägiden  und  Eurypontiden  nur 
als  stammvSter  Torangeaetzt  sind/ 

Soweit  wäre  man  also  eliigt  um  so  nNhf  geht  man  auseinander  in 
der  beantwortung  der  weiteren  frage,  zwischen  welchen  einander  gegen* 
Hberstebtndta  elemenien  denn  dieses  neitwflriHgt  cimproonsB  getroffen 
sei,  auf  grund  welcher  Stellung  oder  welches  rechtes  die  beiden  königs- 
hfluser  gleichmSszig  den  thron  beanspruchten. 

Da  faszt  —  um  nur  die  am  schärfsten  ausgeprägten  TorsteUungen 
anzuführen  —  der  eine  die  beiden  hcrsohcrhluser  nur  als  zwei  der  ?or- 
nehmsten  adlichen  DorerfamUien ,  welche  nach  dem  aussterben  des  ge» 
schlechts  des  Aristodemos,  der  die  Spartaner  an  den  Eurotas  geflOhrt, 
miteinander  um  die  herschaft  in  Sparta  gerungen  und  je  nach  erfolg 
wechselnd  ihre  angehangen  auf  den  threii  geselst  haben*);  ein  andei'er 
nhnt  an,  die  beiden  königH^en  üuniüen  hattm  an  der  spitze  der  beiden 
reindorischen  stamme,  der  Hylleer  und  Dymanen,  gestanden  und  auf 
grund  dessen  das  scepter  beansprucht*);  und  ein  dritter  läszt  das  eine 
königshaus  mit  den  alten  achäiscben  völkerhirten  zusammenhangen,  das 
andere  mit  den  Solischen  farstengeschlechtem.*) 

Weshalb  ich  keiner  dieser  hypothesen  beistimmen  kann,  ziehe  ich 
vor,  statt  durch  negative  einzelkritik,  lieber  gleich  durch  eine  kurze  aus- 
elnandersetzung  der  einschlagenden  verhSltnisse  zu  zeigen,  wie  sie  sich 
mir  bei  unbefangener  erwägung  aller  in  sage,  topographie  und  geschichte 
bald  offen  ausgesprochener  bald  mehr  versteckter  andeutungen  darstellen. 

Dasz  der  gegensatz  der  beiden  königshäuser  tiefer  begründet  liegt 
als  in  der  rivalitst  zweier  herschsfichtiger  vornehmer  Dorerfamilien ,  dar- 
auf führt  schon  die  ganze  wunderliche  und  eigentlich  widerstamige  ein- 
riditung  selbst,  die  dualUät  durch  erbfolge  festgehalten  in  dem  monar- 
chischen amt,  und  namentlich  die  merkwürdige,  selbst  epigamie  aus- 
schlieszende^)  Schroffheit,  mit  der  die  beiden  geschlechter  einander 
gegenüberstehen.  *) 

Yerstündlich  finde  Ich  wenigstens  das  nur,  wenn  der  vertrag,  der 
zu  dieser  seltsamen  Institution  führte,  von  zwei  fDrstengescUechtern  A- 
geschlossen  wurde,  hinter  denen  zwei  verschiedene  gemeinden  standen. 

Nur  bestärken  kann  in  dieser  ansieht  ein  blick  auf  das  spartanische 
sudtgebiet*) 


•o  Dancker  a.  o»  s.  846. 

so  E.  H.  LAchmann  die  spartanische  staatsverfAssung  (1836)  s«  68  ff. 


8)  80  £.  Cortiiis  griech.  gesch.  I  s,  162. 

4)  dasz  zwischen  den  beiden  köni|^lichen  geschleobtem  epigamie 
nicht  beatend,  lehrt  dSe  geaehkhte:  ißfi  Ke^atadt  de  raraaa  LacohIo»* 
mm  eonaütttitonin  I^youff^ae  oriffine  et  ilidoU  (<3«jphiM  1840)  «•  68^ 
der  nur  meint,  auch  dies  aei  wie  das  ganse  doypelköntgtttm  ana  acblAuer 
politischer  berechnnng  eingeführt. 

6)  Tgl.  Herodot  ^  69  toiStoik  (CöpucO^fca  Koi  TljpOicXfo)  . . .  X^foua 
(AaiodtttMÖviot)  6ui#6p6vc  cTvat  rdv  irdvTa  xpöwv  t^  Zdnt  dUiilUiia  wil 
Todc  d«6  toOtuiv  itvoM^^MPC  ikcaÖTUic  ^urreX^eiv. 

6)  igl.  Curtioa  Peloponneaoa  II  a.  220  ff.  (nebat  tafel  X)  und  W» 
Viacher  erinnemngen  und  eindrücke  aua  Griechenland  s.  876  ff. 


C.  Wachnoatli:  der  hiiU  «rtpreiig  dtt  deppelkdmgUnM  ui  Sparli.    3 

Zwei  bedeutendere  erbek«iigeB  leig«  Mcr  des  terrain  (weaa  m» 
von  dem  riemUoh  iaehen  hflgelsog  ISagi  dee  Bvotaelliales  afmielit),  den 
aBliken  akrofeüshtkgel  mit  fefnes  breitn  rflobenfliehen  md  die  bdbea 
von  Neosperta.  auf  und  an  jenem  hgen  die  aitie  der  Aglate ,  auf  und 
vor  diesen  die  der  Eury^^ntiden* 

Es  gab  nemlich  in  Sparta  nacb  dem  beatimmten  zeugnie  des  Uesy- 
cfaies^  u.  d.  w«  'ATtdiMii  eisen  naeh  den  Agiaden  beMmten  district; 
und  au»  Pausaniu  HI  14,  d  gehl  hennsr,  den  dfeecr  dietriet  zwischen 
dem  aiuropoilshigel  und  der  Bab^kebrOoke  sieb  ausdehnte.^  femer  liehen 
sich  am  funz  des  abropeüiliflgels  die  grabetAllen  der  Agf adsn  hin ,  wie 
es  auch  sonst  forbommt  dau  die  königsgriber  am  burgbOgel  ogeiegt 
wraiien.*) 

Der  eeldusz  hieraus  ist  einIMi  und  sicher:  der  sogenannte  theater» 
hügel  mit  dem  nerMslüch  geiegoieii  sKrieh  landes  wurde  wsprOngllch 
von  ddm  teil  der  spartanischen  bevAlkerung  eingenommen,  an  dessen 
spitie  die  Agiaden  staaden. 

Finden  wir  dagegen  die  Enrypontldengrtber  an  den  MMien  des  mo- 
deinen  Sparta,  so  ergttt  die  analog,  dasz  wir  hier  und  in  der  nördlich 
vor  ihnen  sidi  ausbreilenden  niederung  das  gebiet  der  ursprAngftchen 
Wohnsitze  derjenigen  bevölkerungsgruppe  zu  sehen  haben,  die  sidi  der- 
einst  um  das  haus  der  EuryponÜden  susammenschiosB. 

Nun  beginnt,  wie  ich  kflrzlich  anderswo^  auseinanderselzte,  die 
gesducbie  der  meisten  antiken  gemdnden  mit  ehiem  synttismos:  so  war 
es  in  Rom,  so  In  Athen  (wie  dort  gezeigt  ist),  audi  in  Sparta  ist  es 
nicht  anders;  hier  ist  sogar  der  ursprQnglk^e  dualismus  durch  das 
doppelkfoigtum  gewissermaesen  verewigt,  und  wie  vielleicht  in  Rom 
und  sicher  In  Athen,  so  beruht  auch  In  Sparta  der  gegensatz  der  zwei 
ursprfingllch  in  sondersledelungen  sich  absdilieszenden  und  erst  spater 
veraehmoleenen  nacAbargemelnden  auf  stanmesversebiedenheit  derselben. 

So  schlecht  uns  auch  bekanntennaszen  die  iftberlieÜBrung  gerade  fiber 
die  vorgange  bei  besetzung  des  Peloponnes  durch  die  eindringenden  Derer 
unterriciüet,  so  genflgen  die  erhaltenen  indicien  doch  vollständig,  diese 
tfaatsaehen  zu  eiharten  und  sie  bestfoimt  zu  pradsieren. 

Sehen  wir  zuvörderst,  was  sich  aus  etarer  kritischen  prflfung  der 
sagen  gewinnen  laszt. 

Fir  ihre  nwthodisdie  ausnutsung  wird  als  grundsaU  gelten  raOssen, 
dasz  geschichtlich  unbrauchbar  aRe  mit  der  spMer  crsonnenco  üetlon 
ebaes  zwiRIngspaaras  zusammenhangende  angaben  sind,  alles  was  dazu 
dient  beide  stammhanpter  als  gleichberechtigte  regenlen  zu  legitimieren; 


7)  'vvl.  eiueh  Btym.  iL  u.  d.  w.  'Atidboi  s.  19.  82. 

6)  die  riohtigkeit  der  coi^feotnr  tob  Hering a  iv  ^AymMv  ist  unbe- 
«weifelt  und  UBSweifelbeft;  biad  derf  also  aus  Pausenies  angebe  fol- 
gern, dafti  Jener  distriet  'A^idbat  hiees. 

9)  wie  B.  b.  in  Athen  duieh  die  jitoget  geAndeue  insehrift  die  lege 
dee  Xodiosgrebes  6ir*  dxpowdXvit  beaeiqft  ist  (e.  rhein.  museum  JXUi 
e.  Sl  aam.  89). 

10)  Im  rhdn.  museum  XXm  a.  170  fS. 


4    C.  Wachsmath:  der  hist,  Ursprung  des  doppelkÖDigiums  in  Spsria. 

dass  dagegen  ebenso  werthvoll  ist  jedweder  rest  einer  mit  dieser  —  so 
zu  sagen  —  ofßciellen  darstellang  in  widersprach  stehenden  version, 
jegliche  spur  einer  ursprflngllchen  Verschiedenheit  der  beiden  brflder  in 
ihrer  Stellung,  ihren  ansprächen  usw.  denn  hierin  besitseo  wir  uniwei- 
felhaft  fingerzeige  fflr  den  wahren  thatbestand,  die  mit  vorsieht  verfolgt 
untrüglich  sind. 

Da  tritt  denn  nun  zunlchst  hervor,  dasz  Eurysthenes  mit  der  dori" 
sehen  einwanderangssage  von  haus  aus  in  keinem  besage  stand,  wlh- 
rend  von  Prokies  und  seinem  söhne  Soos,  dem  vater  des  Eurypon,  die 
sage  mancherlei  zu  erzAhlen  weisz*%  ist  die  figur  des  Eurysthenes  ganz 
schattenhaft,  er  ist  nur  Prokies  bruder  und  vater  des  Agis,  sonst  nichts, 
daraus  folgt,  dasz  Prokies  eine  ursprfinglich  in  diesen  sagencomplex  ge- 
hörige figur  ist,  Eurysthenes  erst  spSter  In  sie  eingefügt  wurde,  wie  er 
diesen  nachträglichen  einschub  lediglich  dem  motiv  verdankt,  als  Stamm- 
vater des  Agis  d.  i.  der  Agiaden  neben  dem  durcii  genauere  tradition 
überlieferten  Stammvater  der  Eurypontiden ,  Prokies,  als  ebenbürtig  auf- 
geführt zu  werden,  zeigt  recht  deutlich  der  auffallende  umstand,  dasz 
er  ohne  Währung  der  glelchmäszigkeit  einfach  dem  Agis  als  vater  voran- 
gesetzt ist,  während  Prokies  doch  erst  als  groszvater  des  Eurypon  ge- 
nannt wird."} 

Reichen  aufschlusz  über  das  wahre  Verhältnis  dieser  beiden  ge- 
schlechtshäupter  zu  einander  gewährt  sodann  die  wenig  beachtete  er- 
Zählung  bei  Polyän  (1 10):  TTpoKXfic  Kai  Tr)fi€VOc  'HpanXeibai  6öpu- 
cOeibatc  KaT^xouct  xi\v  Ciräpiriv  iiroX^jüiouv  ktX. 

Nach  dieser  eigentümlichen  version  der  einwanderungssage,  die 
sicher  wie  so  vieles  andere  bei  Polyän  aus  einer  vortrefflichen  quelle 
stammt,  ziehen,  offenbar  nach  dem  abgang  des  ^inen  haaptzweiges  der 
dorischen  scharen  unter  Kresphontes,  die  übrigen  Derer  unter  führung 
des  Prokies  und  Temenos  weiter  und  zwar  zunächst  nach  Lakonien. 
durch  die  geläufige  Vorstellung,  dasz  erst  Messenien,  dann  Lakonien, 
zuletzt  erst  Argos  erobert  wird,  ist  sowol  die  abwesenheit  des  Kres- 
phontes als  die  anwesenheit  des  Temenos  vollkommen  motiviert;  den 
drilten  groszen  Dorerffihrer  Aristodemos,  der  bei  Naupaktos  vom  blitz 
erschlagen  war,  vertritt  sein  söhn  Prokies,  bloss  Prokies?  wo  steckt 
denn  Eurysthenes,  sein  zwiilingsbruder?  er  fehlt:  er  fehlt  bei  der  er- 
oberung  seines  gebietest  unmöglich  also  kann  nach  dieser  sagenwendung 
Eurysthenes  für  einen  Derer  gegolten  haben. 

Erscheint  er  denn  aber  wirklich  gar  nicht  in  dieser  erzählung?  frei- 
lich ist  er  da;  nur  dürfen  wir  nicht  bei  den  Dorem,  sondern  müssen  bei 

11)  B.  K.  O.  MiUler  Dorier  I*  s.  98. 

12)  80  ist  die  constante  Überlieferung,  der  gegenüber  es  sieht 
ins  gewicht  fällt,  daas  in  dem  Stammbaum  des  Leotyohidaa  bei  Herodot 
Vm  181  der  name  des  Soos  fehlt  d.  h.  wol  aasgefallen  ist.  anders  urteilt 
freilich  Duncker  a.  o.  6.345  anm.  2;  aber^erst  später  zur  ansgleichung 
beider  Unien  eingeschoben'  kann  Soos  unmöglich  sein,  da  durch  ihn 
die  beiden  linien  ja  ungleich  werden,  Eurjpon  durch  ihn  von  Proklea 
getrennt  wird,  also  nicht  nnmittelbar  vom  söhne  des  Aristodemos  stammt, 
wie  Agis ;  und  eben  wegen  dieser  Ungleichheit  ist  Soos  sicher  ursprünglich. 


>  C  W«eli$muüi :  dtr  hisL  urspmag  des  doppdkdnigtiiBs  Ib  Sparta.    5 

ihren  gegnern  suchen,  die  Eorysüiideo,  die  'Sparta  inae  ha]>en%  wen  ge- 
hören sie  denn  an  ab  Eorystbens?  and  Enryslheus  ist  ja  nichts  als  eine 
nebenform  filr  Earystbeoes,  oder  oorrecter  zu  reden,  Earrstheus  ist  der 
beslbeglauhigte  name  des  bmders  des  Prokies,  nemlich  nicht  bloss  Apol- 
lodor  und  Uearch  geben  ihm  diesen  namen "),  sondern  bei  Afrikanos  und 
Eusebios  und  den  christlichen  Chronographen,  die  aus  ihnen  schöpften*^, 
ist  er  der  ausschliesslich  herschende:  was  um  so  bedeutnngsToUer  ist,  als 
die  hier  erhaltenen  königslisten  bekanntlich  auf  offideOe  dvoTpa^ai  sn- 
rfickgehen,  die  älter  sind  als  die  anfange  der  geschichlschreibang.  denn 
es  kann  ja  jetzt  als  allgemein  bekannt  und  anerkannt  gelten,  was  uns 
die  forschungen  von  h  Brandts  und  A.  ▼.  Gotschmid'*)  hinsichtlich  der 
von  dn  späteren  Chronographen  erhaltenen  königslisten  griechischer 
Staaten  gelehrt  haben;  nnd  wenn  es  demnach  fest  steht,  dasz  die  mit  der 
Heraklidenwanderung  anfangenden  listen  wahrscheinlich  nicht  zu  lange 
nach  der  einfOhrung  gleichzeitiger  aufzeichnung  der  ölTentlichen  beamten 
entstanden  sind,  welche  etwa  mille  des  achten  Jahrhunderts  erfolgte,  so 
beruhen  auch  jene  spartanischen  königslisten  auf  der  autorfUt  einer  ölTent- 
llchen,  etwa  ausgang  des  achten  oder  anfang  des  siebenten  Jahrhunderts 
aufgestellten  liste. 

Somit  tritt  In  dieser  erzählung  das  haus ,  dessen  Stammvater  Eurys- 
tfaeus-Euryslhenes  ist,  als  herschendes  geschlecbt  in  Sparta  zu  der  zeit 
auf,  wo  die  Dorer  erst  in  den  Peloponnes  und  speciell  in  Lakonien  ein- 
wandern; sie  und  die  ihrigen  sind  die  damals  bereits  in  Sparta  ange- 
sessenen, welche  die  dorischen  eindringlinge  abzuwehren  suchen. 

Nun  bedenke  man  zugleich,  wie  die  sage  durchweg  Eurysthenes  als 
den  älteren  und  geebrteren  der  beiden  feindlichen  brüder  darstellt;  und 
es  wird  einleuchten ,  dasz  nicht  bloss ,  was  Ouncker  a.  o.  hervoriiebt ,  die 
Agiaden  als  ein  älteres  haus,  die  Euryponliden  als  ein  jüngeres  gekenn- 
zeichnet sind ,  sondern  dasz  der  'ältere  bruder'  Eurystheus  die  ältere,  die 
ursprünglicher  angesessene  d.  i.  die  achäische  bevölkerung  Spartas 
repräsentiert,  dasz  der  'jüngere  bnider'  als  haupt  der  jüngeren,  der 
später  eingewanderten  d.  i.  der  d  o  r  i  s  c  h  e  n  bevölkerung  Spartas  dasteht. 

So  viel  lehrt  die  sage;  betrachten  wir  jetzt  noch  einmal  die  ur- 
sprünglichen ansiedelungsplätze  beider  stamme,  so  finden  wir 
audi  hier  bestätigt,  dasz  der  stamm  der  Agiaden  zuerst  auf  spartanischem 
boden  sasz:  denn  von  ihm  ist  der  beste  stricli  occupiert,  welcher  den  am 


13)  ApoUodor  bei  Diodor  VII  Ö  (d.  h.  In  dem  armemschen  Eusebios 
buch  I  s.  319  Auoher,  s.  166  Zohrab),  Klearch  bei  Diogenian  I  83  (in 
den  parömiographen  von  ▼.  Lentach  bd.  11  s.  18).  die  Enrysthiden  kennt 
fibrigens  aneh  Snidas  a.  d.  w.  €(ipuc6cöc.  das  aind  die  einsigen  stellen, 
die  ^r  diese  namensform  angefahrt  sn  werden  pflegen. 

14)  als  da  sind  Synkellos,  Malalas,  Kedrenos  oder  von  lateiniscben 
Hieronymus,  auch  die  excerpta  barbara  Scaligers. 

16)  Brandis  commentatio  de  temporom  Graecomm  antiqniasimomm 
rationibns  (Bonn  1857)  und  t.  Ontsehmid  in  den  recension  dieser  ab- 
handlung  in  diesen  Jahrbüchern  1861  s.  20  ff.;  vgl.  aneh  symbola  philoL 
Bonn,  s,  103  ff. 


6    C  WachsuHitii:  der  biat.  unpiniig  des  doppelUtaiigtums  ui  Sparta« 

meitteA  zur  Imrglidhe  ^gneten  bflgd  und  die  Enrotasfurt  in  aieh 
•ehliesst,  und  dessen  besitz  den  zugang  von  Arkadien  ber  fa^erscbt 

Aber  aucb  auf  einem  andern  geUele  ist  ein»  stiUsebweigende  und 
doch  vernebndicbe  bekr&ftigung  dieser  ergebnisse  vorbanden,  und  zwar 
auf  einem  gebiete  das  relativ  und  bei  ricbtiger  Verwendung  das  zuver- 
lässigste malerial  liefert,  welches  uns  Aber  die  titesten  halbbislorfscben 
selten  der  Hdlenen  zu  geJiote  steht:  ich  meine  die  ehronplogiseben 
angaben  im  kanon  des  Euseblos. 

Was  zeigt  sieh  nun  hier? 

Als  erstes  jähr  der  regierung  des  Eurystbeus  wird  das  916e  jähr 
Abrahams  aufgeführt'*)  und  zu  demselben  jähre  bemerkt:  BeraeUdartim 
descensuf  in  Peloponnesum  (so  bei  Hieronymus;  im  armenischen  Ense» 
bios  fehlt  die  notiz,  sie  findet  sich  aber  bei  Synkellos  s.  835,  13  irA 
TouTOu  f)  -n&v  'HpaxXeibiirv  KdOoboc  ck  TTcXoirdwiicov  t^ovev). 
dagegen  wird  erst  zum  921n  jähre  Abrahams ,  zum  6n  reglerungsjahre 
des  Eurystheus  bemerkt:  JSurystheus  ei  Proeies  Spartam  obUnMenmt 
(auch  dies  nur  bei  Hieronymus,  nicht  im  armenischen  Eusebios,  aber 
gleichialls  bei  Synkellos  s.  336 ,  9  EöpucOeüc  Kod  TTpoKXi)c  Cir&pTT|C 
IxpäTiicav). 

Somit  herscht  Eurystheus  bereits  längere  zeit  in  Sparta,  als  Prokies 
erst  zur  herschaft  gelugt;  er  ist  schon  spartanischer  herscher  zu  der 
zeit ,  wo  die  Herakliden  erst  in  den  Peloponnes  einwandern,  auch  diese 
Eusebianische  königsliste  zeigt  mithin  Eurystheus  als  könig  des  in  Sparta 
alt  eingesessenen,  schon  vor  der  dorischen  Wanderung  dort  angesiedelten 
Stammes. 

Im  schönsten  einklang  mit  den  so  gewonnenen  resultaten  steht  end- 
lich daä  einzige  ganz  unzweideutige  zeugnis  über  die  stammverschieden- 
heit  der  beiden  könlgsgeschlechter,  das  aus  historischen  zeiten  er- 
halten ist,  der  ausspruch  den  der  kdnig  Kleomenes  beim  eintritt  in  den 
tempel  der  burggdttin  in  Athen ,  von  der  Athenapriesterin  als  Derer  zu- 
rückgewiesen,  that:  oö  Awpieöc  €i|iit,  dXX'  'Axouöc.^  denn  Kleome- 
nes war  ja  eben  ein  Agiade. 

Man  hat  freilich  früher  diesen  ausspruch  des  Kleomenes  auf  seine 
abkunft  von  Herakles  bezogen ;  man  hat  dann  weiter  überhaupt  aus  dem 
heraklidischen  Ursprung  der  königshftnser  von  Sparta  und  von  den  ande- 
ren Dorerstaaten  im  Peloponnes  deren  adiftischen  Ursprung  deducieren 
wollen.**)  doch  ist  bereits  von  andern  richtig  bemerkt  worden,  dasz  der 
dorische  herscherstamm  der  Herakliden  sein  geschlecht  erst  nachtrSgKch 
an  die  früheren  herscher  zu  Mykene  angeknüpft  habe  und  nur  zu  dem 

16)  natürlich  gehe  ich  diese  eitate  nach  der  ausgäbe  von  Schöne« 
die  Eum  ersten  male  einen  kritisch  sichern  boden  geschaffen  hat,  fiusebii 
chron.  bd.  11  s.  68  and  69. 

17)  Herodot  V  72. 

18)  znletzt  Curtios  gr,  gescfa.  I  s.  148;  auch  der  reoensent  in  Hayma 
prenaa.  jahrb.  bd.  I  (1868)  s.  862  ff.,  der  sonst  gerade  verschiedene  ge- 
wichtige bedenken  gegen  CurCiiia  darstellnng  der  lUtesten  spartaniadken 
gesehiohte  geltend  macht,  halt  an  dem  ▲eh&ertom  der  Herakliden- 
Könige  fest. 


€.  Wachsmuth:  der  bist.  Ursprung  des  doppdkfiBigtuins  in  Sparta.    7 


2W6«k,  den  dorischen  erohenugen  im  PelopQiipiea  anch  Ton  dieser  seile 
lier  eine  legiiunaüon  in  geben.  ^ 

Jedenfalls  l^g  es  den  Griechen  selber  ganz  fem,  aus  dieser  erdich- 
lung  die  elhnognphiscbe  oonsequenz  zu  sieben,  dass  die  BeraldideD 
Achäcur  s«den*):  von  einer  stammesTerschiedenheit  der  berschenden 
fieraUdeo  gegenfiber  den  donschen  scbaren,  mit  denen  sie  ihre  pelo- 
ponnesiscben  reiche  eroberl,  findet  sieb  nirgends  eine  sfur.  vielm^ 
wie  die  eine  pbyle,  noch  daiu  die  angesehenste  aller  dorischen  bevöll[e- 
rung,  die  der  Hylleer,  nch  gleichfalls  von  Herakles  herleitete  nnd  des- 
halb z.  b«  von  Pindar  (Pytb-  5, 68)  die  Dorer  als  abkömmlinge  des  Heralües 
und  Aegimios  (des  Talers  von  Oymas  und  Pampbylos)  bezeichnet  werden, 
so  werden  auch  die  gesamten  Sfiartaner  von  ihrem  Ziesten  uns  bekannlen 
^lichter  Tyrtlos  (ir.  11  Bergk)  als  'HpaicXf)oc  T^voc  angeredeL  daraus 
folgt  doch  zum  mindesten,  dasz  zu  der  zeit  des  Tyrlflos  die  Spartaner 
ihre  heraklidiscben  herren  nicht  vom  volke  schieden,  als  Heraklide  konnte 
mithin  Kleomenes  sich  fQglich  nicht  Achäer  nennen,  wol  aber  als  Agiade : 
und  es  liegt  hier  die  letzte  spur  vor  von  der  noch  nicht  ganz  erloschenen 
•erlnneruQg  an  den  wahren  Ursprung  der  Agiadeokönige. 

Ursprfinglich  leitete  also  nur  das  haus  der  Eurypontiden  seine  her- 
kunft  ab  von  einem  der  drei  grossen  DorerfQhrer,  von  Anstodemos,  und 
zwar  durch  die  mittelglieder  von  Prokies  und  Soos.  erst  als  die  Agfaden 
nis  herseber  der  gesamtgemefnde  neben  die  Eurypontiden  getreten  waren, 
wurde  der  stammherr  der  Agiaden  Enrystbeus  oder  Eurystbenes  zum 
zwillingsbruder  des  Prokies  gestempelt,  so  erlilin  es  sich  mithin  auch, 
dasz  die  beiden  kdidgshSuser  nicht  Prokliden  nnd  Earystheniden  hieszen, 
sondern  Eurypontiden  und  Agiaden  nach  den  beiden  herschem,  unter 
denen  die  Vereinigung  der  beiden  sondergemeinden  stattfand. 

So  nemlich  musz  man  sich  nun  doch  offenbar  die  historische  ent- 
widtelnng  denken,  neben  die  alte  achäiscbe  niederlassung  auf  spartani- 
schem boden  trat  in  folge  der  dorischen  einwanderung  eine  jüngere  dori- 
sdke  in  unmittelbarer  nachbarschaft;  beide  bestanden  —  wahrscheinlich 
in  lebliafften  feiiden  mit  einander  ringend  —  ISngere  zeit  gesondert  neben 
einander  (zwei  generalionen  setzt  die  dorische  sage  an),  bis  sie  sich  end- 
lieh anf  dem  wege  friedlichen  Vertrages  zu  ^iner  gemeinde  vereinigten. 

Aber  das  ist  das  charakteristische  und  von  allen  sonst  bekannten 
abweichende  dieses  synökismos ,  dasz  man  die  frühere  doplicitit  üi  der 
gedeppeitheit  der  herseber  aufrecht  erhielL  beide  bersoherhäuser  der 
sondergemeinden  wurden  qun  regenlen  der  vereinigten  gemeinde,  und 
-die  prachtvolleren  ehren,  welche  die  achäischen  heroenkönige  im  ver- 
gleich  mit  den  dorisohen  herzögen  genossen^},  sie  wurden  jetzt,  wo 

19)  8.  K.  O.  MfiUer  Dorier  I«  s.  49  ff.,  Preller  gr,  myth.  n  «.  178, 
Bnncker  a.  o.  s.  198  und  196. 

90)  FUlons  histeriM^  träumerei  (gesetee  HI  s.  662),  die  man  hier- 
luf  angeführt  hat,  stelU  die  sache  gerade  naagekebrt  dar:  sie  nimt  so, 
das  ganse  volk  der  Dorer  sei  achäiscb  gewesen  (es  habe  nemlich  ans 
4en  Tom  Troja  heimkeiureaden  beiden  bestanden)  nnd  Dor^r  nur  genannt 
worden  nach  dem  führer,  der  ein  Auipu^C  gewesen. 

21)  darauf  bezieht  sieh  offenbar  aneb  der  befehl  der  I^ythia  dM<PÖ» 


'8    G.  Wachsmutb:  der  hist.  Ursprung  des  doppelkOnigtums  in  Sparta. 

beide  gleichgestellt  waren,  beiden  gemeinsam  erwiesen,  so  begreift  sieb 
▼ollkommen  die  entschieden  ebenso  undorische  als  echt  achSische  würde 
der  königlichen  Stellung  in  Sparta,  die  Curtius'*)  mit  folgenden  trelTendeD 
Worten  hervorheht:  *wie  heroische  geschlechter  standen  sie  mit  unan* 
tastbaren  und  dorischer  sitte  durchaus  fremden  gerechtsamen  dem  volke 
gegenüber,  und  was  sie  an  macht  und  ehre  besaszen,  die  kriegsherliche 
und  prieslerliche  würde,  der  ehrenanteil  an  den  opfermahlzeiten ,  das 
pomphafte  leichenbegängnis ,  die  leidenschaftliche  totenklage ,  dies  alles 
wurzelt  in  einer  zeit,  welche  weit  jenseits  der  dorischen  Wanderung  liegt.^ 
so  wurden  z.  b.  aus  der  acbSi sehen  familie  der  Talthybiaden,  welche 
bisher  als  die  herolde  des  Achaerkönigs  fungiert  hatten ,  von  jetzt  ab  die 
berolde  der  gesamtgemeinde  genommen.*') 

Jetzt  erhalten  nun  auch  erst  ihr  volles  licht  die  nachrichten  des 
Ephoros,  der  auch  hier  wie  fast  überall  in  ältester  hellenischer  geschichte 
sich  als  der  tüchtigste  aller  antiken  forscher  erweist,  seine  nachrichten 
▼on  der  politischen  gleichberechtigung,  die  unter  dem  ersten  königspaar 
der  alten  achäischen  bevölkerung  erteilt  sei.'^)  auch  der  gründlichste  alte 
kenner  der  hellenischen  Staatsverfassungen,  Aristoteles,  kommt  damit  ober- 
ein,  wenn  er  sagt  dasz  unter  den  ersten  kdnigen  von  den  Spartiaten  viel 
neue  bQrger  aufgenommen  wurden.*^) 

Freilteh  können  sich  diese  bemerkungen  auch  noch  auf  einen  dritten 
bestandteil  beziehen,  welcher  gleichfalls  in  die  spartanische  gemeinde  mit 
aufgieng,  ich  meine  die  böo tischen  Minyer  oder  Aegiden.  denn  auch  diese 
wurden  von  den  Dorern  zur  isotimie  zugelassen,  das  lehrt  —  auszer  den 
directeu  erzählungen  der  sage  —  nicht  blosz  das  in  Sparta  gestiftete 
grabmal  des  mythischen  stammheros  der  Minyer,  des  KaJmos  (Paus.  III 
15,  6),  sondern  namentlich  auch  der  zug  der  sage,  dasz  eine  frau  aus 
iKadmeischem  geschlecht,  Argeia,  zur  gemahlin  des  Aristodemos  gemacht 
wurde  und  ihr  bruder  Theras  als  Vormund  der  zwiliingsbrüder  auftrat. **) 

Es  begreift  sich ,  dasz  trotz  der  vertr9ge ,  die  diese  stammverschie- 
denen niederlassungen  zu  ^iner  gemeinde  verbanden,  dieselben  nicht  rasch ' 
und  niclit  leicht  wirklich  zu  einem  einheitlichen  gemeinwesen  verschmol- 
zen, dasz  vielmehr  immer  wieder  zwischen  den  rivalisierenden  teilen  eine 
das  ganze  gefährdende  Zwietracht  ausbrach,    so  ist  uns  bestimmt  und 


TCpa  Td  iratbia  irJxi^cacOat  ßaciXdac,  ti^Üv  bi  jyi&XXov  töv  tcpairepov,. 
und  der  zag  dasz  die  frau  des  Aristodemos  den  älteren  knaben  vor 
dem  jüngeren  ehrt  (rt^dicav  töv  irpÖTCpov  xal  cCtoki  kqI  XouTpotci): 
8.  Herodot  VI  52. 

22}  gr.  gesch.  I  s.  162;  Tgl.  auch  Müller  Dorier  II*  s.  44  ff.  und 
jetzt  ^e  inaaguraldissertation  yon  Anerbach  de  Lacedaemoniomm  regi- 
bus  (Berlin  1863). 

23)  8.  Scbömann  griecb.  altert.  I*  8.  216. 

24)  Ephoroa  bei  Strabon  YIII  s.  864  diravrac  Toöc  irepio(K0uc  Cirap- 
TtOTiIiv  .  .  Icovö^iouc  cTvai  ficT^xovrac  xal  iroXtrciac  xal  dpxeiwv*  vgl. 
auch  8.  366. 

26)  Aristoteles  politik  II  9  s.  1270«  34  X^ouct  b'  die  inX  M^v  TtDv 
irpoT^puiv  ßactX^u)v  ^ercMbocav  rf\c  iroXtTc{ac.| 
26)  8.  Scbömann  gr.  alt.  I*  s.  200  und  215. 


GL  Wachsmulh:  der  bist  Ursprung  des  doppelkdnigloms  In  Sparta.     9 

glaubwürdig  berichtet*^,  dass  dieMinyer  (offenbar  unzufrieden  darüber^ 
dasz  swar  die  beiden  anderen  sUmme  iiir  liönigsgescUecbt  in  die  gesamt- 
gemeinde binübergenonunen  batten,  nur  ibnen  die  herscbaft  stammfremder 
könige  zugemutet  wurde)  aucb  ihrerseits  nach  beteiligung  an  der  königs- 
herschaft  verlangten  (Tfic  ßaaXii(r)C  ji€TaiT^0VT€C  sagt  Herodot);  von 
diesem  streben  berichtet  die  sage  zwar  ein  valiiges  scheitern,  jedoch 
scheikit  es  auch  hier  nicht  ohne  gewisse  concessionen  abgegangen  zo 
sein,  und  die  merkwürdige  erseheinung,  dasz  noch  die  sage  des  ersten 
messenischen  krieges  neben  den  beiden  königen  als  dritten  fflhrer  des 
heeres  einen  Aegiden  nennt'®),  dflrfle  als  eine  schwache  spur  dieser  con* 
cessionen  aus  spftterer  zeit  aufzufassen  sein. 

In  diese  durch  einander  gShrenden  demente,  die  sich  in  engen 
räume,  auf  der  fliehe  jietaib  BaßtiKOC  koI  Kvontiuivoc'^,  hart  anein- 
ander stieszen,  endlich  eine  feste  und  deflnitive  Ordnung  gebracht  zu  ha* 
hen,  das  ist  das  hohe  verdienst  des  Lykurgos,  der  so  mit  recht  för  den 
wahren  grdnder  des  spartanischen  Staates  d.  b.  zunScbst  der  einheitlichen 
gemeinde  gelten  darf,  auch  hierin  ein  spartanischer  Theseus:  und  das  ist 
der  sinn  der  worte  des  Thukydides  1 18  f|  AaxcbaC^uiv  M^rdt  Tf|v  iCTt* 
civ  Tuiv  vOv  £voiKouvTU)v  aÖTf|v  Aujpi^uiv  iid  nXctCTOv  div  Tcfiev 
Xpövov  CTOCiäcoco . .  €Övo)yi^Or). 


27)  Tgl.  Herodot  lY  146  ff.,  PoIySn  VIII  71,  Valerios  Maximus  IV  ^ 
txi,  8. 

28)  8.  Paus.  IV  7,  8  AaKcboiMOviotc  ^Y^'i'o  TToX^buipoc  iiiv  xordc 
TÖ  K^pac  TÖ  dptCTcpöv,  Beötrofiiroc  bi  ini  ti|i  bcHKt»,  t6  iUcov  hk  ctxcv 
€öp\)X^iuv,  T&  ^^v  napövra  AaK€^al^6vloc ,  t&  IE  dpxfjc  hi  dir6  Kdb^ou 
xal  i%  BiißtZiv,  Alt^iuc  toO  OIoXOkou  toO  9f)pa  toO  A()T€c{iuvoc  dirÖTO- 
voc  ir^uirroc. 

29)  was  unter  Babyka  und  Knakion  zn  verstehen  sei.  war  bereit» 
im  altertnm  strittig  nnd  ist  es  bei  den  neueren  erst  recnt  geworden; 
8.  Oöttling  ges.  abhandlnngen  I  s.  340  ff,  und  die  hier  s.  344  angeführ- 
ten Leake  nnd  Hüllmann,  Urlicha  im  rhein.  museum  VI  (1848)  s.  214 
und  Cnrtins  Peloponnesos  H  s.  237  f.  worauf  es  vor  allem  ankommt, 
ist,  was  die  worte  in  Plntarchs  Pelopidas  17  ^eivn  i\  )i'äLXf\  ttp^irrt\  xal 
Toiic  dXXouc  ibiboScv  "CXA^vac,  die  oöx  6  CöpUirac  oCib*  6  fiCTaSd  Ba* 
pOxac  xai  KvaxidSivoc  töttoc  fiv8pac  ^xcp^pci  jnaxii'rdc  xal  iroXcfii* 
KoOc  lehren,  dasz  nemUch  mit  Babyka  and  Knakion  nicht  die  grenzen 
für  den  volksTersamlnngsraum,  sondern  die  grenzen  des  spartani- 
schen Btadtgebietes  gegeben  sind  (wie  schon  Urlichs  s«  216  richtig- 
bemerkte), und  zwar  giengen  bis  znr  Babjkabrücke  im  norden  die 
sitze  der  Agiaden,  bis  znm  Knakion  im  süden  die  der  Eurypontiden.. 
wenn  also  die  Lykurgische  rhetra  vorschreibt  dircXXdZctv  ^craSO  Baßi}* 
xac  TC  Koi  KvaKid^voc,  so  heiszt  das  eben  die  gesamte  anf  dem  sparta- 
nischen Stadtgebiet  angesessene  bevdlkemng  (mdgen  sie  hier  oder  dort 
sitzen,  d.  h.  Achäer,  I)orer  oder  Minyer  sein)  als  ^ine  gemeinde  ver* 
sammeln. 

Mabburo*  Cubt  Wachsmuth. 


10    H.  Scbweiser^Sidter:  die  fonnale  bUdung  durdi  die  dass«  spraohen. 

DIE  POBMALE  BILDUNG  DUBCH  DÖS  ANTIKEN 

CLASSISCHEN  SPEACHEN. 


Der  ttiiurseichaete  sleUie  In  der  versaliiHig  der  aohvreizeriicfaeii 
^ymnaitaUehrer,  welche  «m  13ii  eeiaber  1867  in  Scbaflbaiisen  sunfand, 
folgende  tbeie  auf:  ^nodi  heule  gut  dar  aatz,  4aiS  die  aken  apraohen  ekt 
gan«  v^MTcOgiiches  miUd  fdr  formale  bildong  seien;  aber  daa  formale 
muai  tiefer  gef aaat  werden.'  er  begrCtadete  diese  these  uagofUir  ao : 

Der  salz ,  dasz  das  lehren  und  lomen  der  alten  sprachen,  daas  <lber- 
liaupt  das  einfahre  ins  allertum  eia  hauptmittel  der  jugenÄüdong  sei, 
und  damit  die  Verwendung  dieses  Uttlasiitteb  In  gymnaaien  wird  nicht 
-erst  heote  —  frcdieh  gar  oft  von  soldien  wdche  ^roo  p&dagogik  über- 
haupt wenig  verstehea  —  angegrüfea;  ähnliche  sthnmen  wurden  schon 
vor  jAitenderten  laut,  wol  mdgen,  Mrt  man  etwa,  solche  atndien  im 
mittelalter  recht  wesenü&ch  gewesen  sein ,  um  mit  ihrem  lichte  das  dnn- 
ktl  der  barbarei  tu  veracheuchea;  aber  in  unserer  zeit  sind  die  wissen- 
«diaften  zu  solcher  höbe  und  solbsUhidIgiceit  «atwicfcek,  dasz  humamtit 
nicht  mehr  dort  zu  suchen  ist;  und  ehriidiere  meinen  auch  wol,  die 
bildung  durchs  altertum  bringe  unserm  gewerbreichen  leben  gar  wenig 
nutzen,  dem  bat  man  entgegen  gehalten,  jene  Studien  gew&hren  denn 
doch  formale  bildung:  für  solche  sden  die  antiken  sprachen  und  litte- 
raturen  der  eminentesten  vfilker  und  mathematik  die  geetgnetsten  Stoffe, 
was  man  unter  solcher  formalen  bildnng  verstehe,  ist,  meinen  wir, 
sdlen  genau  bestimmt,  sehr  oft  durch  lebendige  beispiele  balbwegs  be- 
wiesen worden,  und  eine  solche  vertheidigung  konnte  philokigeii  wie 
Böckh  wenig  befriedigen,  er  gab  in  seinen  herUchen  vorleaongen  über 
«ncydopftdie  nnd  methodologie  der  pbilologie,  welche  einem  weitem 
kreise  nicht  Mnger  vorenthalten  wenien  sollten,  nur  so  viel  zu,  das 
Studium  der  alten  könne  auch  formal  bilden,  wie  geschichte,  wieder 
Unterricht  in  der  multarspraohe  usw.,  die  hauptaache  aber  sd,  dasz  das 
Rassische  dtertum  die  ^ine  h&lfte  der  entwicklungagesdiidite  der  mensch- 
bdt  sei,  dasz  In  ihm  die  fortdauernde  grundlage  unserer  gesamten  bildung 
gesucht  werden  mflsse,  dasz  in  seiner  kunst  und  poesie  ewige  muster 
vorleuchten.  jedesfalls  mdnte  Böddi,  dasz  den  knaben  und  jönglingen 
die  thore  zum  ganzen  tempd  geöflbet  werden ,  nicht  aber  nur,  wie  efaiige 
neuere,  zur  politischen  seite  des  anüken  lebens,  was  allerdings,  faszt 
man  die  sache  im  sinne  von  Herbst,  sehr  bedeutsam  sein  kann;  jedesfalls 
mdnte  Bdckh,  es  könne  das  wesentlich  nur  durch  die  dasslachen  spra- 
chen hindurch  geschehen,  wdche  er  das  zarteste  und  feinste  erzeognis 
des  antiken  geistes  nannte;  jedesfalls  meinte  er,  dasz  die  geister  in  ihrem 
schaffen  und  formen  erkannt  werden  sollen,  er  fflgte  auch  wol  bd,  dasz 
der  knabe  und  jQngling  sich  am  natürlichsten  an  ehier  so  natürlichen 
Entwicklung,  wie  es  z.  b.  die  griechische  sei,  heranbilde,  wir  wollen 
aber  heute  nur  von  den  antiken  sprachen  reden  und  setzen  voraus, 
dasz  keiner  unter  uns  sei,  der  nicht  in  der  bildung  durch  das  altertum 


IL  Schweicer-SidBer:  die  formale  büdimg  dureh  die  cliss.  spräche«.    11 

dberfaaupi  wirklich  eine  l>UdH]ig  zur  tamanat  ia  Üefenn  tinoe  dee  wer- 
tes «ehe,  eiacB  weg  cor  atifUiriuig  Ober  des  meMchen  nngea  imd  selae 
beaÜBBaBg.  wir  betrachUp  uastr  formal  aedh  aa,  wir  wollen  mcht 
dast  imeere  aohAler  nur  darum  end  deswegen  nur  aosserUch  die  allen 
sprachen  eiteven«  un  die  teite  der  sehrifUteller  am  ende  nicht  anders 
als  ubersetsungen  zn  lesen* 

SdMw  In  den  eraten  jähren  des  gjmnaaialunterrichu  ist,  namenüich 
in  der  Schweix  wo  die  Icnahan  meist  erst  zwölQahrig  in  die  gymnasien  ein- 
tretoB,  fir  formale  bOdong  d.  h.  ffir  die  erkennlnis  der  formung  durch 
den  mcBschlicfeen  geist  und  in  demsdben  vieles  xu  thun.  mit  der  ersten 
▼ocabel,  mit  dem  ersten  einsiUiigen  subslanlimm,  der  ersten  einfachen 
verfaallorm  lernen  unsere  jungen  eine  eigentümliche  und  bedeutsame  com- 
position  iLonnen,  eine  composilion  aus  einem  nennenden  und  deuten- 
den teäe  (Cttrtius),  aohon  eine  fmeht  klarerer  gebüger  anschsuung,  eine 
plastische  form,  wir  wollen  nun  nicht  etwa^  dast  man  ihnen  hier  gleich 
weitläufig  entwickle,  wie  der  benennende  teil  eigentlich  ein  merkmai  und 
nur  ein  mericaMd  eines  gegenständes,  einer  thatigkeit  aussage,  wie  der 
menschliche  geist  aber  notwendig  mit  dem  einzeban  die  art  erfasse,  wie 
fiberhaopt  nur  die  art  im  worle  beseiohnet  sei ;  aber  bald  genug  wird  es 
möglich  und  thunlich  sein  die  etymologie  in  ^esem  sinne  tu  benutsen: 
fong  ist  *das  (der)  giestende',  nicht  'die  quelle*,  nicht  *der  brunnen% 
imor$  ist  'die  termalmung',  nicht  *der  tod,  die  Terhauchung',  equus  ist 
'der  schndie'  und  aqua  'die  schnelie',  avis  'die  schwebende',  wie  oiw- 
VÖC  'der  schwebende',  dies  und  Zevk  sind  'die  leuchtenden'  usw.  neben 
unnuttelbarcn  nominalbildungen  findet  der  schfiler  mit  seinen  decHna- 
tionssUmmen  auf  aoiu  nicht  nur  Überleitungen  in  das  gebiet  dieser 
yocaie^  sondern  stamme  mit  deutendem  ausdruck»  er  tritt  an  das 
geschlecht,  eine  ästhetische  formung  (Steinthal),  an  den  numerus,  welcher 
durduus  nicht  durch  ein  nennendes  teichen  vertreten,  sondern  rein 
geistige  formung  ist  (gegen  Hat  Müller),  an  die  casus,  schon  der  nomi- 
nativus  ist  eine  feine  Schöpfung,  ein  casus  des  subjectes  und  im  adjec- 
tivum  in  strenger  gleiohmlszigkeit  auf  das  substantivum  betogen;  dem 
gegenüber  der  accusativus,  mit  dem  einlachen  zeichen  -m  das  object  im 
eigentlichen  sinne  emführend,  auf  den  gegenständ  weisend,  den  die  tha- 
tigkeit übenehlägt  und  umfaszt,  und  mit  demselben  tekhen  erscheint 
das  nentrum  schon  im  nomlnatm»,  weil  selbitandigkeit  mangelt,  im 
lateinischen  ablativus  tritt  dem  sdiüler  eine  neue  erschtinung  entgegen, 
und  wie  vieles  ist  darin  schon  appercipiert!  einmal  ein  ablativus  mit 
verben  wdehe  eine  Crannung  bezeichnen,  dann  ein  instrumentalisl  und 
schliesslich  ein  ruhdocativus.  am  änszerlichsten  steht  der  eigentliche 
ruhelocatsvus  in  eigener  form  mit  i  da,  aber  nur  noch  in  wenn  auch  recht 
deutlachen  spuren,  wie  innerlich  und  Innig  dagegen  der  dativus!  die 
thatigkeit  nchtet  sich  nach  einem  selbsUndig  bleibenden  gegenstände  hin, 
der  gegenständ  wird  ins  inttresse  gezogen,  endlich  im  genetivus,  T^** 
vtiofj,  ist  ein  reiches  feld  bezeichnet,  auf  dem  etwas  ruht  oder  sidi  be- 
wegt, eigentlich  ein  adnominaler  casus,  im  adjecUvum  selbst  seiner  form 
nach  (Höfer,  Kuhn,  Curtins).    im  pluralis  werden  die  casosformen  mi' 


12    H»  Schweizer-Sidler:  die  formale  bilduog  durch  die  class.  sprachen. 

'  deutlicher,  die  Griechen  hatten  einst  alle  diese  casus  auch,  und  tritt  der 
Schüler  an  die  griechische  grammatik ,  so  wird  er  zur  vergleichung  ge- 
drängt, in  denjenigen  casus ^  welche  jene  behalten  haben,  müssen  die 
verlorenen  appercipiert  sein,  im  genetivus  geht  der  eigentliche  lateinische 
ablativus  auf,  im  dalivus  der  instrumenlalis  usw.  die  pronomina,  vor  allem 
die  sogenanulen  persönlichen,  künden  sich  durch  ihre  dedination  als 
etwas  besonderes  an,  und  nie  haben  wir  es  vermocht  hier  etwas  von  be- 
nennung  zu  sehen,  grosze  abslraction  verrflth  sich  in  den  numeralien, 
welche  eben  darum  wie  die  pronomina  von  den  jungen  so  leicht  wieder 
vergessen  werden,  ist  es  nicht  ziflTernartig,  wenn  von  fünf  der  erste 
teil  genommen  wird,  um  mit  dem  zeichen  für  zwei  zusammen  jEehn  zu 
bezeichnen,  wenn  vom  worte  für  zehn  wieder  der  zweite  teil  gewählt 
wird,  um  in  neuer  Zusammensetzung  zwanzig,  dreiszig  usw.  auszu- 
drücken ,  wenn  endlich  hundert  nur  wieder  zehnheit  aussagt ?  und 
wie  altertümlich  die  dedination !  in  viginii  scheint  ein  uralter  dual  zu 
stecken ,  in  iriginta  usw.  uralle  plurale  (Gorssen ,  gegen  Bücheier). 

Das  verbum  tritt  sofort  hervor,  wenn  an  die  wurzel  das  erste  pro- 
nomen  personale  tritt ,  und  mit  dem  wort  ein  satz.  der  pluralis  scheint 
hier  nicht  derselben  art  zu  sein  wie  im  nomen ,  wenn  die  erklftrung  aus 
doppeltem  pronomen  gerechtfertigt  ist  (eine  andere  allerdings  sehr  scharf- 
sinnige ,  aber  viel  künstlichere  deutuug  versucht  neuestens  Benfey).  dann 
treten  die  fast  allein  herschend  gewordenen  formen  mit  dem  sogenannten 
bindevocal  auf,  welche  Gurtius  trefflich  und  wahr  als  thematische  for- 
men bezeichnet  und  welche  schön  Steinthal  mit  den  thematischen  formen 
der  nomina  auf  -a  verglichen  hat;  und  gehen  wir  noch  weiter,  so  finden 
wir  neben  den  allereinfachsten  gestalten  diejenigen  auf  -<o,  -tfo,  -ittio, 
'io  (cupio)^  vor  ihnen  noch  die  reduplicaticm  in  hibo  u.  a.   auch  Gurtius 
hat  jetzt  die  symbolische  deutung  aufgegeben  und  sieht  in  den  bildungen 
auf  -HO  'flu  analoga  der  nominalen,    wie  natürlich  nun ,  dasz  allmählich 
so  geschwellte  formen  zum  ausdrucke  der  dauernden  handlung  sich  be- 
festigen, neben  denen  vnirzelformen  die  momentane  ausdrücken !   freilich 
wird  das  erst  Im  griechischen  unterrichte  klar  werden  können,   die  dau- 
ernde und  die  momentane  handlung  können  in  die  Vergangenheit  treten, 
indem  ein  betontes  ^invocalisches  und  einsilbiges  pronomen  demonstr. 
davor  tritt;  aber  der  ästhetische  formungssinn  verlangt  nun  Verkürzung 
der  endung.   das  latein  hat  sein  augment  verloren,  und  hier  finden  wir 
dem  lateinischen  Charakter  sehr  angemessen  klare  Zusammensetzung  der 
thematischen  form  mit  einem  Vertreter  des  begriifes  *sefn'.    wiederum 
«ine  neue  geistige  that  ist  die  gestaltung  des  ausdruckes  für  die  bestimmt 
vollendete  handlung  durch  die  eigen  geformte  reduplicatlon.    aber  nun 
ist  die  innere  temporalschöpfang  vollendet,    die  zusammengesetzten  for^ 
men,  so  Interessant  sie  sind,  verfolgen  wir  hier,  wo  wir  überhaupt  nur 
bei  spiele  geben  wollen,  wie  der  Unterricht  in  den  antiken  sprachen  zur 
Anschauung  des  geistigen  formens  führen  könne  und  solle,  nicht  weiter, 
der  ausdnick  der  zukunft,  wo  er  genauer  Ist,  flllt  ins  gebiet  des  modus, 
neben  dem  imperativus  sind  von  demselben  in  recht  alter  zeit  schon  zwei 
«rten  gesullet,  die  eine  (Gurtius)  angelehnt  an  die  thematische  a-form, 


H.  Scbweizer^Sidler:  die  formale  bildung  durch  die  class.  sprachen.     13 

die  andere  eine  förmliche  xusammenseLzung  mil  einem  rerlialsUunme. 
das  feine  griechisch ,  das  vorwiegend  die  conjugation  ausgebildet  hat,  hat 
conjonctiviis  und  optativus  behalten  und  geistig  erfOilt,  das  deutsche  und 
nach  unserer  Überzeugung  auch  das  lateinische  hat  sich  an  dem  ^inen 
genflgen  lassen,  das  sogenannte  medium,  viel  sinniger  von  der  indi- 
schen grammatik  ätraanepadam  genannt,  ist  allgemein  indogermanisch 
gewesen;  warum  und  wie  es  sich  im  barytonen  lateinischen  zerschellie, 
ist  nicht  schwer  einzusehen,  seine  bildung  beruht  offenbar  auf  der  zu- 
sauEimensetzung  der  personalzeichen,  aber  das  passivom  ist  eine  gestal- 
Uing  der  gesonderten  sprachen,  diese  kategorie  ist  also  erst  relativ  spät 
bestimmt,  es  ist  der  beachlung  werth,  dasz  sie  vom  medium  ausge- 
gangen ist,  und  der  medialbegriff  tritt  ja  auch  im  lateinischen  in  der 
Zusammensetzung  mit  dem  refleiiven  pronominalslamme  hervor  (oder 
vielmehr  ist  es  eine  rein  Auszerliche  Zusammenstellung  des  activums 
mit  dem  fraglichen  stamme),  nur  von  hier  aus  erkllrensich  die  lateini- 
schen deponentia.  ein  groszer  unterschied  besteht  zwischen  lateinisch 
und  griechisch  im  umfange  der  nominalformen  der  coigugation.  nicht 
nur  ist  das  lateinische  um  das  supinum  und  gerundium  reicher,  es  bildet 
auch  die  zweite  person  pluraüs  im  passivum  mit  einem  nomen,  mit  einem 
participium;  denn  an  solchem  Charakter  von -mino,  -mtm  zweifelt  wol 
kein  einsichtiger  mehr,  die  bildung  des  infinitivus  ist  in  den  indoger- 
manischen sprachen  fiberall  der  declination  entnommen,  entweder  accu- 
sativus  oder  meist  dativus,  dieses  enlsdiieden  im  lateinischen,  noch 
klarer  sehen  wir  beim  supinum,  dasz  "iisjum  accusativus,  -((s)tf  ablativus 
von  Substantiven  auf  »tu  sind,  und  will  man  immer  fort  noch  das  supi- 
num als  grundform  ansetzen,  dann  soll  man  rechtzeitig  den  schfller  auf 
die  seh  ein  Wahrheit  aufmerksam  machen;  vollends  aber  unrecht  ist  es 
auch  den  infinitivus  als  Stammform  aufzuführen  und  damit  dem  jungen 
entweder  eine  ganz  falsche  ansieht  über  die  bildung  der  coojugations- 
formen  beizubringen  oder  ihn  gedankenlos  zu  machen,  die  schule  soll 
nicht  wissentlkh  gegen  den  geist  sündigen,  noch  nicht  über  alle  zweifei 
erhaben  ist  die  bildung  des  gerundiums  (Curtius,  Corssen),  aber,  sei  es 
nun  das  neutrum  eines  adjectivums  auf  'do  oder  ursprünglich  -Jo,  es  ist 
nicht  von  anfang  an  passiv,  sondern  bezeichnet  eigentlich  was  zur 
bandlung  gehört  oder  was  die  handlung  ins  werk  setzt,  diejenige  un- 
regelmSszige  conjugation,  welche  durch  Zusammenordnung  mehrerer  ver- 
balwurzeln entsteht,  ist  eine  recht  sinnige  Schöpfung,  indem  die  einen 
wurzeln  schon  als  solche  mehr  das  dauernde  oder  mehr  das  momentane 
ausdrücken  usw.  (Curtius). 

Die  Wortbildung  Iflszt  uns  oft  den  vermittelnden  geist  sehen,  das 
suffiz  'iar  bezeichnet  den  persönlichen  Vollender  einer  handlung,  und 
aus  dem  gleichen  sprachstoffe  das  neutrale  -trumy  mit  lautlichen  Ver- 
änderungen 'brumj  'Crum^  -du/tfiit,  -culum  (Kuhn,  Ascoli),  das  mittel 
usw.  für  die  syntax  weisen  wir  nur  auf  die  verbalkraft  und  deren  ein- 
flusz  auf  die  structur  hin  und  heben  für  den  abhängigen  satz  die  feinheit 
und  die  innere  fülle  der  partikeln  hervor,  in  der  etymologie  liegt  auszer 
4er  granmiatik  ein  reiches  feld  vor,  um  die  formungen  des  menschlichen 


14    H.  Sdiweizer^^dler:  die  fonnale  bilduog  dnJdi  di«  dass.  spracfaeo. 

gftistes  im  allgemtintn,  ^^  Tolltigeistes  im  besondeni  eoneret  Mdizn* 
weisen,  haben  wir  die  «rtie  aiachauuBg  entdeckt,  so  sehen  wir,  wie  da 
der  geist  appercipiert,  wo  gleich,  wo  nngleiob,  wo  Ihnttch,  wo  «nlh»- 
lich  (vgl.  die  tetsressanien  nnttrsuehongen  Ten  Fulda,  x.  h.  tAer  Xdfi^). 
wir  dflrllBn  «fis  nicht  mit  der  obedllchlieheB  tfaersetaiinj;  begnCigai,  Mil- 
dem bähen  möglichst  in  die  Tcrdiobtung  des  gedinw^Mii  einsadringen,  die 
metaphem,  wenn  ich  mich  eo  aasdrfloken  darf,  iMii  de»  versdiiedcnen 
Völkern  ala  Teraahiedeae  zu  begreifen,  man  vergleiche  die  iOlle  der 
entwickinng  in  fides,  nreprAngftieh  ^bindung',  in  reHgkf,  raUo^mw.  (Na- 
gelsbach), die  metaphern  in  fiaffrarCy  ambusius  nsw.  hei  dem  eisen 
Volke  herscht  das  anbstenlivische,  bei  dem  andern  das  verbale  vor  nsw. 
(Nägelsbacb),  und  da  lassen  sich  treffliche  Ibnnflhungen  anstellen,  setz 
und  Periode  bieten  vHedemm  reiche  gdegenheit  zur  fruchtbaralett  sucht, 
und  dimn  vollends  die  ganze  composiUon,  welche  uns  stamme  und  zeiten, 
die  gattungen  und  die  indtvidoen  abspiegelL  tief  eingreifend  und  teil- 
nähme erweckend  mflssen  beispielBweiBe  angebrachte  darlegungen  der 
imiem  gesetze  der  rhetorik  und  poetik  vKm  den  einzelnen  figuren  bis  za 
ehiem  ganzen  bau  seUi,  wozu  uns  die  feste  gestaltuog  der  altmi  kunst- 
werke  vorzugsweiee  befähigt. 

Doch  wir  woHen  nidit  zu  weitifiufig  werden  und  nur  noch  die  frage 
aufwerfen,  ob  all  dieser  gewUm  nicht  auch  durch  den  untenricht  im  deut- 
schen und  etwa  andern  modernen  sprachen  geboten  werde,  dinmd  ist 
uns  unsere  muttersprache  bekannt  und  fremd  zugleich,  und  das  Aremde 
daran  interessiert  zunächst  nicht,  es  interessiert  uns  erst  denn,  wenn  wir 
vergleichen  können,  anderseits  ist  zwar  das  deutsche  original,  und  die 
grundlage  der  antiken  sprachen  ist  auch  die  seinige,  aber, selbst  in  dessen 
Mtesten  formen  ist  diese  grundlage  nur  teflweise  noch  erkennbar,  erst 
auf  dem  gründe  des  vollkommenen  reichtums  gewinnt  das  deutsche  klar» 
heit,  scliirfe  und  tiefs.  noch  weniger  gewhmen  wir  so  grosses  z.  b.  aus 
den  romanischen  spradien.  die  alten  formen  sind  zerschellt,  die  entwich* 
lung  der  mschauungen  ist  abgebrochen  und  oft  ganz  zerstöit.  natürlich 
sind  diese  sprachen  im  höchsten  grade  auch  als  pädagogisches  mittel 
imserer  beaditung  werth  -—  von  der  tttteraliir  und  dem  praktiscben 
nutzen  spreeiMn  mr  nicht  — ,  aber  formend  im  tiefem  sinne  des  wertes 
wirken  sie  na  der  schule  nur,  vi^nn  der  Unterricht  in  ihnen  auf  die  anti* 
ken  basiert,  wem  Me  mit  diesen  innerüch  verglichen  werden. 

ZObIOB.  HbXKBIOB  äOHWSlZBB-SXDLSR. 


tm-^ 


C.  Balle :  Pnidarot  «ehu  aeoidsche  ole.  15 

8. 

PmDAKOS  ACHTE  NEMEISCHE  ODE. 


Ir.  FrUdrich  Mezger  hat  in  cttese»  jafarMdicrn  1867  s.  385  ff. 
eine  erUlruig  iMd  darauf  beroheMle  datiemag  der  achleo  nemeiaeiien 
ode  Füidbri  gegdbea,  die  dcijenigeB,  welche  Ich  mir  gebildet  habe^  auf  der 
^iam  3eite  <e  nahe  konait,  dus  ich  tet  jedes  wort  derselben  unter« 
schreiben  Unnte,  anderseiCa  aber  di%  gawe  AHe  der  in  dem  genannten 
gediohte  entballenen  beuekungen  mir  keinefwega  eraehepft  xq  haben 
schelBL  er  aetit  dasselbe  in  die  zeit  der  beginnenden  Perserkrieg«,  ge- 
nauer in  daa  jähr  492.  Aegina  hat  den  gesandten  des  groszkteigs  erde 
und  wasaer  gerelchi  und  dadurch  den  Athenern  erwOnscbten  anlasz  gege- 
ben Spartas  hfllfe  gegen  sie  als  rerrilher  Grieehenlands  anfrarufen. 
Kleemenea  ist  gekommen  um  die  angesehensten  bOrger  als  geisein  fertzu- 
führen;  id^er  an  dem  entneblosscnen  widerstände  derselben  ist  sein  Tor- 
haben  gcacheiterU  hier  differieii  meine  ansieht  ein  wenig  von  der  Mez* 
gers:  wehrend  ich  das  gedieht  aua  ^pMer  anzullhrenden  grinden  sehen 
in  diesen  zeitpunct  rersetze,  will  er  es  lieber  noch  etwas  hinahrücken  in 
die  zeit,  wo  dem  Kleemenea  ein  a weiter  verasch  beaaer  gelangen  und 
*zehn  der  vornehaMten  in  fesseln  weggeschleppt  worden  waren'  -^  *waa 
wegen  der  tiefe  der  daa  gedieht  durchziehenden  klage  wahrscheinlicher 
ist',  ich  sehliesze  dagegen  aus  unserer  ode  auf  eine  andere  historische 
th«tsache,  die  uns  somt  glnslich  u^ekannt  geblieben  isL  Alben  hat 
nicht  blosz  in  Sparta  die  Aegineten  verklagt,  es  hat  einen  gleichen  schritt 
bei  den  preisrtchtem  gethan,  welche  um  diese  zeit  den  nemeischen  spie* 
len  Torstanden ;  es  hat  darauf  angetragen  und  ist  damit  vermdge  Spartaa 
Unterstatzung  durchgedrungen,  dasz  der  Aeginete,  welcher  in  den  eben 
stattfindenden  apielen  den  preis  im  lauf  davongetragen,  um  des  verralbes 
seiner  Vaterstadt  wiUen  dieses  preises  fUlr  verhutig  erkllrt  worden,  dieser 
Aeginete  aber  war  Megas,  der  vater  des  Deinis,  welchem  das  vorliegende 
gedieht  gewidmet  ist% 

Eine  solche  bypelhese  hat  an  sich  nichts  unwahrscheinliches;  zahl- 
reiche  beispiele  kdnnen  wir  dafür  beibringen,  dasz  eine  einzelne  Stadt 
durch  die  kampfrichter  van  der  ehre  an  den  spielen  teil  au  nehmen 
aosgesdilossen  wurde,  kein  triftigerer  gruad  konnte  aber  dafOr  erdacht 
werden  ala  verrath  am  gemeinsamen  vaterlande,  waren  also  die  Vorsteher 
der  spiele  antipersiach  geainnt,  mit  anderen  worten  standen  sie  in  btoih 
nie  oder  abhSngigkeit  von  Spnta  oder  Athen,  so  ist  eine  ausscklieszung 
der  Aegineten  nicht  nur  wahrscheinlich,  ich  wage  zu  behaupten,  so  ist 
daa  gegentefl ,  so  ist  ihse  Zulassung  geradezu  undenkbar,  ja ,  wuren  sie 
zngehmn,  hatten  die  spteleün^en  anfting  genommen,  ehe  die  anklage  ge» 
gen  die  Mrrlther  lommUert  wovden  und  begründet  gefunden  war,  hatte 
etwa  einer  der  ezdudterten  inzwischen  einen  sieg  erfochten ,  so  konnte 
es  gar  nicht  ausbleiben,  dasz  letzterer  dusch  fmerlidies  urteil  der  Hehler 
eaasiert  wurde,  und  dies  ist  geschehen,  daher  kam  es  dasz  Didymos  in 
den  nemeischen  siegerlisten  w«der  dea  Megu  noch  des  Deinis  namen  hni; 


16  C.  Bulle:  Pindaros  achte  Demeische  ode. 

olchl  des  Deinis,  denn  dieser  halte,  wie  wir  sehen  werden,  gar  nicht  in 
X^emea  gesiegt  —  nicht  des  Hegas  y  denn  sein  name  war  gar  nicht  in  die 
Verzeichnisse  eingetragen,  war  durch  keine  hildseule,  durch  keine  Inschrift 
2u  Nemea  verewigt  worden,  sehr  mit  unrecht  schlieszt  man  daher  aus 
^em  fehlen  dieser  namen  auf  die  mangelhaftigkeit  der  nemeischen  sieger- 
listen ;  auch  keiner  der  anderen  gründe,  die  daf Ar  beigebracht  werden,  ist 
triftig,  was  will  denn  das  sagen,  dasz  nach  Asklepiades  Alkimidas,  des 
Tkeon  söhn,  in  ihnen  ein  Kreier  genannt  wurde,  während  aus  Pindars 
.gesang  (Nemea  VI)  unzweifelhaft  herrorgeht  dasz  er  Aeginete  war?  nichts 
folgt  daraus  als  dasz  der  Kreier  Alkimidas,  der  söhn  des  Theon,  eben 
ein  anderer  war  als  der  Aeginete  Alkimidas,  dessen  vater  wir  gar  nicht 
Jcennen.  oder  ist  es  unwahrscheinlich  dasz  zwei  leute  die  Alkhnidas 
hieszen  zu  Nemea  siegten?  oder  ist  die  akribie  der  alten  grammati- 
fcer,  insbesondere  des  Asklepiades,  so  über  allen  zweifei  erhaben,  dasz 
man  ihm  eine  solche  Verwechselung  gar  nicht  zutrauen  darf?  und  wenn 
ferner  in  der  datieruug  von  Nemea  VII,  die  sich  auf  die  siegerlisten  stützt, 
«in  fehler  vorliegt,  ist  es  da  nicht  ebenso  klar,  dasz  wir  es  mit  der  ver- 
hallhoroisierung  eines  voreiligen  correctors  zu  thun  haben,  wie  dasz 
überhaupt  ein  fehler  vorhanden  ist?  *  zuerst  hat  Sogenes  von  den  Aegi- 
neten  als  knabe  im  fünfkampf  gesiegt,  in  der  14n  nemeade;  es  wurde 
aber  der  fünfkampf  eingeführt  zuerst  in  der  13n  nemeade.'  die  14e  ne- 
meade ist  unsinn,  denn  sie  fallt  lange  vor  Pindars  gehurt;  wir  verdanken  sie 
einfach  einem  flüchtigen  leser,  der  den  zusatz  AiTtvtiTiIlv  im  ersten  satze 
übersah  und  in  seiner  Weisheit  es  sehr  einleuchtend  fand  dasz,  wenn  der 
fjQnfkampf  in  der  13n  nemeade  eingeführt  sei,  der  erste  sieg  in  demsel- 
ben nicht  in  der  54n ,  wie  er  nach  Hermanns  datierung  geschrieben  vor 
sich  sah,  sondern  in  der  14n  stall  gefunden  haben  müsse:  so  änderte  er 
getrost  vb'  in  iV  um.  denn  warum  Leopold  Schmidt,  der  (Pindars  leben 
und  dichtung  s.  483)  dies  Verhältnis  ganz  überzeugend  auseinandersetzt, 
schlieszlich  doch  'ein  anderes  lieber  glaubt',  nemlich  dasz  unser  corrector 
<die  zahl  14  ganz  eingeschwärzt  und  weder  54  noch  eine  andere  ur- 
sprünglich statt  ihrer  gelesen  habe,  vermag  icli  nicht  einzusehen,  da  ich 
«ben  seine  ansieht  von  der  mangelhaftigkeit  der  nemeischen  Verzeichnisse 
nicht  teile,  am  wenigsten  maclit  er  mir  dieselbe  dadurch  glaublich,  dasz 
•er  sich  auf  ihre  seltene  (dreimalige)  benutzung  seitens  der  scholiasten 
beruft,  freilich  werden  die  olympischen  und  pythischen  öfter  citiert; 
al>er  nicht  allein  ist  die  zahl  der  olympischen  und  pythischen  öden  gröszer 
;iAb  die  der  (wirklich)  nemeischen,  deren  ja  höchstens  acht  sind;  sondern 
und  vor  allem,  wie  ungleich  vollständiger  und  sorgfältiger  sind  uns  die 
«cholien  zu  jenen  als  zu  diesen  gesängen  Überliefertl  also  an  der  rich- 
ligkeit  der  Didymeischen  notiz  dürfen  wir  mit  vollem  fug  festhalten,  ohne 
deshalb  die  nemeischen  Siegerverzeichnisse  der  Iflckenhaftigkeit  zu  zeihen, 
mit  gutem  rechte  bat  dann  aber  auch  Vauvilliers,  dessen  werte  ich  leider 
nur  aus  Schmidts  buche  kenne,  darauf  das  Verständnis  der  ganzen  ode  xu 
bauen  gesucht,  freilich  ohne  wie  ich  glaube  den  nagel  auf  den  köpf  zu 
treffen,  ich  citiere  ihn,  wie  er  von  Schmidt  s.  432  anm«  2  citiert  wird: 
Vt^8  et  Dinias  ont  remport^  la  victoire;  on  n*a  pas  os^  leur  refuser  la. 


C.  fidle:  Pindaros  achte  nemeische  ode.  17 

«ouronne  en  pr<^sence  de  toul  le  peiiple,  mais  one  injusUce  qui  n'a  pu 
^tre  pr^parto  que  par  TeDYie,  qui  n'a  pu  ötre  coosoiDm^  que  par  un  ju- 
gement  iaique,  leur  a  enler^  par  une  auppreasion  seor^e  ies  mooumeDU 
<qui  devaieut  immortaltser  leurs  noms.'  das  ist  denn  nun  freilich  keine 
sehr  wahrscheinliche  combinalion ,  und  ich  hoffe ,  die  meinige  wird  bean* 
«pruchen  könoeii  sowol  in  sich  begründeter  zu  sein  ala  auch  in  den  zeit- 
unsllnden^  von  denen  ich  sie  begleiten  lasse,  einen  leidlich  festen  boden 
2U  finden. 

Um  dies  zu  zeigen  musz  ich  indes  an  einiges  wieder  erinnern  ^  was 
Mezger  bereits  für  unsere  gemeinsame  datierung  vorgebracht  hat,  und 
anderes  hinzufügen,  neben  legina  und  den  anderen  inseln  war  es  be* 
kanntlich  vornehmlich  Theben,  welches  den  persischen  plftnen  willig  ent- 
gegenkam, eine  handlungsweise  die  sich  aus  dem  gemeinsamen  hasse 
beider  Staaten  gegen  Athen  zur  genüge  erklärt,  wie  intim  ihr  Verhältnis 
zu  einaader  schon  seit  einiger  zeit  gewesen ,  läszt  sich  recht  anschaulich 
aus  der  erz&hlung  bei  Herodot  V  79  ff.  erkennen,  auf  der  andern  seite 
hielt  Koriuth  während  dieser  ganzen  zeit,  insbesondere  wo  es  galt  Aegina 
zu  schaden,  aufs  engste  zu  Athen,  zwischen  ihm,  Argos  und  Kleonä 
schwankte  aber,  wie  wir  aus  den  Pindarischen  schotten  und  sonsther  wissen, 
die  vorsteherschaft  in  den  nemeischen  spielen:  irpo^crncov  bk  toO  ätui- 
voc  Kai  "Apreioi  Kai  KopivOtot  Kai  KXeuivaiöt . .  npodcTiicav  bk  toO 
dtti&voc  TrpulTOi  ^^v  o\  KXcwvatoi,  elia  Kop(v6tot  welche  der  drei 
Städte  um  diese  zeit  jenes  ehrenreeht  besessen,  ist  uns  unbekannt ;  dürfte 
eus  dem  irpuiTOl  des  sclioiiasten  und  aus  der  gänzlichen  unbedeutsamkeit, 
deren  sich  Kleonä  damals  erfreute,  ein  schiusz  gezogen  werden,  so  wür- 
den wir  unsere  wähl  zwischen  Korinth  und  Argos  zu  treffen  haben.  Ko- 
rinth  aber  konnte  nicht  inniger  durch  sein  politisches  Interesse  an  Athen 
gefesselt  sein,  als  Argos  es  damals  durch  sme  ohnmacht  in  folge  des 
eotsetzlichen  sdtlages,  den  ihm  Kleomenes  zugefügt  hatte,  an  Sparta  war. 
dasz  Kleonä,  wenn  es  den  vorsitz  wh'klich  noch  führte,  jedenfalls  abliän- 
^ig  war  von  dem  willen  dieser  vier  eng  verbundenen  Staaten,  kann  niemand 
leugnen  wollen,  und  so  dürfen  wir  positiv  behaupten,  dasz  eine  anklage, 
die  Athen  damals  gegen  Aegina  wegen  landesverrath  vorbrachte,  unmög- 
lich scfaeHern  konnte,  mochten  Korinther,  Argeier  oder  Kleonäer  darüber 
zu  entsoheiden  haben,  einige  geneigtheit  den  Argeiern  diesen  vorrang 
«azuschreiben  schöpfe  ich  aus  manchen  stellen,  z.  b.  aus  den  schiusz* 
Worten  unserer  ode  f\y  ft  fidiv  diriKid^toc  u/ivoc  bi\  irdXas  xal  irplv 
YCV^Oat  täv  'AbpdcTOu  t6v  tc  Kab/üLEiu^v  ^iv,  in  welchen  ich  an- 
spielungen  finde,  die  idi  weiter  unten  erklären  werde. 

Nur  weniges  wird  jetzt  noch  zu  bemerken  sein,  um  das  volle  Ver- 
ständnis des  gedidites  zu  gewinnen.  Megas  war  gleich  nach  seinem  frucht- 
losen siege  gestorben;  vielleicht  brachte  man  seinen  tod  in  Zusammenhang 
sait  der  aufregung  über  die  erlittene  achmach,  jedenfalls  mochte  die 
irdrrpa  des  geschiedenen  in  ihm  einen  märtyrer  der  vaterländischen  sache 
sehen  und  nur  ungern  auf  eine  feier  des  sieges  verzichten,  einen  kränz 
hatte  der  tote  nicht  bekommen,  dieser  konnte  daher  nicht  feierlich  in. 
den  tempel  gebracht  werden,  aber  sein  söhn  Deinis  hatte  gleichzeitig  mit 

Jahrbücher  für  eUts.  philoL  1868  hft  1.  2 


18  C.  Bulle:  Pindaros  achte  nemeische  ode. 

oder  kurz  vor  dem  vater  bei  den  AidKCia,  eioem  heimischen  kampfspiele 
der  Aegineten,  den  preis  davongetragen,  sein  sieg  wurde  jetzt  gefeiert, 
und  der  sinnige  dichter  knüpft  daran  in  emstfeierlicher  weise,  wie  es  die 
gefahrenschwangere  zeit  angemessen  erscheinen  Üesz,  des  Megas  gedScht- 
nisfeier. 

Betrachten  wir  nun  von  diesem  standpunct  aus  unser  gedieht  im 
einzelnen,  gleich  der  anfang  leitet  uns  auf  einen  gegensatz,  er  stimmt 
den  doppelten  ton  an ,  der  das  ganze  lied  durchklingt.  *  heilige  Jugend^ 
botin  von  Aphroditas  göttlichen  freuden,  die  auf  der  jungfraun  und  kna- 
ben  wimpem  weilend  den  einen  du  auf  sanften  armen  des  zwangs,  auf 
andern  den  andern  trägst;  erwünscht  aber  ist  es  für  jegliches  werk,  die 
günstige  stunde  nicht  verfehlend  glücklicher  liebe  genieszen  zu  kön- 
nen.' alles  dient  dazu  den  in  jugendreiz  blühenden  sieger  zu  feiern;  aber 
gerade  die  farbenreiche  ausschmückung  muste  in  den  an  sich  schon  ernst 
gestimmten  zuhörem  die  Idee  des  gegenteiles  wach  rufen,  die  sich  natür- 
lich unverzüglich  an  die  person  des  Hegas  knüpfte,  sehr  wirkungsvoll 
kommt  der  dichter  dieser  Stimmung  entgegen  durch  die  zwei  allgemein 
gehaltenen  zusätze  ^TCpov  b*  iripaic  und  xatpoC  |üif|  TrXavad^vra. 
wer  der  StEpoc,  wer  der  xaipoO  TrXovaOek  war,  das  fühlte  jeder  in- 
stinclmSszig,  ohne  dasz  der  dichter  eines  einzigen  bestimmten  Striches 
bedurft  hatte  ihn  zu  charakterisieren,  der  volle  ton  des  glucks  gehört 
dem  jugendlichen  sieger,  aber  leise  zwar,  doch  vernehmlich  genug  klingt 
hinein  die  klage  um  den  beleidigten  toten. 

Und  wie  in  der  atrophe,  eben  so  ist  es  in  der  antistrophe  unseres 
gedichtes:  der  volle  klang  des  jubeis  erschallt  zum  preise  Aeginas,  der 
einst  hoch  gefeierten  Insel ,  zu  deren  beherscher  von  fern  und  nah  die 
forsten  und  beiden  huldigend  kamen;  aber  unter  diesen  freudenaccorden 
verbirgt  sicli  nur  mangelhaft  der  schmerz  darüber,  dasz  jetzt  ein  Spar- 
terkönig  in  so  ganz  ve;^chiedener  weise,  zu  so  ganz  anderen  zwecken 
des  Aeakos  insel  hatte  betreten  dürfen,  'also  umflatterten  einst  des 
Zeus  und  der  Aegina  iager  die  Spender  von  Kyprias  gaben ;  und  es  ent- 
sprosz  ein  söhn,  Oenonas  könig,  an  rath  und  kraft  ein  held;  ihn  sehnten 
sich  oft  viele  zu  schaun :  denn  ungenifen  nach  eignem  begehr  verlangte 
der  beiden,  der  ringsumwohnenden,  blute  seinem  herscherworte  zu  ge- 
horchen, so  die  in  dem  steinigen  Athen  des  volkes  walteten,  wie  die  in 
Sparta,  des  Pelops  geschlechl.'  schon  die  hervorhebung  der  beiden 
mächtigsten  feinde  Aeginas  unter  denen,  die  einst  seinem  forsten  frei- 
willig gehuldigt,  legte  die  vergleichung  des  sonst  mit  dem  jetzt  so  nahe, 
dasz  der  stumpfste  zuhörer  sie  anstellen  muste;  wiederum  ^aber  gibt 
der  dichter  derselben  durch  ein  kleines  wort  eine  bestimmte  richtung : 
ungern fen  kamen  die  alten  beiden  dem  Aeakos  zu  dienen;  Kleomenes 
kam  nicht  ungerufen,  nicht  nach  eignem  begehr:  Athen,  die 
schlünmste  feindin  der  bedrängten  insel,  hatte  ihn  aufgehetzt,  so  waren 
die  gedanken  der  zuhörer  auf  echt  dichterische  weise  in  Strophe  und 
antistrophe  vorbereitet  auf  das  was  kommen  sollte;  sie  fühlten,  ihr  eig- 
nes bedürfnis  des  Megas  an  diesem  festläge  seines  sohnes  zu  gedenket» 
werde  von  dem  dichter  mitempfunden  und  solle  befriedigt  werden. 


C.  Bulle:  Pindaros  achte  nemeiscbe  od«.  19 

Gleich  die  epode  setzt  denn  auch  toU  und  kräftig  ein.  *8chulzflehend 
berühre  jetzt  ich  des  Aeakos  hellige  knie  um  dieser  theuren  Stadt,  um 
dieser  bürger  willen,  darreichend  die  künstlich  aus  tönen  gewobene  ly- 
dische  binde  doppelten  laufersiegs,  des  Deinis  und  Megas,  nemei- 
sehen  siegsschmuck!'  von  wort  zu  wort  steigert  sich  hier  die  empfin- 
dung  des  dichters;  bei  jeder  siihe  der  letzten  zeile  musz  das  herz  der 
zuhdrer  mflchtiger  geschlagen  haben,  anfangs  noch  der  gleichmlszig 
bewegte,  üinige  ton  des  gebets;  diese  theure  Stadt,  diese  bOrger  bedurf- 
ten wol  der  hülfe  ihres  heros;  dann  gar  eine  pause,  ausgefüllt  mit  den 
beruhigenden,  langaushallenden  worten  Aubfctv  fiirpctv  KavOEXi)ba  ttc- 
TTOiiaXfi^vav*  aber  es  ist  wie  die  ruhe  vor  dem  stürm;  nun  geht  es 
schlag  auf  schlag:  des  doppelten  läufersiegs!  doppelten  lAufersiegs? 
wie  der  blitz  durchzuckt  es  jeden:  nur  Megas  kann  als  zweiter  Sieger 
gemeint  sein,  und  schnell  wie  der  gedanke  kommt  das  wort  hinter- 
drein geflogen,  der  dichter  sagt  es  selbst:  des  Deinis  und  Megas;  und 
eh  noch  der  hdrer  zeit  hat  sich  zu  sammehi,  schlagt  es  als  höchster 
trumpf  wie  ein  donnerschlag  dazwischen :  Ncjüieatov  äroXfiO.  ja,  nemei- 
scher  siegsschmuck!  mögen  ungerechte  parteiische  richter  ihn  dem 
M^as  Terkflmmern,  wir  feiern  ihn  als  rechtmäszigen  sieger!  kräftig  und 
Jangnachtönend  wird  bei  diesen  worten  die  musikbegleitung  eingetreten 
sein;  dann  senkt  sie  sich  wieder,  und  in  ruhig-feierlicher  weise  ßhrt  der 
dichter  fort:  'denn  von  gott  gepflanztes  glück  weilt  länger  hei  den  sterb- 
lichen, wie  es  den  Kinyras  einst  in  der  meerumströmten  Kypros  mit  reich- 
tum  gesegnet. '  auf  dem  richtigen  Verständnis  der  ersten  epode  beruht 
nach  meiner  Überzeugung  die  ganze  möglichkeit  unter  benutzung  der 
Didymeischen  notiz  und  der  von  Mezger  zuerst  herangezogenen  zeit  Ver- 
hältnisse unser  gedieht  überhaupt  zu  verstehen,  dasz  L.  Schmidt  a.  o. 
s.  444  recht  hat,  wenn  er  sowol  Aeivtoc  wie  trcrrpöc  lAi^a  von  bic- 
cuiv  crabiuiv  abhängig  macht,  ist  mir  so  unzweifelhaft,  dasz  ich  mir  die 
verse  gar  nicht  in  anderer  construction  laut  vorlesen  kann  und  sie  in  der 
tbat  vom  ersten  lesen  an  so  verstanden  habe,  aber  zu  ihrer  vollen  gel- 
tung,  rein  poetisch  betrachtet,  gelangt  die  ganze  stelle  doch  erst  dann, 
wenn  nun  wiederum  crabiujv  von  ^irpav  abhängig  gemacht  wird;  dann 
steht  NcjLicatov  S:fdK}ia  als  apposition  zu  dem  vorigen  für  sich  und  in 
ihm  gipfelt  die  ganze  periode.  aber  man  wird  vielleicht  gegen  meine 
erklärung  einwerfen,  dasz  die  besprochenen  werte,  als  apposition  zu  }ßn, 
Tpov  btccuüv  CTQbiwv  betrachtet ,  ja  auch  des  Deinis  sieg  als  einen  new 
meischen  bezeichnen  würden;  sei  er  aber  dies,  so  werde  dadurch  meii^^ 
hypotbese  jeder  gnind  entzogen,  letztere  bemerkung  würde,  die  vorbei  ' 
genannte  folgerung  als  richtig  zugegeben,  durchaus  treffend  sein;  wäre 
auch  Deinis,  zugleich  mit  seinem  vater,  von  den  agonotheten  in  Nemea 
des  errungenen  sieges  verlustig  erklärt,  dann  würde  man  ihm  kaum  in 
Aegina  eine  feier  zu  veranstalten  sich  unterfangen  haben ,  jedenfalls  aber 
würde  das  festlied  das  ganze  Verhältnis  eingehender  haben  besprechen 
müssen,  man  könnte  freilich  noch  einen  andern  ausweg  ersinnen :  man 
könnte  sagen,  nicht  alle  Aegineten  seien  von  den  kampfrichtern  aus- 
geschlossen worden,  sondern  nur  die  welche  Kleomenes  als  die  ahiwrä- 

2* 


y 


20  C.  Bulle :  Pindaros  achte  Demeische  ode. 

TOUC  (Heroddt  VI  50)  an  dem  verrath  habe  gefangen  fortfahren  wollen, 
und  einer  von  diesen  sei  Megas  gewesen;  aber  dagegen  liesze  sich  mit 
recht  einwenden,  dasi  derselbe  dann  schwerlich  unbehelligt  nach  Aegina 
zurfi<Age]Lehrt  sdn  wflrde;  und  wollte  man  die  hypotheee  deshalb  noch 
weiter  ausspianen  und  sagen,  dasz  letzteres  auch  durcha«s  nicht  gesche- 
hen zu  sein  brauche,  dasz  vidm^  des  Megas  tod  ein  gewaUsamer  ge- 
wesen sei,  der  mit  der  aihenischen  anklage  in  Zusammenhang  gestanden 
habe,  so  mdste  man  zunächst  noch  das  unerldftrliche  erkUren,  wie  Pindar 
Ober  eine  solche  thatsacha  mit  so  leiser  andeiitung  wie  sie  etwa  in  v.  27 
XPDC^uiv  h*  ATac  crcpiiOek  AtiXuiv  q[>övt|^  ttdXaicev  gefunden  werden 
möchte,  habe  hinweggehen  könoen.  also  auf  diesen  answeg  ^reichten 
wir,  und  zwar  um  so  lieber  ids  in  der  that  die  oben  auf^esteUte  folge- 
Tung  ganz  unfadtbar  ist  der  gedenke  des  dichters  geht  dahin;  in  diesem 
Siegeskranze  des  Deinis  sehen  wir  zugleich  den  nemeischen  seines  vaters, 
diese  4ine  binde  repräsentiert  sie  alle  beide;  von  da  ist  es  nur  ^in  schritt, 
und  wahrlich  kein  gewaUsamer,  zu  der  prägnanten  bezeiefanung^  eben 
dieser  binde  als  einer  nemeischen.  wer  einen  soldien  gedankenflug.  für 
unpindarisch  hält,  stellt  sich  die  altes  nubium  iractms  des  dirkäi- 
flchen  Schwanes  doch  wol  etwas  zu  hyperboreisch- winterlich  vor.  was 
ffir  einen  sieg  nun  aber  Deinis  erfochten  haben  soll?  natürlich  einen  in 
den  Aeakeia,  die  von  den  scholiasten  zu  Ol.  7, 156  und  13, 155  erwähnt 
werden,  an  die  Delphinien  oder  hydrophorien  oder  einen  andern  ägine- 
tischen,  wo  nicht  gar  fremdstädtischen  wettkampf  zu  denken  ist  selbst- 
verständlich nicbt  erlaubt,  da  derselbe  dann  hätte  genannt  sein  müssen; 
diese  bedingung  wird  für  die  Aeakeia  zur  genüge  durch  den  faihalt  der 
ersten  antistrophe  und  epode  erfüllt,  die  in  der  that  erst  unter  unserer 
Voraussetzung  in  eine  innige  beziehung  zu  dem  ganzen  gedicfate  treten: 
die  Siegesfeier  wurde  nicht  einfach  deswegen  im  tempel  des  Aeakos  gdial- 
Un,  weil  dieser  der  stammheros  der  insel  war,  sondern  weil  sie  einem 
Sieger  in  dessen  heiligen  spielen  galt. 

Wir  kehren  zu  dem  schlusz  der  epode  und  dem  beginn  des  zweiten 
systemes  zurück,  wenn  der  dkhter  sagt:  Mänger  währt  das  glück,  das 
die  götter  pflanzen,  den  menschen,  wie  Kinyras  dies  gezeigt'  —  so  liegt 
darin  schon  der  gegensätzliche  gedanke  vorbereitet:  auch  das  ungiück,  das 
menschen  uns  ungerechter  weise  (ereiten ,  ist  vergänglicher  als  gottge- 
aandtes.  aber  dieser  gedanke  kommt  gar  nicht  zu  diesem  nackten  aus- 
druck :  nachdem  der  dichter  vielmehr  in  werten,  auf  die  wir  gleich  zurück- 
kommen, ausgesprochen  hat,  wie  auch  ihn  die  misgunst  verfolgen  werde, 
zeigt  er  dem  geschlechte  des  siegers  und  dem  ganzen  äginetischen  volle 
an  dem  vorbild  ihres  stunmeshelden  Aias  in  der  zweiten  antistrophe  und 
epode,  wie  auch  früher  heimtückische  misgunst  den  verdienstvollen  sebies 
lohnes  zu  berauben  verstanden  habe;  fährt  aber  dann  nicht  fort,  wie  man 
erwarten  könnte,  zu  schildern,  wie  scUieszlich  doch  all  dies  bemühen 
vereitelt  worden  und  das  glück  dem  guten  wiedergekehrt  sei;  sondern 
schafft  sich  im  anfang  des  dritten  systemes  durch  den  wünsch,  lieber  arm 
und  niedrig  aber  unbefleckten  rufes  denn  als  schuft  in  allem  irdischen 
überflttsz  zu  sterben,  den  Übergang  zu  dem  gedenken,  dasz  der  nacfaruhm 


C.  BuUe:  Pindaros  achte  nemeisehe  ode.  21 

für  das  durch  menschentücke  erlittene  unrecht  entschädige ,  so  wie  dasz 
dieser  durch  keine  hinterlist  gefälscht  werden  ktane. 

*Au(  leichten  fOscen  bleih  kh  stehen,  aufatfamend  eh  ich  weiter 
rede:  gar  vieles  ja  wird  nelflkig  enShlt;  doch  neu  erdichtetes  frisch  auf 
den  pritfst^n  zur  probe  zu  geben  ist  lautre  gefahr;  wie  zuckerbrod  sflsz 
ist  dem  aeidischeii  geschwltz:  stets  tastet  ja  nisgunsl  aus  nadh  dem  ed- 
len, mii  dem  schlechten  bemengt  sie  sich  nie.' 

Weshalb  Ueibt  der  dichter  «lit  halbgehobenem  Aisze  stehen?  wo 
liegt  in  dem,  was  er  im  begriff  ist  m  erzählen,  das  neue,  ungehdrte? 
Mezger  bat  die  frage  schon  richtig  beantwortet,  wenn  er  sagt:  'nirgends 
anders  als  darin,  dasz  er  den  grund  des  Sieges  des  Odysseus  in  seiner 
kunst  die  Worte  zu  verdrehen  findet.'  nun  ist  diese  auifossung  des  wsffen* 
Streites  dem  dichter  später  ganz  geläufig;  er  gibt  ihr  sonst  ohne  solche 
präamb^  wie  an  dieser  stelle  ausdrack.  daraus  folgt  doch  wol,  dasz  er 
sie  hier  zum  ersten  male  ausgesprochen,  und  daraus  wieder,  dasz  unser 
gedieht  älter  ist  als  Nemea  VII  und  kthmia  III  (IV),  wodurch  denn,  wenn 
man  tsthmia  III  mit  Schmidt  für  ein  *product  der  jugendepocbe'  des  dich- 
ters  hält  oder  es  mit  Lutterbeck  (die  freunde  Pindars  s.  15)  ins  jähr  492 
setzt,  noch  ein  äuszo^r  beweis  fßr  die  richtigkeit  der  Mezgerschen  datie- 
ning  unserer  ode  beigebracht  wäre,  jedenfalls  aber  die  Dissensche  fixie- 
rong  auf  ol.  80,  3  oder  4  unmöglich  wird,  auf  die  versuche  von  dieser 
epode  ausgehend  unser  gedieht  so  zu  erklären,  dasz  man  den  dichter  sich 
gegen  misgt&nstige  nebenbuhler  vertheidigen  läszt,  will  ich  nicht  mehr 
eingehen,  da  loh  sie  durch  das'anderweit  dagegen  vorgebrachte  fflr  besei- 
tigt erachte,  die  beste  Widerlegung  fiberdies  aber  in  einer  richtigeren 
deutung  der  ganzen  ode  bestehen  wird,  dagegen  musz  ich  noch  darauf 
hinweisen,  wie  fm  der  dichter  hier  sein  eigenes  ergehen  als  unter  das- 
selbe gesetz  fallend  darzustdlen  weisz,  das  wie  einst  des  Aias,  so  jetzt 
des  Megas  geschicke  bestimmte.  ^  die  sehlechtsten  fruchte  sind  es  nicht, 
woran  die  Wespen  nagen',  wie  uneer  Rückert  singt:  tpOövoc  ^c  KoKä 
ßaivci.  gerade  dadurch  hat  diese  ode  nicht  zum  wenigsten  die  warme 
nirbirog  erhalten,  die  sie  auszeichnet,  dasz  der  dichter  aus  tiefstem  herzen 
für  Aegina  partei  ergreift  und  dieser  seiner  persönlichen  teilnähme  in 
ungemein  feinsinniger  weise  ausdruck  zu  geben  gewust  hat.  seine  Vater- 
stadt identlfidert  er  mit  der  heimischen  Insel  des  Siegers,  dessen  ge- 
schicke  mit  seinen  eignen,  und  fflr  beide  findet  er  nun  das  vorbild  in 
dem  mytfaos  von  Aias  tod: 

'liisgUBst  marterte  auch  des  Telamon  söhn,  hat  ihn  ins  schwert  ge- 
stürzt! ach,  manchen  unberedten  mann ,  wie  gewaltiges  muts  er  auch 
sei,  man  beachtet  ihn  nicht  im  traurigen  wortgezänk,  und  der  höchste 
preis,  er  harrt  schönschwalzender  lüge,  haben  doch  also  die  Danaer  auch 
dem  Odysseus  in  heimlichem  urteil  geschmeichelt,  indes  der  goldnen 
wehr  beraubt  Aias  mit  eignem  morde  rang,  ob  diese  beiden  wol  gleiche 
wunden  dem  fdnd  am  lebenswarmen  leib  geschlagen,  da  sie  mit  der 
schirmenden  lanze  stritten  um  Achilleus,  den  frischgemordeten,  oder  an 
andrer  kämpfe  blutreichen  tagen!?  so  herschte  denn  böse  berflckung 
auch  vor  alters  schon,  der  schmeichelrede  genossin,  die  tmgerfinderin. 


22  G.  Bulle:  Pindaros  achte  nemeische  ode. 

die  anheil  stiftende  schandbrut,  die  das  edle  Gberwältigt  und  das  eitle  auf 
zu  morschem  rühme  hebt!' 

Wenn  ich  nach  dem  eindnick  urteilen  darf,  den  diese  verse  auf 
mich  machen,  so  konnte  der  dichter  nichts  ergreifenderes  finden,  wenn  er 
eine  mythische  parallele  zu  dem  Vorgang  in  Nemea  suciite;  so  konnten  sie 
aber  auch  nicht  ergreifender  auf  die  zuhörer  wirken,  als  wenn  die  hypo- 
these  die  ich  aufgestellt  habe  der  Wirklichkeit  entspricht,  wie  kalt  bitten 
sie  im  vergleich  damit  die  Aegineten  lassen  müssen,  wenn  es  sich  um 
litterarische  Streitigkeiten  des  dichters  gehandelt  hatte  I  selbst  unter  der 
Mezgerschen  Voraussetzung  wird  man  keinen  so  einheitlichen,  wolthaen- 
den  gesamtelndruck  gewinnen  können,  trefflich  dagegen  läszt  sich  in 
dem  gericht  vor  Troja  ein  abbild  der  feierlichen  berathung  finden,  in  wel- 
cher zu  Nemea  dem  Hegas  der  preis  abgesprochen  wurde,  auch  hier 
urteilten  in  der  person  der  Hellanodiken  die  gesamten  Danaer;  auch  hier 
siegte  die  tückische  berQckung.  nur  im  vorbeigehen  mag  bemerkt  wer- 
den, dasz  die  auch  sonst  durchaus  angemessene  erwfthnung  der  Danaer 
noch  wirksamer  empfunden  werden  muste,  wenn  die  Argeier  damals  die 
vorsteherschaft  in  Nemea  führten. 

Die  bezeichnung  des  ruhmes,  zu  welchem  das  nichtige  eriioben  wird, 
als  eines  morschen  leitet  über  zu  der  bereits  oben  erwähnten  fortsetzung 
des  begonnenen  gedankens ,  dasz  leid ,  auf  tückische  weise  herbeigeführt, 
durch  unverHilschten  nacliruhm  aufgewogen  werde,  dasz  der  dichter 
hierin  genügenden  trost  findet  und  nicht  auch  die  Wiederkehr  irdisches 
glückes  gleichsam  zur  herstellung  der  göttlichen  gerechtigkeit  verlangt, 
ist  an  sich  ein  zug  der  sein  auf  das  ideale  gerichtetes  gemüt  trefflich  kenn- 
zeichnet, sollte  er  aber  nicht  auch  die  Stimmung  widerspiegeln,  die 
damals  in  Aegina  herschte?  der  einzelne  mag  so  denken  wie  der  dichter 
es  that:  ein  ganzes  volk  wird  und  kann  es  unter  ge^röhnlichen  umständen 
nicht  thun.  was  bei  dem  individuum  fronune  ergebung,  würde  bei  einem 
ganzen  volke  entnervender  pessimismus  sein,  dasz  der  dichter  also  auf 
diese  art  zu  trösten  versuchen  durfte,  lehrt  uns  scheint  mir  zur  genüge, 
dasz  die  thatenfrohe  Stimmung,  die  nie  rastende  energie  der  rührigen 
Inselbewohner  damals  schwer  beeinträchtigt  war  durch  den  blick  in  die 
trübe  Zukunft,  die  bevorstehende  rückkehr  des  Kleomenes,  die  nicht  aus- 
bleiben konnte,  war  wie  ein  drohendes  gewitter,  das  am  horizont  aufzog 
und  dessen  Wirkungen  niemand  vorausberechnen  konnte,  sollte  nun  aber 
nicht  eben  deshalb  Mezger  im  gegensatz  zu  meiner  oben  geftuszerten  an- 
sieht recht  haben,  wenn  er  das  gedieht  nach  der  zweiten  anwesenheit  des 
Kleomenes  entstehen  läszt?  ich  meine  nicht,  zunächst  wäre  dagegen 
anzuführen,  dasz,  nachdem  der  blitz  eingeschlagen,  die  schwüle,  welche 
nach  meiner  empfindung  zur  zeit  der  festfeier  über  der  insel  lagerte,  be- 
reits gelinder  geworden  sein  muste,  wie  wir  denn  auch  in  der  that  die 
Aegineten  bald  unverdrossen  bemüht  finden  die  scharte  auszuwetzen  und 
besonders  den  Athenern  alles  mögliche  üble  zuzufügen,  auszerdem  läszt 
aber  meine  hypolhese  Mezgers  annähme  nicht  wol  zu.  zwischen  der 
ersten  und  zweiten  anwesenheit  des  spartanischen  königs  auf  Aegina  ver- 
strich geraume  zeit;  noch  vor  die  erste  fällt  die  athenische  anklage  in 


C*  Bulle:  Pindaros  achte  nemebche  ode.  23 

Sparta;  man  hatte  also  zeit  genug  gehabt  um  den  exdnsionaantrag  ia 
Nemea  so  zeitig  einzubringen,  dasz  die  Aegineten  gar  nicht  erst  zugelas- 
sen wurden,  es  also  nicht  nötig  war  schon  errungene  siege  nachträglich 
2U  cassieren.  setzen  wir  dagegen  die  fesifeier  gleichzeitig  mit  der  ersten 
attischen  gesandtschaft  nach  Sparta,  denlten  wir  uns  die  anl&lage  in  Nemea 
augenblicklich  eingereicht,  sobald  man  der  Zustimmung  Spartas  sicher 
war,  so  schwindet  alles  befremdliche,  ohne  Spartas  einwilligung  hätte 
Athen  jenen  antrag  nur  etwa  dann  wagen  dfirfen,  wenn  Korinther  in 
Nemea  richteten  —  wieder  ein  neuer  gnind  lieber  an  die  Argeier  als 
damalige  hegemonen  der  spiele  zu  denken. 

Wir  kommen  zum  dritten  system:  *mdge  nimmer,  o  valer  Zeus, 
solchen  sinn  ich  hegen,  sondern  wandeln  einfiütige  pfade  des  lebens,  dasz 
nicht  mit  übelberufenem  namen  ich  sterbend  meine  kinder  schände,  nach 
golde  giert  der  eine,  der  andere  nach  unermeszlichem  länderbesitz;  ich 
wünsche,  selbst  wenn  die  erde  mich  deckt;  bei  meinen  mitbfirgern  in 
achlung  zu  stehen,  weil  ich  was  löblich  gelobt  und  den  schurken  mit 
schand*  Übergossen,  bis  hoch  zum  feuchten  äther  aber  steigt,  dem  bäume 
gleich,  den  goldner  thau  benetzt,  der  tugend  rühm,  die  kunstgeübter  und 
wahrheitstreuer  männer  lied  erhebt,  vielfältigen  dienst  gewährt  dir  ein 
freund,  zumeist  in  der  not;  doch  die  freude  auch  bedarf  des  treuen 
genossen,  dasz  weitliin  sie  glänze,  ins  leben  zurück  dich,  o  Megas,  ztt 
rufen,  das  vermag  ich  nidit  (und  eitel  ists  ja  nichtigen  hoflbungen  nach- 
zustreben), wol  aber  demem  geschlecht  und  den  Ghariaden  ein  stolz- 
gewaltiges llusendenkmal  aufzubaun  für  den  sieg  im  lauf,  den  gedop- 
pelten, denn  es  freut  mich  also  der  that  gebührendes  lob  zu  gesellen : 
bei  liedes  zusprach  aber  hat  gar  mancher  schon  des  kummers  schwere 
von  sich  abgewälzt,  denn  der  lobgesang,  er  ist  altera  Ursprungs  als 
Adrastos  feindschaft  und  der  Kadmeionen!' 

Also  jenen,  die  euch  so  schmählich  beleidigt,  wird  dies  verfahren 
keinen  segeu  bringen:  es  harrt  ihrer  böser  nachruf,  den  ich  nicht  um 
alles  gold,  nicht  um  unermeszlichen  landes  besitz  erkaufen  möchte,  ihr 
dagegen  werdet  je  länger  je  mehr  euch  hohes  ruhmes  erfreuen:  denn  ge- 
rechte und  kunstgeübte  männer  smd  es  die  euch  preisen,  als  solcher 
stdie  ich  euch  bei  in  der  not  und  helfe  die  schmach  von  euch  wenden, 
wie  es  vor  allem  dem  freunde  geziemL  aber  auch  was  euch  freudiges 
widerfahren  kündet  mein  lied.  und  kann  es  dem  beleidigten  selbst  nicht 
mehr  die  genugthuung  verschaffen  sein  verdienst  laut  anerkannt  zu  sehen^ 
so  wird  es  doch  euch,  die  ihr  seines  geschlechtes  seid,  erfreuen  und  trös- 
ten, wie  dies  von  alters  her  die  kraft  des  lobgesanges  war.  von  alters 
her:  denn  früher  war  das  preisgedicht  als  Adrastos  und  der  Kadmeier 
feindschaft.  diese  änigmatische  schluszsentenz,  mit  welcher  der  zuhörer 
entlassen  wurde,  konnte  die  manigfachsten  gedanken  in  ihm  hervonrufen: 
alle  wehmütig-tröstender  art.  Adrastos  und  der  Thebaner  zwist  bezeich- 
nete die  zeit,  in  welcher  die  nemeischeu  spiele  gestiftet  sein  sollten, 
also  auch  vor  den  nemeischen  spielen  gab  es  lobgesänge  —  was  heiszt 
das  anders  als:  auch  ohne  den  nemeischen  siegeskranz  kann  man  hohen 
rühm  erwerben;  so  tröstet  euch  denn  über  jenen  verlusL    aber  mehr  als 


24  C.  Bulle:  Pinilaros  achte  nemeische  ode. 

das:  waren  die  Argeier  damals  Vorsteher  in  Nemea,  so  mäste  die  erwäh* 
nung  des  Adrastos  unmittelbar  an  sie  erinnern:  Argos  zivisl  mit  Thebeo 
war  alto  der  Inhalt  des  schluszverses.  hatte  sich  aber  der  thebanische 
dichter  bereits  in  dem  ganzen  liede  so  nah  mit  seinen  Sginetiscben  gasl^ 
freunden  identificiert,  war  seine  Vaterstadt  damals  mit  des  Aeakos  insel 
in  ganz  gleicher  läge ,  eng  verbunden  durch  gemeinsame  Interessen  und 
den  gemeinsamen  hasa  der  übrigen  Hellenen,  den  sie  erfuhren,  so  war  es^ 
beinahe  von  selbst  gegeben  bei  der  erwähnung  Thebens  in  solcher  Ver- 
bindung an  Aegina  mitzudenken,  zumal  ja  auch  enge  mythische  Verwandt- 
schaft zwischen  beiden  bestand.  Argos  zwist  mit  Theben  und  Argos- 
zwist  mit  Aegina  fiden  fflr  die  gegenwart  vollständig  zusammen,  und  in 
diesem  wehmütig^humoristisehen  sinne  verstanden  ergab  d^  scbhiaz  dann 
diesen  gedanken :  nicht  allein  kann  man  audi  ohne  Nemea  rühm  gewinnen 
—  ihr  habt  ihn  in  der  that  l&ngst  erworben,  eh  Argos  feindschaft  ihn 
euch  streitig  zu  machen  suchte:  ihr  seid  so  reich  an  herlichen  ehren,, 
dasz  ihr  die,  welche  eure  feinde  euch  vorenthalten,  ohne  einbusze  ent« 
bdiren  könnt,  nnbeschidigt  durch  solche  krflnkungen  wird  Aeginas  name 
durch  alle  zeiten  blühen. 

Zum  schlusz  erübrigt  mir  nichts  mehr  als  noch  einmal  nachdrücklich 
die  beiden  puncto  hervorzuheben,  die  einzig  bewiesen  werden  müssen 
und  die  ich  bewiesen  zu  haben  wünsche :  erstens  dasz  mdne  hyiK>these 
an  sich  mit  dem  griechischen  leben  und  mit  den  speciell  herangezogenea 
zeitverbäUnissen  stimme;  zweitens  dasz  im  vorliegenden  gedieht  nicht 
allein  nichts  enthalten  sei,  was  ihr  widerspreche,  sondern  dasz  $ie  viel- 
mehr dasselbe  im  einzelnen  wie  in  seiner  ganzen  anläge  erst  voUkommen^ 
erkläre,  letzteres  anschaulich  zu  zeigen  füge  ich  noch  die  disposition 
bei,  welche  ich  mir  von  der  ode  entworfen  habe: 

I.  dauerndes  glück  kommt  nur  von  den  göttem  —  desgleichen  das- 
Unglück. 

II.  wol  stürzt  fdie  tücke  der  menschen  den  guten  oll  ins  verderben 
—  und  erhebt  sich  selber. 

Hl.  aber  den  naehruhm  kann  sie  ihm  nicht  rauben  —  sich  selber  nicht 
erwerben, 
jeder  dieser  drei  hauptteile  entspricht  einem  System;  in  jedem  ist  die  ^ne 
smte  des  gedankens  weit  ausgeführt,  die  andere  nur  angedeutet,  jeder 
teil  gliedert  sich  wieder  in  folgender  weise  und  schliesst  dabei  mit  dem 
hauptgedanken: 

1.  a)  den  Deinis  wiegt  die  göttliche  Hora  in  Schönheit  und  glück, 
wol  dem,  der  solches  segens  teilhaftig  wird, 
nicht  jedem  ist  es  beschieden. 

b)  wol  aber  genossen  des  Zeus  und  Aegina, 
und  Aeakos,  dieses  eilandes  könig. 

das  waren  glückliche  zeiten! 

c)  zum  göttlichen  heros  fleh'  ich  um  ihre  Wiederkehr, 
uns  waren  herliche  siege  beschieden: 
misgünstige  trübten  sie. 

doch  dauerndes  glück  kommt  nur  von  den  göttern  uns  menschen» 


U.  Schmidt:  io  Aeschyli  supplicum  ¥.  162— -167.  25 

n.  a)  abwägen  musz  ich  meine  worte, 

denn  es  lauert  der  ndd 

und  begeifert  das  edle. 
b)  ihm  erlag  auch  Aias,  Telamons  söhn. 

es  siegte  die  CQcke 

und  stiirzte  den  edlen  ins  unbeil. 
e)  wi6  ungleich  war  der  tapilre  seiniun  gegner! 

doch  tückischer  sinn  war  auch  schon  damals  mächtig: 

jetzt  ist  «8  nicht  anders, 
das  gute  stflnt  er  ins  Terderben ,  erhebt  das  schlechte. 
ID.  a)  ich  tausche  nicht  schände  liQr  irdisches  glück. 

mir  gilt  am  höchsten  ein  guter  name. 

was  löblich  ist  lob'  ich,  tadle  das  schlechte. 
b)  so  scbaC  ich  der  tugend  verdienten  rühm, 

sie  tröstend  im  leid , 

sie  feierad  im  glCkske. 
€)  SO  kann  loh  audi  jetit  zwar  das  unbeil  nidit  wenden, 

doch  ew'gen  nachrulmi  euren  thaten  stiften, 

den  kummer  eueh  lindern, 
und  dieses  nachruhms  kann  keüi  neider  euch  berauben! 

BsEinSH.  COKSTANTI»  BlTLLE. 


«•M«M 


IN  AESCHYLI  SüPPLICUM  V.  162—167. 


Versuum  dispositio  in  libro  Mediceo  haec  esse  videtur: 
äZr)viouciiu  )yrf)vK 

KOWlObdTOV  fttiiCT 
OUpOVÖVClKOV 

XoXctroC  T^  ^x  irv£0|AaToc  da  X€ijit6v. 
scholia  Med.  p.  152,  30—153,  2  Ji  ZeO,  f|  napa  t(X)V  OeSv  )ir\v\c 
xatA  NoOc  «bbfic  (Bindorfitts  dibic)  ia\  Kai  itmcTiTUiTiiafi.  —  Tf|v  tfic 
"l^pac  Tffc  iy  dvbpet^  viK((iCT)C  ndvrac  toöc  £v  oöpovip  6€0tJC. 
Kol  iip '  fpific  oOv  £q)Oo(C€V  f|  Mfivic  Tf^  ''Hpac.  unde  dperdv  dndum 
a  me  restitutum  esse  memini  pro  firav,  quod  nullo  modo  per  dvbp€(qi 
explicari  poterat.  praeterea  sub  ibbi^c  |Li{)Vtc  latere  videtur  (&  btJCjLitivtC 
vd  potius  ibc  bücfiiivtc,  post  quod,  cum  sehoHa  corruptum  illud  iJbbftc 
cum  sequentibus  particula  copulathra  Ka\  conectant,  inserendum  manifesto 
est  xal  ex  |üiäcT€ip'  (investigatrix)  vel  fxvdcrap'  (quod  Weilius  pro- 
posuit)  recte  alii  duce  eodem  scholio  elicuerunt  lütaCTiKTCtp*,  nunc  etiam 
metro  flagitante.  imperfectum  dimetrum  Ka\pacT(icT€tp'  bc  Oe(&v  com* 
mode  expleveris  substantivo  ära,  duobus  adiectivis  bOcfir)VK  et  fiocri- 
Kteip'  emato,  sive  id  exitus  versus  hausit,  quod  ob  alias  rationes  maxi- 
mam  probabilitatem  habet,  sive  in  €equentem  versum  migravit,  scriba 
litterarum  similitudine  decepto.    iam  vero,  cum  duo  priores  ^bymnii 


26  M.  Schmidt:  in  Aesckyli  supplicum  r.  162^167. 

versus  dtmetros  anapaesticos  acataiectos  esse  videamus,  reliquos  etiam 
versiculos  eidem  metro  adstrictos  fuisse  admodum  probabile  est.  quam- 
quam  paenuilimus  haud  dufoie  non  dimeter  fuit  sed  monometer,  vocabulo 
oöpovövtKOV  absolutus.  accedamus  Igitur  ad  versum  tertium  scholiasta- 
rum  vesligia  presse  sequentes.  certum  est  commentari  eos  hanc  scrip- 
Curam : 

Kovvui  b^  ipträ  ToefiCT&c 

oupavovtKOu 

XoXenoO  T&p  Ik  nveüjuaTOC  ela  x^^l^^v, 
«ed  male  interpretarl,  cum  geoetlvus  TOtMcrac  oöpavovfKOU  ne  tum  qui- 
dem  possit  suspensus  esse  a  voc.  fiflVlC,  si  haec  germana  esset  scriptura. 
nihilo  minus  id  lucri  Inde  reportamus,  ut  nostrorum  librorum  scripturam 
oöpavöviKOV  in  ii^endo  cubare  inteHegamus,  neque  amplius  coacU  slmus 
monometrum  illum  cum  praecedentibus  verbis  copulare.  immo  versu 
tertio  verbis  räc  cäc  expleto;  quod  praecepit  Hermannus,  perfectam 
nanciscimur  sententiam:  KOVViS»  S'  äp€T&v  Tac  cfic  YO^M^Täc,  sentio 
viriutem  uxorü  iuae  lunonis:  sentio  quid  possit  luno.  itaque  potestate 
nobis  data  oöpavovtKOU  iungendi  cum  nveO^OTOC,  quo  fatebere  multo 
fortiorem  fieri  sermonem,  restat  ut  remotis  ei  yersu  quinto  glossematia 
dimetrum  catalecticum  redintegremus.  prodit  vero  interpolalricem  manum 
X€(X€7roO  et  prodere  videtur  dx.  aptum  eht  hoc:  x^^M^v  T&P  TTVcOiia- 
TOC  eTct,  h.  e.  orietur  enim  caelipotentis  Ittrbinis  tempestas.  habelo 
lam  hoc  ephymnium  gravioribus  maculis  iiberatum: 

&  Zrjv,  loOc  übe  bOqAiivic 

Kai  |LiacTiicT€ip'  Ik  6€uiv  (Sra). 

KOWiDi  b*  dpcT&v  T^iCTfic  (toIc  cfic). 

oöpavoviKou 

X€i^u)v  T^  1rv€0^aTOC  eict. 
sed  leviores  restare  etlam  nunc  docet  scholiastae  observatio:  T&  b*  fiXXa 
biä  li&ou  dvaneqiiuvriTat.  licet  enim  yetus  interpres  parentheseos 
mensuram  ultra  fas  extenderit  (£  Zf)V  .  .  oöpavovtKOu) ,  recte  tamen 
animadvertit  nonnulla  btd  jüt^cou  ävaTreq)UiVflc6ai.  nobis  non  dubium 
esse  potest,  quin  versus  tertius  a  reliquis  sit  separandus,  ut  verba  utrim- 
gue  vicina  artiore  sententiarum  vinculo  nexa  coeant.  quo  facto  statim 
^xaudiemus  futura  mala  sperantium  virginum  verba:  a  luppUer^  a,  ort^- 
für  in  lonis  prokm  gravi  deorum  ira  flageUifera  adactum  malum 
{novi  enim  lucoris  tuae  mores)  caeUpotentis  procellae  tempestas,  graeca 
fuerunt: 

d  Zyjv,  1oOc  S  büc^iivtc 

Kai  juacTiKTetp"  £k  OeiDv  ära 

(kovvui  b  *  äper&v  räc  cäc  t<xmct&c) 

oupavovtKOu 

xeifidiv  dK  TTveujiaTOC  eleu 
e  quibus  £k  patet  germanum,  xdp  interpolatorls  esse,   codicum  scripta» 
ram  l(b  peperit  glossema  ad  d  adscriptum,  scholiorum  dbbfic  e  scripturae 
discrepantia  d  et  li  ortum. 

Ibnae.  Maubioiub  Schmidt. 


M.  Wohlrab:  zu  Platons  Theätetos.  27 

5. 

ZU  PLATONS  THEAETET08. 


1)  156  "^  äxy  fiep€i,  t&y  iriuc  diroTeXecO^.  ßoOXerai  t&P  t>n 
\if€iy  (bc  Taura  irävTa  ^^v,  djcirep  X^TOfxev,  Ktveirat,  räxoc  bk 
Kai  ßpabuTf|c  ivi  tQ  xivficei  auruiv.  5cov  ju^v  oCv  ßpabu,  ^  v^ 
ouTcji  Kai  npdc  t&  irXncid£ovTa  Tf|v  Kivf)ctv  Iq(€i  xal  oötuj  w\ 
Tewf ,  Tä  tk,  T€W(U|A€va  ofirui  bf)  [ßpaburepd  dcriv  -  öcov  5^  aO 
Taxü,  itpoc  TO  iröppuiOev  Tf|v  Kivnciv  Icx€t  xal  oötuj  T€VV$,  t&  b& 
T€Wiijfi€va  o6tui  bf|]  edrrui  £ctI  (p^perat  räp  xal  iy  q[>op^  aörtiiv 
^  k(vi)CIC  Tr^q>UK6V.  die  in  klammern  eingeschlossenen  worle  haben  sich 
in  keiner  hs.  finden  lassen,  der  Bodleianus  kennt  sie  nicht.  I.  Bekker  hat 
ausser  den  dreizehn  hss*,  die  er  vollständig  für  den  Theätetos  verglichen 
hat,  ffir  diese  stelle  besonders  noch  elf  eingesehen  und  keine  spur  von 
jenen  worten  in  denselben  entdecken  können,  ebenso  wenig  haben  sie 
Bast  und  Furia  in  den  von  ihnen  collationierten  Codices  vorgefunden,  auch 
der  schollast  kannte,  wie  schon  Heindorf  richtig  bemerkt  hat,  diese  stelle 
nur  in  der  kürzeren  fassung.  Ficinus  hat  die  eingeklammerten  worte 
nicht  mit  abersetzt,  in  den  allerältesten  ausgaben,  der  Aldina  und  den 
beiden  Baslem,  finden  sie  sich  auch  noch  nicht  zuerst  trelTen  wir  sie 
vielmehr  in  den  eclogae  von  Janus  Comarius;  aus  diesen  suid  sie  in  die 
ausgäbe  des  Stephanus  Obergegangen  und  haben  seitdem  der  vulgata 
angehört. 

Alle  deutschen  erklUrer  des  Theätetos  und  ebenso  die  Übersetzer 
ohne  ausnähme  waren  von  der  unentbehrllchkeit  dieser  worte  überzeugt, 
und  männer  wie  Brandis  (gesch.  der  entw.  der  gr.  phU.  I  $•  209)  und 
Zeller  (phiL  d.  Gr.  P  s.^759  anm.)  nahmen  so  wenig  anstosz  an  den- 
selben, dasz  sie  ihnen  sogar  auf  ilire  darstellung  der  philosophie  des 
Protagoras  einflusz  verstatteten,  nur  stritt  man  sich  früher,  ob  die  be- 
treffenden worte  als  reine  conjectur  des  Gornarius  zu  betrachten  seien 
oder  nicht.  Ueindorf  wollte  diesem  gelehrten  nicht  so  viel  Scharfsinn 
zutrauen;  mit  recht  wiesen  aber  Schleiermacher  und  Buttmann  darauf 
hin,  dasz  sie  denselben  Charakter  an  sich  tragen  wie  die  allermeisten 
verbesserungsvorschläge  des  Gornarius:  sie  sind  nemlich  aus  dem  streben 
hervorgegangen  einen  genauen  parallelismus  herzustellen,  ein  ähnliches 
bedfirfnis  den  Piaton  zu  vervollständigen  fühlte  Gornarius  an  einer  un- 
mittelbar vorausgehenden  stelle  156  ^  wo  er  nach  öc(pprjC6tc  einschie- 
ben wollte  Kai  T€i3ceic  Kai  Oi£€tc,  was  Schleiermacher  durch  den  hin- 
weis  auf  die  ganz  entsprechende  stelle  186  ^^  erledigt  hat.  auch  198^ 
conjicierte  Comarius ,  um  einen  stricten  gegensatz  zu  äXXo  Tt  tüjv  ££ui 
zu  erlangen,  twöc  für  aurdi*  auch  diese  conjectur  nahm  Stephanus  in 
den  text  auf  und  noch  Heindorf  vertheidigle  sie.  sonacli  hat  es  alle  Wahr- 
scheinlichkeit für  sich,  dasz  die  eingeschlossenen  worte  dem  Gornarius 
gehören,  handschrifUiche  gewähr  aber  ihnen  nicht  zur  seile  steht. 

Der  erste  der  die  berechtigung  dieses  einschiebsels  entschieden  und 
mit  triftigen  gründen  leugnete,  war  S.  Vögelin  in  einem  brief  an  Baiter» 


38  M.  Wohlrab:  zu  Platens  TheSietos. 

'welcher  der  zweiten  Zürcher  Separatausgabe  des  TheAtetos  vorgedrucki 
ist.  K.  F.  Hermano  hat  sich  Aber  diese  stelle  niclit  ausgesprochen,  da- 
gegen schlosz  sich  der  Engländer  Lewis  Campbell  in  seiner  zu  Oxford 
1861  erschienenen  ausgäbe  des  Theätetos  entschieden  an  Vögelin  an  und 
entfernte  das  einschiebsei  ganz  aus  dem  texte,  das  bat  erst  neuerdings 
noch  M.  Schanz  in  seinen  'beitragen  zur  vorsokratischen  philosophie  au» 
Piaton  (GGtUngen  1867)  s.  73  gans  übersehen,  indem  er  schreibt,  aHe  ans* 
leger  seien  darüber  einig  dasz  diese  ei^lnzung  nicht  erspart  bteiben  ktone. 

Um  zu  einem  sichern  urleil  Ober  die  innere  notwendigkeit  dieser 
aufftllig  umfangreichen  erweiterung  des  Platonischen  textes  zn  gelangen^ 
wird  es  gut  sein  auf  den  anfang  der  eingehenderen  darstelhmg  iomI  tiefe- 
ren begrCindung  der  Protagoriscben  lehre  zurückzugehen,  diese  beginnt 
156*  mit  den,  wie  es  scheint,  noch  nicht  ganz  richtig  verstandenen  Wor- 
ten TÖ  Träv  Kivrictc  fjv  xal  fiXXo  Trapdt  toOto  odb^v.  J.  Frei  hatte 
dieselben  in  seinen  'quaestiones  Protagoreae'  (Bonn  1845)  s.79  ohne  wei- 
teres an  die  spitze  der  Protagoriscben  lebrsMze  gestellt.  0.  Weber  aber 
hatte  in  seiner  gleichnamigen  dissertation  (Marburg  1850)  s.  23  f.  nicht 
ohne  gnind  anstosz  daran  genommen,  dasz  Protagoras  hiemach  die  anllng- 
liche  existenz  der  materie  ganz  zu  leugnen  schiene;  Zelier  (phiL  der  €r.  1* 
s.  757  anm.  1)  hätte  gerade  deshalb  Weber  nicht  tadeln  sollen,  bei  der 
erklärung  der  angeführten  stelle  schehit  alles  auf  die  auffassung  des 
imperfectum  fjv  anzukommen.  Stallbaum,  dem  sich  neuerdings  noch 
Schanz  a.  b.  s.  70  angeschlossen  hat,  meinte,  es  stehe  mit  rücksicht  auf 
vorhergesagtes,  und  findet  diesen  gedenken  schon  152^  ausgesprochen, 
allein  dort  heiszt  es,  dasz  alles  durch  gegenseitige  bewegung  und  mi- 
schung  entstehe,  hiernach  mflste  man  also  tö  ttSv  definieren  als  das 
durch  gegenseitige  bewegung  und  mischung  entstandene,  eine  beliaup- 
tung  die  doch  gewis  damit  nicht  identisch  ist  ,^  dasz  alles  bewegung  Ist. 
sonach  bleibt  nichts  übrig  als  das  imperfectum  aufzufassen  wie  Vitringa 
'de  Prot,  vita  et  phil.'  (Groningen  1852)  s.  83 ,  so  dasz  es  in  diesem  satze 
ganz  entsprechend  stände  wie  in  dem  werte  des  Anaxagoras  6^o0  irdvra 
Xpi^lütorra  fiv  oder  dem  des  Demokritos  fjv  6jüio0  ffdvra  buvdjiei,  iv€p- 
t^iq,  b*  oü.  in  dieser  fassung  schehit  aber  der  satz  rd  Ttäv  Kivr|Cic  ^v 
dem  zu  widersprechen,  was  als  Protagoras  lehre  sonst  überliefert  wird, 
wonach  er  vielmehr  den  satz  aufstellte  irdvra  Kivettai.  dieser  Wider- 
spruch hebt  sich  nun  sogleich,  wenn  man  sich  der  werte  erinnert,  mit 
denen  diese  erörterung  eingeleitet  wird.  Sokrates  hatte  die  anwesenden 
aufgefordert  sich  erst  umzusehen ,  ob  nicht  auch  uneingeweihte  zugegen 
seien;  denn  er  wolle  hier  mysterien  aussprechen,  hiernach  scheint  klar 
zu  sein,  dasz  Protagoras  nur  seinen  specielleren  anhängem  gegenüber 
sich  zu  dem  satze  bekannte  tö  nfiv  idvTicic  y\v,  der  ihm  allerdings  leicht^ 
wenn  er  Offentlieh  ausgesprochen  worden  wäre,  eine  Tptt<P^  dceßdac 
hätte  zuziehen  können,  dem  gr5szeren  publicum  aber  gegenüber  lehrte 
er  nur  irdvra  KlvcTrat.  über  diesen  doppelten  zuhdrerkreis  des  Prota-* 
goras  s.  Stalibaum  zu  Theät.  152%  Sauppe  zu  Prot.  315*. 

Von  dieser  anfänglichen  bewegung  also ,  welche  die  Voraussetzung 
der  Protagorischen  philosophie  bildet,  gibt  es  zwei  arten,  eine  active 


11.  Wohlrab:  zu  PUtons  Theäielos.  29 

und  eine  passive ,  büva)uitv  tö  jui^v  iroieiv  £xov,  rd  bi  nocxciv,  aucli 
sdilechtliin  tö  iroioOv  und  t6  Trdcxov  genannt,  aus  der  gegenseitigen 
Vereinigung  und  reibung  derselben  enuteht  sowol  das  was  gegenständ 
der  sumlicben  wahmebmung  ist  (tö  alc6r]TÖv),  als  auch  die  sinnliche 
wafanielimiuig  selbst  {f\  aTc9ncic)  und  zwar  beides  gleichseitig,  wir 
haben  sonach  zwei  zeugende  principien  (TCWUivra),  tö  iroioOv  und 
TÖ  irdcxoV)  und  zweierlei  was  durch  dieselben  hervorgebrachc  wird 
(T^ wid^eva) ,  tö  aicOtiTÖv  und  i\  aicBnac.  Vdgelin  hat  dieses  Ver- 
hältnis insofern  verkannt,  als  er  tö  notoOv  für  identisch  hielt  mit  tö 
YCVvAv  und  tö  iräcxov  mit  tö  T€Wi6fJi€V0V ,  was  schon  Campbell  mit 
recht  getadelt  hat.  Platon  ffthrt  nun  zur  nlberen  erlSuterung  dies  wahr- 
nefamuBgsprecesaes  die  beideB  begriffe  langsam  und  schnell  ein,  die  dem 
Omianus  Veranlassung  boten  eine  lütke  anzunehmen  und  deren  ausfil- 
lung  zu  versuchen,  wenn  wir  zun&chst  diese  ergftnzung  ignorieren  und 
nur  den  handsehriTtlich  beglaubigten  teil  im  äuge  behalten,  so  ergibt  sich 
dasz  die  langsame  bew^ung  den  tcvvttfvra,  die  schnelle  den  fewu»» 
lieva  zugeschrieben  wird,  die  YCWUiVTa  zeugen  eben,  indem  sie  an 
dersdben  stdle  bleiben  und  eine  l>eweguflg  nur  gegen  das  haben,  was 
sich  Ihnen  nihert.  was  aber  auf  diese  weise  gezeugt  wird,  ist  schneller; 
es  wird  ihm  das  <p^p€CÖai  zugeschrieben  und  die  ihm  eigene  bewegung 
4ißOp&  genannt,  überhaupt  finden  sich  diese  ausdrücke  siebend  von  den 
tevvidjuieva,  wie  gleich  156^  q)€po^^vtt)V  Tfic  ^iv  öqieiuc  . .  Tfic  b^ 
XeuKÖTTiToc,  femer  159  "*  t^uicuttit&  t£  koi  alcOfictv,  ä^a  (pepö]Lt€va 
d|üiq>6T€pa  genauer  werden  diese  langsame  und  schnelle  bewegung 
181  "^  bestimmt,  wo  die  idvT|Clc  zerlegt  wird  in  &XXo(uJCic,  worunter 
beispielsweise  die  Veränderung  des  weissen  in  schwarzes ,  des  weichen  in 
hartes  verstanden  wird,  und  in  mpKpopdt,  welche  stattfindet,  wenn  sich 
etwas  von  diner  stelle  an  eine  andere  bewegt  oder  an  öiner  und  derselben 
stelle  dreht. 

Piaton  erläutert  diesen  Vorgang  hier  zunächst  am  sehprocess,  weiter 
unlen  159^^  am  schmecken,  beim  sehprocess  smd  die  YevviDvTa  a)  tö 
dfi|ia  als  irdcxov,  b)  6X\o  t\  tiIiv  tovt({i  Sufift^puiy  als  troioQv,  da- 
gegen die  T€VV<lb^€va  a)  i\  6^^K  als  die  enlsprecfaeode  cdfcOn^tc,  b)  i\ 
Xetncdrnc  als  das  entsprechende  akldf\r6¥.  hierbei  bleiben  sowol  das 
äuge  als  auch  der  gegenständ  der  durch  das  äuge  wahiigenommen  wird 
jedes  mi  seiner  stelle,  aber  nicht  ohne  eine  veriüderung  zu  erfahren: 
denn  das  äuge  wird  sehend^  der  betreffende  gegenständ  aber  ersdielnt 
eis  ein  irgendwie  beschaffener,  dagegen  entsteht  nun  etaie  schnelie  be- 
wegung ((popd)  in  dem  räume  zwischem  dem  äuge  und  dem  gegenstände 
der  gesehen  wird,  und  dadurch  wird  ehieDselts  die  sefakralt  im  ang«, 
anderseits  was  an  dem  betreffenden  gegenstände  sichtbar  ist,  geweckt 

An  dieser  stelle  ad  noch  eine  neue,  von  den  Interpreten  des  Theä* 
tetos  bis  jetzt  nicht  beachtete  auffassung  erwähnt,  wdche  Nägebbach  in 
eeinen  'ezplicationes  et  emendationes  Plalonicae'  (Nflrnbcrg  1836)  s.  14 
▼or^bracht  hat.  derselbe  wHl  die  sache  nk^t  so  angesehen  haben,  als 
ob  «fie  Sehkraft  im  äuge,  die  färbe  im  sichtbaren  gegenstände  latent  wäre 
«ad  nur  durch  den  contact,  der  zwischen  dem  äuge  und  dem  dditbaren 


30  H.  WMnh:  n  PfaCM» 


gegOMtaaäe  civthll,  getreckt  wiiie,  wJu»  ab  tk  bckies,  Cvfae  und 
feiikrafl,  dank  beides,  doi  sidilinrcB  gcgasfad  md  das  a«ge,  henror- 
gttnthi  wfirde.  avf  diese  weise  «frde  hdm  sehpreceas  &  sehkrafl  an 
das  äuge,  die  färbe  aa  doi  sichlbaicB  gcfcsstaad  erst  heraogebradit 
bknaefa  w3re  alae  iqwc  tAv  ö^doXfinrv  md  irpdc  toö  cuvonroTiK- 
TOVTOC  tö  XP&lia  mil  «pcpoii^vanr  n  ifibiiim  «mI  icpöc  nül  dem 
geaetir  stSnde  aof  die  frage  wobm?  ia  der  bedeut— g  vm  ad^  versus, 
grammatisch  ist  dagegen  wol  nidits  emxvwcBdeB,  wie  sich  auch  ans 
6.  HermaBiis  note  zu  Vigcr  s.  861  ergibt.  aOein  wean  man  mit  Heindorf 
die  ganz  entsprecliende  stdle  159*  znr  vergleicbDng  heranzidit,  wo  aus- 
drücklich steht  f|  |i^  odfcOncic  npöc  toG  naqcovroc  o(ka,  so  wird 
man  nicht  nmimi  können  mit  diesem  gddirten  anch  irpdc  Turv  dq^OaX- 
fiuiv  mit  THC  |iiv  öificiuc  nnd  irpöc  toC  cuvairomTOvroc  tö  XP^M^ 
mit  Tfic  b^  XeuKÖtTiTOC  so  Terlinden  nnd  sich  setner  auffassung  anzu- 
schlieszen,  die  so  laotet:  *d«|iic,  quae  in  lioc  motn  existit  qoaqne  imple- 
tor  ocnlns,  causam  snam  et  prind|Mnm  in  ocnlis,  albedo  antem,  ijua  res 
obiecta  oenlis  implelur ,  in  hac  ipsa  re  habet' 

So  haben  wir  die  ganze  stelle  erUSrt  ohne  des  Gomarius  erginzung. 
schon  Schleiermacher  war  sehr  geneigt  dies  zu  ihun ;  doch  schien  es  ihm 
deshalb  unausfi3hrl»ar  zu  sein ,  weil  ohne  die  eingeschobenen  worte  von 
Einern  und  demselben  gegenstände  gesagt  würde  iv  Tili  aüx^  Trjv  xivii« 
€tv  Tcx€i  nnd  dann  wieder  q)^p€Tai  fäp  xat  Iv  <popqi  ceutuiv  f|  KiVT^cit 
Tr^q)UK€V.  er  nahm  also  für  beide  pr2dicale  als  subject  an  Scov  p^V 
oOv  ßpobü  und  fibersah  ganz,  dasz  diese  worte  nur  subject  sind  zp  iy 
r^  auTifi  Tftv  xivTinv  Icx€i ,  zu  q>^p€Tat  aber  Tot  rcwuificva  oönu  brj. 

Schon  hiemach  wird  uns  niemand  das  recht  absprechen  des  Coma- 
rius  Zusatz  als  einen  unnützen  und  nicht  legitimierten  eindringling  auszu- 
weisen, aber  es  läszt  sich  sogar  noch  darthun ,  dasz  durch  die  beibebal«- 
tung  desselben  der  ursprüngliche  tezt  nur  verschlechtert  wird,  schon 
Vögelin  hat  mit  vollem  rechte  darauf  hingewiesen,  dasz  durch  diesen  zu- 
salz  zwei  ganz  neue  begriffe  entstSnden ,  nemlich  zu  den  langsamen  yev* 
VUJiVTa  auch  langsame  Y€W(iifi£va  und  zu  den  schnellen  Tewuhrra  anch 
achnelle  TCVV((fp€va.  allein  nirgends  Ist  im  TheStetos  von  langsamen 
fCVVibjui^va  oder  schnellen  Yewwvra  die  rede;  vielmehr  sind  die  yey- 
Vi&vra  stets  langsam,  die  y€Wi6p€Va  stets  schnell,  was  aber  den  Gor- 
narius  zu  dieser  fehlerhaften  ansieht  verleitet  hat,  ist  nicht  schwer  zu 
errathen;  sie  findet  sich  nemlich  schon  Im  scholion  zu  unserer  stelle, 
welches  so  lautet:  öcov  ^xiv  oSv  ßpabu]  olov  tbc  tö  äirröv  Kai  tö 
T6UCTÖV.  wapAiite  bl  öi|iiv  xd  äxoflv  Tax^iuc  Ttvöjieva  •  toutuiv 
TÖp  qc^böv  äxpövuic  okeavö^eOa.  bia  bk  tö  ivap^  oörd  eTvat 
TrapAmcv.  Öf|c  bi  ötov  Xifxji'  lä  hk  TewibMCva  oirru)  Mj,  €lc  tö 
hi\  ^nocriKT^ov.  oön«  TÖp  b#|  X^T^t,  tout^cti  tö  ßpab^a,  äircp 
cid  TCUCTÖ  xd  ÖTTTii 

2)   169*  OÖXOOV  iflii  T€  OÖbiv  ÄXXO  TTOTfe  T€VriC0^ai  OÖTWC 

alc8avö^€V0C'  toO  top  dXXou  dXXri  oTcOnac,  xd  öXXoTov  xai  dXXo 
iTOic!  TÖv  aicdavöfX€vov *  oör'  ixefvo  tö  ttoiouv  i}ik  }if\rcoT*  äXXqi 
£uv€X8öv  TaÖTÖv  Tcwfjcov  toioOtov  T^vriTttf  Arcö  TÖpäXXou  fiXXo 


M.  WoUrab:  zu  PlalODS  The9Ce(os.  31 

Tcwficav  &XX0T0V  TCV^jcetai.  so  lautet  diese  stelle  bei  Heindorf  und 
den  Zfirchern,  und  Heindorf  gibt  dazu  folgende  erklärung:  'oiiTUlC 
cnceavöfLievoc,  quamdiu  ita,  non  aliter  sentio.  ToO  fäp  äXXou  — 
alins  enim  rei  allus  senaus  ef6cU,  ut,  qui  sentit,  äXXoiov  et  SKko  fiat 
b.  e.  nam,  ut  aliud  aliqnid  fiam,  opus  est  alia  re  sensibus  obiecta,  catus 
rei  quoniam  alius  est  sensus  (dXXi)  atcOrtac),  is  eum  qui  sentit  fadat 
aliter  sentientem  (dXXotov)  atque  ita  aliud  (äXXo  n).'  dieser  auslegung 
Heindorfs  haben  sich  alle  deutschen  inlerpreten  bis  auf  den  letzten  Ober* 
setzer,  J.  Deuschle,  angeschlossen,  und  doch  kann  sie  nicht  richtig  sein, 
denn  das  mit  dem  artikel  versehene  und  zu  anfang  gesetzte  toO  dXXov 
musz  sich  doch  notwendigerweise  auf  oi)biv  dXXo  zurflckbeziehen.  das 
ist  aber  nach  Heindorfs  auffassung  nicht  mdglieh,  der  denn  auch  die 
stelle  so  ei^lSrt  hat,  als  ob  vor  dXXou  der  artikel  nicht  stände,  anders 
und,  wie  es  scheint,  ToUkommen  richtig  hat  Campbell  diese  worte  ver- 
sUnden.  er  nimt  oibiv  fiXXo  als  object  zu  Tcvi^ico^ai  o&nuc  atc6a- 
vö|ievoc  die  periphrastische  form  akOavöfievov  TftvecOai  (s.  Stall- 
bäum  zu  den  gesetzen  li  670^)  wiederholt  sich  im  folgenden  und  kann 
schon  deshalb  ebenso  wenig  anstosz  erregen,  als  der  accusaliv  bei  akOd- 
vecdai  hier  einer  erklSrung  bedürfen  wird,  die  stelle  heiszt  nun :  *ich 
werde  also  nichts  anderes  jemals  auf  diese  bestimmte  weise  wahrnehmen, 
nemlieh  als  das  was  ich  wahrnehme.^  und  nun  schlieszt  sich  ganz  richtig 
an :  *denn  von  dem  andern  ist  die  Wahrnehmung  eine  andere.' 

Aber  die  folgenden  worte  sind  nicht  ohne  anstosz  zu  lesen,  schon 
die  hsl.  Überlieferung  erregt  bedenken,  denn  in  31^  steht  fiXXov  iroie! 
TÖ,  auszerdem  haben  auch  ZYF  fiXXov,  während  die  vulgala  nebst  den 
übrigen  bficbern  fiXXo  bietet,  und  tö  findet  sich  nach  Bekker  auch  in  BB 
von  erster  band.  11  aber  hat  nach  Bast  fiXXo  ttoicT  tö.  hieraus  machte 
nun  Bekker  xai  äXXoiov  Kai  äXXov  irotet  töv  aicOavöjievov,  Heindorf 
xod  dtXXotov  Kai  äXXo  iroieT  töv  aicOavöpcvov.  K.  F.  Hermann  da- 
gegen schrieb,  eine  alte  dittographie  vermutend,  xai  äXXoTov  [xai  fiXXov] 
iroict  TÖ  aicOavö^cvov.  man  sieht,  es  musz  hier  schon  frühzeitig  eine 
corruption  stattgefunden  haben,  deren  wahrscheinlicher  grund  einerseits 
in  dem  eben  erörterten  misverstSndnis  der  vorhergehenden  worte ,  ander- 
seits in  einer  falschen  construction  zu  suchen  sein  dürAe.  man  hat  bis 
jetzt  SXXt)  aTc6r|Cic  als  subject  zu  iroiet  angesehen  und  übersetzt:  *von 
einem  andern  dinge  ist  die  Wahrnehmung  eine  andere  und  diese  andere 
Wahrnehmung  macht  den  wahrnehmenden  zu  einem  veränderten  und 
andern.'  hierbei  ist  freilich  nach  der  früheren  erklSrungsweise  dieser 
stelle  äXXotOV  befremdlich:  denn  die  stricte  beweisführung,  die  hier 
durchaus  herscht,  erfordert  mit  rücksicht  auf  das  vorausgegangene  oOb^v 
SXXo  iroT^  TcWjcoMat  hier  blosz  fiXXo  iroict  töv  aicOavöpevov. 
femer  konnte  man  nach  der  alten  erklftrungsweise  äXXo  nur  als  prSdl- 
eatsaccusativ  zu  iroteT  töv  akOavöjievov  fassen ,  um  die  beziehung  zu 
dem  zu  beweisenden  satze  herzustellen,  diese  nötigung  fällt  mit  der  von 
Campbell  gegebenen  erklärung  der  vorhergehenden  worte  weg,  und  da* 
durch  ist  zugleich  ein  neuer  weg  zur  auffassung  auch  dieser  stelle  ange- 
bahnt,  einen  fingerzeig  dazu  enthalt  das  entsprechende  schluszglied  des 


S2  M.  Wohlrab :  za  Platons  Theätetos. 

folgenden  gani  parallelen  saUes:  'das  auf  mich  einwirkende  wird,  von 
^em  anderen  anderes  erzeugend ,  verändert  werden.'  der  hauplnach- 
drnok  In  diesen  beiden  parallelen  beweisen  liegt  in  der  idenlität  der  prft- 
dleala.  wie  das  wahrgenommene,  wenn  es  von  einem  andern  wahrge- 
nommen wird,  ein  verändertes  wird,  so  wird  auch  der  wehrnehmende, 
wenn  anderes  auf  ihn  einwiriit,  ein  veränderter,  hiernach  ist  klar,  dasz 
dXXoiov  in  beiden  sitzen  prfldicat  sein  musz.  es  ergibt  sich  aber  daraus, 
dasz  das  äXXo  vor  iroiei,  das  man  frfilier  allerdings  als  prädicat  fassen 
muste,  eine  andere  bestimmung  zu  erhalten  hat.  was  liegt  nun  näher 
als  es  zum  subject  von  iroiEi  zu  machen?  natürlich  ist  in  diesem  falle 
auch  das  Kai  vor  äXko,  das  mit  jener  fehlerhaften  auffassung  der  stelle 
sich  einfinden  muste,  wieder  zu  entfernen,  die  stelle  heisat  nun:  Kai 
ÄXXoiov  öXko  TTOiet  TÖv  aic0avö|ievov,  und  jedermann  wird  nun 
hoiTentÜch  sowol  die  worle  als  den  sinn  angemessen  und  richtig  finden : 
'so  wie  ich  das  wahrnehme,  was  ich  eben  wahrnehme,  werde  ich  niemals 
etwas  anderes  walimehmen:  denn  von  dem  andern  ist  die  Wahrnehmung 
eine  andere  und  ein  anderes  macht  den  wahrnehmenden  zu  einem  ver- 
änderten.' 

3)  IQO^"  ouKoCv  el  tö  \ijevi  irpöc  lauröv  boEiUeiv  kriv, 
oöbelc  dfupöiepd  t^  X^TUiV  Kai  boSdZwv  Kai  £ipa7rrö)A^voc  dfAcpoTv 
tQ  «ptixQ  eliroi  &v  Kai  boEdceiev  die  t6  Srcpov  Irepöv  dcnv.  iaxio^ 
be  Kai  col  TÖ  t>f\\ui  TTcpl  ToG  ^T^pou.  \ij\u  Top  aÖTÖ  r^be ,  fin^^va 
^SdZetv  die  tö  alcxpöv  KaXöv  f|  äXXo  n  tuiv  toioutuiv.  so  lautet 
die  vulgata,  wie  sie  sich  bis  in  die  Zürcher  und  die  von  R.  B.  Hirschig 
besorgte  Didotsche  ausgäbe  des  Platon  fortgepflanzt  hat.  erst  durch  Gais- 
fords,  Bekkers,  Basts  und  Furias  coUationen  erfuhr  man,  dasz  in  den 
besten  hss.  ^L^ÜF  zwischen  tö  ^fi^a  und  nepX  toO  Mpov  steht:  ^id 
Tiüv  ^v  fiepet,  ^Tieibfi  t6  ^fijüta  Srepov  ti|i  ^T^ptp  Kaxä  pf\}ia  raöröv 
icTiv  und  dasz  dieser  zusatz  sich  auch  am  rande  von  2BG  Yen.  a  Flor,  a 
fiadeL  Buttmann  äuszerte  diesen  werten  gegenüber  in  der  zweiten  Hein- 
dorfschen  ausgäbe  sein  befremden  und  seine  rathlosigkeit.  auch  Stall- 
baum bekannte  in  seiner  1839  zu  Gotha  erschienenen  ausgäbe,  dasz  sie 
ihm  nicht  völlig  klar  geworden  seien ,  suchte  sie  aber  docli  zu  erklären 
und  hielt  es  für  möglich  dasz  sie  zum  Platonischen  texte  selbst  gehörten, 
er  fibersetzte  die  stelle  so:  *  mittende  vero  etiam  tibi  sententia  est  de  iis 
quae  altemis  succedunt,  quandoquidem  iudicium  aliud  alii  kato  ^filia 
convenit,  quod  aliud  attinet.'  diese  Übersetzung  ist,  von  anderem  ganz 
abgesehen,  schon  deshalb  unrichtig,  weil  tö  ^f)Ma  Srepov  T^  ixipn^ 
TOÖTÖV  dcnv  nicht  heiszen  kann:  *  iudicium  aliud  alii  conveniu'  Stali- 
baum  scheint  gleichwol  nicht  ebne  einflusz  auf  K.  F.  Hermann  gewesen 
zu  sein,  welcher,  nachdem  noch  Badham  1855  im  philologus  X  s.  729 
die  aufnähme  dieses  Zusatzes  einfach  anempfohlen  hatte,  denseliien  mit 
ausschlusz  der  werte  rrepl  xoO  ^T^pov,  die  ihm  dunkel  zu  sein  schienen, 
zuerst  in  den  text  selbst  aufnahm,  die  stelle  lautet  bei  ihm  so:  iortov 
ik  Kai  col  TÖ  ^fiiiia  ivX  Tt&v  ti  M^pei,  inebi]  tö  ^fifia  iTcpov  Tip 
^T^tfi  KOTd  tif\tia  TttÖTÖV  dcnv.  der  neueste  herausgeber  des  Theäte- 
tos aber,  Campbell,  ist  wieder  zur  vulgata  zurückgeicehrt. 


N.  Woblrab:  zu  Platoos  Theätelos.  33 

Es  ist  augenfällig  und  von  keinem  erklirer  bezweifelt,  dasz  sich  die 
in  frage  stehenden  worte  auf  eine  vorhergehende  stelle  189^  zuruclilie- 
ziehen,  die  so  lautet:  CQ.  örav  ouv  T0O6*  f|  btdvoid  tou  bp^  oö  Kai 
dvdTKYi  avrrnv  fJTOt  d^qx^rcpa  ^  tö  irepov  btavocicOai ;  6£.  dvdricn 
jLi^v  ouv.  Cfi.  firoi  &iia  fe  f\  £v  M^PCt;  6€.  KdXXicra.  diese  worte 
hat  D.  H.  Hoenebeek  Hissink  in  seinen  ^animadversiones  criticae  in  Pla- 
lonis  aliquot  locos'  (Deventer  1845)  s.  71  so  interpretiert,  dasz  sich  ihm 
«ine  dreifache  möglichkeit  zu  ergeben  schien  das  eine  fQr  das  andere  zu 
setzen  und  so  die  Vorstellungen  zu  verwechsehi  (dXXobo£€iv).  man 
könne  beide  Vorstellungen  zugleich  haben  oder  abwechselnd  die  eine  nach 
der  andern  oder  auch  ^ine  allein,  das  letztere  ist  durchaus  zu  bestreiten. 
Sokrates  hatte  unmittelbar  vor  der  angeführten  stelle  in  Übereinstimmung 
mit  Theatetos  die  Verwechslung  der  Vorstellungen  so  definiert:  £cTtv 
dpa  (sc  TÖ  dXXoboEciv)  xard  Tf|V  cf|v  böEav  Irepöv  ti  üic  Eiepov 
Kai  ixi{  übe  iKCivo  tQ  biavoiqi  TiOecOai.  sie  tritt  demnach  ein ,  wenn 
jemand  etwas  für  etwas  anderes  hält,  als  es  ist.  bei  diesem  vorgange 
werden  mit  notwendigkeit  zwei  dinge  vorausgesetzt,  und  deshalb  sind 
bei  der  vorstellungsverwechslung  nur  zwei  fälle  möglich :  entweder  man 
stellt  sich  beides  zusammen  (das  belszt  ja  dfxq>6T€pa  oder  d^9Ul,  das 
man  190'  liest)  oder  das  ^ine  von  beidem  vor  (tö  Itcpov  ist  hier  wie 
190<  tö  ^fi^a  iT€pl  TOU  ^T^pou  und  190"^  oöt'  dp'  d|LupÖT€pa  oirre 
T^  £T€pov  boSdZovTt  indefinites  pronomen).  stellt  man  sich  beides  zu- 
sammen vor,  so  kann  das  nur  5^a,  gleichzeitig,  geschehen;  stellt  man 
sich  das  ^ine  von  beidem  vor,  so  kann  es  nur  iv  M^pci,  abwechselnd,  ge- 
scbehen.  dies  kann  allein  der  sinn  der  eben  angeführten  stelle  sein ,  die 
Hoenebeek  Hissink  insofern  misverstanden  hat,  als  er  annahm,  der  zusats 
fiTOt  fi^a  T€  i)  ^V  M^pci  beziehe  sich  nur  auf  d^q>6T€pa,  und  als  er  die 
indefinite  bedeutung  von  tö  ^Tcpov  verkannte. 

Gänzlich  im  unklaren  aber  war  Campbell  über  diese  worte,  der  un- 
begreiflicherweise  zu  der  annähme  gelangte,  sie  möchten  die  folgende 
vorerörterung  über  den  denkprocess  einleiten,  er  bemerkt:  *perhaps 
they  are  meant  to  introduce  the  analysis  of  thinking,  in  which  things  are 
present  to  the  mind  at  first  successively,  aAerwards  in  one  view.'  allein 
Piaton  thut  der  successiven  entstehung  der  begriffe  im  geiste  und  der 
darauf  erfolgenden  Zusammenfassung  derselben  an  unserer  stelle  mit  kei- 
nem Worte  erwähnung.  es  bleibt  also  nur  übrig  die  worle  fJTOi  fifia  T^ 
fj  iv  ^^p€t  als  eine  in  der  form  einer  rhetorischen  frage  gegebene ,  er- 
läuternde zusätzliche  bemerkung  zum  vorhergehenden  aufzufassen,  die 
dem  Theätetos  sehr  wol  in  dem  masze  einleuchten  kann,  dasz  sie  ihm 
den  ausruf  abnötigt:  KdXXiCTa.  auch  hieran  wird  also  nichts  zu  ändern 
sein  und  Ph.  W.  van  Heusdes  ansprechende  conjectur  Kai  ^dXiCTa  musz 
als  unnötig  erscheinen. 

Aber  noch  eins  macht  Hoenebeek  Hissink  für  seine  annähme  einer 
dritten  möglichkeit  der  vorstellungsverwechslung  geltend,  das  berück- 
siclitignng  verdient  er  findet  nemiich,  dasz  190"^  in  der  that  jene  an- 
nähme widerlegt  werde ,  dasz  eine  Vorstellung  allein  eine  Verwechslung 

Jahrbacher  ftir  cUsi.  philoL  1868  hft  1.  3 


34  M.  Wohlrab :  zu  Platons  TheStetos. 

zulasse,  .es  heiszt  da:  CQ.  äXXä  lif^v  tö  Srepöv  T^  fxövov  boSäZliuv, 
TÖ  bk  Srepov  juriba^i],  oöb^iTOT€  boEdcei  tö  ETCpov  &r€pov  elvau 
e£  ÜLtfifi  Xdtetc*  dvorpcäZoiTO  t^p  fiv  icpdTrrecGai  xal  ofi  ^fk  bo- 
idZei.  allein  sdion  die  einleitenden  partikeln  &Kkä  pf|V,  a<  uero,  weisen 
darauf  hin,  dasz  Piaton  mit  diesem  satze  etwas  neues  an  das  vorher- 
gehende gegensatzlich  anlmfipfen  wollte,  offenbar  verwahrt  er  sich  durch 
denselben  nur  noch  dagegen ,  dasz  nicht  jemand  die  meinung  vorbringe» 
als  könne  man  ein  ding  allein  verwechseln ,  eine  meinung  die  allerdings^ 
wenn  sie  begründet  wire,  der  Vollständigkeit  seiner  beweisfflhrung  ab- 
brach thun  würde. 

Durch  die  erklflrung  der  stelle  189  **'  haben  wir  uns  den  weg  zum 
richtigen  Verständnis  der  worte  gebahnt,  auf  die  es  uns  hier  hauptsäch- 
lich ankommt  nachdem  Piaton  den  begriff  der  vorstellungsvorwechslung 
definiert  und  die  beiden  möglichen  falle  derselben  hingestellt  hat ,  gibt 
er  in  strenger  folge  der  gedanken  die  Widerlegung,  er  geht  von  dem 
begriffe  des  be£ä2^eiv  aus  und  zeigt,  dasz  nur  in  d^m  falle  von  einer  Vor- 
stellung die  rede  sein  könne,  wenn  der  geist  Ober  den  gegenständ  der- 
selben mit  sich  einig  geworden  sei  und  nun  in  seinen  aussagen  über  ilm 
sich  gleich  bleibe,  nach  dieser  definition  musz  es  allerdings  als  unmög- 
lich erscheinen  ehis  für  das  andere  zu  halten,  nun  kommt  Piaton  auf  die 
beiden  möglichen  fälle  der  vorstellungsverwechslung  zurück  und  erklärt 
zunächst  ausdrücklich,  dasz  kein  mensch  zwei  Vorstellungen  zugleich 
haben  und  von  ihnen  sagen  kann ,  die  eine  sei  die  andere,  mit  dem  be- 
griffe der  zwetheit  ist  ja  der  begriff  der  Verschiedenheit  gegeben,  und 
was  man  als  verschieden  erkennt,  kann  man  nicht  verwechseln. 

Nun  sollte  man  erwarten,  dasz  Piaton  auf  den  zweiten  möglichen 
fall  der  vorstellungsverwechslung  komme ,  wonach  man  auf  einander  fol- 
gende Vorstellungen  mit  einander  verwechselt,  hierüber  sich  ausführlich 
zu  äuszern  weist  er  offenbar  ab,  indem  er  von  Theätetos  erwartet,  dasz 
er  nach  dem  bisher  erörterten  wol  davon  abstehen  werde  diesen  fall  noch 
besonders  behandelt  zu  sehen,  sehen  wir  uns  nun  diese  stelle  in  der 
ausführiicbkeit  an,  wie  sie  auf  grand  der  besten  hss.  in  der  Hermannschen 
ausgäbe  vorliegt.  Deuschle  übersetzt  sie  so :  *du  muszt  aber  von  dem  aus- 
druck  in  der  reihenfolge  nach  einander  absehen  (wobei  Kai  ganz  unbe- 
rücksichtigt geblieben  ist),  da  die  ausdrücke  eins  und  das  andere  für  ein- 
ander gebraucht  und  so  Identisch  werden'  (toötöv  ^CTtv?).  zu  dieser 
Übersetzung  gibt  Deuschle  noch  die  erklSrung:  M.  h.  was  ich  eben  eins 
nannte,  heiszt  in  einer  anderen  beziehung  aufgefaszt  anderes  und  umge- 
kehrt' das  würde  wol  beiszen ,  um  es  nochmals  und  zwar  an  einem  von 
Piaton  selbst  gebrauchten  belspiele  zu  erläuiem,  dasz  es  in  rficksicht  auf 
Vorstellungsverwechslungen  ganz  indifferent  Ist,  ob  ich  ein  pferd  für  ein 
rind  halte  oder  ein  rind  für  ein  pferd.  eine  bestätigung  dieser  auffassung 
könnte  man,  worauf  Campbell  aufmerksam  gemacht  hat,  darin  finden, 
dasz  Piaton  unmittelbar  nach  jener  stelle  so  fortfährt :  X^Ttu  fAp  adr^ 
T^b€,  ^nb^va  bo£d2Eiv  (bc  tö  aicxpöv  koXöv  fj  äXXo  Ti  Tulrv  tok>utu>v^ 
während  es  kurz  vorher  190^  umgekehrt  hiesz:  Sti  iravröc  fifiXXov 
TÖ  toi  xaXöv  oicxpöv  dcTiv.   allein  es  ist  noch  sehr  die  frage,  ob  diese 


H.  Wohlrab:  zu  Platons  ThtSletos.  35 

Verschiedenheit  im  beispkl  eine  heab«iehligte  oder  zoISllige  ist:  deoa  ge- 
rade im  gebrauch  v<m  beispielen  Hebt  Platon  die  grOsle  manigfaitigkeit, 
wahrt  er  sieh  die  gröste  frefheit. 

Wenn  aber  hier  annächst  angegeben  werden  mag,  dasz  Deuschle  die 
Worte  im  aligemeinen  richtig  flbersetA  und  erklärt  hat,  S0  ist  damit  frei- 
lich noch  nicht  die  t}f9ge  erledigt,  ob  Platon  wirklich  in  diesem  zusam« 
menhange  so  etwas  sagen  konnte  und  oh  es  in  seine  ganze  aiignmenutlon 
passt.  wie?  braucht  der  fall,  d»si  zwei  forsteUunge»,  die  auf  einander 
folgen,  verwechselt  werden  kannten,  deshaU»  gar  nicht  besonders  behan- 
delt zu  werden,  weil  die  ausdrücke  das  eine  (^TEpov)  und  das  andere 
(Srcpov)  identisch  sind,  weil  es  IndfiTerent  ist,  ob  ich  unter  dem  einen 
Ircpov  dieses,  unter  dem  andern  ^cpov  jenes  oder  umgekehrt  ver- 
stehe? skherlidl  nicht,  viehnehr  scheint  der  beweis  dafdr,  dasz  zwei 
auf  einander  folgende  Vorstellungen  nicbl  verwechselt  werden  kdnnen, 
schon  im  vorhergehenden  zu  liegen,  wenn  gezeigt  ist,  dasz  schon  der 
begrilf  der  Vorstellung  die  mOglfehkeit  der  verweehshiog  derselben  aus- 
schiieszt,  wenn  geeeigt  ist,  dasz  man  gleichzeitige  Vorstellungen  niehi 
verwechsehi  kann,  so  ergibt  sich  daraus  mit  leichtigkeit,  dasz  dies  auch 
hei  zwei  auf  einander  folgenden  nicht  der  fklf  sein  kann,  mithin  kann 
Platon  diesen  punct  ganz  fallen  lassen,  dies  drOckt  er  denn  auch  In  dem 
folgenden  saUe  aus :  Xijw  fäp  ainö  T^bc ,  pvib^va  bQ£4i[€iv  die  tö 
aicxpov  KoXöv  f|  äXXo  ti  toiv  TOtotÜTUJV,  womit  doch  offenbar  nur 
gesagt  sein  soll,  dasz  man  zwei  verschiedene  dinge  überhaupt  nicht  ver- 
wechseln oder  identificieren  kann. 

Ist  auf  diese  weise  dargethan ,  dasz  der  sinn  der  werte  ^TT€lbf| . . 
tauTÖV  dcnv  ein  an  dieser  stelle  durchaus  unzuUssiger  ist,  so  ergeben 
sich  weitere  bedenken  aus  der  betrachtung  des  einzelnen,  es  heiszt  nach 
Hermann:  laiiov  hl  Kai  col  tö  ^fi^a  lizi  twv  ^v  jn^pei.  was  hat  man 
unter  rd  ^v  M^pci  zu  verstehen?  mit  rüeksicht  auf  die  stelle  189*  und 
auf  das  was  hier  unmittelbar  vorhergeht  kam  man  nur  annehmen ,  dasz 
diese  werte  den  gegensatz  zu  d^q>ÖTepo  bilden,  allein  dem  ä^qiÖTcpa 
war  oben  tö  Srepov  entgegengesetzt,  ly  jbi^pet  aber  diente  nur  zur  er- 
klSrung  des  £T6pov  bo£<iZ€lv.  wäre  es  nun  nicht  seltsam ,  wenn  Platon 
den  zweiten  fdi  der  vorstellungsverwechsIuBg  nach  diesem  accidens  hier 
bezeichnen  wollte  und  noch  dazu  ohne  dasz  das  entsprechende  fi^a  neh 
in  der  nähe  vorfinde?  Hoenebeek  Hissink  hat  dies  richtig  gefühlt  und 
deshalb  vorgeschlagen  fipa  vor  äfi<pÖT€pa  einzuschalten,  ferner  heiszt 
es:  TÖ  ^{^pa  itd  ti&v  dv  M^pei,  ine,xbf\  tö  pi\}ka  irepov  ti^  ^T^ifi 
KOTa  ^i\l^OL  TOUTÖV  icw.  man  wird  zugeben  müssen ,  dasz  sich  hier 
eine  gewisse  unbeholfene  und  zwecklose  fülle  des  ausdrucks  vorfindet, 
das  wort  t>f\}XOL  sieht  zweimal  im  nebensatze  und  gleich  vorher  im  haupt- 
Satze ;  auf  jeden  fall  würde  der  satz  sehr  gewinnen ,  wenn  das  ^|üia  vor 
iTCpov  fehlte,  endlich  kann  Hermann  die  auf  jenen  zusatz  folgenden 
Worte  TTcpl  ToG  ^T^poii  natürlich  nicht  brauchen,  indem  er  sie  aus- 
stöszt,  handelt  er  consequenter  als  Stallbaum,  der  sie  beibehalten  möchte; 
denn  offenbar  kann  mit  ihnen  nichts  anderes  bezeichnet  sein ,  als  was  in 
dem  ausdruck  inX  tOlIv  Iv  \iifi€i  liegt. 

3* 


36  M.  Schmidt:  emendatio  Callimachea. 

Da  sich  nun  herausgestelll  hat,  dasz  der  in  den  besten  hss.  enthal- 
tene Zusatz  dem  Wortlaute  nach  nicht  unbedenlüich  und  kaum  Platonisch, 
dem  sinne  nach  unpassend  ist,  so  wird  sich  unsere  aufmerksamkeit  dem 
von  Hermann  ganz  aus  dem  texte  verstoszenen  Trepl  TOO  ^T^pou  wieder 
zuwenden  müssen,  dieses  bildet  zunächst  den  einzig  correcten  und  schon 
ISS''  angewendeten  gegensatz  zu  djiqpÖTepa,  der  hier  volistAndig  am 
platze  ist  und  einzig  erwartet  werden  kann,  dasz  er  in  der  that  eine 
neue  beweisfQhrung  nicht  mehr  nötig  macht,  ist  schon  gezeigt,  stehen 
aber  die  Sachen  so ,  dann  kann  der  in  den  besten  hss.  befindliche  zusatz 
nichts  weiter  sein ,  als  was  er  in  den  übrigen ,  sonst  weniger  guten  hss. 
in  der  that  ist,  nemlich  eine  randbemerkung ,  und  zwar,  wie  wir  gezeigt 
haben,  eine  nicht  eben  glückliche,  die  sich  mit  der  zeit  in  unsern  besten 
büchem  in  den  lext  einschlich,  als  ein  äuszeres,  wie  mir  scheint,  nicht 
unzweifelhaftes  indicium  hierfür  führt  Campbell  noch  an ,  dasz  in  %  was 
Gaisford  übersehen  hatte,  Iciiy  vor  irepl  ToC  ixipox)  steht. 

Die  art  und  weise,  wie  Hoenebeek  Hissink  den  in  den  besten  hss. 
befindlichen  zusatz  mit  dem  texte  verbinden  und  erklären  will,  darf  ich 
wol  ganz  übergehen:  denn  abgesehen  von  den  handgreiflichen  willkür- 
lichkeiten, an  denen  sein  versuch  leidet,  ist  er  dem  resultate  nach  bereits 
zugleich  mit  dem  Hermannschen  gerichtet. 

Dresden.  Martin  Wohlrab. 


6. 

EMENDATIO  CALLIMACHEA. 


Versus  hymni  in  Dianam  76  hie  est: 

CTifiecoc  dK  p€T<iXou  Xac(r|C  lbp6iao  XOLlTr\c. 
Meinekius  diatr.  p.  162  malit  eS  ^erdXou  collato  Leonida  in  anth.  Pal. 
VII  506  €G  piiya  Kf^TOC,  cum  bpdSacOai  non  evellendi  sed  apprehen- 
dendi  notionem  exprimat.  non  urgueam  vix  aliud  exemplum  formulae  eO 
liifa  inventum  iri  —  nam  Tttttujv  cO  ^€T<iXuJV  pro  od  Schaeferus  ad 
ApoUonii  Rhodii  schol.  p.  167  ***  e  coniectura  intulit  Philostrati  heroicis 
p.  70  Boiss.  —  sed  facillima  ac  certissima  emendatio  haec  est :  CTil)0€OC 
^KTrdtXou  — .  cf.  Hesychius:  ^KtraYXa'  Oaujutacrä  }xef&\a 
üEoxo.  TTepirrd.  ceterum  v.  Xadric  . .  x^^^tiic  in  eisdem  versus  regio^ 
nibus  collocavit  Apollonius  Rh.  IV  1605  CT^XXi]  öpcSd^evoc  Xacir^C 
eöneiO^a  x^^tTtic.  duplici  genetivo  iunctum,  quorum  alter  ex  altero 
est  suspensus,  verbum  ibpaiaxo  reperitur  etiam  apud  Theocritum  XXV 
145  (ine.  IX 145  Ahr.)  toO  ^kv  fiva£  TrpociövTOC  ^bpdgaTO  X€tpl  tra- 
X€ii)  cxaioC  äq)ap  K^paoc. 

Ibkae.'  Mau^icius  Schmidt. 


F.  IL  Herllein :  anz.  v.  Diodori  bibl.  bist.  ed.  L.  Diodorf.  vol.  I.  IL       37 

7. 

DiODOBI    BIBUOTHECA    HI8T0SICA    £X    RECEKSIONE    ET   CUM   ANNO- 
TATI0NIBU8   LUDOVIOI  DiMDOBFII.    VOL.   I  £T   II.    Llpsiae 

in  aedibus  B.  G.  Tenbneri.    MDCCCLXVI.  MDCCCLXVn. 
CXXVm  n.  462,  LXX  n.  532  s.   8. 

diese  neue  ausgäbe  des  Diodoros  von  L.  Dindorf  (die  vierle  wdcbe 
wir  demselben  verdanken)  enthält,  so  weit  sie  bis  jetzt  erschienen  ist^), 
die  fünf  ersten  bücher,  die  excerple  der  fflnf  folgenden  und  buch  11  bis 
13  einschlieszlich,  femer  die  commentationen  Heynes  Ober  die  quellen 
Diodors  und  die  inbaltsangaben  der  bis  jetzt  erschienenen  bflcher.  auszer- 
dem  hat  der  hg.  jedem  bände  eine  praefatio  vorausgeschickt ,  in  welcher 
er  sich  über  verschiedene  allgemeine  die  krilik  Diodors  betreffende  puncto 
ausspricht. 

Wie  von  den  drei  früheren  ausgaben  Dindorfs  eine  jede  einen  sehr 
erheblichen  fortschritt  in  der  krilik  bezeichnet,  so  auch,  wie  sich  von 
vora  herein  erwarten  liesz,  die  vorliegende  vierte,  der  hg.  behauptet 
sicher  nicht  zu  viel,  wenn  er  in  der  vorrede  zum  ersten  bände  s.  IV  sagt: 
'snperstites  libros  quindecim  partim  codicum  ope  optimorum  partim  accu- 
ratiore  singulorum  instituto  examine  millenis  amplius  locis  emendatiores 
potui  reddere.'  die  meisten  dieser  Verbesserungen  beziehen  sich  freilich 
nur  auf  orthographisches  und  etymologisches,  sind  aber  immerhin  im 
ganzen  nach  des  ref.  urteil  als  solche  zu  betrachten. 

In  der  vorrede  zum  ersten  bände  beschüfligt  sich  der  hg.  haupl- 
sSchlich  mit  aufstellung  bestimmter  gesetze  über  die  spräche  Diodors,  so 
weit  dieselbe  im  gebrauch  gewisser  formen  sich  zeigt,  wie  der  krasis, 
der  contraction ,  der  elision ,  in  der  declination  und  conjugation  und  in 
einzelnen  wdrtem.  von  den  letzteren  finden  wir  hier  ein  Verzeichnis,  in 
welchem  der  hg.  nachzuweisen  sucht,  welche  formen  Diodor  gebraucht 
habe  und  welche  als  fehler  der  abschreiber  ihm  abzusprechen  seien, 
einen  teil  dieser  letzteren  hat  er,  wo  sie  die  hss.  darbieten,  consequent 
in  seinem  texte  mit  den  von  ihm  allein  gebilligten  vertauscht,  so  schreibt 
er  z.  b.  immer  fijipoc  für  dmioc,  dtVTiTT^pac  für  ävTtir^pav,  fixP^  ^^^ 
fxeXpi  auch  vor  vocalen  für  äxpic  und  \i(X9^^y  AiöcKOpoi  für  AiöcKOU* 
poi,  bii6puxoc  für  biidpiTfOC,  ini^^XoMat  für  im^cXoOpai,  xdui  und 
xXdu)  fjr  xaiu)  und  KÄaiiu,  mötic  statt  ^öXic,  vf)€C  stall  vaöc,  ttX^ov 
statt  irXeiov,  TrXrjOiu  für  ttXtiOuui  und  tcX^ujc  für  TcXeiuJC.  dieses  ver- 
fahren wird  zwar,  wie  wir  nicht  zweifeln,  mancherlei  Widerspruch  erfah- 
ren ;  ref.  aber  bekennt  dasz  er,  obgleich  auch  ihm  einiges  noch  bedenklich 
ist,  im  ganzen  doch  hierin  einen  fortschritt  in  der  kritik  Diodors  aner- 
kennt und  das  meiste  von  dem,  was  D.  hinauscorrigiert  hat,  wie  vaOc  st. 
viiec,  buoKdbcKa  st.  b(xl^)eKC^  bexan^vre,  b€Ka€Trrd  und  ähnliche  for- 
men, dem  Diodor  nicht  zutrauen  kann,  anderes  dagegen  hat  der  hg.  nicht 
gewagt  gegen  die  hss.  zu  verändern,  obgleich  er  dasselbe  gleichfalls  für 


*)  [seit  obiges  geschrieben  worden,  ist  anch  der  dritte  und  vierte 
band  erschienen.] 


38    F.  K.  Herlldn :  anz.  v.  Diodori  bibl.  bist.  ed.  L.  Diadorf.  vol.  L  11. 

falsch  halt,  wie  'AnöXAiuva  st  'AiTÖXXui,  iröfia  st.  TtAfia  und  tocoC- 
TOV  vor  coosouanten  st.TOCoGTO.  der  gleichförmigkeit  wegen  schreibt  er 
aber  immer  fivoiiai  und  ifiVtiiCKUi,  immer  irnx^?  selbst  wo  hss.  (frei- 
lich nur  selten)  TdrvojLim  und  TiTVa»CKU)  und  in^x^UiV  oder  mit  falschem 
accent  mix^uJV  bieten ,  obgleich  er  es  für  wahrscheinlich  hält  dasz  Dio- 
dor  nur  die  letzteren  formen  gebraucht  habe,  schwankend  ist  das  urteil, 
ob  buoiy  oder  bU€tv  das  richtige  seL  *%o'  heiszt  ea  s.  XXII  ^utnimque 
eum  (nemlich  Diodorun)  dixisse  aen  credens  praetnli  buoiv.  etsi  fieri 
potest  ut  uaa  ei  potius  forma  bueiv  sit  restitueada.'  buetv  ist  nur  an 
der  einen  stelle  3,  48,  4  geblieben,  manches  andere  ahnllGiier  art  ist 
jedoch  nicht  in  dieses  Verzeichnis  aufgenommen  worden,  sondern,  wie  es 
scheint,  auf  die  aaaotationes  verspart,  wie  die  überall  hergestellte  form 
ävacpOvai  fflr  dvaq)ufivai  (1,  7,  4  und  3,  62, 10)  und  "AcreiMC  für 
*'AcT€OC  (1 ,  28 ,  4). 

Als  ein  bedeutender  fortschritt  in  der  kritik  ist  es  femer  zu  be- 
trachten ,  dasz  D.  sich  weit  genauer,  als  es  bisher  geschehen  war,  an  die 
besten  hss.  angeschlossen  hat,  besonders  in  den  fünf  ersten  büchem  an 
den  Vindobonensis.  er  ist  nemlich  dieser  relativ  besten  hs.,  nachdem 
bereits Jn  der  bei  Didot  erschienenen  und  in  der  Bekkerschen  ausgäbe  vide 
bis  dahin  vernachlässigte  lesarlen  derselben  in  den  text  gesetzt  worden 
waren,  jetzt  zum  ersten  male  an  mehr  als  200  stellen  gefolgt,  und  in 
fast  allen  diesen  wird  man  nicht  umhin  können  demselben  beizustimmen, 
wir  begnügen  uns  die  stellen  des  ersten  bnches  aufzuzAhlen,  in  welchen 
vorliegende  ausgäbe  nach  unserer  Überzeugung  mit  recht  dem  Vindobo- 
nensis teils  allein  teils  mit  andern  hss.  gefolgt  ist,  und  zwar  zuerst  solche 
in  denen  falsche  oder  unnötige  zusfttze  anderer  hss.  beseitigt  sind,  nem- 
lich 4, 1  oöx  ot  TuxövTcc  Ti&v  cuTTpoup^uuv,  äXXd  nv€C  xal  tuiv  t^I 
2>6Eq  ireirpuiTCUKÖTUiv,  wo  andere  hss.  noch  |iövov  nach  Tuxövrec 
haben ,  4,  4  ££  'Axuptou  st.  ii  'Ay.  tö  t^voc,  18,  2  Tf|c  t^uipTU^c 
ifxneipim  fxovrac  st.  touc  thc  t*  ^*  ^ovrac ,  18,  5  dirob€XO)Li^vou 
St.  dTTObexOH^VOu  aöröv,  wodurch  der  anstöszige  hiatus^)  entfernt  ist, 
22,  2  ö  CTiKÖc  für  aÖTf)€  ö  OiKÖc,  25,  5  ^^xpi  ''icTpou  icorafioG 
TTHTwv  st.  fi^xpi  T&v  ToO  "1.  TT.  TtiiTUiv,  60, 10  KaXdjütnv  Top  kcC- 
povrec,  wo  andere  hss.  falsch  niv  nach  KoXd^nv  einschieben,  70,  3 
Td  cuVT€TaT|ui^vov  St.  TÖ  cuvT.  Ik  tuiv  v6|üiuiv,  86,  4  f)  «i^vx^l  St.  f| 


1)  manchen  hiatas  mag  der  Schriftsteller  selbst  ^ch  erlaubt  haben, 
aber  eewla  nicht  alle  die  sieh  jetzt  in  allen  oder  den  meisten  hss.  finden, 
vro  solche  durch  has.  entfernt  werden  können,  moss  dies  die  kritik  thon. 
es  ist  deshalb  gewis  zu  billigen,  dass  D.  4,  72,  2  gegen  die  heste  he. 
(die  elc  st.  Trp6c  liest)  din)v^6n  irpöc  toOtov  töv  töitov  geschrieben  hat. 
eine  andere  frage  ist  es,  ob  Diodor  nicht  trpöc  4,  72,  3  nach  dirnv^OT) 
und  72,  4  nach  ^o^(c8r)  resohrieben  hat,  und  ob  nioht  e\c  an  dessen 
stelle  erst  dorch  die  Willkür  der  abscbreiber  gekommen  ist.  manohe 
hiatns  sind  aber  auch  durch  blosse  coigectar  zn  entfernen,  am  sicher« 
sten  da,  wo  noch  andere  gründe  vorhanden  sind  die  lesart  der  hss.  zn 
verwerfen,  z.  b.  13,  73,  1  irepl  ToO  Tpoitaiou  iHatuivicacOon ,  wo  auch 
ohne  rtiokiiicht  anf  den  hiatas  btUTUivicacOai  herzustellen  war,  wie  ich 
vermutete  und  wie  D.  geschrieben  hat. 


r.  K.  Hertlcia :  anz.  v.  Diodori  bibl.  hisL  ed.  L.  Dindorf.  vol.  L  11.      89 

<pux J|  aÖToG ,  so  dasz  wiederum  der  hiatus  beseitigt  wird ,  95 ,  1  ra 
irepi  Touc  vo^dpxac  st.  rd  t€  Trcp)  t.  v.  ,  wo  t€  wenigstens  nicht  not- 
wendig ist.  Iiierher  gehört  aach  18 ,  6  TrpcxEofi^vouc  fGr  eknpceEo^^- 
youc  und  92,  5  d1roc€^vuV€l  fOr  cuvatrocc^vüvei.  losfltze  sind  da- 
gegen aus  derselben  quelle  aufgenommen  29,  6  TOcaOO'  i\\xlv  Agff{cS\Dj 
CTOXQtC^votc  Tf)c  cuji^CTpfac,  wAhrend  andere  hss.  haben  tocoOt' 
ciTTCiv  eIxo^€V,  43,  1  bt  zu  T^VKdTiyti  der  artikel  hinaugekommeu, 
ebenso  17,  3  in  ^k  tt^c  AItöhtou,  45,  7  in  Kaxd  T?|V  Aißuiiv,  98,  3 
In  Korä  Tf|V  dcTpoXoTtav  uAd  66 ,  10  nach  irdcnc  in  den  werten  Kpa- 
Ti^cciv  ainöy  n&aic  rfic  AiTUtrTOu.  so  hetszt  es  femer  jeut  67,  5 
{ti  bk  Kai  St.  inbi,  94, 1  TFapeiXtfqp^fat  st  €iXr)q)^t  und  97,  1 
^lOcnipouM^Viic  St.  tnpoufJi<VT)C.  ausserdem  ist  nach  derselben  hs.  8,  3 
if€p\  dndvtutfv  für  nepl  irdvTunr  geschrieben,  17,  3  ped'  aöroO  su 
Me6'  dauToO,  21,  9  Ka6i€pui66fTa  fQr  ä^icpuiB^vra,  24,  2  Ter^vf)- 
<eai  St.  T€V^c6ai,  27, 6  Tf)c  'Ocipiboc  st.  toO  'Odptboc  (wie  ref.  in 
seinen  beitragen  zur  kritik  des  Diod.  U  2  s.  31  f.  vorlangt  hatte),  30,  3 
Tpurr^obunicnc,  wie  diese  landschaft  bei  Diodor  sonst  immer  genannt 
wird,  st  TpuitXob^boc ,  45,  3  T€TTapdKOVTa  st  TerpoExociuiv, 
49 ,  5  ^KTipenf)  st  €Ö7Tp€iifi ,  55 , 1  touc  irpdc  tQ  ^€amßp(<ji  Karoi- 
KOÖVTOC  st  TOUC  irpoc  Tf|v  )Lt€CiiMßptov  K.,  57,  3  eößoTOC  far  €^ßa- 
Toc,  64,  7  iTpW  fi  TÖ  Träv  £pTOV  Kaßefv  st  ^irep  tö  fprov  IXoßc» 
64,  10  TtXeOptata  st  bt7rXc6poc,  65,  7  ist  die  frühere  vulg.  od  rdp 
&v  ainu)  TOtaCra  irpocTarretv  wiederhergestellt  statt  der  lesart  aÖTÖv 
zweier  hss.,  die  in  die  neueren  ausgaben  aufgenommen  worden  war, 
66,  2  ist  ^auTdbv  für  &xuTOtc  oder  dirdvTurv  geschrieben  in  den  Wor- 
ten ineßdXoVTO  tcaTaciceudcai  koivöv  iamwy  Tdqpov,  67,  9  eönp- 
Y^ret  st  €U6pT^T£i,  wie  denn  auch  3,9,2  £UiipT€Tf)c6ai  mit  einigen 
hss.  und  überall  auch  gegen  alle  hss.  in  diesem  werte  das  t)  st.  c  in  den 
augmentierten  formeb  hergestellt  ist,  77,  8  KOTaKdecGat  st.  KOTOKoie- 
cdai,  83,  2  Ttoibu^v  st  iraibiuiv  und  84,  5  ipupoiVTec  st.  ipüpovxec 
sehr  hlnÜQ  ist  eine  andere  Wortstellung  als  die  gewöhnliche  eingeführt, 
im  ersten  buche  39,  11  cxebdv  nficav  Tf|v  AtTunrov  st.  irficav  cx€- 
iöy  Tf|V  AtT«,  59,  3  i^Ttc  ^x^pou  irctpav  dvbpöc  oök  €tXT)(p€  st  f^Tic 
it€fpav  dvbpöc  öÖR  e!XT]q)€v  ^T^pou,  67, 10  äßarov  inolouv  toic 
S^votc  Tf\v  AItutttov  St.  ä.  toic  E^voic  itroiouv  t.  ATt-  ?  80,  6  dw- 
irobTiTUjv  bt  Ktti  YVMViöv  tujv  TiXcicTiuv  Tpecpou^viüv  st  dv.  bk  Tuiv 
irXckTiuv  Kai  t^juvui^  Tpeq).  ,83,2  x^P^  <p€pouca  Trpdcobov  dp- 
KOOcav  st  X-  Ttpöcobov  9^pouca  dpK.,  88,  6  qp^pouct  b*  AItuhtioi 
Koi  &XXi)v  alTtav  st  «p.  b^  xai  dXXnv  aMav  Aimjimoi,  90,  2  KdX- 
XiCTa  6ncatjpic6T)cojLi^vac  rdc  xdpnac  st.  dn^^^P^o^^voc  Tdc  xd* 
pttoc  KdXXicra  und  94,  5  vo^oG^ttiv  cpoci  T^v^cOai  st.  cpaci  fevi- 
cBai  vo^oO^TTiV.  alle  diese  Umstellungen  halten  wir  für  vollkommea 
bereobligt,  weil  die  hs«,  auf  der  sie  beruhen,  ihre  grdszere  Zuverlässigkeit 
auch  in  dieser  bexiehung  den  übrigen  hss.  gegenüber  dadurch  ganz  ent- 
schieden beweist,  dasz  sie  entweder  allein  oder  mit  einigen  andern  liss. 
durch  ihre  Wortstellung  oft  einen  anstöszigen  hiatus  beseitigt,  ich  über- 
gelie  aolche  stellen,  in  welchen  schon  längst  durch  die  aufhahme  der 


40       F.  K.  Hertlein :  anz.  v.  Diodori  bibl.  hist.  ed.  L.  Dindorf.  vol.  I.  II» 

Wortfolge  des  Vind.  der  liiatus  enlfernt  worden  ist,  und  verweise  auf  die 
beispiele,  welche  Ich  in  meinen  beitrSgen  II  1  s.  32  angeführt  habe, 
diesen  fOge  icli  jetzt  noch  hinzu  3,  40,  1  TCoXXä  ^^v  ixOuo<pdTtuv 
I0V11  St.  YioXXd  ^^v  £6vn  ix6uoq)äTUiV,  3,  73,  6  Tif»  b'  adrifi  Tpöntfi 
<paclv  £TT€X6€tv  St.  Tiij  b'  auTifi  TpöiTi})  ^7T€X6€iv  (paci,  4,  13,  3 
6aup<icat  nc  äv  st.  Gau^dcm  fiv  Tic,  4,  81, 1  Kupifjvric  x&XXei  bia- 
4pepoiJCT]c  ^pac9f)vai  st.  K.  biaqpcpoiiciic  xäXXci  ipacBfjvat. 

Ref.  ist  der  ansieht,  man  müsse  der  verhältnismaszig  besten  hs. 
sogar  noch  an  einer  ziemlich  groszen  zahl  von  stellen  folgen ,  wo  die- 
selbe auch  von  D.  unbeachtet  geblieben  ist.  ohne  bedenken  billige  ich 
1,  17,  3  puuMr)  cid^aTOC  st.  cuijuaTOC  ^t6^i],  1,  20,  1  navraxou 
KaTaXiireTv  st.  KaraXitreTv  navTaxoO,  1,  35,  9  ^nl  Tf)c  x^pctc  st. 
iv\  X^P<<c,  1,  37,  1  äiTobibövai  mit  BeiilLer  st.  dTCoboOvai  (vgL 
1,  38,  1),  1,  41,  12  €ic  buo  fi^pfi  biqpt^Ktt^ev  gleichfalls  mit  Beklier 
St.  €ic  buo  bnjprJKaiLiev  Jbi^pil,  1,  60,  5  Tfjc  ^prjfiou  wieder  mit  Bekker 
St.  Ti]C  ipif\}iov  X^poc  (vgl.  z.  b.  2,  ö4,  6.  3,  18,  1  u.  36,  1),  1,  67,  2 

iV€7riCT€\ie  St.  dV€7riCT€UC€,  2,  48,  9  TTCpi  TOUC  TÖTTOUC  St.  TTCpl  TOVC 

TÖ1T0UC  TOUTOUC,  was  in  der  vorrede  s.  VII  auch  D.  für  verdachtig  hält 
(vgl.  2,  16,  7.  49, 3.  3, 19, 4.  22,  4.  23, 3.  34,  2.  5, 39,  6.  13,  64,  3), 
2,56,4  ireptTpacpmc  toC  cib^aroc  st.  toö  cuüfiaroc  TrepiTpa^aTc, 
a,  27,  1  OiipeOovTcc  . . .  trcpiTivovrai  st.  Oiipcuoiici . . .  TrepiTivö- 
ftevoi,  3,  67,  2  'HpaxXto,  Öa^üpav,  'Opcp^a  st.  'HpaxX^a,  6a^u- 
pav  Kai  'Op<p^a*),  4,4,1  <t>6p€€(p6vTic  st.  TTepcecpöviic,  wie  nach- 
träglich auch  D.  s.  XXXll  urteilt,  4,  28,  3  Sc  b*  dx  Tf^c  *ATnxf]c  iH- 
ßaXov  St.  de  bk  TTic  'Att.  ^£.,  denn  Diodor  wiederholt  regelmdszlg  vor 
dem  genetiv  dx  nach  dxßdXXeiv  und  ^xiriTrreiv.  in  den  hss.  ist  öftf r  iK 
ausgefallen,  z.  b.  15, 15,  2,  wo  Wesseling,  und  15,  65, 5  und  16, 20,  3, 
wo  D.  es  hinzugefügt^  und  3,  41,  4,  wo  er  jetzt  nach  Wesselings  Ver- 
mutung xard  Tf|V  Ak  Tfic  OaXarrnc  dpciv  geschrieben  hat.  ich  halte 
daher  auch  daran  fest,  dasz  3,  5,  2  <p€UT€tV  b'  Ix  if\c  ib{ac  Xibpat 
und  3,  21,  4  b^jcac  dx  Tfjc  oupdc  oder  dxbi]cac  t.  oöp.  zu  schreiben 
ist ,  und  kann  es  nicht  billigen  dasz  4,  44,  3  Tfic  (puXaxfjc  tTpoorforfcTv 
obschon  mit  der  besten  hs.  für  dx  rfic  cp.  np.  von  D.  gelesen  wird.  — 
Ferner  ziehe  ich  vor  4,  34,  7  xaTaxaCcai  töv  baXöv  st.  töv  baXöv 


2)  es  ist  regel  drei  nomina  ohne  verblndungspartikel  auf  einander 
folgen  zu  lassen  (wie  3,  Bö,  6  KO^r]v,  TTitdvav,  Tipiif|VTiv  und  14,  14,  1 
NdSoc,  KaTdvT],  AcovTtvoi)  oder  das  zweite  und  das  dritte  durch  Kai  mit 
dem  ersten  zu  verbinden  (wie  4,  16,  4  KeXmvüi  xal  €<rpuß(a  xal  <l>o{ßr|> 
5,  9,  3  röpTov  xal  G^cropa  xal  'EiriOepci^riv  und  12,  84,  3  'AXKißid6Y)V 
Kai  NiKiav  xal  Ad]uaxov,  wo  D.  jetzt  das  erste  xat  ausgelassen  hat), 
ausnahmen  finden  sich  freilich  bei  Diodor,  wie  4,  64,  3  Mirouv,  TpC- 
irouv  xal  TerpdTrouv,  20,  90,  4  CiOpav,  "Apinvav  xal  Cfpewiov  und 
öfter  wenn  das  Zahlwort  xpelc  vorhergeht,  wie  13,  2,  2  *AXxtßid6iiv, 
Ntxiav  xal  Ad^axov,  13,  4,  1  *epiuoxpdTriv ,  Cixavöv  xol  'HpcxAciö^v 
(doch  nicht  so  regelmäszig,  dasz  die  auslassung  von  xai  in  der  oben 
erwähnten  stelle  12,  84,  3  gegen  die  hss.  gerechtfertigt  würde)  und  bei 
der  80  häufig  vorkommenden  aufzäblung  der  drei  die  stelle  der  consnlu 
▼ertretenden  kriegstribunen. 


F.  K.  Hertlein:  anz.  v.  Diodori  bibl.  hist  ed.  L.  Diadorf.  voJ.  1.  D.       41 

KOTOKaCcai,  4,  37, 1  fxcTOl  MiiXi^wv  mit  Bekker  st  |it€Td  TU)V  M^ 
4 ,  42 ,  6  Tf^v  €Ö€pT€c(av  xflc  cuTT€V€iac  sl.  ttIc  cirpr.  Tf|V  €Ö€PT-, 
4,  44,  5  xaGöXou  bi  st.  xaOöXou  f  dp ,  4,  50,  6  buv6^€lc  qpapfxoKuiv 
c^PHP^vac  ijirö  T€  Tiic  juriTpdc  *€K<iTTic  für  b.  qp.  {m6  t€  iflc  liTirpöc 
*€•  cöpTifi^vac,  4,  60,  2  iv  KpTJTq  st  Iv  t^  Kp.,  4,  66, 1  iTriTOVOi 
b'  övofJiace^VTCC  (wie  es  3,  44,  8  ipup^picToröc  icn  iCfi  xora  Tf^v 
Kopxilb6va  Xifi^vt,  irpocoropcuofi^vui  bi  KuiOiuvt  heiszt)  st.  iiiVfo- 
voi  övoMO^G^vTec,  4,  68, 1  CaXinuivcuc  jap  fiv  ulöc  AlöXou  mit 
Bekker  st.  CaX^U)V€i^c  fjv  i)\öc  AlöXou ,  denn  Dlodor  seut  in  solcher 
Terbindttng  sehr  häufig  ydp,  z.  b.  4,  81,  1.  84,  1.  5,  16,  1;  ferner 

4,  80,  4  &pTvpoTc  xal  xpt^cotc  für  xptKoTc  xd  äpTUpoic,  4,  81,  4 
äxpoOivtUJV  St.  äxpiUTT|piu)V  (wie  auch  5,  49,  4  selbst  in  den  besten 
hss.  äxpiunfipta  falsch  für  äxpo6tvta  steht)  ,5,1,2  Ivioi  bi  st  £viot 
TÄp,  5,  27, 1  o6  irlverm  tö  cijvoXov  st  to  cuvoXov  oö  tlvcTai, 

5,  61, 1  ctc  XeppövTicov  mit  Bekker  st.  cic  Tf|V  X.,  5,  64, 1  Y€V^c6ai 
iTop'  auroic  st  Trop*  ainöic  T€V^c8ai,  5,  64,  4  TÖirouc  ti^c  olxou* 
yiiyx\z  st  Tf)c  oixoufi^viic  TÖirouc.  zweifelhafter,  aber  doch  vielleicht 
zu  beachten  sind  die  lesarten  des  Vind.  1,2,4  dVTaXXd£acOai  für  d[V- 
TixaiaXXdSacOai ,  1,  64,  2  cupqpuiveTTat  tk  napd  irdvriüv  st  c.  b. 
Trapd  iraciv,  2, 40, 6  öpv^iuv  t6  xal  Onpiujv  st.  öpv^wv  xal  Oripiüuv, 
wenn  nicht  etwa  tc  durch  das  nachfolgende  9t]p(ujv  T€  xal  öpv^uiv 
▼eranlaszt  worden  ist  3, 16,  6  ist  vielleicht  zu  lesen:  dndv  hi  bi& 
Tfiv  cwix&av  TiBv  Trveufidruiv  ivX  irXetova  xpövov  itXriOciv  cu^- 
ßaivi;i  TÖv  'Qxcavöv,  xd  Tf|v  ettuduiav  Oiipav  tujv  IxOviuiv  ixxXeici) 
TÖ  xflc  Tr€picTdc€U)C  dbüvoTOV ,  f|  bt  ix  Tijjv  xÖTXiuv  Tpocpfj  cna- 
viZr} ,  xaTacpeuTOuciv  iiA  töv  ti£iv  dxavOuiv  ciupöv. 

An  nur  sehr  wenigen  stellen  scheint  uns  aber  der  hg.  auf  den  Vind., 
der  doch  sehr  viele  fehler  hat,  die  sich  in  andern  hss.  nicht  finden,  zu 
groszes  gewicht  gelegt  und  lesarten  aus  demselben  aufgenommen  zu 
haben,  gegen  weiche  sich  erhebliche  einwendungen  machen  lassen,  so 
nehmen  wir  anstosz  an  der  Wortstellung,  welche  D.  2,  6,  6  aus  jener  hs. 
allein  aufgenommen  bat,  TOcaOrri  X<ipic  Tic  im\v  ainfji  djc6'  öcTcpov 
Mfjbouc  . .  90petv  Tf|v  Ce^ipd^iboc  croX^v.  die  andern  hss.  setzen 
Xdptc  nach  ainf^^  wodurch  der  hiatus  vermieden  wird  und  tIc  seine 
gewöhnliche^  Stellung  behält  in  4,  5,  4  ist  mit  Vind.  geschrieben  xa- 
eöXou  hk  toCtov  OujjicXtxCüV  dTiI)VU)v  qpadv  cijpeTfiv  T€v^c6ar, 
während  die  vulg.  statt  toCtov  den  artikel  tiBv  hat,  der  wol  nicht  zu 
entbehren  ist.  auch  5,  29, 4  scheint  es  wegen  des  dadurch  entstehenden 
hiatus  bedenklich  nach  dem  Vind.,  welcher  i&CTrep  o\  hat,  st  i&CTTCp  iv 
Kxmyxiaic  zu  schreiben  diCirepel  iv  xiiVT)Tiouc,  wie  D.  gethan  hat  aus 
demselben  gründe  ist  gegen  Bekker  und  D.  5, 15,  2  die  vulg.  Touc  \ikv 
Xaovic  dip'  touToO  7TpociiT<}p€U€€V  MoXaeiouc  statt  der  wortfolge  des 
Vind.  T.  ft.  X.  TTpoGiTÖpeucev  d(p'  lauroC  loXaelouc  und  5,  66, 1 
die  gewöhnliche  lesart  fiXcoc  £x  naXaiuüv  XP<^Viuv  dv€i|Li^vov  st  des 


8)  ungewöhnlich  ist  nemlioh  eine  solche  stellang  von  Tic  wie  16, 
54,  8  TOtaOrr)  «popd  Ttc. 


42      F.  K.  Herliein :  anz.  v.  Diodori  bibl.  hist  ed.  L.  Dindorf.  vol.  I.  H. 

sing.  iK  TtoXaioO  XP<^vou  der  besseren  bsi.  beizubehalten.  fCLr  nicht 
ganz  sieber  halte  kh  auch  die  den  besten  hss.  entnommene  lesart  qp^pei 
St.  €Tx€  1 ,  72, 1 :  Kol  Tä  ixETä  Tf^v  T€X€UTJ|v  bk  TivöfACva  TUlV  ßaa* 
Xiusy  iTopa  tok  AiTurmotc  oy  HiKpoiv  äiröbeiSiv  elxc  Tf)c  tou  TrXn- 
4ouc  eövoiac  elc  touc  f|TOU)i£vouc,  weil  Diodor  zwar  dfier  dnöbeiSw, 
t:€K)i1[ipiOV ,  cii^ioV)  alTiav,  irpöqpaciv  <pep€iv  sagt,  aber  immer  nur 
mit  einem  persdnlioben,  nie  mit  einem  saoblichen  subject,  wie  es  auch 
nach  der  bedeuUing  von  <p^p€iv  'verbringen'  ganz  iiatärüch  ist  Mier 
lig.  ist  sonst  in  der  aufnähme  der  lesarten  des  VituL  sehr  vorsichtig  und 
läszt  sich  auch  durch  Beiiicers  Vorgang  nicht  leicht  irre  machen,  er  be- 
hält z.  b.  1, 12, 1  Ibiov  ^KäcTui  Beivoi  gegen  ^KäcTip  GeTvat  ihiay, 
4, 1,  7  6^oiu)c  6^  TOUC  Ivbouc  gegen  6|iohAi€  bk  toutoic  'Ivboüc 
^tnd  4)  25,  2  T&  b^vbpa  gegen  t&  S^vbpn»  welche  form  Diodor  nie  ge- 
braucht, bei. 

Weit  seltener  als  der  Vind.  und  die  hie  und  da  mit  demselben  aber- 
<einstimmenden  hss.  in  den  ffinf  ernten  böchern^j  boten  in  den  (ihrigen 
bis  jetzt  erschienenen  bfichem  die  hss.  dem  hg.  gute  noch  nicht  gohdrig 
gewürdigte  lesarten  dar,  wie  öfter  Aeu)viboc,  AcuiTUxtbac,  KaXXucpa- 
Ttbac  statt  der  formen  ai|f  *r)€  und  ÄojLuipaTOC  st.  Aii|itdpaTOC,  wor- 
über die  vorrede  s.  XXXVI  f.  sich  erkUirL  nach  mehreren  hss.  ist  11, 
55,  4  iv  tQ  CtTd^)Tq  in  den  worten  ötrep  ö,\h9ei  cuvebpeöeiv  iv  Tj} 
Cndpri]  gestrichen;  nadi  einer  hs.  die  in  den  fünf  ersten  bflchern  oft 
mit  dem  Vind.  übereinstimmt  ist  12,  47,  4  CTpartuitac  touc  iKavouc 
für  CTpaTiurroc  \icavoik  geschrieben  (Diodor  setzt  bei  Ikovöc  sehr 
häufig  den  arliltel,  auch  in  gleicher  worlfolge  wie  hier,  z.  b.  20,  46,  4 
üXtiv  Tf|v  iKavnv),  13,  2,  7  nach  derselben  hs.  aöröv  tiekifiac  Kcnre* 
4|ieu€]ui£vov  (für  KaT€i|ieuqi^voc)  i^TTicnfidT),  13, 13, 1  oCcac  ißbojLiii- 
xovTa  Kai  T^rrapac  ist  mit  ebenderselben  und  zwei  andern  töv  dpi6|yiöv 
nach  oöcac  gestrichen,  ebenso  13, 14,  4  das  unnütze  im  tf^c  fr\i  vor 
ijoiav  napa  töv  alTtoXöv,  13, 67, 7  ist  mit  derselben  hs.  geschrieben 
worden  6|ioXoT(o(c  £6€VT0  .  .  lä  cui|xaTa  cic  'AGrivac  ico^icavTCC 
^iriTp^ipai  Tiiji  tf||ti(}i  iTcpl  aÖTidv ,  wo  bisher  KOfiicavTac  stand ,  13, 
£6,  4  ist  nach  derselben  quelle  der  artikel  vor  'l|üi€paioic  wiederholt  In 
den  Worten  <poßou^evoi  \ii\  Tfic  (x{nf\c  toic  CeXivouvrioic  Kai  toic 
^lfi£paioic  TUXUKiv  ol  iroXiopKoOjiievoi  TuxnC)  offenbar  sehr  passend, 
da  die  Selinuntier  und  die  Himeräer  ihr  Unglück  nicht  zusammen,  son- 
dern beide  gesondert  betraf;  13,  105,  2  ist  der  hg.  zu  der  lesart  fast 
aller  hss.  zurückgekehrt  bir^TTÖpouv  ö,Ti  XPncovroi  toTc  irpäTHOCiv, 
wo  man  nach  einer  hs.  einer  nicht  ganz  stichhaltigen  regel  zu  liebe  vor* 
her  Xpi^cu;VTai  las:  s.  meine  beitrage  zu  Diod.  II  1  s.  11  f. 

Sehr  gewonnen  hat  ferner  der  text  unseres  Schriftstellers  durch 
aufnähme  einer  ziemlich  groszen  zahl  von  emendationen ,  die  von  den 
syntaktischen  regeln  oder  dem  sinne  gefordert  werden,  teils  solcher 


4)  in  diesen  ist  aus  einer  andern  hs.  ohne  den  Vind.  kamo  etwas 
«rhebliches  neu  aufgenommen  vrorden  ausser  ans  dem  Mutinensis  3,  39, 1 
^vaT6vi2;övTUJv  statt  dTCvi2!övTWv. 


F.  K.  Hertlein :  anz.  v.  Diodori  bibl.  hist  ed.  L.  Diiidorf.  vol.  LH.       43 

welche  Itagst  bekennt,  aber  aidit  aufgenommen  waren,  teils  solciier  die 
kfirslich  erst  von  andern  veröflRentiicht  oder  jettt  zum  ersten  male  von 
dem  hg»  hier  mitgeteilt  worden  sind.  Dindorf  ist  hierbei,  wie  dies  frei- 
lich von  einem  so  ansgeaeidineten  kritiker  nichl  anders  au  erwarten  war, 
mit  solcher  umsieht  und  besonnenheit  verfahren,  dasz  man  fast  Obenll 
mit  demseUien  wird  übereinstimmen  raftsscn.  ref.  wenigstens  findet  nur 
an  wenigen  stellen  sich  veranlatst  gegen  eine  aufgenommene  emendation 
bedenken  zu  erheben,  öfter  dagegen,  glauben  wir,  bitte  eine  verbesse» 
rung  aufnähme  verdient,  wo  ihr  dieselbe  von  dem  hg.  versagt  worden  ist. 

Von  früheren  emendationen  D^  haben  jetst  a.  b.  die  verdiente  auf- 
nähme gefunden  1 ,  43 ,  5  bieSoTOTÖvioc  l«ir  bieSärovTOC ,  1 ,  83 ,  4 
4b€  trepl  (st.  dkire p  ek)  rdc  ftericrac  tuiv  Oei&v  Ttvo/Aevoi  npdc, 
3,  40,  5  carnu>io(C  fOr  Tpoq^itc,  4, 14,  4  uicre  toO  T€wfiv  st.  ek  bk 
Td  T€wav,  4,  51,  3  €uv€v8€a2:o6ciic  st  cuvOeoZoucnc,  5,  27, 1 
KOrd  Top  i^^  ToOv)  Tf|v  roXoriav ,  13,  90,  2  dcpcXeiceot  st  dqicX^- 
C6au  mit  recht  ist  jeUt  5,  28,  2  Koi  vor  cuvcxi&c  und  11,  33,  2 
AaxebatiAOviotc  nach  dtroOavoikt  gestridien,  aber  einige  zeilen  weiter 
unten  TOk  Acaccbaifiovioic  für  aurok  geschrieben  worden,  femer 
biUlgea  wta"  es,  dasz  5,  45,  6  nach  Wesseling  vbrob^ccci  bi.  KoCXaic 
(st.  KOtvak)  XP<J^VT€n  hergestettt  ist,  was  durch  Strabons  i^Tröbnjbia  koi- 
Aöv  (IV  734  Gas^)  empfohlen  wird,  2,  59,  7  nach  demselben  Cv  T€  Tak 
^oprak  Kttl  Tak  eöuixtatc  (st.  edxak),  13, 48,  2  iv  oöbe^iqi  t^ 
TtOTE  (st.  TÖre)  nöXct  TOtoOrot  noXtTwv  ^övoi  cuv€TeX^c6i|cav  und 
13 ,  91 ,  3  QU  ^f|V  dXXd  sL  ou  \ir\v  aufgenommen  ist.  nach  Koraes  ist 
11,  25,  4  diroTOft^vuiv  iroTafiluiv  (st  iTOTaM«IJV)  mal  Kpiiva(uiv  i^bd- 
Tttiv  geschrieben ,  nach  Paulmier  1 1 ,  83,  2  ek  Tf|V  irapoXiav  fQr  ek 
t{|v  0apcaXiav,  nach  Reiske  12,  61, 1  Td  xuiptov  TCixkon  xard  t^c 
TTcKoirowncou  (st  xQTd  ii\y  rTeXoirövvncov) ,  13,  59,  3  cufißcßou- 
XeuKibc  für  cujymeqMUViiKiiic  und  13, 110,  2  töv  irapd  tj|v  OdXonrrav 
TÖrrov  biavucovrec  st  irapd  Tf|v  OdXarrav  tö  irdv  biavucavTCc, 
endlich  nach  Wurm  13,  1, 1  cx€böv  dv  (st  jjv)  Iv  Ttp  nQOOi^inf  irepi 
Ttvuiv  biaXex6^VT6C  (st.  biaXexB^vrou:)  £q>'  dcov  fiv  eÖKCupov,  oS- 
Tuic  ln\  Tdc  cuvcxek  trpdEeic  (leTcßißdZoHCV  (st.  |ieTaßißd£€tv)  töv 
XÖTOv. 

Von  neuen  Verbesserungen  des  hg. ,  deren  wir  uns  Qber  vierzig  be- 
merkt haben,  wobei  wir  Uosz  orthographisches  und  etymologisches  nicht 
rechnen,  nennen  wir  beispielshalber  folgende:  1,  26,  4  vOv  buibCKainfj- 
vuiv  (st  buoKoibeica  |it)vu>v)  övtuiv  tuiv  iviauTuiv  (denn  buixatbe- 
KOfifivuiv,  wie  im  text  steht,  ist  ein  druckfehler) ,  1,  58,  4  Aapciou  • . 
cnoubdcovTOc  iv  M^M9€i  Tf|v  ibiav  ciicdva  crficai  Trpd  Tnc  (statt 
irpöc  tQ)  C€CO(I)CU)c,  3,i25, 1  Tf|v  hi  lEf)C  Xibpay  AlOiöiruiV  (st  tujv 
Aieidnuiv}  in^xouctv  o\  KaXo^MCVOi  KuvnTol,  3, 26,  3  cuv€tKXtvo- 
jUvwv  für  cuvcKKXivofii^YUJV ,  4,  40,  2  öp&vn  bi  tüjv  (st  töv)  Trpö 
oötoO  TTepc^a  Kai  Tivac  dXXouc  . .  h6it\c  äeifivfjcTOu  TCTCuxÖTac, 
5 ,  38 , 1  TTcXuxpöviov  (st  TToXuv  xpovov)  ?xouci  T#|v  ToXaiTTUipiav 
(wie  auch  Wesseling  15,  21,  3  verbessert  hat),  5,  60, 1  Tf)c  kot'  dvTi* 
n^pac  Xeppoviicou  für  Tf^c  Kord  Tf|V  dvTiir^pav  Xepp. ,  11 ,  52 ,  5 


44       F.  K.  Herüein:  anz.  v.  Diodori  bibl.  liist  ed.  L.  Dindorf.  vol.  I.  II. 

o\  |itv  ouv  Touc  TapavTivouc  bit&£avT€C  dXitou  biacTVi|üiaToc  evioc 
(st.  ÖVTOC)  TToXXoOc  TÜJV  dvavriwv  dtvelXov,  was  einfacher  uud  ge- 
linder ist  als  meine  Vermutung  ouk  öXiTPU  TOÖ  öiacTfifiaTOC  Svtoc, 

12,  39,  1  ^Kdeicav  in\  twv  tujv  Octav  ßuü^ujv  st.  dK.  in\  töv  twv 
öeiliv  ßaijüiöv*),  12,  45,  2  €lc  vöcouc  iv^mirrov  st  clc  vöcotK  Im- 
irrov,  13,  37, 1  Toiovruiv  b'  iXaTTiüfAdruiv  Totc  'AOnvaiotc  de 
£va  Kaipöv  cuvbpajLtövTtuv  (st.  irpocbpajiövTUJV) ,  wie  es  16,  9,  3 
TidvTa  fOEp  TauTa  Trpöc  Iva  xaipöv  ctivbpa)üi6vTa  heiszt,  13, 48,  5 
öcuipouvrec  toöc  buvaTuuTdxotiC  t&v  ttoXitüliv  övrac  irpöc  xi?*  (st. 
TÖ)  TfiY  TTÖXiv  dYX€tptZeiv  Toic  AaKebatjLiovioic ,  13,57,3  X€V<^^ 
dOpöac  TTcpi^Treipov  (st.  7r€pi^q)€pov)  toic  ciüjiaci,  13,  68, 1  toO  b* 
Itouc  toütou  bicXGövTOC,  wie  es  sonst  immer  in  dieser  formel  heiszt 
(toutou,  was  in  den  hss.  ausgelassen  ist,  fehlt  nie),  13,97,7  und  98,  1 
icpuiv  St.  kpdiüv,  13, 104,  4  Tf|v  dmcxadav  st.  xfjv  iTrfcxaciv  und 
13)  111, 1  Tr€pi  xu»v  ÖXiüV  biaKpivccdm  irpöc  xouc  noX€)i(ouc  st. 
Kpiv€c8ai  bxä  xoiic  ttoXc^Iouc. 

Von  neuen  Verbesserungsvorschlägen  anderer  hat  D.  mehr  als  fünfzig 
derjenigen  aufgenommen,  die  ich  in  meinen  beitrügen  zu  Diod.  veröffentlicht 
habe,  auszerdem,  wenn  mir  nichts  entgangen  ist,  nur  noch  zwei  von 
Cobei:  12,  6,  2  liJvaTKdcGricav  äcpeivai  xäc  ttöXcic  äirdcac  xäc 
Kaxä  xf|v  Boiiüxiav,  tva  (st.  elvai,  iäv)  xouc  aixMoXübxovc  diroXd- 
ßiüciv  und  13, 64, 6  KCtx^cxTicev  (st.  ^ex^cxricev)  elc  xplciv,  wie  schon 
Bekker  13,  75,  8  KaOicxdvxec  €ic  Kpiciv  fQr  ^eOicxdvxec  geschrieben 
hatte. 

Es  mögen  nun  noch  solche  stellen  folgen,  in  deren  behandlung  ich 
dem  hg.  nicht  beistimmen  kann,  und  zwar  zuerst  solche  wo  er  nach  con- 
jectur  die  hsl.  lesart  geändert  hat,  wie  3,  28,  2  xöv  bl  aOx^va  fiaxpöv 
^Xov  (xö  Zcjiov)  xai  ircpicpepeic  xdc  TrXetipdc  Kai  irxcpwxAc  önd 
xf)c  <puccujc  öcbrmioupTrixai,  wo  D.  xai  vor  iT€ptq>€p€tc  ohne  grund 
gestrichen  hat,  da  ja  Tr€pi<p€p€Tc  x&c  TrXeupac  xai  TTxepujxdc  ebenso- 
wol  von  ^xov  abhängen  kann  als  xöv  aöx^va  inaxpöv,  bei  welcher  ver^ 
bindung  xa(  notwendig  ist.  ebenfalls  kein  hinreichender  grund  zu  ändern 
scheint  5, 73, 5  vorzuliegen,  wo  iraiMiuv  in  xf|V  xwv  viiirliuv  iraibluiv 
Bcpairdav  getilgt,  und  13,  39,  2  iHiaiav  xöv  cxöXov  .  .  övxa 
vewv  öuoTv  £Xdxxcu  xtüv  dvevi^xovxa,  wo  JXaxxov,  sowie  13, 103, 3 
Xpövov  ItS)V  irXctUi  xuiv  öxxaxoc(iUV,  wo  irX^ov  geschrieben  worden 
ist.  13,  69,  3  lesen  wir  jetzt  ctXovxo  bk  xai  cxpaxiTfouc  ix^pouc, 
oOc  ^xeTvoc  fiOeXev.  die  hss.  haben  e'iXexo  und  ^xcivoc  oOc  fiOcXev. 
•die  Umstellung  der  letzten  worte  hätten  wir  nicht  von  D.  erwartet,  nach- 
dem er  4,  23,  2  mit  dem  Vind.  xatixac  fiv  äTToßdXq  statt  Sv  xaOxac 
diTOßdXi]  geschrieben  hat.   noch  weniger  können  wir  es  billigen ,  dasz 

13,  71,  3  statt  jüiiav  |ifev  xfjv  trpoirX&ucav  xri&v  Wxa  . .  xax^buce 
geschrieben  worden  ist  npocirX^oucav,  wenn  dies  nicht  etwa  ein  blosser 


6)  hier  und  an  andern  stellen  dieser  neuen  ausgäbe  hat  nemlich  D. 
die  in  der  ausgäbe  von  1828  zu  2,  52  aufgestellte  behauptung  fallen 
lassen. 


F.  K.  Hertlein:  anz.  v.  Diodori  bibl.  hist«  ed.  L.  Dindorf.  vol.  1.  IL       45 

Druckfehler  ist.  auch  11,  65,  4  scheint  die  gewöhnliche  lesart  Xemö* 
fievoi  Ti|>  iroX^fiq)  nicht  mit  recht  In  XciTTÖ^evoi  T\j^  irövt)!  geändert 
zu  sein :  vgl.  fidxq  Xcupdeic  15,  80,  6. 

Dasz,  wie  ich  schon  bemerkt  habe,  die  lesart  der  hss.  noch  hSuGger, 
als  es  in  dieser  ausgäbe  geschehen  ist,  nach  conjectur  hatte  verändert 
werden  dürfen,  werden  wie  ich  hoffe  folgende  beispiele  beweisen,  wobei 
ich  von  meinen  eigenen  vorschiigen  nur  solche  berQcksichlige,  deren  auf- 
nähme nach  dem  eigenen  kritischen  verfahren  des  hg.  an  anderen  stellen 
erwartet  werden  durfte,  zugleich  erlaube  ich  mir  einige  neue  Vermutun- 
gen mitzuteilen,  um  auch  hier  vielleicht  etwas  zur  Verbesserung  des  textes 
beizutragen.  2, 16,  8  dTrevot^CQTÖ  n  xaTacKCudZetv  ibtui^a  toutuiv 
TUiV  Zijjuiv  ist  Ibiuipa  gewis  falsch,  aber  auch  Bekkers  IvöoX^a  ist  ein 
zu  entlegenes  wort  fdr  Diodor.  am  eii^achsten  scheint  es  Ti  zu  streichen 
und  clbuiXa  zu  schreiben,  welches  wort  Diodor  auch  2, 17,  2  und  2, 
18,  8  von  dieser  sache  gebrauchL  3,7,2  tujv  äXXuiv  ö^o(uJC  dT<x- 
OdJV  dTcävTUiv  T€  Kai  KcncüüV  KOtvujveiv  ist  sicherlich  umzustellen  in 
ändvTuiv  diaOttiV  T€  kqI  KCnciBv.  3,  84,  7  hatte  ich,  wie  schon 
Vakkenaer,  statt  Kora  TÖv  NeiXov  TrX^ovT€C  vorgeschlagen  dvd  töv 
NciXov  irX^ovTCC  zu  schreiben,  da  bei  Agatharchides  (Photios  bibl. 
8.  455*  2)  dvd  Tdv  irorafiöv  steht,  der  hg.  aber  auch  an  andern  stellen 
(s.  die  vorrede  s.  IV  und  V]  auch  gegen  alle  hss.  lesarten  dieses  aufge- 
nommen hat,  so  hätte  er  dies  auch  hier  thun  sollen,  die  stelle  in  Lucians 
Toiaris  c.  27,  womit  Wesseling  die  gewöhnliche  lesart  vertheidigt,  ist 
jetzt  geändert,  gelegentlich  bemerke  ich,  dasz  Agatharchides  (s.  453^ 
38)  zwar  3,  31,  1  wie  die  hss.  Diodors  irübruivac  q)^pouctv,  aber 
(455*  32)  3,  35,  2  q>op€T  K^pac  und  (455**  22)  3,  35,  6  Tf^v  fiiiTpav 
q)0p€iv,  wie  ich  verlangte,  liest,  bemerkenswerth  ist  femer,  dasz  Aga- 
tharchides (456*  8)  3,  35, 10  nicht  irav  tdp  öcrufV  fi^T^Ooc  cuvrpt- 
߀t,  sondern  t^voc  und  (458^  37)  3,  47,  3  ^€c6TnTl  sUtt  iroc6TT)Ti 
liesL  den  vorzug  verdient  endlich  die  lesart  des  Agatharchides  3,  48, 1, 
bei  welchem  (459''  20)  KOrd  Xötov  steht  sUtt  ^k  toO  Scdr"  öXixov.  — 
Auch  4,9,3  ir€icai  b*  oööafiilic  IXirU^eiv  hatte  ich  erwartet,  der  hg. 
werde  ireiceiv,  wie  ich  vermutete,  schreiben,  da  er  an  mehr  als  einem 
dutzend  stellen  gleicher  art  das  von  mir  verlangte  futurum  an  die  stelle 
des  aoristus  oder  des  präsens  zu  setzen  sich  nicht  bedacht  hat.  aus  dem- 
selben gründe  ist  es  mir  auffallend  dasz  11,  29,  1  eSEacOai  ik  Kai 
6€o7c,  £dv  viKifjculCiv ,  fixctv  .  .  IX€u6^pia  nicht  dSctv  geschrieben 
worden  ist  und  12 ,  61 ,  1  fjXmZov  . .  TÖv  iTÖXefiOV  ir€piaTaT€iv  eic 
Tf|v  TTcXoTTÖvvTicov  Kai  bndiceiv  dvd  ^lipoc  Tf|v  x^P«v  tiöv  iroXe- 
Mtuiv,  12,  78,  6  iTTOTTCiAaft^vou  b'  a^oO  .  .  biopOiiücacOai  Tf|v 
d^opTtav  und  12,  83,  6  IXinZeiv  .  .  bopiKniTOv  noiificac6at  Tf|v 
KpOTiCTiiv  tüjV  vrjciuv  die  Infinitive  des  aorists  beibehalten  worden  sind. 
—  4,  15, 1  behält  D.  die  hsl.  lesart  xdiv  TOpl  TTaXXyjvnv  T»TdvTUiv 
&0^^VU)V  TÖV  TTpöc  Toöc  ddavdTOuc  it6X€)üiov  schwerlich  mit  recht 
bei  ffir  dv€Xo)üi^vuJV,  wie  er  selbst  früher  vermutet  hatte,  solche  stellen 
wie  13,  29,  5  und  53,  1.  18,  10, 1  und  Isokr.  8,  12,  wo  nöXejiOV 
a\peic6ai  ^flr  den  krieg  stimmen'  bedeutet,  können  für  ä^ofi^vujv  an 


46      F.  K.  Herüein :  anz.  v.  Diodori  bibl.  hisL  ed.  L.  INiidorf.  yoL  I.  II. 

unserer  stelle  nichts  beweisen,  zweifethafi  ist  14,  112,  2,  aber  exe.  31, 
52  Did.  (oder  31,  54  Bk.)  scheint  cYXeTO  richtig.  —  Warum  4,  76,  2 
fiu6oXoTf)cai  TT€pl  auToO  biöri  rä  icaTacK€tKx2;6]üi€va  tuiv  droXfid- 
Tiuv  öjLioidTCrroe  toTc  £^tt^}xolC  äirdpx^v  gegen  die  beste  hs.  und  noch 
eine  andere,  in  denen  öndpx^i  steht,  der  infinitiv  beSbehalten  worden  ist, 
▼erstehe  ich  nicht,. d^  der  hg.  andere  stellen,  in  welchen  nach  den  fass. 
auf  ÖTi  der  infinitiv  folgt,  corrigiert,  wie  4,  26,  3  und  12,  39,  1,  an 
welchen  stellen  er  &n  gestrichen,  und  13,  91,  4,  wo  er  ^KTicei  für  ^K- 
t{c€IV  geschrieben  hat.  —  4, 76, 4  steht  biä  TÖ  t^ov  ii  oS  ToO  npto- 

VOC    dvcGupi'iOn  TT|V  KOTCtaCCUfiV,    fttd  TOUT0Ü  Kai  TOO  (pÖVOU  Tf|V 

^irfTVtticiv  cuv^ßti  T€V^c6ai.  Elebstadt  besserte  bi&  toC  Zifiou,  ver- 
mutlich teils  der  Qbereinstimmung  mit  &i&  toutou  wegen,  teQs  weil  der 
accusativ  hier  nach  h\&  unpassend  ist.  aber  durch  sdne  Verbesserung 
kommt  ein  hiatus  in  die  stelle,  wodurch  dieselbe  jedenfalls  s^  unwahr* 
scheinHclr  wird,  eine  hs.  läszt  bid  vor  tö  ZItpov  aus.  es  möchte  also 
entweder  biä  rö  Zi&ov  zu  streichen  oder  bi"  od  toO  irpfovoc  ^veOu- 
jxffit]  TfjfV  KOToecKEui^v  mit  auslassung  der  worte  tö  Z^OV  Ü  m  schrei* 
ben  seht.  —  5,1,3  heiszt  es  von  Timlos:  b\&  mc  dKafpouc  Ka\  )ia- 
Kpdc  itrmM^cetc  eöXdrtuc  btaßdXXerau  passender  als  fKiKpdc  wftre 
wol  mKpdc.  vgl.  13, 90,  6  T^atoc  6  TtDv  irpö  fauroO  cuTTPtt<p^ujv 
iriKpÖTara  xaniTOpiicac  und  Polybios  12,  14, 1.  23,  2.  —5,4,5 
TaÖTiiv  Tf|v  Büclcev  Kai  rraWiTi^piv  juerd  TOcaÜTT]C  drvdac  Kai  cttou- 
bflc  ^TTiTcXoöciv  8aiv  cIköc  icn  touc  tA  Kpaitcnj  buipe^  rrpoKpi- 
O^vrac  Ttüv  dXXwv  ävOpuiirwv  dirobtbövai  rdc  xdptrac.  so  die 
hss.,  aber  nach  Wesseling  liest  man  jetzt  allgemein  Scq  für  SoTV,  wo* 
durch  ein  hiatus  entsteht,  ich  glaube  daher  dasz  nicht  öqj,  sondern  Sa|C 
zu  corrigieren  ist.  vor  dem  relativum  hat  Diodor  auch  1 ,  24 ,  2  (xaTd 
Tf|v  fiXiKtov  flv  ol  *'€XXiiv&  q>actv  ^HpaxX^a  T€T€vf|c9ai)  die  prSpo* 
sition  nicht  wiederholt.  -^  11,  21, 3  halte  ich  ävwKobdjünicav  für  einen 
fehler  statt  dmuKOböjüiTicav,  wie  Koraes  verbessert  hat  —  11,  45,  6 
dTTOpou^vuiv  bk  TUüv  AaK€bat|iOv{uiv  ei  Tt^uipyjcovTai  töv  Ik^tiiv 
halte  ich  Tt^wpVjcuJvrat  für  wahrscheinlich,  obgleich  Bladvig  (bemerk, 
s.  25)  es  willkflrlich  nennt  in  solchen  ßülen  den  conjunctiv  an  die  stelle 
des  fhturs  zu  setzen.  —  11 ,  63 ,  4  etXurrec  Kai  Mcccfjvioi . .  tö  piiv 
TrpÄTOV  ficuxfctv  cTxov  halte  ich  Bekkers  Verbesserung  tö  pkv  trpd 
ToO  fOr  richtig.  D.  irät  die  lesart  der  hss.  beibehalten.  —  Dies  ist  auch 
11, 77,  6  geschehen :  oö  |üif|v  dOpdvuc  T€  bt^^if^.  Cobet  und  H.  Sauppe 
(die  queUen  des  Plutarcfa  für  das  leben  des  Perikles,  GOttingen  1867, 
8.  47)  haben  dOt^öc  T^  gebessert,  audi  20,  21,  1  lesen  die  hss.  fehler- 
haft dOpdot^c,  wofOr  Kaltwasser  dOt{iODC  hergestellt  hat.  —  12,  29,  1 
'HXcTot  b*  flyoTOV  ÄXü^indba  Tr^prirrnv  trpdc  xaTc  drbOTiKOVTa,  iv 
ivka  KptcttJV  ist  der  hiatus  anstdszig.  da  es^  sonst  hnmer  koO'  fiv 
ivka  heiszt  mit  ausnähme  zweier  stellen  (14,  54, 1  und  14,  94,  1),  fn 
welchen  f\v  dvtxa  steht,  so  hat  Diodor  wol  auch  iiier  entweder  Ka9*  f\ff 
oder  f^v  ^vlxa  geschrieben.  —  12,  65,  4  oörot  jifcv  Inopeuovxo  T#iv 
XiOpav  nop8oGvT€C.  vielleicht  ist  ^iropevovTO  zu  schreiben,  da  in 
solcher  und  ähnlidier  Verbindung  irnTTOpcüecBat,  direX9€iv  und  dm^vai 


F.  Drosihn:  zu  Ovidius  metamorphosen  DI  642.  4T 

üblich  sind.  —  13,  7,  4  iT0pcrr6V0)yi^vujv  TOic  *AOiiva(oic  ii  ^i- 
cn\c  TpiaKoduiv  \ilv  lirir^uiv,  irop&  fei  tiSv  CixeXdiv  hm^uiv  bio- 
Kociiuv  Tr€VTi^KOVTa  ist  uBstreitig  ^^v  hiater  '6t^cti)c  mit  dennelbeii 
rechte  zu  stellen,  mit  welchem  D.  13,  65,  2  McTOtp^uiv  )iiv  {necov 
TToXXoi  statt  MvfOtpiw^  £it€COV  pky  iroXXoi  geschrieben  hat  —  13^ 
31 ,  1  TToO  T^  ÄSicv  TOthoic  KaracpureTv;  wundere  ich  mich  dasz  D. 
nicht  seine  frfihere  Termutung  iro?  aufgenommen  hat.  —  Auch  13,  75,  4 
öoKi&v  b*  aftioc  clvai  toO  irepieopaK^ai  tüOc  T€T€X€UTV|KÖTac  drd- 
<pouc  halte  ich  Relskes  emendation  TvepieuipficOat  fQr  sicher. —  Endlich 
weisz  ich  nicht,  warum  D.  13,  89,  4  eic  Aeovrivouc  Kardnaicov  un* 
berührt  gelassen  hat,  da  er  doch  4,  58,  7  nach  meiner  Vermutung  €ic 
Töbov  MeroiKf^cai  für  KcerotKficat  schreibt 

In  den  excerpten  und  Iragmenten  der  bflcher  VI— X,  um  auch  hier* 
über  kurz  zu  berichten,  enth&lt  die  neue  ausgäbe  gleichfalls  viele  Ver- 
besserungen ,  hauptsichlich  mit  hülfe  einer  genaueren  vergleichung  einer 
Münehener  excerptenhs. ,  die  der  hg.  selbst  vorgenommen  hat,  und  des 
Vaticanisdien  palimpsestes  durch  van  Herwerden,  bereicheningen  haben 
diese  brucbstflcke  hauptsächlich  erhalten  durdi  aufnähme  der  excerpte  in 
einer  bs.  des  Escurial ,  weldie  Feder  und  Ifüller  bekannt  gemacht  haben, 
vermiszt  habe  ich  die  bruchstücke  6, 13  und  7,8  der  Bekkerschen  ausgäbe. 
—  Die  Suszere  ausstattnng  des  bucfaes  ist  sehr  gut  zu  bedauern  aber 
ist  es  dasz  sich  in  demselben  einzelne  sinnstdrende  druckfehler  finden. 

Werthbim.  Fbiedbich  Käbl  Hertleik. 


8. 
ZU  OYIDIUS  METAMORPHOSEN  ni  642. 


In  der  lügenmäre,  die  der  vermeintliche  bacchant  unter  dem  namen 
Acötes  dem  Pentheus  auftischt,  schildert  jener  ein  complot  der  Schiffs- 
mannschaft der  anstifter  desselbeiuiat  Opheltes.  die  Schiffsmannschaft 
will  den  Bacchus  trotz  ihres  eidlichen  Versprechens  nicht  nach  Naxos,  das 
rechter  band  lag,  sondern  nach  einer  Mnks  gelegenen  insel  fahren  und 
dort  den  schönen  skiaven  verkaufen,  als  Acöles  nun  nuene  macht  ihnen 
das  spiel  zu  verderben  und  auf  Naxos  lossteuert,  da  heiszt  es  nach  der 
von  Haupt  aufgenommenen  überlieferten  lesart  v.  641  t. 

^quid  fa$is^  o  demens?  quis  ie  furor?*  inquii  Opheltes, 
pro  se  quisque  timeU   Uaevatn  pete*  nuucima  nutu 
pars  mihi  significai  ^  pars  quid  velii  aure  susurrat. 
die  Worte  pro  se  quisque  timei  erkUrt  Haupt:  ^jeder  für  seinen  teil  iat  in 
furcht  (dasz  ihnen  der  raub  entgehe,  wenn  sie  nach  Naxos  kommen).'   er 
bemerkt  dazu;  ^es  ist  aber  zweifelhaft  ob  diese  stelle  richtig  überliefert  ist' 
allerdings  ist  grund  zu  solchem  zweifei  vorhanden.   Ängstliche  besergnia 
(Umor)  kann  in  diesem  momente  die  Stimmung  der  bootskute  nicht  sein« 
Opheltes  der  rädelsfübrer  verräth  sie  nicht  im  mindesten,  da  er  dem 
Acötes  zuruft:  quid  facis^  o  demens?  quis  ie  furor?  der  iimor  gewinnt 
erst  räum  bei  dem  hereinbrechenden  Strafgerichte  v.  670.    vielmehr  ist 


48  P.  R.  MGUer:  zu  Livius. 

wut  auf  den  eigensinnigen  Störenfried  Acötes  die  herschende  Stimmung. 
—  Merkel  hat  an  dieser  stelle  eine  alte  conjectur  aufgenommen  {tenef 
ffir  iimet  und  Acoeie  für  Ophelies),  die  fassung  ergibt  sich  aus  der 
interpunction : 

'quid  facis,  o  demens?  quis  te  furor*  inquii  ^Acoete^* 
pro  se  quisque^  Uenei?  laevam  peie.'  maxima  nutu 
pars  mihi  significai ,  pars  quid  velit  aure  susurraL 
aber  gewis  gilt  diese  conjectur  mit  unrecht  als  eine  ^iampridem  probata'. 
erst  der  laute  zuruf  in  drei  Sätzen ,  in  den  die  ganze  schiflTsmannschaft 
im  chor  ausbricht,  als  hSille  sie  sich  darauf  einstudiert,  dann  winke  und 
zischeln,  um  den  zuruf  verständlich  zu  machen!  dies  bild  ist  mindestens 
farblos  und  ohne  Wahrheit:  in  solchen  kritischen  momenten  scheidet  sich 
4iie  geleitete  masse  und  das  leitende  haupt.  dann  ist  doch  auch  die  die- 
tion  ohne  die  für  den  dichter  charakteristische  gefällige  glätte  und  leich- 
tigkeit.  der  stelle  ist  vielleicht  durch  die  leichte  änderung  von  iimet  in 
turnet  geholfen,  eine  änderung  die  bei  der  häufigen  abschwächung  von 
u  in  t  [obstupui  neben  obsiipui  u.  dgl.)  kaum  noch  ab  solche  erscheint, 
bei  Opheltes  kommt  die  wut  in  den  worten  quid  facis,  o  demens?  quis 
ie  furor  (agit)?  zum  ausbruch.  die  übrigen  bootsleute,  jeder  für  seinen 
teil,  glühen  auch  vor  zorn  {pro  se  quisque  turnet) ^  sie  verhalten  aber 
ihre  wut  und  thun  ihren  willen  {laevam  peie)  nur  durch  winke  oder 
durch  zischeln  kund,  die  metaphorische  bedeutuug  von  tumere  ^ge- 
schwollen sein,  glühen  vor  zorn'  ist  so  allgemein  gebräuchlich,  dasz  sie 
imbedenklich  an  dieser  stelle  angenommen  werden  kann ,  zumal  sie  bei 
iniumescere  (V  305.  VIII  582}  und  tumidus  (VIU  396.  437.  495)  sich  in 
den  metamorphosen  selbst  findet« 

Neustbttin.  Fbiedbioh  Drosihn. 

9.     s 

ZU  LIVIUS. 

XXIII  34,  2  in  has  ferme  leges  inier  Poenum  ducem  legatosque 
Macedonum  ictum  foedus^  missique  cum  iis  ad  regis.ipsius  firmandam 
fidem  legati^  Gisgo  et  Bostar  et  Mago^  eodem  ad  lunonis  Laciniae^ 
ubi  navis  occulta  in  staiione  erat ,  perveniunt.  das  bündnis  soll  durch 
die  Zustimmung  des  königs  zum  formellen  abschlusz  gebracht  werden, 
deshalb  musz  es  heiszen:  firmandam  fide  rem:  vgl.  XXIV  28,  9  pacem 
fieri  placuit  mittique  cum  eis  legatos  ad  rem  confirmandam. 

XXIV  8 ,  5  o6  eandem  causam  haud  multis  annis  post  fuisse  non 
negaverim^  cur  M.  Valerio  non  diffideretur  adver sus  similiter  provo- 
cantem  arma  capienii  Gallum  ad  certamen,  es  ist  unwahrscheinlich, 
dasz  hier  an  dritter  stelle  provocantem  durch  ad  certamen  näher  be- 
stimmt werden  sollte,  während  dies  oben  hei  provocanti  und  provocan* 
fem  nicht  der  fall  war.  ich  glaube  daher,  dasz  die  werte  ad  certamen j 
die  sich  auch  durch  ihre  Stellung  als  glossem  verrathen,  zu  streichen  sind. 

Mbssebübg.  Paul  Eiohard  Müller. 


F.  Luders :  Qber  ein  geselz  des  Solon.  49 

10. 

ÜBER  EIN  GESETZ  DES  SOLON. 


Die  festrede,  welche  ErnslCurtiusbei  gelegenheil  der  akademi- 
schen Preisverteilung  am  4n  juni  1867  in  GöUingen  gehalten,  hat  wegen 
ihres  allgemein  patriotischen  inhaltes  sowol  als  wegen  der  besonderen, 
ebenso  feinen  wie  treffenden  winke  für  noch  zu  bessernde  particulansten 
auch  ausserhalb  der  Georgia  Augusta  dankbare  leser  und  freudigen  Wider- 
hall gefunden,  wenn  wir  uns  gleichwol  im  folgenden  veranlasst  linden 
an  jene  rede  einige  einwendungen  zu  knüpfen,  so  betreffen  diese,  wenn 
auch  die  einleitende  thesis,  doch  keineswegs  die  weiteren  ausführungen 
des  redners  über  die  gegensätze  des  altgriechischen  und  des  heutigen 
parteilebens ,  und  noch  weniger  soll  die  ethische  tendenz  des  Vortrags 
durch  unsere  beiläufige  adnotatio  angegriffen  oder  auch  nur  abgeschwächt 
werden. 

Die  eingangsworte  lauten:  ^unter  den  vielen  aussprüchen,  welche 
uns  von  Staatsmännern  des  altertums  überliefert  sind,  hat  kaum  einer 
in  gleichem  grade  die  aufmerksamkeit  erregt,  wie  die  bestimmung  Soions, 
dasz  derjenige  bürger ,  welcher  in  zeiten  der  bewegung  parteilos  bleibe, 
sein  bürgerrecbt  verwirke  oder  ehrlos  sein  solle.*  wir  haben  zunächst 
gegen  eine  Wendung  des  Übersetzers  einspräche  zu  erheben ,  oder  viel- 
mehr auf  eine  sehr  wesentliche  betonung  hinzuweisen,  durch  welche 
jener  satz  des  Solon  erst  in  richtigem  lichte  erscheint,  ein  blick  in  die 
quellen  wird  den  leser  darüber  aufklären,  ob  die  uns  erforderlich  dün- 
kende modiücation  begründet  sei. 

Ueber  das  betreffende  gesetz  heiszt  es  nemlich  bei  Plutarch  Solon  20: 
TÜiiv  b*  fiXXuiv  auToö  vÖMU)V  tbioc  \xbf  jnäXicra  Kai  TrapdboSoc  6 
xeXeuwv  Stimov  elvaiTÖv  dv  cidcei  piiöeT^pac  jiepiboc  Tcvo^e- 
vov.^  Curlius  gibt,  wie  wir  gesehen  haben,  die  worle  iy  crdcei  mit 
^in  Zeiten  der  bewegung^  wieder,  uns  scheint  darin  eine  Verwischung 
des  Wortlautes  zu  liegen ,  zu  welcher  den  Übersetzer  lediglich  die  rück- 
zieht auf  con form! tat  mit  seinem  viel  allgemeiner  gefaszten  hauptthema 
(vom  unterschiede  des  antiken  und  modernen  parteitreibens  mit  entspre- 
chender paränese)  veranlaszt  haben  kann,  es  wäre  tliorheit  bei  einer 
autorität  in  fragen  hellenischer  altertumskunde  ein  miskennen  des  be- 
griffes  erdete  voraussetzen  zu  wollen  (zumal  da  einige  zeiien  weiter  von 
aufforderung  zum  *  bürgerkampfe '  die  rede  ist),  aber  eben  deswegen 
müssen  wir  erklären  dasz  uns  der  vorangestellte  Solonische  salz  nicht 
die  geeignetste  einieltung  zu  sein  scheint,  wenn  erst  eine  bewuste  deh- 
nung  und  Verallgemeinerung  den  logischen  Zusammenhang  mit  dem  haupt- 
inhalt  vermitteln  muste. 

Beinahe  überflüssig  erscheint  es  ein  paar  bemerkungen  über  das 
wort  crdeic  und  was  dem  anhängt  hier  anzureihen,  nur  allzu  häufig 
und  jedem  fachmann  bekannt  ist  das  vorkommen  und  der  begriff  des 


*)  mit  fast  denselben  werten  Platarch  de  sera  nam.  vind.  4;  de 
«nimi  tranq.  8;  praec.  reip.  ger.  82. 

JahrbOeher  fttr  elws.  philol.  18S8  hft  1.  4 


50  F.  Lüders:  über  ein  gesetz  des  Solon. 

Wortes  bei  Herodotos  und  Thukydides,  bei  dramalikern  und  rednern,  im 
sinne  nicht  von  ^parteiung,  parteibewegung ,  parteilcampr  schlechtweg^ 
sondern  desjenigen  politischen  zuslandes ,  wo  von  ^iner  oder  beiden  Par- 
teien an  die  entscheidung  der  waffen  appelliert  wird,  also:  ^aufstand, 
aufruhr,  gewaltsamer  Umschwung,  revolution.'  so  z.  b.  Herod.  1,  60 
TT€pi€Xauv6^6voc  tQ  cxdci  6  McraKX^ric — ,  1, 150  ävbpac  cxdci 
IccuiWvTac  Ktti  ^KTrecöviac— ,  6, 109  ÄTro^al  nva  ctäciv  mctä- 
Xtiv  d^TTCCoöcav  biaceiceiv  id 'AOnvaiwv  q)povii^aTa — ;  Thuk.  1,  2 
bid  tdp  dp€Tf|V  Tflc  at  re  buvd^cic  nci  jiettouc  dTTiTVÖ^evai  crd- 
c  e  i  c  dvcTTOiouv ,  Ü  d&v  dq)0€(povTO  xai  fi^a  öttö  dXXoq)uXujv  ^oX- 
Xov  ^TTCßo'uXeOovTO  —  mit  bezug  auf  die  ältesten  Wanderungen  und 
die  damit  verbundene  gewaltsame  Verdrängung  der  Urbevölkerung,  in 
eben  diesem  sinne  heiszt  gleich  darauf  das  autochthon  gebliebene  Attika 
dcTttCiacTOC.  ferner  TImk.  3,  2  MuxiXiivaiuiV  Ihiq.  fivbpcc  Kaid 
ctdciv  jLiiivuTai  flTvovrai  —  und  6,  5  q)UTdb€C  cxdcci  viktjO^v- 
T€C  *  vor  allem  aber  jenes  vollendete  prototyp  einer  crdcic  mit  allem  Zu- 
behör, der  grausige  bürgerkrieg  auf  Kerkyra  3,  82  outujc  \3j\xf\  crdcic 
TTpouxu'pil^^v  usw.,  wozu  verallgemeinernd  hinzukommt  der  anfang  von 
c.  83  oÖTui  irdca  Ihia  Kax^CTT]  KaKOxpoTriac  bid  xdc  cxdc€ic  t(\> 
*€XXliviK(fi.  fast  noch  häufiger  ist  in  diesem  sinne  bei  dem  geschicht- 
schreiber  des  bürgerkriegs  par  excellence  das  verbum  cxacidZ€lV,  von 
bewaffneter  fehde  zwischen  angehörigen  desselben  gemeinwesens.  Hero- 
dotos hat  neben  dem  verbum  noch  das  appellativum  cxaciujxai  *factions- 
genossen ,  verschworene ,  empörer*,  stets  mit  gehässigem  anstrich. 

Mit  dieser  so  zu  sagen  technischen  bedeutung  bei  den  geschieht- 
Schreibern  stimmen  die  theoretiker  flberein.  so  hat  uns  Piaton  folgende 
definitionen  überliefert:  Staat  470^  im  jLifev  oSv  xQ  xoO  oIk€{ou  Ix^pqi 
ex  de  IC  K^KXrixai,  iiA  hl  x^  xoO  dXXoxpiou  ttöXcjioc  —  und  ge- 
setze  628  **  rrpöc  ttöXciliov  xöv  ^v  aöxfl  (x^  iröXei)  TiTVÖ^evov ,  f\ 
bf|  KaXeixai  cxdcic  —  faszt  also  das  wort  geradezu  als  identisch  mit 
^bürgerkrieg'.  ebenso  Aristoteles  in  seiner  politik,  deren  fünftes  (nach 
Bekker  achtes)  buch  im  eingang  ausführlich  handelt  von  den  verschiede- 
nen arten  und  anlassen  der  revolutionen ,  unter  welchen  besonders  zwei 
gattungen ,  ^exaßoXai  und  cxdceic  (oder  verbal  ausgedrückt  jiicxaßdX- 
Xeiv  und  cxacid2^€iv)  hervorgehoben  werden :  friedü'che  und  gewaltsame 
Umwälzungen,  als  synonyma  der  letzteren  gebraucht  Aristoteles  im  laufe 
der  abhandlung  auch  TroXixiKal  xapaxai  und  Kivrjccic  (c.  2).  stets  liegt 
auch  bei  ihm  in  cxdcic  und  cxacidZeiv  der  begriff  der  sei  es  beabsich- 
tigten oder  zur  that  gewordenen  rechtswidrigen  selbsthülfe. 

£s  bedarf  keiner  ferneren  citate  um  zu  erhärten,  dasz  im  obigen 
gesetze  des  Solon  die  worle  ly  cxdcei  nicht  mit  *  in  zelten  der  bewe- 
gung',  sondern  ^in  zelten  des  aufruhrs,  bürgerkrieges,  der  revolution' 
zu  übersetzen  seien,  so  verfährt  auch  Cicero  ad  Jtt.  10,  1  Solon  capite 
(d.  i.  dxijLiiqi)  sanxii^  si  qui  in  seditione  non  alierius  utrius  pariis 
fuissei,  dem  sinne  des  ganzen  widerfShrt  dadurch  offenbar  eine  wesent- 
liche begrenzung.  allein  selbst  in  dieser  engeren  fassung  ist  schon  den 
alten,  die  doch  an  weit  lebhaAere  und  auf  beschränkterem  räume  sich 


F.  Laders:  über  ein  geselz  des  Solon.  51 

bewegende  parteiagitationea  gewöhnt  waren  als  wir  besser  disciplinierten 
bewohner  europäischer  groszstaateo,  jene  Solooische  bestimmung  nicht 
minder  auffällig  gewesen  als  uns.    Plutarcb,  wie  wir  bereits  gesehen 
haben,  fand  dieselbe  ^eigentümlich  und  wider  erwarten'  und  sucht  sie 
sich  im  weiteren  verlauf  des  c.  20  so  zu  erklären:  ßouXerai  b\  die 
£otK€,  }xi\  dtTraOuic  ^r\b  *  dvaicOTJruic  fx^iv  Trpöc  t6  koivöv  dv  &cq)a- 
Xei  WjLievov  td  oiKcTa  kqI  t&  \ii\  cuvaXTeTv  \jLi\hk  cuvvocetv  ifi  na- 
xptei  KoXXuiTnZöjLicvov,  dXX*  aöröGcv  Tok  td  ßcXTiuj  Kai  biKaiorepa 
TrpdTTouci  TipocG^jLicvov  cuTKivöuveüeiv  Kai  ßonOetv  ^aXXov  f^  irepi- 
M^veiv  dKivbuvoüC  rd  tuiv  KparoüVTUiV.    wir  sehen,  schon  diese  deu- 
lung  ist  nicht  ganz  prScis;  auch  Plutarcb  übersieht  das  emphatische  £v 
CT)ic€t.   es  scheinen  ihm  dabei  bereits  aus  seiner  römischen  oder  grie- 
chischen mitweit  jene  widerwärtigen  erscheinungen  egoistischer  glelch- 
gültigkeit  gegen  Staat  und  Vaterland  im  sinne  zu  liegen,  wie  sie  dem 
römischen  Cäsarentum  genehm  warep :  jener  ebenso  stumpfsinnigen  wie 
ehrlosen  genuszmenschen ,  wie  wir  sie  leider  an  manchen  orten  unseres 
landes  in  neuester  zeit  haben  zu  tage  treten ,  ja  schamlos  sich  breit  ma- 
chen sehen,  deren  species  als  fruchte  übermütigen  woistandes  besonders 
in  handelsrepubliken  (Karthago,  Niederlande,  Hansastädte)  den  geeigneten 
boden  zu  finden  pQegen.   allein  es  fragt  sich  denn  doch,  ob  schon  in  den 
einfachen  tagen  Solons  eine  raffinierte  neigung  zum  indifferentismus  zu 
Athen  in  so  gefahrdrohender  weise  ihr  haupt  erhoben  habe ,  dasz  eine 
ausdrückliche  bestimmung  gegen  dieselbe  in  die  öffentliche  gesetzgebung 
aufgenommen  zu  werden  brauchte,    ich  glaube  vielmehr  dasz  Solons 
Satzung  gegen  die  damals  kaum  beschwichtigten  inneren  unruhen  ge- 
richtet gewesen  ist ,  zum  zwecke  denselben  schneller  und  mit  leichterer 
mühe  ein  ende  zu  machen  oder  selbst  einem  erneuerten  ausbruch  der- 
selben vorzubeugen,   und  zwar  wird  solcher  sinn  des  gesetzes  ausdrück- 
lich bestätigt  durch  den  uns  von  anderer  hand  überlieferten,  freilich  ins 
lateinische  übertragenen  wortlant  desselben. 

Äulus  Gellius  im  zweiten  buche  seiner  noctes  Atticae  (c.  12)  be- 
richtet nemlich  Über  das  in  frage  stehende  gesetz  wie  folgt:  in  legibus 
Solonis  Ulis  aniiquissimis  ^  quae  Aihenis  axibus  ligneis  incisae  sunt 
quasque  laias  ah  eo  Athenienses^  ut  sempiternae  manerent^  poenis  et 
reUgionihus  sanxeruni,  legem  esse  Aristoteles  —  (ohne  zweifei  in 
den  verlorenen  TtoXiTcTai  und  zwar  im  abschnitt  irepi  dSövuJV  oder  ircpi 
vö)Li(JUV)  —  refert  scriptam  ad  hanc  sententiam:  *si  ob  discordiam  dis- 
sensionemqtie  seditio  atque  discessio  popuUin duas  partes  fiel  et  ob 
eam  causam  irritatis  animis  utrimque»  arma  capieniur 
pugnabiturque^  tum  qui  in  eo  tempore  in  eoque  casu  civilis  discor- 
diae  non  alterutra  parte  sese  adiunxerit^  sed  solitarius  separatusque  a 
communi  malo  civitatis  secesserit^  is  domo  patria  fortunisque  Omni- 
bus careto^  exul  extorrisque  esto*  an  diesen  in  der  Übersetzung  augen- 
scheinlich umschriebenen  und  auf  entsprechende  lateinische  formein  ge- 
brachten tenor  des  gesetzes  knüpft  nun  der  schättbare  Fronlonianer 
einige  erwägungen  folgenden  inhalts :  cum  hanc  legem  Solonis  singülari 
sqpientia  praediti  legissemus  ^  tenuii  nos  gravis  quaedam  in  principio 

4* 


52  F.  Ldders:  über  ein  gesetz  des  Solon. 

admiratiOj  requirens  quam  ob  causam  dignos  esse  poena  exisUmaverit^ 
gut  se  procul  a  sediiiane  et  civili  pugna  removissent.  tum  qui  penitus 
aique  alte  usum  ac  sententiam  legis  introspexerant  —  (vermutlich  ein 
referat  ober  des  Aristoteles  eigne  ansieht)  —  non  ad  augendam^ 
sed  ad  desinendam  seditionem  legem  hanc  esse  dicebant  ei 
res  prorsum  se  sie  habent  nam  si  boni  omnes^  qui  in  principio  coer- 
cendae  seditioni  impares  fuerinl^  populum  percitum  ei  amentem  non 
deseruerinty  ad  älterutram  pariem  dividi  (?)  sese  adiunxerint^  tum 
eveniei  ui  cum  socii  parlis  seorsum  utriusque  fuerini  eaeque  partes  ab 
Ais,  ui  maioris  auctoritatis  viris^  temper ari  ac  regi  coeperini  ^  Concor- 
dia  per  eos  potissimum  restiiui  conciliarique  possii^  dum  ei  suos  apud 
quos  sunt  riguni  atque  miiifieani  et  adversarios  sanaios  magis  cupiuni 
quam  perditos. 

Wir  kdnnen  uns  mit  dieser  interpretation ,  so  wenig  authentisch 
d.  h.  Solonisch  sie  ist,  aus  inneren  grflnden  nur  einverstanden  erklaren, 
erinnern  wir  uns  jener  unruhigen  Zeiten  eines  Drakon ,  eines  Kylon ,  der 
Verbannung  der  Alkmaouiden ,  des  ewigen  haders  zwischen  Pedieern  (rre- 
biete),  Paraliern  und  Diakriern,  und  wir  werden  nicht  staunen,  wenn  der 
redliclie  Soion  in  voraussieht  wiederkehrender  stürme  darauf  bedacht 
gewesen  ist,  so  weit  es  durch  positive  Vorschriften  mdglich  war,  die 
friedliche  entwicklung  seines  Verfassungswerkes  sicher  zu  stellen,  er 
gieng  in  seiner  naiven  legalitflt  so  weit,  noch  fflr  einen  zustand  ein  ge- 
setz zu  geben,  wo  der  ganze  Staat  bereits  bors  de  ia  loi  war.  im  hin- 
blick  auf  die  tief  erregten,  kaum  beruhigten  parteileidenschaften  setner 
landsleute  hat  er  jene  bestimmung  erlassen  zu  dem  doppelten  zwecke: 
durch  androhttog  härtester  ehren-  und  Vermögensstrafe  für  feige,  gleich- 
gültige oder  eigennützige  neutralitftt  in  schwerer  zeit  des  bürgerkrieges 
einmal  diesem  selbst  durch  beteiligung  aller  den  Charakter  elenden  fac- 
tionskampfes  zu  rauben  und  ein  rasches  ende  zu  bereiten ;  anderseits  aber 
auch  indirect  im  interesse  gesunden  demokratischen  forlschritts  die  teil- 
nähme der  bürger  am  heimischen  Staatswesen  in  freud  und  leid  als  hei- 
ligste pflicht  hinzustellen. 

Wir  geben  also  die  letztere  absieht  bei  Solon  zu ,  nur  freilich  erst 
in  zweiter,  weil  zurücktretender  linie.  der  ton  bleibt  darum  doch  auf 
iv  CTOicet  =  in  seditione  ruhen,  das  ist  es  was  wir  als  ersten  punct  zu 
erweisen  versucht  haben. 

Ein  zweites  aber,  was  wir  zu  bedenken  geben,  bevor  wir  jenem  ge- 
setz eine  generalisierende  anwendung  auf  moderne  zustände  verstatten, 
ist  dasz  dasselbe  für  "stadt  und  slaat  Athen,  d.  h.  für  eine  eng  be- 
grenzte localität  gegeben  wurde  und  schon  deshalb  nicht  unbesehen  in 
die  weit  verwickdteren  Verhältnisse  der  neuzeit  passen  würde. 

Gurtlus  meint  (s.  3)  ^das  gesetz  Solons  sei  nur  im  zusammenhange 
mit  dem  hellenischen  Volksleben  verständlieh.'  wir  flnden  hierin  wieder 
eine  zu  dehnbare  fassung  und  möchten  staXt  dessen  vorschlagen :  es  sei 
nur  im  zusammenhange  mit  nator  und  geschiebte  des  athenischen  Staates 
zu  begreifen,  allerdings  stellte  die  hellenische  staatsidee  überhaupt  weit 
rigorosere  anforderungen  an  den  einzelnen  bürger  als  wir;  aber  dasz 


F.  LQders:  Ober  ein  geselz  des  Soloo.  53 

man  bis  zur  Singularität  jenes  geselzes  irgendwo  sonst  vorgeschritten 
sei,  ist  sclion  darum  unglaublicli,  weil  spätere  Griechen  und  Römer  selbst 
sich  mit  uns  darüber  verwundern  und  dasselbe  als  problem  behandeln, 
das  altische  parteitreiben  hat  zu  allen  zeilen  einen  besonders  lebhaften 
Charakter  gelragen,  zugleich  aber  verrSth  es  fast  durchweg  den  gesunden 
zug  nach  mäszigung  und  selbstzägelung,  wie  er  auch  in  der  Soloniscbea 
bestimmung  hervorlritL  derartige  cräcetc,  wie  sie  z.  b.  in  Argos  und 
Megara,  auf  Kerkyra  und  Samos,  in  Syrakus  und  an  unzähligen  andern 
orten  in  bester  historischer  zeit  vorgekommen  sind,  haben  in  Athen 
spater  nie  mehr  stattgefunden,  und  nun  male  man  sich  eine  solche 
CTacic  aus ,  wie  sie  dem  weisen  Solon  aus  eignem  erlebnis  vor  der  seele 
stand  1  wie  die  bürger  sogar  inmitten  friedlicher  festesfeier  lärmend  und 
fluchend  zu  den  walfen  greifen,  auf  die  agora  eilen,  zur  bürg  hinauf- 
drängen, um  die  gegner,  anhänger  eines  ehrgeizigen,  nach  alleinherschaft 
lOsternen  partelfülirers,  in  förmlicher  hetzjagd  zu  verfolgen,  ja  selbst  an 
den  altären  der  götter  schonunglos  niederzumetzeln !  und  das  auf  dem 
kleinen  räum  einer  einzigen  Stadt,  die  mit  dem  umliegenden  canton  da- 
mals den  ganzen  Staat  ausmachte!  wahrlich,  nichts  kann  ferner  liegen 
als  so  locale  Verhältnisse  auf  unsere  heutigen  groszstaaten  und  deren  viel 
zerstreuteres  öffentliches  leben  zu  übertragen,  höchstens  die  Stadt  Paris 
in  den  wilden  tagen  der  revolution  mit  ihren  straszenkämpfen  bietet  ana- 
loge erscheinuttgen  dar ,  oder  auch ,  in  ländliche  Umgebung  versetzt ,  die 
Schweiz,  die  ja  auch  in  nicht  gar  fernen  tagen  ihre  crdceic  durchge- 
macht hat,  wenngleich  in  milderer  weise. 

Das  geselz  des  Solon  war  demnach  für  Zeiten  desbürgerkrieges 
und  zwar  im  kleinstaat  Attika  berechnet;  es  kommt  als  drittes  momeni 
hinzu,  dasz  wir  über  seine  geschichtliche  anwendung,  ober  das  ob,  wann 
und  wie?  völlig  im  dunkeln  bleiben,  wir  wissen  nur  so  viel,  dasz  bald 
nach  Solons  gesetzgebung,  trotz  seines  prohibitionsversuchs ,  die  alten 
parteiunruhen  wieder  ausgebrochen,  dasz  darauf  im  Zeitalter  des  Peisis- 
tratos  zwar  mehrfache  crdccic  mit  dem  erforderlichen  gewaltthätigeu 
und  blutigen  Charakter  vorgekommen  sind;  dasz  dann  aber  seit  den  tagen 
des  Kieislhenes  über  ein  volles  Jahrhundert  lang,  trotz  vielfacher  ^zeiten 
der  bewegung',  man  kann  wol  sagen ,  pennauenten  parteikampfes ,  doch 
der  attische  boden  bis  zum  j.  403  keinen  eigentlichen  bürgerkrieg  ge- 
sehen hat.  denn  es  fragt  sich  noch ,  ob  die  vorübergehende  reacüon  der 
vierhundert  im  sommer  411  als  CTdcic  aufzufassen  sei.  politische  morde 
und  hinrichtungen  fielen  allerdings  auch  damals  vor;  aber  die  zeitweilige 
^eraßoXrj  war  mehr  eine  folge  der  einschüehterung  des  demos  als  eines 
bewaffneten  aufstandes,  einer  CTdciC  der  oligarchen.  man  erinnere  sich 
femer,  wie  verhältnismäszig  selten  (vielleicht  ein  dutzend  mal  im  lauf 
eines  Jahrhunderts)  zu  Athen  von  einer  analogen  prävenlivmaszregel,  dem 
ostrakismos,  gebrauch  gemacht  worden  ist,  und  man  wird  uns  ver- 
mutlich in  der  annähme  beistimmen ,  jene  von  Solon  für  flagranten  Sepa- 
ratismus angedrohte  höchste  atimie  sei  kein  einziges  mal  in  Vollzug 
gesetzt  worden,  ohnehin  können  wir  uns  kaum  denken,  wie  und  von  wem 
sie  hätte  vollzogen  werden  sollen :  inier  arma  silent  leges.   nach  wieder- 


54  F.  Laders :  über  ein  gesetz  des  Solon. 

hergestellter  Auszerer  ruhe  aber ,  wSre  es  da  dem  sieger  wol  vorteilhaft 
gewesen,  auszer  der  unterlegenen  partei  auch  noch  denen  mit  Unehre  und 
bann  zu  leibe  zu  gehen,  die  aus  immerhin  eigennOlziger  neutralität  sich 
vom  kämpfe  zurückgehalten  hatten?  w9re  es,  in  ermangelung  einer  vor- 
liegenden condttiteniisle  der  einseinen  bflrger,  auch  nur  thunlich  gewesen 
ohne  eine  förmliche  Inquisition  nach  verborgenen  motiven?  oder  konnte 
es  in  Solons  humanen  absiebten  liegen,  einem  rohen  confiscationsgelflste 
gesetzliche  stützen  zu  leihen? 

Es  ist  hier  der  ort  eine  rede  des  Lyslas  in  betracht  zu  ziehen, 
welche  weniger  einzelner  stellen  halber  als  vielmehr  ihrer  ganzen  tendenz 
nach  zur  Illustration  des  Solonischen  gesetzes  und  seiner  concreteu  gel- 
tung  zu  dienen  geeignet  ist.  in  dessen  einunddreiszigster  rede  wird  nem- 
lich  der  Acharner  Philon  vor  versammeltem  rathe  von  einem  buleuten 
angeklagt,  weil  er  sich  in  der  zeit  der  krisis,  des  kampfes  zwischen  den 
anliAngern  der  dreiszig  und  der  volksparlei,  obschon  von  ersteren  ver- 
trieben, dennoch  neutral  verhallen  habe  und  in  engherziger  Selbstsucht 
seine  Schleichwege  gewandelt  sei  ($  13  öc  od  Ti  ToOc  dr^pouc  äXX* 
djnqpoT^pouc  q)avepdc  icTi  TipoSoOc,  t&cre  ^r\rt  toTc  ^v  tjJ  öcrei 
Tevo^^voic  cplXov  irpoc/iKCiv  clvoi  toOtov  ,  \ir\Te  toTc  töv  TTeipaiä 
xaTaXaßoOciv).  der  ankläger  stellt  den  antrag  dem  Philon  auf  grund 
solches  Verhaltens  mindestens  den  eintritt  in  den  rath  zu  verweigern 
(dTTOÖOKi^dZciv).  im  lauf  seiner  ausfahrung  begegnet  der  redner  einem 
(gleichviel  ob  erhobenen  oder  fingierten)  einwurf  des  angeklagten,  es 
gebe  für  ein  solches  vergehen  wie  dasjenige  dessen  er  beschuldigt  werde, 
kein  ausdrOckliches  gesetz  (S  27  äxouuj  ö'  auTÖv  X^yeiv  d>c,  et  n  ?|v 
äbiiqiLia  tö  iii\  TTaparev^cOai  dv  dK€(vui  Ttjj  Kaipd!i,  vöjüioc  äv  £k€ito 
Trepl  aÜToC  btappiibriv,  t&CTrep  xal  irepi  twv  aXXuiv  äbiKr))iäT(uv 
usw.).  sollten  wir  da  nicht  gerade  erwarten,  dasz  Lysias  ihm  unsere 
Solonische  bestimmung  entgegen  halten  müsle?  aber  nein,  er  erwähnt 
derselben  auch  nicht  mit  der  leisesten  andeutung.  wir  können  aus  sol- 
chem schwelgen  nur  den  schlusz  ziehen,  dasz  entweder  dem  Lysias  das 
einschlagende  Solonische  gesetz  unbekannt  gewesen  (eine  seltsame  un- 
kunde),  oder  dasz  er  es  für  politisch  richtiger  gehalten  habe  seinen 
tendenzprocess  auf  allgemein  patriotische  motive  zu  gründen  als  auf  ein 
absolutes,  stillschweigend  derogiertes,  jedenfalls  nie  in  das  öffentliche 
rechtsbewustsein  der  Athener  fibergegangenes  gesetz  ihres  sonst  so 
hochgefeierten  Staatsordners. 

Nach  diesem  allem  glauben  wir  in  unserem  endurteil  kaum  fehl  zu 
gehen,  wenn  wir  jener  Satzung  des  Solon  eine  rein  abstracte  und 
theoretische  bedeutung  beimessen,  die  niemals  zu  thatsSchllcher 
an  Wendung  geführt  hat  wir  sehen  darin,  wie  gesagt,  einen  wolge- 
meinten  versuch  des  gesetzgebers ,  dem  extrem  bürgerlichen  haders  zu 
'wehren  oder  auch  nur  vorzubeugen ,  der  aber  weder  seinen  zweck  erfüllt 
hat  noch ,  menschlichen  dingen  nach ,  jemals  erfüllen  konnte,  wir  kön- 
nen daher  in  ihm ,  selbst  vom  eignen  attischen  gesichtspuncte  aus ,  keine 
besondere  politrsche  weishelt  erblicken,  so  finden  wir  denn  auch ,  neben 
der  Verwunderung  eines  Plutarchos  und  Gellius,  bei  Cicero  in  obigem 


F.  Luders :  über  ein  gesetz  des  Solon.  55 

4)riefe  an  freund  Atticus  {ego  vero  Solonis  legem  neglegam^  nisi  $i  tu 

^Uter  censes ,  et  hinc  äbero  et  ülitn)  das  unam wundene  gestftndois ,  dasz 

er  sich  die  freiheit  nehme,  bei  gelegenheit  der  weltgeschichtlichen  crdcic 

zwischen  Pompejus  und  Cftsar  gegen  die  Solonische  Vorschrift  zu  sAndi- 

gen.   ebenso  hat  es  sein  ganzes  leben  lang  Atticus  selbst  gemacht,  der  in 

>allen  börgerlichen  lagen  und  zeitlaufen  die  stricteste  neutralilät  bewahrte. 

so  haben  es  sclion  lange  vor  dem  rdmischen  wellreich  in  Griechenland 

•nad  selbst  in  Athen  in  zeiten  öffentlicher  Unruhen  gar  manche  edle  und 

gebildete  mlnner  gehalten,  namentlich  allgefeierte  dichter,  künstler  und 

Philosophen,    innerlich  freiKcb  wird  jeder  gebildete  mann  auch  in  fragen 

-der  politik  seinen  partetstandpunct  einnehmen  und  behaupten ;  aber  zu 

Zeiten  der  crdcic  selbstthatig  einzugreifen,  bewaffnet  auf  Aia  strasze  unter 

die  kämpfenden  häufen  zu  eilen  —  das  liesz  sich  schon  hn  alten  Athen  nicht 

erzwingen  und  wird  noch  weniger  heute  vom  einzelnen  bürger  verlangt 

werden  können ,  in  unsern  tagen  wo  selbst  die  folgenschweren  crdceic 

(in  der  Schweiz  1847,  in  Nordamerika  1861—65,  in  DeuUchland  1866} 

nicht  von  tumultuarischen  bürgerwehren,  sondern  vdn  organisierten  strüt- 

krtiften  ausgefochten  werden,     als  an  uns  Deutsche  im  jähre  1866  — 

hoffentlich  zum  letzten  male  —  die  eiserne  notwendigkeit  herangetreten 

war  bürgerblut  zu  vergieszen,  da  hat  ohne  frage  jeder  denkende  und 

fühlende  mann,  je  nach  urteil  oder  Sympathie,  partei  ergriffen  für  Oester- 

rejch  oder  für  Preuszen ;  selbst  aufs  Schlachtfeld  zu  «ilen  und  persönlich 

für  seine  Überzeugung  mitzukämpfen  ist  keinem  nicht  wehrpflichtigen 

eingefallen  oder  gar  als  bürgerpOicht  von  ihm  gefordert  worden. 

Hamburg.  Febdikamd  LtlDERS. 

11. 

Die  oeometbie  des  Pediasimus.  pboobamm  de&  studibnakstalt 
Ahsbaoh  zum  8  AUGUST  1866  VON  DB.  O.  Fbiedle  IN,  k.  pbo- 
FESSOB.  druck  von  C.  Brttgel  und  söhn  in  Ansbach.  40  s.  mit 
2  figurentafeln.   gr.  4. 

Welches  anerkennenswerthe  verdienst  hr.  Friedlein  durch  die  heraus- 
gäbe der  bisher  ungedruckten  geometrie  des  Pediasimos  sich  erworben 
hat,  wird  am  besten  deutlich  werden,  wenn  wir  in  wenigen  zügen  eine 
kleine  geschichte  zusammenstellen ,  die  den  titel  *  das  suchen  nach  Pedia- 
simos' führen  mag.  im  j.  1816  hatte  Lelronne  für  seine  Vecherches  sur 
les  fragments  d'Höron '  den  preis  der  Pariser  akademie  erhalten,  da  die- 
ses bahnbrechende  werk  aber  erst  im  j.  1861  nach  dem  tode  des  Verfas- 
sers zur  Veröffentlichung  gelangte,  so  wurde  auch  seitdem  erst  bekannt, 
dasz  das  masz  einer  gewissen  orgyie,  deren  geschichte  im  zweiten  Jahr- 
tausend vor  Ch.  in  Aegypten  beginnt,  noch  bei  Pediasimos,  einem  byzanti- 
nischen Schriftsteller  des  14n  Jahrhunderts  erscheine,  leider  war  das  citat 
welches  Lelronne  mitteilte  nur  ein  sehr  kurzes,  und  die  Interpretation 
die  er  hinzufügte  (wiederholt  metrol.  scr.  I  s.  58}  in  einem  hauptpuncte 
irrig,  deshalb  sprach  unterz.  gelegentlich  in  der  pädagogischen  abteilung 
dieser  Zeitschrift  (bd.  90  s.  308)  den  wünsch  nach  Veröffentlichung  des 


56     F.  Hultsch :  anz.  v.  Pediasimos  geomelrie  heraasgeg.  v.  G.  Friedlein. 

ganzen  Werkes  aus ,  nachdem  er  kurz  vorher  in  WolfenbQUel  aus  dem 
codex  Gudianus  gr.  8  fol.  saec.  XV ,  soweit  es  damals  die  zeit  erlaubte, 
den  hauptiohait  der  scbrift  eicerpiert  und  einige  stellen  abschriftlich  ent"* 
nommen  hatte,  aus  diesen  excerpten  konnte  metrol.  scr.  II  s.  147  f.  die 
stelle  über  die  orgyie  vollslflndig  mitgeteilt  und  danach  ebd.  8.  205  Le- 
tronne  berichtigt  werden,  fast  gleichzeitig  hatte  hr.  Friedlein  im  92n  bd* 
dieser  Zeitschrift  s.  366  —  383  eine  ausfQhrliche  übersieht  über  den  in- 
halt  des  Werkes  uebst  umflnglichen  excerpten  aus  demselben  gegeben, 
doch  gerade  diese  publication  muste  das  verlangen  nach  dem  vollständigen 
abdruck  eher  steigern  als  stillen,  hiernach  wii^  es  auch  denen ,  die  der 
Sache  ferner  stehen,  erklSrlich  werden ,  wie  dankenswerth  die  arbeit  ist, 
welcher  sich  hr.  Priedlein  in  vorliegendem  programm  unterzogen  hat. 
möge  auch  den  noch  übrigen  inedita  auf  dem  gebiete  der  griechischen 
mathematik  ein  gleich  günstiges  Schicksal  recht  bald  zu  teil  werden. 

Der  herausgeber  benutzte  vier  Münchener  handschriften ,  oder,  da 
zwei  derselben  eine  fast  völlige  Übereinstimmung  zeigen,  drei  quellen  der 
Überlieferung,  welche,  entsprechend  dem  kurzen  zwischen  original  und 
copie  liegenden  Zeitraum,  einen  im  wesentlichen  identischen  text  zeigen, 
auch  die  Wolfenbüttler  handschrift,  soweit  sie  im  folgenden  zur  verglei- 
cbung  kommen  wird,  zeigt  nirgends  erhebliche  abweichungen. 

So  machte  die  herstellung  des  textes  verhältnismäszig  geringe  schwie 
rigkeit,  wobei  jedoch  immerhin  zu  beachten  ist ,  dasz  eine  editio  prineeps 
mit  anderem  maszstabe  zu  messen  ist  als  ein  schon  so  und  so  vielmal  ver- 
ÖfTentlichter  und  kritisch  behandelter  text.  noch  einen  besondern  vorzug 
hat  aber  hr.  F.  seiner  ausgäbe  dadurch  gesichert,  dasz  er  in  den  noten  eine 
art  fortlaufender  erklärung  beigefügt  hat,  welche  der  natur  des  gegen- 
ständes nach  hauptsächlich  in  Verweisungen  auf  die  Heronischen  geome- 
trischen werke  besteht,  damit  haben  wir  die  erwünschte  unterläge  ffir 
spatere  forschungen  darüber,  welche  Schriften  von  Heron  und  in  welcher 
gestalt  dem  Pediasimos  vorgelegen  haben,  sehr  beachtenswerth  ist  der 
wink  welchen  der  hg.  s.  5  gibt,  dasz,  obgleich  die  geometrie  des  Heran 
häufiger  zur  vergleichuug  hat  herabgezogen  werden  können  als  desselben 
geodäsie ,  doch  die  arbeit  des  Pediasimos  viel  mehr  ähnlichkeit  mit  der 
letztern  habe,  woraus  sich  weiter  ergeben  würde,  dasz  die  geodäsie  dem 
Pediasimos  vollständiger  vorlag,  als  sie  jetzt  uns  erhalten  ist. 

Doch  die  Heronische  frage  ist  und  bleibt  insofern  ein  noli  me  tan» 
gere ,  als  man  immer  und  immer  wieder  mehrjährige  arbeit  und  eine  Vor- 
stellung von  dickleibigen  noch  zu  schreibenden  bänden  im  geiste  vor  sieb 
hat,  so  oft  man  sich  derselben  nähert,  deshalb  unterdrückt  unterz.  diese 
und  jene  bemerkung  über  das  Verhältnis  zwischen  Heron  und  Pediasimos^ 
die  hei  durcblesung  der  vorliegenden  schrift  sich  darzubieten  schien,  und 
zieht  es  vor  den  räum  den  er  etwa  noch  beanspruchen  darf  zu  einer  ver- 
gleichung  einiger  stellen  mit  der  oben  erwähnten  Wolfenbüttler  hs.  zu 
benutzen,  es  sind  dies  seite  7, 1—8, 17.  11,13—13,5.  13,16 — 26. 
21,  9—22, 4.  27, 18—29,  6  der  ausgäbe  von  Friedlein. 

S.  7  z.  2  Kupiou]  k"    TrebiacTiiiOu]  nebtacijüiou      5  iftv  fehlt 
cl  Tt]  in      13  ii  fehlt  in  meiner  abscbtift       17  t6v]  toö      8,  2  b* 


F.  Haitsch:  aoz.  v.  Pediasimos  geometrie  heraosgeg.  v.  G.  Friedlein.    57 

elc  3  r}xf\^aTa  biaveijui)]  cxi^iMaxa  biav^^il  (qc^ijuara,  waa  auch 
die  Friedleinschen  bss.  bcd  haben,  scheint  den  vorzog  za  ▼erdienen,  weil 
es  sich  um  die  deQniüon  von  ö^oiocx^l^uiv  handelt,  vielleicht  ist  auch 
bereits  z.  2  cxrJMOtT^  ^^^  Tfn^ara  zu  schreiben)  7  craupocibk] 
gpO€ibic  12  d|i7nic6M€VOV  auch  die  Wolfenbflttlcr  hs.  wenn  Fried- 
lein s.  40  nachträglich  angibt  *lies  ^jiiniccö^evov',  so  meint  er  damit 
wol  dasz  es  seine  emendation,  nicht  aber  dasz  es  die  Jesart  der  bss.  sei. 

11,13  cxn^ttTtAiV  fehlt  12,  9  iiipoc  auch  die  Wolfenb.  hs.  sollte 
etwa  ^€T€6oc  zu  losen  sein?  10  ^upiuiv  acd,  ^upiui  b  und  die  W. 
hs.,  letzteres  ist  abgesehen  von  dem  fehlenden  t  subscriptum  (welches  in 
der  W.  hs.  auch  vielfach  anderwärts  weggelassen  ist)  unzweifelhaft  rich- 
tig 14  hinter  fiCTpoCfiev,  welches  die  zeile  scblieszt,  fehlen  die  worte 
xal  KaXeirat  afirr)  tuiv  uTToßöXuiv  f)  öpTuiä.  X^imüiaTa  bi  eict  t^ui- 
jiCTpiac,  worauf  die  nächste  zeile  ohne  zeichen  der  lüclce  anfingt  mit 
oÖK  c6api9Mi}Ta.  ^ 

13,  16  TÖ  a  ß  T  b]  TÖ  a  ß  f  b.  es  ist  zu  lesen  tö  aßyb.  vgl.  die 
bemerkung  zu  13,^2^  17  flyot^v  Ht€  ä  ß  TpaMM^l-  i«ctl  f|  T  *•  Kttl 
^OT^a  TUIV  ö  f  ß  ^-  ^^^  TJTOUV  steht  sowol  hier  als  gleich  darauf 
z.  20  bei  Friedlein  tJujc.  die  MQnchener  bss.  haben  wahrscheinlich  jenes 
eigentümliche  compendium,  welches  JJYOUV  bedeutet,  aber  mit  jJTOi  und 
i]wc  leicht  Terwechselt  werden  kann,  doch  selbst  wenn  das  nicht  der 
fall  sein  sollte ,  ist  jJYOUV  aus  der  W.  bs.  unbedenklich  aufzunehmen ,  da 
es  mit  dem  gebrauche  *  des  Heron,  der  hinwiederum  fju)C  nicht  kennt, 
übereinstimmt,   die  geometrischen  bezeichnungen  sind  so  zu  lesen:  f\  t€ 

aß  —  f)  yb  —  tOüv  ot  ßb.  der  hg.  lAszt  nach  einem  princip,  welches 
unterz.  hier  durchaus  nicht  anfechten  will,  die  striche  über  den  geome- 
trischen buchstaben  weg;  die  Hünchener  hss.  haben  dieselben  sicher, 
jedoch  wahrscheinlich  eben  so  verwirrt ,  wie  eben  aus  der  W.  hs.  ange- 
geben worden  ist,      13,  20  fjuiCJJJTOUv       22  to  a  ß  T  b]  xd  aß  yb 

die  W.  hs.  das  richtige  ist  tö  aßtb,  oder  wenn  man  mit  dem  hg.  den 
strich  verschmäht,  tö  aßyb,  also  die  buchstaben  zusammen,  nicht  ge- 
trennt geschrieben,   getrennt  geschriebene  buchstaben  bezeichnen  punc- 

te,  z.  b.  Tot  ä  ß  T*  zwei  zusammengeschriebene  buchstaben  bezeichnen 
die  zwischen  diesen  puncten  sich  erstreckende  linie,  welche,  je  nach 
der  hinzugesetzten  beaeichnung,  eine  gerade  oder  gekrümmte  sein  iann. 
findet  sich  kein  zusatz,  so  wird  als  selbslyerständlich  die  gerade,  ed- 
Ocia,  gemeint,  eine  gebrochene  linie,  d.  h.  die  beiden  schenke!  eines 
winkeis,  wird  durch  drei  buchstaben  so  ausgedrückt,  dasz  die  bezeich- 

nung  des  scheitelpunctes  in  der  mitte  steht,  z.  b.  a\  aßf  soviel  als  eine 
gerade  aß  und  eine  andere  ßr?  welche  vom  puncto  ß  aus  divergieren. 

soll  der  winkel  als  solcher  bezeichnet  werden,  so  heiszt  es  f)  aßy  Ttuvia 
oder  kurzweg  f|  aßt«  ^ird  femer  aus  dem  winkel  aßt  ein  dreieck,  in- 
dem die  gerade  c^_gezogen  wird,  so  heiszt  dieses  tö  aßt  TpttmVQV 
oder  kurzweg  tö  aßt»  d»  ^'  die  fläche  welche  durch  die  geraden  aß,  ßt« 


58     F.  Hultsch :  anz.  v.  Pediasimos  geometrie  herausgeg.  v.  G.  Priedlein. 

ya  umgrenzt  wird,  ebenso  erkUri  sich  die  bezeichnung  tö  Terp&T^vov 

TÖ  aßxb  als  des  Viereckes  welches  umgrenzt  ist  durch  die  geraden  aß 

ßT  T^  ba.  13,  25  dKocdKic  touc  cTkoci-  Tivovxm  rexpaKÖcia, 
so  mit  Wechsel  des  geschlechtes  auch  die  W.  hs.  die  zahlen  in  der  rech- 
nung  werden  entweder  als  neutra  behandelt,  oder  sie  stehen  als  mascu- 
llna  mit  zu  ergänzendem  dptO^öc.  das  schwanken  so  unmittelbar  hinter- 
einander ist  auflMlig ,  und  könnte  sehr  leicht  durch  die  Änderung  Tcrpa- 
KÖctoi  beseitigt  werden;  doch  ist  es  nicht  unwahrscheinlich,  dasz  Pedia- 
simos diese  kleine  stilistische  inconsequenz  nicht  beachtet  hat. 

21,  9    ÖflC  X^TOJICV  TTCpl  T&V  TplTiüVUlV  I  KOi  TplTUJVUiV  TttIV 

icoirXcupuiV.  I  so  die  W.  hs.  flbereinstimmend  mit  den  flbrigeu.  aus  der 
ersteren  sind  die  zeichen  des  Zeilenschlusses  augegeben ,  um  die  annähme 
einer  kleinen  Jucke,  die  hier  versteckt  liegt,  um  so  leichter  zu  erklären, 
die  Zeilen  sind  nemiich  hier  zu  anfang  einer  neuen  aufgäbe  kflrzer  als 
sonst,  weil  die  dazu  gehörige  figur  daneben  gezeichnet  ist.  ungefähr 
dieselbe  Verkürzung  der  zellen  hat  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  schon  die 
orrginalhs.  des  Pediasimos  gehabt,  nehmen  wir  also  an,  dasz  folgendes 
ursprünglich  dagestanden  hat 

Öf)c  X^TOfiev  nepi  tiDv  TpiTiüvuJv  •  g 
irpdiTov  [xkyf  btoXdßuj^ev  trepl  tiLv 
TpiYiuvtDV  Tu&v  icoirXeupiDV  usw., 
wobei  zu  der  ergänzten  zweiten  zeile  zu  vergleichen  ist  s.  26,  16,  so  ist 
der  Schriftsteller  von  dem  verdacht  einer  argen  gedankenlosigkeit  befreit, 
welche  in  der  handschriftlichen  lesart  doch  offenbar  liegt.      21,  11  TÖ 
a^y  die  W.  hs.  statt  des  richtigen  TÖ  aßt.    vgl.  das  oben  zu  13,  22 
bemerkte.     17  ^expl  ist  wol  druckfehler;  jüi^XP^  ^^^  richtig  die  W.  hs. 

ToC  X^^  äpiO^oG.  Pediasimos  meinte  also ,  wenn  die  lesart  richtig 
ist,  TpiaKOCTOÖ,  nicht  TpidKOVTa.  18  uEe  und  so  auch  im  folgenden 
die  zahlen  überstrichen,  mit  einziger  ausnähme  von  z.  25  tQ,  was  als 
Zufälligkeit  zu  betrachten  ist.     20  auTf|V  druckfehler,  auTf)V  die  W.  hs. 

24  ToC]  Kai  22,  1  xdK  Friedlein  und  nach  dem  stillschweigen  die 
MQnchener  hss.,  xdK  richtig  die  W. 

27,  19  IT.  in  den  Zahlzeichen  haben  sich  die  älteren  buchstaben- 
formen  auch  da  noch  erhalten ,  wo  sonst  überall  cursive  zeichen  ange- 
wendet wurden.  20  ouTU)C  richtig,  nicht  o&rui.  ebenso  s.  28,  6.  9 
27  TÖv  TpiTUJVOV  falsch  28,  1—2:  die  neun  worte  itpöbilXöc  bis 
elpim^vou  fehlen.  11  über  die  bruchzeichen  hier  und  in  der  nächsten 
aufgäbe  bittet  unterz.  die  besprechung  von  Hoches  Nikomachos,  welche 
nächstens  folgen  wird,  zu  vergleichen.  17  aificiou  richtig  die  W.  hs* 
übereinstimmend  mit  acd  27  ^i']  rä  fx;  aber  in  der  nächsten  zeile 
ohne  artikel  Tplc  ^,  wie  die  übrigen  hss.  28  rpic  rplc  auch  die  W. 
Jis.;  es  ist  aber  offenbar  rpic  TpeTc  zu  lesen.  29,  2  oiibk  jüttov  über- 
einstimmend mit  b  c  d  4  TrdvTTi ,  nicht  trdvTij.  gleich  darauf  bucTVU^' 
CTOC,  nicht  bicYViüCTOC,  was  doch  wol  druckfehler  ist.  5  dirapeMTrO- 
btCTÖC  richtig,  während  bei  Fr.  nur  auf  der  letzten  silbe  der  acut  steht 
Dbesden.  Friedrich  Hultsch. 


£.  Schulze:  auz.  v.  F.  Matz  de  Philostratorum  in  descr.  imagioibus  fide.  59 

12. 

De  Philostratorum  in  desoribendis  imaqinibus  fide  scripsit 
Fridericus  Matz.  Bonnae  apud  Adolplium  Marcnm. 
MDCCCLXVII.  III  u.  139  b.  gr.  8. 

Nachdem  K.  Friederichs  in  seinem  1860  erschienenen  buche  über 
<die  Philostratischen  bilder  sich  im  gegensalz  zu  Weickers  ansieht  dahin 
ausgesprochen  hatte,  dasz  die  Philostrate  bei  gänzlichem  mangel  an  kunst- 
verständnis  auch  nicht  einmal  die  absieht  gehabt  hätten  wirkliche  kunsi- 
werke  genau  zu  beschreiben ,  entspann  sich  zwischen  ihm  und  H.  Brunn 
über  diese  frage  ein  streit,  welcher  in  diesen  Jahrbüchern  (suppl.  IV 
«.  179 — ^306.  V  8.  133 — 181)  geführt  worden  ist.  die  ansichlen  beider 
gelehrten  stehen  sich  unvermittelt  gegenüber,  obgleich  es  an  leisen  an- 
denlungen  einer  annäherung  auf  beiden  selten  nicht  fehlt,  es  ist  daher 
ein  wolberechtigtes  unternehmen,  welchem  sich  der  vf.  obiger  dissertation 
unterzogen  hat,  noch  einmal  die  Untersuchung  aufzunehmen  und  gewis- 
senhaft die  gründe  für  und  wider  die  glaubwürdigkeit  der  Philostrate  zu 
prüfen.  Matz  verzichtet  von  vom  herein  darauf  neue  monumente  zur 
Tergleichung  herbeizuziehen ;  vielmehr  gibt  er  zuerst  die  mittel  an  die  band, 
um  Ober  das  wegen  der  sophistischen  litteratur,  specieli  Über  die  zwecke 
und  die  bildung  des  Philostratos  zu  urteilen;  dann  wird  das  Verhältnis 
Hier  poetischen  ausschmückungen ,  welche  sich  selbst  nach  Brunns  Zuge- 
ständnis in  den  bildern  finden,  zu  dem  kerne  der  beschreibung  genau 
-untersucht. 

Von  s.  5  an  wird  nachgewiesen,  dasz  von  der  zeit  der  dladochen  an 
das  bestreben  immer  mehr  hervortritt  in  prosaische  erörterungen  beschrei- 
bungen  von  gemälden  einzumischen,  z.  b.  bei  Kleanthes  (Cic.  de  fin,  II 
21),  Kebes,  Dion  Ghrysostomos,  Lukianos.  diese  beschreibungen  sind  aber 
nur  eingelegt,  um  speculativen  gedanken  sinnliche  deutlichkeit  zu  geben, 
«rst  mit  dem  neuen  aufblühen  der  kunst  und  der  sophistik  im  zweiten  jh. 
nach  Gh.  begegnen  wir  wirklichen  beschreibungen,  wie  sie  Lukianos  (ei- 
KÖV€C  c.  3,  IT.  Td)V  ^Tri  ^tc8i|i  cuvöviuiv  c.  42)  mit  bescheidener  Zu- 
rückhaltung, Aelianos  (ttoik.  icT.  IH  1)  mit  der  behauptung  gibt,  dasz  er 
durch  Worte  völlig  dasselbe  erreichen  könne,  was  ein  maier  mit  dem 
p  in  sei  erreiche,  bei  Achilleus  Tatios  (s.  12)  beweist  nicht  nur  die  sym- 
metrische anordnung,  sondern  auch  die  vergleichung  mit  erhaltenen 
kunstwerken  (Andromeda  und  Prometheus  III  6 — 8  =:  Zahn  11  30),  dasz 
er  wirkliche  beschreibungen  liefert;  dasselbe  gilt  von  Chorikios.  Nikolaos 
gibt  im  fünften  jh.  anweisungen,  in  welcher  reihenfolge  die  teile  einer 
Statue  beschrieben  werden  müssen,  und  es  werden  bei  den  Byzantinern 
solche  beschreibungen  unter  die  Schulaufgaben  aufgenommen,  aber  wäh- 
rend wir  in  den  meisten  fällen  die  glaubwürdigkeit  dieser  Sophisten  nicht 
in  zweifei  ziehen  können ,  dürfen  wir  nicht  ebenso  günstig  von  den  Phi- 
iostraten  urteilen,  denn  jene  nennen  häufig  die  künstler,  rühmen  den 
welcher  das  werk  geschenkt  hat,  oder  die  Stadt  wo  es  steht ;  diese  machen 
keine  angaben  dieser  art.  der  jüngere  nennt  gar  keinen  ort  seiner  ge- 
mäldesamlung,  der  ältere  verlegt  sie  nach  Neapel,  während  er  vermutlich 


60  E.  Schulze:  anz.  v.  F.  Malz  de  Philostratorum  in  descr.  imaginibus fide. 

in  Athen  schrieb  (vgl.  Kaysers  prooemium  s.  V)  und  so  eine  conlrole  fast 
unmöglich  machte,  über  grösze,  form  und  anordnung  der  gemälde  wird 
nie  etwas  ganz  bestimmtes  gesagt^  weil  sich  Philostralos  einen  beschauer 
der  bilder  denict ,  an  den  er  seine  worte  richtet,  aus  dieser  fiction  darf 
man  aber  nicht  den  schlusz  ziehen ,  wie  Welcker  thut ,  dasz  er  wirklich 
beschreibe  (s.  24).  beide  wollen  nur  unterhallen  und  belehren  und  den- 
ken nicht  daran  die  zwecke  der  archSologen  zu  fördern,  im  leben  de» 
ApoUonios  hatte  der  liltere  Philostralos  es  sich  zur  hauptaufgabe  gemacht 
(c.  3  s.  3 ,  2  Kayser)  die  stilistisch  mangelhaAe  darstellung  des  Damis  in 
eine  geschmackvollere  und  reinere  spräche  umzusetzen  (s.  25).  so  war 
es  auch  ausgesprochenermaszen  in  den  elKÖvec  sein  zweck,  Vorbilder  zu 
schaffen,  an  denen  knaben  ihren  stil  bilden  könnten  (379,  18  ToO  bOKi- 
fiou  ^TTi^eXi^covrai),  und  der  jüngere  Philostralos,  der  von  seinem  oheim 
ganz  abhängig  ist,  rühmt  an  ihm  besonders  die  reinheit  des  Stiles  (s.  5,  5 
Xiav  ärfiKUiC  Tf)c  yXuittiic  fx^^c^)*  hieraus  ist  natürlich  für  die  Sorg- 
falt in  der  beschreibung  der  bilder  kein  günstiger  schlusz  zu  ziehen, 
als  eine  zweite  Vorfrage  wird  nun  erörtert,  ob  Philostralos  überhaupt 
eine  genügende  kenntnis  der  kunsl  gehabt  habe,  der  vf.  weist  s.  26 — 32 
durch  viele  belege  besonders  aus  dem  leben  des  ApoUonios ,  dem  heroi- 
kos  und  den  briefeu  nach,  dasz  der  rhelor  über  den  entwicklungsgang 
der  kunsl  hinreichend  unterrichtet,  mit  vielen  meislerwerken  bekannt 
und  sogar  bemüht  gewesen  ist  sich  durch  eigenes  nachdenken  von  dem 
wesen  des  künstlerischen  bildens  rechenschaft  zu  geben  (vgl.  Ed.  Hüller 
gesch.  d.  theorie  der  kunsl  II  s.  317  IT.).  weniger  günstig  für  Philostra- 
los ist  das  ergebnis,  dasz  er  Irolz  seines  kunstverstflndnisses  bei  seinen 
beschreibungen  nicht  immer  genau  sein  wollte,  von  zahlreichen  bewei- 
sen seiner  unzuverlässigkeit  (s.  34 — 45)  sei  hier  nur  erwähnt,  dasz  er 
in  seiner  Schilderung  Indiens  dreifüsze  nennt,  welche  sich  von  selbst  be- 
wegen, sowie  diese  aus  Homer  (IL  C  373)  entnommen  sind ,  so  lassen 
sich  die  meisten  übrigen  abweichungen  von  der  wahrheil  aus  der  nach- 
ahmung  von  dichlersteilen  erklären. 

Nachdem  die  kunslkennlnis  des  Philostralos  und  zugleich  seine  nei- 
gung  zu  poetischer  ausschmückung  anderweitig  festgestellt  ist,  wendet 
sich  der  vf.  zu  den  bildern  selbst  (s.  46)  mit  der  annähme,  dasz  jedenfalls 
den  einzelnen  wenigstens  reminiscenzen  an  kunstwerke  zu  gründe  liegen» 
da  aber  viele  der  beschreibungen  eine  reihe  fortschreitender  scenen  ent- 
halten, so  musz  untersucht  werden^  ob  sich  die  poetischen  zusätze  aus- 
scheiden  und  so  der  vom  künstler  dargestellte  momenl  herausschälen, 
oder  ob  wenigstens  im  allgemeinen  das  argumenl  des  bildes  sich  erken- 
nen läszl.  Friederichs  wirft  nach  erkenn  tnis  der  ausschmückenden  zusätze 
zu  rasch  das  ganze  weg;  Brunn  wünscht  bilder  zu  finden  und  übersieht 
die  genaue  Interpretation,  er  behauptet  dasz  der  rhelor  zuerst  ganz  im 
allgemeinen  über  das  local,  die  scenerie  oder  den  gesamtcharakter  der 
figuren  spreche,  dann  den  mylhus  erzähle,  hierauf  häufig  die  personen  in 
ruhe  beschreibe  und  erst  dann  die  handlung  selbst  schildere,  zum  schlusz 
gebe  er  einige  hindeulungen  auf  die  zukunft.  mit  dieser  vorgefaszlen 
meinung,  so  bemerkt  der  vf.  mit  recht,  darf  man  nicht  an  die  bilder 


E.  Schulze:  anz.  v.  F.  Matz  de  Philoslratoniin  in  descr.  imagiDibus  (ide.  61 

herantreten,  sondern  man  luusz  sich  durch  udhefaogene  inlerprelation 
jedes  einzelne  klar  zu  machen  suchen,  zuerst  werden  die  biider:  I  28  die 
Jäger,  II 19  Phorbas,  II 21  AntSos,  II 22  Herakles  unter  den  Pygmften  und 
d.  j.  1  Achilleus  besprochen,  alle  zerfallen  in  mehrere  scenen,  z.  b.  bei 
dem  letzten  musz  man  den  Achilleus  zuerst  (s.  6,  15}  als  blumen  pflQk- 
kend,  darauf  (s.  6 ,  22)  als  die  waffen  ergreifend  denken,  von  Philostra- 
tos  selbst  wird  hier  eine  räumliche  trennung  der  scenen  durchaus  nicht 
angedeutet;  dagegen  ist  eine  solche  in  den  Worten  des  rhetors  angegeben 
bei  den  Bakchen  1 18  (s.  394,  28  Tauri  fi€v  rä  iv  top  Apct,  rd  bk  ir- 
fvc  TauTa)  und  bei  der  erziehung  des  Achilleus  II  2  (s.  408,  11  Tautl 
pfev  TT€p\  Otipac  Toö  dvTpou,  6  b*  <v  Ti|>  nebiw  iraic  usw.)  —  die 
geburt  des  Hermes,  welche  zu  unklar  und  schwierig  ist,  wäre  hier  besser 
bei  seite  gelassen  worden.  Matz  folgert  nicht  sogleich,  wie  Friederichs 
s.  102  ff.,  aus  dieser  teilung  die  nichtWirklichkeit  der  biider,  sondern 
hält  es  fflr  möglich  dasz  zwei  ganz  verschiedene  scenen  auch  in  der  alten 
maierei  verbunden  werden  konnten,  für  die  flbrigen  biider  aber,  wo  eine 
wirkliche  teilung  nicht  einmal  gedacht  werden  kann ,  da  sie  eine  fortlau- 
fende und  schon  darum  fflr  die  maierei  nicht  darstellbare  handinng  ent- 
halten, gewinnen  wir  daraus  keine  stütze.  Matz  fährt  die  auch  von  Frie- 
derichs schon  zu  gleichem  zwecke  benutzte  Hesione  des  jOngem  Philo- 
Stratos  an,  in  welcher  Herakles  nur  Einmal  beschrieben  wird,  während 
das  ungeheuer  ihm  gegenüber  in  zwei  verschiedenen  Situationen  zu  denken 
wäre  (s.  16,  24  dtpe^ouvTi  npoce-nixoiicv  TtJ»  KfJTCi,  Kivou^evov  bt 
vuvl  cqpobpOTdTT}  ^u^i]  usw.).  es  ergibt  sich  also  dasz  die  Pliilostrate, 
ähnlich  wie  die  dichter,  bei  ihren  beschreibungen  nicht  selten  in  erzäh- 
lung  übergehen,  offenbar  irrt  Brunn,  wenn  er  behauptet,  die  beschrei- 
bungen seien  ganz  klar  nach beseitigung  weniger  leicht  erkennbarer 
zuthaten.  als  hauptaufgabe  erscheint  es  vielmehr  zu  untersuchen,  ob  es 
überhaupt  ein  siclieres  kriterium  gibt,  nach  welchem  gemaltes  und  nicht- 
gemaltes zu  trennen  sind,  mit  recht  gesteht  der  vf.  zu,  dasz  häuflg  nur 
subjectives  urteil  entscheiden  kann,  welche  scene  wol  für  den  küustler 
am  passendsten  war,  in  anderen  fällen  kaum  subjective  gewisheit  zu  er- 
reichen ist.  denn  nur  in  unbedeutenden  nebendingen  läszt  der  rhelor 
seine  zusätze  als  solche  erkennen,  am  wenigsten  schadet  es,  wenn  dem 
beschauer  zugemutet  wird  töne  oder  gerüche  wahrzunehmen ,  doch  ver- 
langen die  beschreibungen  selbst  vom  äuge  unmögliches,  so  soll  man  II 
34  die  drei  Hören  im  kreise  tanzen  und  doch  von  keiner  den  rücken  sehen. 
Von  s.  68  an  wird  im  anschlusz  an  die  beispiele  von  Friederichs  bewie- 
sen, dasz  die  Philostrate  in  Zahlenangaben,  In  Schilderung  des  kolossalen, 
des  schrecklichen  und  des  wunderbaren  die  grenzen  der  maierei  über- 
schreiten; häufig  sind  sie  durch  nachahmung  von  dichtem  dazu  verleitet, 
ebenso  kommen  (I  4  Teiresias,  II  17  Proteus)  figuren  vor,  die  in  der  be- 
treffenden Zusammenstellung  unverständlich  und  darum  malerisch  unmög- 
lich sind,  in  einzelnen  fällen  freilich  bleibt  die  entscheidung  über  die 
darstellbarkeit  zweifelhaft,  wenn  man  nach  den  zu  gründe  liegenden  bil- 
dem  forscht ,  musz  man  sich  besonders  d  a  vorsehen  (s.  84) ,  wo  die  Phi- 
lostrate ihre  gelehrsamkeit  zeigen,  indem  sie  dichterische  attribute  in  die 


62  E.  Schulze :  anz.  ▼.  F.  Matz  de  Philostralonim  in  descr.  imagioibus  fide. 

bilder  hineintragen,  weMie  entweder  absolut  oder  in  [der  bestimmten 
compositton  unpassend  sind.  1 30  (s.  405, 18)  Iftszt  Philostratos,  obgleich 
sein  Pelops  ein  den  ganzen  körper  verhüllendes  gewand  tragt,  dennoch 
die  elfenbeinerne  schnlter  in  wunderbarem  glänze  durchschimmern  (vgl. 
Find.  Olymp.  1,  41).  Friederichs  hat  nun  nicht  alle  bilder  in  ihrem  Ver- 
hältnis zu  den  werlien  der  dichter  untersucht  Matz  erörtert  diese  frage 
vollständig  und  vermeidet  dabei  geschickt  den  fehler,  in  welchen  Friede* 
richs  verfallen  ist,  der  nur  eine  bestimmte,  typische  auffassung  einer 
scene  gelten  iSszt  und  abweichungen  davon  zu  rasch  als  Unmöglichkeiten 
bezeichnet;  vielmehr  musz  man  als  dargestellt  anerkennen,  was  nicht  an 
und  för  sich  den  regeln  der  bildenden  kunst  widerstreitet  bei  den  nach- 
weisungen  von  nachgeahmten  dichtungen  ist  besonders  ansprechend  was 
der  vf.  s.  119  Ober  die  quelle  von  1  26  sagt  hier  wird  von  Hermes  er- 
zählt, dasz  er  aus  den  windeln  schiflpft,  den  Olymp  hinabsteigt,  die  berde 
des  Apollon  in  eine  felsenspalte  treibt,  dann  wieder  zurückkehrt  und  dem 
Apollon,  als  sich  dieser  fiher  den  diebstahl  beklagt,  auch  noch  den  bogen 
vom  rücken  nimt  diese  erzählung,  welche  mit  dem  Homerischen  hymnos 
nicht  übereinstimmt,  wol  aber  mit  Horatius  carm»  l  10,  schöpfte  Philo* 
Stratos  höchst  wahrscheinlich  aus  AlkSos:  denu  diesen  ahmte  Horatius 
gemäsz  der  angäbe  des  Porphyrio  zu  v.  1  —  hymnus  est  in  Mercurium 
ab  Alcaeo  lyrico  poeia  —  nach. 

Philostratos  der  ältere,  welcher  eine  ausgedehnte  kenntnis  der 
konstwerke  besasz,  hat  an  einigen  stellen  das  gesehene  falsch  erklärt 
(s.  130),  an  anderen  weicht  er  von  dichtem  absichtlich  und  zwar  in  Über- 
einstimmung mit  konstwerken  ab  (s.  131).  dies  schützt  ihn  gegen  Friede- 
richs, welcher  ihm  allzu  hart  den  Vorwurf  gänzlicher  Unkenntnis  und 
geschmacklosigkeit  macht,  dennoch  bleiben  im  einzelnen  die  gröslen 
zweifei  über  seine  genauigkeit ,  nur  aligemeine  grundsälze  der  damaligen 
kunst  wird  er  wol  kaum  verletzt  haben  und  würde  z.  b.  von  lichteffecten 
nicht  sprechen,  wenn  er  sie  nie  in  biidem  beobachtet  hätte,  s.  132  f. 
wird  eine  Zusammenstellung  der  von  den  Philostraten  benutzten  dichter* 
stellen  gegeben ,  aus  welcher  hervorgeht  dasz  der  ältere  besonders  Pio- 
daros  und  Eoripides,  der  jüngere  Sophokles  vor  äugen  gehabt  hat. 

Das  dem  ref.  durchaus  richtig  scheinende  endresultat  des  buches  ist 
eine  modificierung  des  von  Friederichs  über  die  Philostrate  ausgesproche- 
nen verdammnngsurteils.  der  ältere  Philostratos  besonders  ist  nicht  un- 
bekannt mit  der  kunst  seiner  zeit,  reminiscenzen  an  kunstwerke  finden 
sich  allenthalben,  doch  beschreibt  er  nicht  genau,  weil  ihm  das  in  seinem 
auf  das  stilistische  gerichteten  hauptzwecke  störend  sein  würde,  seine 
Vorliebe  für  die  dichter  bestimmt  ihn  sehr  oft  dichterstellen  einzufügen, 
und  diese  sind  durchaus  nicht  überall  leicht  abzusondern,  für  archäolo- 
gische zwecke,  welche  beiden  Philoslraten  ganz  fern  lagen,  sind  daher 
ihre  bilder  von  sehr  geringem  werthe,  und  man  musz  sich  hüten  auf 
ihre  autorität  hin  Scheinbeweise  zu  führen. 

Gotha.  Ernst  Schulze. 


Eduard  MQIler:  zu  Juvenalis  sechster  satire.  63 

13. 

ZU  JUVENALIS  SECHSTER  SATIRE. 


V.  148  (295  Ribbeck)  ist  statt  des  matten  ei  vor  propera  (ext 
actus  et  propera)  offenbar  en  zu  schreiben,  wie  es  zu  raschem  thun 
antreibend  mit  und  ohne  age  auch  sonst  häufig  gebraucht  wird,  in  ganz 
gleicher  weise  namentlich  bei  Vergilius  georg.  111  42  en  age,  segnes 
rumpe  moras. 

V.  489  (339  Ribbeck) 

iamque  exspeeiatur  in  hortis 
aut  apud  Isiacae  poiius  sacraria  lenae 
mochte  statt  des  unpassenden  poiitts  -^  denn  warum  sollte  das  unge- 
duldig erwartete  Stelldichein  gerade  bloss  bei  der  Isiscapelle  stattfinden 
können?  —  wol  potae  zu  schreiben  sein,  ein  für  eine  derartige  spiri- 
tuelle,  mit  der  maske  der  frömmigkeit  ihre  nichtsnntzigkeit  deckende, 
jener  schon  durch  ihren  namen  ihre  lieblingsneigung  kundgebenden 
zauberkundigen  Dipsas  bei  Ovid  {amor,  I  8,  2)  nicht  unähnliche  kupplerin 
gewis  ganz  wol  geeignetes  epitheton. 

V.  655  und  656  (609  und  610  Ribbeck) 

occurrent  muliae  tibi  Belides  atque  Eriphylae 
mane  Clyiaemestram  nulhis  non  vicus  habebit 
lüszt  sich  mit  dem  an  der  spitze  des  zweiten  verses  stehenden  mane 
durchaus  nichts  anfangen,  denn  interpungiert  man  mit  Ribbeck  und 
anderen  so,  dasz  man  ein  komma  hinter  mane  setzt  und  demnach  das 
wort  noch  zu  dem  vorigen  zieht,  so  Iftszt  es  sich  bei  den  hier  nach  ihrem 
groszvater  benannten  Danaostöchtem  wol  allenfalls  begreifen,  weshalb 
man  in  Rom  gerade  des  morgens  zu  erwarten  haben  solle  viele  derartige 
franenzimmer  sich  in  den  weg  laufen  zu  sehen ,  da  in  der  nacht,  bekannt- 
lich der  zur  brautnacht  bestimmten,  der  sage  gemflsz  die  verhaszten 
brflutigame  von  ihnen  ermordet  wurden;  warum  man  aber  auch  auf  die 
Eriphylen,  weiber  die  wie  jene  unselige  gattin  des  Amphiaraos  so  tief 
gesunken  sind,  dasz  schon  ihrer  eitelkeit  und  putzsucht  schmeichelnde 
geschenke  sie  den  ehegemal  dem  tode  preiszugeben  verführen  können, 
vornehmlich  früh  morgens  zu  stoszen  gewärtig  sein  müsse,  bleibt  durch- 
aus unerklärbar,  ebenso  wenig  gefällt  aber  das  mane  auf  Klylämnestra 
im  zweiten  verse  bezogen ,  so  dasz  das  komma  hinter  Eriphylae  seinen 
platz  einnimt:  denn  den  von  Rlytämnestra  an  dem  gatten  verübten  mord 
haben  wir  uns  ja  keineswegs  als  eine  nächtliche  oder  am  frühen  morgen 
vollbrachte  that  zu  denken ,  da  die  morgenfrühe  nach  Trojas  eroberung 
Agamemnon  mit  seinen  schiffen  ja  noch  mitten  auf  dem  meere  mit  stür- 
men und  ungewittern  kimpfend  findet  (s.  Aesch.  Agam.  658  IT.),  und  als 
nun  auch  von  einem  herold  vorher  verkündigt  der  völkerfurst  auf  heimat- 
lichem boden,  in  Mykenäs  königshause  angelangt  ist,  doch,  wie  auch 
schon  die  dazwischen  liegenden  Zwiegespräche,  chorgesänge  und  eksta- 
tischen weherufe  der  in  prophetischem  geiste  das  Unheil  vorhersehenden 
Kasandra  genugsam  andeuteu,  nicht  sofort  das  verhängnisvolle  bad  ihn 


64  Eduard  Möller:  zü  Juvenalis  seclister  satire. 

aufoebmen  und  das  beil  der  verruchten  mannesmörderiii  ihr  schlachtopfer 
fallen  kann. 

Aber,  wird  vielleicht  mancher  ungeduldig  mich  hier  unterbrechen, 
mit  jener  Tyndarostochter  selbst  und  der  zeit,  wo  sie  den  verhaszten  ge- 
mal  in  ihr  tdtliches  netz  eingefangen ,  haben  wir  es  hier  ja  überhaupt 
gar  nicht  zu  thun,  mannesmörderinnen  wie  jene  Klytftmnestra  aber  waren 
zu  Born  *8chon  am  frühen  morgen'  in  jedem  Stadtviertel  anzutreffen,  das 
sagt  der  dichter,  und  wenn  man  nun  schon  früh  morgens  überall  scbeusz- 
Hche  verbrechen  der  art  vollbracht  sah ,  wie  viele  muste  man  da  erst  im 
verlaufe  des  ganzen  tages  zu  erwarten  haben !  schön ,  erwidere  ich  auf 
diese  namentlich  von  E.  W.  Weber  in  seiner  ausgäbe  der  satiren  Juvenals 
(Weimar  1825}  s.  258  vertretene  auskunft,  wenn  nur  das  einfache  mane 
dies  auch  wirklich  sagte,  sagen  könnte  und  nicht  wenigstens  ein  primo 
mano^  vel  primo  mane  oder  etwas  dem  ähnliches  dann  dafür  zu  setzen 
gewesen  wAre. 

Tilgen  wir  nun  aber  dieses,  wie  wir  es  auch  drehen  und  wenden 
mögen,  doch  immer  keine  befriedigende  auffassung  zulassende  mane^  wie 
ist  dann  die  dadurch  entstandene  lücke  aussiililllen?  da^  ist  die  frage,  der 
wir  jetzt  genfige  zu  leisten  haben,  'eine  Kiytimnestra  wird  jedes  Stadt- 
viertel Roms  in  sich  schlieszen/  nun ,  über  die  vielen  Danaostdchter  und 
Eriphylen  daselbst  brauchen  wir  uns,  einmal  mit  der  damaligen  Sitten- 
verderbnis in  Rom  bekannt,  nicht  eben  zu  wundem :  denn  weder  bei  der 
einen  noch  bei  den  andern  denken  wir  gerade  an  besonders  ausgezeich- 
nete persönlichkeiten,  mSclitige,  imponierende  gestallen ,  was  bei  den  50 
oder  49,  nach  anderen  nur  47,  ihre  in  tiefen  schlaf  begrabenen  freier 
mordenden, Oanaiden  ja  sdion  die  grosze  schar,  die  hier  zerstreuend  die 
einbiidungskraft  beschäftigt,  verhindert,  aber  auch  eine  Klytironestra 
soll  in  jedem  Stadtviertel  zu  finden  sein,  eine  Römerin  jener  Tyndaros- 
tochter  gleichend,  die  Horatius  dreist  als  die  thatenkühnste  unter  allen 
sprösziingen  des  Tyndaros  {fortiBSima  Tyndaridarum,  sai.  I  1,  100)  zu 
bezeichnen  nicht  ansteht  und  an  deren  namen  von  vorn  herein  unmittel- 
bar und  notwendig ,  wie  kaum  bei  einer  andern  heroine  der  griechischen 
sage ,  die  Vorstellung  eines  audi  in  seiner  Suszem  erscheinung  schon  als 
zum  herschen  und  zu  gewaltiger  that  geboren  sich  kennzeichnenden 
mannweibes  sich  anknöpft? 

Ja,  eine  Klytämnestra  immerhin,  doch  eine  Klytämnestra  en  mlnia- 
ture,  wie  denn  eine  Klytämnestra  das  schwache  und  winzige  geschlecht, 
das  damals  die  erde  erzeugte,  dessen  weiber,  um  gross  zu  erscheinen, 
erst  durch  turmartige  haaraufsStze  sieh  ein  ansehen  zu  geben  bemüht 
sein  musten  (s.  Juvenalis  15,  70.  6,  502  [351]  ff.}  9  überhaupt  kaum  zu 
Hefern  im  stände  war,  eine  iwergklytflmnestra,  eine  Nanoclytaemettra 
also,  wo  dann  in  dem  nano^  das  bei  dem  so  oft  gräcisierenden  Ju^eaal 
auch  in  dieser  Zusammensetzung  auf  keine  weise  bef^mdea  kann ,  ein 
auch  für  den  vers  ausreichender  ersetz  für  jenes  durchaus  unfaszbare 
mane  geboten  wäre,  eine  Nanoclytaemesira ^  die  als  solche  natürlich 
auch,  wie  die  folgenden  verse  aussagen,  gerade  nicht  so  leicht,  um  des 
lästigen  gatten  sich  zu  entledigen,  wie  ihr  vorbild  aus  der  heroenweit,  das 


R.  Peiper :  Ghaucer  und  seine  Vorbilder  im  altertom.  65 

bei!  ergreifen,  sondern  lieber  zu  dem  stUlwirkenden  mittel  der  vergiftong 
des  verhaszten  ihre  Zuflucht  nehmen,  notgedrungen  indes,  wenn  gegen 
g^ifte  der  böse  mann  sich  sicher  zu  stellen  gelernt,  doch  auch  das  eisen 
rechtzeitig  zu  ihrem  zwecke  zu  handhaben  verstehen  wird. 

Also  Nanoclytaemestram  ntdlus  non  vicus  habebii  würde  jetzt 
nach  der  von  mir  vorgeschlagenen  Verbesserung  der  vers  lauten ,  der  in 
seiner  fiberlieferten  gestalt  uns  so  wenig  gefallen  wollte. 

LiBOMITZ.  EOUABD   MüLLEB. 


14. 

CHAÜCEB  UND  SEINE  VORBILDER  IM  ALTERTUM. 


W.  Hertzberg  erwähnt  in  der  vorrede  za  seiner  Übersetzung  von 
Geoffrey  Chauoer's  'Canterbary  tales'  (HUdharghaasen  1866)  auch 
die  cdassischen  Schriftsteller  die  von  Chancer  benutzt  oder  doch  dtiert 
werden,  nicht  erwähnt  ist  der  tragiker  Seneca.  mit  der  Schilderung 
des  lur  Areitas  errichteten  Scheiterhaufens  v.  2921  ff.  (s.  149)  vgl.  Her- 
cules U  1622  ff.  besonders  1634;  hier  liegen  seinen  ausfnhrungen  frei- 
lich auch  noch  andere  quellen  zu  erunde.    aber  v,  1626  ff«  (s.  113) 

o  du  Cupido,  aller  huld  entkleidet, 

o  königtum,  das  nicht  genossen  leidet! 

wahr  ist  das  wort;  herschaft  und  freiersehaft 

vertragen  nimmermehr  genossenschaft 
entstammt  dem  verse  des  Agamemnon  260 

Ttec  regna  sodum  ferrt  nee  taedae  scitmt. 
ebenso  treu  ist  in  den  versen  1165  ff.: 

kennst  du  denn  nicht  die  worte  jenes  alten: 

'wer  kann  verliebte  durch  gesetze  halten? 

ein  stärkeres  gesets  bei  meinem  leben 

ist  lieb',  als  je  von  menschen  ward  gegeben' 
Boetius  de  com,  pkU.  IH  12,  47  f.  wiedergegeben: 

quis  legem  det  amantibus? 

maior  lex  amor  est  tun. 
Unter  den  apokryphen  quellen  wird  (s.  42  anm.  67)  auch  ein  Lol- 
lius  genannt,  von  den  bei  den  scriptores  bist.  Aug.  vorkommenden 
männem  dieses  namens  wird  wol  keiner  gemeint  sein,  es  scheint  mir 
die  Vermutung  nahe  zu  liegen,  dasz  Lollins  durch  einen  irtum,  sei  es 
der  abschreiber  des  Chaucerschen  gediohtes,  sei  es  seiner  quelle,  aus 
C.  Sollius  ApoUinaris  Sidonius  entstanden  ist  —  oder  sollte  Cfaauoer 
absichtlich  den  namen  gefölscht  haben?  Sidonius  erzählt  allerdings 
y  91  von  TroUus  nur  soviel:  nee  turbine  tanto  stridiäa  Pelidae  per  TVot- 
lon  exiU  omus. 

In  der  anmerkung  zu  v.  2064  'dann  sah  ich  Danen  dort  zum  bäum 
verkehrt;  ich  meine  nicht  die  göttin  jetzt  Diana'  sagt  der  Übersetzer: 
'nur  aus  der  italischen  quelle  kennt  der  dichter  den  namen;  an  ande- 
ren stellen,  wo  er  aus  lateinischen  schriftsteilem  schöpft,  schreibt  er 
richtig  Daphne.'  wenn  nicht  andere  spuren  auf  eine  italiänische  quelle 
hinweisen^so  sohlieszt  der  Übersetzer  aus  der  form  Z>aite  zu  viel;  denn 
das  ist  in  itali&nischen  hss.  des  späteren  mittelalters  wol  die  gewöhn« 
liehe  form,  aus  welcher  dann  die  Verwechselung  mit  Danae  hervor- 
gieng,  wie  sie  sich  z.  b.  in  den  hss.  der  Octavia  v.  786  zeigt. 

Breslau.  Rudolf  Feifeb. 


Jahrbacher  ftir  class.  phUol.  1868  ha  1. 


66      Ludan  Müller:  mittelalterliche  kalaloge  zweier  klosterbibliotheken. 

16. 

MITTELALTERLICHE  KATALOGE   ZWEIER  KLOSTER- 
BIBLIOTHEKEN. 


In  der  siebzigsten  foliohandschrift  der  Vossiana  finden  sich  auf  blatt 
82.  83  zwei  von  verschiedenen  Schreibern ,  aber  etwa  um  dieselbe  zeit^ 
ums  jähr  1200,  angefertigte  Icataloge  von  klosterbibliotheken ,  die  leider 
durch  schlechte  schrift,  ebensolche  dinte  und  pergament,  besonders  aber 
durch  ein  paar  riesenflecke  sehr  unleserlich  geworden  sind,  ich  gebe 
hier  was  ich  entziffern  konnte,  so  weit  es  nemlich  den  philologen  irgend- 
wie interessieren  dürfte,  denn  zum  groszen  teil  waren  die  bezüglichen 
Codices  specifisch  christlichen  Inhalts,  weshalb  ich  aus  dieser  gattung 
nur  die  vita  Gregorii papae  wrbis  Romae  in  nr.  II  hervorhebe,  um  bei 
dieser  gelegenheit  zu  bemerken,  dasz  ich  weder  hier  noch  sonst  irgendwo 

in  hss.  die  nola  fiS  für  den  erwähnten  pabstnamen  gefunden  habe,  nicht 
einmal  in  seiner  grabschrift  (N.  L.  V.  Q.  69  und  F.  82] ,  wol  andere  ab- 
kürzungen,  aber  nicht  diese,  das  möge  sich  der  anonymus,  der  im  rhein. 
museum  XXI  s.  300  so  höchlich  über  jenes  nichtantrefien  erstaunt  ist 
und  dessen  sehr  geistreiche  Vermutung,  als  ob  ich  nie  von  pSbsten  mit 
dem  namen  Gregor  gehört  hätte,  höchstens  Mudaeus  Apella'  glauben 
wird ,  hinter  die  obren  schreiben. 

Ohne  gerade  viel  besonderes  zu  bieten ,  sind  die  in  rede  stehenden 
kataloge  wahre  muster  rechtschaffener  klosterbibliotheken  im  dreizehnten 
Jh.,  und  darum  möge  ihnen  der  geringe  räum,  den  ihr  abdruck  erfordert, 
gegönnt  werden. 

Der  übrigens  von  jüngerer  band  aufgefrischte  titel  bei  nr.  I  lautet 
folgendermaszen :  hi  sunt  lihri  Sancti  Pein  Eesbacensis  monasterü, 
über  dies  '  monasterium  Resbacense '  bietet  Hoffmans  leiicon  universale 
(Lugd.Bat.  1698)  unter  Resbacis  folgendes:  *Resbacis  torrens  vel  rivulus 
Galliae  in  saltu  Briegio,  ex  aquis,  pluviis  in  unum  confluentibus  oritur  et 
aestate  aret.  ad  hunc  Audoönus,  qui  et  Dado,  Autharil  Franci  viri  nobi- 
lissimi  ac  ditissimi  filius,  Dagoberti  regis  referendarius ,  ex  B.  Golumbani 
regula  monasterium  exstruxit;  quod  ipse  Hierusalem,  ceteri  a  fluvio  coe- 
nobium  Resbacense  cognominarunt ,  cui  Agisum,  unum  ex  Golumbaui  dis- 
cipulis,  abbatem  praefedt;  vulgo  Rehes  vel  Rebais  hodieque  nobilissimum ; 
vid.  Hadr.  Valesii  notitia  Galliae.' 

Duo  iexia  Scotica.  *)  —  duo  libri  Prosperi^  prosaicus  et  metricus. 
—  unus  sancti  ffisidori  de  omnibus  creaturis,  —  unus  Smaracdus  de 
VII  plagU.  —  duo  Seduliu  unus  Boeiius  de  triniiate^  alter  de  conso- 

unus 
latione  philosophiae,  —  unus  diadema.  —  duo  glosarii  per  a  b  c. 

unus  salius  (soll  wol  heiszen  aUusJ)^  verändert  in  duo  salii.  duo  nota" 

rn.  —  unus  prognosttcus,  —  unus  Jdhelmi  de  virginitate.  —  unus 

*)  wo  die  aafgezfthlten  Codices  nicht  unmittelbar  folgen,  habe  ich 
dies  durch  einen  gedankens trieb  ausgedrückt. 


Luciao  Mdller:  mittelalteriiche  kalaloge  zweier  klosterbibliothekeo.      67 

epiihomaium   {um  nicht  ganz  deutlich)  luslini  super  Trogum  Pom- 

ire* 
peium,  —  duo  Prisciani  de  maiori  arte.  —  duq  libri  Donatü   expo* 

siiio  Remigii  super  Donatum  minorem  (migü  ^  nur  teilweise  zu  erken- 
nen),  unus  VirgilH.    Caionis unus  Porphirii.   unus  Prudeniiu 

unus  TerenHu  unus  Aristotelis,  —  unus  Persius.  unus  cafegoriarum. 
unus  reihoricae,  unus  M.  T.  CiceroniSy  Caionis  de  senectuie  vel  de 
amicUia,  unus  Prosper  de  epigramatibus.  unus  Tsidori  iunioris  Ispa- 
lensis  de  discipUna  et  arte  grammatica.  unus  glosarius,  —  fabula- 
rum  unus. 

Der  name  des  klosters,  dessen  bibliothek  der  zweite  katalog  um- 
faszt,  ist  durch  auskratzen  sehr  beschädigt,  doch  wQrde  man  diesmal  dem 
Vossius  wol  unrecht  thun ,  wenn  man  ihm  jene  Vertuschung  des  wahren 
eigentümers  zuschriebe,  sonst  freilich  sind  ähnliche  erscheinungen  in 
der  samlnng  jenes  herrn  meist  auf  ihn,  und  nur  auf  ihn ,  zurückzufahren, 
da  in  bezug  auf  manuscripte  sein  gewissen  eben  so  weit  war  als  seine 
finger  lang,  in  unserm  fall  aber  scheint  allerdings  die  entfremdung  schon 
früher  stattgefunden  zu  haben:  denn  auf  der  pagina  a versa  steht  von 
ganz  junger  band :  iste  liber  est  monasterU  Fossaiensis ,  wobei  aber  sis 
nur  dardi  einen  schnörkel  ausgedrückt  ist.  auch  dürfte  dies  Uall  ganz 
zufällig  zu  dem  vorhergehenden,  und  überhaupt  zu  dem  aus  verschiede- 
nen bestandteilen  zusammengefügten  codex  sich  gesellt  haben,  denn  es 
ist  nur  angeleimt  an  seinen  Vorgänger,  stimmt  auch  zu  diesem  und  zu 
den  frühem  stücken  nicht  ganz  im  format,  zumal  unten  ein  teil  abge- 
rissen ist.  von  der  Überschrift  erkannte  ich  nur  sehr  wenig  und  lasse 
dieselbe,  besonders  da,  wie  schon  angegeben,  das  blatt  mit  dem  vorher- 
gehenden nicht  weiter  zusammenhängt,  bei  seite. 

Uebrigens  notiere  ich:  liber  Szmaragdi  qui  dicitur  diadema  mona- 
chorum.  —  gesta  (nur  a  lesbar)  Francorum  (auch  im  vorigen  katalog 
auf  der  zweiten  linie  vom  ende,  fast  verwischt  durch  nässe,  findet  sich 
latus  gesta  Francorum ,  ebenso  werden  in  unserm  nachher  noch  einmal 
erwähnt  quaiem  . . . . ,  d.  i.  quaiemianes^  de  gesta  Francorum).  liber 
de  enigmatibus  ex  libris  veteris  testamenti  ac  notn  {veteris  ist  nicht  zu 
lesen).  —  Isidorus  ethimologiarum,  —  liber  Tsidori  qui  dicitur  sino- 
nima.  —  de  formulis  spirüitalibus  ei  de  glosis.  — -  duo  Prisciani  maio- 
res.  duo  libri  Boetii  de  musica  ei  aritmeiica.  Sedulius  et  Arator  et 
Prosper  simul.  Donatus  minor  et  Cato  simul.  item  Donatus  minor  in 
duobus  locis.  Boedus  de  trinitate  et  de  consolatione  simul.  item  Boe- 
tius  de  consolatione.  Sedulius  cum  isagogis  Porphirii.  Donatus  maior* 
Expositio  Remigii  super  Donatum.  Sedulius  cum  luvenco.  luvenalis. 
—  Terendus.   item  Arator  absque  ....  [prindpiot)  et  fine.   Publius 

Ovidius  Naso.  Priscianellus.  Sinonima  Ciceronis  et  Fulgencius  epis^ 
copus  simul  ad  Calcidium.  item  Priscianus  minor  cum  duodecim  ver" 
sibus  VirgUU  et  Beda  et  Caione.  —  item  libellus  ex  libris  Valerii 
Maximi.  Virgilius  valde  bonus.  Prudencius  de  himnis  et  passionibus 
sanciorum.   expositio  Terencii  in  magno  rotulo.  —  liber  collationum 


68      Lucian  Müller:  millelalterliche  kalaloge  zweier  klosterbibliolheken. 

Odonis  abbatis  et  de  confliciu  vitiorum.  —  Über  Sedtdii.  declinationes 
verborum.  historia  iriperiita*  flores  psalmorum  atque  Orosium.  — 
liber  maihesis  luiii  FirmicL  —  Über  de  viris  Ülustribus.  —  aniiphona' 
rius  Guidonis  perobiimus  musicae  notaius, 

I.  Bemerkenswerlh  sind  die  duo  iexla  Scoiica-y  deren  existenz  man 
freilich  nach  jener  oben  gegebenen  notiz  Ober  das  monasterium  Besba- 
cense  leicht  begreift,  auch  die  Leidener  bibliothek  besitzt  einen  sehr 
alten,  angelsächsisch  geschriebenen  Über  peregrinus  qui  in  catalogo 
Vossiano  dicitur  ffibernicus  (M.  L.  V.  Q.  7),  der  bisher,  soviel  mir  be- 
kannt ,  noch  nicht  die  aufmerksamkeit  der  betreffenden  gelehrten  auf  sich 
gezogen  hat.  unus  diadema  =  liber  Szmaragdi  qtd  dicitur  diadema 
monachorum  in  nr.  H.  unus  glosarii  per  abc,  die  Schreibart  glosa  usw. 
ist  viel  häuBger  in  mittelalterlichen  hss.  als  glossa,  so  bat  in  Marbods  vor- 
rede des  gedichtes  de  omamentis  verborum  v.  15  der  codex  Vulcanii  48 
nomina  cum  glosiSj  guibus  haec  dinoscere  possis,  wo  doch  schon  der 
reim  auf  glossis  hinweist,  unus  prognosticus ,  doch  wol  der  des  Germa- 
nicus.  sein  besitz  wSre  wünschenswerth.  expositio  RemigH^  des  be- 
kannten scholasticus  von  Auxerre  ums  jähr  900,  der  auch  einen  commen- 
tar  zu  Martianus  Capeila  geschrieben  hat.  unus  Porphirii  kann  aller- 
dings auf  die  im  zweiten  katalog  genannten  isagogae  Porphirii  gehen, 
doch  erscheint  es  ebenso  möglich,  dasz  der  panegyricus  des  Optatianus 
gemeint  ist ,  der  im  mittelalter  grosze  populariiat  genossen  hat  und  ganz 
oder  in  bruchstQcken  öfters  in  hss.  gefunden  wird,  fabularum  unuSj 
schwerlich  Phaedrus ,  sondern  eher  Avianus  oder  Romulus. 

II.  gesta  Francorum^  bekanntlich  sehr  hl&ufig  in  mittelalterlichen 
hss.  Über  de  enigmalibus  etc.  bei  dieser  gelegenheit  bemerke  ich,  dasz 
der  Baseler  codex  der  Araiea  des  Claudius  Caesar,  wie  er  dort  genannt 
wird ,  auf  seinem  rficken  von  aller ,  ja  vielleicht  gleichfalls  dem  neunten 
jh.  angehöriger  band  den  tilel  hat:  enigmata  Avieni  et  Arati  Phaeno- 
mena.  vgl.  auch  Eyssenhardts  praef.  zu  Martianus  Gapella  s.  LXII.  die 
enigmfxta  Avieni^  von  denen  sonst  nichts  bekannt  ist,  erscheinen  um  so 
merkwürdiger,  als  vor  den  Aratea  entschieden  einige  fascikel  ausgerissen 
sind,  de  formulis  spiritualibus^  von  Eucherius,  bischof  zu  Lyon  im  sechs- 
ten jh.  Priscianeilus ^  d.  i.  Priscianus  minor,  nemlich  buch  XVII  und 
XVIIl.  was  das  iVüber  Priscianellus  bedeuten  soll,  ist  mir  nicht  klar: 
vielleicht  non^  um  den  besitz  des  buches  zu  leugnen,  da  allerdings  gleich 
nachher  der  Priscianus  minor  erwi&hnt  wird?  Sinonima  Ciceronis^  die 
zuletzt  von  Mahne  herausgegebene,  oft  in  hss.  wiederkehrende  samlung. 
Fulgencius  episcopus,  eine  mehrfach  vorgekommene  Verwechselung  die- 
ses Schwindlers  mit  seinem  africanischen  namensvetter.  cum  duodecim 
versibus  Virgilii  d.  h.  mit  Priscians  tractat  über  diese,  et  Beda^  nemlich 
seinen  grammatischen  schrIften.  tVt  magno  rolulo ,  vgl.  Du  Gange  unter 
rotulus.  ob  der  liber  Sedulii  am  ende  und  der  cum  isagogis  Porphirii 
den  dicliter  oder  den  scotischcn  grammatiker  in  sich  schlosz ,  läszt  sich 
nicht  entscheiden,  auch  de  viris  iUusiribus  gestattet  mehrfache  deutun- 
gen,  vermutlich  ist  jedoch  das  bekannte  buch  des  Ilieronymus  gemeint. 

Bonn.  Luoiak  Müller. 


F.  Lüdecke :  zu  Scaligers  briefen.  69 

16. 

ZU  SCALIGERS  BRIEFEN. 


Von  dem  briefwechsel  zwischen  Joseph  Justus  Scaliger  und  Gott- 
fried Jungermann,  dem  gelehrten  corrector  einer  Hanauer  druckerei, 
waren  bisher  nur  brachstGcke  aus  zwei  briefen  bekannt,  längere  cilate, 
▼on  denen  das  eine  in  Jungennanns  vorrede  zu  seiner  ausgäbe  des  Caesar» 
das  andere  in  einem  seiner  briefe  an  Sdpio  Gentilis  (Tgl.  Gudii  epist  s.d62, 
Crenii  animadv.  philo].  V  s.  14,  Bernays  Scaliger  s.  307)  sich  findet,  voll- 
ständige briefe,  und  zwar  drei,  besitzt  die  stadtbibliolhek  zu  Bremen  (vgl. 
Terzeichnis  der  manuscripte  s.  5  nr.  d):  es  sind  originale,  und  noch  sind 
die  Siegel,  welche  Scaligers  wappen  zeigen,  daran  erbalten,  im  schilde 
desselben  erblickt  mad  ein  zwiefaches  emblem:  über  einer  nach  oben  sich 
verjüngenden  leiter .  schwebt  ein  doppelkdpfiger  adler  mit  ausgebreiteten 
ÜQgeln;  auf  dem  schilde  ruht  ein  gekrönter  heim,  von  welchem  arabesken 
ausgehen,  nach  oben  und  unten  sich  verzweigend  und  den  flbrigen  räum 
des  ovalen  siegeis  in  geschmackvoller  weise  ausföllend ;  schliesziich  ist 
als  helmzier  ein  crocodil  angebracht ,  jedoch  auf  allen  drei  siegeln  so  un- 
deutlich ausgeprägt,  dasz  es  ohne  die  abbildung  des  Scaligerschen  Wap- 
pens auf  der  marmornen  gedenktafel ,  welche  die  universiläts-  und  Stadt- 
behörden  von  Leiden  nach  dem  tode  des  princeps  philologorum  öfTentlich 
errichten  lieszen  (vgl.  D.  Heinsii  in  obitum  L  Scaligeri  oraliones  duae, 
Lugd.  Bat.  1609,  s.  33),  nicht  zu  erkennen  ist.  die  drei  in  der  mitte 
durchgebrochenen  scepter,  welche  unter  dem  wappen  der  gedenktafel  zu 
sehen  sind,  fehlen  dem  wappen  des  Siegels;  sie  bedeuten  den  verlust  der 
fürstlichen  herschaft,  welche  Scaligers  vorfahren  in  Verona  besaszen. 
die  bedeutung  des  crocodlls  zu  ermitteln  musz  ich  heraldikem  fiberlassen; 
die  leiter  bezeichnet  den  iohaber  des  wappens  als  den  abkdmling  der 
della  Scala,  der  adler  ist  nach  Scaligers  eigener  angäbe  (epist.  s.  11  f. 
27  f.  ed.  Francof.)  der  des  deutschen  reichs  und  wurde  seinen  vorfahren 
von  Heinrich  VII  und  Ludwig  dem  Baier  und  aufs  neue  seinem  vater  Ju- 
lius Caesar  Scaliger  von  Maximilian  I  verliehen,  auch  die  färben  des  ge- 
schlechls  (vgl.  epist.  s.  12)  waren  die  deutschen:  der  adler  war  schwarz, 
die  leiter  roth,  und  der  grund  des  Schildes  golden,  hat  etwa  die  bezeich- 
nung  Scaligers  als  aquila  in  nubibus^  aicTÖc  iv  V€q>Ar)Ci,  welche  ^durch 
häufigen  gebrauch  fast  zu  einem  stehenden  titel'  desselben  bei  seinen 
Zeitgenossen  geworden  war  (Bernays  a.  o.  s.  19  f.),  in  dem  embleme  des 
adlers  ihren  Ursprung? 

Scaligers  handschrift  ist  auszerordentlich  deutlich,  fest  und  be- 
stimmt, und  doch  kann  man  sie  zierlich  und  schön  nennen,  so  ge- 
fällig ist  der  eindrnck  den  sie  macht,  mancher  möchte  versucht  sein 
die  grosze  geistige  klarheit  des  mannes ,  die  ruhe  und  harmonie  seines 
gemüts  in  den  zögen  seiner  band  wiederzufinden,  doch  nun  die  briefe 
selbst :  die  treue  der  abschriften  braucht  wol  kaum  besonders  versichert 
*2U  werden. 


70  F.  LQdecke:  zu  Scaligers  briefen. 

I 

Inse.  ORMATISBIUO  lUUEin  aOTBOFSEDO  IDMOSRUAMKO  IilPSIikV. 

• 

loseph.  Seal.  Golhofredo  lungermanno  suo  S.  Laudo  omnes  conatus, 
qui  ad  rem  literariam  promouendam  coDferuntur:  et  quum  eiusmodi  sit 
tuus  in  Longo  interpretando ,  noli  dubitare,  an  talis  opera  mihi  probari 
debeat.  Sed  amicus  quidam  noster,  ut  audio  (oam  ilie  nihil  tale  ad  nos 
scripsit)  adornat  editionem  Tillv  dpu)TiKu)v,  praesertim  Achiilis  Tatü, 
quem  integrum  dabit.  Scis  enim  ei  muita  deesse.  Si  Longum  Latine  lo- 
quentem  dabis*],  non  dubito,  quin  a  studiosis  magnam  gratiam  initunis 
sis:  quod  autem  de  illis  praetextatis  uerbis,  uel  lil)6rlale,  qua  aliquando 
ludit,  quaeris,  ego  nihil  pronuncio,  quum  sciam  diuersa  hominum  iudicia 
esse :  quibus  pro  le  uihil  aliud  potes  respondere ,  quam  quae  Graece  uul- 
gus  legit  si  intelligit,  ea  se  Laune  et  alia  lingua  legere,  nullam  esse  in- 
uidiam.  Itaque  in  hoc  non  alienum,  sed  tuum  iudidum  melius  est  te 
sequi.  Certe  auctor  est  amoenissimus,  et  character  eo  melior,  quo  sim- 
plicior,  Kai  dveninibcuTÖTepoc.  Tu  uidebisl  Vale.  Lugduni  Batauorum. 

Kai.  Sextilis  luiiani.   ClÖ  13  CIÜ. 

II 

InSC.    ORNATISSIHO   ET   ERUBITIS8IH0   lUUENI   aOTHOFREDO  lUNGBR- 
HANNO    HEYDELBBROAM. 

losephus  Scaliger  Gothofredo  lungermanno  suo  S.  Duplici  gaudio 
me  alTecerunt  litterae  (uae,  quod  ex  illis  intellexi  et  me  a  le  amari,  et  te 
TiüV  ipuJTiKUiV  editionem  adomare.  et  mea  igitur  et  publica  caussa 
gaudeo :  utque  te  in  amicitia  constantem  Tore  spero ,  ita  in  proposito  edi- 
tionis  perseueraturum  mihi  persuasL  Perge  igitur,  et  harum  suauissima- 
rum  musarum  fruclum  nobis  communica.  Tatianum  et  Longum  iam  olim 
legtmus,  et  quae  ex  illis  utiliias  in  studiosos  manare  possit,  si  meliores 
et  integrlores  edantur,  non  solum  nobis,  qui  illis  aucloribus  operam  non 
perfunctorie  dedimus,  sed  et  cuivi&,  qui  aliquo  iudicio  praeditus  sit,  con- 
stare  polest.  Euslalhium  tan  tum  in  bibliolhecis  latere  olim  audiebamus, 
et  in  paucorum  poiestate  esse  magis  dolere,  quam  eins  editionem  sperare 
poteramus.  Sed  ea  ipsius  exemplaria  ad  te  peruenisse  eo  nomine  gaudeo, 
quod  cum  illo  auctore  melius  agi  non  poterat,  quam  in  eius  manus  inci- 
dere,  qui  et  in  similis  argumenii  auctoribus  iam  plurimum  studii  colio- 
cauit,  et  ab  illis  eum  usum  adeptus  est,  ut  proprium  eius  hoc  opus  esse 
uiderl  possit,  et  aliis  omnem  facultatem  de  eo  heue  merendi  abstulerit. 
Quia  igilur  iam  procedil  opus,  quantum  ex  litteris  tuis  intelligere  pos- 
sum,  auctor  tibi  sum,  si  fierl  polest,  ut  et  Cyri  Prodromi  lambos  una 
caeteris  adiungas.  Neque  est,  quod  perplexitate  characleris  deterreahs. 
In  omni  re  prius  assuescere  opus  est:  ubi  aliquandiu  opus  illud  repetiue- 
ris,  et  scriptionem  tibi  familiärem  efficies,  et  omnes  difBcultates  elacta- 


1)  Longi  Pastoralia,  graece  cum  latina  renilone  et  notis  ed.  lon- 
g ermann,  Han^viae  1605. 


F.  Lfidecke:  zu  Scaligen  briefen.  71 

beris.*)  Noli  uero  dubitare,  quin  irpuiTOVoßeXici)ioc  sit  nomeo  officii. 
In  senectute  imperii  ConsUntioopolilani  molla  eiusmodi  ut  morum,  ita 
ambitionis,  et  officioram  Palatioorum  nala  sunt  portenUf  qaae  ut  quoti- 
-die  cum  uitiis  Aulae  Byzantinae  crescebant,  ita  et  noua  fancUonum,  ho« 
norum,  officiorum  tarn  Ecclesiasticorum ,  quam  Aulicorum  nomioa  sub- 
oriebantur«  ut  mirum  non  sit,  si  quaedam  apud  uetosliores  auctores 
€orum  meutio  aut  uestigium  non  exstel.  Nam  poteat  Oeri,  ut  ille  £usta- 
thius  primus  hoc  ut  o^cio ,  ita  nomine  aflTectus  fuerit.  NoßiXr)Ci^ouc 
tantum  iuniores  et  pueros  Caesarea  uocatos  esse  neque  te  ialere  potest, 
neque  ideo  memini,  ut  te  docerem.  npwTOVOßiXici^ouc  aulem  apud 
Dullum  ueterem  legi,  ne  apud  abortiuos  quidem  morientis  imperii  scrip- 
tores.  Si  legi,  non  memini.  et  certe  si  apud  ullum  auctorem  eitat,  non 
miror  me  iliud  perdidisse:  quia  non  nunc  primum  memoriam  meam,  et 
eins  morbum  accusare  incipio.  Quod  irepl  irpuiTOVOßeXici^ou  dixi, 
idem  iudicium  esto  Kai  Kcpi  irape^ßoXixou.  Nam  eum  crparcmebdpxiiv 
fttisse,  quanuis  cognatio  significationis  biänditur,  tamen  id  haud  temere 
afEnnarim.    irepl  AaKa(vr)C,  aut  potius  AaKiaivric,  qui  proculdubio 

mons  est  Cbii  insulae,  non  magis  succurrit,  qui  meminerit,  quam  constat 

müii,  an  ullus  alius  meminerit.') 

Sed  moror  te.  Vale.  Lugduni  Batauorum.  Nonis  Martü  laliani 
CI3.0CV. 

m 

InSC.   ORNATI88IMO   ET  EBTJDITI8SIM0   lüUENI   GOTHOFBEDO    lUNOEB* 
MANKO   FBANCOFUBTUM. 

losepbus  Scaliger  Gothofredo  lungermanno  S.  PoUucem  tuum  ac- 
cepi,  mi  lungermanne,  de  quo  tibi  ingentes  gratias  ago.  Nondum  compin- 
gendnm  tradidl,  quod  expectem  tnas  Notas,  ut  una  simul  componantur. 
Quominus,  quae  potuissem,  obsemare  non  licuit.  Non  enim  solutos 
libros  legere  possum.  Interea  uideo  ex  Ulis,  quae  a  te  prodierunt,  quan* 
tum  tibi  debeat  res  publica  literaria,  et  quantum  in  posterum  ex  te  ex- 
pectare  debeamus,  qui  tale  speciem  (sie)  eruditionis  et  diligentiae  tuae 
nobis  dederis.  Quae  potui  ex  Notis  Wolfgangi  Seueri  carptim  legere, 
magnam  eins  diligentiae  et  laiioris  inexhausti  admirationem  mihi  excita- 
runt.  Video  enim  eum  omnes  Graecos  scriptores  excussisse,  et  certe  mui- 
tum  ei  debet  Pollux,  et  Pollucis  Studiosi.  Sed  de  istis  postquam  tuas 
notas  aeoepero,  amplius  tecum  dlsseremus.  Locos  corruptos  Hyperidis 
neque  ego,  neque  qui  meliore  ingenio  fuerit,  emendare  possum.   Periisse 


2)  Tgl.  den  brief  Ton  Janffermann  an  Salmasins  kaL  Mali  1807  bei 
Bomian  syll.  epist.  II  s.  489  f. :  '  Valde  vero  gandeo  de  Prodrom!  Bo- 
danthe,  gaudebit  et  heros  noster  Scaliger,  qui  hoc  ursit  iam  ante 
bienniam.  Vidi  enim  ipse  MS.  illnm  Palatinom,  et  contortipiicatis  to- 
cabolis,  Oraecnliqae  mann  difficili  et  ÖucavaxviiiCTip  deterritus  resilU: 
quaravia  Illostrissimas  Scaliger  animnm  adderet,  scribens  diligentiae 
et  assidoitati  omne  tandem  id  fore  facile.'  8)  gemeint  ist  die  stelle 
«US  Achillens  Tatios  s.  69,  6  oder  ans  Enstathios  s.  164,  4  (Hercher). 
▼gl.  Jongermann  za  Follnz  ed.  Lederlinns  et  Hemsterbois  s.  672  note  37. 


72  F.  Lfldecke:  zu  Scaligers  briefen. 

«nim  scts  maiorem  partem  orationum  illarum.  Itaque  coniectarae  nihil 
huc  faciunt,  Disi  ut  lodibrium  mereamur,  si  sine  subsidio  ueterum  codi- 
cum  aliquid  tentemus.  tdcoc,  dvrl  toO  itictöc  iandudum  nos  repo* 
suisse,  testis  erit  codex  noster.  et  Tr€p)  KiOKpdvuJV,  dvii  toO  Kpio- 
Kpdvujv  non  operosa  est  coniectura.  Quanti  faciam  quae  a  te  commen* 
dantur,  expertus  fuissel  adolescens  ilie  ^) ,  si  per  eins  repentinnm  disces- 
sum  non  interruptum  fuisset  officium  noslrum.  Sed  uix  pedem  In  hac 
urbe  posuerat,  quum  de  discessu  cogitauit.  Frustra  hortatus  sum  ma* 
nere.  Doluit  nobis  per  eum  stetisse,  quominus  commendatio  tua  eunt 
euentum  haberet,  quem  et  tua  uirtus  meretur,  et  amor  meus  in  te  opta- 
bat.  Sed  abduxit  eum  binc  nescio  quae  huius  Academiae  bucqnijüita,  quae 
tarnen  apud  exteros,  quam  hie,  notior  est.  Quid  post  Gasaubonum,  et 
Heynsium  in  Theocritum*}  meditari  possint  uestrates,  quod  quidem  all- 
quam  laudem  mereatur,  comminisci  non  possum.  Non  diffido  eruditioni 
uiri'),  sed  dubito,  an  possit  tueri  locum,  quem  suscepit.  Utinam  nobis 
Earpocrationem  meliorem  des.    Nihil  est,  quod  impensius  optare  possim» 

Vale.   Lugduni  Balauorum.  prid.   Id.  lulii  luliani.   CID  .rJ.CVill. 

Auszer  diesen  drei  originaibriefen  besitzt  die  Bremische  bibliothek 
die  copien  von  vier  schon  bekannten  briefen  an  den  Augsburger  Marcus 
Weiser,  vgl.  Verzeichnis  der  manuscripte  s.  5  nr.  11,  Scaligeri  epist.  nr. 
€L — CLIII  s.  341 — 345  ed.  Francof.  diese  copien  sind,  wie  aus  einer 
marginalnote  hervorgeht,  nach  den  originalen  gemacht:  zu  zwei  kleinen 
locken  in  ep.  CLllI  poi ....  (potueris)  und  re  . . , .  (reddamus)  hat  nem- 
lich  der  abschreiber  am  rande  bemerkt :  desunt  haec  in  arigin.  einige 
male  hat  er  sich  arg  versehen:  ep.  GL  s.  341  schreibt  er  uno  distanie 
^xcerpti  videntur  ffir  uno  dictante  excepii  tndeaniur^  ep.  GL!  s.  343 
praecusa  für  preciosa^  ep.  GLIl  s.  344  vel  scrutanii  für  WeUerus  ianiiy 
und  ep.  CLUI  s.  344  f.  hat  er  acht  worte,  idem  bis  poies^  ausgelassen, 
trotzdem  ermöglichen  diese  copien  ein  urteil  ober  die  Veränderungen, 
welche  Daniel  Heinsius ,  der  mutmaszliche  herausgeber  der  Scaligerschen 
briefe  —  Golomesius  opp.  ed.  Fabricius  1709  s.  115  bezeichnet  ihn  ge- 
radezu als  solchen  —  mit  denselben  zum  behuf  ihrer  Veröffentlichung 
vorgenommen  hat.  bisher  wüste  man  nur  im  allgemeinen ,  dasz  manches 
'cilra  urgentem  causam'  von  ihm  geändert  sei,  vgl.  Acta  litteraria  Yitemb. 
1714  s.  22,  Bemays  a.  o.  s.  306;  dies  bestätigt  die  folgende  collation, 
in  welcher  das  was  hinter  der  klammer  steht  die  lesart  der  copien  oder, 
was  dasselbe  besagt,  der  originale  ist. 

Ep.  GL  neque  typographi  moratur  operas]  ei  operas  Typographicas 

non  moratur        parum  abfuit]  iantum  a.        edendi  propositum]  p,  e, 

exemplariorum  formae}  f,  sunt  e.         magnus  Ulis  inter  se  consen- 


4)  nach  andentungen  in  den  epist.  ad  Goldastnm  (Francof.  1688) 
vermutlich  Thomas  Segbetas  aas  Schottland,  ein  bekannter  Jooger- 
manne.  6)  gemeint  ist  die  ansgabe  der  bakoliker  von  Daniel  Hein> 
Sias  nebst  noten  Ton  Casanbonus  und  Scaliger,  1004.  6)  Jo.  Weita, 
prorector  der  schale  zu  Gotha,  vgl., Jungermanns  brief  an  Salmasius 
bei  Burman  syll.  epist.  II  s.  611. 


F.  Lfldecke:  zu  Scaligers  briefen.  73 

aus]  ilHs  inier  se  magnus  c,  deprehendi  steht  hinter  potiea  y  im 
druck  weit  davon  getrennt        profiteantur  steht  hinter  descripserunt 

manifestae  perturbationis  testibas].  /.  m.  p,  et  commiserunt  eam] 
eam  et  c.  quare  iratus  nt  dixi  et  labori  meo  et  vigiliis]  Itaque  ui 
dixi  iratus  hb.  et  mg.  meis  qui  quid  sequendom  quid  fugiendum 
esset]  et  quid  mihi  seq.  esset  quid  fug,        hoc  enim]  nam  sane  hoc 

est  steht  hinter  nostri        et]  etiam 

Ep.  CLI  haud  diu  est  quum  accepi  nicht  am  ende  des  satzes,  son- 
dern gleich  hinter  posteriores  de  lento  Eusebii  negotio  exposlulas] 
exposlülaiur  de  h  n.  E.  satis  feliciter  restitueram]  r.  s.  f,  verum 
plura  in  Excerptis  sunt]  sed  ph  sunt  in  Exe,  efficere  non  potui 
steht  vor  destitutus  auctoris  illius]  i.  a.  Excerptis  Ulis]  t.  E, 
inscitia  librariorum  ac  temeritas  licere  voluit]  licuisse  vol,  insc,  et 
tem.  lib. 

Ep.  CLU  Spes  Georgii  Monachi  facta  nobis  erat]  Spes  erat  mihi  f, 
G.  f».  Illum  mihi  Scriplorem  cum]  Quum  iUum  scriptorem  mihi 
ulUmo  hello  civili  a  furibus]  a  f,  u.  b.  c,  in  Bibliotheca  vestra  Au« 
gustana  scriptorem  eum  extare  animadverti]  animadverti  scriptorem 
extare  in  B,  v.  A.  dabo  steht  gleich  hinter  fideiussores^  nicht  am 
ende  des  satzes  usum]  usuram  inopiae  huic  nostrae  mederi  potes] 
p,  m.  h,  t.  n.        facit  nicht  am  ende  des  satzes,  sondern  hinter  hoc 

Ep.  GLIII  nostri  om,  wahrscheinlich  aus  versehen  ex  arbitrio  tuo 
pendet]  p.  ex  a.  t,  Chronicon  suum]  s>  Ch.  ultimis  meis  litleris 
egertm]  e,  u,  m.  l.  easdem]  e,  preces  aurem  de  eadem  re  vellam] 
a,  V.  de  e.  re  serias  occupaliones  tuas]  /.  s,  o,  de  libro  resti- 
tuendo  redpiet]  rec.  de  /.  r.  ^ 

Sachliche  Veränderungen  hat  also  Daniel  Uetnsius  in  diesen  briefen 
sich  nicht  erlaubt,  und  es  Iftszt  sich  annehmen  dasz  er  sich  deren  Über- 
haupt enthalten  hat.  darauf  deuten  die  kleinen  besternten  Iflcken  hin, 
von  denen  Bernays  s.  274  spricht,  diese  sind  mit  eigennamen  auszufal- 
len und  veranlaszt  durch  den  wünsch  in  der  sache  selbst  nichts  weiter 
andern  zu  müssen,  zahlreich  sind  dagegen  die  Veränderungen  der  form, 
und  man  musz  hinzufügen,  fast  sämtlich  Oberflflssig.  dies  lehrt  schon 
ein  flachtiger  fiberblick  der  coUation,  recht  deutlich  aber  wird  es,  wenn 
mau  die  angegebenen  lesarten  in  den  text  der  briefe  einfügt  und  im  Zu- 
sammenhang mit  ihrer  Umgebung  sich  denkt,     dem  herausgeber  freilich 


7)  man  vergleiche  auch  noch  Scaligers  brief  an  David  Hoeschel, 
ep.  CCCLXXXV  s.  672  mit  dem  abdrack  des  Originals  dieses  briefes 
in  Hoeschels  ausgäbe  des  Photins,  Ang.  Vind.  1^1  (steht  auch  in  B. 
Botfields  praefationes  et  epistolae  editionibus  prineipibns  auctoram  ve- 
temm  propositae,  Cantabrigiae  1861,  s.  665)  und  die  beiden  briefe  an 
Ooldast  s.  789  f.  mit  dem  abdmck  derselben  briefe  in  den  epist.  ad 
Goldastnm  s.  288  f.  diese  vergleichnng  wird  Verschiedenheiten  ergeben, 
welche  denen  der  obigen  collation  darchaos  ähnlich  sind,  beiläufig 
möge  erwähnt  werden,  dasz  die  samlong  der  briefe  an  Ooldast  noch 
einen  dritten  freilich  kleinen  brief  Scaligers  (s.  260)  enthält,  welcher 
Heinsins  nicht  bekannt  geworden  ist:  vgl.  Bemajs  s.  807. 


74  F.  LQdecke:  zu  Scaligers  briefen, 

schienen  die  Veränderungen  notwendig,  in  seinem  der  Scaiigerscben 
samlung  angelifingten  briere  an  Gasaubonus,  worin  er  Scaligers  letzte 
lebenstage  schildert  und  eine  Charakteristik  von  ihm  gibt,  heiszt  es 
s.  774  f. :  ^'n  epislolis  quas  concitatior  aut  tanquam  editurus  scripsit,  ad- 
mirandus  spiendor,  aJrroq)uf|C  beivÖTiic,  vere  ei  propria,  respiendet:  ut 
ex  magnitudine  fortunae  snae  et  Scaligerorum  dignitale  loqui  videatur. 
In  caeteris  quae  ad  amicos  et  ex  tempore  scribebat,  summa  castitas  ser- 
monis  et  simplicitas  elucet.  Nam  et  raro  circumducit,  et  nomi- 
nibus  plerunque  verba  singula  subiungit.  (dies  bestätigt  die 
obige  collation.}  quod  quemadmodum  exiguam,  ut  Rhetores  loquuntur, 
compositionis  curam  arguit,  ita  niliii  minus  quam  anxietatem  testatur. 
et  inlerdum  maxime  est  inimitabile.  Quanquam  de  idiotismis  eins  scio 
quid  inepti  homines  obiecerint.  noluisse  tarnen  edi  omnia,  quae 
ita  scripsit,  caetera  evincunt.'  die  begrQndung  der  Veränderun- 
gen wird  man  jedocli  nicht  gelten  lassen  können.  Heinsius  hatte  berück- 
sichtigen sollen,  dasz  Scaliger  in  seinen  briefen,  welche  die  ganze  leben- 
digkeit  mQndlichen  gesprSchs  bewahren  (Bernays  s.  307),  es  mit  der 
lateinischen  Wortstellung  und  andern  kleinen  formalitflten  nicht  so  genau 
zu  nehmen  brauchte  als  in  seinen  wissenschaftlichen  werken,  aber  auch 
in  seinen  briefen  —  das  war  die  absieht,  welche  Heinsius  bei  der  bear- 
beitung  und  herausgäbe  derselben  leitete  —  sollte  Scaliger  als  die  voll- 
endete grösze  dastehen,  als  welche  er  seinen  Zeitgenossen  galt;  auch 
kleinlichem  tadel  sollte  vorgebeugt  werden. 

Noch  ganz  anders  aber  als  mit  Scaligers  briefen  ist  Heinsius  mit 
seinem  eigenen  schon  erwähnten  briefe  umgesprungen,  schon  die  unge- 
wöhnliche länge  desselben,  das  zurücktreten  der  briefform  und  die  anspie- 
lungen  auf  ereignisse,  welche  jünger  sind  als  das  datum  des  briefes 
(28  märz  1609),  könnten  beweisen  dasz  er  nicht  in  der  ursprünglichen 
form,  sondern  mit  Zusätzen  verölTentlicbt  ist;  in  der  vorrede  aber  ist  es 
geradezu  gesagt:  'sub  finem  caeterarum  de  divini  viri  obitu  epistolam 
adiecimus.  cui  autor  quaedam,  postquam  missa  fuit,  addidit;  ne  quis 
admiretur,  si  quid  Karä  npöXTiipiv  ab  eo  dictum  sit'  welche  zusätze 
nun  Heinsius  bei  der  herausgäbe  gemacht  hat,  zeigt  eine  copie  des  Origi- 
nals, welche,  ebenfalls  der  Bremischen  bibliotbek  gehörig,  mit  den  ol>en 
abgedruckten  briefen  an  Jungermann  unter  gleicher  nummer  sich  findet 
und  ganz  besonders  dadurch  bemerkenswerth  ist,  dasz  sie  mehr  enthält, 
als  Heinsius  selbst  18  jähre  nach  der  abfassung  des  briefes  —  1627  — • 
zu  veröffentlichen  für  gut  fand,  namentlich  tadelnde,  aber  wahre  urteile  Sca- 
ligers Über  Justus  Lipsius.  letzterer  war  schon  1606  gestorben,  und  das 
Verhältnis  zwischen  beiden  war  trotz  dreiszigjähriger  beziehungen  stets  nur 
ein  äuszerliches  geblieben  (vgl.  Bernays  s.  169  f.);  dennoch  mochte  Hein- 
sius die  mitteilung  jener  urteile  bedenklich  scheinen,  sei  es  dasz  er  Scali- 
ger wegen  seines  schönen  epicedium  auf  Lipsius,  woraus  ihm  schon  ein  vor- 
warf gemacht  war,  nicht  nochmals  in  Widerspruch  mit  sich  selbst  setzen 
wollte,  oder  sei  es  dasz  er  selbst  zwei  decennien  nach  Lipsius  tode  Sca- 
ligers äuszerungen  über  ihn  sich  nicht  öffentlich  aneignen  wollte,  auch 
teilt  er  das,  was  er  berichtet,  Gasaubonus  nur  als  einem  gleichgesinnteA 


F.  Lfldecke:  zu  Scaligers  briefen.  7ö 

mit :  'haec  apud  candidum  viram  et  amicissiinum,  quem  eodem  modo  iadi- 
care  certo  scio.' 

Da  Dim  auch  der  Wortlaut  der  copie  vielfach  ein  anderer  ist  als  der 
des  drucks,  so  wird  es  gerechtfertigt  erscheinen,  wenn  ich  sie  im  folgen- 
den vollständig  mitteile,  wo  sie  etwas  ganz  neues  enthält,  soll  dies  durch 
cursive  schrift  angedeutet  werden;  auch  werde  ich  die  stellen  angeben, 
wo  Heinsius  seine  zusStze  eingeschoben  hat.  die  drei  eingeklammerten 
griechischen  stellen  sind  in  der  copie  leer  gelassen  und  nach  dem  ge- 
druckten briefe  von  mir  ausgeffiUt;  auch  habe  ich  ein  paar  unbedeutende 
▼ersehen  des  abschreibers  stillschweigend  verbessert. 

Dan.  Heinsius  Isaaco  Casaubono  S. 
Vir  Glarissime 

Si  ullo  modo  reus  essem  criminis  illius,  cuius  me  superiores  (uae 
accusabant,  hoc  est,  si  non  quater  aut  quinquies  de  morbo  communis 
amicissimi  parentis  nostri  toO  vtiv  ]Lioucap(TOU  diligentissime  ad  te  scrip- 
sissem,  et  illius  commendatione ,  cui  amicitiam  tuam  debeo,  et  ea  ipsa 
amicitia  tua,  cui  merito  omnia  postpono,  essem  indiguns.  Nunc  cum  infe« 
licitate  mea  factum  sit,  non  culpa,  ut  de  negligentia  mea  conqueraris, 
dabo  operam ,  ut  quam  opinionem  de  me  culpa  aliorum  concepisti ,  eam 
▼icissim  diligentiae  meae  remittas.  Et  quandoquidem  t5  Oaufidciov  Kdpo, 
e  divini  Illius  viri  virtutibus  quem  ex  aequo  ambo  coluimus,  nihil  praeter 
solam  recordationem  nobis  est  relictum,  faciam  TrXcov^Knma  meum, 
quod  nunquam  aut  raro  ab  eo  discesserim ,  quamdiu  in  hac  urbe  viii ,  et 
praecipue  sub  mortem ,  magna  parva ,  quaeque  observare  et  audire  ex  eo 
potui,  mecum  tibi  sit  commune.  Qiiamvis  enim  6eri  non  possit,  quin  qui 
amicum  luget,  ad  commemorationem  singulorum  vehementius  commovea- 
tur,  quod  admonitu  ipso  recrudescat  luctus,  tamen  ubi  idem  ille  aliquan- 
tum  remisit,  et  rationi  locum  dedit,  sine  voluptate  aliqua  meminissegeorum 
non  possumus,  quae  dolorem  adhuc  recentem  vehementius  acceodunt. 
Qualia  non  pauca  ego  ex  ore  senis  nostri  excepi :  qui  paullatim  naturae 
cessit,  et  a  morbo  potius  absumptus,  quam  oppressus  est.  Menses  iam 
prupemodum  sex  sunt,  cum  de  editione  Plautina,  urgente  Raphelengio 
nostro  qui  sciret  quantum  apud  eom  solus  prope  ex  omnibus  qui  hie 
essent,  possem,  coepi  agere:  qua  in  re  sive  amici,  sive  precibus  meis  hoc 
dedit,  ut  quod  constantissime  omnibus  negarat,  mea  et  typographi  caussa 
aasciperet.  Itaque  inter  nos  convenerat,  ut  uterque  in  hanc  curam  In- 
cumberemus,  ego  ipsam  editionem,  quae  adhuc  in  manibus  meis  est,  ad- 
omarem,  certissima  quaeque  e  codicibus,  pauca  e  doctorom  emendalioni- 
bus,  sed  quae  firmis  niterentur  rationibus,  aut  postea  a  libris  con6rmata 
essent ,  in  textum  reclperem :  deinde  vero  cum  eo  singula  conferrem :  ille 
vlcissim  Comicum  percurreret,  et  quae  olim  partim  in  eum  notaverat, 
partim  in  memoria,  qua  divina  ut  nosti  utebatur,  habebat,  partim  etiam 
legendo  revocaret,  nobis  traderet.  Sed  eheu,  paullo  post  cum  dies  ali- 
quot, ut  solebat,  continuos  scribendis  ad  amicos  literis  impendisset,  coe- 
pit  de  ävopeSqi  Kai  är\bk(,  et  fastidio  quodam  cibi  vehementer  queri : 
neque  post  illud  tempus,  quod  nunquam  solebat,  nisi  morbi  alicuius  vi 
aut  pertinacia  victus,  musaeum  ingressus  est.  Itaque  mensem  prope  In» 


76  F.  Lfldecke:  zu  Scaligers  briefeo. 

tegrum,  sine  ulla  mutatione,  quae  ({uidein  manifesta  esset,  in  cnbiculo  ad 
focum  sedebat,  et  amJcis  potissimum,  qui  officii  caussa  ad  eum  venirent, 
operam  dabat.  neque  minus  tarnen  de  literis  semper  cogilare,  et  libelium 
aliquem  penes  se  habere,  quo  aut  morbi  taedium  aut  temporis  falleret,  et 
e  studiis  Musaniro ,  quae  feliciore  nemo  unquam  coluit  successu ,  postre- 
mam  hanc  voluptatem  hauriret.  Cum  quotidie  minus  minusque  cibum 
appeteret,  ac  magis  corpore  simul  ac  animo  langueret,  coepit,  quod  res 
erat,  gravius  aliquod  malum  vereri.  Est  huic  a^ri  familiaris  quidam  mor- 
bus, sive  languor,  quem  Scorbutum  vulgo  vocant,  Plinius  Scelelurben, 
aut  Stomacacen  ir  medicis  sui  temporis  dictum  fuisse  notat;  hunc  per 
semet  ipse  et  medScorum  iudicüs  securus  praesensit.  Neque  frustra  fuil 
unquam  prudentissfmi  hominis  cura  aut  metus.  nam  ut  hoc  malum  ex 
priori,  ita  ex  hoc  ipso  lerlium  imminere  frequenter  d icebat,  töv  ubpuiTca 
nimirum,  et  quod  magis  mirum  est,  certam  eins  speciem,  quae  ut 
Omnibus  fere  ,  ita  illi  falalis  fait,  TÖV  TVjiTraviTT^v.  Sunt  in  hac  urbe 
medici  aliquot  clarissimi,  et  ut  Tf)c  iarpiKfic  uXtic  gnari  admodum  ita 
etiam  tt^c  l^7r€lpiac  de  tö  fixpov  £cxtik6t€C,  inter  quos  maxime  fami- 
liariter  Aelio  Everardo  Vorstio,  hodie  magnifico  apud  nos  Reclore,  uteba* 
tur,  viro  praeter  Medicinam  rerum  plurimarum  egregie  perito,  et  cui  e 
baptismo  filiolum  mirae  indblis  puerum  susceperat.  Hie  primum  tanquam 
amicus ,  cum  adhuc  medicos  aversaretur ,  invisere  ad  eum  coepit ,  et  ut 
aliquod  adhiberi  sibi  remedium  pateretur,  partim  precibus,  partim  consttio 
et  rationibus  ab  eo  postulare,  quod  cum  aegre  impetraret,  (rehementer 
enim  omnem  medicorum  opem  ac  praesertim  potiones  respuebat)  coilegam 
suum  virum  praestantissimum  Reinerum  Bontium  prudentissime  adiunxit, 
memor  illius  cuv  T€  bu'  dpxo^^vu):  partim  etiam  ut  si  tanto  viro  aii- 
quid  humanitus  evenisset,  quod  futurum  iam  omnes  videbant,  ne  ab  uno 
quidquam  praetermissum  putaretur  quod  praestari  a  duobus  plenius 
posset.  IIa  simul  constantiam  magni  viri  aggressi  sunt,  qui  vix  ulla  ra- 
lione  adduci  poterat,  ut  mortem  quam  effugere  vix  posse  videbatur  differri 
saltem  pateretur.  llle  enim  qua  erat  in  bis  quoque  peritia ,  oppugnare 
eorum  consilia  quam  sequi  malebat.  neque  scio  an  quidquam  perperam, 
nihil  cerle  sine  ratione  dicebat,  ut  ipsi  illi  quibus  salus  eius  commissa 
esset,  faterentur  nihil  esse  difficilius,  quam  viro  tarn  docto  aliquid  prae- 
scribere.  Vires  enim  herbarum  et  nomina  e  lectione  tujv  pi2[0TÖ|iUiV 
non  modo  ad  unguem  didicerat,  verum  et  optime  de  morbo  suo  iudicabat, 
quem  dicebat  talem  esse,  ut  humanitus  curari  non  posset.  Interea  quan- 
tum  patiebatur  corporis  infirmitas,  quod  longa  äTpoq)(a  penitus  emacia- 
tum  erat,  animum  quasi  in  Stallone  imperatorem  semper  erectum  habebat, 
ac  ne  tum  quidem  nihil  agebat,  existimo  postremos  quibus  ante  mortem 
usus  est  auctores  Polybium  et  Lipsii  libros  de  re  militari  fuisse,  quorum 
in  altero  qui  penes  me  est,  infinita  notaverat,  et  non  multis  antequam 
penitus  lectulo  adfixus  adhaereret  diebus;  PilumRomanum  ex  illius  aucto* 
ris  descriptione  manu  sua  delineaverat,  quod  in  eo  omnes,  qui  Polybium 
illustrare  conati  essent,  errasse  existimaret.  Ceterum  quod  ad  reliqua^ 
magna  ex  parte  eadem  esse  arbitror  cum  üs  quae  e  codice  ampUssimi 
BusanvaUii  a  ie  descripia  sunt:  dicebat  autem  multa  in  iis  esse^  quibus 


F.  Ladecke:  zu  Scaligers  briefen.  77 

iemere' adhibenda  fides  non  esset  ^  quod  aliud  cigenti  sibi  olim  magna 
ex  parte  excidissei,^)  AJterum  vero  plurimis  obeliscis  confoderat^  et 
saepe  cum  ad  eum  venirem^  negabat  scivisse  se  tot  in  eo  opere  ytaQo^ 
Qaiuxta  esse^  aut  tarn  parvum  usum  habuisse  Graecarum  Uterarum 
virum  illum^  quod  cum  stomacho  saepe  repetebat.  Eiusdem  affectionem 
in  siilo  vehementer  fastidire  soiebat^  in  iis  praesertim  guae  senex  scrip' 
sissei^  et  non  nunquam  literas  illius  cum  indignatione  legebai.  Baec 
apud  candidum  virum  et  amicissimumy  quem  eodem  modo  iudicare  cerio 
scio*)  Sed  cum  magis  magisque  indies  malum  glisceret,  et  peq>elua 
dciTia  vires  amplius  consistere  non  sineret,  tamquam  miles  plane  eme- 
ritus,  iubente  ila  ac  volente  natura,  quod  ab  eo  ante  nee  amici  obtinere 
potuerant,  nee  medici,  omni  se  lecttone  abslinere  coactus  fuit,  qua  de  re 
pJeninque  cum  ad  eum  venissem  apud  me  conquerebatur.  Dolebat  enim 
aliquod  sibi  perire  tempus ,  neque  amplius  se  vivere  sed  sibi  ipsi  super- 
esse existimabat,  postquam  vitae  fructum^  hoc  estj  aliquid  discendi 
commoditatem  amisisset,  Toto  autem  morbi  tempore,  cum  de  morte  sua 
nunquam  dubitasset,  ardentissimas  ad  Deum  preces  fundebat,  et  sive  solus 
esset,  sire  cum  amicis,  magno  animi  ardore,  peccata  sua  secom  ipse  con- 
fitebatur,  quae  dicebat  quidem  esse  ävapi0^1lTa,  sed  fiduciam  quam  in 
eo  repositam  baberet,  qui  peccatum  ipse  pro  nobis  ac  maledictio  factus 
esset ,  longe  esse  maiorem :  saepe  dicebat ,  certo  scire  se  mortem  sibi  in- 
stare,  tantum  autem  abesse  ut  timeret  communem  illum  naturae  humanae 
finem  aut  detrectaret,  ut  nihil  aliud  peteret  a  Deo,  nihil  cogilaret,  nihil 
secum  ipse  volveret ,  quam  ut  hoc  carcere  quam  minimo  dolore  et  bre- 
vissimo  tempore  solveretur,  se  iam  ipsa  vitae  aeternae  gaudia  sentire, 
neque  dubitare  quin  visurus  brevi  esset  [töv  ^OVl()TaTOV  cuJTffpa,  TÖv 
Iv  iräci  TrdvTa,  cuius]  desiderio  langueret,  reliqua  sordere  sibi  omnia, 
neque  quicquam  esse,  cuius  caussa  vitae  usuram  vel  ad  horam  sibi  am- 
plius concedi  oplaret.  *^)  Quodam  tempore  cum  ad  eum  misisset  clarissi- 
mus  et  ornatissimus  omni  laudum  ac  virtutum  genere  seuex  Carolus  Glu- 
sius,  qui  iam  diu  per  aetatem  (annum  enim  tertium  supra  octuagesimum 


8)  weshalb  Heinsias  diesen  passus  weggelassen  hat,  ergibt  sieh 
ans  Scaligers  brief  an  Casaabonos  s.  323,  wo  dieselbe  sache  ausführ- 
licher besprochen  ist:  ^De  Notis  Polybii  Bazennallli,  dabito  an  meae 
sint,  qui  nnllas  scripsi.  Tantum  inter  equitandum  de  locis  Polybianis 
ego  et  Lud.  Castanaeus  verba  aliquando  fecimus,  qoae  ipse  in  hospitio 
ad  libri  sui  annotabat  marginem.  Nam  quae  illi  in  dinersoriis  tum 
ezplicabam,  neque  mihi  ezpendere  vacabat  accuratius,  neque  illi  prop- 
ter  negotia,  quibus  distringebatur ,  annotare.  Scio  quicquid  exciderit 
mihi,  tarn  opportunum  reprehensioni  esse  apud  illos,  qui  a  calumnia 
continere  sese  non  possunt,  quam  excusationem  mereri  posse  apud  eos, 
qui  sciuerint  in  Polybio  nos  cucurrisse  potius,  quam  ambulasse.'  usw. 

9)  diesen  zweiten  passus  hat  Heinsius  durch  folgende  sehr  zahme 
Wendung  ersetzt:  ^in  altero  nonnulla,  in  quibus  dissentiret,  aonotaue- 
rat.'  zur  sache  vgL  Scaligers  änszemngen  in  den  Scaligerana  II  s.  v. 
Iiipsius:  'Lipsiue  n^est  Qrec  que  pour  sa  provision.  Ego  scio  quid  iudi- 
candum  sit  de  Lipsio  et  in  quibus  laudandus  est  et  in  quibus  non;  non 
est  semper  laudabilis  sed  quaedam  opera  docent  esse  doctum.  Male 
Bcribit.'         10)  hier  etwa  8  Zeilen  eingeschoben. 


78  F.  Ladecke:  zu  Scaligera  briefen. 

implevit)  partim  etiam  fatale  quod  accessisset,  quod  accedere  emn  non 
posset,  respoQdil,  se  non  modo  ilJI  libenter  ignoscere,  aed  et  singularem 
animi  benevolenCiam  amplecti:  nee  opus  esse,  ut  se  ipsius  causa  defati- 
garet,  brevi  enim  eundem  in  locum  conventuros  esse,  ubi  alter  altenim 
[dp^pwc  Kai  fivococ]  amplecteretur.  se  praecedere,  illum  ^tem  secu- 
turum  esse.  Inter  reliquas  illius  virtutes  non  postremam  fuisse  pruden- 
tiam  exislimo:  quae  cum  aliis  in  rebus  tum  praecipue  in  eo  eluxit,  quod 
fere  annis  singulis  supremam  voluntatem  suam  consignaret,  et  in  testa- 
menti  labulis,  si  quid  forte  in  menlem  veniret,  cuius  rationem  baberi 
post  mortem  vellet,  immutaret,  ne  si  quid  humanilus  ut  saepe  solet  eve- 
niret,  dbidOcTOC  abiret.  Idem  ergo  cum  initio  morbi  in  animo  haberet, 
omnium  librurum  suorum  indicem  ad  me  misit,  petiitque,  ut  ex  eis  elige- 
rem,  quos  vellem;  non  dubilare  enim  vitae  suae  fiuem  instare,  ac  idcirco 
tempus  esse,  ut  de  amicis  cogitaret.  Haec  constanter  xal  äiraOuic.  Quod 
cum  frustra  diu  recusassem,  et  cum  lacrimis  petiissem,  ut  pudoris  mei  ac 
pielatis  rationem  haberet,  tandem  magna  vultus  sui  severitate  et  auctori- 
täte  sua  interposita"),  (erat  enim  [b€iv6c  dvf)p  td  TOiaOra])  invitum 
eo  perpulit,  ul  in  scheda  quosdam  enotarem.  Idem  duo  ex  praecipuis 
amicis  fecerunl:  aliis  quosdam  ipse  delegit,  quos  relinqueret. ")  ceteri 
praeter  Orienialia  quos  Bibliotbecae  apud  nos  publicae  legavit,  divenditi 
et  ex  iis  immane  aes  conQatum  est:  quod  precium  oeconomo  suo  bomini 
Gallo ,  qui  fideliter  admodum  Tip  jiaKapiTi]  insenriit,  cedere  voluit.  Vix 
uUi  erani  in  qnibus  non  aliquid  notasset^  quos  Studiosi  adolescentes 
non  minus  cupide  redemeruni,  quam  si  una  cum  libris  ac  chartis  vir- 
tutem  quoque  viri  ac  eruditionem  redimere  potuissent.  '*)  Sed  ad  mor* 
tem  redeo.  Aliquot  diebus  ante  fatale  et  supremum  Uli  tempus  (vide 
magnum  et  beroicum  animum  et  incredibilem  Trcpi  rd  Icxcna  securita- 
lem)  cum  accederem  eum,  quaesivit  de  versibus  quibusdam  suis,  utrum 
eos  essem  editurus.  respondi  me  facturum  esse.  Ibi  ille  denuo,  invenies» 
inquit,  scazontem  quendam,  priori  Manilii  mei  editioni  praefixum,  qui  non 
erit  praetermittendus:  memini  me  tamen  quodam  in  loco  memoria  lapsum 
esse,  nam  pro  illo,  Rex  Celtiberae  Tarraconis  Alfonsus,  reponendus  erit 
nie,  Castellae  ampenae  rex  velustus  Alfonsus.  Haec  oculis  languentibus, 
et  morbo  fractis  viribus,  morti  ut  tum  quidem  videbatur  plane  vicinus, 
sensibus  tamen  integerrimis ,  dicebat.  quae  ego  domum  cum  rediissem, 
miraculo  percussus  in  volumine  meo  notabam.*^)  Sexto  nisi  fallor  die, 
cum  profectus  Hagam,  Haga  vero  Delphos  fuissem,  et  octavam  drca  ho* 
ram  domum  sero  venissem,  accurrit  ad  nös  subito  coUegae  nostri  viri 
clarissimi  Dominici  Baudil  privignus ,  qui  iam  esse  in  extremis  Scaligerum 
nunciaret,  si  videre  illum  postremum  vellem  festinatione  opus  esse.  Ego 
quanquam  nihil  aliud  praeter  finem  exspectandum  diu  antea  ipse  vidissem, 
et  amicos  saepe  monuissem ,  tamen  vehementer  animo  commotus  aut  ut 
verius  loquar,  plane  impos  mei,  accurri.   Senem  vero  nostrum  (quod  ne 

11)  Quod  cum  —  interposita  stark  verändert  und  um  etwa  11  Zeilen 
erweitert.  12)  znsatz  von  etwa  8  zellen.  13)  ist  weggelassen 

und  durch  eine  bemerkung  über  das  von  Scaliger  hinterlassene  Silber- 
geschirr ersetzt.        14)  hier  ein  znaatz  von  etwa  zwei  aeiten. 


F.  Lüdecke:  zu  Scaligers  briefen.  79 

iam  quidem  sine  lacrimis  commemorare  possam)  öXiTH^^X^ovra,  Kai 
^ovovODX^  iTep\  T&  XoicOm  dvra,  invenio  sine  uilo  sensu  animam  tra- 
hent^m  aegre ,  quae  momentis  süigulis  magis  ac  magis ,  circa  horam  vero 
quartam  matutinam  penitus  defedt,  poaiquam  preces  poslremas  amcC' 
pisset  minister  y  idque  ita  placide,  ut  sine  ulla  vel  minima  mutatione  non 
tarn  exspiraret  quam  vivere  desineret.  **)  Quarto  die  sine  ulla  nt  pnece- 
peral  pompa ,  solis  gentis  suae  insignibus ,  sed  magnifico  tamen  comitatu 
eJatus  est,  tanto  autem  omnium  ordinum  et  aetatum  coocursu,  ut  supra 
quadraginta  hominum  miUia  canfluxisse  putentur.^)  Ego  quanqnam 
excusari  maluissem,  tamen  exigentibus  a  me  Academiae  curaloribus,  sed 
praecipne  officii  ratione  et  pietate,  quae  sola  quoque  excusari  potuisset,  sta- 
tim  a  funere,  oralione  prosecutus  sum  defnnctum,  cuius  concluslo  lacrymae 
fuerunt,  quas  d^q>cmKt{lTCpov  quam  voce  audienlibns  quoque  excussK 
Eam  brevi  cum  epicediis  nostris  excusam  ad  te  mittam.  '^  Sepultus  est  in 
Gailico  templo,  olim  D.  Hariae  diclo,  iuxta  locum  et  subsellia  in  quibus 
miüe  una  conciones  audivimus.  Sepulchro  suo  verba  haec  inscribi  iussit: 

losepbus  Scaliger  lu).  Caes.  a  Bürden  filius 
resurrectionem  hie  expectat. 
Vides  et  modestiam  magni  viri ,  et  diroiTiTOV,  quod  semper  prae  se  tulit, 
etiam  in  morte  pietatis  Studium.  Ceterum  publice  Uli  monumentum  ex 
marmore,  quäle  inusitata  eins  virtus  ac  eruditio  meretur,  a  curaloribus 
Academiae  decretum  est'*):  quam  ego  in  me  curam  ex  eorum  mandaio 
suscepL  Scripta  sua  et  patris  quae  adhuc  imperfecta  erant,  aut  quae  edl 
alta  fortasse  de  caussa  noluit,  in  publica  Bibliotheca  servantur.  quae  vero 
edi  iienim  voluit,  aut  emendatiora  reliquit,  fidei  meae  credidit.  Inter  re- 
liqua  autem  sunt  et  noXuOpöXXriTOi  iÜi  lulii  Scaligeri  in  üb.  de  historia 
animalium  Aristotelis  commentarii  '*) ,  quo  in  opere  non  minus  diligen- 
ter  quam  sollicite  versari  coepit,  sed  quantum  possum  coUigere,  plura  in 
iis  sunt  aut  transposita,  vel  certe  alieno  loco  ab  auclore  posita ,  quam  ut 
Sit  speranda  editio,  quod  non  ignorasse  töv  ^aKap{TT^V  existimo,  qui 
saepe  hoc  mihi  est  confessus,  ut  vehementer  mirer,  cur  sperare  ab  aliis 
voluerit,  quod  tanto  Ipse  temporis  spatio  pro  deploralo  habuerit.**)  Uli- 
nam  adessem  tibi,  multum  opera,  consilio,  eruditione  ac  iudicio  hoc  ipso 
in  opere  nos  iuvares,  in  quo  multa  sunt  baifiövia,  et  plane  coelesti  illius 
viri  natura  digna ,  qui  nusquam  tam  libere  quam  eo  in  scripto  ab  Aristo- 
tele  suo  dissensit. 

Habes  non  modo  quod  optabas,  prolixe^  sed  quod  forte  nolles, 
d^€8öbwc  KQi  cinKCiM^vuiC,  quaeque  ut  in  mentem  veniebant.  restat 
ut  utrique  nostrum  quod  iam  dixi ,  firmiora  partim  quidem  e  virtutis  viri 
memoria,  partim  quod  praecipuum  est  ex  amore  eins,  quo  dum  viveret 
nos  prosecutus  est,  solatia  petamus.  Quamvis  enim  non  ita  fnsaniam ,  ut 
propterea  tecum  ullo  modo  comparandum  me  existimem,  quem  vere 

16)  hier  ebenfalls  zwei  seilen  eingeschoben.  16)  daf&r:  ui  viae 

ineedentilnis  anffustae,  temphtm  ab  effusa  mulHtudine  occupaiwn  esset. 
17)  Eam  —  mittam  steht  weiter  unten  hinter  decretum  est.  18)  hier 

ein  EusatK  von  fünftehalb  selten.  19)  susats  von  9  seilen.         20) 

Zusatz  von  7  Zeilen. 


80  Anz.  V.  F.  Godefroy:  notice  sur  J.  Fr.  Dubner. 

vir  ille  eruditionis  patrem  semper  vocabat,  puto  tarnen  eüam  bac  ratioae 
nos  coniungi:  alterum  lam  maxime  eum  viveret  miratus  est^  alterum  tener- 
rime  dilexit.  Vale  et  amare  me  perge,  o  maximum  huius  seculi  decus,  et 
qui  solus  omnium  iudicio,  sublato  ex  humanis  rebus  illo  lumioe,  Rex  et 
priDceps  rei  literariae  relictus  es.  Logd.  Bat  XXVIIL  MarU  CIDDGIX. 
Vale  Herum  et  sicübi  lapsa  est  manus^  festinationi  ignosce, 
Bremen.  Fbiedrioh  Lüdeoke. 

17. 

Notice  bür  J.  Fr.  Dübner  par  Fr.  Godefrot,  aüteur  du 

LEXIQUE    COMPARlS    DE    LA    LANOUE    DE    CORNBILLB   ET   D'uNE 
HI8TOIRB    DE    LA     LITTl^RATURE    FRANQAISE     OOURONNlSs     PAR 

l'aoad^mie.     Paris,  Ganme  fr&res  et  J.  Duprey,  ^ditenrs. 

1867.     19  8.   gr.  8. 

Ein  nekrolog  des  kürzlieh  verstorbenen  gelehrten ,  der  mit  warmer 
begeistenmg  für  den  dahingeschiedenen  geschrieben  uns  einen  interes- 
santen üben[)Uck  über  dessen  staunenswerthe  wissenschaftliche  th&tig- 
keit  nnd  einen  knappen  abrisz  seines  einförmigen  lebens  gewährt. 

Johann  Friedrich  Dübner  ward  am  21  deoember  1802  in  Hor- 
selgan  bei  Gotha  geboren  und  anf  dem  gymnasiam  in  Gotha  und  der 
aniTersität  Göttingen  gebildet;  von  seinen  dortigen  lehrem  werden 
Mitscherlich ,  Dissen,  K.  O.  Müller,  Heeren  nnd  der  philosoph  Krause 
genannt,  nach  Vollendung  des  universitätsoursus  war  er  erst  privat- 
lehrer  in  Göttingen,  dann  fünf  jähre  lang  lehrer  am  gymnasium  in 
Gotha,  darauf  folgte  er  1838  der  einladung  der  brüder  Didot  nach 
Paris  zu  kommen  und  an  der  neuen  ausgäbe  des  thesaurus  linguae 
graecae  von  Stephanus  mitzuarbeiten,  hier  erhielt  er  später  das  ritter- 
kreuz  der  ehrenlegiön,  trat  1846  zur  katholischen  kirche  über  und  starb 
plötzlich  am  13  october  1867. 

Statt  der  Charakteristiken,  die  der  vf.  den  von  Dübner  herausge- 
gebenen Schriftstellern  widmet,  hätten  deutsche  philologen  ein  genaues 
bibliographisches  Verzeichnis  der  sämtlichen  arbeiten  desselben  wol 
lieber  gesehen;  indessen  vermag  auch  das  gebotene  im  ganzen  den 
leser  zu  fesseln,  der  zweck  des  schriftchens  ist  ohne  zweifei,  dem  als 
menschen  wie  als  gelehrten  gleich  ausgezeichneten  ^adoptivsohne  Frank- 
reichs' im  französischen  publicum  ein  ehrendes  andenken  zu  stiften, 
und  diesem  zwecke  entspricht  es  vollkommen,  hervorgehoben  zu  wer- 
den verdient  die  in  Frankreich  seltene  leidenschaft-  und  neidlose  hoch- 
achtung  mit  der  der  vf.  (s.  14. 17)  von  der  deutschen  philologie  spricht, 
mit  besonderm  Interesse  wird  man  die  freilich  sehr  kurze  Schilderung 
der  arbeitsteilung  und  der  arbeit  am  thesaurus  lesen  (s.  2  f.),  sowie  die 
geschichte  der  bekannten  polemik  Dübners  gegen  die  in  den  französi- 
schen schulen  auf  höhern  be fehl  allein  zugelassene  griechische  gram- 
matik  von  Burnouf  (s.  14  ff.). 

Dem   schriftchen  ist  folgender  ^avis'  vorgeheftet,  dem  wir  durch 
Wiederabdruck  gröszere  verbreitune  zu  geben  wünschen: 
Les  amis  de  M.  Dübneb,  disposeis  k  contribuer  aux  frais  d'un  monu- 
ment  k  Clever  k  la  memoire  du  savant  hell^niste,  dans  le  cimeti^re 
de  Montreuil-sous-Bois  (Seine),  sont  invites  k  envoyer  leur  souscrip- 
tion  k  M.  £.  Gaume,  3,  rue  de  TAbbaye,  k  Paris,  avant  le  15  mars 
1868,  ^poque  k  laquelle  la  sousoription  sera  d^finitivement  close. 
Herrn  B.  G.  Teubners  verlagshandinng  in  Leipzig  hat  sich  bereit  er- 
klärt beitrage  für  diesen  zweck  in  empfang  zu  nehmen  und  nach  Paris 
zu  befördern. 


ERSTE  ABTElLUNa 
FÜR  CLASSISCHE   PHILOLOGIE 

HEBAUSGE6EBEN  VON  AlFBED  FlECKEISEK. 


18. 

DAS     NEUERDINGS    AUFGEFUNDENE    BRUCHSTÜCK 
EINES  GESCfflCHTSBUCHS  VON  ARISTODEMOS. 


Hr.  C  Wescher  hat  in  dem  schönen  und  reichhaltigen  hande  der 
7ToXiOpia]TiKd  (Paris,  imprimerie  imperiale.  1867.  4)  s.  349 — 366  aus 
einer  früher  auf  dem  berge  Athos,  jetzt  id  der  kaiserlichen  bibliothek  zu 
Paris  befindlichen  handschrift  bruchstücke  des  vierten  und  fünften  buches 
(von  jenem  das  ende,  von  diesem  den  anfang)  eines  historischen  werkes 
von  Aristodemos  publiciert  und  dieselben  in  der  revue  arch^l.  1867 
s.  363 — 368  näher  besprochen,  der  Verfasser  kann  nicht  sicher  nachge- 
wiesen werden;  am  ersten  empfiehlt  sich  die  von  hm.  Wescher  ausge- 
sprochene Vermutung,  es  möge  der  grammatiker  Aristodemos  von  I^ysa 
gewesen  sein,  der  die  söhne  des  Pompejus  unterrichtete  (Strabon  XIV 
650:  vgl.Vossius  de  bist  gr.  ed.  Westermann  s.  181  f.  Muller  fr.  bist, 
gr.  ni  307).  diesen  oder  seinen  oheim  gleiches  namens  citiert  Parthe- 
nios  c.  8  ApxCTÖbrwioc  6  Nucacuc  Iv  a'  kTopiÜJV  für  eine  geschichte 
aus  den  Keltenzügen  in  lonien.  dies  ist  offenbar  ein  anderes  werk ;  ich 
wenigstens  zweifle  nicht,  dasz  das  neu  herausgegebene  fragment  einem 
für  Schüler  bestimmten  compendium  angehöre,    es  beginnt  unmittelbar 

vor  der  schlacht  bei  Salamis  mit  den  werten : aiTTicd|i€VOC  T^p 

fiiav  fiji^pav  ^övriv  Jircmpe  xpiicpa  Okivov  töv  iaurov  Traibaturröv 
(vgl.  Herod.  VIII  76  CIkiwoc  . .  TraibaTurfdc  tOöv  0€^ictokX^oc  ird- 
biuv.  Plut.  Them.  12  Ciiawoc . .  TiBv  t^kvujv  aÖTOÖ  TiaibaTUJTÖc)  und 
bricht  ab  bei  den  Ursachen  des  peloponnesischen  kriegs :  TerdpiT)  aiiia 
(p^perai  f\  kqI  dXiiöecTATT].  ol  AaKebaijiövioi  öpwvxec  aö£avon^- 
vouc  ToOc  *A8Tivalouc  xal  voud  Koi  XQfw^CLCi  Ka\  Eu^^dxolc  ..... 

Thatsftchlich  lernen  wir  durch  diesen  fund  kaum  etwas  neues;  jedoch 
ist  es  nicht  ohne  Interesse  auch  hieran  zu  erkennen ,  in  wie  weit  die  auf 
Herodotos  und  Thukydides  beruhende  Überlieferung  durch  jüngere  dar- 
stellungen  getrübt  wurde,  welche  der  hauptsache  nach  wenigstens  mittel- 
bar auf  Ephoros  zurückgehen. 

Der  jüngeren  version  entspricht  es ,  wenn  Ameinias  p.  350,  1  xAöc 
\iiv  eö<pop(ujvoc ,  dbeXcpdc  bk  Kuvexeipou  xal  AlcxüXou  toO  xpa- 

Jahrbacher  für  class.  philol.  1868  hft.  2.  6 


1 


82  A.  Schaefer:  das  neuerdings  aufgefundene  hruchstflck 

TifboiTOioO  genannt  wird  (6.  Hermann  opusc.  II  166);  hier  wird  ausser 
der  eröffhung  der  schlacht  (=  Herod.  VIll  84)  demselben  auch  der  au- 
griff  auf  das  schiff  der  könlgin  Artemisia  zugeschrieben  (Herod.  c.  87  f) 
vrjOc  f|  *ApT€|yiidTic  ibttdicETO  utrö  veöc  'ATTWcnc). 

Die  aus  Plutarchs  RImon  6  (raOra  ^ky  oCv  uttö  ttoXXuiv  krö- 
pT)Tai:  Tgl.  Paus.  lU  17,  6  f.)  beliannte  erzflhlung  von  Pausanias  und  der 
byzantinischen  Jungfrau  lesen  wir  ohne  den  namen  des  mfldchens  (Kleo- 
nike),  aber  dafür  mit  dem  namen  des  vaters  p.  357,  9  fjv  dirixuipiou 
Tivdc  Ourd-nip  Kopuivibou  dvofia,  dq)'  f)v  £7r€^^l6v  ö  TTaucavfac 
dEaiTUJV  TÖv  irar^pa  6  bk  Kopujvibr]c  bcboiKibc  Tf|v  [b^dvfyva  toO 
TTaucavtou  ?Tr€|ii|i€v  aurui  Tf|v  iratba  usw. 

Der  berichl  vom  tode  des  Themistokles  stimmt  genau  überein  mit 
dem  schol.  zu  Aristoph.  rittern  v.  83,  namentlich  p.  360,  17  Ouuiv  bk 
T^  A£UK09piJVi]  *ApT^^wbi  ccpaTTO^^vou  xaüpou  iiirocxibv  cpiäXT]V 
KcA  irXTipuucac  aiVcrroc  ^tticv  kqI  dTcXeüxncev.  vgl.  Paus.  I  26,  4. 
Diod.  XI  58.  Plut.  Them.  31  iQvce  TOic  OeoTc  .  .  übe  ^^v  ö  iroXuc 
XÖTOC,  alfia  raupciov  muiv  u.  a.  m. 

So  wenig  wie  bei  dieser  gelegenheit  Thuk.  1 138,  5,  ist  bei  der 
Schlacht  am  Eurymedon  Thuk.  1  100  eIXov  Tpir|p€ic  OoiviKUiv  xat  bi^- 
96€ipav  Täc  irdcac  ic  biaxociac  massgebend  gewesen,  es  heiszt  viel- 
mehr s.  361 ,  6  ^KQTÖv  T€  vaöc  ^XövT€C  aördvbpouc  gleichwie  bei 
Diodor  XI  60.  bei  Tanagra  kämpften  nach  Thuk.  1  107  auf  lakedSmoni- 
scher  seite  11500  mann  gegen  14000  Athener  und  bundesgenossen, 
ungerechnet  die  thessalische  reiterei;  hier  lesen  wir  s.  362,  4  ol  ^tv 
AaKebatfiövioi  Tjcav  rdv  dpiO/idv  liupioi  rptcxiXiot ,  ol  bk  'AOnvaToi 
}i6p\oi  äaKicxtXtoi*  xal  viKÜuciv  'AOnvaiou  vom  siege  der  Athener 
spricht  auch  Diodor  XI  82  in  seiner  verworrenen  erzählung. 

Vom  frieden  des  Kallias  wird  nach  Kimons  tode  mit  folgenden  Wor- 
ten berichtet  s.  362,  13 :  xal  crpcrniTdv  alpoOvxai  KaXXtav  xdv  itd- 
xXt]civ  XaxxÖTrXouTov ,  ircei  Oiicaupöv  cöpibv  iv  MapaOoivi  <Kai> 
äv6Xö^€voc  aÖTÖv  ^irXoÖTTicev.  oöroc  6  KaXXiac  dcirdcaTO  irpdc 
•ApToE^p&iv  xal  Touc  XoiTTOuc  TT^pcac.  dt^vovTO  bk  a\  CTrovbcd 
im  ToTcbc-  i(p'  &  Ivtöc  Kuaveujv  xal  N^ccou  7^0Ta^oO  xal  Oaoh 
Xiboc  (i^Tic  icrtv  uöXic  17a|Li<puXiac)  xal  XeXibov^uiV  |if|  ^axpoic 
irXotoic  xaxaTrX^uja  TT^pcai,  xal  ^vxdc  xpii&v  f|>i€ptJjv  6boO  f\y  hv 
?mroc  dvucq  (dvoicig  Wescher)  biwxöfievoc  \ii\  xaxiuiciv.  am  näch- 
sten stimmt  hierzu  Diodor  XII  4. 

Dasz  Tolmides  bei  Koroneia  getötet  wurde  weisz  Aristodemos  nicht; 
erst  nach  dieser  schlacht  erzShlt  er  von  der  fahrt  um  den  Peloponnes 
8-  363 ,  10  xal  jLiexd  xaöxa  euOöc  'AGT]vaioi  TrepiTrXcucavxcc  Tf|v 
ncXoTTÖWTicov  ftieiov  clXov,  xal  ToX^ibl^c  x^Xtouc  ^x^v  *AOn- 
va(ouc  itnX^xxouc  bif)X6€  xf)v  TTcXoiröWTicov.  in  dem  zweiten  teile 
dieses  satzes  ist  Aeschines  II  75  s.  38  ausgeschrieben ,  gerade  da  wo  er 
etwas  verkehrtes  sagt,  die  Chronologie  hat  Aristodemos  nicht  minder 
vernachlässigt  bei  der  eroberung  von  Samos  (s.  363,  16  cxpaxT]ToOvxoc 
adxujv  nepixX^ouc  xal  de^tcxoxX^ouc ,  was  doch  wol  CcxpoxA^ouc 
heiszen  soll) ;  diese  setzt  er  nemlich  in  das  vierzehnte  jähr  des  dreissig- 


eines  geschichtsbuchs  von  Aristodemos.  83 

jährigen  friedens  und  lUszt  ausdrücklich  in  demselben  Jahre  den  pelopon- 
nesischen  krieg  beginnen,  die  Ursachen  dieses  kriegs  werden  entspre- 
chend der  aus  Diodor  XU  39  ff.  bekannten  auffassung  des  Epboros  ent- 
wickelt. 

Für  die  geschichte  ist  also  aus  diesem  fragment  wenig  zu  lernen, 
einige  beacbtung  verdienen  die  topographischen  notlzen,  welche  der  Ver- 
fasser einzuschalten  liebt,  wie  es  scheint  aus  einem  commentar  zu  Thu- 
kydides.  Thuk.  1  93,  3  sagt:  tö  irdxoc  ToO  TCixouc  öirep  vOv  in 
bf)Aöv  dcTi  TTcpl  TÖv  TTeipaiä  -^  biio  TÄp  äMoSai  ivavrfai  dXA/jXaic 
TOuc  XiGouc  ^TTT^TOV  (schol.  fj  vTtavtäaai  alli^kttig  ij  avvaj^evyiiivm). 
II  13,  7  ToO  T€  Tap  OaXripiKoO  Tcixouc  crdbioi  fjcav  n^vre  kqI 
TpidKOvra  irpdc  xdv  kukXov  toO  dcrcoc,  Kai  auroG  toO  kükXou  tA 
(puXaccö^£vov  Tpctc  kqI  Tcccapdxovra  *  Im  bi  aäroO  ö  koI  ä9Ü- 
XaKTOV  ?iv  (scbol.  fii^og  di^Aovon.  rowian  0taitoi  dsxaemd'  o  fitg 
oloQ  %v%Xog  CTadiav  ^v  ig^xovra},  TÖ  jueToEu  ToO  T€  ^aKpoO  xal 
Tou  4>aXTipiKoG.  rd  bk  fnaxpa  tcixti  irpöc  töv  TTctpaiä  reccapd- 
KOVTO  aabiwv,  div  lö  ßuiOev  ^TtipciTO*  xal  toö  TTeipaiu^c  Wv 
Mouvuxi?  ^SriKOvra  iiiv  craöiuiv  6  &nac  TcepißoXoc,  tö  b'  £v  9U- 
Xoxfj  fjv  %icu  TOÜTOU.  VUI  90  xr\ki\  Tdp  icxi  tou  TTeipatdjc  f\ 
'Hmuiveia,  xai  Tiap*  auT#|v  euOüc  6  IcttXouc  dcTlv  (Harpokr.  !Ö€- 
Tuovta'  —  wciog  ixakHio  ij  higce  tov  IlBtQaiing  ttXQut  — ].  verglei- 
chen wir  hiermit  Aristodemos  s.  356,  4  dT€ixic6iicav  a\  'AOiivai  TÖV 
Tpöirov  TOUTOV.  6  jLifev  TOÖ  dcreuic  ircpißoXoc  ÖrjxovTa  cTabiuiv 
dT€ixIcOii^  Td  bk  fLtaxpd  Teixn  9€povTa  iid  töv  ITetpaid  Ü  äcaT^pou 
CTabiuJv  jUL-  6  bfe  tou  TTeipaiuic  irepißoXoc  crabiujv  n.  Icnv  bfe  6 
netpaieuc  Xi)if|v  eic  buo  biqpTm^voc*  xexXriTai  bk  axnov  tö  ^iy  ti 
(tö  ^^v  Xatöv?)  fi^poc  Mouvuxia*  f|  beSid  bk  dxpa  toO  rTetpaiujc, 
fi^icTiv  <ö  e!c7TXouc>,  *H€Tia)V€ia  xoXeiTai.  öx^oc  bi  iciw  ly 
TTeipaicT,  dcp*  öv  ((Ii?)  tö  ttJc  *ApTd|iiboc  kpöv  fbpuTai.    tö  bk 

0aXT]piKÖv  tcTxoc  ixTicOr]  CTabiujv  X,  tiXotö  bk  &cxe  buvacOm  buo 
fipfiaTa  dXXifjXoic  cuvavTov.  xal  f|  jitv  tiöv  *AGr]valujv  ttöXic  oö- 
TU)C  dT€ix(c9T].  auf  die  angegebenen  masze,  von  denen  jüngst  im  an- 
schlnsz  an  Thukydides  E.  Gurtius  attische  Studien  I  72  ff.  gehandelt  hat, 
gehe  ich  nicht  naher  ein.  die  herstellung  der  worte  f|  beStd  . .  xaXciTai 
scheint  mir  auszer  zweifei  zu  sein ;  hr.  Wescher  hat  nach  der  handschrift 
drucken  lassen :  Td  bebä  bk  dxpa  toO  ITetpaiuic  1}  Icüy  in  vuv  Aia 
xoXcfTat.  der  Artemistempel  ist  der  munychische:  vgl.  Paus,  i  1,  4  fcTl 
bk  xal  dXXoc  *AÖT]vaioic  6  ixky  im  Mouvuxi<;t  XifLiTiv,  xal  Mouvuxiac 
vaöc  'ApT^jitboc.  Xen.  Hell.  II  4,  11.  Bursian  geogr.  I  269. 

Aebnliche  stellen,  mit  gleicher  Oberflächlichkeit  in  den  zahlangaben, 
finden  sich  s.  362 ,  8  Td  bk  |i€Ta£u  Gnßaiwv  0.  ©nßwv)  xal  TTXa- 
raiujv  CTdbid  ictxy  n,  dagegen  beiszt  es  bei  Thukydides  II  5 :  dir^x^^ 
bk  f|  TTXdTaia  tujv  Grißüjv  crabiouc  lßbo^rjxovTa. 

Vor  der  scblacht  bei  Mykale,  heiszl  es  s.  353,  13,  TiXeOcavTCC 
crabiouc  T^ccapac  toOc  dirö  CaXa^ivoc  ek  MiXiiTov  . .  dcrpaTone- 
bcucavTO  Tiepl  MuxdXiiv  (otrcp  ictxy  öpoc  Tflc  MiXriciac).  ich  denke 
es  wird  drrö  Cd^ou  zu  lesen  sein  nach  Herod.  IX  96.  98.   von  der  meer- 

6* 


84  €K  TSN  APICrO^HMOT. 

eiBfe  sagt  IknkwMea  ?HI  79,  2  btcx^  ^'  öÄrnnr  toutti  f|  Cd^oc  ific 
l^€ipou  irpöcTi^  MunUbiv.  Scrabim  1I¥  636  . .  MuväXn  to  6pOc 
£irfK€tTm  K  tQ  Ginia  sm  iroici  irpoc  owxrpr  &ov  dirracrdbiov 

Glekk  xa  »tof  s.  349,  6  lese«  wir  ftber  dk  scbbdit  bei  Salamis: 
icKCÜbaUv  ht  6  ^:epEr|c  ^cur^ia  nrnKKeudcac  itcZIq  dmßnvai  im 
Tf|v  GiXaiirva  &v  Tpdirov  MiXÖcv  iin  tov  'CXXncirovrov,  Kod  fi^poc 
Ti  Ixwi^  nxev  Kora  t6  lip&diciov.  ^irciM|  b£  döuvcrrov  fjv  tö  iiav 
T€9upui6nvai,  KOdcZoMCvoc  im  tou  TTofivn6oc  6pouc  (^TT^c  hi  fjv 
Tovro)  ^libpa  Tfpr  vcnifiaxiav.  bbI  der  enijilmig  tob  dem  Yersochten 
brfickeolMn  vor  der  icfabcht  ▼crgicidil  skdk,  was  Ktems  too  einer  xu- 
(bmoioag  der  necffCBge  gesagt  baUe  S  26  (Photios  biU.  72  s.  39'  16  Bk.) 
6  K  Z^p€r|c  adrddev  tiLBdiv  ^in  crcivdrarov  inc  'Attikiic  CHp^* 
kXciov  icaXexTOi)  t^iürfve  xSr^  im  CoXa^iva,  ireZq  £tr'  auTf|v 
biaßiivm  ^Novoodficvoc  diese  sage  hatte  schon  Herodot  TeraemiDen 
md  brachte  sie  nach  der  scUacht  an  (YID  97).  tob  den  persischen 
schüren  sagt  Diodor  XI  18  töv  iröpov  MeraitP  CaXofnvoc  kqI  'Hpa- 
xXeiou  KoreTxov.  dass  Xenes  tob  oberhalb  des  Herakleions  der  schlacht 
zBsah  batu  Phanodemos  beseogt,  nach  Plat  Them.  13  . .  die  ^^  ^' 
v6tf}§i6c  qif)av,  xmip  tö  'HpcncXciov,  i^  ßpoxcT  iröpui  bieipTcroi  ttjc 
*Amxi)c  f|  vficoc  dass  Aristodemos  den  thron  des  königs  auf  den  Far- 
nes Tersetzt,  ist  insofern  nicht  zu  tadeln,  als  der  Aegaleos  einen  aiisläufer 
des  Fernes  bildet;  flbrigens  stand  er  nicht  auf  dem  berge,  sondern  am 
fasze ,  nach  Herodot  VIll  90  uirö  tu»  oupci  tui  ävriov  Co^o^tvoc,  tö 
KaX^CTm  ^dXcuic. 

Bonn.  Arnold  Schaefeb. 

[Die  redaction  dieser  Zeitschrift  glaubt  der  mehrzahl  ihrer  leser 
einen  dienst  zu  erweisen,  wenn  sie  das  ganze  brudistück  des  Aristode- 
mos ans  der  editio  princeps  des  hm.  C  Wescher  in  wortgetreuem,  zeile 
iÜT  teile  fibereinstimmendem  abdruck  hier  wiederholt  nur  einige  unbe- 
deutende versehen,  namentlich  in  den  accenten,  sind  stillschweigend  ver- 
bessert und  die  interpunction  vereinfacht,  der  herausgeber  bemerkt: 
'lex tum  ipsnm  dedi  ad  fidem  codicis,  exceptis  paucissimls  iis  quae  intn 
notabuntur/  diese  abweicbnngen  werden  auch  hier  unter  dem  texte  no- 
tiert werden,  mit  ausnähme  gewöhnlicher  abbreviaturen  und  der  ßiHe  wo 
das  Iota  in  dem  codex  nicht  ein  subscriptum  sondern  ein  adscriptum  ist*] 

€K  TQN  APICTOAHMOY. 

[Ä] 

84» alTncdfievoc  rdp  yiiav  fm^pav  mövtiv  ^irefiipe  Kpu<pc 

CUtvov  TÖv  tetrroO  naiboruiTÖv  Tipöc  H^pE^v,  ^TKcAeucd^cvoc  au- 
t4>  imTiecceai  Tofc  "exXTiciv  Kai  vauMaxeiv,  br\KfS)v  töv  }iüiKovjt 
bpacfiöy  dtrö  CaXa/üitvoc.  6  bk  -^p&ic,  vo^icac  töv  öcmictokXW 
ftfiilblJovTa  TaOra  dnecToXK^vai ,  bi^trcmpe  tqc  vaOc  ^tti  CaXa- 
Mivo  Kai  iKUKXiicaTo  toüc  "exX^vac  elc  tö  /n^veiv  auroöc.  ^cnou- 
ba£€V  bt  6  E^pEtic,  reÖTMa  KaTacKCudcac,  ml^  im^r\w\  ^tti  tnv 


CK  TÖN  APICTOAHMOY.  85 

CaXajLiiva  8v  TpÖTiov  bifiXGe  diri  töv  'QXficTrovTov.  xoi  ^^poc  ti 

?XUiV  flKCV  KÜTÄ  TÖ  'HpdKXeiOV.    ^KClbf)  bt  dlbuVaTOV  fjv  TÖ  TOV 

tecpupoiöflvai,  xaOcZö^cvoc  im  toO  TTäpvnOoc  öpouc  {It^c  bk  f\y  lo 
toOto)  dibpa  -rfiv  vaujiaxiav.  .  fipEaro  bi  toO  vau^axeiv  ^A^ei- 
viac  'AOnvaioc,  ulöc  )i^v  €u(popiuivoc,  dbeXqpdc  hk  KuveTeipou  xai  350 
AlcxuXou  ToO  TpoTipöOTToioO.  £viKwv  M€v  oiJv  irdvTec  o\  "exXnvcc, 
dK7rp€7r&T€pov  bk  o\  'AGiivaTou  cuvccrriKuioc  bl  tUc  jidxnc  6  E^p- 
Er\c  ixavdc  fiupidbac  direßißacev  eic  Tf|V  irXiidov  vriciba  irapa* 
KEiM^viiv  T^  CaXa^ivi  ö\o\xalo^i\i\v  YutdXciav,  iKTrXrjTTÖficvöc  s 
Te   Touc  ^'QXtivac  xai  ßouXöfievoc  rd  Tipoccpepd^eva  vaudtia 
Tiiv  ßapßdpuiv  dvaci(i2:€ceau  'Apicreibiic  bk  'AOnvaioc ,  ulöc  Au- 
ci^dxou,  KaXoufievoc  biKaioc,  ^EuicrpaKiCM^voc  4k  tujv  'AOtivuiv 
Ka\  UTidpxuiv  4v  AItwij  t6t€,  cu^jiaxaiv  kw  aOrdc  Totc  "EXXriciv, 

TCOpCT^VCTO  TTpÖC  6e|ilCT0KX^a ,  Kttl  CTpatÖV  OÖTÖV  i5TT|C€V  €lCTdlO 

dji0vac6ai  toüc  dv  t^  VuraXeiqi.    6  bt,  xaCTTcp  cxBpöc  aurqi 
TCTOVüuc ,  6[nx)Q  lbu)K€v.    Xaßuiv  bi.  'ApicTcibiic  iTT^ßn  de  Tf|V  Yu- 
TdXeiav  xai  Trdvxac  töüc  ßapßdpouc  496v€ucev.  xai  ji^tictov  toOto 
{pTOV  iTrebciSoTO  öirfep  twv  'GXXrjvuiv.    biacimÖTcpov  be  i^Twvi- 
cavTO  T^  vaujüLaxuji,  xal  i^picT€uc£v  *AM€ivlac'  raiv  bk  ßapßdpuuv  ^ 
Tinrfl,  'AXixopvaclc  tö  t^voc,  övo^a  bk  'Aprcjiicia,  f^ric  biujxoM^- 
vnc  Tiic  veujc  afrrfic  xivbuvcuouca  diroX^cOai  -rfiv  ?M7rpoc0€V  vaOv 
Iblav  oöcav  dßuGicev.   6  bk  'A^6lVlac ,  böEac  cüji^axov  cTvai  tuiv 
'€XX^vujv,  dircTpdirTi  toO  biuixetv.   6  hk  Eipir\c,  Oeacd^evoc  tö 
Tcvöjbievov ,  elirev  *  ol  }ikv  dvbpcc  ^lox  Tuvaixec  TCTÖvaciv ,  al  bt  20 
tuvatxec  dvbp€C.  i^picteucav  bk  tuiv  XXXifjvuiV  ixirpeTr^crepov  jütexd 
'AOrivaiouc  AlTivfJrai'  otrivcc  xaid  tö  crevöv  toO  TropOfioO  xorard- 
HavTCC  dauTovic  noXXdc  iwv  ßapßdpujv  vfiotc  (pcuroucac  elc  tö  351 
CTevöv  irapabcxöjievoi  dßuOiZov.  firniO^vTUJV  bi  tuiv  ßapßdpiuv  xai 
q)€UT6vTaiv,  ol  "6XXtiv€c  dßoüXovTO  Xiieiv  tö  kn\  toO  'EXXticttövtou 
ZeuTM^  xal  xaTaXa^^vecOai  iLipit\v  iy  t^  *£XXdbi.    Gcfiicro- 
xXnc  bk^  ouK  oiöfievoc  dccpoXk  elvai  oibk  toöto,  beboixübc  ^rJTroTe  s 
iäy   dTTOTViüCiv  Tfjv  currnplav  ol  ßdpßopoi   9iXoxivbuvÖT€pov 
drwvicovTai,  ki  ÖTrocTpoq)flc  dvT^upacce.  xcxupui^^viuv  bk  oöbfev 
icxOuJV ,  f Tr€fii|i€  xpöcpa  H^pEij  bnX&v  8ti  jiÄXouciv  ol  ''eXXrivcc 
Xiieiv  TÖ  ZeÖTfiCL    ö  bk  (poßTiOelc  {cpcvrrev.    Iv  bk  t^  vau^axiqi 
t^    iTcpl   CoXapiva   xal   ol   0eol   cuvcjidxiicav    toTc   "6XXticiv.  10 
"•Iveöc  Tap  ö  öeoxübouc,  dvf|p  *A8iivaToc,  ?cpii  GcdcacBai  dv  r^i 
6piacii|)  Tiebiifj  xoviopTÖv  übe  blc^upiu}v  dvbpuiv  dvaq>€pö^€VOV 
dir  *  'QeucTvoc  ßouiVTUJV  töv  juluctixöv  ''laxxov ,  töv  bk  xoviopTÖv 
veqpiüG^VTa  d^T^€C€iv  €lc  toc  vaöc  tuiv  'eXXfjvuiv.  q)€ÜTOVTOC  bk  toO 
:i^pEou  Mapbövioc  ulöc  fujßpüou  toö  xal  auTOÖ  diriöeM^vou  toic  15 
^dToic(cuMTr€icacxaiTdpailTÖcE€p£TivcTpaT€Ocai  tiA  Tf|V  'EXXdba) 
ijiTiäTO  TÖ  uoXö  7rXf\eoc  TUJV  ßapßdpujv  ibc  atnov  TtTOVÖCTTjcfimic. 


350,  10  fJTTicav  codex  22  AlTivirai  codex  361,  3  *€XXicirövTOU 
codex  11  iv€0€  sine  spiritn  et  accentn  codex  16  cu^irckac]  cufAir 
codex:  ceterae  Utterae  eyannerunt 


1 


86  €K  TÖN  APICTOAHMOY. 

ÖTT&XCTO  hk  viKrjceiv  tovc  ''eXXrivac  ei  Xdßoi  crporoO  Mupidbac 
Ä.  Xaßdiv  hi,  6  Mapbövioc  f7T€|iMi€  TipoiTOV  irpöc  *A0Tivaiouc 
80  'AX&avbpov  TÖv  MaK€böva  töv  0iXl7rtrou  irpÖTOVOv,  uiricxvou^e- 
voc  &UIC61V  aÖTOic  liupia  xdXavTa  xal  v\y  6ct]v  auroi  ßoüXovrai 
Tflc  '€XXdboc,  TTipricciv  t€  uwogcÖM^voc  xal  -rfiv  ^XeuScpiav  auroTc 

352  KQi  Tf|V  auTOVojiiav ,  cl  äoivto  ji^vciv  dcp  *  iaurdiv  xai  |if|  cu^ia- 
Xeiv  Tolc  "eXXrjciv.  imibi\  bk  6  'AXßavbpoc  irapCT^vcTO  €ic  toc 
'AGillvac  Kttl  raöT*  ttt^Xuiccv,  o\  'AerivaToi  oöie  touc  Xötouc  npoce- 
bilEaYto,  ußplcavT&  t€  töv  'AXeSavöpov  dircTT^iüwiiavTO.    6  bt 

5  Mapbövioc,  diroTuxwv  iv  toütoic,  dirf^XOev  clc  rdc  •AGrjvac  koi  tq 
fxi  TrcpiXcmöjüieva  ^^pn  Trpoccv^Trpncev,  iTapaT€vö)i£vöc  t€  cic 
Tdc  *A8rivac  &)Lia  itjj  crpordi  dvraOGa  icTpaTOircbeücaTO.  ol  W 
*'eXXTjv€C  dcrpaTOTrebcucavTO  Iv  TTXaraiaTc.  xd  bi  jieToEu  0ri- 
ßaiwv  Kai  TTXorraiujv  crdbiddcTiv  ff.  cu^7rap€TdccovTO  hi  Map- 

lobovlui  BoiuiTiiiv  jiupidbec  A.  cTxov  bk  tö  m^v  beEidv  x^pac 
TT^pcai  xal  Mapbövtoc  tö  bk  €Öi&vu|Liov  ol  |LiT]bicavTec  "EXXiiycc 
TÄv  bk  ^eXXVjvujv  ol  jLiiv  'ABrivaioi  cTxov  tö  b€£iöv ,  tö  bk  euii)- 
vu|Liov  Aax€bat^övlor  ix€Ticu\cay  bk  auTouc  ol  Aaxebai^övioi, 
cpfjcavTCc  *A8iivaiouc   ^jüiTreipoT^pouc   cTvai   irpöc    tö  jidxecOai 

15  TTepcaic.  dv  bk  touti}j  Mapbövioc ,  bcboixibc  |Lidx€c8ai  'A0T]vaioic, 
^€T&T?ic^v  Te  Tf|v  q>dXaTTOt  xal  oötujc  cuv^ßn  toTc  Aaxebai^ovioic 
xal  dxouciuic  fidxecOat  toic  TT^pcaic.  ^crpaTiiTCi  bk  Aaxebai^o- 
vlwv  ixky  TTaucaviac  ö  KXco/ißpÖTou ,  'A0T]vaiu)v  bk  *ApicT€ibT|C  6 
blxaioc.  T€V0|i^VTic  bk  Tflc  cu^ßoXfic  TU)v  Hcpcuiv  'AGrivaioi  iwe- 

20  ßorjOricav  Toic  Aaxebaijiovioic  xal  dvixncav.  ivraOGa  ö  Mapbö- 
vioc  ^7T€C€v    fviivrji    Tfji    x€q>aX4    ^axö^€voc,    dvatpeOdc   öno 

353  'A€l^Vl^CTou  dvbpöc  Aaxcbaijioviou.  yjpicTCucev  bk  dvTaöOa  xal 
"ApiCTÖbTiiiOc  6  i)TC0CTQ4^tac  dtrö  eep^oiruXdpv  xai  xXriOclc  bid 
TOÖTO  6  Tpeccdc.  biö  Aaxebaipdvtoi  oöx  Ibwxav  aüxCb  tö  T^pac 
Tfjc  dpicTeiac,  f|Tncd|i€voi  tö  ^kv  irpdrrov  t€VÖM€VOV  ircpl  t^v 

6  XemoTaSiav  tvwjuitic  cTvai ,  tö  TcXeirraiov  bk  ircpl  Tf|v  dpicretav 
TUX1C.  ^Tieibfi  bk  liitcev  6  Mapbövioc ,  ol  ITdpcai  £cpuT0V  €ic  xdc 
Orjßac  •  ol  bk  *'eXXT]V€c  iTieXOövTcc  buibexa  ^upidbac  auToiv  4<p6- 
vcucav  •  ^Edxic  bk  fütupiiuv  dmcTp£<p6vTu>v  ^ttI  Tf|v  olxeiav,  'AXöov- 
bpoc  6  Maxebtbv,  ibUf  1rp€cß6ucd^€VOC  irpöc  toöc  *A8T]vaiouc 

10  Tiepi  iL V  ditecTdXii  üirö  Mapboviou ,  irdvTac  aÖTOuc  Yevo^^vouc 
xaTd  Maxeboviav  dcpövcucev,  d7roXoToü^€VOC  6ti  äxuüv  ^M^ibicev. 
xal  ol  iv  TaTc  vaucl  bk  "QXiivec  ^biuixov  tö  vauTixöv  tö  H^P^oü  • 
TrXeucavTCC  CTabiouc  T^ccapac  touc  dirö  CaXa^ivoc  clc  MiX^TOV, 
xaT^aßov  Tdc  vaOc  tOüv  ßapßdpuiv  xal  £T0l^0l  fjcav  vau^ax^^- 

15  ol  bk  ßdpßapoi  oö  KiCT€\iovT€c  Taic  vauclv  bid  tö  iretreipäcöai  ttJc 
^Aönvaiiüv  d^ireipiac  Ö^ßricav  xal  dcrpaTOTrcbeiicavTO  irepl  Mv- 

22  Trjpfiav  codex  362,  7  kTpaToiraibeOcaTO  codex  8  icTporo- 
iraibeucavTO  codex  11  ^nbricavTCC  codex  13  aöroOc  mavult  We- 
Bcherus  14  ^fxirctpOT^pouc]  porcpouc  codex  863,  8  imcTpccpovTUjvj 
litteras  tuiv  süpplevit  Weschenis  13  ^iXirov  codex  16  oö  Weacne- 
rus,  ol  codex        16  icTpaTOtraibeucavTo  codex 


CK  TÖN  APICTOAHMOY.  87 

KoXiiv  (ÄTTcp  tcAv  öpoc  TTic  MiXT]dac)'  KQi  ol  "GXXtivcc  il  diro- 
ßävT£c  ctn^ßotXov  aiJTOic  kqI  tdc  a  M^pi<>^^ctc  dcpöveucav  Tdc  tc 
vaOc  ^pniJiouc  irapÄoßov  T^Tvoji^c  t€  rflc  iidxTic  ti)c  iv  TTXa- 
TOioAc  Kai  viKuivTuiv  Tiirv  irepi  MuKdXr|v  *€XXnvwv '  £cTpaTT)T€i  bk  » 
Tf)c  MuKdXnc  AaK€baijLu>v{uiv  p^v  Aeumix^^ccc  ö  ßaciXeOc,  354 
'Mt\valwv  hk  H&vOitriroc  6  "Apicppovoc  ö  TTepiicX^ouc  Tranfip.  ol 
bk  iv  rate  TTXaTmaic  '£XXtiv6c  ^erä  tö  viicf|cai  fcrncotv  Tpöircoo, 
Kai  ^opTf|v  iJTarov  'QeuOcpiov  npocoropeicavTec,  Onßotouc  t€ 
xoGuic  difiocav  ibcKdreucav.  s 

*Aird  bfc  Tf|cn€pciKi)c  CTpoTciac  im  tdv  ncXoTrovvticfiOKdv  TröXe- 

inov] ^''TpaxOn 

xdbe  in€\bi\  d&fjXacov  touc  TT^pcac  ol  "'GXXiivec 

puiv 

€k  Cqcrdv  ol  'Adrivaioi  irpoc^)i€VOV  irpociroXc^ouvrcc   xai  TTou-  lo 
coviac  6  KXcojißpÖTOu  ö  twv  AaKe^al^oviu}v  CTparrfroc  Korä 
<piXoTi^iav  Tf)v  xmkp  nZrv  *£XXyjvujv,  &iia  biä  irpobodav  (cuv- 
re^e^iivoc  tap  fjv  £^p£Q  irpobi(ic€c8ai  aurifi  touc  ''EXXtivoc  iiA 
TÖ  Aa߀Tv  OuTOT^pa  Trop  aÖToO  Tipdc  y&pioy)  djc  £T^)p^^voc  T€  t^ 
iXnibi  Taunj  Kod  Tip  eÖTUXt^Maxi  Tip  iv  TTXoTaiaic,  ouk  d^CTpio-  u 
irdOei.     äXXä   irpujTov   ^iv   Tpiiroba   ävaOclc  tu»  ^  AcXcpoicSöö 
^AtröXXuivi  iitifpa^a  tf^t^ev  irpöc  qutöv  toioOtov  • 

'eXXrjviüv  dpxilTÖc  InA  CTporöv  uiXece  Mtjöujv 
TTaucaviac  4>oißifi  |üivfi)i'  dv^diiKe  TÖbe. 
Tujv  bk  utroTeTocTM^vujv  aiSrnf»  iriKpuuc  fipx€  xal  TupawiKuuc,  tt^v  & 
M^v  AoKOViKfiv  biouTOv  äTioTcOeiji^voc ,    diriTcxiibiEUKdic  b^  toc 
Tuüv  TTepc&v  ecOf^Tac  cpopeiv  xal  ITepcixdc  Tpatiilac  iraporreöci- 
p^vac  iroXureXcic  ibc  £0oc  dxeivoic. 

Korrd  bi  toötov  töv  xpövov  'A9T]vaioi,  dfiTrerrpiiCfi^vTic  outujv  Tflc 
iröXctuc  xmö  Eipiov  xal  Mapöoviou,  dßouXcOovTO  TCixiZetv  auTrjv  *  lo 
AoKcbat^övioi  bk  oÖK  dir^TpcTTOV  adToic,  iTpd(paav  }xky  1rotou^£vol 
^PfiTiTfipiov  eTvai  Tdc  'AörjvacTuiv  iumXeövTuiv  ßopßdpujv,Td  5t  dX^- 
^kc4p6ovoCvTecxal^f|  ßouXd^evoiirdXtvauET]6fivai '  oOc6€)üiiCTOxXfic 
cuv^cci  biaqpdpwv  xaTecTpaTrJTnc€v  aÖTii^v  töv  9G6VOV.  ^ixeXeu- 
cd^evoc  Tdp  toic  ^A6iivaioic  TCtxiZeiv  Tf|v  iröXtv  ^X€XÖ  eic  Aoke-  ^ 
bai^ova  ibc  Trpecßeuwv  Xötujv  Te  TiTVOfüi^vuiViTapdToicAaKeboa- 
liovieic  in  'AOrivaioi  TCtxiZouci  Tf|v  nöXiv,  ävT^Xerev  de^iCTOxXiic. 
die  bk  oux  £iTicT€uov  ol  Aaxebaifiövioi ,  ^nctcev  aÖTOuc  irpi^cßetc 
Tr^^i|iai  Tivdc  Ö  aÖTiöv  elc  Tdc  'AGrivac  toüc  tvuicoji^voüc  d  xri- 
ZotTO  f)  iröXtc    TUJV  bk  Aaxeboijioviujv  ^Ofi^vuiv  dvbpac  xal  so 
-ire^itfdvTUiv  öe^tcToxXftc  xpöcpa  u7r^7r€|Lii|i€  toic  'AOnvaioic  xaT^- 


17  MiXioac  codex  854,  6  poit  ireXoirownc  .  .  •  lacana  triginta 

circiter  litterarum,  item  post  ot  "CXAi^vcc  15  t4»  ^v]  tö  iv  codex 
^^expoirdOci  codex  S56,  6  ainw  codex  7  irapaxeOnM^vac  codex 
11  AaK€doi|Li6vior  oi  bi  codex 


88  €K  TÖN  APICTOAHMOY. 


Xeiv  napjamojc  touc  dirccroXp^vouc  rühr  AoKC&amovCwv  dvbpac 
huc  «  aördc  uirocrp^^,,  «fc  xoc  'AOnvoc.  irpa&hmuv  öt  toöio 
3Ö6  TUiy  AOrrvcnuiv  ol  Aaicebomövioi  aicOöficvot  Tf|v  drrdniv  etuicro- 
rtcmic  ouKv  bieOecav  oürdv  bcivov  l>€boucÖTCcir€piTiavÖ)iuiv,  ÄX' 
dirotevrec  aurdv  ^KOMkavro  toöc  foiouc.  iv  ü  tüj  fieroK»  xpövu» 
«Tcixu^rav  al  'AOfivai  rdv  rpöirov  toGtov.  6  n^v  xbo  ficrewc  itepi- 
'f-^  A  ^***^  crofttuiv  dTcixfcen-  TÄ  bi  ^aicpa  xcixn  cp^povra 
€7n_Töv  netpaia  Ö  bsaxipov  ji^powc  crobtuiv  m-  6  6i  toO  TTei- 
pauuc  mpißoXoc  crodtiuiv  n.  «cnv  bk  6  TTcipoieöc  XyiAv  cfc  Wo 
^mi^^voc-  KiifkifTca  bk  ouroO  xd  niv  ti  h^c  Mouvuxfa-  xd 
öc&a  ot  ditpa  ToO  neipaiiijc  fj  ^criv  €ti  vOv  Aia  KaXcTrar  «veoc 
A  1  r*  Heipoid  dq>  •  8v  TÖ  Tf}c  'Apr^möoc  icpdv  Töpuroi.  rd  bi 
PoAnp«<W  reixoc  ^Kriceij  crafciuivÄ,  nXorii  fti  Acre  MvotcÖoi  büo 
opjuna  äXXiiXoic  cuvovTov,  wd  #|  ji^v  tiöv  'Aenvaiuiv  itöXic 
oönuc  ircixicen.  6  öi  OcMicroicXflc  biö  Tf|v  öirepßdXXoucav  cüvc- 
civ  Koi  äpcTiiv  «peovnedc,  Öcbwuxen  öird  Tujv  'AenvaitMV  Kcn 

"5*7         **    ^"^^  ^°<^      AOKCbomÖVIOI  U,    äKOUCaVT€C  TÄ  «pi 

■nie  €TK€xopiqi€vnc  npoöodac  TToucoviqt,  n€|w|iovrec  oöriö  # 
CKUTÄiiv  MCTCKoXoövTo  oÖTÖv  d»c  ^TtoXoTncö^€vov.  6  bt  nou- 
covtac  aeuiv  de  Tf|v  Cirdpniv  ätrcXo-rtcoro-  icol  <iTOT<icac  toöc 
AmccboiMovfouc,  diroXueelc  Tfjc  aWac,  uTrefijXeev  koI  wöXiv 
» tvnpT«  ifiv  irpoöocCav. 

„r  5X  **!  ^**^  °^  'eXXiivcc,  d<picr<S|U€voi  dno  xiöv  Acuccboino- 
aK7  ^  .aSL  3""*«***=  Tupoweiceai  öird  ToOnaucoviou,  irpoccriecvro 
™»«  Aenvaioic.  Kai  oÖTUK  ijpSovro  näXiv  ol  'Aenvaioi  möpouc 
Aoußdvovrec  aöEecear  vaOc  xc  fäp  KaxcaceöaJov  .  ,  T  .  . 
•    •    .    xpUMoxuiv  eiicaupo9uXdKiov  ^Ttonicavxo  ^v  AVjXiy    .    . 

.*Aj;\_'    1   '    *  -". xdXlovxa  iK TTJc 

^c  V  diSxf  r"  *^^^^^^'^  ^^*^  ^*<=  ''^*1^"«=  "«^  Kox^ema 

'0  bi  TToucavJac  tiirdpxuiv  ^v  BiÄovxiuj  dvamavböv  diiAbiccv 
KOI  Konta  biexle«  xouc  "exXrivac.  bicnpd&ixo  b*  In  m\  x^oOrov. 
nv^mxuipiou  xivdc  9uT<ixiiP  Kopuivibou  iy/ofia,  iq>'  fiv  ?n€ut|»€V 

loö  nouKoviac  Ömxöv  xöv  itax^  6  bk  Kopuivibnc  bcboiKibc 
xnv  ajfiöxijxa  xoO  TTaucovfou,  frtcmiiev  oöxili  xf|v  iraiba  fjc  Kod 
iropOTCvoMcviic  vukxöc  elc  xö  oXKt\na  KOl^u»^l^vou  xoö  TToucavIou 
^fl1"?2f  "*^''*^'  ^cpturrvoc  TCVÖMevoc  6  naucavioc  bö£oc  x€  kot' 

..tXr^  ^w  «««^nXuWvai,  ^Ttopäncvoc  Ei<p(biov  örcpövnce 
Tnvcöpnv  KCl  dn^KXflvev.  ical  btä  xoOxo  elc  ^aviov  wepi^cxn,  koi 
TcvöMcvoc  <ppevopXoWc  öceicpdTci  noXXiSnac  ibc  b^  MocxiTOÖnevoc 
wo  xf|c  KöpTjc  troXXoO  bk  xpövou  biorevoji^vou  ÖiXdcoxo  xouc 
oatMovac  xfjc  ttaibdc  koI  oöxuic  änoccrr^cnj.  xf|c  bi  npoboctac  oi)k 

«Jß7  ^.;J*'L!2**''  ?**^**  .    ®  Mouvouxte  codex       10  weipael  codex 
' »  £!?  ♦  A^^'"*.""??*  ^*™'*  «"  «»*»<'«  «rciter  daodeviginü  lUterw 
■*  poet  AftXiji  desiderantnr  duodeviginti  Utterae         4  ovro  codex 

codex  "'TlÄe^rcodex"  "'*'"^"  ""^"^  **  T€vof.cvoM€voc 


€K  TÖN  APICTOAHMOY.  89 

iiraOeTO,  dXXo  TpÄi|iac  ImcToXäc  EdpSij  'ApTiXiui  dTairtu^evui 
^auToO  bibwct  Taurac  iTKeXeucdjuevoc  KO^iZetv  npdc  E^f^v.    o  a> 
hk  'ApTiXioc  beöoiKibc  mp\  aöroö  (^Tretöf)  t«P  ovU  o\  irpÖTCpoi 
it€M<pG^VT€C  dircvöcTTicav)  irpdc  ElpiT\v  ob  TrapcT^vexo.  dXedjv  U  3ö8 
ek  CtrdpTTiv  Toic  ^qnSpoic  ^jit^vucc  Tf|v  irpobociov,  ön^qc^xo  bk 
KaTd9opov  b€{£€iv  xdv  TTaucaviav.  xal  cuvO^fiicvoc  irepl  xovnuv 
JiXOc  €lcToivapov  Iv  xe  xtö  xoO  TToceiödrvoc  xcji^vci  Wxeucv.  o\  bi 
?<popoi  iroparcvö^evoi  xal  aöxoi  [imö  aöxo  rdriiievoc  xal  bi]7tXfiv  5 
cxnvfiv  xoxacxeudcovxec  ^v  auxf|  fxpuuiav  ^auxouc.   oöx  ^nicxd- 
fievoc  bk  naucovioc  xaöxa,  dxoucac  bk  xdv  *ApTiXiov  ixexeiiovxa, 
7rap€T^V€xo  npdc  auxdv  xal  &ne}xl}i(p€TO  dirt  xö  ^f|  xo^ical  xdc 
diricxoXdc  trpöc  Ziph\v ,  fiXXa  x^  xiva  xexMTipia  bi€&|€i  xf^c  irpo- 
bociac  ol  bk  ^<popot  dxoucavxec  xuiv  ßriG^vxujv  irapaxpfl^a  ^tv  lo 
oti  cuveXdßovxo  aöxdv  bid  xö  elvai  (tfiov  xd  x^^evoc,  dXX'  eTacav 
dii€Xe€Tv.  öcxepov  bk  aöxdv  iXedvxa  elc  Ctrdpxnv  ißouXovxo  cuX- 
XaiißdvecOai.  6  bk  örrovoiicac  eic^bpafiev  de  xö  xfic  XaXxtoixou 
'ABtivoc  x^jicvoc  [xal]  lx^x€U€v.  xiöv  bk  Aaxebaijiioviuiv  iv  diröpiji 
dvxiüv  bid  xf|v  elc  xöv  Ocdv  epqcxdav,  f|  }iY[n\p  xoO  TTaucavlou  ßa-  i6 
cxdcaca  trXivGov  ^Onxev  ^trl  xffc  eicöbou  xoO  xejidvouc,  trpoxoxapxo- 
\i4vr\  xfic  xaxd  xoö  traibdc  xoXdceiuc*  ol  bk  Aaxebaifidviot  xaxa- 
KoXouGfjcavxec  aöx^  dvqixobö^iicav  xd  xdfievoc,  xal  XijuK?^  bia- 
«pOap^vxoc  xoö  TTaucaviou  dveXOdvxec  xf|v  cx^v  d^dXxucav  xoö 
vaoö  2x1  ijiTrvfovxa  xdv  TToucaviav  xal  Ö^ppiniav.  bid  bi  xoOxo  359 
Xoi^dc  aöxouc  xox^cxev.    Öcoö  bk  xp^cavxoc,  inäv  ÖiXdcujvxai 
xouc  baijüiovac  xoö  TTaucaviou,  iraucacOai  xdv  Xoijxdv,  dvbpidvxa 
aintSji  dv^cxY)cav,  xal  iiraucaxo  6  Xoi^öc. 

Zrixifjceiuc  bk  oijcr\c  nopd  xoic  "QXriciv,  xivac  bei  7rp0Tpa9fivai  s 
avnöv  xÄv  cuji^CMaxTiKÖxuiv  dv  xd»  Mnbixifi  iroX^mj),  dEcOpov  ol 
Aoxebai^övioi  xdv  bicxov  iq>*  ou  xuxXoxepojc  lnifpa\\^av  xdc 
nruivicji^vac  iröXcic  die  jinxe  npurrouc  xivdc  reTpdcpeai  jurie* 
licx^pouc.  Aaxebatpöviot  bt,  ^ircl  xd  xoö  TTaucaviou  dnoveibicxtüc 
dKCxuiprjxci,  xouc  'Aenvaiouc  fnciGov  X^tovxcc  iy  xaTc  TTaucaviou  lo 
intcxoXaic  xoivwvdv  cöpiix^vai  xfjc  irpobociac  GepicxoxX^a-  6  bk 
GcptcxoxXfic  beboixuüc  xouc  Aaxebai^oviouc  oux  ?^€iv€v  iv  xu» 
"ApTCi,  dXXd  7top€T^v€xo  cic  Kepxupav,  xdx€i0€V  elc  MoXoccoöc 
Trpdc  "Abfiiijov  ßactXeöovxa  xal  ^x^P^v  adxtu  irpdxepov.  xuiv  bk 
Aaxebai^ovtuiv  napaT€vo^€vuiv  irpdc  xdv  *Abjuinxov  xal  Öai-is 
xouvxiüv  aöxdv  f|  tirvf)  xoö  ^Abjüiifixou  ött^Ocxo  GcfiicxoxXfo  dprrdcai 
xdv  xoö  ßaciX^iuc  iraiba  xal  xaGccÖnvai  in\  xnc  icxiac  Ixexeöovxo. 
irpdSavxoc  bk  xoö  6€]uiicxoxX^ouc  6  "Ab^irroc  xaxeXericac  aöxdv 
oöx  ££^bu)X€V,  dXX'  direxpieii  xok  TTeXoirowricioic  ^fi  öciov  clvai 
^xboövat  xdv  Ix^xTiv.  ö  bk  OepicxoxXf^c  oöx  ?x^v  öirou  öirocxp^-  «o 
Miei  inx  xf|v  TTepciba  JuXei.  dxivbuveuce  bk  xal  nX^mv  dXiXivai  xal 


358 1  6  Dost  aÖTol  desiderantar  in  eodioe  qnindecim  fere  litterae 
9  öieHciv  codex        14  xal  om.  codex        15  tV|v  Bcöv  mavnit  Weschenis 
^9>  2  XpIcavTOC  codex 


90  6K  TÖN  APICTOAHMOY. 

napaXiiq>6iivat.  NdEov  top  ttoXc^oOvtuüv  'Adnvaiuiv  f|  voCc  f|  toO 
6€^ictokX^ouc  x^i^iJ^voc  dTriT€V(4i^vou  irpocrJYero  t^  NäSip.  ö 
bk  6€jLiiCT0KXf)c  j  5€boiKUic  ^ii7roT€  cuXXr|<p0q  dnö  tujv  'A^vaiuiv, 

360  ^TreiXqcc  Tip  Kußepvrjnj  dvaipriceiv  ourdv,  ei  ^f\  dvT^xoi  TOtc  irveü- 
^civ.  ö  ik  Kußepvif]Tiic  beicoc  Tf|v  dTieiXfiv  üjp^iicev  inx  cdXov 
vuKTa  xal  fm^av  ical  dvr^qce  Totc  dv^ftoic.  xal  oötu)  SchictokXhc 
biaciuOelc  iraper^vcTO  eic  Tf|V  TTepdba  xal  Edp£t]v  \iiv  ou  xar^Xa- 

5  ßev  ZufvTa,  *kpTaiiplr\y  bk  töv  uldv  auroC,  i^  ouk  £v€(pavtcOii '  dXXd 
biaTpi(|;ac  ^viauröv  xal  fiaOiuv  Tf|v  TTepciicf|v  TX(i»ccav,  töte 
nap^TcvcTO  itpöc  töv  *ApTaH^p£nv  xal  iniiiwr\cey  aÖTiji  twv  euepTC- 
ciuiv  &c  £ööx€i  xaraTeOetcOai  €lc  töv  irarepa  aurroO  E^päiv,  Xif^uv 
xal  TTic  cumipiac  auTuj  T^v^cecdai  alnoc 

10 ' Tjvac 

TÖ  leöjiia.  uTrdcxeTO  bk,  ei  Xdßoi  crpaTÖv  irctp'  aÖToO,  x^^P^Aica- 
cdai  Touc  ''GXXnvac.  6  bk  'Apro^^p^iic  irpoccxuiv  Tok  eiprm^voic 
b^5u)xev  aÖT^i  CTparöv  xal  Tpeic  nöXeic  eic  xopiiTiav ,  Mayviictav 
^ev  eic  ciTOv,  Adfi(|;axov  bk  eic  ofvov,  MuoCvra  bk  eic  öipov. 
lö  Xaßuiv  bk  de^tcToxXqc  xal  naparevöiievoc  eic  MorvTidav,  tcf^c 
fibx]  Tevöfievoc  Tfjc  'EXXdboc  ^eTevÖT)cev,  oöx  fnmcdjievoc  bexv  np- 
Xe^elv  TOic  ö|Lioq>uXoic  *  Ouuiv  bk  t^  Aeuxo<ppuvt  'ApT^jiibi  cqxn- 
TOjui^vou  Taupou  Öttocxuiv  fpidXr^v  xal  irXnpiucac  ol'fiaTOC  £mev  xal 
dT€XeuTT|cev.  ol  bk  *'exXT|vec  Tvövrec  ToöTa  ÖeMuixov  töv  crporöv 

361  Tdv  äjna  Tifi  6e|LitCT0xXeT.  xal  irapaTevö^evoi  bk  ^Tvuicav  ical  dvre- 
7T€CTpdT€uov  Tijj  'ApxaE^pEg.  eöO^uic  Te  Tdc  Mujvtxdc  xal  xdc  Xomdc 
iröXeic  '€XXiivi5ac  i^Xeuöe'pouv  'A9T]vaiot  Kijiuivoc  bk  Toö  MiX- 
Tidbou  cTpaTTiToOvToc  dv^TrXeucav  ^m  t#|v  TTa^q)uXlov  Kord  töv 

5XeTÖ|üievov  Eöpup^öovTa  7roTa^öv  xal  dvau|idxT)cav  0o(vi£i  xai 
TTepcaic  xal  Xa^Trpd  ipya  ^treöeiEavTo,  ^xaTÖv  Te  vaOc  dXdvrec 
aÖTdvöpouc  dneJojudxncav  xal  öuo  Tpöiraia  fcTncav ,  tö  fiiv  xaToi 
TtJv,  tö  bk  xaid  edXarrav. 

"ETrXeucav  bk  xal  xaTd  Kuitpov  xal  in'  AItutttov.  ^ßociXeucev 

10  bk  Tfjc  AiTÖTTTOu  'Ivdpoc  uiöc  VajifUTeixou  •  öc  ditocrdc  *ApTo£^p- 
Eou  ßoTjOoüc  inTjTdreTo  aunji  toöc  'AOnvaiouc ,  olTivec  ^xovrec  c 
vaOc  dnoX^^ricav  iv:\  ivi]  8£  toic  ßapßdpoic.  fieTd  bk  TaöTa 
MetdßuZoc  6  ZiuiTupou  xaTaiteMcpOelc  unö  'ApTa£^pHou,  djp^Tjjui^- 
viuv  Tüüv  'AGiivaiujv  dv  T^j  xaXoujii^vr)  TTpocumiTibi  vi^C4i  inl  tivoc 

15  noTajLioö,  dxrp^Ttei  tö  (SeTGpov  toO  iroTa^oö,  ^Troiiic^v  t€  xdc  vaöc 
^ttI  Tf|c  T*ic  dTToXewpefivai.  dxTpatreicojv  bk  N  vti^öv  'Attixi&v 
iTpocTrXeouciXiv  t^  AiTÖTmji  ol  nepl  töv  MeydßuZov  xal  TauTac 
Trap^Xaßov  xal  de  \ikv  bUcpOeipav ,  de  bk  xaT^cxov.    tuiv  bk  dv- 

362  bpiöv  ol  jifcv  TrXeiouc  bieq)9dpTicav,  öXlroi  bk  iravTditaciv  öir&Tpe- 
ipav  eic  Tf|v  oixeiav. 

Mexd  bk  Tauxa  *eXXT|Vixöc  7röXe|iioc  dy^veTO  'Mdt\vaiwv  xal 


24  bcöOKtuc  codex        360,  3  vuicrav  codex        9  poBt  atnoc  deside- 
rantor  fere  viginti  litterae        16  oök  codex        361, 18  ^etoßuEoc  codex 
17  jueyaßulov  codex        18  6i€q)6eipov  codex 


€K  TÖN  APICTOAHMOY.  91 

AaK€bai)yiov(u)v   iv  Tovdrpa'   xal  oi  ^^v  Aoicetei^övtot  ficav 
TÖv    äpiO^öv    ^uptOl    TpiqciXtoi,    ol   bk  'AOnvaioi  iiüpxox  ££a-5 
KiqctXior  Kai  vtxujav  'AOrtvaioi.    iraparaSdiyievoi  tc  iräXtv  £v 
Olvoq>ÜTOtc,  CTpoTTiToOvToc  ainwv  ToX^iöou  xal  Mupuivibou,  tvi- 
Kqcaof  Boiurrouc  xal  kot^cxov  Boiumav.    cöOuc  ^crpdccucav  irA 
KuTTpov,  crpaTiiToOvToc  avrc&v  Ktfiuivoc  toO  MtXndbou.   dvraOOa 
Xifiip  cuveqcdOricav ,  xal  Ki^uiv  vocrjcac  iv  KiTi((i  ttöXci  Tf|c  Ku-  lo 
Trpou  TeXeurqL  ol  b^  TT^pcat,  öpdrvrec  kckokuj^^vouc  toOc  'A8n- 
vaiouc ,  TT€pi9povi^cavT€c  auTuiv  iirfiXeov  tqic  vauciv  •  xal  ätuiv 
Ttverai  xatd  BdXaTrav  iv  iB  vixuictv  'Aör|vaioi.   xai  crpaTTTTÖv 
alpoOvrai  KotXXiav  töv  dirixXTJciv  XoucxönXourov,  iiiA  ^caupöy  €u- 
püjv  iv  Mapa9uivt,dv6XÖM€voc  auTdv^dnXouTiicev.  oötoc  6  KoXXiac  w 
^aretcOTO  npdc  'Apiaiipiriv  xai  touc  Xoiirovic  TT^pcac.    Mvovto 
bk  a\  cnovba\  in\  xoTcbc-  dq)*  ip  dvxdc  Kuav^wv  xal  Ndccou  iro- 
Ta^oö  xal  OacrjXiboc,  f)Tic  icnv  itöXic  TTa^q)uXiac,  xal  XeXibov^uiv 
\ix\  ^oxpoic  nXo{oic  xaTanX^uici  TT^pcat ,  xal  ivtöc  rpiiXiv  fmepCuv 
6bo0  i\v  fiv  Tttttoc  dvoiq)  biuncöfievoc  iii\  xaTiuiCiv.  xal  cnovbal  363 
oöv  ^T^vovTO  TOiaOrai. 

Mevä  bk  TaOra  "CXXtivixöc  ixöXqioc  ^t^vcto  Ü  airiac  roiau- 
T7]c    Aaxcbaijiövioi  äipeXö^evoi  Ouüx^uiv  tö  iv  AcXcpok  iepöv 
TTop^bocav  AoKpoic,  xal  ä<p€XÖM€voi  aörouc  än^bocav  irdXtv  toic  s 
<t>uixeuav.  i&iro€Tp€q>öyTUiv  bk  tiBv  'AGrivaiwv  änö  tf^c  ^dxfic,  crpa- 
TiTToOvToc  ouTiIiv  ToX^ibou,  xai  Tcvofi^vujv  xatd  KopiAvetav, 
imdäfievoi  aOroic  dcpvu)  Boiwrol  ouciv  dnapacxeuoic  iTpiypavro 
a^ouc,  xai  nvac  ii  auTuiv  il\bffir\cav  ^  oöcnvac  äiraiTOvivroiv 
'AOnvaiuiv  oif  irpörepov  dir^bocav  f\  Tfjv  Botuiriav  änoXaßetv  *  xal  lo 
M€Tä  xaGra  cuOuc  'AOiivatot  itepnrXeücavrcc  Ti\v  TTcXoiröwiicov 
Bufiov  elXov,  xal  ToXiiibTic  x^^iouc  ixaxv  'AOnvaiouc  dTriX^xrouc 
bifiX6€  Tf|V  TTcXoiTÖvvncov.  xal  iräXiv  €fißotav  dirocräcav  cIXov 
'AdiTvaiot    iv  bfe  touti|i  toic  "EXXtici  cirovbal  rpiaxovrouTeic  t(i' 
vovTO.    Tiff  Tcccapccxaibcxdrqi  bk  ftci  'AG^vaToi  Cdjiov  troXiop-  is 
xiricav[T€c]  eIXov,  CTporriToOvTOc  aöruiv  TTepixX&uc  xal  öeiiicTO- 
xXeouc. 

'6v  bk  vSji  ami^  irtx  oSrui  Xuovrai  al  TtSxv  Ä  ^tujv  cirovbal,  xal 
dvicxarai  6  TTeXoTrownctaxöc  TröXejioc  alriai  bk  xal  nXeiovcc  cp^- 
povrai  7T€pl  ToO  iroX^ou.  irpum)  bk  f|  xara  TTcpixX^o.  q>acl  tap 
hn  Tuiv  'AOnvaiuiv  xaracxeuaZövTuiv  xfiv  iXecpavrivTiv  'AGtivSv  xal » 
diTob€i£dvT(uv  ipfemcj&Tvy  töv  TTeptxX^a,  tcxvtjttiv  bi  <t>€ibiav, 
dXövToc  ToO  0€ibiou  itA  vocq)iC|i(J»,  €ÖXaßT|9€lc  ö  TTepixXfic  \xkv  xal  364 
auTÖc  euOüvac  dtraiTTiOiQ ,  ßouXö^evoc  dxxXtvai  rdc  xpicctc ,  dito- 
Xireücaro  xdv  iröXe^ov  toOtov  xpdqiac  tö  xaxd  McTCtp^üiv  ypr^tpi- 
CjLia.  biairtCTOÖTat  bk  TaOxa  xal  ö  Tfjc  dpxaiac  xuijitpbiac  noiriTflc 

X^TU'V  OUTUiC  5 

362, 10  KtT€{i}i  codex        14  tö  iirixAtv  codex        16  ^cm^caTO  codex 
18  x^^^ov^wv  codex        363, 12  O^tiov]  «videtar  esse  rOOiov.'  We- 

scber        16  iroXiopKTicav  codex         21  T€Xvt|Thv  'pro  vnlgato  tcxvIttjv.' 

Wescher       364,  1  dXCbVTOC  codex 


92  €K  TÖN  APICTOAHMOY. 

\b  XiTTcpvfiTec  T€UjpTol,  Tdjid  öf|  cuvi€T€ 
^rjjiaT',  &v  ßouXoicO'  dKoOcat  Trjvb'  öirwc  äiruiXcTO' 
TTpurrov  likv  y&p  fipSar'  airrf)C  <t>€ibiac  irpdSac  xaKUJC* 
elxa  TTepiKXdTic,  (poßttOek  ^f|  fiieTäcxoi  xfic  xuxnc, 
10  T&c  (puceic  öfiiiiv  bcboiKubc  koI  töv  aiiOdör)  rpöirov, 

dfißaXibv  CTriv6f)pa  jüitKpöv  McToptKoO  H;iiq)icfiaTOC, 
dfcqpuciicev  tocoOtov  ttöXcmov,  dicT*  ^k  toO  KairvoO 
TidvTac  *'€XXiivac  baKpOcat,  touc  t*  iKel  toüc  t'  ivQ&he. 

Kai  TToXlV  UTTOßdc  * 

15  nöpvnv  eic  fidGi^v  loCcav  McTapiba 

veaviai  kX^tttouciv  fieducoKÖrraßor 
K$7r€i6'  ol  McTCtpeic  öbuvaic  TrccpuciTTWjiivoi 
dvT^KX€i|iav  'AcTTttdac  Tröpvac  öüo  • 

365  ^vO^vb'  ö  lTÖX€^oc  ^fiqpavwc  KaTeppdm 

"6XXT1CI  ttSciv  ^k  Tpiuiv  XaiKacxpidiv 

^v6€Vb€  {üldVTOl  TTcpiKX^TlC  'ÜXÜ^TTIOC 

ficTpaiTT*,  ißpövra,  cuvckuko  Tf|v  *€XXdba* 
5  ixlQei  vöjLiouc  djcTTcp  CKÖXta  ycfpamiivoMC , 

djc  XP*I  McTap^ac  }xf\T*  iv  dropd  ji^Vr*  iy  i^nefpiti  ji^veiv. 
Oad  bk.  ÖTi,  Toö  TTcpiKX^ouc  CKCirro^^vou  irepl  Tf)c  dnoböceujc 
Tiöv  XÖTUJV  uirtp  Tf^c  dpremcraciac,  'AXKißidbqc  6  KXeiviou  ^mtpo- 
ireuöjievoc  üir*  auroO  elircv  ^fj  ck^tttou  tti&c  dirobcjic  touc  Xotouc 
10  *AOT]vaioic ,  dXXd  itoüc  |üif|  dTrobijic 

AeuT^pa  hk  oiria  9^p€Tai  KepKupaiujv  xal  ^Giribofiviwv 
TOiaÜTT).  'enfba^voc  f\y  ttöXic  KcpicupaCuiv  diroiKoc  bt  f|  KepKu- 
pa  KopivGiujv"  irXrm^cXoöjicvoi  oöv  kot*  ^kcivov  rdv  Kaipdv  xai 
äTr€pT](paveuö|i6Voi  önö  tuiv  KepKupaluJv  o\  *€mbd^ivioi  irpoc- 
15  Tronicdjüievoi  cu^^dxouc  touc  KopivOiouc  ibc  ^tiTpoiroXltac, 
&TpdT€ucav  im  K^pxupav  Kai  iiroX^fiouv.  nteZ^öfüievot  bfc  Kep- 
xupaToi  TOI  iroX^jii}»  iircjumiav  Trcpl  cufiiiaxiac  Trpdc  'AOiivaiouc, 
fxovrec  ttoXO  vauTiKÖv  ö^oiuic  bt  Kai  oi  KopivGioi  ^Trc^^av 
trpöc  'AOiivaiouc,  d^iouvTCC  ^auToTc  Kai  pf\  toTc  KepKupaioic  ßon- 
20  eeiv  aiiTOÜc  ol  bi  'AG^vaioi  eiXovTO  fioXXov  ßorjöciv  toTc  KcpKU- 
paiotc,  Kai  dvau^dxl^cav  toTc  KopivOiotc  oöciv  ivcirövboic  Kai  bia 
TOÖTO  ai  CTTovbai  iXu9i]cav. 

366  TplTTi  ahia  qp^peTai  Toiavni.  TToTibaia  tt6Xic  fiiroiKOC  Kopiv- 
0(u»v  fjv  inX  epdKi]C.  diri  Tavnic  ^Trempav  'AOnvaioi  ßouXö^cvoi 
irapaXaßeTv  auTfiv.  ot  bt  TToTibaiöTai  irpoc^GevTO  toic  Kopiv- 
eCoic,  Kai  bid  toOto  jidxn  ifiveTO  'AOiivaiujv  Kai  KoptvOiuiv,  k« 

5  £SeiToXtöpKT)cav  ol  *AöiivaToi. 

TeTdpTii  aWa  qp^pcTai  f|  Kai  dXiiOecTdTT].  ol  AoKcbaifiOVioj 
6pu»VT€c  augavo|üi^vouc  toüc  'AOiivaiouc  Kai  vaud  Kai  XP^M^^*  ^^^ 
Eu^^dxoic 

6  «Xiirc^eirrec  codex  7  ^rmaT'dv]  prmana  codex  ^^ '^^^  **^P£. 
codex  365,  2  bcxacTpiuiv  codex  366»  1  iroXtnöaia  codex  ^  ^^' 
iroXiuipKT^cav  codex. 


F.  Bflcheier:  kritik  des  Aristodemos.  93 

[Nach  dem  abdruck  des  vorstehenden  textes  geht  der  redactian  ein 
aufsatz  ^kritik  des  Aristodemos'  zu,  der  gleichfalls  sofort  zum 
abdruck  gelangen  mag.] 

C.  Wescher  hat  in  seiner  ausgäbe  der  iToXlopKiiTiKä  (Paris  1867) 
auf  Seite  349  bis  366  ein  geschichtliches  fragment  unter  dem  titel  ^K 
TU)V  'ApiCTOÖrjfiou  bekannt  gemacht  nach  einer  handschrift  die  Tom 
Athoskloster  stammt  und  in  den  besitz  der  kaiserlichen  bibliothek  zu 
Paris  übergegangen  ist  das  stfick  ist  zu  anfang  und  am  ende  unvoU- 
ständig,  die  rücksei te  von  blatt  83  wo  es  beginnt  trägt  oben  den  vermerk 
toOto  dcnv  TÖ  Zrrroii^evov  toö  'Apicrobri^ou.  blait  84 '  (s.  354 ,  5 
der  ausgäbe)  wo  die  erzählung  des  Perserkriegs  schlieszt,  schien  unten 
die  vom  buchbinder  halb  zerstörte  note  t^Xoc  toO  A  (des  vierten  buchs) 
darzubieten ,  blatt  84  ^  oben  vor  dem  tezt  Wom  Perserkrieg  aber  bis  zum 
peloponnesischen  krieg  geschah  folgendes'  noch  das  wort  dpxr)«  ^^^ 
anfang  des  fünften  buchs.  das  ganze  fragment  beginnt  mit  der  list  des 
Themistokles  wodurch  er  die  schlacht  bei  Salamis  erzwang,  und  bricht 
in  der  erdrterung  der  Ursachen  des  peloponnesischen  kriegs  bei  der 
^vierten  und  wahrsten'  ab  'da  die  Lakedftmonier  das  Wachstum  der 
Athener  an  schiffen,  geld  und  bundesgenossen  sahen',  wer  der  vielen 
Aristodemoi  verfaszte  diese  geschichte?  die  einzige  stelle  wo  er  auf  seine 
zeit  bezug  nimt  in  der  Schilderung  des  Peiräeus  s.  356,  9  beweist ,  wie 
man  unten  sehen  wird,  im  besten  falle  nur  so  viel  dasz  er  nicht  vor  Stra- 
bon  geschrieben  haben  wird,  daran  zweifelte  ich  nach  der  spräche ,  der 
lexicalischen  dürftigkeit,  der  beschränkung  der  parlikelu,  anderem  was 
auf  entartung  oder  unbehilflichkeit  weist,  ohnehin  keinen  augenblick. 
ich  hehe  aufs  gerathewol  heraus  das  einigemal  misbrauchte  tempus  perfec- 
tum,  den  conjunctiv  nach  dqp'  ili  s.  362, 17,  die  prSposition  in  tf^c  KttTä 
ToO  naiböc  KoXdceuic ,  i&irdpxciv  völlig  synonym  nicht  nur  mit  elvat 
sondern  mit  öiaxpißeiv,  'ApTiXiip  dTOiruifi^V4i  iamov  s.  357,  19, 
iü7r€pT)9av€UÖ^€V0i  passiv  gleich  uiT6pri9avou|i€vot  s.  365, 14,  das 
bisher  unbekannte  irepiuiTVOC  TCVÖjievoc  s.  357,  13  für  'aufgewacht' 
(TTCptunvicOeic).  noch  charakteristischer  ist  die  s.  357, 18  und  s.  359,  2 
wiederholte  phrase  ^giXdcacOm  Touc  bai^ovdc  Tivoc,  placare  manes, 
bei  den  auf  Athena  bezüglichen  Worten  Tf|V  cic  TÖv  Oeöv  6pT)CK€iav 
s.  358, 15  schwebte  wol  der  abstracte  begriff  der  gottheit  vor.  die  geo- 
graphischen kenntnisse  des  Verfassers  sind  nicht  sonderlich  zu  rühmen, 
zwar  bin  ich  weit  entfernt  ihm  jene  dummheit  s.  353,  13  zur  last  zu 
legen,  der  gemSsz  die  Griechen  trXeucavTec  CTabtouc  T^ccapac  toijc 
ditö  CaXajiivoc  eic  MiXtitov  die  schlacht  bei  Mykale  schlugen;  nach 
dem  tenor  der  erzählung  darf  man  auch  nicht  an  eine  handschriftliche 
Verwechslung  von  Samos  mit  der  attischen  insel  denken,  ich  halte  zahl 
und  artikel  für  verderbt,  aber  s.  361, 14  setzt  er  die  prosopitische  insel 
doch  gar  zu  schlau  ini  Ttvoc  Trora^oO  an  und  s.  349,  10  dehnt  er  die 
Pames  doch  gar  zu  verwegen  aus,  wenn  Xerxes  KaOeZöjüievoc  iiCx  toC 
TTdpVTieoc  öpouc  (Irhic  bfe  flv  toOto)  liiipo  Tf|V  vaufiaxiav.  die 
Voraussetzung  ist  begründet,  dasz  er  weder  in  Griechenland  noch  in  Asien 


94  F.  Bächder:  kritlk  des  Arislodemos. 

Boeh  in  Aegypten  zu  kwse  war,  dass  seise  zeit  der  byzantinischen  epoche 
grieefaischer  historiographie  näher  lag  als  der  römischen,  fiber  die  chro- 
nologisch-historische darstelloBg,  von  der  niemand  neues  und  wesent- 
liches erwarten  wird ,  die  aber  lo  manchen  etnzeiheiten  von  den  andern 
quellen  abweicht,  vermag  ich  ohne  eingehendere  Untersuchung,  als  jetzt 
meine  zeit  erlaubt,  nicht  zu  urteilen,  ich  bemerke  nur  wie  die  schlusz- 
partie  mit  Ephoros  bei  Diodor  und  Plutarch  stimmt  und  wie  namentlich 
auch  der  ausdruck  vielfach  an  den  von  Diodor  verarbeiteten  text  erinnert 
bei  der  compendiarischen  darstellung  laufen  nngenauigkeiteo  genug  unter, 
wunderbare  und  anekdotenhafte  züge  wie  die  von  Eleusis  heranruckende 
Staubwolke  vor  dem  salaminischen  sieg,  die  vindicta  numinis  als  Pausanias 
die  Kleonike  erstach  oder  die  Spartaner  ihn  aus  dem  tempel  wegschafften, 
der  rath  von  Admetos  weib  an  Themistokles  mit  dem  königssohn  am  berd 
schütz  zu  suchen,  dieses  oder  jenes  aristeia  oder  stralegema  oder  apo- 
phthegma  werden  mit  der  bei  compilatoren  gewöhnikhen  Vorliebe  erzählt, 
aber  z.  b.  die  angäbe  Aber  die  mauern  .von  Athen  und  im  PeirSeus  oder 
die  cilate  der  alten  komödie  lehren  dasz  er  auch  noch  anderes  und  besse- 
res aus  seiner  quelle  schöpfen  konnte. 

So  viel  zur  Orientierung  des  geneigten  lesers,  um  meine  bemerkun- 
gen  zum  texte  daran  zu  knfipfen.  s.  350, 3  cuv€cniKu(ac  bk  Ttlc  jnaxH^ 
(während  der  schlacht  bei  Salamis)  ö  SipixfC  iKOtvdc  fiuptdbac  diTcßi- 
ßacev  de  Tf|V  irXiiciov  vr\öba  TraponcciM^viiv  tQ  CaXajiivi  övo^oCo- 
jn^viivVuTdXeiav,  iic7rX»]TTÖjLi€vöc  t€  Touc'eXXrivacKai  ßouXö^€VOC 
T&  iTpocq>€pöjuieva  vaudrfia  tiIiv  ßapßdpwv  ävaciu&c0at.  oh  myria- 
den  oder  vierhundert,  verschlagt  für  unsern  historiker  nichts,  aber  £k- 
7rXilTTÖ^€V0C  war  nicht  seine  meinung.  denn  obwol  man  mehrmals  über 
den  gebrauch  des  medium  mit  ihm  rechten  kann ,  hier  iSszt  jene  form 
nur  den  sinn  zu :  Xerxes  erschrak  vor  den  Griechen,  das  passt  gar  zu 
wenig  zu  aller  tradition,  auch  nicht  zu  der  darstellung  des  Verfassers  der 
den  Arisleides  um  truppen  bitten  läszt  eic  TÖ  ä^uvacOat  touc  Iv  tQ 
VtrraXeiqc,  dem  Xerxes  also  offensive  absieht  bei  der  hesetzung  Psyttaleias 
unterlegt,  die  Griechen  zu  verderben ,  die  seinen  zu  retten  beim  Schiff- 
bruch sind  die  von  Aeschylos  und  Herodot  übereinstimmend  angegebenen 
motive  des  Xerxes.  demselben  gedanken  nähern  wir  uns  durch  die  ände* 
rung  ^KTrXTJTruiV. 

S.  351,  15  Mapöövioc  uWc  fuißpuou  toO  Ka\  aÖTOö  ^71186^^- 
vou  Tok  ^droic  (cu)üiiT€(coc  Kai  TÄp  aöröc  Eiplr\v  CTporcöcai  itA 
Tf|v  *eXXäba)  fjTioTo  TÖ  iroXu  irXfieoc  Tuiv  ßopßdpuiv  die  ainov 
TCTOVÖc  Tf^c  f^TTTic.  der  herausgebcr  sagt  dasz  die  handschrift  blosz 
CUjüiTT  gebe,  die  andern  buchstaben  seien  unlesbar,  cujülTrefcac  habe  er 
ergänzt,  auch  xal  steht  an  falscher  stelle,  Wescher  dachte  wol  cuv^- 
iT€ice  T^tp  Ka\  aÖTÖc.  ich  lese  cu^treireiKCt  yap  auröc. 

S.  351,  20  Mardonios  schickt  zu  den  Athenern  den  Alexandres  von 
Makedonien  öirtcxvou^evoc  Miceiv  aÖTOic  jiüpia  xdXavxa  koI  V\^ 
8cr\v  auTol  ßoOXovTat  rf^c  *exXdboc,  xnpificeiv  re  uTrocxö^€VOC  xal 
Tf|v  dXeuOepiav  aöroic  koI  Tf|v  aörovo^Cav,  d  SXoivto  m^^iv  i<P 
toirrujv.    man  verfallt  zunächst  darauf  önocxöficvoc  für  eine  giosse 


F.  Bücheier:  krilik  des  Arislodemos.  95 

oder  irrige  Wiederholung  zu  halten ,  aber  der  Terfasser  bat  die  nicht  zu- 
sammengehörigen Partikeln  durch  eine  solche  Wiederaufnahme  des  par» 
tidps  trennen  wollen,  ich  ergänze  öinen  buchstahen,  i&nobexö^cvoc 
'indem  er  es  auf  sich  nahm'. 

S.  352 ,  5  nach  den  mislungenen  Unterhandlungen  rflckt  Mardonios 
heran  eic  räc  *A9if)vac  xal  rä  In  ircptXctirÖMCva  ixipt)  Trpocev^irpii- 
c€V,  itapaT€v6^€VÖc  T€  cic  räc  'AÖfjvac  fijuia  rij)  crparifi  ^vrauto 
dcTpoToncbeucaTO.  ol  hk  "eXAi^vec  ^crparoTrebcucavTO  ^v  ITXa- 
raiaic '  ra  bk  }xejaJEv  Bnßatuiv  xai  TTXaTaiuiv  cräbtd  icnv  ff.  der 
zug  nach  Athen,  während  er  in  Athen  sengt  und  brennt,  und  die  distanz 
zwischen  Theben  (Ofißwv)  und  PlatäS,  welche  von  Thukydides  II  5  auf  70, 
nicht  80  Stadien  angegeben  wird,  thun  jedem  kund  dasz  an  zweiter  stelle 
eic  T&c  6rjßac  geschrieben  stand,  so  Diodor  XI  29  zu  anfang  inaveX- 
OÖVTOC  eic  T&c  Grjßac  toö  Mopboviou  ^eT&  Tf)c  öuvdtfieuic. 

S.  353,  17  die  barbaren  landeten  und  lagerten  bei  Hykale  xal  ol 
''£XXr)vec  bk  ärcoßävrec  cuv^ßoXov  auroic  xat  t&c  a  ^upidöac 
iq)öveucav  Tctc  T€  vaöc  ^pr^ouc  Trap^Xaßov  f\vf0^ivr\c  t€  ttJc 
^dxT)c  Tf\c  iv  TTXaTaiaTc  xal  vixidvruiv  täv  Tiepi  MuxdXrjv  *6XXi^- 
vujv  ^apaT^iTet  bk  rflc  MuxdXqc  Aax€baiMOv{uiv  \iiv  AcwTuxlfeac 
. .  'Adrivaiujv  bi  HdvOiTrrroc  offenbar  fehlt  dem  mit  TtTVO^^vr)C  an- 
hebenden participialsatz  jede  Verbindung;  diese  I9szt  sich  auch  nicht 
anders  als  durch  annähme  einer  Iflcke  herstellen,  der  gedanke ,  welcher 
ausgefallen  ist,  folgt  aus  der  combination  der  beiden  schlachten  von  selbst, 
etwa  Oau^acrfi  bk  f\v  f|  xord  Tfjv  a\ni\\  fmepccv  cuvruxia  TtTvoji^- 
vr|C  TC  ferner  ist  der  genetiv  Tf)c  MuKdXT)C  unhaltbar,  man  verlangt 
icTpcmiYCi  5'  ^v  T^  MuxdXq. 

S.  354,  4  die  sieger  bei  Platäft  erriditeten  tropften  xal  £opTf|V 
iiTGtTOV  '6X€u9€p(av  npocoTOpeucavTec.  das  noch  in  Pausanias  des 
penegeten  zeit  penteterisch  gefeierte  fest  hiesz  '€Xev9^pta,  und  diese 
form  musz,  da  der  Verfasser  den  namen  selbst  angeben  wollte,  statt  der 
handschriftlichen  eingesetzt  werden. 

Im  anfang  des  neuen  buchs  mag  die  erste  iQcke  ausser  dem  schon 
von  Wescher  ergänzten  TTcXoirovvriciaKdv  nöXe^GV  noch  etwa  die 
Worte  xord  Tf|v  '€XXdba  ipra  vor  iTrpdxOr]  mbe  weggerafft  haben, 
in  der  zweiten,  die  gleichfalls  ohngenUur  30  buchstaben  umfaszte,  fordert 
der  sinn  dies:  direibf)  iEifiXacav  Touc  TTipcac  ol  "CXXtivcc  [^x  t^c 
eupdiiTTic,  xoracpirrövTujv  tiöv  ßapßd]pwv  €k  Cnciöv  o\  'A6iivaiot 
npoc^jiEVOV  TrpociroXcjioCvTec.  die  art,  wie  der  nächste  satz  über  Pau- 
sanias angeschoben  wird  mit  xai,  trSgt  ganz  das  gepräge  oberflächlicher 
compüation.  dieser  feldherr  xard  q>iXoTi^iav  Tf|v  uir^p  tuiv  '€XXi^- 
vuiv ,  äfia  bid  irpobociav  (cuvtcGcim^voc  fäp  fjv  E^Eij  TrpobObce- 
c8ai  aÖTiu  toüc  "QXiivac  in\  td  XaßeTv  GirraT^pa  irap'  auroO 
Trpdc  Td^ov)  ujc  dmjpiüi^voc  xe  tQ  iXtribi  toöttj  xa\  Ttji  euxuxi^fiaxi 
r(\k  iy  TTXaraiaTc  oux  ^^erpioirddei.  eine  ehrsucht  irnkp  touc  ''EXXti- 
vac  würde  ich  verstehen,  die  (mifi  tAv  '€XXyjvu)V  verstehe  ich  nicht, 
denn  iSge  auch  die  Vorstellung  zu  gründe ,  dasz  er  anstatt  in  der  Hellenen 
namen  persönlich  die  weihinschrift  des  delphischen  dreifuszes  abfaszte, 


96  F.  Böcbder:  kritik  des  Ahstodemos. 

wie  konnte  dies  als  Ursache  oder  anlasx  seiner  unbiDdigen  begierden  hin- 
gestellt werdeo?  uic  im^ivoc  usw.  recapltuliert  die  eingangs  genann- 
ten motive:  dem  gluck  von  PiaUi  wörde,  meine  ich,  9iXoTi^iav  Tf|V 
uirep  Tiuv  fpTWV  entsprechen ,  der  sloli  Ober  seine  kriegsthaten.  das 
medium  irpobiuc€c0at  ist  aufTillig;  ^irl  TÖ  XoßeTv  war  in  4m  Tip  zu 
indem ,  denn  proäitionis  praemium  cum  Xerxe  nuptias  fiUae  eius  pa- 
dsciiur.  ferner  hat  t€  einen  Tcrkehrten  plats  hinter  ^irqp^^voc,  es 
musz  mit  t1}  den  platz  tauschen,  im  folgenden  Tpiiroba  dvadcic  T^  4v 
A€Xq>Oic  'AiTÖXXuivt  diriTpafi^a  ^Tpcnpc  ^P^c  oötöv  toioOtov  wird 
a(rTÖv,  wofür  ich  lieber  den  dativ  sähe,  durch  den  gebrauch  von  im 
sonst  und  in  eben  dieser  angelegenheit  bei  Thukydides  entschuldigt  wer- 
den, dann  s.  355,  5  Tf|v  M^v  AoKUiviicf|V  biatTav  dnroreOetfidvoc, 
£iriTeTTib€imu)c  bk  t&c  toiv  TTcpcuiv  dc&nrac  q>op€iv  Kai  TTcpcticac 
rpanilac  irapaTeOet^dvoc  iroXiireXetc  die  fOoc  ^xcivoic,  während 
die  edilio  princeps  bei  AcncovtKfjV  und  iropaTedci^^vac  stehen  ge- 
blieben ist.   Thukydides  sagt  so  1 130  TpdireZav  TTepaxfiv  iraperiOero. 

S.  355,11  die  Lakedämonier  wollen  die  befestigung  Athens  nicht  zu- 
geben aus  neid  und  um  das  Wachstum  der  Stadt  zu  hindern,  dabei  sei  mir 
erlaubt  zu  den  Worten  irpöipactv  }xkv  iroioufievot  öp^iiTTJptov  eTvatTUC 
*Aenvac  Tuiv  fcTriTrXeövTUJV  ßapßdpuiv,  rö  6i  dX^Oec  q)eovouvT€C  Kai 
}ii\  ßouXö^evoi  TToXiv  au£T)Onvat  zu  erwähnen  dasz  ich  den  Verfasser 
anfangs  in  verdacht  nahm,  als  habe  er  das  von  seinem  gewährsmann  im 
ersten  glied  beigefügte  irdXtv  (el  irdXtv  'napa'X€)nfitlr\  und  recepiacula 
fuiuri  belli)  bei  flüchtiger  Verarbeitung  ins  zweite  glied  gebracht  aber 
auch  s.  357,  1  wiederholt  er  f]p£avTO  iräXiv  ol  *A9nvatoi  ofi&cOai: 
in  seinen  äugen  war  Athen  immer  grosz  gewesen,  der  tezt  fährt  fort 
oBc  0€]L4icTOKXt^c .  cuv^cei  ^uiqpdpiuv  KaTecTpai/jimccv  auriyv  rdv 
q)6övov.  wovon  soll  das  relativum  abhängen  ?  gewis  nicht  von  biotcpe- 
pujv.  das  rechte  ist  ö  bk  6€jüiicT0KXf)c 

S.  356,  8  der  Peiräeushafen  zerfällt  in  zwei  teile:  davon  heiszt  der 
eine  Munychia,  rä  bcgid  bk  ÖKpa  toO  TTcipatdiC  1)  ictiy  in  vöv  Aia 
KoXeiTat.  da  wir  erstens  einen  besondern  namen  für  den  von  Athen  aus 
rechts  liegenden  vorsprung  der  insgesamt  TTeipaievc  genannten  halbinsel 
und  zweitens  eine  bestimmung  erwarten  was  denn  'jetzt  noch'  dort  war, 
so  ist  die  lückenhafligkeit  des  satzes  von  selbst  klar,  für  das  erste  meine 
ich  dasz  der  Verfasser  den  namen  eines  der  drei  verschlieszbaren  hSfen, 
in  dessen  nähe  einst  die  Hippodamische  sUdl  lag,  den  namen  Zia  ve^ 
wandte,  über  das  zweite  belehrt  eine  vergleichung  Strabons  IX  1 ,  1^ 
s.  395  f.  ol  iToXXol  iTÖXcMoi  töv  TTeipaiä  cuvdcreiXav  €ic  ükifvy 
KaroiKlav,  xflv  ncpl  touc  Xi^dvac  Kai  xd  lepdv  xoO  Aide  xoO  ctJirrfl- 
poc ,  welches  heiligtum  wie  von  Strabon  so  auch  von  Pausanias  weiter 
behandelt  wird,  ich  ergänze  demnach  ^  icxiv  ^xi  vOv  Aide  [lepöv, 
Z^a]  KaXcixai.  der  ausfall  erklärt  sich  noch  leichter,  wenn  man  eine 
durch  mundartliche  lautverschiebung  bei  den  abschreibem  herbeigeführte 
vertauschung  des  namens  Zia  mit  Aia  annehmen  darf,  folgt  dxBoc  hi 
^cxiv  dv  rieipaiet  iq)*  8v  xd  xi^c  'Apx^^iboc  Updv  fbpuxai.  man  lese 
£9'  ip,  Peiräeus  steht  hier  für  die  ganze  halbinsel,  gemeint  ist  der  tempel 


F.  Bächeier:  kritik  des  Aristodemos.  97 

•der  manychischen  göttin.  zum  teil  abweicheod  Ton  Thukydides  II  13,  im 
ersten  punct  dbereinstimmend  mit  dessen  scboliasten,  gibt  unsere  quelle 
60  Stadien  fQr  die  ringmauer  der  Stadt,  80  fflr  die  ringmauer  des  Peirl- 
eus ,  40  für  die  mauern  von  der  Stadt  zum  Peiräeus ,  30  fflr  die  pbaleri- 
sche  mauer  an. 

S.  357,  2  durch  die  qxSpot  begannen  die  Athener  mSchtig  zu  wer- 
den ,  vaCc  T€  T^P  xaTeaceuaZov  *  *  ^  xPHM^^tuv  6T)caupoq>uXdKiov 
diroiricavTO  iv  Ai\kw  *  *  *  avra  ix  xfjc  AfjXou  rd  cuvox&^vra  jyi€- 
TeKÖfiicav  €ic  t&c  'Ä6rjvac  xai  xar^dcvro  dvröc  iy  äxpoiröXet.  an 
stelle  der  Sternchen  fehlen  in  der  liandschrift  ohngef9hr  je  18  buchstaben. 
zuerst  genügt  zum  verstSndnis  xal  CTpaTÖv  cuv^XeTOV  Kod.  hernach 
ergänzt  Wescher  TdXavra,  an  sich  nklbt  fibel,  nur  dasz  toi  cuvaxO^vra 
zu  nackt  hinterher  läuft,  dies  und  die  gleiche  zusammendrSngung  der 
tbatsachen  bei  Ne pos  Jrist,  3, 1  {Delum  commune  aerarium  esse  volue' 
runt^  quae  omnis  pecunia  postero  tempore  Jihenas  iranslaia  est) 
wird  meine  ergäuzung  öcT^ptfi  bk  XP^^vifi  ir]dvTa  ^k  tt^c  AifjXou  t& 
ciwaxB^vra  ^€T€KÖ^lcav  mehr  empfehlen. 

S.  357,  18  Pausanias  wird  nach  ermordung  der  tochter  des  Koro- 
nides wahnsinnig ,  erst  nach  langer  zeit  versöhnt  er  die  geister  der  er- 
mordeten KQi  o&ru)C  äiroKar^cTTi ,  wofflr  der  druck  dircKOT^cni  gibt, 
er  spinnt  seinen  Tcrrath  fort  und  gebraucht  dazu  den  Argilios,  denn  unser 
historiker  nimt  mit  Nepos  den  namen  als  efgennamen.  ö  bk.  'ApifiXtoc 
b€boiKtbc  Tiepl  auToO  (^ireibf)  t^P  oi)bi  o\  irpörepot  Tr€^<p0^vT€C 
iiir€VÖCTT|cav)  Tipdc  EipEvy  o6  napefiveio.  entweder  inexbri  oder 
yäp,  nicht  beides  zugleich.  iTretöV^Trep  war  dem  Verfasser  schwerlich 
eigen,  oübinw  "X&p  tragt  fOr  ihn  zu  viel  färbe  auf,  £k€i6€V  stünde 
schlecht:  so  tilge  man  t^p.  statt  irpörepot  war  irpÖTcpov  zu  seuen. 
Argilios  geht  nach  Sparta,  zeigt  den  verrath  an,  ^^CX€TO  b^  KOTdqX)-* 
pov  bei£€tv  TÖv  TTaucoviocv:  der  gewöhnliche  Schreibfehler  fflr  Kard- 
<ptupov,  das  Hesychios  erklSrt  ^XiiXcTM^vov  ^  q>ocv€p6v,  f\  KaTa9avT) 
Tcvöficvov. 

S.  358,  5  ergänzt  Wescher  7rapaT€VÖ^€V0i  Kttl  aÖTOl  [öirö  aurö 
TÖ  T^iüievoc  Kttl  öi]iTXf)v  aqvfiv  KaracKeudcavTCC  nicht  ganz  ge- 
schickt statt  ek  TÖ  aÖTÖ  oder  eic  toOto  tö  T^ftevoc.  Pausanias  kam 
zu  Argilios  xaX  dme}ii\iq>€JO  iv:\  tö  ^f)  xojuiicat  rdc  dTiiCToXdc  Trpöc 
H^pSriv,  fiXXa  ri  nvo  TCK^ifjpia  bleibet  xflc  npobodoc  wieder  war 
iv\  Tifii  zu  schreiben,  ob  bi€£|^et  die  rechte  Verbesserung  des  überliefer- 
ten bieSctv  ist,  zweifle  ich  sehr;  der  Verfasser  schrieb  wol  8>€i£6V. 

S.  358, 17  die  Lakedftmonier  nach  dem  beispiel  der  mutter  des  Pausa- 
nias 4vi{iKoböfir]cctv  TÖ  T^jüievoc  xal  Xi|üiii>  btaq>6apdvToc  xoC  TTauca- 
viou  dv€X6övT€C  T#|v  CT^T^v  ÖciXKUcav  toO  vooO  ?ti  djüiirv^ovTO.  nach 
▼ennauerung  des  gewöhnlichen  eingangs  geht  der  weg  aus  und  ein  durchs 
dach,  sollte  gesagt  werden  dasz  man  aufs  dach  stieg  um  den  sterbenden 
herauszuholen,  so  war  dveXOövTCC  inX  oder  allenfalls  cic  Tf|V  CT^TH^ 
zu  schreiben,  aber  die  übrigen  quellen  lehren  dasz  gesagt  war  dvcXöv- 
T€C  TJ^v  CT^TnV)  ^ie  bei  Thukydides  töv  öpcHpov  d9€tXov^  bei  Nepos 
tectum  sunt  demoUli.   darob  kommt  eine  pest  über  das  land,  6£o0  b^ 

JahrbBehor  ftlr  eUsa.  phOol.  1S68  hft.  2.  7 


98  P.  Bficbeier:  kritik  des  Aristodemos. 

XpiiicaVTOc,  lirav  ^tXdcuivrot  toOc  ba(^ovac  toO  TTaucaviou  irctu- 
tacOai  Tdv  Xoi^dv,  dvbpidvra  aönfi  äv^cnicav,  kqI  iitoucaro  6 
Xdfiöc.  die  gracitM  fordert  irai»C€c6ai,  dagegen  kann  Diemand  ent- 
flcbeideo  ob  der  autor  oder  seine  abscbreiber,  abweichend  von  Thakydides 
Diodor  Pansanias  welche  swei  bildnisse  bezeugen,  ävöptdvTa  statt  äv- 
bpidvrac  gesetzt  haben. 

S.  359, 16  f|  Twfl  ToO  "AbfAiJTOU  imideio  Gc^icroicXda  ipirdcai 
TÖV  ToO  ßaciX^tuc  natba  ist  der  unstatthafte  accusativ  vermutlich  durch 
das  folgende  dfmäcm  veranlasst  und  in  Ge^tCTOKXei  zu  verbesseni.  Plu- 
tarch  Thera.  24  ii\y  fwatxa  toO  ßaaX^uic  X^touciv  öiToe^c6ai  x^ 
Oc^tcTOKXet  TÖ  Ix^Teujuia  toOto.  auf  der  weitem  flucht  zur  see  i.  21 
iiavöOv€\JC€V  dXufvat  koü  irapaXTiq>M)vai,  ein  nahezu  pleonasiischer 
■ttsdruck  wie  s.357, 14  £iT€pövnC€  TrjV  KÖpr^v  xal  d7r^iCT£tV€V.  er  ward 
also  beinahe  aufgefangen,  NdSov  fäp  iroXcMoOvTuiv  'AOnvaiuiv  f|  vaöc 
f|  TOO  6€]UltCT0lcX^OVC  X€tfAUJVOC  dtnT€VOfi^vou  TTpociffreTO  T^  NÄi^. 
die  structur  sowie  die  sache  selbst  gebietet  iroXiopxoiJVTUJV  berznsleUen. 

S.  360,6  Themistokles  stellte  sich  dem  Artaxerxes  nicht  gleich  vor, 
sondern  nach  einem  jähr  und  nachdem  er  persisch  gelernt  TÖre  iTap€- 
Y^vcTO  Ttpdc  Tdv  *Afnü£ipir]v  kuX  tTii^}n\cty  aurjj»  Ttuv  rteptcciuiy 
Sc  dI>ÖK€t  KGtTcnr€6€tc8ai  de  töv  trar^pa  aJrroO  =^pHtiv,  X^uw  koi 
xtic  cumipiac  aörij)  xcvi^cccOat  aTnoc  ♦  ♦  »  iivac  tö  UöfVHL  Ver- 
besserung und  ergftnzung  liegen  auf  der  band:  zuvörderst  uir^fivnccv 
oÖTÖv  Tuiv  etE»€pTeadjv,  dann  Tf|c  cuinipfac  aövS^  T€TCvfic8ai  otnoc, 
in  der  Iflcke  von  etwa  20  buchstaben  stand  ÖT^Xilicac  Xuetv  ft^XXovrac 
ToOc  ^'CXXJnvac  TÖ  leQrfiia  oder  fthnlich  im  anschlusz  an  den  Wortlaut 
s.  351,  8  biiXiJüv  8m  mAXouciv  o\  *'€XXnvec  Xu€iv  tö  leürfiia.  folgt 
t5ir^qC€T0  5t,  el  Xdßoi  crpaTÖv  irap*  aöroO,  x^ip^cacOat  touc  'CAKt)- 
vctc  ö  hk  'ApTa£^p£f)c  . .  b^bunccv  aönji  crporöv  xal  rpetc  iröXeic, 
wo  noch  X€tpi6c€c6ai  und  £buiK€V  zu  corrigieren  bleibt 

S.  360,  19  wird  der  asiatische  feldzug  Rimons  und  die  schlacht  am 
Eurymedon  in  unmittelbaren  Zusammenhang  mit  dem  tod  des  Themistokles 
gebracht,  im  begriff  von  Magnesia  aus  gegen  die  Griechen  zu  ziehen  wird 
Themistokles  von  reue  befallen  und  tötet  sich  beim  opfer  zu  ehren  der 
Leukophryne  —  denn  diese  form  ergibt  sich  fOr  den  autor  wenn  man 
ifji  AeimcxppiJVi  'ApT^fiibt  aus  der  in  dieser  handschrifl  sehr  hflufigeo 
itacistischen  Schreibweise  zuröckflbersetzt  —  mit  stierblut.   o\  bt  *'QXr)- 

V€C  TVÖVT€C  TttÖTC  iEcöfuiKOV  TÖV  CTpOTÖV  TÖV  fifta  T<j>  ScpiCTOKkCI, 

Kai  irapaT€v6^€V0t  bk  ffvuicav  xal  dvTeirccrpdTCuov  tä  *ApTO- 
KpHq-  et&e^uic  T€  TÖc  luivixdc  xal  töc  Xotirdc  iröXeic  'eXXnviboc 
l\Xeu6^poiiv  'AOrrvaTot.  woraus  die  Hellenen  des  Themistokles  beer  ve^ 
treiben  wollten,  Uszt  der  historiker  wolweislich  bei  seKe ;  desto  schwerer 
ist  es  mit  Sicherheit  anzugeben  woraus  das  tolle  ftvwcav  xal  verderbt  ist 
den  anderen  berichten  entspricht  am  meisten  das  allgemeinere  cic  T^v 
*Ac(av ,  aber  die  combination  unsers  Verfassers  und  die  bandsohrifüiche 
lesung  zeugt  nach  meinem  urteil  dafflr  dasz  er  frischweg  geschrieben  Kod 
irapatevÖMCVot  bt  €k  MorvTiciav  dvTCirccTpdTCtiov,  indem  er  diese 
stadL  iTfhc  Tf)c  'CXXdboc  s.  360,  15,  sich  wie  ein  tbor  Asiens  dachte. 


F.  Bücheler:  krilik  des  Arislodenios. 

S.  361, 13  Megabyzos  wird  von  ArUxenes  gegen  die  atlSc&e  llblle 
in  Aegypten  geschickt  ibp^rm^vuiv  TUiv  'AOi|vaiuiv  iv  tQ  icoXou|i^vg 
TTpocuiiriTibt  vncqj  ini  tivoc  irora^oC.  das  verbum  Ist  verkehn,  der 
Grieche  hatte  die  wähl  s wischen  dipfiriKÖTUiv  (vgL  s.  360,  2  ö  Kußcp- 
v/rnf)C  &ppa\cev  iiA  cdXou)  oder  dip^igi^vuiv  was  der  handsdirilt  am 
Dlchsten  kommt  der  Perser  leitet  den  fluss  ab  and  setst  die  flotte  aoli 
trockene.  ^KTpairetcuiv  l>k  N  vriu^v  'Attikuiv  npocirXcouct&v  tQ 
Altunrip  ol  irept  töv  Meyiißiii^ov  xod  Taurac  irop^Xoßov.  hier  isi 
diorpaiietcuiv  vei&v  unverstAndlich :  von  Aegypten  wenigstens  wendeten 
sie  sich  nicht  ab;  dasz  50  schiffe  dorch  verirrung  auf  Aegypten  susegel- 
ten war  gewis  auch  nicht  die  meinung  des  schriltstellers,  sie  waren  nach 
Thukydides  ffir  Aegypten  bestimmt  als  bidöoxoi  und  legten  dort  an  oäx 
€lbdTec  Twv  T€T€vrm^vtuv  oihly.  war  oök  ivrpairetcuiv  bi  N  V€<&v 
das  ursprüngliche:  *indem  'sie  das  unbeachtet  Üeszen'? 

S.  362,  14  nach  Kimons  tod  wflhlen  die  Athener  zum  Strategen 
KoXXiav  TÖV  dnitcXficiv  XcuocÖTrXouTOv,  direl  dncaupöv  evpdiv  dv 
MopaOiIlivt  dveXö^evoc  auröv  dirXouTr|C€v.  so  der  herausgeber  rieh- 
tig,  nur  dasz  in  dem  überlieferten  TÖ  dirficXtv  nicht  jene  Ungere  form 
sondern  dTrlKXfiv  liegt  Kallias  schlieszt  mit  den  Persern  den  berufenen 
frieden  liii  Tokb€*  iq>*  (b  ivröc  Kuav^tuv  Kai  N^ccou  irorofioO  kqI 
4>adiXiboc  (f^Tic  dciiv  iröXic  TTofiq^uXiac)  ical  XeXibovduiv  yi\  ibia- 
Kpoic  ttXoioic  KarairXduici  TTdpcm  Kod  dvröc  Tptujv  fiMCpiDv  6boö  f)v 
by  ftnroc  dvoicg  öiuixö^evoc  fif|  Korfuictv.  keineswegs  gehört  dvTÖc 
zu  öboO,  sondern  dvTÖc  Tpiuiv  fmepuiv  \ii\  xandvat  bestimmt  die 
grenzen  des  landbereichs  im  gegensatz  zu  ivröc  Kuavduiv  Mf|  Korra- 
TrXeTv,  gleich  als  ob  ivtöc  ''AXuoc  iroTa|K>0  dastünde;  das  zwischen- 
stehende dient  dazu  den  begriff  des  tages  nach  umfang  und  Inhalt  ge- 
nauer zu  bezeichnen,  wozu  der  Grieche  den  objeclsaccusati?  verwendet, 
daher  erachte  ich  öböv  für  nötig,  und  gerade  so  drückt  Diodor  XII  4 
s.  481  sich  aus  |üir|  xoraßatveiv  dirl  OdXarrav  xaTUixdpui  Tpiwv  fme- 
ptiiv  öböv,  wahrend  andere  bekanntlich  in  diesem  vertrag  die  formet 
imrou  bpÖMOV  f^dpac  |if|  xaToßaiveiv  oder  dir^x^iv  Ti)c  OaXdrnic 
repetieren,  endlich  ist  dvoicg  durch  vulgflre,  Griechen  und  Lateinern 
gewohnte  ausspräche  aus  dvuci}  entstanden. 

S.  363,  4  Aaxebaijiövtot  d9eXö^€vot  Otuxduiv  t6  iv  A€Xq>otc 
tepdv  irapdbocav  Aoxpoic  xal  d(p€Xö^€vot  atirroCic  dirdbocav  ndXtv 
TOTc  OtXJxeOav.  dasz  die  Lokrer  statt  der  Delphier  genannt  werden, 
dieser  irtum  scheint  durch  flüchtige  einsieht  des  Originals  hervorgerufen, 
wenn  dort  wie  bei  Thukydides  I  113  aus  derselben  zeit  erzfthlt  war  dasz 
auch  die  opuntischen  Lokrer  hftndel  mit  Athen  hatten,  aber  nach  xal 
fehlt  'AOT]vatoi  ohne  des  Verfassers  schuld,  vom  abschreiber  übersprun- 
gen,  die  doppelle  structur  von  dq^eXö^cVOl  gewährt  keinen  anslosz. 

S.  363,  12  die  Athener  schiffen  um  die  Peloponnesos ,  nehmen 
Gythion  ein  xal  ToX^ibr|C  x^touc  Ixuiv  'A9iiva(ouc  £thX^ktouc  bi- 
^X6£  if|V  TTeXoirövVTicov.  meines  wissens  erzählt  so  abenteuerliches 
nur  Aeschines  irepl  iropairpccßeiac  %  75  Tf|V  ToX^ibov  crponiiriav 
Sc  xtXiouc  intX^QUc  Ixtuv  'Adnvaituv  bid  iUa\c  TTeXottowi^ou 

1* 


100  F.  Bficbeler:  krilik  des  Aristodemos. 

noXcMiac  oöoic  dbäic  bitf^i.  hier  gegen  den  schlusz  der  penlekon- 
U«ie  schrumpft  die  oboebln  sommarische  dvsteUung  noch  mehr  zusam- 
BMn,  die  sUzchen  werden  so  knapp  und  klein  wie  man  sie  iu  den  perio- 
chae  oier  prologi  findeu  nach  erwähnong  des  SOjabrigen  walTensüU- 
sundes  faeiul  es  s.  363, 15  ti?.  TCCcapccKOiöocdrui  bk  «tci  'Aenvoto. 
C^ov  itoXiopKiicovTec  ciXov  CTpomjToOvToc  aöxdiv  ITepMcX^uc 
wd  öeMiCTOKX^ouc  der  singular  des  particips  bei  doppeltem  nomen 
war  ebenso  schon  s.  362,  7  gebraucht  CTpoTTrroOvTOC  ain&v  ToXmI- 
öou  KOI  Mupumbou.  den  namen  des  ThemistoUes  aber  haben  abschrd- 
ber  eingefahrt  för  Co90kX^ouc:  denn  die  fama  von  der  gemeinschan- 
Uchoi  »trategie  dieser  beiden  minner  erhielt  sich  lange  und  risz  noch  dea 
Justinus  lU  6  zu  enthusiastischer  Movta  fort  (adpertu*  lantam  tempa- 
totem  beut  duos  dueet  deügunt  Periclem  spectatae  virtutü  vinm  et 
Sophoelem  scriptorem  tragoediarum,  qm  diviso  exercitu  et  Spartano- 
rum  agrosvastaverunt  et  multat  Mine  eivitates  Athenietuium  impem 
^eeruM).  wenn  unser  hisloriker  dann  forlfthrt  Mn  demselben  jalire 
wird  auf  diese  weise  der  waffenstUlsUnd  gebrochen',  so  kann  man  oöru» 
nur  dahm  verstehen  dasz  nach  seiner  auffassuug  der  samische  krieg  den 
peloponnesischen  zur  folge  hatte,  und  dies  wird  bestätigt  durch  d» 
nächste  es  werden  aber  in  betreff  des  kriegs  noch  mehr  Ursachen  be- 
richtet,   folgt  die  erste  urwche,  des  Perikles  miUeidenschaft  bei  Pheidias 

ü?.^^""."  "k  ^".'"i«'«"«  »">  heschlus«  gegen  die  Megarer,  bezeugt 
dureh  Anstophanes  frieden  603-611  und  Achamer  524-534.  wäh- 
rend im  ersten  ciUt  Diodor  XI  40  s.  505  zwei  verse  auslSszt,  streicht 
ArMtodemos  nur  den  flberflQssigen  vers  608;   auch  seine  handschrift 

Th  «X!  *  r  .•"1?^'"'  ^"  '"  "^vtiT6C  geändert  werden  sollte;  sie 
stellt  605  J^pEoT  omflc  wie  Seidler  gegen  die  Aristophanes-handscbrif- 
len  und  Diodor  und  variiert  zu  ende  von  610  in  dicr'  ^k  toO  KOirvoO; 
die  übrigen  abweichuugen  sind  werthlos,  eine  correctur  wie  die  des  her- 
ausgeben zu  604  in  Deutschland  verpönt,    das  erste  citat  wird  eingelei- 

rmrti\c  X^T«»v  OUTWC,  das  zweite  mit  Koi  irdXiv  önoßdc,  wo  mir  des 
participiums  bedeutung  ganz  unklar  bleibt,  ob  es  das  zurückgehen  auf 
die  ents  ehung  des  megarischen  psephisma  oder  gar  ein  heruntersteigen 
in  Jsthetisch-sittlichem  sinn  vermerken  soll,  das  Achamercitat  gibt  unser 
Verfasser  ungleich  vollständiger  als  Diodor  und  Plutarch  Per.  30,  von 
denen  der  erstere  es  mit  versen  des  Eopoiis  vermengt,  eine  Verwechslung 
die  auch  Cicero  im  orator  $  29  begangen  hatte,  aber  auf  Atticus  erinne- 
rung  berichtigte  (ad  AU.  XII  6,  3),  die  ich  daher  auf  einen  von  beiden, 
benutzten  hisloriker  zurückführe,  nicht  für  einen  eigentümlichen  gedJcbt- 
nisfebler  eines  jeden  halte.  Ach.  524  erscheint  hier  in  der  kritisch  lehr- 
reichen gestalt  nöpvnv  €lc  ^^le^v  loOcov  MetopÖ«,  527  iröpvoc  suti 

^  l\^!  ^'  v''''l"='''  ®28  lyQivb'  b  ii6\qioc  ipupav&c  Korep- 
p*m,  530  i-vQlMbi  tiivToi,  531  richtig  flcxpanr'  ißpövra,  533  und 
Ö34  zusammengezogen  in  «inen  vers  die  xp^  Mefop^ac  M^f  ^v  &(0f4 
m  €y  «^neipqi  ji^veiv ,  woraus  folgt  dasz  Aristodemos  den  vers  633 
Aesser  las  als  wir,  nemlich  Mifrr*  tv  dfop^  [jxfrre  f«  |  tiip"  iv  GoXAno] 


••     ••?    •'• 


•  •••   •  • 


F.  Bücheier:  kritik  des  Aristodemos.  101 

}ifti\  —  Als  zweite  Ursache  wird  die  angelegenbeit  der  Kerkyräer  und  Epi- 
damnier  aufgeführt  s.  365,  11  mit  diesem  anfang  '€iriba^voc  fjv  nöXic 
KcpKupaiuJV,  äiroiKOC  bk  f)  K^pKupa  KopivOiunr ,  wo  dnoiKOC  hinter 
TTÖXic  ausgefallen  ist,  vgl.  s.  366,  1  TToTtbaia  iröXic  diroiKOC  Kopiv- 
diu)V  f)V.  die  KerkyrSer  In  not  £iTejLii|iav  irepl  cv^iaxioc  npöc  'A^- 
vaiouc  IxoYTtc  ttoXu  vaunKÖv '  ö^oiuic  bk  kqI  oi  Kop(v8iot  £T^e^- 
t|iav  TTpöc  *A6iiva{ouc  dSiouvrec  ^airroic  xal  |if|  rote  KcpKupaioic 
ßor\Qeiy  aurouc  die  mit  lir€^i|iav  verbundenen  partidpialsAtze  haben 
den  zweck  den  antrag  eines  bflndnisses  zu  begründen,  gewissermaszen 
ein  nadiklang  der  betreffenden  reden  bei  Thukydides.  .  dem  d£ioCvT€C 
war  nicht  die  thatsache  an  sich,  ^x^vrec,  gegenüber  zu  stellen,  sondern 
die  berufung  auf  diese  ihatsache,  Xdyov  ^x^vrec  tö  itoXu  vauTiKÖv 
oder  irap^xovT€C  iroXu  tö  vo^utiköv.  der  zweck  des  schrifutellers, 
der  dem  Wortlaut  des  Thukydides  I  33 ,  1  und  44 ,  2  zu  folgen  scheint, 
wird  genügend  erreicht  durch  die  Schreibung  die  ^x^vrec  noXu  vauTi- 
k6v.  —  Dritte  Ursache  war  PotidSa,  colonie  der  Korinthier  im  6p(jiicnC' 
^it\  launic  ^ire^Hiav  'AOnvaToi  ßouXöjievoi  irapoXaßcTv  aÖTTJv.  auf 
die  Stadt  bezieht  sich  TauTric,  nicht  auf  Thrakien,  der  genetiv  ist  durch 
assimiJation  an  ^irl  6p<jiKiic  hereingekommen ,  der  schriAsteller  konnte 
nur  im  tocuttiv  schreiben,  die  PolidSaten  schlössen  sich  an  die  Korintliier 
an,  deshalb  schlugen  sich  Athener  und  Korinthier  xai  d£6iroXi6pKr)CCCV 
oi  'AOilvaToi ,  wonach  die  vierte  Ursache  eingeführt  wird,  sachliche  Ver- 
kürzung stand  in  des  autors  belieben;  um  ihn  gegen  den  Vorwurf  sprach- 
licher Verstümmelung  zu  schützen ,  ist  es  nötig  nach  'Adnvatot  den  aus- 
fall  mindestens  von  Tf|v  iröXtv  oder  Tf|V  TToTibaiav  anzunehmen. 

Nachtrag,  von  hrn.  Schaefer  (oben  s«  83}  nehme  ich  s.  356,  9 
den  namen  Eetioneia  oder  wie  der  Verfasser  geschrieben  haben  wird  'He* 
Tiurvta  an,  welchen  ich  in  der  lücke  zu  substituieren  bäte  —  wenn  sich 
mir  jetzt  nicht  das  ganze  ^  icAv  ^Ti  vOv  Aia  als  teuschung  d.  h.  ledig- 
lich aus  ^HenuiVia  verschrieben  und  interpoliert  erwiese,  wie  der  ab- 
schreiber  mit  namen  sich  abfand,  lehrt  schon  die  nöpvii  cic  liiBr\v  ioOcct 
statt  des  namens  Simaitha.  also  TOt  beSid  bi,  Äcpa  toO  TTeipmAic 
'Heriurvta  xaXeiTai:  sie  datur. 

Gbsifswald.  Franz  Büohblbb. 

19. 
ABETE  IN  DER  ODTSSEE. 

Die  Untersuchung  von  W.  Hartel  in  der  z.  f.  d.  ost.  gymn.  1865 
s.  317 — 343  führt  zu  dem,  wie  mir  scheint,  gesicherten  ergebnis,  dasz 
dem  mittleren  teile  unserer  Odyssee  vom  fünften  bis  hi  den  dreizehnten 
gesang  hinein  nebst  dem  anfange  des  ersten  allerdings,  wie  Rirchhoff  er- 
kannte, zwei  ursprünglich  selbständige  epen  von  der  heimfahrt  des  Odys- 
seus,  ein  älteres,  die  kröne  der  gesamten  epischen  poesie  der  Griechen, 
und  ein  jüngeres  und  weit  schwächeres,  zu  gründe  liegen,  dasz  aber  das 
letztere  wesentlich  anders,  als  Kirchhoff  es  sich  dachte,  gestaltet,  eine 


102  F.  Sitsenubl:  Arele  in  der  Odyssee. 

nachahmuog  des  ersteren  und  demselbeD  Susserlich  auch  darin  Ähnlich 
war,  daaz  es  gleichfalls  eine  selbslerzShlung  der  fräheren  abenleoer  d«s 
Odysseos  vor  den  ?ersamnielten  PhAaken  enthielt,  aulbllend  ist  mir  aber, 
dasz  auch  Harteis  aufmerfcsamkeit  ein  ponct  entgangen  ist,  auf  den  ich 
mit  wenigen  Worten  die  erwäguog  der  forscher  auf  diesem  gebiete  hb- 
lenken  möchte,  so  oft  ich  nemlich  die  angegebenen  teile  der  Odyssee 
las,  immer  erregte  es  mein  erstaunen,  dasz  der  erwartung,  welche  dte 
empfehlung  der  Nansikaa  l  304 — 315,  Odysseus  solle  sich  nicht  an  AI- 
kinoos,  sondern  an  Arete  als  flehender  wenden  —  denn  wenn  er  die  mut- 
ter  für  sich  gewinne,  werde  auch  der  vater  ihm  schon  zu  willen  sein  — 
notwendig  erregen  musz,  der  weitere  verlauf  der  darstellung  doch  so 
gar  nicht  entspricht,  teuscht  mich  nicht  alles ,  so  musz  es  nach  dieser 
anläge  bei  dem  dichter  des  ftltem  nostos  Arete  gewesen  sein,  welche  deo 
Odysseus  zu  ilirem  schfltzling  machte  und  seine  eutsendung  gegen  eia  ge- 
wisses widerstreben  ihres  gemals  durchsetzte,  in  unserer  beutigen  Odys- 
see dagegen  thut  sie  nichts  für  ihn,  was  der  rede  werth  wäre  und  was 
ihr  ein  inneres  recht  gäbe  sich  seiner  gerade  als  ihres  gastes  zu  rflh- 
men,  wie  sie  dies  X  336  IT.  thut,  neben  dem  blosz  ftuszern  umstände) 
dasz  er  gerade  an  sie  sich  als  flehender  gewandi ,  da  doch  nicht  sie  sein 
flehen  erhört  hat.  Oberhaupt  bleibt  sie  eine  durchaus  farblose  figur,  die 
ausserdem  nur  noch  r\  236  ff.  und  6  442  fl*.  mit  wenigen  werten  redend 
auftritt,  die  an  der  letztern  stelle  gesprochenen  werte  gehörten  (wieKöcbly 
erkannt  hat)  ursprünglich  an  einen  andern  ort,  zu  der  abschiedsscene,  aber, 
wie  aus  448  erhellt,  nicht  des  Altern,  sondern  des  jQngem  epos.  die  an 
der  erstem  stelle  führen  uns  gerade  an  jenen  wendepunot,  an  welchem 
unsere  durch  den  ratb  der  Nausikaa  erregle  erwartung  schifl1>ruch  leidet, 
und  vielleicht  ISszt  sich  nun  gerade  von  hier  aus  ein  gewisses  licht  auf 
ein  dunkel  werfen,  weiches  die  bisherige  forschung  zu  zerstreuen  nicht 
vermocht  hat. 

Irre  ich  nicht  sehr,  so  hat  Köchly  (de  Odysseae  carminibus  diss.  I 
s.  30  vgl.  III  8.  14  f.)  richtig  gesehen,  dasz  die  anwesenheit  der  phSaiu- 
sehen  edlen  beim  eintritt  des  Odysseus  in  den  königspalast  nicht  zum  ur- 
sprünglichen bestände  der  dichtung  gehört,  er  kommt  dem  von  mir 
geäuszerlen  anstosz  bereits  sehr  nahe,  indem  er  bemerkt  dasz  jetzt  weder 
Alkinoos  noch  Arete  von  selbst  den  flehenden  aus  der  asche  aufheben, 
sondern  dasz  dies  erst  auf  den  tadel  des  Echeneos  geschieht,  und  dasz 
Arete,  weit  entfernt  den  Odysseus  zu  beschützen,  erst  nach  enlfemung 
der  Phfiakeohäupter  den  mund  öflhet,  um  den  gast  zu  fragen,  wie  er  denn 
zu  den  von  ihr  als  ihr  eigentum  erkannten  kleidern  gelangt  sei.  in  der 
that,  Köchly  brauchte  diesem  gedankengange  nur  noch  einen  einxigen 
schritt  weiter  nachzugehen,  um  zu  erkennen,  wie  auflTaliend  es  nach  der 
durch  Nausikaa  erregten  erwartung  sein  musz ,  dasz  auch  nach  der  von 
Odysseus  erteilten  antwort  nicht  Arete  seine  sdiützerin  ist,  sondern  kein 
wort  weiter  zu  sagen  braucht ,  weil  es  dieses  Schutzes  gar  nicht  bedarf, 
vielmehr  Alkinoos  ohne  weiteres  dem  beiden  verspricht,  was  er  wünscht, 
die  sonstigen  von  Hartel  gegen  diese  ganze  partie  r\  240 — 333  erhobe- 
nen elnwendungen  will  ich  hier  nicht  wiederholen,   um  so  weniger  aber 


F.  Saaemihl :  Arete  in  der  Odyssee.  103 

hat  man  sich  vor  dem  Schlüsse  zu  scheuen,  dasz  wir  die  echte  ant- 
wort,  die  Odysseus  in  dem  altern  nostos  gab,  und  die  echte 
erzählung,  wie  sich  an  dieselbe  dort  die  erhörnng  seiner 
bitte,  das  von  ihm  erlangte  rersprechen  seiner  heimsen- 
dnng  knüpfte,  nicht  mehr  besitzen,  davon  aber  bin  ich  über- 
zeugt, dasz  sich  aach  dort  Odysseus  nicht,  wie  Kirchhoff  zu  beweisen 
gesucht  hat,  sofort  zu  erkennen  gab  und  seine  abenteuer  voilstindig 
erzählte,  auszer  den  gegengründen  von  Hartel  spricht  dawider  auch  noch 
d^r  umstand,  dasz  damit  Odysseus  ganz  aus  seinem  Charakter  heraus- 
gefallen und  vielmehr  in  der  that,  wie  Lehrs  (de  Aristarchi  stud.  Hom. 
2e  aufl.  8.  438)  es  nur  etwas  allzu  schroff  ausdrückt,  'ein  gimpel'  wSre. 
konnte  er  denn  wissen ,  ob  nicht  gerade  sein  name  und  die  bekanntschaft 
seiner  person  ihm  schaden  und  seine  v^nsche  vereiteln  werde?  muste 
ihm  also  nicht  vielmehr  alles  daran  liegen  das  versprechen  der  heimsen- 
duDg  als  ein  noch  unbekannter  zu  erlangen?  gewis,  die  Phflaken  waren 
keine  Ryklopen,  das  konnte  er  bereits  von  der  begegnung  mit  Nausikaa 
her  wissen ;  aber  wie  viel  die  vorläufige  kluge  Zurückhaltung  mit  dem 
namen  nützen  und  ihn  auf  alle  falle  sicher  stellen  konnte ,  das  hatte  er 
gewis,  wenn  er  es  sonst  noch  nicht  wüste,  von  seinem  abenteuer  mit  dem 
Kyklopen  zu  gut  gelernt,  um  nicht  die  veränderte  anweudung  derselben 
för  die  veränderte  Sachlage  sich  unter  allen  umständen  offen  zu  hallen, 
nnd  so  zweifle  ich  denn  auch  eben  so  wenig  als  Köchly  daran ,  dasz  dem 
groszen  dichter  des  alten  epos  auch  jene  hochpoetische  motivienmg  der 
erkennung  im  achten  gesange  wirklich  angehört,  mag  man  sie  nun  nach 
ausscheidung  von  98—520  lieber  durch  83 — 97  oder  durch  521—536 
anknüpfen  wollen,  und  jetzt  erst  schwinden  die  bedenken,  welche  noch 
Bartel  dagegen  hegt,  dasz  die  selbsterzählung  auch  bei  ihm  sich  ebenso 
anschlosz  wie  der  neunte  gesang  unserer  Odyssee  nach  jener  ausschei- 
dung  und  nach  fernerer  beseitigung  aller  derjenigen  stücke  In  den  späte- 
ren bfichem  ,^  durch  welche  sonst  noch  die  abfahrt  des  Odysseus  auf  den 
abend  des  dritten  statt  des  zweiten  tages  nach  seiner  ankunft  ausge- 
dehnt wird. 

Wer  ist  denn  aber  der  urheber  jener  verse  ri  240—3337  entweder 
können  sie  doch  nur  ein  werk  des  Überarbeiters  sein  oder  aus  dem  jün- 
geren nostos  stammen,  ersteres  ist  schon  deshalb  unwahrscheinlich, 
weil  der  Überarbeiter  ja  dann  die  entsprechende  partie  in  seinen  beiden 
originalen  verworfen  hätte,  und  wäre  er  wirklich  hier  so  selbständig  zu 
werke  gegangen,  so  würde  er  wahrscheinlich  sich  wol  gehütet  haben 
den  Alkinoos  die  entsendung  schon  auf  den  folgenden  tag  (317  f.)  fest- 
setzen zu  lassen  und  sich  die  mühe  gespart  haben  durch  die  flickverse 
X  333—384.  V  10—28  (s.  Köchly  diss.  lU  s.  14  f.)  dies  erst  wieder 
rückgängig  zu  machen,  trotzdem  würden  wir  uns  freilich  hierbei  beruhi- 
gen müssen,  wenn  wir  genötigt  wären  alle  diejenigen  verse  ans  den  vor- 
aufgehenden  partien  von  t),  welche  bestandteile  des  altem  epos  nicht 
gewesen  sein  können,  diesem  jungem  zuzuweisen,  wie  z.  b.  das  gerade 
hier  ins  rohe  ausgemalte  pantoffelregiment  der  Arete  (69  ff.)  und  die 
Schilderung  aller  der  berlichkeilen  103 — 131,  tlie  doch  Odysseus  lange 


104  F.  SasemihI:  Arete  in  der  Odyssee. 

nach  Sonnenuntergang  (289)  nicht  mehr  sehen  konnte,  allein  nichts 
zwingt  zu  dieser  annähme,  Welmehr  wird  auch  hier  wie  sonst  mehrfach 
der  rfaapsodeninterpolaüon  ihr  Spielraum  Terbleiben  müssen. 

In  diesem  jungem  epos  also  erwachte  Odrssens  am  tage  nach  seiner 
landung  auf  Scheria  erst  mit  Sonnenuntergang  (289,  anders  Z  321).  hier 
badete  ihn  Nansikaa  selbst  im  flösse  and  gab  ihm  selbst  die  kleider  (296), 
eine  abweichung  ron  l  210 — 222,  wo  Odysseus  nicht  einmal  im  ange- 
sieht  der  mägde  baden  will ,  die  um  so  bemerkenswerther  ist ,  da  auch  in 
der  Telemachie ,  einem  gleichfalls  jfingem  und  ▼ielleicht  diesen  zweiten 
nostos  an  alter  nicht  Oberragenden  gedichte  (s.  darfiber  Hartel  a.  o.  1864 
a.  499  tr.) ,  Nestors  tochter  das  badeu  des  Telemachos  eigenhändig  be- 
sorgt (t  464  ff.),  hier  war  es  Odysseus ,  der  sich  von  Nausikaa  nidit  in 
die  Stadt  begleiten  lassen  will  (304  ff.),  aus  denselben  gründen  die  l 
262 — 288  vielmehr  sie  dafflr  angibt  ihn  nicht  bis  dahin  mitzunehmen, 
hier  bedurfte  er  daher  im  duukeln  noch  der  führung  der  Athene  (18 — 68). 
hier  traf  er  wahrscheinlich  die  PhSakenfiirsten  wirklich  bei  Antinoos,  ja 
gab  auch  wol  selbst  seine  vorläufige  erzUhlung  240  ff.  noch  in  ihrer  ge- 
genwart ,  so  dasz  er  sich  bei  der  zweiten ,  ausfahrlichen  auf  jene  zDröck- 
beziehen  konnte,  indem  er  anders  als  jetzt  in  der  Odyssee  und  schon 
in  dem  altern  nostos  bereits  bei  ihr  dieselben  zuhörer  gehabt  hatte  (p 
450  ff>)-  dasz  Antinoos  es  errathen  rousz,  warum  Odysseus  die  frage  der 
Arete,  wer  er  sei,  noch  nicht  beantworten  will,  und  in  hoher  gastlichkeit 
demgemSsz  ihm  zuvor  das  versprechen  der  heimsendung  gibt ,  und  auch 
dann  noch  ihn  nicht  sofort  weiter  ausfragt,  ist  vielleicht  eher  eine  fein- 
helt  als  ein  fehler;  dasz  aber  der  dichter  auch  sein  publicum  dies  rathen 
laszt,  ist  allerdings  eine  schwäche,  wie  sie  dieser  jüngere  dichter  mehr- 
fach an  den  tag  legt,  s.  Hartel  a.  o.  1865  s.  330  ff.  wie  dann  hier  die 
endliche  erkenntnis  vermittelt  wurde,  darflber  iSszt  sich  eine  wenu  schon 
unsichere  mutmaszung  auch  noch  aufstellen,  gewis  nemlich  hindert 
nichts  an  der  annähme,  dasz  auch  die  verse  6  98  —  265.  370 — 416  in 
ihrer  hauptmasse  aus  dem  jöngern  nostos  stammen,  dann  aber  konnte 
die  ftuszerung,  die  dem  Odysseus  6  219  f.  entfahrt,  mindestens  sehr  füg- 
lich den  anlasz  zu  einer  erneuten  frage  an  ihn  bieten. 

Fragt  man  aber,  ob  denn  der  öberarbeiter ,  der  zusammenföger  un- 
serer heutigen  Odyssee,  einen  anlasz  dazu  haben  konnte  die  in  rede  ste- 
hende partie  lieber  aus  dem  jungem  epos  zu  entnehmen,  so  laszt  sich 
wenigstens  die  mdglichkeit  nicht  leugnen,  dasz  die  aufnähme  derselben 
aus  dem  altem  ihn  vielleicht  daran  gehindert  hatte  auch  6  98—416  sei- 
ner alMicht  gemasz  in  seine  composition  einzureihen,  ohnehin  aber  lästt 
sich  vielfach  der  zweck  seines  Verfahrens  nicht  mehr  absehen,  z.  b.  warum 
er  zwei  slQcke,  die  erst  der  abschiedsscene  angehörten,  eins  aus  dem 
jungem  und  eins  wol  aus  dem  altern  nostos,  das  obige  6  438 — 448  und 
0  457  —  468,  schon  dem  achten  gesange  eingefügt  hat.  vermutlich  io5 
dem  altern  sind  in  der  von  uns  genauer  besprochenen  partie  die  verse 
r\  251 — 258,  s.  jedoch  Lehrs  a.  o. 

Gbbifswald.  Fbakz  Subbmihl. 


J.  M.  Suhl:  anz.  v.  Thukydides  erklärt  von  J.  Glassen.  3r  band.     105 

20. 
ZUR  LITTERATUE  DES  THUKYDIDES. 


1)  Thukydidbs  brklakt  von  J.  Classeh.  dritter  band:  drit* 
TBS  BUCH.  Berlin,  Weidmannflche  buchhandlung.  1867.  IV 
u.  202  8.  8.  .     ^ 

Da  das  urteil  über  werlh  nnd  bedentung  der  Glassenschen  Thukydides- 
ausgäbe  jetit,  nachdem  die  beiden  ersten  bflcher  schon  iSngere  zeit  er- 
schienen sind  [vgl  jahrb.  1863  s,  396—417. 461—480. 1866  s.  209— 
220] ,  im  allgemeinen  ziemlich  feststehen  musz ,  so  darf  ich  bei  der  be- 
sprecbiiBg  des  dritten  buches  darauf  Terzichten  alles  dasjenige ,  worin  C. 
die  khCik  und  exegese  des  geschichtschreibers  gefördert  hat,  vonslSndig 
aufzuführen,  und  mich,  was  die  anerkennenswerthen  und  sichern  ergeh- 
niaae  seiner  forschung  anbetrilft,  darauf  beschrSinken  auf  einzelnes  hinzu- 
welsen,  was  entweder  besonders  beachtenswerth  erscheint  oder  zu  einer 
ergänzenden  bemerkung  anlasz  gibt  im  übrigen  genüge  das  allgemeine 
urteil,  dasz  der  rorliegende  band  sich  in  würdiger  weise  den  beiden  ersten 
anschiieszt.  —  In  kritischer  bezlehung  mache  ich  besonders  auf  folgende 
steilen  aufmerksam,  an  denen  mir  G.  das  richtige  hergestellt  zu  haben 
seiieint:  12, 1  ö  t€  Totc  äXXoic  |idXicTa  eövoia  [iricTiv]  ßeßaioT,  12, 
3  Kcd  dvTijieXXflcat  n  Äei  fmäc  öc  toO  öjioCou  ^tt*  ^kcCvouc 
iöfoi  (die  lesart  dvTeirifieXXf^cai  ist  unmöglich ,  weil  diri  bedeutungslos 
wäre  und  die  altere  gräcilät  kein  irnjuiÄXu)  kennt),  22,  3  ^€T4  bi  aÄrdv 
Ol  dnö^€VOl  .  .  dx»i»pouv,  ^Trcira  ipiXo\  fiXXot .  .  dv^ßaivov, 
34,  3  TiÄv  h  Tip  biarcixCcfian ,  38,  1  scheint  mir  die  Vermutung, 
dasz  fidXtCTK  Tf|v  Tijiuipiav  [dva]Xafiß<iv€t  zu  lesen  sei,  in  hohem 
grade  wahrscheinlich,  ebenso  würde  ich  das  von  C.  53,  2  vorgeschlagene 
dl  TÄ  ^fev  d\r\Qf\  drroKptvacGai  dvavxiov  T^YveTai  sehr  gern  im 
texte  lesen;  zu  billigen  ist  auch  66,  2  XÖTOic  T€  ireCeeiv,  68,  3 
^viauTÖy  jLi^v  Tiva  [enßaioi]  Mefap^ujv  dvbpda.  —  Was  die  exege- 
tische Seite  anlaugt,  so  kann  ich  gegenüber  der  reichhaltigkeit  des  com- 
mentars  nur  beispielsweise  einige  wenige  stellen  hervorheben ,  für  die  C. 
«ine  genauere  und  richtigere  interpretalion  gegeben  hat.  so  ist  4,  6 
OÖToic  £npaccov  richtig  erklärt:  *sie  unterhandelten  mit  ihnen»,  10,  1 
erwiesen  dasz  zu  cl  |if|  jutct'  dperfic  bOKOucric  ic  dXXrjXouc  tItvoiyto 
als  subject  <piXla  xal  KOivuivia  gedacht  werden  musz,  10,  6  der  inf. 
aor.  bpj3cat  im  sinne  des  fut.  gefaszt,  11,  4  xo9*  ?v  T€v6^€V0V  in  die 
rechte  beziehung  zu  npoc9^|ui€VOV  gesetzt;  30, 4  ist  sehr  belehrend  und 
zntreffbnd  die  ausführliche  erörtening  über  rd  xaivöv  ToO  iroX^juiou  im 
anhange;  38,  1  diro<patvciv  tdc  \xkv  MimXTivdwv  dbiKtac  f||üiiv 
tiNpc^<Mouc  oöcac,  TÄc  y  fmcT^pac  Eujuicpopdc  roTc  Eumuidxoic  ßXd- 
ßac  Ka9iCTa^^vac  gibt  G.  die  unzweifelhaft  richtige  deulung  der  anti- 
these,  der  gegenüber  ich  meine  frühere  Vermutung,  dasz  ßXdßac  glossem 
zu  &i^q)opdc  sei ,  als  unbegründet  zurücknehme.  46 ,  3  napaßaivofi^- 
vuiv  bk  vjji  xpövvp  ic  Töv  9dvaT0v  al  iroXXai  dvT]KOuci  hat  C.  zu 

Jahrbücher  für  dass.  philoL  1868  hft.  2.  8 


*..#•*  -,;,-.*  r.<^.v  *:*  ^■»*  w^^.:«^»  ^  ««-  ^rics.  y**-^  t*«  -«r  -»»•  .^ci  -la 
♦*«•  ß-^'j^^K^-A. t.m   'K^\:t*tAi%  !«•  ^crrfJ*  aun  im  lü  d«  tim  ».^r  um  •*?" 

^>  *^  **♦«»*%•  wMjr  Vr  uv»^  j»»  H'*.j«L  i«*«  TJa^fCiiiDLs  C»  zis^ÄTiif 

^,,^x^^  v^^  *-/*y^  <^>,^  i^«^t.;w.'^*  ift;f  vi  B.t  ÜLÄ  i.»:i.t  «a^erttimf«  ti^- 

^H-K  %y^h^tfr^*l%  *♦*  <«^;r';i»  ;r<:f  «ft*jl  fest»t*tL  i»i«m  hier  die  öb« 
m^iU%^*3U'l  ^f  Uh^trfu  tf^.y^'tf^^nhit  ood  fmindit  und  ge^engrüade  g<^^«° 
t^ih^hA^f  nh^f^tf^t^tt  n»'t6^^  nir4  das  willkürlicbe  imd  verkehrte  sKh 
f«r^^^#  ^M>,#  |//«v>fifit»  ifftd  rjil^ut  dia^  kern  des  wahreo  und  sicfaem  «»" 
H*f1flfU  i\ft-h  in%  *i/<^»U  Ul  in  hohem  grade  geeigocl  in  dieser  bcxiehung 
ihftUfh*\  hM  MttifhU'fHi  auf  da«  studirjoi  def  TIl  einzuwirkee,  weil  sie 
hhHftU  zu  HiUfniiyMt  h#jlr«chlijng  auffordert  ond  rielfach  oeoe  gesichls- 
piiftnM  Utt  d)M  wt'iU*tü  foridifing  darbietet,  und  so  will  auch  ich  bereil- 
H'lllli^  iZ,*"iUiht'ft ,  iUn%  kU  Kirn  seihst  da  vieles  verdanke,  wo  ich  zu  ab- 
fvh\tii$nitU'U  »tinHiiuh  if/hiiyi  hin,  und  Ich  wünsche  daszdienun  folgcfi<J« 


J.  H.  Suhl:  anz.  t.  Tliukydides  erklärt  von  J.  Classen.  3r  band.     107 

darlegung  derselben  nicht  nur  dem  Verständnis  des  Th.  dienlich  sei,  son* 
dem  auch  beweisen  möge,  wie  sehr  C.s  ausgäbe  geeignet  ist  das  Studium 
desselben  anzuregen  und  weiterzufahren. 

Zunächst  diejenigen  steüen,  mit  deren  kritischer  behandiung  ich 
nicht  übereinstimme.  17,  1  KOt  Kord  TÖv  xP<ivov  toOtov  &v  al  vficc 
^irXeov,  ^v  toic  TcXcicxai  b1\  vfjcc  äfi*  aöroic  dvepToi  [xdldet]  ixi- 
VOVTO  hat  C.  das  unerklärliche  xdXXct  gestrichen ,  ohne  einen  grund  filr 
dessen  eindringen  angeben  zu  können,  augenscheinlich  ist  hier  nur  durch 
emendation  desselben  zu  helfen,  die  von  mir  im  rhein.  museum  XVI  s.  629 
vorgeschlagene  Verbesserung  Ka\  äWi)  hat  C.s  beifall  nicht  gefunden^ 
weil  ihm  unklar  geblieben  ist,  was  dem  *auch  anderswo'  gegenüber  ge- 
dacht werden  soll  ich  denke,  nichts  liegt  näher  als  dasz  xal  fiXXg  seine 
gegensätzliche  beziehnng  in  dem  unmittelbar  vorhergehenden  findet,  wo 
von  einer  demonstration  die  rede  ist,  welche  die  Athener  mit  hundert 
schiffen  längs  der  kflste  des  Isthmos  hin  machten,  und  diese  sind  es  ja 
auch,  die  hier  durch  a\  vf)€C  firXcov  bezeichnet  werden,  vgl.  auch 
meine  nachträgliche  bemerknng  zu  dieser  stelle  jahrb.  1863  s.  415.  — 
31, 1  fiXXoi  bi  TiV€C  .  .  irapi^vouv  . .  vSxv  iv  luivtqi  irdXeuiv  xara- 
Xaßeiv  Tiva  i^  Kuftriv  Tf|v  AloXiba,  Snuic  £k  iröXeuic  öpftüb^evot  Tf|v 
lujviov  äTrocrrjcuiciv  . . ,  xal  Tf|v  irpöcobov  toüttiv  \ieficn\y  oöcoev 
*AOiivatujv  [f\v]  äq>^Xu>ct,  xal  fijüia,  i^v  d<popfAiDav  adroTc,  bairävn 
cq>(ci  TtTVT)Tai.  in  dieser  viel  besprochenen  stelle  hält  C.  es  für  das  ein- 
fachste  ^v  vor  dq)^Xuict  zu  tilgen  und  dieses  sowol  als  xiTVnrat  von 
SnuJC  abhängen  zu  lassen;  durch  bonrdvn  sollen  dann  die  kosten  der 
von  den  Athenern  zur  blokade  der  feindlichen  kOste  zu  unterhaltenden 
flotte  bezeichnet  werden,  abgesehen  von  der  wenig  gerechtfertigten 
tilgung  des  f\v  würden  cq>iciv  und  aÖTOtC  gerade  die  umgekehrte  be* 
Ziehung  haben ,  als  wie  sie  der  regelmäszige  Sprachgebrauch  des  Th.  ver- 
langt, nach  diesem  nemlich  musz  sich  cq>ict  auf  das  erweiterte  subject 
von  itapi^votiv  und  aurok  auf  die  Athener  bezieben.  G.  findet  zwar  den 
angenommenen  Wechsel  der  beziehung  hinlänglich  dadurch  angezeigt, 
dasz  die  Athener  in  dem  Vordersätze  i^v  d(popfA(£iav  auToTc  zum  subjecte 
geworden  seien,  allein  dieser  Vordersatz  ist  dem  öiruuc  ^airdvii  aplci 
YiTVilTat  untergeordnet,  während  cqAcx  seine  beziehung  nur  finden  kann 
in  dem  subjecte  desselben  (II  65,  9)  oder  des  fibergeordneten  satzes. 
auch  C.  selbst  schefait  mit  der  von  ihm  gegebenen  aulTassung  der  stelle 
nicht  vollständig  zufrieden  zu  sein ,  wenn  er  im  anhange  nach  aufzählung 
der  verschiedenen  erklärungs-  und  emendationsversuche  hinzufügt :  ^schon 
der  scholiast  führt  fünf  verschiedene  erklärungsweisen  dieser  stelle  an, 
die  schwerlich  jemals  gegen  jedes  bedenken  gesichert  werden  wird.'  die 
verschiedenen  erklärungen  des  scholiasten  beweisen  nur,  dasz  er  die  stelle 
nicht  verstanden  hat,  und  jedes  bedenken  gegen  die  richtigkeit  derselben 
musz  als  beseitigt  erscheinen,  wenn  es  gelingt  derselben  einen  ange- 
messenen sinn  abzugewinnen,  ohne  das  überliererte  zu  ändern  und  in  der 
beziehung  der  pronomina  gegen  den  Sprachgebrauch  zu  verstoszen.  ein 
solcher  sinn  ergibt  sieh  von  selbst,  wenn  man  nur  bairdvi]  dieselbe  be- 
deutung  zuschreibt,  in  welcher  es  Th.  1  83,  2.  99,  3  gebraucht  hat   die 

8* 


108     J.  M.  Stahl:  ans.  v.  Thukydides  erklärt  von  J.  Glassen.  3r  band. 

Spartaner  sollen  eine  der  ionischen  Städte  oder  Ryme  besetzen  'damit  sie 
von  da  aus  lonien  zum  abfalle  brächten  und ,  wenn  sie  diese  wichtigste 
einnahmequelle  der  Athener  ihnen  entzogen  hätten ,  zugleich  auch  geld- 
mittel  gewännen  fflr  den  faH,  dasz  sie  dieselben  Mokieren  würden.'  nach 
dieser  auffassung ,  welche  ich  im  wesentlichen  so  schon  im  rbein.  mu- 
seum  XVH  s.  618  ff.  vorgetragen  habe,  gehören  zu  Siru)C  baträvri  ccpki 
TiTV^rai  zwei  bedingungssätze  (Krüger  spr.  $  54,  12,  8);  das  eintreten 
einer  blokade  athenischen  gebietes  wird  unter  der  Voraussetzung  des  f^v 
dq>dXwct  mit  bestiromtheit  erwartet:  daher  i^v  iq)OpM(&ctv,  anstatt 
dessen  sonst  de  t6  dqK>pfX€tv  oOrotc  (um  ein  biokadegeschwader  gegen 
sie  zn  unterhalten)  stehen  könnte.  —  36,2  S>o£€V  aÖTOtC  od  touc 
irapövTOC  fiövov  äiroKretvai,  äXX&  Ka\  touc  fiirovrac  MunXrivaiouc 
Scoifißtikci,  iraibac  hi  koA  fDvafKac  ävbpaTrobicai,  dmKaXoOvrec 
TiVv  T€  äXXr)v  drröcTaciv  Ka\  Sri  oök  dpxö)i€vot  i&cirep  ol  äXXoi 
diroir)cavTO,  xal  trpocEuveßdXcTo  ouk  dXdxtcrov  Tf)c  6p}jif)c  alTTe- 
Xoirovvriduiv  vf)€c  de  'iumav  dKCtvoic  ßor|Oo\  ToXfLificacat  Tiapa- 
KtvbuveOcat.  vor  &n  hat  G.  xal  eingefügt,  weil  nach  dem  zu  rd  re 
fiXXa  36, 1  erläuterten  Sprachgebrauch  t^  T€  &\\r]V  dTTÖCTaciv  den 
abfall  der  Mytilenäer  im  allgemeinen  bezeiAne  und  auf  einen  im  folgen- 
den besonders  hervorzuhebenden  umstand  hinweise ,  der  in  ön . .  dirotri- 
cavTO  ausgedrückt  sei.  aHein  der  besondere  umstand  kann  ebenso  gut 
in  iTpocSuveßdXcTO  .  .  irapOKtvbuvcOcai  liegen,  und  man  wird  ihn 
darin  finden  müssen ,  wenn  man  erwägt  dasz  die  ganz  auszerordentliche 
bestrafung  der  Mytilenäer  nicht  durcii  ihren  abfall  überhaupt,  sondern 
nur  durch  eine  ganz  besondere  beschaffenfaeit  desselben  begründet  wer- 
den kann ,  was  eben  durch  ÖTt  .  .  ditot^jcaVTC  geschieht,  auch  so  läszt 
sich  G.s  erklärnng  des  ttjv  T€  dXXtiv  beibehalten :  denn  während  ti^v  T€ 
äXX^v  dirdcTaciv  ort .  .  drroiricavTO  den  gravierenden  Charakter  des 
abfalls  im  allgemeinen  bezeichnet,  tritt  in  npocEuvcßdXCTO  .  .  Tiapa- 
KivbuveOcoi  ein  besonderer  umstand  desselben  hervor,  wenn  nun  C. 
gegen  diese  auffassung  einwendet ,  dasz  nach  Koi  ein  zweites  object  des 
diHKaXouvrec  folgen  müste,  so  ist  dagegen  geltend  zu  machen,  dasz  Th. 
dem  letzten  satzgliede  ein  ganz  besonderes  gewicht  verleihen  wollte  da* 
durch  dasz  er  es  selbständig  hinstellte  (vgl.  IV  100, 1).  dieser  g^rauch, 
der  sich  keineswegs  auf  Th.  allein  beschränkt  (Herod.  I  85,  1.  129, 1- 
II  44,  1)  beruht  eben  darauf,  dasz  die  gewichtige  hervorhebung  eines 
gedankengliedes  es  bewirkt ,  dasz  dasselbe  das  regelmäszige  sprachliche 
abhängigkeitsverhältnis  verläszt  nnd  so  auch  der  form  nach  bedeutsam 
hervortritt,  keineswegs  also  wird,  wie  G.  meint,  durch  das  verbum  fini- 
tum  der  folgende  grnnd  als  etwas  blosz  accessorisches  eingeführt;  ebenso 
wenig  i^urch  die  präpositionen  7rpoc£uv-,  wo  npoc-  ^auszerdem*  ent- 
schieden dazu  dient  das  folgende  als  ein  verschiedenes  anzukündigen,  al^ 
letzten  grund  führt  G.  an ,  dasz  in  dem  letzten  satzgliede  keine  den  Myti- 
lenäem  vorzurückende  schuld  bezeichnet  werde,  das  tot  dennoch  der  fall; 
Th.  setzt  nur  voraus  dasz  der  ieser  sich  erinnere,  wie  das  erschehien  der 
peloponnesischen  flotte  durch  das  hülfegesuch  der  Mytilenäer  veranlasst 
war.  —  40,  6  jLidXtCTa  bk  ol  ^fj  Euv  7rpo<pdcci  Tivd  xaKÖc  iroioOv- 


J.  U.  Suhl:  aaz.  v.  Thakydides  erklärt  von  J.  Clwsen.  3r  band.     109 

T€C  tntiipxoYtax  xal  bioXXüvm  auröv,  xiv^uvov  vq>op(IiM£VOi  toO 
viroXeiiTO^^vou  dxBpoO.  die  hss.  haben  biöXXuvrai  t6v  idvbuvov. 
C.  hat  meine  emendation  btoXXuvai  in  den  text  aufgenommen  {indaifh- 
Xovrai  Kai  öioXXvvat  ==  sie  gehen  darauf  ans  ihn  auch  ganz  zu  ver- 
nichten) und  zugleich  TÖv  in  aÖTÖv  verwandelt,  'teila  um  das  object  zn 
bloXXuvat  klarer  hervortreten  zu  lasaen,  teils  um  das  der  sache  nach 
unbestimmte  idvbuvov  von  seinem  störenden  arUkel  zu  befreien',  gegen 
die  letztere  äaderung  musz  ich  entschiedene  einspräche  erheben ,  da  ^ 
Dicht  nur  überflQssig  ist,  sondern  auch  den  gedanken  wesentlich  ab- 
schwächt, die  auslassung  des  aus  Ttvd  zu  ergänzenden  objeets  von  btoX- 
Xuvai  ist  echt  Thukydideiscb,  und  idvbuvov  ist  durch  den  gen.  TOÖ 
iiiToXetirOft^vou  ^x^P^^  bestimmt,  durch  den  artikel  wird  auszerdem 
die  gefahr  als  eine  bestimmt  vorhandene  bezeichnet  (vgL  in\  i(^  Ktv- 
bvvqi  1 148,  2,  tc  töv  xivbuvov  11  89,  4,  KOTabelcovrec  t6v  idvbu- 
vov U  93,  4),  und  in  dieser  beziehung  ist  der  ausdruck  ^indem  sie  die 
von  dem  flbrigbleibenden  feinde  drohende  (ausgehende)  gefahr  furchten' 
weil  stärker  als  ^indem  sie  gefahr  fürchten  von  dem  äbrigbleibenden 
feinde',  die  gefahr  aber,  welche  Th.  hier  speeiell  im  äuge  hat,  ist  die 
der  erbitterten  räche,  der  gen.  toO  £x%^d  ^^  batracbom.  9  Mtic  ya- 
\iT\c  Kivbuvov  dXüEac,  Herod.  V]i  I8i  rivä  c<pi  Oöpu^v  irap^e 
TTuO^ui  -  vgl.  Th.  U  63, 1.  —  40, 8  xal  rote  äXXoic  £uMfiäxoic  itapd- 
bciTfta  coq^c  KaTacTTJcare,  ibc  öc  fiv  äipicriiTai  9avdrn|i  Zn^tuicö- 
^VOV  hat  C.  gegen  die  autorttät  der  hss.  (bc  eingeschoben,  weil  das 
part.  ZiiMiu)Cd|üievov  unmöglich  für  den  inf.  stehen  und  sich  weder  an 
das  subject  noch  an  das  object  des  Lanptsatzes  anschlieszen  könne,  der 
inf.  wflrde  hier  wie  39,  3  eine  aufforderung  enthalten  (ebenso  nach  ca- 
q>ic  &v  KaTacTfjcaiTC  1 140, 5),  während  das  prädicative  part.  wie  67, 6 
icoincaT€  Toic  "QXnci  iropdbetTM^^  ou  Xdrtuv  touc  dnra»vac  irpoOi^- 
C0VT€C  ein  rein  objectives  Verhältnis  bezeichnet,  was  den  zweiten  gnind 
anlangt,  so  kann  auch  67,  6  irpoOncovrec  nicht  in  der  weise  eines  ge- 
wöhnlichen part.  mit  iroilfjcaTC  verbunden  werden ;  ob  das  part.  im  noou 
oder  acc.  steht,  scheint  mir  an  beiden  stellen  lediglich  davon  abzuhängen, 
ob  in  dem  ergänzenden  participialsatz  ein  neues  subject  eintritt  oder  nicht, 
zumal  da  der  schlusz  der  thebäischen  rede  67,  6  mit  dem  der  rede  des 
Kleon  die  gröste  ähnlichkeit  hat  und  die  participialsätze  an  beklen  stellen  '^ 
genau  in  demsdben  zusammenhange  stehen,  wenn  sich  aber  jemand 
dabei  nicht  beruhigen  will ,  so  ist  es  hier  gestattet  den  participialsatz  als 
zweites  object  zu  KaTOCTTJcaTe  zu  fassen,  indem  man  napdberf  )uia  Kora- 
CTTJcaTC  entweder  zu  Einern  begriffe  verbindet  (Kruger  dial.  syntax  S  46, 
18,  2)  oder  übersetzt:  ^stellt  als  gegenständ  (Inhalt)  des  beweises  hin' 
(Krüger  a.  o.  S  46,  18,  1);  vgl.  IV  15,  2  cirovbäc  iroinco^^vouc  xd 
it€pl  TTuXov,  VIII  41, 2  Tfjv  xiüpay  Xciav  diroieiTO,  VIII 62,  2  tä  dv- 
bpdirobo  dpHaxTiv  icoiricdjbtcvoc  wäre  aber  auch  ^e  richtigkeit  des 
fiberlieferten  zu  bezweifeln,  was  ich  entschieden  in  abrede  stelle,  so  wäre 
dennoch  C.s  emendation  zu  verwerfen,  er  übersetzt:  ^stellt  den  bundes- 
genossen  ein  nicht  miszuverstehondes  exerapei  auf  (dasz  sie  erkennen 
>ni>S®9)9  ^>äz  jeder  der  si<^  loszureiszen  wagt  mit  dem  tode  bestraft 


110    J.  M.  Suhl:  anz.  v.  Tfaukydides  erklärt  von  J.  CiaBsen.  3r  band. 

werden  wird.'  allein  der  absolute  acc.  des  part.  mit  übe  enthftlt  jedesmal 
ein  object  des  denkens  oder  der  aussage  des  grammatischen  (I  34,  4. 
ü  89,  2.  IV  5,  1}  oder  logischen  subjects  (Vi  24,  3)  und  bezeichnet  wol 
einen  grand,  niemals  aber  eine  absieht,  deshalb  kann  die  nicht  durch 
*da8z  sie  erkennen  mögen'  wiedergegeben  werden,  vielmehr  müste  Über- 
setzt werden  können:  *weil  nach  eurer  meinung  (oder  aussage)  jeder 
abgefallene  mit  dem  tode  bestraft  werden  wird.'  auch  die  von  C.  als  sehr 
ähnlich  angeführte  stelle  Piatons  rep.  IV  426^  irpoopfopcuouct  TOic  iro- 
XItqic  tiP|v  KardcTactv  tt^c  iröXeuic  iii\  Kivctv ,  d>c  diToOavoufA^vouc 
8c  &v  toOto  bp^ :  *sie  gebieten  den  bfirgern  die  Staatsverfassung  nicht 
zu  erschüttern,  da  (wie  sie  sagen)  sterben  würde,  wer  dieses  thue'  spricht 
nicht  für,  sondern  gegen  ihn.  —  42,  3  o\  ird  xpn^o(<^t  irpocKarriTO- 
poOvTCC  £Trib€t£tv  Tiva  ist  G.s  Vermutung  ^TribeCSetv  zum  mindesten 
überflüssig ;  irA  X9W^^^  i^^  ^^^  nachdrucks  halber  von  ^tribeiEiv  ge- 
trennt und  vorangestellt  —  Auch  42,  5  liegt  in  dem  auf  f|  iröXic  {= 
ol  iToXirat)  bezogenen  iT€tc6€iT)Cav  keine  bedenkliche  härte  des  aus- 
drucks.  —  43,  5  vermutet  G.  EuvrJiütapTOV  statt  £uve£f)^apTOV,  weil 
das  verstärkte  ^Eajütaprdvciv  hier  kaum  an  der  stelle  sei.  dagegen  vgl. 
Plat.  Lacbes  184**  ei  Kai  c^ucpöv  ^EojLtdproi.  —  45,  6  Kai  |i€Tä  irdv- 
Turv  ^KacTOc  dXoTicTuic  dnl  nXiov  ti  aört&v  dböEac€V  halte  ich  mit 
Krüger  und  Böhme  aÖTÖv  für  die  richtige  lesart,  da  aÖTUiv  sich  nur  auf 
das  vorhergebende  öirobeccT^puiv  beziehen  liesze,  und  nicht,  wie  C. 
will,  ohne  im  vorigen  eine  bestimmte  beziehung  zu  finden  ^die  zu  gebole 
stehenden  mittel'  bezeichnen  kann,  auch  musz  der  natur  der  sache  nach 
die  Verbindung  des  einzelnen  mit  der  gesamtheit  zunächst  viel  eher  dar- 
auf wirken ,  dasz  er  sich  selbst  stärker  fühlt ,  als  dasz  er  die  mittel  der 
gesamtheit  überschätze,  wenn  C.  einwendet,  dasz  in  dem  vorliegenden 
zusammenhange  die  Überschätzung  der  eigenen  kräfte  der  Individuen  kaum 
in  betracht  kommen  könne,  so  ist  zu  entgegnen  dasz  eine  solche  Selbst- 
überschätzung der  einzelnen  auf  die  beschlüsse  der  gesamtheit  notwendig 
einwirkt  und  eine  Überschätzung  der  leistungsfähigkeit  dieser  zur  sichern 
folge  hat.  —  46 ,  2  ^Kcivuic  hk  Tiva  otecGc  f\vTiva  oök  öv  ä^civov 
ixkv  f^  vCv  irapacK€udcac6at  tioXiopKiqi  t€  TtapaTCveTcOai  ic  Toöcxa* 
Tov  hat  G.  dv  eingeschoben,  weil  olecOai  nicht  auf  etwas  zukünftiges 
hinweise  und  daher  die  beziehung  des  irapaoceudcacOai  auf  die  zukunft 
nicht  von  vorn  herein  klar  sei.  was  die  hss.  bieten  ist  vollkommen  gerecht- 
fertigt der  redner  stellt  sich,  wie  aus  TOic  dTtocrficiv  und  dTrocräca 
iröXlc  im  vorhergehenden  erhellt,  mit  seuier  aussage  auf  den  standpunct 
des  schon  vollbrachten  abfalles ,  so  dasz  Tiva  dTrocröcav  iröXiv  zu  den- 
ken ist  von  diesem  standpunct  aus  aber  liegt  das  irapacKCudcacOat  in 
der  Vergangenheit  (Krüger  spr.  S  ^3,  6,  9),  während  TrapOTCVCicöai 
sich  in  die  zukunft  hinein  erstreckt.  —  Zu  58,  2  OUK  ^x^pouc  Tdp  ^f^^ 
cIkötuic  Tt^uipric€c9€,  dXX'  eCvouc,  Kar*  dvdtKnv  iroXe^TicavTac 
wirft  G.  die  zweifelnde  frage  auf,  ob  Th.  nicht  cCvouc  Kai  Kar'  dvdt- 
K11V  IT.  geschrieben  haben  sollte,  ich  glaube  nicht;  denn  cövouc  wird 
durch  KaT^dvdTpaiv  iroXejificavTac  begründet:  *da  wir  euch  nur  aus 
not  bekriegt  haben.*  —  64,  4  &  |yi^v  irOTC  XPHCTol  ^dvecOe  .  .  oö 


J.  H.  Stahl:  anz.  v.  Thokydides  erklärt  von  J.  Glassen.  dr  band.     111 

iTpoafJKOVTa  vOv  dnebeiEore  durfte  G.  das  bsl.  lir€b€{£aT€  oicht  ver- 
ändern: denn  dmbctKvOvat  heiszt  nicht  nur  ^hinweisen',  sondern  auch 
^beweisen',  wie  PlaL  rep.  in  391  %  Dem.  XXI  7  und  sonst  mehrfach.  — 
68 , 1  ot  {^  AaK€ÖaiMÖviot  biKOcral  vojtiUIovTec  tö  iircpuiTima  cqpi« 
civ  öp6£ic  ßeiv,  €!  n  iv  tiJ»  troX^^ifi  ött*  auruiv  draOdv  ttcttöv- 
6aci ,  biön  TÖv  t€  dXXov  xpövov  i^Houv  bfjOcv  aärouc  Kccrdt  täc 
traXaiöc  ITaucaviou  iietä  töv  Mf)5ov  cirovbäc  i\cux6l€iy  xal  8t€ 
öcTcpov  [S]  irpd  ToO  iT€piT6txiZ€c6ai  irpoetxovro  aOroic ,  koivoCpc 
€Tvai  KOT*  ^K€iva,  übe  oinc  ih&a>no^  fjTou^evot  tQ  ^atnrujv  biicafa 
^ouXyjc€i  ^KCiTovbot  fjbi]  ön'  a(rT(&v  Kax&c  nciro^vat,  adOtc  tö 
oÖTÖ  .  .  ipumiJVTCC  . .  dir^KTCivov  erfordert  t6v  te  dXXov  xpövov 
i^iouv  notwendig  den  gegensatz  eines  später  an  die  Platäer  gestellten 
Verlangens ,  und  deshalb  hat  G.  wie  vor  ihm  schon  Reilmann  &  mit  recht 
ausgeschieden,  allein  damit  ist  die  stelle  noch  keineswegs  in  dchtigkelt. 
denn  wie  sie  jetzt  lautet,  müste  f)TOU^€VOt  dem  vorhergehenden  i^Elouv 
untergeordnet  sein,  was  dem  zusammenhange  widerspricht,  und  es  kann 
daher  nicht,  wie  G.  will,  (bc  OÖK  dbdSavTO,  f|TOUM€VOt .  .  kqki&c  ir€- 
Trov6^vat  neben  btön  . .  i^E(o\iv  .  .  Kar'  ^xciva  den  zweiten  gruud  zu 
C91CIV  öpOtüC  (Eexv  enthalten,  deshalb  ist  es  notwendig  die  b'  OÖK 
ibilBaYTO  zu  lesen ,  wodurch  fJTOÜjLievot  dem  biön  i^Siouv  coordiniert 
wird,  die  prägnante  kürze  des  ausdrucks  tQ  imjTfSiV  bixauji  ßouXrjcei 
fKcrrovboi  kann  kaum  auffällig  sein,  nachdem  die  b'  oök  ^b^avTO 
unmittelbar  vorhergegangen  ist;  auch  liegt  darin  wol  angedeutet,  dasz 
die  Lakedämonier  ihre  forderung  als  ein  mittel  ansahen ,  um  sich  auszer- 
halb  der  vertrage  zu  stellen.  —  81,  2  [Xaßövrec]  touc  T6  Mecoiviouc 
4c  TTlv  iTÖXiv  fJTcrrov  . .  Kai  täc  voOc  TtepiTiXeCcai  KcXeücavrec  . . 
Td>v  ^X^ptöv,  el  Tiva  Xäßoiev,  drr^KTCivov.  die  Stellung  der  worte  ist 
blosz  auf  das  ^ine  part.  Xaßövrec  berechnet  und  daher  dieselbe  wie 
1  72,  1,  wo  G.  zu  vergleichen ;  Xaßövrec  fjtaTOV  gerade  wie  Aristoph. 
wespen  1379  äY€iv  raöniv  Xaßcbv.  vgl.  11  67, 3  Xaßövrec  ^KO^icav. 
— 111,  2  oi  b '  'A^1TpaKtd>Tal  Kai  oi  äXXot  dcoi  fiev  ***  dTUTX<^ov 
ofiruic,  dOpöoi  (uveXdövrec . .  fZip/iricoiv  koI  aöroi  hat  G.  in  schlagen- 
der weise  die  unzulässigkeit  sowol  der  äberlieferung  als  der  UUrichschen 
Vermutung  SuveSeXOövrec  dargethan.  da  das  part.  aor.  £uveX6öVT€C 
nadi  Thukydideischem  Sprachgebrauch  nicht  mit  dem  imperf.  dTÖTX^VOV 
verbunden  werden  kann,  so  musz  man  mit  G.  in  dem  unerklärlichen  iiiv  den 
rest  eines  zu  £tötx<31V0V  gehörenden  part.  praes.  erblicken.  G.  vermutet 
fiovotJjüievot,  aber  ebenso  sinngemäsz  und  weit  wahrscheinlicher  scheint 
mir  fi^vovrec  zu  sein,  denn  ol  dXXoi  öcot  ^dvovrec  dTUTX^^vov 
OÖTUic  bedeutet:  'alle  übrigen,  bei  denen  auf  diese  weise  der  fall  eintrat 
dasz  sie  (in  Olpä)  zurückblieben.'  es  bildet  dann  jidvovTec  den  gegen- 
satz  zu  dem  vorhergegangenen  ^eXOövrec  wie  I  65,  1  tujv  ftevövTUiv 
TO  ^KirXcOcai,  Xen.  anab.  IV  4,  19  TOtc  |i4vouci  zu  ^TtopeöovTO.  die 
ähnlichkeit  des  folgenden  oÖTUic  mochte  den  ausfall  von  ovTec  leicht 
veranlassen. 

Die  stellen,  deren  erklärung  mich  nicht  befriedigt,  sind  folgende: 
lU  3,  6  ol  bi  0ÖT6  Ic  TÖV  MaXöevra  Öf\Xeov  rd  t€  äXXa  täv  t€i- 


112    J.  H.  Suhl:  aoz.  v.  Thakydides  erklArt  von  J.  Clawen.  dr  band. 

X&y  Ktti  Tuiv  Xi^^vuiv  nifii  Tot  fmirAecra  ^paSäiieyoi  £<püXaccov 
hat  C  wie  schon  vor  ihm  Bauer  und  Haase  das  haL  ircfi  in  nif^x  geändert 
und  erklärt:  ^sie  hielten  alles  andere,  was  die  mauern  und häfea  angieog, 
wol  hewacht,  nachdem  sie  die  erst  halbausg^fObrlsa  teile  mAglicbst  ge- 
sichert hatten.'  demnach  fände  rä  äXXa  seinen  gegensatz  in  xd  fyiiT^- 
XccTa  allein  die  halbvollendeten  teile  der  befestigang  bedurften  gewis 
nicht  weniger  der  bewachung  als  das  übrige  'was  die  mauern  und  häfen 
angieng'.  auch  ich  halte  n^  fär  notwendig,  schon  deswegen  weil  ncpl 
TU  f)(tiT^XecTa  9pa£dijLi£vot  statt  xd  f||ji.  «ppoSd/ifVOi  dem  sonstigen 
gebrauch  von  qppdccecOax  widerstrebt,  finde  aber  den  gegensaU  snixa 
SKka  in  dem  vorhergehenden,  indem  ich  £<puXaccov  intransitiv  auffasse: 
*sie  zogen  nicht  zu  dem  Maloeis  hinaus  und  waren  auch  in  den  ilbrigea 
beziehungen,  was  die  mauern  und  häfen  angieng,  auf  der  hut.'  in  der- 
selben bedeutung  wird  q)uXäccui  mehrmals  von  Piaton  gebraucht,  z*  b. 
Theät.  154 '^  und  in  dem  ganz  verwandten  sinne  von  ^wache  halten'  von 
Th.  selbst  111  23, 1.  VII 17,  2.  —  10,  4  in&bi\  bk  iu>piüfi£V  auTOuc 
xfiv  liiv  xoC  M^bou  ^x^pav  dvi^vxac,  xfjv  b^  xuiv  Su^ftdxitiv  bou- 
Xuiciv  ^TrafO^^vouc  erklärt  C.  das  medium  diratoii^vouc  so  Mass  die 
liekannte  bedeutung  von  dem  hereinziehen  der  fremden  auch  hier  vor- 
schwebe, da  die  Athener  die  vertragswidrige  Unterdrückung  wie  ein  neues 
verfahren  in  Griechenland  einführten*,  allein  auch  in  dieser  bedeutung 
heiszt  lirdYCcOai  eigentlich  *zu  sich  einführen',  so  dasz  die  rückbeziehung 
auf  das  subject  immer  gewahrt  bleibt,  was  hier  eben  nicht  möglich  ist. 
daher  halte  ich  die  emendation  itreiTO^^Voucfür  durchaus  notwen- 
dig, zumal  sie  auch  durch  den  gegensatz  von  dvi^vxac  gefordert  wird. 
—  20,  3  €m€XXov  . .  xcüEeceai  xoO  dXnOoöc  XoTtQtoö,  dXXuic  xe 
Kol  iioXXdKic  dpiO^ioOvxec  xal  ä^a  ou  noXü  dn^xovxec,  dXXd  |Jqi- 
biujc  KaOopui^^vou  de  5  dßouXovxo  xoO  xeixouc  versteht  C.  U  5 
dßouXovxo  xoO  xeixoiic:  'das  stück  der  mauer,  auf  welches  sie  es  ab- 
gesehen hatten'  und  verweist  auf  die  analogie  von  11  72 ,  3  ^€xaxu»P^' 
caxe  ÖTTOi  ßouXecOe  und  V 19, 5  din^vai  öiioi  dv  ßouXuivxaL  allein 
diese  stellen  sind  durchaus  verschieden,  da  an  der  einen  fiexoxuipncai, 
an  der  andern  diti^vai  zu  ergänzen  ist,  und  überhaupt  kann  die  von  G. 
angenommene  bedeutung  von  ßouXccOai  ic  xi  in  keiner  weise  durch  den 
Sprachgebrauch  begründet  werden,  auch  Böhmes  auffassung,  die  «eh  auf 
Ar.  früsche  1279  Ic  xö  ßoXavetov  ßouXoftai  stuUt,  ist  nicht  haltbar; 
denn  die  Platäer  wollten  nicht  k  xö  xcixoc,  sondern  ömpßnvai  ta 
xeiXT]  (20, 1),  und  dann  kommt  es  hier  auch  gar  nicht  darauf  an,  dasz 
sie  diejenige  stelle  erblicken,  zu  der  sie  sich  hinbegeben  wollen,  sondern 
diejenige  nach  welcher  sich  die  notwendige  länge  der  leitern  bemessen 
liesz.  diese  schätzten  sie  nemlich  ab  nach  den  schichten  (dmßoXai)  der 
mauer,  welche  sichtbar  waren  an  einer  stelle,  i^  lxux€  irpöc  ccpcic  OUK 
iiaXnXi^ft^vov  x6  tüxQC  für  den  vorliegenden  zweck  war  also  blosz 
das  von  Wichtigkeit,  dasz  gerade  diese  stelle  leicht  erblickt  werden  konnte, 
frühere  erklärungen  ergänzten  KaOopdv  zu  ic  8  dßOÜXovxo  *,  aliein  ^«uf 
etwas  hinabsehen'  ist  hier  nicht  passend ,  und  ausserdem  wird  KoOopdu) 
sonst  nur  mit  dem  aec  verbunden,  ich  glaube  daher  dasz  Ko6opu)jit6^ou 


J.  M.  Stahl:  «nz.  t.  Tbukydides  erklärt  toi  J.  Glassen.  3r  band.     113 

6cov  ißoiiXovTO  ToO  Tcixovc  gelesen  werden  miisz:  vgl.  II  77,  3. 
ni  104, 1.  —  21, 2  TÖ  oOv  ^€Ta£u  toüto  . .  toic  (puXoSiv  oiiofuiara 
öiavev€|iil|i^va  i|iko])ömi]to  kann  tö  m^toSu  toCto  nicht  *in  dieacm 
Zwischenraum'  bedeuten ;  denn  als  adverbiale  beatinunang  anfgefasst 
heisxt  es  genau  genomnen:  *in  bexug  auf  diesen  Zwischenraum.'    vgl. 
Tä  Ikü  vi  84,  3  und  daselbst  lürflger.    ich  verstehe  oiKObOfiCfv  hier 
mit  Krüger  als  *  bebauen'  und  lasse  tö  peToSv  toOto  als  subject  und 
oiid^TO  als  acc  des  inbalu  nach  Krdger  spr.  S  52,  4,  7.  —  29,  1  ol 
.  .  TTeXonovvt^aoi . .  nkioyrec  irepi  t€  a^v  Tfjv  TTeXoirdvvricov 
ivbt^Tpu|iav  Kol  Korä  rdv  dXXov  irXoöv  cxoXaioi  xomicO^vtcc  ^ouc 
^äv  ^K  Tfic  nöXeuic  'Adnvaiouc  Xavddvouci,  nplv  bi\  tQ  AT\k^f 
&XOV,  Trpoc|üi{£avTec  b*  dar'  auTf)c  tQ  'lKd(pt}j  xal  MuKÖvqi  nuved- 
vovrai  irpCDrov  ort  f|  MimXfjvT)  idXuiKe  hatte  sich  G.  genauer  an  die 
erklärung  anachliesaen  mflssen,  welche  L.  Herbst  im  philol.  XVI  s.  312  f. 
zu  dieser  stelle  gegeben  hat.    auf  q(oXatoi  komicO^vtcc  ruht  weder  die 
hauptbedeulung^,  noch  achlieszt  sich  iTpiv  bj|  tQ  Aif|Xifi  £q(OV  zunächst 
an  dieses  an.    das  hauptgewicht  liegt  vielmehr  auf  touc  • .  XavOdvoua, 
da  dem  hierdurch  bezeichneten  vorteil  der  hingsamen  fahrt  in  dem  folgen- 
den durch  bi  eingeleiteten  satzgliede  der  nachteil  entgegengestellt  wird, 
dasz  inzwischen  Mytiiene  gefslien  war.   auch  irplv  bi\  tQ  ArjX((i  £cxov: 
^bls  sie  zuletzt  (vgl.  C.  zu  1 118, 2)  In  Deias  anlegten'  lehnt  sich  zunAchst 
an  TOUC  .  •  XocvOdvouci  an,  da  die  Peloponnesier  nur  auf  der  atrecke 
bis  Dolos  von  der  athenischen  flotte,  die  in  der  nihe  des  Isthmos  kreuzte 
(c  16),  erblickt  werden  konnten,    endlich  liegt  auch  in  iruvOdvovrai 
irptSrrov  dorohaus  keine  bescbleunigung  der  fahrt  angedeutet:  ^v  —  bi 
bezieht  sich  auf  den  eben  angegebenen  gegensatz.  —  30,  2  Kordi  fdtp 
t6  ciicöc  dvbpuiv  veuicxi  iröXiv  £x<^vtuiv  iroXu  t6  dtpuXaicTov  ciipf)- 
c<4tev ,  Kord  jiiv  8dXaccav  xal  ndvu ,  ^  Ixeivoi  xe  dv Anicroi  im- 
Yevicdai  dv  Tiva  C(pici  iroX^fiiov  Koi  fmwv  f|  dXicJ|  TUTxdv€t  ^Xtcra 
oüca  bat  sich  C  der  interpretation  von  L.  Herbst  (philol.  XVI  s.  305)  ange- 
schlossen und  abersetzt  Q . .  odca :  Won  welcher  seite  jene  fern  von  der  er- 
wartung  sind,  dasz  ein  feind  sie  angreifen  werde,  von  uns  aber  eine  kräftige 
Anstrengung  am  wenigsten  erwartet  wird.'  wenn  aber  die  Athener  Ober- 
haupt zur  see  keinen  feind  erwarten,  am  wenigsten  aber  eine  kraftige 
anstrengung  von  selten  der  verbfindeten,  so  wird  man  fragen  müssen,  ob 
sie  denn  noch  von  einer  andern  seite  einen  angriff  befflrchten  konnten 
und  von  welcher  seite  denn  eher  eine  krftftige  anstrengung  zu  erwarten 
war.  in  der  that  war  nur  von  selten  der  peloponnesischen  bnndesflotte 
ein  angriff  denkbar,    ferner  ist  die  erklärung  aus  einem  grammatischen 
gründe  zu  verwerfen,    dasz  nemlich  aus  dem  activen  dvAntCTOi  ein 
pasmves  dv^XmCTOC  ergänzt  werden  ktane,  halte  ich  für  eine  sprach- 
liche Unmöglichkeit,  weil  das  wesen  der  erg&nzung  darauf  beruht,  dasz 
der  begriff  eines  vorhergegangenen  Wortes  noch  vorschwebt.   C.  frei- 
lich glaubt,  dasz  'der  Sprachgebrauch  der  oomponierten  verbaladjective 
die  Griechen  an  diese  freiheit  gewöhnt  habe' ;  aber  um  zu  Oberzeugen, 
hStle  er  eine  so  auflallende  sprachliche  singuiaritAt  durch  belegstellen  be- 
weisen mflssen.  dasz  bei  Th.  kein  einziges  sicheres  beispiel  eines  solchen 


114    J.  IL  Stahl:  anz,  v.  Thukydides  erklärt  von  J.  Qassen.  3r  band. 

gebrauches  existiert,  kann  ich  mit  bestimmtheit  behaupten,  und  auch 
anderswo  Ist  mir  niemals  ein  solches  aufgefallen.   C.  hSlt  seine  erklftruog 
deswegen  f&r  unumgänglich  notwendig,  weil  durch  ^  . .  oOca  die  gründe 
daffir  angegeben  würden ,  weshalb  die  Athener  ganz  besonders  von  der 
seeselte  sicher  zu  sein  glaubten,   allein  nicht  dieses,  sondern  Korräpiv 
6dXaccav  Kod  irdvu  (iroXu  tö  d<puXaicTOV  eäpnco^ev)  wird  begrQodet, 
wo  Kai  irdvu  Im  gegensatz  zu  dem  folgenden  dxöc  b€  Kai  t6  ttcIöv 
aÖTUJV  . .  biecirdpOat  besonders  zu  betonen  ist   die  richtige  auflassuDg 
der  stelle ,  wie  ich  sie  der  hauptsache  nach  schon  im  rhein.  museam  XVK 
s.  618  gegeben  habe,  ist  nun  einfach  folgende:  'einerseits  werden  wir 
zur  see  in  sehr  hohem  masze  mangel  an  Wachsamkeit  in  erfabrung  brin- 
gen, wo  jene  keinen  feind  erwarten  und  von  unserer  seile  die  knti- 
anstrengung  (vgl.  VI  34,  9}  vorzugsweise  gerade  stattfindet.*   auch  sonst 
(Soph.  Phil.  452,  Dem.  IV  50)  wird  eöpicxeiv  von  dem  gesagt,  was  sich 
thatsSchlich  bemerklich  macht ;  zur  see  macht  sich  der  mangel  an  Wach- 
samkeit auf  selten  der  Albener  den  verbündeten  um  so  mehr  bemerkbar, 
je  kräftiger  von  ihrer  seite  der  angrilT  erfolgt,    zu  cTvai  ^stattfinden'  vgl. 
Plat.  Laches  185*  TT€pl  ixcivou  i\  ßot)Xf|  TUTXdv€i  oöca,  symp.  208' 
und  daselbst  Stailbaum,  Xen.  Hell.  11  3,  36;  ^Kcfvoi  und  f)fi<&v  stehen 
ihrer  Stellung  nach  in  einem  gegensätzlichen  Verhältnisse.  —  32,  3 
sclieint  es  doch  gewagt  ic  Muiviav  irapaßaXeiv  wie  36 ,  2  k  lun^iav 
TrapoKivbuveGcat  zu  verstehen ,  da  Th.  sonst  in  diesem  sinne  nur  das 
medium  irapaßdXXecOai  und  zwar  immer  mit  einem  objecte  verhunden 
gebraucht,    daher  wird  TrapaßoXetv  wol  ^hinQbersetzen'  faeiszen  wie 
Dem.  XII 16.  —  38,  2  Kcd  b^Xov  ort  ti  x^i  X^TCtv  mcrcticac  id  Tidvu 
bOKOuv  dvTa7roq)iivai  ibc  ouk  fTViücroi  dTtuvicoir*  äv,  f{  K^pbei 
^Tcaipö^cvoc  TÖ  eöirpeirtc  toO  Xötou  iKTrovTJcac  irapdreiv  Treipd- 
cexai  übersetzt  Cid  ndvu  boKoOv  dvTa7roq)f)vat  die  oök  frvwCTai: 
^das  was  gestern  allgemein  gebilligt  wurde,  als  nicht  beschlossen  nacli- 
zuweisen.'   allein  in  TÖ  Ttdvu  boKoCv  liegt  nicht  die  mindeste  hinwei- 
sung  auf  die  Vergangenheit,  und  der  gedanke  passt  nicht  in  den  Zusammen- 
hang,   im  vorhergehenden  halte  Kleon  gesagt,  der  redner,  welcher  för 
die  aufhebung  des  Volksbeschlusses  spräche,  mQste  nachweisen,  dasz  der 
abfall  der  Mytilenäer  sich  als  schädlich  fflr  sie  und  als  nOtzlich  fOr  die 
Athener  erweise,   in  unserm  salze  will  er  nun  hinzufügen,  welche  molive 
dazu  leiten ,  eine  so  falsche  behauptung  zu  verfechten,   entweder,  sagt 
Kleon ,  will  der  redner  ein  sophistisches  prunkstück  (dTU^ViCfia)  liefern, 
oder  er  ist  bestochen,  um  euch  durch  eine  schöne  rede  irre  zu  führen: 
er  ist  entweder  ein  soph  ist,  der  seine  kunst  zeigen  will,  oder  ein  be- 
stochener Schönredner,    für  derartige  leistungen ,  fährt  Kleon  weiter 
fort,  werden  den  rednern  zwar  preise  zuerteilt,  die  Stadt  aber  übernimt 
die  gefahren  (i\  bk  iröXic  .  .  dvaq>^p6i).    die  schuld  daran  tragen  die 
Athener  selbst  (afrioi  öfietc),  weil  sie  mehr  gewicht  auf  die  reden  als 
auf  die  thatsachen  legen  (oVtivcc  . .  ^pxuiv),  wobei  sie  entweder  durch 
die  Schönheit  der  rede  sich  bestechen  lassen  (xd  jüiiv  .  .  ^triTifiricdv- 
TUJV,  wo  sich  cö  cIttövtuiv  und  xaXÜJC  imnfiricdvTuiv  augenschein- 
lich auf  tö  € ö irpe IT ^CToOXöyou  beziehen)  oder  durch  sophistische 


J.  M.  Stahl:  anz.  v*  Thokydides  erklärt  von  J.  Glassen.  3r  band.     115 

Spitzfindigkeiten  betrogen  werden  (xai  ^CTd  Kaiv6tT)T0C . .  kavuic),  kurz 
sie  lassen  sich  durch  das  wolgefallen  des  obres  verleiten  (dKof)c 
f|öov^  f)CCi(>fi6V0t)  und  gleichen  Zuschauern  von  Sophisten  (c<MpiCTi!^ 
CkaTaTc  £oiköt€C).  hieraus  ergibt  sich ,  dasz  rö  €(mpenkc  toO  Xötou 
^KTiovficac  irapdf €tv  iretpdcerat  durch  ra  jii^  ^AXovra  . .  4niTi- 
|LiT)cävTUiv  erläutert  wird,  dessen  inhalt  zuletzt  dxofic  fibov^  f)CCÜJ^evOl 
kurz  zusammenfaszt,  TÖ  Trüvu  öokoGv  dvTaiToq>^vm  die  oöx  ^tvui- 
crat  druivicarr'  dv  aber  seine  nähere  erklärung  in  xal  ^€Td  xaivdrii- 
TOC  .  .  ixaviDc  findet,  dessen  gedankennmfang  sich  dann  schliesslich  in 
den  ausdruck  coq)tCTUiV  Oeorraic  ^oikötcc  zusammendrängt,  nachdem 
wir  uns  auf  diese  weise  eine  einsieht  in  den  Zusammenhang  des  ganzen 
gedankenabschnittes  verschafft  haben ,  kehren  wir  zu  der  angefochtenen 
interpretation  G.s  zurück,  zunächst  steht  der  beweis,  dasz  der  gestrige 
l>eschhi8z  nicht  gefaszt  worden  sei ,  in  gar  keiner  logischen  Verbindung 
mit  der  Itehauptung  welche  Kleon  seinem  gegner  zuschiebt,  dasz  der 
abfali  den  Athenern  nOtzIich,  den  bundesgenossen  schädlich  sei.  noch 
mehr  aber  zeigt  sich  dasz  an  einen  solchen  beweis  gar  nicht  gedacht 
werden  kann,  wenn  man  die  nachfolgende  erläuterung  der  fraglichen 
Worte  (xal  ^€Tä  koivöthtoc  . .  Ikovuic)  in  erwägung  zieht  die  Athe- 
ner, sagt  hier  Kleon,  lassen  sich  durch  die  neuheit  und  das  frappante 
sophistischer  behauptungen  bethören,  indem  aie  die  hergebrachten  und 
allgemein  anerkannten  Wahrheiten  verschmähen  (xal  |i€Td  xaivÖTHTOC 
.  .  €iui6ÖTU)v);  wer  selbst  kein  redner  ist,  sucht  doch  wenigstens  seinen 
Scharfsinn  zu  beweisen  und  zu  zeigen,  dasz  er  den  gedanken  des  redners 
zu  folgen ,  ja  sie  zu  errathen  versteht ,  ehe  sie  noch  ausgesprochen  sind 
(xai  lidXiCTa . .  diroßiicö^eva),  und  so  verliert  man  sich  von  dem  boden 
der  wirklichen  weit  in  das  geMet  leerer  Spitzfindigkeiten  (2[t|ToOvt€C  .  . 
ixovuic).  die  worte  xai  iierä  xaivörnTOc  ^^v  Xötou  diraracOat 
dpicTOt,  iietä  Ö€&oxi|iaqi^vou  bk  iii\  Euv^iT€c8at  iO^Xeiv,  boGXot 
dvT€C  Twv  dcl  dTÖrruJV,  öircpöirrm  bi  tAv  ciuiOÖTUiv  enthalten  den 
vollständigen  commentar  zu  TÖ  trdvu  boxoOv  tbc  oux  ^TVUiCTat,  und 
specieli  wird  TÖ  ndvu  boxoCv  durch  öeboxifiacjüi^vou  und  TfS)V  eiu)- 
6ÖTUIV  wiedergegeben,  es  ist  aber  Xdfoc  bcboxifiacfA^voc  die  allge- 
mein angenommene  ansieht  im  gegensatz  zu  xaivÖTTlc  Xdrou:  ^neuheit 
der  behauptung'  (nicht  *neue  art  des  Vortrags',  wie  C.  will),  Td  ciujGÖTa 
sind  die  hergebrachten  anschauungen  fan  gegensatz  zu  den  frappanten 
ideen  (rd  dTOira)  des  sophistischen  redners.  daraus  ergibt  sich  dasz  tö 
Träw  boxoOv  die  oöx  ijywctax  übersetzt  werden  musz :  Masz  das  all- 
gemein angenommene  nicht  eingesehen  ist';  zugleich  erhellt  dasz  Ttji 
X^T€IV  die  dialektische  redegewandtheit  bezeichnet,  während  TÖ  eönpc- 
IT^C  TOO  XÖTOU  sich  mehr  auf  die  formelle  Schönheit  bezieht,  zu  ^YVUi- 
crat,  welches  in  prägnantem  sinne  von  der  richtigen  einsieht  gesagt  ist, 
vgl.  II  60,  5.  Vlil  68,  4 ,  Plat.  rep.  1  347  ^.  nun  passt  auch  der  gedanke 
vortrefDich  zu  dem  vorhergehenden,  dasz  der  abfali  der  bundesgenossen 
den  bundesfQhrern  schaden  bringt,  ist  eine  allgemein  anerkannte  Wahr- 
heit ,  die  aber  der  sophist  nicht  gelten  läszt.  in  einer  ganz  bestfanmten 
beziehung  zu  unserer  stelle  steht  40, 1  iknlba  odT€  \&f\J^  ni€Tf|V  (Tifi 


116    J.  M.  Suhl:  aoz.  v.  Thukydides  erkUrt  voa  J.  Classen.  3r  band. 

X^T^iv  iricreucac)  o^e  xpff^taci  uivnr^  (K^pb€t  diraipö^cvoc),  und 
datier  ist  \6rf\Jfi  dort  ebea$o  zu  Tersteben  wie  hier  v^  X^TCiv.  —  40, 4 
ei  ö^  Kai  oö  irpocfiKOv  ö^wc  dEtouTe  toOto  bpov  i*i  wA  ou  itpocfi- 
KOV  oicbt  in  pridicalirein  sinne  mit  toGto  xa  verbinden,  wogegen  sowol 
die  Stellung  spricht  als  der  amstand  dasz  die  vorstehende  folgerang  U|i£ic 
&v  oi  %pehv  dpxotTC  hier  genau  wiederholt  und  als  grundlage  einer 
neuen  behauptung  hingestellt  wird;  das  oö  XP^iuv  wird  hier  durch  oi 
ffpocf)KOV  ausgedrückt,  und  daher  ist  dieses  elienso  wie  jenes  als  abso- 
lutes part.  in  concessivem  sinne  aufzufassen.  —  44,  2  f^v  TC  T^p  äiro- 
'q>i)vui  irdvu  dbiKoOvrac  outouc,  oii  biä  toOto  wA  diroxreivai 
xeXcvcui,  ei  ^r\  £uM<p^pov'  Jiv  tc  Kod  fxovrdc  n  hJTfywpa\c,  - 
elev  ei  i^  iröXet  pd]  dcfoßöy  qpaivorro  will  C.  das  hsl.  elev  rechtferti- 
gen durch  die  erklftrung:  'so  sei  es  (mag  die  begnadigung  nicht  eintreUii), 
wenn  es  nicht  im  Interesse  des  Staates  liegt.'  indessen  Th.  kent  ein 
solches  elev  nicht,  und  bei  andern  Schriftstellern  bezeichnet  es  den  Über- 
gang zu  etwas  neuem  und  erscheint  nie  im  nachsatz.  gegen  die  verwbie- 
denen  vorschlage  das  elev  zu  ändern  (töv,  dXeeiv,  dveivoi)  bemerkt  C., 
dasz  die  erginzung  des  ou  KeXeuu)  nach  dem  völlig  neuen  ansatz  des 
zweiten  gliedes  unzulissig  sei.  dieser  einwand  hllt  mich  nicht  ab  Lia- 
daus  ddv  zu  bilhgen,  welches  durch  die  von  L.  Dindorf  beigebrachte 
parallelstelle  Plat  Euth.  4*"  sehr  empfohlen  wird,  denn  mir  scbeioeD 
vielmehr  beide  Satzglieder  durch  re  —  Te  eng  verbunden  zu  sein,  und  wie 
zu  ^xovrdc  Ti  EtTTTViO^ric  aus  dem  vorhergehenden  dirocpiivtti  ergänzt 
werden  musz,  mit  demselben  rechte  kann  oö  bid  toCto  xeXeucu)  xo 
i&v  hinzugedacht  werden.  —  45,  6  dboKnrtuc  tdp  &TIV  öre  napicra- 
}i4vi\  Kai  Ik  TUiv  unobeecT^puiv  Kivbtiveuetv  nvd  irpodfci  zeigt  die 
Stellung,  dasz  xat  Ik  tuiv  uiTObeeCT^piJUV  nicht  mit  dboic^u^c  zu  ver- 
binden ist,  sondern  zu  Kivbuve^tv  gezogen  werden  musz,  wodurch  zu- 
gleich eine  directere  beziebung  zu  dem  durch  Kai  M^Td  trdVTUJV  ixacroc 
dXoticTUic  im  nX^ov  ti  a^dv  dböEacev  gleich  darauf  ausge6p^ocb^ 
nen  gedanken  gewonnen  wird.  —  52, 2  TtpociT^jüiiTei  ti  auTOic  KrjpuKa 
X^TOVia,  ei  ßouXovrai  irapa^oGvai  Tf|v  wöXiv  dKÖvrec  toic  Aokc- 
batfiovtoic  Kai  ^tKOcroäc  ^Keivotc  xpi^cacOai,  toüc  re  dbiKOuc  KoXä- 
cetv,  irapd  btKr)V  54  oubeva.  mit  recht  hat  G.  das  von  KrOger  vorge- 
schlagene KoXdceiv  statt  KoXdZeiv  in  den  text  gesetzt,  da  die  Lakedi- 
monier  als  subject  zu  denken  sind,  nun  wird  aber  jeder  der  die  steile 
liest  unwillkürlich  mit  toüc  Te  dbiKOiK:  den  nachsatz  beginnen  (re  — ^ 
wie  111,1).  damit  jedoch  ist  G.  nicht  einverstanden,  sondern  er  will  zu 
ei . .  xp^cacOat  als  ^elliptischen  nachsau'  toöto  bpäv  (so  soUteo  sie 
das  thun)  erganzen,  so  dasz  mit  touc  Te  dMKOUc  KoXdcetv,  trapd hX" 
KHV  hk  oibiva  ein  neuer  gedanke  hinzugefügt  würde,  und  beruft  sieh 
dafür  auf  IV  37,  2  und  V  115,  2,  wo  derselbe  gebrauch  sich  zeige,  alleio 
gesetzt  das  sei  wirklich  der  fall ,  so  würde  daraus  noch  keineswegs  fol- 
gen, dasz  Th.  in  jedem  ähnlichen  falle  sich  nur  so  und  nicht  anders  babe 
ausdrücken  können;  vielmehr  würde  man  noch  immer  berechtigt  sein  zu 
fragen,  ob  nicht  eine  andere  auffassung  einfacher  sei  und  dem  Verständnis 
näher  liege,   in  der  that  aber  ist  an  keiner  von  beiden  stellen  eine  aoicbe 


L  M.  Stahl :  anz.  ▼.  Thokydides  erklau^t  von  J.  Cltssen.  3r  band.     117 

ellipse  vorhanden,  sondern  ci  leitet  einen  iodirecten  fragesatz  ein  (dx/j- 
pu£av,  ei  ßouXoivro  t&  &n\a  irapaboOvai:  *sie  lieszen  durch  einen 
herold  fragen,  ob  sie  die  waffen  äbergeben  wollten';  dirfjpuEav,  eT  Tic 
ßoiiXeroi  Xv^iZecOai:  'sie  lieszen  aasrafen,  ob  einer  plOndem  wolle'). — 
54,  4  xal  T^p  i^trcipt&rai  t6  dvrec  iyaviiaxAcaiiev  iix'  ^ApTepidifi, 
^dxi}  T€  T^  ^v  T^  flMer^pa  yQ  yevojxivfji  irapef cvö^eOa  ö^iv  t€  xai 
TTaucavioE  will  C.  xai  mit  dem  den  folgenden  satz  eT  t^  n  äXXo  • .  }it' 
T^cxOfiev  anschlieszenden  re  in  beziehung  setzen,  obgleich  xal  —  re  in 
dieser  weise  nicht  verbanden  wird  (Krflger  spr.  $  69,  32,  llj;  xen  'fip 
ist  etenim  (a.  o.  S  69,  32,  21).   aach  nimt  er  anstosz  an  dem  Te  nach 
t^ireipiSrai,  dem  kein  bestimmter  gegensatz  folge;  dasselbe  scheint  ge- 
rechtfertigt dnrch  die  betonte  Stellung  des  tVireiporrai  övtcc  —  66,  3 
ei  T^P  Ti£i  ctdrixa  xpT|c{^lll  u^uulv  re  xal  dxcivtuv  troXe^itu  tö  bfacaiov 
XT)i|f€c6e ,  ToO  jüidv  öpOoC  qKrvetc6e  oöx  äXnOek  xprrol  ovrec ,  tö  bi 
£t)Hcpdpov  ^^XXov  Oepaireuovrec  bemerkt  G. ,  tö  bixoiov  Xa^ß&veiv 
bedetle  so  viel  als  ötxäZetv,  indem  er  sich  anf  20,  4  Tf|v  fidv  odv  Eu^- 
^dTpT)Civ  TUJV  xXi|yidxuJV  oÖTUiC  fXoßov  beruft,  wo  Xa^ßävetv  eben- 
falls znr  Umschreibung  der  einfachen  handlung  gebraucht  werde,   allein 
an  dieser  stelle  helszt  es  ^erlangen*,  und  Oberhaupt  ist  ein  solcher  ge- 
brauch des  Xa^ßdverv  nicht  nachzuweisen  (^zu  etwas  gelangen'  hetszt 
es  ancfa  Soph«  Ai.  345,  Phil.  536).   daher  bedeutet  jö  bixonov  Xafißd- 
VEiv  Mie  rechtsfrage  l)eurteilen'.   zu  t6  Mxotov  vgl.  III  10,  1.  V  86. 
in  dem,  was  C.  gegen  KrOgers  Snderung  iroXe^ituc  geltend  macht,  stimme 
ich  ihm  vollständig  bei.    von  dem  vorteile  der  Thebäer  (T<fr  XP^^^MH^ 
dKCfvnrv)  ist  in  der  folgenden  ausfahrung  gar  keine  rede;  die  erwähnung 
ihres  feindseligen  standpunctes,  der  mit  dem  augenblicklichen  vorteil  der 
Lakedflmonier  zusammenwirkt,  ist  in  dem  vorhergehenden  satze  begrün- 
det,   wenn  Böhme  zu  Xo^ßävetv  in  der  bedentung  ^auffassen'  ein  adver- 
bium  verlangt,  so  spricht  dagegen  59,  1  olKTifi  CtCnppovt  XaßövTOC 
die  adverbiale  bestimmung  wird  durch  den  dativ ,  welcher  das  die  beur- 
teilung  bestimmende  moment  bezeichnet ,  ersetzt.  —  56,  7  xaiTOt  XP^ 
xainä  irepl  Tdöv  aÖTuiv  6mo(uic  (pdvecOai  TtTViftcxovroc  xa\  Td 
€ti|iq)^pov  H#|  dXXo  Ti  vojüiicai,  H  täv  Eu|jim4x*wv  toTc  Äraöoic  ÖTcrv 
äA  ß^ßaiov  Ti^v  x^piv  Tf^c  dpeTf^c  £xw<^^  ^^^  '^  ttapairrixa  nou 
ifäv  dl<p^Xi^ov  Ka6lCTfiTat  soll  nach  G.s  auslegung  eine  rechtfertigung 
der  treue  enthalten,  welche  die  Plataer  den  Athenern  bewahrt  haben,  und 
damit  vertheidigt  G.  die  hsl.  lesart  ^x^^^  E^S^^  Heilmanns  Ixo^c^^*  ^^^ 
letzten  werte  seien  dann  entweder  zu  emendieren  (etwa  xSv  TÖ  irapau- 
Tixa  wou  öjyitv  dicp^Xtjyiov  dtvötcrflTat)  oder  zu  erklären:  'auch  wenn 
vielleichi  die  augenblickliche  läge  sich  als  vorteilhaft  för  euch  (und  daher 
far  uns  gefiifarlksh)  heransstellt.'  die  erklftrung  ist  schon  deswegen  zu 
verwerfen,  weil  der  vM^teil  der  Lakedämonier  in  dem  von  G.  angenomme- 
nen zusammenhange  gar  nidit  in  betracht  kommen  kann,   aber  auch  der 
ansieht,  dasz  die  werte  xal .  .  xa6i€Tf)Tat  zu  emendieren  seien,  kann  ich 
nicht  beistimmen,  weil  mir  der  ausgangspunct  der  auffassung  G.s  nicht 
der  richtige  zu  sein  schehit.   unter  Eu^^axol  sind  nemllch  vorzugsweise 
die  Plataer  und  unter  dpeTi^  ihre  in  den  Perserkriegen  bewiesene  tüchtig- 


118    J.  M.  Stahl:  anz.  y.  Thukydides  erklArt  von  J.  Classeo.  3r  band. 

keil  zu  verstehen,  denn  blosz  von  dieser  und  dem  danke,  welchen  die 
Platäer  dafür  beanspruchen,  ist  in  dem  vorhergehenden  teile  des  ge- 
dankenabschnittes  die  rede;  was  aber  c.  55  von  dem  Verhältnisse  der 
Plat&er  und  Athener  gesagt  wird,  steht  in  einem  andern  mit  dem  ende 
des  cap.  abgeschlossenen  zusammenhange,  dazu  kommt  dasz  auch  ein- 
zelne ausdrücke  auf  die  angegebene  beziehung  von  toiv  £u^^dxu)V  und 
Tfic  dp€Ti)c  hinweisen,  so  äp€Trjv  56,  5,  ävöpujv  äraOuJV  57,  1 
ebenfalls  von  den  Platäem  gesagt,  6€u)v  SvCKa  tüüv  SujüifiaxtKUiv  .  . 
Kai  Tf)c  äp€Tf)c  58,  1.  keineswegs  nehmen  aber  nun  die  PlatAer,  wie 
L.  Herbst  im  philol.  XVI  s.  298  glaubt,  die  miene  an,  als  wären  sie  etwa 
noch  wirkliche  bundesgenossen  der  Lakedflmonier ;  denn  der  ausdruck 
TOIV  SujLijüidxuiv  TOic  dcfoldoxc  ist  allgemein ,  wenngleich  er  auf  die  Pia- 
täer  selbst  eine  besondere  anwendung  findet,  und  kann  sich  eben  seiner 
allgemeinheit  wegen  auch  auf  ein  vergangenes  Verhältnis  beziehen ;  auch 
ist  d€(  mit  nachdruck  hervorzuheben,  dasz  die  Platäer  übrigens  die  frü- 
here bundesgenossenschaft  als  in  ihren  rechtlichen  folgen  noch  fortbe- 
stehend betrachteten ,  ergibt  sich  aus  II  73 ,  3.  durch  den  inf.  aor.  vo- 
jüiicat  und  i&jiiiv  wird  angezeigt,  dasz  der  aufgestellte  allgemeine  grundsalz 
in  dem  vorliegenden  falle  und  bei  den  Lakedämoniern  eine  specielle  an- 
wendung findet,  am  schlagendsten  aber  wird  die  beziehung,  in  weleher 
unser  satz  zu  dem  vorher  ausgesprochenen  gedanken  steht,  dargelegt 
durch  den  vergleich  mit  57, 4.  58, 1,  wo  xaiTOi  ganz  genau  in  derselben 
Verbindung  erscheint:  ä^cTc  T€,  (h  AaKcbaijiiövioi,  . .  b^öijüicv  \ii\  od 
ß^ßmot  fire.  xairoi  ä£ioOM^v  fe  , .  Ka^q>8f)vai  uijiiäc  Kai  ^CTarvu)- 
vai.  ganz  ähnlich  lautet  an  unserer  stelle  der  vorhergehende  satz :  vOv 
iiA  ToTc  aÖToTc  &^bijii€V  jnfi  bta(p8apiDjii€V.  wie  nun  dort  das  von  den 
Platäem  gestellte  verlangen  sich  «gegen  das  object  ihrer  furcht  (fif|  ou 
ß^ßaiot  f)T€)  wendet,  so  wird  auch  hier  gegen  den  gegenständ  ihrer  be- 
sorgnis  der  von  ihnen  aufgestellte  grundsatz  des  handelns  gerichtet  sein, 
sie  fürchten  aber ,  dasz  sie  gerade  aus  demselben  gründe ,  weswegen  sie 
früher  (ou  lä  £ujiiq)opa  aixoic  irpdccovxec,  iS^ovrec  hk  toX^v 
TOt  ß^Xncra)  die  höchste  anerkennung  erlangten,  jetzt  fAOrjvaiouc 
£Xöfi€vot  btKaiuic  fiäXXov  t{  ö^äc  K€pbaX^uic)  ihren  Untergang  finden, 
gegen  den  darin  liegenden  Widerspruch  erhebeu  sie  einspräche  mit  dem 
rechtsgnindsatze  XP^  TaäTa  iT€pl  T(&v  aörujv  ö^o(u)C  q>aiv€c6ai 
TiTVi^iCKOvrac,  zugleich  aber  auch  im  folgenden  gegen  das  motiv  (tö 
napauTixa  £u|Li9^pov)  welches  diesen  widersprach  herbeiführt,  und  so 
steht  denn  das  ende  des  hier  schlieszenden  gedankenabschnittes  in  der 
engsten  beziehung  zu  seinem  anfange  56,  3  €i  täp  Tif)  aöriKa  xp^c^MH^ 
i^jiiiS)v  . .  TÖ  bixaiov  XTiqi€c6€.  ist  diese  darstellung  des  gedankenzu- 
sammenhanges  richtig ,  so  folgt  daraus  die  notwendigkeit  der  Heilmann« 
sehen  emendation  €xouct  und  die  Verwerflichkeit  jeder  andern  änderung. 
sie  gibt  den  in  jeder  beziehung  befriedigenden  gedanken:  *den  vorteil 
dürft  ihr  nur  da  finden ,  wo  sich  das  augenblickliche  interesse  mit  der 
andauernden  dankbarkeit  gegen  verdiente  bundesgenossen  verbindet.' 
durch  1T0U  ^einigermaszen'  tritt  tö  irapauxiKa  dj9Ai|Liov  KaOtCTfiTat 
als  das  minder  wesentliche  zurück  wie  II  87 ,  2.  —  58 ,  3  cuJ^dTUiv 


J.  M.  Siahl:  aiiz.  v.  Thukvdides  erklart  von  J.  Classeu.  3r  band.     119 

&b€tav  iTotoCvT€C  .  .  Kai  irpovoouvT€C  ist  Ka{  einfach  copnlativ  zu 
fassen,  wenn  das  auch  dem  streng  logischen  verh&ltnisse  nicht  genau  ent- 
spricht, da  ja  Th.  dfler  die  parataktische  Verbindung  anwendet,  wo  dieses 
Unterordnung  erfordert.  ^  58,  4  äiroßX^i|iaT€  T&p  ic  irorr^puiv  Tuiv 
ujii€T^puiv  8i)Kac,  oOc . .  £TijaiDjii€V  Korä  £toc  IxacTOV  biijüiociqi  £c6ii- 
fiaa  findet  C.  £cOrj|iaci  befremdend,  möge  man  es  von  dargebrachten 
gewAndern  oder  von  trauerkleidern  verstehen,  meines  erachtens  werden 
die  festge wunder  bezeichnet,  welche  diejenigen  trugen,  die  die  feier  voll- 
zogen, das  scheint  mir  daraus  hervorzugehen,  was  Plutarch  im  Arlstei- 
des  21  in  seiner  für  die  sachliche  erkiArung  dieser  stelle  sehr  wichtigen 
beschreibung  der  feier  von  dem  archon  der  Platäer  berichtet:  ivA  iräct 
bi  Tubv  TTXarm^uiv  6  äpxtuv,  &  töv  äXXov  xP^^vov  o(jt€  abifipou 
OiTCtv  Seen  oöe'  ^T^pov  tc^a  irXfiv  \ev\d\c  dvoXaßciv,  t6t€ 
XtTVüva  90tviKoOv  dvbcbtiKdjc  äpd|Li€VÖc  T€  ubpiav  &nö  toO 
TpcwtaToqpuXaidou  l\qff\px\c  iiA  touc  Td90uc  irpo&T^t  bi&  M^ciic 
Tf|c  iiöX€U)c.  —  68, 5  TTaucoviac  jiiiv  Top  ^OattTCV  aörouc  vo^i£a)v 
4v  itt  "^^  9tXu;i  TtG^vat  kqI  irap '  dvbpdci  toioutoic  *  ujueTc  bi  €i  xre- 
veiTC  fvific  Kai  xdjfKxy  Tf|v  TTXaTauba  Biißaiba  irotrjceTC,  tI  äXXo  f{ 
iv  no\€\i\q  T€  Kai  irapd  toTc  aöO^vraic  iror^pac  touc  äMcNpouc 
xai  £utT€V€ic  äTijyiouc  TCpdiv  Jiv  vOv  tcxouci  KaTaX€{\|i€T€,  irpdc 
bi  Kai  T*iv  4v  ^  i^XeudepuiOiicav  ol  *'€XXtiv€C  bouXuic€T€ ,  Upd  t€ 
Oci&v  ok  eöSd^evot  Miibwv  ^KpdTTicav  £pt)jiioOT€ ,  Kai  Ouciac  rdc 
irarpiouc  twv  ^ccap^vwv  Kai  KTicdvruiv  dqHxtpfjcecSe ;  erklärt  C.  die 
letzten  worte:  'ihr  werdet  die  heimischen  opfer  denen,  die  sie  bei  sich 
gegründet  und  gestiftet  haben,  entziehen';  eigentlich  sei  zu  erwarten: 
'ihr  werdet  den  opfern  ihre  Stifter  entreiszen.'  ich  musz  bekennen  dasz 
ich  keines  von  beidem  verstehe,  von  welchen  opfern  ist  die  rede?  wer 
sind  die  Stifter  die  ihnen  entrissen  werden  ?  die  Platfler  die  hingerichtet 
werden  sollen?  welche  opfer  aber  können  diese  gestiftet  haben,  deren 
fortbestand  den  Lakedflmoniern  besonders  am  herzen  liegen  musz?  un- 
möglich ist  die  erklJIrung  auch  deswegen,  weil  &ca)i^vu)v  nach  dem 
stehenden  gebrauch  des  Wortes  nur  von  baulichen  anlagen  oder  statuen 
gesagt  sein  kann,  deswegen  hat  denn  auch  Böhme  nicht  Oudac,  sondern 
Upd  als  object  zu  ^ccaM^vuJV  Kai  KTicdvTUiv  genommen  und  erklärt: 
'ihr  werdet  den  gröndern  und  erbauem  der  tempel  die  opfer  entziehen.' 
dieser  auffassung  steht  die  thatsache  entgegen,  dasz  Ouciat  nur  den  göt- 
tem  zukommen,  vgl.  Plut.  mor.  857"  TOUTOtc  übe  (pOtToTc  Kai  fipwav 
^voriZeiv  b€iv  olerai,  dXXd  jiif|  6u€tv  «bc  Oeolc  mithin  sind  die  Ou- 
ciat auch  durchaus  zu  scheiden  von  den  flfid  welche  den  toten  darge- 
bracht werden,  was  nun  das  vorhergehende  Satzglied  angeht,  so  will  G. 
tpilfioCre  als  contrahierte  futurform  fassen,  wie  sie  auch  bei  fut.  mit 
langem  vocal  teils  von  Buttmann  spr.  S  9^  a-  16  nachgewiesen,  teils  an 
mehreren!  von  ihm  selbst  angefahrten  stellen  anzunehmen  sei.  allein  ab- 
gesehen von  dem  'im  antiattioisten  p.  90  erhaltenen  und  durch  b€TlOf)CÖ- 
p€0a  erklarten  beoujueSa  aus  Epicharmos',  auf  welches  sich  kaum  ein 
sicherer  schlusz  gründen  läszt,  lassen  alle  von  Buttmann  angeführten 
beispiele,  wenn  nicht  wie  Thuk.  VI  23,  Plat.  Phaedon  62  S  Sopb.  PhiL 


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J.  H.  Stahl:  anz.  ▼.  Tbukydides  erklärt  yw  J.  Glasseo.  3r  baad.     121 

m 

selben  den  Plat&em  Qberlnigen  (ebd.  21).  —  59,  2  ahou|<ete  äpfic  .  • 
ircicai  rdbc  kann  Tdb€  nicht  auf  das  folgende  yi\  TCV^cBm  öicö  6ih 
ßatoic  ^r\hk  .  .  TiapaboOnvai  hintvetsen,  weil  dieses  in  einem  eigeaea 
abhingigkeilsverhJJCnis  steht,  aus  welchem  es  nicht  geldst  werden  kann; 
59,  1.  li  75,  6.  76,  3  sind  anderer  arL  daher  wird  es  sich  anf  das  vor- 
hergehende qpcicacOai  bk  kgu  dirixXocGiiyai  beziehen  (w^.  40,  8),  nnd 
um  das  unertrigliche  asyndeton  zu  Inseitigen,  wird  man  gleich  dannf 
7rpo<p€pÖM€voi  T€  fipKouc  oOc  ol  irarr^c  tiyiuiv  u^i^ocov  ju\  dfivfh 
|AOV€fv  iKirai  inTVÖficOa  vpiiiv  tuiv  trorpdNUv  Tdqniiv  lesen  müssen, 
der  aasfall  des  T€  wurde  dadurch  Teranlasst,  dass  man  irpo^icpöpcvoi 
zum  vorhergehenden  zog.  es  gehört  aber  angenscheinlich  zum  folgenden, 
und  deswegen  ist  auch  Reiskes  Vermutung,  dasz  uc^Tai  T€  TTrvöpcOa  za 
lesen  sei ,  zu  misbilligen.  in  derselben  weise  wird  auch  fipepac  tc  ova- 
|iipvV)aco^€V  . .  iraOeiv  angeschlossen,  das  als  drittes  giieid  des  gedan- 
kens  (aiTOlJ^eOa . .  licdTai  xiTvö^eOa . .  dvofjufivriacofKv)  durch  schwä- 
chere tnterpunction  enger  anzuknüpfen  isL  —  In  der  schwierigen  stelle 
82, 1  Kfld  4v  ^^v  eipnvi)  ouk  &v  dxövruiv  wpöqpactv  oub'  iroi^uiv 
irapaxaXeTv  aurouc ,  TroX€^ou^^vtuv  hk  Kcd  EuMfiaxiac  fipa  äcord- 
poic  tQ  tujv  ivavTiuiv  KaKu»C€t  Kai  C9iciv  auroic  ix  toö  avroO 
irpocnotiicet  ßfbiuic  al  ^iraruiTOtt  toic  v€uiTcpi2l€iv  n  ßauXo^6f0lc 
€iropi£ovTO  steht  ^^v  —  b^  in  zusammenbiegender  conslniction  wie 
VI  69,  1  dXXd  T^  fji^v  dvbpiqi .  .  irpouöibocov,  wo  Krüger  zu  verglei- 
chen, bei  dToi^UlV  konnte  6vTurv  ausgelassen  werden,  da  es  einen  ver- 
balen begriff  (eOeXövTuiv)  enthalt,  vgl.  Xen.  auab.  \11  8,  11  die  dxoi- 
pLVjy  bi\  xpnMdruiv  und  Krüger  spr.  S  47,  4,  6.  dem  ouk  av  ixdvrwv 
ist  oub*  ^TOlfiUiv  einfach  nebengeordnet;  denn  C.s  aufTassuog  *  während 
sie  im  fiieden,  wo  sie  keinen  anlasz  dazu  gehabt  hätten,  auch  nicht  bereit 
waren  fremden  schütz  herbeizurufen'  führt  eine  unnötige  Schwierigkeit 
ein.  C.  möchte  jetzt  ^toijli*  fjv  vermuten;  allein  ^ToTjüia  elvat  ohne  be- 
stimmtes subject  gebraucht  Tb.  nur  von  vollbrachten  zurüslnngen.  ferner 
w  ill  C.  ä^a  mit  dem  folgenden  Kai  verbinden :  'um  den  gegnem  zu  scha- 
den und  sidi  selbst  zugleich  durch  ebendasselbe  vorteil  zu  schaffen.'  das 
ist  unstatthaft,  weil  fifia  seine  beziehung  in  iToX6^ou|l^vuiv  findet:  'mit 
dem  kriegszuslande  wurde  zugleich  auch  die  herbeiziehung  äuszerer  hülfe 
erleichtert'  derselbe  grund  spricht  gegen  die  erkläruug  von  A.  Steitz, 
die  G.  im  anhang  mitteilt  ich  übersetze  demnacli  die  stelle  in  folgender 
weise:  *und  während  sie  im  frieden  zwar  keinen  anlasz  gehabt  hätten 
und  nicht  geneigt  waren  sie  herbeizurufen ,  wurde  hingegen  im  kriegszu- 
stande  zugleich  auch  die  herbei ziehnog  von  bundesgenossenschaft  den 
neuerungssüchtigen  beider  parteien  zur  Schädigung  der  gegner  und  eige- 
nen machtvermehning  leicht  bewerkstelligt'  —  82, 4  TÖ  b*  ^^itXt|ktuic 
öix)  dvbpöc  iioipqi  irpocer^On,  dcq>aXeiqi  b^  tö  dmßouXeucacBat 
d7TOTp07Tf]C  irpdqiaoc  euXoxoc  bezweifelt  C.  die  richligkeit  der  ge- 
wöhnlichen auslegung  von  dccpaXefqi . .  eöXoTOC.  er  möchte  entweder 
erklären :  *zur  eigenen  Sicherheit  (dcqHtXeiqi  an  irpoccT^On  anzuschlie- 
szen)  wurde  tückische  arglist  gerechnet  als  wolklingender  vorwand  zur 
abwebr*  oder  dccpdXeta,  die  lesart  der  beslen  hss.,  herstellen  und  au* 

i«hrMch«r  fttr  dMS.  philo!.  1868  hlt ).  9 


122    J.  H.  Suhl:  anz.  v.  Tfaukydides  erklärt  von  J.  Classen.  dr  band. 

^otpql  TTpocer^Or)  ein  allgemeines  £vö^ic9ii  ergänzen:  'fülr  eigene  Siche- 
rung galt  heimtückische  arglist  als  wolklingender  vorwand  zur  abwehr.' 
dagegen  spricht  1)  dasz  das  medium  ^mßouX€U€c6ai  in  der  angenomme- 
nen bedeutung  nicht  nachzuweisen  ist ,  2)  dasz  gleich  darauf  das  activ 
iirtßouXcücac  in  demselben  sinne  gebraucht  wird  und  also  dieselbe 
handlungswetse  einmal  als  dcqxiXeta  und  dann  als  £uv€ac  gedeutet 
wilrde  (imßouXeucac  bi  Tic  Tuxuiv  Suvctöc),  während  sonst  in  der 
ganzen  ausführung  des  Tf)V  eiuiOmav  dSiuictv  rdiv  övo^driuv  de  id 
IpTCi  dvTfiXXaSav  t^  biKmibcei  jedes  einzelne  verfahren  auch  nur  ^ioe 
auslegung  findet;  3)  wird  die  gleichmäszlgkeit  des  ausdrucks,  wie  sie  in 
den  vorhergehenden  anlithesen  herscht,  verletzt,  wenn  irpöqKXCic  cfiXo- 
YOC  als  apposition  gefaszt  wird ;  4)  steht  in  dem  vorhergehenden  wie  in 
dem  zunächst  folgenden  immer  dem  leidenschaftlichen  verfahren  ein  ge- 
mässigtes und  besonnenes  verhalten  entgegen  (der  TÖX^a  dXÖTicroc: 
^^XX1lCtc  Ttpo^n^c,  TÖ  cüjqppov,  tö  irpöc  dirav  Suvctöv«  dem 
XaXeiraivujv:  dvriX^xwv  aurqj,  dem  dmßouX€ucac:  irpoßouXeOcac), 
und  so  wird  auch  hier  dem  djLurXyiiCTUJC  diu  der  gleiche  gegensatz  niclii 
fehlen,  um  diesen  aber  zu  erhalten  wird  man  entweder  ^Ti  ßouXeuca- 
cOai  ändern  oder,  was  mir  zulässig  scheint,  dem  dirißouXeucacOai  die 
bedeutung  des  aberlegens  (des  weitern  berathens;  dirißouXcucacOai 
wie  dTTifVuivat  1  70,  2)  zuschreiben  müssen,  in  welcher  es  auch  von 
Arrian  Epict.  diss,  IV  1, 160  ÖTi  aicxpöv  flT^iTO,  oöö'  dneßouXeucoTO 
gebraucht  worden  ist  (vgl.  Schweighäuser  z.  d.  st),  soll  nun  ferner  die 
gleichmäszigkeit  des  ausdrucks  gewahrt  werden,  so  musz  mau  aus  dem 
scholion  TÖ  iiA  TToXu  ßouXeucacOai  b\*  dcq)dX€iav  iTpoq)acic  dno- 
Tp07Tf]C  dvojutZeTO  die  lesart  dcqpoXeiqi  aufnehmen  und  dieses  mit  ^tti- 
ßouXeücacSai  verbinden,  vgl.  56,  5  oi  ^r\  rä  Sufiqpopa  auToTc  dc(pa- 
Xeiqt  7rpdccovT€C,  dO^XovTCc  hk.  ToX^äv  ^i€Td  KivbOvuJV  Td  ß^XTiaa. 
wie  es  an  dieser  stelle  zu  ^CTd  KivbuvuJV  den  gegensatz  bildet,  so  an 
der  unsrigen  zu  d^irXrJKTUJC  öHu,  welches  von  demjenigen  gesagt  ist,  der 
kopflos  sich  in  gefahren  stürzt,  schlieszlich  musz  auch  dirOTpOTTf^C  zu 
dvbpöc  M0ip<y  einen  gegensatz  bilden  und  kann  daher  nicht  ^abwebr' 
bedeuten,  derartige  verbalsubslantiva  können  aber  den  begrlif  ihres  ver* 
bums  nicht  nur  in  activer,  sondern  auch  in  medialer  bedeutung  enthalten, 
so  dTT0CTp09ii  von  dirocTp^qpecSat  (IV  76,  ö),  iuccfurfxi  von  in&xe- 
cGm  (111  100,  1),  dnoKOMibri  von  diroKOMlZecOai  (I  137,  4),  EuvaX- 
XaTH  ^on  JuvaXXdrrccGai,  dicTpoirri  von  dicrp^TrecSai.  mithin  kann 
dTTOTpotryi  nicht  nur  im  sinne  von  dnoTp^nciv  (III  46,  7),  sundern  auch 
von  diTOTp^irecOat  stehen,  da  nun  letzteres  ^zurückweichen'  heiszt 
(VHl  10,  2),  so  ergibt  steh  für  unsere  stelle  folgende  uberseuung:  ^ein 
tolles  drauflosgehen  galt  als  mannhafligkeit ,  mit  Sicherheit  zu  überlegen 
aber  als  schonklingeuder  vorwand  des  zurflckweichens.' 

(der  BchlnsE  folgt  im  nächsten  hefte.) 

Köln.  Johann  Matthias  Stahl. 


F,\tieseler:  gemmae  liUeralae  in  der  Ermitage  zu  SU  Petersburg.     123 

21. 

GEMMAE  LITTEBATAE  IN  DEB  ERMITAOE 
ZU    ST.   PETEKSBURG   UND    IN    EINIGEN    ANDEBEN 

8AMLUNGEN. 


.  L.  Stephani  hat  zu  H.  K.  E.  Köhlers  gesammelten  Schriften  bd.  III 
s.  246  f.  anm«  191*  Köhlers  classifiderung  der  gemmen  mit  aufschriften, 
welche  keine  kflnstlemamen  enthalten ,  zu  rectificieren  versucht  und  bei 
der  gelegenheit  eine  auzahl  von  aufschriften  zusammengestellt  und  erllu- 
tert.  dann  wurde  im  corpus  inscriptlonum  graec.  bd.  IV  s.  46  f.  und 
namentlich  85  f.  an  solchen  aufschriften  zusammengebracht ,  was  in  her- 
ausgegebenen Schriftwerken  eben  zugtoglich  war.*)  ergSnzungen  dazu, 
und  zwar  gerade  fflr  die  so  seltene  classe  der  nur  mit  Inschriften  ver- 
sehenen cameen  oder  intaglios,  bieten  namentlich  drei  specialschriften 
ilber  gröszere  noch  bestehende  gemmensamlungen:  1)  Cbabouillets  cata- 
logue  g^n^ral  et  raisonnö  des  camöes  et  pierres  grav.  de  la  bibl.  imp^r. 
(Paris  1858)  namentlich  s.  48  ff.,  auch  s.  278  ff.;  2)  Ed.  v.  Sackens  und 
F.  Kenners  beschreibung  der  samlungen  des  k.  k.  münz-  und  anliken- 
cabinets  (Wien  1866)  s.  430  nr.  101  ff.  und  s.  448  nr.  1172  ff.;  3) 
L.J.F.  Janssens  schrift  Mes  Inscriptions  grecque.^  et  ^trusques  des  pierres 
gravees  du  cab.  de  S.  M.  le  roi  des  Pays-Bas'  (La  Hayes  1866),  und  ein 
Verzeichnis  einer  seitdem  verkauften  samlung,  nemlich  der  ^catalogue  of 
the  coUection  of  . .  antiquities  formed  by  B.  Hertz'  (London  1851).  auch 
aus  der  kais.  geromensamlung  zu  Sl  Petersburg  können  noch  nachtrage 
gegeben  werden,  einige  griechische  aufschriften  habe  ich  mir  während 
meines  neulichen  aufenthalts  daselbst  mit  freundlicher  beihOlfe  des  hm. 


*)  leider  ist  Franz  selbst  dann,  wenn  die  originalwerke  leicht  zu- 
gänglich waren,  nicht  immer  auf  diese  inrückgegangen ,  sondern  hat 
ans  abgeleiteten  quellen  geschöpft,  unter  nr.  72^64  b  heiszt  es:  'in 
iaspide  cum  Harpocrate  super  asini  Caput  insidente.  ex  Hponii  miscell. 
emd  et  Pelliccia  de  Christ,  eccl.  politia  t.  III  p.  424  ed.  Braun. 
iCKNON  KAI  AN6IKHT0N.  *lc(x)vöv  kuI  dvcix^TOv.  posais  etiam  [doj- 
Kvov  Kai  dv€iia)Tov  conicere.  in  parte  aversa  dicitur  esse  littera  €.' 
ich  hatte  längst  für  mich  das  erste  wort  in  Icxvpöv  verändert,  als  ich 
sah  dasz  so  auf  dem  steine  wirklich  geschrieben  ist,  von  dem  auch 
daa  über  die  littera  €  gesagte  keinesweges  gilt:  vgl.  die  anftihrungen 
bei  Kopp  palaeogrraphia  critica  bd.  IV  §  834.  während  manche  schon 
längst  herausgegebene  gemmeninschriften  gar  nicht  berücksichtigt  sind, 
findet  man  andere  verzeichnet,  die  nicht  'griechische  sondern  lateini- 
sche, oder  die  nicht  gemmeninschriften,  sondern  marmorinschriften 
sind,  unter  nr.  7076  wird  die  aufschrift  EVHEMI  gelesen  €lpfl(viic) 
cifii.  wer  wird,  trotzdem  dasz  nach  Tölkens  erki.  Terz,  der  ant.  ver- 
tieft f^eschnittenen  steine  der  k.  preusz.  gemmensamlung  cl.  III  abt.  5 
nr.  1384  s.  237  sich  zwischen  H  und  E  ein  etwas  gröszerer  Zwischenraum 
findet  als  das  CIO.  andeutet,  nicht  Evphemi  lesen  (vgl.  CIO.  7082  c}? 
unter  nr.  7335  ist  die  aus  Montfaucons  ant.  ezpl.  suppl.  t.  III  tf.  65 
8.  173  entlehnte  Inschrift  KYPI6  XAIP6  aufgeführt,  diese  ist  aber 
ebenso  wie  die  vorhergehende  ohne  zweifei  aus  Spons  miscell.  erud. 
antiq.  s.  297  (amuleta  nr.  I)  entlehnt,  und  hier  findet  sich  ausdrücklich 
«marmor'  untergeschrieben. 

9» 


1 


124     F.'Wieseler:  gemmae  Utteratae  in  der  ErmiUge  za  St  Petenburg 

Johannes  Doli  notiert,   ich  teile  hier  zunächst  solche  mit,  welche  sich 
auf  bildweriie  beziehen. 

1. 
Auf  einem  roh  geschnittenen  intaglio,  einem  rolhen  iaspis,  A  IV5 
nr.  22,  findet  sich  statt  des  bekannten  elc  Zcuc  C^pamc  (Kopp  paiaeogr. 
crit.  bd.  IV  s.  271  S  BOO,  OG.  nr.  7041  u.  7042,  vgl.  auch  Sacken  und 
Kenner  a.  o.  s.  448  nr.  1184)  um  das  mit  dem  kaJatbos  ausgestattete 
brustbild  des  Serapis  herum  die  auch  nach  Stephanis  urteil  trotz  des 
offenbaren  fehlers  im  letzten  worte  unverdächtige  iuschrifl: 

€IC  S6ACC6PAniAOC 
auf  einem  stein,  den  das  CIG.  nr.  70426  verzeichnet,  steht  rEPATTOI. 

2. 
Auf  einem  carneolintaglio,  A  IV  6  nr.  22,  steht  bei  einem  köpfe 
des  Serapis  TTANTA  NIKA  D  CEPÄTTIC,  also  ganz  wie  auf  dem  geschnit- 
tenen steine  im  museo  Florentino  0  14,  3  (CIG.  nr.  6814). 

3  und  4. 
Die  rückseite  eines  vertieft  geschnittenen  lapislazuli,  auf  dessen 
Vorderseite  eine  sich  die  binde  um  das  haupt  legende  Aphrodite  darge- 
stellt ist,  CIV  1  nr.  4,  zeigt  die  Inschrift 

AOwr>i 
Ar>r>wr>r>i 

0PACIC 
und  die  rückseite  eines  gleichen  Steins  mit  einer  ganz  äbnlichen  darstel- 
lung  auf  der  Vorderseite  die  inschrift 

APWPI 
OPACI 
die  aufschrift  APOPPI  0PACIC  oder  APQPI  0PACI  und  noch  mit  ande- 
ren Varianten  hat  Kopp  a.  o.  IV  s.  45  f.  S  623  f.  an  sechs  verschiedenen 
geschnittenen  steinen,  auf  denen  steU  Aphrodite  dargestellt  ist,  nachge- 
wiesen und  zu  erläutern  versucht,  dazu  kommt  noch  als  siebenter  der 
stein  bei  Urlichs  dreizehn  gemmen  nr.  XIII  mit  Är>W^I<t>r>ÄCIC  von  rechts 
nach  links,  und  das  fragmeut  eines  achten  bei  Töiken  erkl.  verz.  der  ant. 
vertieft  geschn.  steine  d.  k.  mus.  zu  Berliu  cl.  IX  abt.  3  nr.  109  mit  der 
(verstQmmeltenj  Inschrift  APCOPI  0.  0PACI  allein  im  felde  neben  einer 
Aphrodite  anadyomene  auf  einem  Stoschischen  schwefelabdruck  bei  Raspe 
catal.  of  engraved  gems  nr.  6212.  die  erste,  den  namen  der  ägyptischen 
Venus  Alhor  enthaltende  abteilung  der  unter  nr.  3  mitgeteilten  Inschrift 
ist  etwas  diesem  steine  eigentfimliches.  aber  die  deutung  der  dunkeln 
Worte  AP.  0P.  habe  ich  nichts  neues  zu  sagen.  AGMPI  allein  auf  dem 
steine  bei  Matter  hisL  crit.  du  gnosticisme  pL  I  E  nr.  6. 

5. 
Der  vertieft  geschnittene  stein  CIV  6  nr.  1  zeigt  auf  der  Vorderseite 
die  drei  Chariten  und  darunter  zwei  kleine  figuren,  auf  der  rOckseite  die 


und  in  einigen  anderen  samlongen.  125 

exmNov^^ 

XAPITCDCON 
am  Schlüsse  der  obersten  reihe  ist  ein  bochstab  abgeschabt«  war  der  ein 
N,  so  hätten  wir,  ohne  eine  verSndening  vorzunehmen,  die  einen  immer** 
hin  passenden  sinn  gebenden  worte  Irt  TTVOiSv  x^^'r^cov.  uvöoc 
wird  bei  Hesychios  durch  q)6ÖTT0C,  TTVorj  erlüirL  dasz  die  Chariten  in 
beziebung  auf  das  x^xptToOv  dargestellt  sind,  ist  wahrscheinlich,  man 
vergesse  nicht,  dasz  sie  gerade  auch  mit  dem  klänge  der  instrumenta  und 
der  lieder  zu  schaifen  hatten,  wer  aber  der  angeredete  sei ,  bleibt  unbe- 
stimmt. 

Ausserdem  notierte  ich  mir  in  der  Ermitage  einige  steine,  die  nur 
insebriften  enthalten,    ich  teile  zunächst  drei  erhaben  geschnittene  mit. 

6. 

MAKPIN6 

ZHCAIC 

nOAAOlC 

6T6CIN 
diese  auf  einem  nlcolo  befindliche  aufschrift  ist  ohne  zweifei  dieselbe, 
welche  im  CiG.  nr.  7339  aus  der  description  des  princ.  pierres  grav.  du 
cab.  du  duc  d'Orl^ns  1. 11  pl.  67  herausgegeben  ist,  wo  der  stein  frei- 
lich s.  179  als  agathonyx  bezeichnet  wird,  auf  der  abbildung  in  diesem 
werke  von  La  Ghau  und  Le  Blond  sind  auch  vier  reihen  richtig  ange- 
geben, dieselbe  zeigt  bei  dem  A  und  A  jene  *  traversea  ä  un  c6t^  de  la 
tftte',  welche  Janssen  in  der  unten  anm.  4  zu  besprechenden  schrlft  zu 
nr.  63.  64. 65  und  67  als  ^ötranges  et  inconnus  dans  T^riture  classique' 
bezeichnet  und  deshalb  als  merkmal  der  unechtheit  betrachtet,  aber  ohne 
genfigenden  grund.  den  in  rede  stehenden  Petersburger  stein  hält  auch 
Stephan!  fflr  unverdächtig. 

7. 

ÄAS2 

£rco 
nÄK 

der  stein  ist  gleichfalls  ein  nlcolo.  Ober  das  vorkommen  von  Q  und  0)  in 
einer  und  derselben  Inschrift  s.  Franz  elem.  epigr.  gr.  s.  245.  gröszeres 
bedenken  als  diese  Verschiedenheit  der  buchstabenform  kann  das  punctum 
am  ende  der  inschrift  erregen ,  wie  mir  Stephani  bemerkte,  inzwischen 
findet  sich  dasselbe  auch  auf  dem  amulet  bei  Kopp  palaeogr.  crit.  IV 
8.  243.  man  vergleiche  damit  die  puucte  auf  den  demselben  kreise  ange- 
hörenden geschnittenen  steinen  bei  Kopp  a.  o.  III  s.  667  S  ^^^  ^^^^  ^^^ 
Matter  bist.  crit.  du  gnostic.  pl.  I  F  nr.  5,  und  ebd.  pl.  VII  nr.  1 ,  und 
man  wird  wol  zu  der  ansieht  kommen ,  dasz  es  sich  nicht  sowol  um  ein 
gewöhnliches  interpunctionszeichen  als  um  ein  dem  stern,  welcher  sich 
dann  und  wann  auf  den  gnostischen  roonumenten  findet,  entsprechendes 
zeichen  handelt,  die  gröste  Schwierigkeit  machen  die  lesung  und  deutung. 
dasz  jedoch  das  erste  wort  das  bekannte  AAQNAI  sein  soll,  unterliegt 


126      F.  Wieseler:  gemmae  litteratae  in  der  Ermitage  zu  St.  Petersburg 

mir  keinem  zweifei.  dasselbe  AACO  findet  sich  auch  auf  einem  gnostischen 
ringstein  von  cbalcedon,  der  im  katalog  der  Hertzschen  samlung  s.  72 
ur.  1509  verzeichnet  ist,  und  zwar  steht  hier 

*on  the  plate,  CABAui  —  PEICTE  —  AAui. 

on  one  side,   CiCINrEVn  -  ANiDAPANFH  -  NICOY. 

on  the  other,  NAIAAui  —  AI  --  NEIXAN  —  IBIBA  —  AH.' 
das  erste  wort  kommt  iu  dieser  abgekürzten  form  nicht  seltener  als  das 
vollständige  CABA0D6  vor  (Kopp  a.  o.  III  S  478).  das  zweite  ist  sicher- 
lich zu  lesen :  XPEICTE  d.  i.  XpiCT^.  dasz  das  dritte  wort  eine  abkOr- 
zung  von  AACONAl  ist,  unterliegt  gar  keinem  zweifei.  dagegen  ist  es 
sehr  wol  möglich,  dasz  in  der  inschrifl  ^on  the  other  side'  die  buchsla- 
ben  AAui  mit  den  folgenden  AI  eng  zu  verbinden  sind,  so  dasz  man  nur 
den  ausfall  eines  N  anzunehmen  hat.  Kopp  a.  o.  IV  $  753  halt  auch  die 
buchstaben  AA  auf  einem  anderen  geschnittenen  steine  fClr  eine  abkfir- 
zung  des  namens  AACDNAI.  wird  man  sich  nun  aber  damit  begnügen 
die  folgenden  worte  des  Petersburgers  Steins  zu  lesen :  ^ÜJ  iräv,  und 
dazu  zu  ergänzen  eijiit,  indem  man  in  betreff  des  gedankens  sich  beruft 
auf  das  von  Kopp  a.  o.  IV  $  801  beigebrachte?  ich  für  meinen  teil  kann 
mich  nicht  dazu  entschlieszen.  vielmehr  bin  Ich ,  wenn  ich  bedenke  dasz 
andere  gemmen  der  gnostiker  AAQNAI  und  EAQAI,  AAQNAION  und 
EAODAION  hintereinander  erwähnen  (s.  Matter  a.  o.  und  expl.  des  plan- 
ches  s.  81,  Kopp  IV  $  703  und  754,  Ghabouillet  a.  o.  s.  307  nr.  2245), 
davon  überzeugt  dasz  €rco  nichts  anderes  sein  soll  als  €A(ä)  und  dieses 
eine  abkürzung  für  EACOAI.  bezüglich  des  letzten  Wortes  auf  dem  Peters- 
burger steine  dürfte  es  dann  das  wahrscheinlichste  sein,  dasz  es  den 
namen  des  in  den  spätesten  zelten  des  heidentums  so  hochgestellten 
(Welcker  gr.  götterlehre  II  s.  669  f.) ,  auch  bei  den  Orphikern  und  in 
Aegypten  in  besonderem  ansehen  stehenden  gottes  TTdv  enthalte,  bilder 
desselben  werden  in  der  that  auf  gnostischen  steinen  gefunden,  vgl- 
prodr.  gemm.  de  mus.  Capello  nr.  69  und  191  und  Kopp  IV  s.  162.  aber 
in  den  aufschriften  der  gnostischen  steine  ist  er  meines  Wissens  bisher 
noch  nicht  nachgewiesen,  sollte  er  nun  etwa  in  der  aufschrift  auf  der 
einen  seite  des  oben  erwähnten  früher  Hertzschen  Steines  zu  finden  sein? 
diese  aufschrift  hat  bis  auf  die  letzten  vier  buchstaben  ICOY  die  gröste 
ähnlichkeit  mit  zehn  von  Kopp  IU  S  ^^0  zusammengestellten,  ja  eine 
(nr.  6)  unter  diesen  stimmt  mit  jener  vollkommen  überein.  vgl.  aucii 
Tölken  a.  o.  cl.  IX  abt.  3  nr.  105  und  Ghabouillet  a.  o.  nr.  2181- 
2224.  2225.  CECENfEN  (wie  gewöhnlich  geschrieben  Ist)  kommt  auch 
aHein  für  sich  vor  (Kopp  III  S  576) ;  aber  die  nächstfolgenden  elf  buch- 
staben, gewöhnlich  BAPOAPANfHC  geschrieben,  stehen  durchweg  zu- 
sammen, es  hat  daher  die  gröste  Wahrscheinlichkeit,  dasz  es  sich  bei 
ihnen  um  öin  wort  oder  doch  um  öinen  begriff  handle,  und  der  versuch 
aus  ihnen  den  namen  TTdv  herauszulesen,  fällt  vollständig  in  nichts, 
wenn  sich  herausstellt,  dasz  die  buchstaben  TTAN  in  der  that  nicht  zwei- 
mal, sondern  nur  Einmal  vorkommen,  ich  kann  leider  Middletons  von 
Kopp  angeführtes  werk ,  in  welchem  die  von  diesem  unter  nr.  6  wieder 
holte  Inschrift  herausgegeben  worden  ist,  nicht  nachschlagen;  aber  es  ist 


und  in  einigen  «nderen  smilungen.  127 

durchaus  wahrscheinlich,  dasx  der  betreffende  stein  bei  Middlelon  kein 
anderer  als  der  später  in  Hertzs  besitz  befindliche  ist.  trifft  unsere  deu- 
tung  des  Petersburgers  steins  das  richtige,  so  gehört  er  in  die  kategorie 
4er  amulete. 

8. 

XPH 
XPHiV\A 

IBTE 
^  Diese  aufschrift  eines  nicolo  weiss  ich  nicht  anders  zu  erkliren  ab 
do,  dasz  ich  XPH  als  xpQ  d.  i.  XP^lei  und  IBTE  als  nomen  preprium 
fasse,  welches  nur  der  form  nach  von  dem  bekannten  eigennamen  ''Ißu- 
KOC  verschieden  ist  (wie  <t>uXaKO€  und  <t>uXa£  u.  a.  nebeneinander  her- 
gehen). 

An  vertieft  geschnittenen  inschriften  dieser  art  notierte  ich  mir 
folgende: 

9. 

HANOIAOC 

TTPANNOY 

nAPAAoZoC 

6KATH€nH 

KoG)€YXHN 
4iese  aufschrift  eines  carneols*]  entspricht  gaäz  der  auf  dem  steine,  von 
welchem  der  Stoschische  schwefelabdruck  genommen  ist,  dessen  Inschrift 
Raspe  in  seinem  katalog  der  Tassiescben  abdruclisamlung  nr.  630  heraus- 
^geben  und  danach  Kopp  palaeogr.  crit.  111  $  21  und  das  CIG.  nr.73216 
wiederholt  hat  (wo  indessen  irtümlich  angegeben  wird,  dasz  sie  sich 
*in  gemma  olim  Sloschiana'  befinde),  obgleich  die  form  des  1  am  ende 
des  ersten  wertes  und  des  3.  im  dritten  nicht  übereinstimmt,  wenn  Ste- 
phan! zu  Köhlers  gesammelten  schrifien  bd.  III  s.  249  die  Inschrift  nach 
Raspe  citlert,  so  folgt  daraus  weder,  dasz  der  stein  damals  noch  nicht  In 
Petersburg  gewesen  sei,  noch  dasz  er  denselben  für  unecht  gehalten  habe- 
die  erklJIrung  bietet  keine  Schwierigkeiten. 

10. 
CYMcPA 
:CAPAniC(0 
Z6MAPK0N 
AlAAH 
Aufschrift  eines  rotben  iaspis.    am  ende  der  ersten  reihe  bat  man 
sicherlich  den  aosfall  eines  C  wegen  des  folgenden  C  anzunehmen:  dem- 
nach handelt  es  sich  um  das  wort  cOjiiqpac.   das  wort  In  der  letzten  reihe 
ist  ebenfalls  offenbar  verderbt,    die  leichteste  herstellung  wäre  AlKXf) 
{wie  ^HpaKXf)),  wenn  zugegeben  wflrde  dasz  man  einen  Übergang  des 


*)  der  buchstab  O  hat  in  dieser  aufschrift  nicht  immer  dieselbe 
grosse,  ohne  dasz  dabei  eine  besondere  absieht  zu  gmnde  läge. 


128     F.  Wieseler:  geramae  litteratae  in  der  Ermitage  zu  St.  Petersburg 

to  in  t)  m'ie  er  sich  am  ende  von  Wörtern,  besonders  eigennainen  oft  fin* 
det  (vgl.  Kopp  palaeogr.  crit.  IV  s.  535  col.  1 ;  Franz  elem.  epigr.  gr. 
8.  248  ;1K.  Kefl  im  philol.  11  s.  468;  unten  anm.  2  zu  nr.  2239  und  anm. 
4  zu  nr.  65a},  annehmen  oder  voraussetzen  dürfe,  dasz  neben  der  form 
AtOKXfic  noch  die  form  AtticXf)c  bestanden  habe,  wie  AiTTp^<pr)C  neben 
AiOTpiq>r\c  (in  welchem  mir  nicht  so  wahrscheinlichen  falle  sichAixXi^c 
zu  AiokX^c  verhielte,  wie  binöXta  zu  biiiröXia,  bicurn^ptov  zu  biicui- 
Trjpiov).  verschmäht  man  aber  diese  herstellung,  so  kann  man  zwischen 
AAIKAH  und  AIOKAH  rathen,  von  welchen  namen  der  erstere  das  fQr  sich 
hat,  dasz  A  hinter  A  leichter  ausfallen  konnte  als  O  hinter  I  oder  vor  A, 
der  zweite  dagegen  den  umstand  dasz  er  häufiger  nachweisbar  ist,  und 
zwar  auch  noch  in  späteren  zelten. 

11. 
0HA1Z 
6PMI0NH 
KOCMOC 
Aufschrift  eines  nicolo :  olTenbar  namen  von  freigelassenen  oder  Skla- 
ven,  auch  der  seltnere  name  Cosmus  findet  sich  als  der  eines  freigelasse- 
nen bei  Orelli  inscr.  lat.  nr.  2984 ;  auszerdem  als  der  des  siegers  auf  dem 
avers  des  contorniaten  bei  Sabatier  descr.  gön.  des  med.  contomiates 
pl.  VII  nr.  7,  dessen  revers  das  sieghafte  rosz  Seracusus  zeigt,  unä  sonst, 
das  Z  für  £  wie  im  GIG.  nr.  127.  ähnliche  namenzusammenstellung  auf 
dem  steine  der  früheren  Hertzschen  samlung  in  anm.  5  nr.  1484.     die 
frage  nach  dem  zweck  solcher  steine  ist  nicht  leicht  mit  Sicherheit  zu 
beantworten,    h&tte  man  etwa  an  etikelten  zu  denken ,  die  weihgaben  an 
götter  oder  geschenken  an  menschen  beigelegt  wurden ,  um  die  geber  zu 
bezeichnen?   eher  möchte  ich  glauben,  dasz  so  etwas  wie  S^rjcaiev,  oder 
da  sämtliche  Wörter  auch  als  vocative  gefaszt  werden  können ,  so  etwas 
wie  2[y)catT€  zu  ergänzen  sei ;  vgl.  jenes  6  q)Op(I)v  auf  dem  Wiener  onyx 
im  GIG.  nr.  7343  b  und  bei  Sacken  und  Kenner  s.  430  nr.  105 ,  und 
anderseits  die  lateinische  Inschrift  auf  einem  cameo  bei  Gori  inscr.  ant. 
in  Etruriae  urb.  bd.  111  s.  22  nr.  28: 

ADEODATAE 

ANASTA8IA 

P08TVMIANI 

OALLA  •  VIVATI8 

ähnlich  findet  sich  auch  jenes  MVLTI8  ANN  18  sowol  allein  als  mit  dem 

Zusatz  von  VIVAT18,  s.  Lorsch  in  den  jahrb.  d.  vereins  von  altertums- 

freunden  im  Rheinlande  U  s.  69. 

12. 

lAnAHAK» 

Aufschrift  eiaea  rothen  iaspis.   die  inlerjectionsform  laTranai  ist  mir 

aus  den  alten  Schriftstellern  nicht  bekannt;  sie  verhält  sich  indessen  zu 

drraTrai  bei  Aristophanes  wespen  309,  wie  larraTal  zu  dTTOrai,  laißoi 

zu  aißoi   der  stein  diente  vermutlich  als  amulet. 


und  In  einigen  anderen  samlungen.  129 


ANMERKUNGEN. 

1.  Die  allerdings  nicht  reiche  Campanasche  samlung  von  gesdnutte- 
nen  steinen  enthielt,  nach  dem  kiatalog  zu  urteilen,  keinen  stein  dieser 
art  mit  griechischer  inschrift  und  nur  ^inen  mit  römischer,  nemlich  einen 
diaspro  verde  con  leggenda  VTERE  «  8EBERINE  •  FELICITER  (vgl. 
Ficoroni  gemmae  ant.  litteratae  illiiatratae  a  Nie.  Galeotti ,  Rom  1757, 
tf.  Vll  nr.  19).  die  mit  schrift  versehenen  steine  der  reichen  gemmen- 
samlung  der  nationalbibliothek  zu  Madrid  (aus  welcher  einer,  der  mit 
einer  längeren  metrischen  inschrifl  verseben  ist,  schon  frähzeitig  be- 
kannt  gemacht  wurde,  s.  GIG.  nr.  7290),  sowie  die  der  samlung  Anglona 
hat  E.  Hühner  nach  seiner  angäbe  in  den  antiken  bildwerken  in  Madrid 
s.  191  verceichnel,  aber  memes  Wissens  noch  nicht  herausgegeben. 

2.  Chabouillet  bringt  unter  nr.  268—271  vier  inscbririen  bei,  die 
sich  denen  im  GIG.  nr.  7291 — 7295  anschlieszen ,  dann  eine  tablette 
obloQgue  mit  EMANHN  auf  der  einen  und  NYrMATEI  auf  der  andern 
se»te,  also  ganz  wie  der  von  Benzen  im  bull.  d.  inst.  1849  s.  148  be- 
schriebene stein,  dessen  inschrin  das  GIG.  nr.  73146  wiederholt,  weiter 
—  um  nur  noch  diese  beiden  stücke,  von  denen  mir  keine  repliken  be- 
kannt sind,  zu  erwähnen  —  unter  nr.  272  einen  sardonyx  mit  der  inschrift 
OAYMTTI  ZHCAIC  und  unter  nr.  274  einen  carneol  mit  XAPIC  ZOH 
YflA.  alle  betreffenden  steine  gehören  in  die  kategorie  der  cameen. 
auch  von  den  zahlreichen  von  s.  285  nr.  2186  an  verzeichneten  vertieft 
geschnittenen  ^pierres  gnostiques'  enthalten  einige  zurufe  u.  dgl.  so 
steht  auf  der  rückseite  des  ^obsidians'  nr.  2189,  dessen  Vorderseite  die 
gewöhnliche  bildliche  darstellung  des  Knuphis  enthält,  nach  Ghabouillet 
die  Inschrift  0IAAHON  YrEIH  CTOMAXON  HPOKAOY,  also  (pOXoEov 
\yX\f\  CT.  TTp.  dieseU>e  inschrift,  aber  mit  deutlichem  Y  als  zweitem  buch- 
staben  des  ersten  Wortes,  zeigt  ein  von  Kopp  paK  crit.  IV  s.  248  nach 
Molinet  und  Montfaucon  abbildlich  mitgeteilter  ^iaspis'.  vergleicht  man 
Ghabouiliets  beachreibung  der  Vorderseite  mit  dieser  abbildung,  so  kann 
es  auch  nicht  dem  mindesten  zweifei  unterliegen ,  dasz  es  sich  um  ^inen 
und  denselben  stein  handelt,  die  Verschiedenheit  in  den  angaben  ver- 
schlägt nun  freilich  in  betreff  der  inschrift  so  gut  wie  gar  nichts;  da- 
gegen ist  sie  —  um  hierauf  gelegentlich  aufmerksam  zu  machen  —  von 
bedeutendem  belang  hinsichtlich  der  art  des  Steines.  Kopp  bemerkt  a.  o. 
S  783:  ^verurn  amuletum  hoc  esse  non  inscriptio  sola,  sed  imago  etiam 
et  iaspis  cui  incisa  est  testantur.  stomacho  enim  utramque  remedio 
esse  veteres  sibi  persuaserant.  unde  Marcellus  Empiricus  (c.  20  p.  147) 
haec  profert:  aä  stomachi  dolorem  remeeUum  phy$icum:  in  lapide 
iaspide  exaculpe  draconem  radiatum^  ut  habeat  Septem  radios^  ei 
Claude  auro  et  uiere  in  coüo,'  hätte  nun  Ghabouillet  doch  recht  mit 
seiner  angäbe,  dasz  der  steiu  ein  obsidian  sei?  femer  findet  sich  auf  der 
rückseite  eines  bämatits,  nr.  2239,  dessen  vorderseile  von  Ghabouillet  so 
beschrieben  wird:  V^nus  debout  nue;  la  t^te  est  enlevöe  par  une  cassure. 
4  gauche  Amour  ail6  volant  vers  la  döesse,  k  droite,  colombe.  on  fit  dans 
le  champ: 


130     F.  Wiese]er:  gemmae  Uueratae  ia  der  Ermitage  zu  St  Petersburg 

CTEPKOYCI 
lAAPA 
ä  l'exergue  MEM0I 

angeblich  folgendes:  lAQ  CABAOeA 

AONHIH  KAI 
GAAACCAK 

AI  TOV  TAPT 

APOV  CKOTIN. 
auch  in  diesem  falle  sind  wir  im  stände  die  lesung  Chabouillets  zu  con- 
trolieren  und  als  keinesweges  ganz  richtig  zu  befinden,  es  ist  ihm  ent- 
gangen dasz  der  betreflTende  stein  schon  von  Gaylus  rec.  d.  antiq.  t  VI 
pl.  XXI  herausgegeben  und  von  Kopp  pal.  crit.  IV  s.  345  S  360  f.  wie- 
derholt und  behandelt  wurde.  Kopp  liest :  laui  GxßauiO  Abovt  \i\  kXu€  : 
äAcSai  aö  TOU.Taprapou  CKOTiav=:Mao  Sabaoth  Adoni  io!  exandi: 
averte  deinceps  Tartari  tenebras'.  ohne  zweifei  kam  er  dem  wahren  viel 
näher  als  Chabouillet.  AAföNH  findet  sich  auch  auf  der  von  Kopp  IV 
s.  198  abbildlich  mitgeteilten  Abraxasgemme,  vgl.  auch  Raspe  cat.  Tassie 
nr.  439;  AAQNEI  auf  einer  andern  nach  Macarius  de  Abraxa  s.  18  X; 
AA(a)NI  auf  dem  in  Ficoronis  gemmae  ant.  cael.  t  VIII  nr.  24  herausge- 
gebenen, von  Natter  bist,  du  gnost.  pl.  X  üg,  1  wiederholten  ringe;  die 
von  Chabouillet  gesetzte  namensform  aber,  so  viel  ich  weisz,  nirgends. 
kXÖ€  ist  die  leichteste  Veränderung  des  KAI€,  welches  der  stein  bietet 
das  folgende  wort  ist  auf  diesem  AaAZCAI  geschrieben.  Kopp  corrigierte 
und  interpretierte  ganz  richtig,  die  dann  folgenden  buchstaben  können 
allerdings  AV  gelesen  werden,  aber  auch  AI,  und  dieses  ist  ohne  zweifei 
das  richtige:  sie  bedeuten  nichts  anderes  als  dei,  wie  sonst  so  oft  (nacfa- 
weisungen  in  Kopps  index  bd.  iV  s.  404).  endlich  CKOTIN  ist  sicherlich 
CKÖTiov,  ein  auch  anderswoher  bekanntes  wort  spätesten  gebrauchs,  s. 
oben  s.  128  nr.  10.  was  dann  die  aufschrift  der  Vorderseite  anbetrifll,  so 
fragt  Chabouillet:  ^faut-il  voir  dans  les  inscriptions  une  allusion  aux  j  oies 
infames  de  V^ous  et  le  num  d*uu  sanctuaire  de  Memphis?'  indem  er 
das  erste  wort  für  das  lateinische  siercus  hält,  ungleich  wahrscheinlicher 
deutet  Kopp:  crepTUD  c*  t&bapa  M€V<pi  =  'amo  te  (oI)  aquosa  Memphi', 
und  in  der  that  ist  der  zweite  buchstab  des  zweiten  wertes  auf  dem  steine 
ein  A,  wie  der  dritte  des  dritten  vielleicht  ein  N.  Kopp  erwähnt  bei  der 
gelegenheil  Feders  beachtenswerthe  conjectur,  nach  welcher  bei  Statins 
9ilv,  HI  2,  110  uvida  (fflr  invida)  Memphis  zu  lesen  ist.  wir  wollen 
nicht  allzuviel  darauf  geben,  dasz  uns  die  form  öbapöc,  soviel  ich  weisz, 
nur  aus  Hesychios:  v^ap^c  TÖ  ubapöv,  bekannt  ist.  vielleicht  wird  es 
jedoch  mancher,  namentlich  auch  in  betracht  der  bildlichen  darstellung 
auf  der  Vorderseite,  vorziehen  IXapa  zu  lesen  und  M^|l19I  als  den  namen 
eines  gewöhnlichen  weibes  zu  fassen,  als  welcher  er  um  so  eher  zugelassen 
werden  kann ,  da  er  als  mythischer  frauenname  vorkommt.  —  Spedelles 
Interesse  hatte  es  för  mich,  auszer  dem  unter  nr.  2222  beschriebenen 
hämatit  (der  vermutlich  kein  anderer  als  der  von  Matter  bist,  du  gnost. 
pl.  VIII  nr.  11  herausgegebene,  von  mir  in  den  Göltingischen  antiken 
s.  53  behandelte  stein  mit  der  Inschrift 


und  in  einigfji  anderen  MmloBgeo.  131 

NEIXAPQ 

HAHZ 

auf  der  rückseite  Ist) ,  unter  nr.  2223  einen  andern  damit  zusammenzu* 

stellenden  stein  verzeichnet  zu  finden:  'ange  debout  tenant  des  deux 

mains  un  objet  indlstinct,  palme  ou  couronne.   legende:  TTAHEONXA  . . . 

r APOHAHE.    on  lit  sur  la  tranche:  .  .  nAHEOYKTAAOXAPl  .  .  . 

iaspe  noir.'  die  erste  Inschrift,  welche  sicherlich  zu  lesen  ist  7tX{){ov 
Xap^,  zeigt  dasz  ich  recht  hatte,  wenn  ich  a.  o.  das  wort  x^pOTrX^E 
(welciies  auch  In  der  an  zweiter  stelle  erwähnten  inscbrifl  des  in  rede 
stehenden  steins  vorkommt)  in  dem  sinne  von  ö  X(tpä  irXrjccujv  faszte. 
ich  ergreife  diese  gelegenheit  zu  bemerken ,  dasz  mir  seit  der  abfassung 
der  oben  erw&hnten  schrifl  noch  zwei  geschnittene  steine  mit  derselben 
Inschrift  bekannt  geworden  sind,  von  denen  der  erste  hinter  derselben 
noch  das  bekannte  lAW  entlijllt,  vgl.  die  kupfertafel  nr.  356  ,  der  andere 
auf  der  vorderseile  ein  göttliches  wesen  dargestellt  zeigt,  welches  dem 
auf  dem  löwen  stehenden  des  von  mir  a.  o.  nr.  35  a  herausgegebenen 
Hausmannschen  Steines  sehr  entspricht:  s.  Malier  mos.  Thorvaldsen  III  3 
s.  183  nr.  1683  und  s.  184  nr.  1689.  —  Der  von  Chabouillet  s.  279 
nr.  2142  verzeichnete  grflne  iaspis  mit  dem  vertieft  eingeschnittenen 
namen  TTAPGENOTTAIOC  ist  sicherlich  der  im  CIG.  nr.  7048  berflcksich- 
tigte  stein.  —  lieber  anderes  weiter  unten. 

3.  Die  Wiener  samlung  besitzt  mehrere  intaglios  (von  denen  eine 
partie  ohne  zweifei  als  siege!  diente,  wie  auch  von  den  Parisern)  als 
cameen.  einige  dieser  steine  sind  nach  Ameth  im  CIG.  berücksichtigt, 
ein  cameo  (nr.  101,  CIG.  nr.  71106)  zeigt  zwei  verschlungene  binde 
und  die  inschrift  0YAA6NTI  CYTTXQC,  in  der  auch  wir  das  erste  wort 
für  den  dativ  von  Valens  und  nicht  für  den  vocativ  von  Valentins  halten, 
Tgl.  CIG.  nr.  73406,  und  unten  anm.  5  nr.  1474.  damit  soll  indesse^ 
nicht  gesagt  sein,  dasz  die  andere  auffassungsweise  unmöglich  wAre. 
freilich  bieten  für  diese  aufschrifleu  wie  K^Xciva  CUTUXUic  im  GIG. 
nr.  70966  kein  sicheres  beispiel.  denn  hier  ist  zu  erklären:  ^Kelsina 
(ruft):  mit  glück!'  vgl.  CIG.  nr.  7351  6  boöc  rpryfo(p&c)'  ftvf^cov 
(obgleich  diese  werte  auch  anders  gefaszt  werden  können) ,  ferner  den 
indischen  cameol  der  k.  samlung  zu  Neapel,  dessen  aufschrifl  Köhler 
ges.  Schriften  III  s.  82  so  liest:  NIKA.  AIOKAHC  KOtNTCO  nOMn€lAN(j), 
aber  falsch  erkl&rt,  und  ganz  besonders  den  Wiener  intaglio  bei  Sacken 
und  Kenner  a.  o.  s.  448  nr.  1185  mit  der  lateinischen  aufschrift  GE 
LA8IV8  ZOdIME  VI  VAS.  auf  einem  andern,  der,  wie  die  folgenden, 
nicht  im  CIG.  berücksichtigt  ist,  steht  €YTYX€I  innerhalb  eines  kranzes, 
vgl.  CIG.  nr.  7342  und  unten  anm.  5  nr.  1476 ;  auf  einem  dritten  €AZ1A, 
ob  iTt"  dS(a?  ein  intaglio  (nr.  1190)  hat  die  inschrift  NIKA,  welcher 
zuruf  allein  sich  verhaltnismAszig  selten  findet,  über  einige  andere  gern- 
meninschriften  dieser  samlung  unten. 

4.  Die  samlung  hn  Haag  hat  nicht  weniger  als  elf  geschnittene 
steine,  neun  mit  Inschriften  und  zwei  mit  bildnis  und  inschrift  versehene, 
welche  ausrufe,  zurufe  und  Sentenzen,  zum  teil  längere,  enthalten. 
Janssens  einschneidende  kritik  verdammt  jene  alle  samt  und  sonders. 


132     F.  Wieseler:  gemmae  liUeratae  in  der  Ermitage  zu  St.  Pelersburg 

wahrend  sie  von  diesen  nur  ^inen  in  zweifei  zieht,  in  den  meisten  ÜUen 
bat  er  ohne  frage  recht,  und  seine  darlegungen  können  zeigen,  wie 
grosse  vorsieht  mau  auch  solchen  inschriften  gegenüber  zu  bewahren 
habe,  wie  mislich  es  namentlich  mit  denen  aussieht,  welche  sentenzen  enl* 
halten,  die  sich  auch  bei  schriftsteliem  finden,  in  betreff  der  steine  mit 
ausrufen  und  zurufen  scheint  mir  dagegen  Janssens  verdammungsurteii 
manchmal  nicht  genügend  motiviert,  ich  beschranke  mich  hier  auf  einige 
bemerkungen  und  zusätze.  die  form  KIPIA  (nr.  61)  kommt  auch  vor  auf 
dem  stein  in  Ficoronis  gemmae  ant  litt.  t.  V  nr.  21 ;  vgl.  jedoch  CIG. 
nr.  7061.  ein  intaglio  mit  einem  zuruf  an  eine  Kupia,  wie  im  CI6.  nr. 
7334,  findet  sich  auch  in  der  Wiener  samlung  (Sacken  und  Kenner  s.  448 
nr.  1186),  nur  dasz  hier  XAIP6  KYPIA  geschrieben  ist.  andere  jener 
in  Spons  misceil.  erud.  ant.  s.  297  herausgegebenen  Inschrift  entspre- 
chende beispiele  führt  Galeotti  zu  Ficoroni  a.  o.  s.  47  an.  ob  aber  die 
aus  diesem  werke  t.  VU  nr.  19  in  das  CIG.  nr.  7336  aufgenommene  In- 
schrift KYPI  XAtP€  wirklich  hierher  gehört,  steht  nicht  sicher,  da  ja 
das  nächste  ist  Köpt  xaipc ;  vgl.  Stratonikos  in  anth.  Palat.  XU  206. 213. 
215  (nach  Jacobs),  die  inschrift  €Y0A1  auf  nr»  62  wird  man  doch  zu- 
nächst als  vocativ  von  €YOAIOC  fassen  müssen,  welcher  name  sich  z.  b. 
in  Grulers  inscr.  lat.  s.  MCLIII 11  findet,  auch  in  der  von  F.  Bnonarroti 
osservaz.  sopra  alcuni  frammenti  di  vasi  ant.  dl  vetro  t.  XXIV  2  herausge* 
gebenen  inschrift  auf  einem  glasgeßsze:  6Y0AI  rATKYTAT€,  wird  das 
erste  wort  von  jenem  s.  162  und  von  Gori  inscr.  ant.  in  Etruriae  urb. 
U  I  8.  256  zu  nr.  40  so  gefaszt.  anlangend  nr.  63  6YTYXI  r€AAOI ,  so 
scheint  es  uns  sehr  bedenklieh  aus  dem  umstände,  dasz  das  letztere  wort 
eine  ^forme  inconnue'  ist,  auf  die  unechtheit  des  steins  zu  schiieszen. 
könnte  denn  nicht  ein  leichter  Schreibfehler  angenommen  werdea,  z.  b. 
r€AACI,  d.  i.  der  vocativ  von  rEAACIOC?  dieser  name  findet  sich  z.  b. 
auf  dem  in  anm.  2  besprochenen  Wiener  intaglio  bei  Sacken  und  Kenner 
a.  0.  8.  448  nr.  1185.  auf  nr.  64  EYTYXt  EVMAHI  scheint  das  leUtere 
wort  der  vocativ  des  mit  lateinischen  buchstaben  geschriebenen  namens 
Eumachius  sein  zu  sollen ,  in  welchem  nur  aus  fahrlässigkeit  der  buch- 
stab  C  vor  H  ausgelassen  ist  vgl.  z.  b.  GIG.  nr.  73416:  /»/(t)  Feri 
(doch  wol  Verrtj  £/)catc.  auch  in  der  aufschrift  unter  nr.  65  6YTTXI 
MAKAPI,  die  sich  auf  einem  Wiener  intaglio  mit  Asklepios  und  Hygieia^ 
sehr  roh  ausgeführt,  wiederholt  (Sacken  und  Kenner  a.  o.  s.  449  nr. 
1297) ,  hat  man  in  dem  letzteren  werte  den  vocativ  von  Macarius  anzu- 
erkennen, der  sich  auch  am  anfang  der  inschrift  im  CIG.  nr.  7338  findet, 
wie  in  ANTQNI  in  der  marmorinschrift  aus  der  nähe  von  Sparta  im  GIG. 
nr.  1491  den  von  Antonius ^  was  schon  Böckh  bemerkte,  und  manchen 
anderen,  es  ist  interessant  zu  gewahren ,  dasz  auch  in  allen  anderen  uns 
bekannten  ähnlichen  inschriften  auf  geschnittenen  steinen  der  vocativ  der 
namen,  welche  in  -lOC  ausgehen,  nicht  -i€  lautet:  vgl.  noch  oben  anm.  2 
nr.  272,  unten  anm.  5  nr.  1486.  CIG.  nr.  7325.  7328.  73296.  7329  c. 
7329  d;  und  in  nr.  7331  ist  6AAACC€I  nicht  etwa  6aXdca€,  so  dasz 
die  beiden  letzten  buchstaben  nur  versetzt  wären,  sondon  ThalassL 
umstand  hängt  offenbar  damit  zusammen,  dasz  die  betreffenden 


und  in  eioigen  anderen  samlongen.  133 

Inschriften  aus  orlen  oder  von  familien  herrühren ,  in  denen  die  lalel- 
nische  spräche  die  herschende  war  und  die  hetreflTenden  mftnner  mit  den 
namen  auf  »ius  mit  dem  vocativ  auf  -t  angerufen  wurden,  bei  der  auf* 
schrifl  auf  dem  geschnittenen  stein  nr.  65  a,  in  welcher  das  erste  wort 
ohne  zweifei  aus  ZHZAIZ  verderbt  und  das  awefte  AKAKIN  ist,  erinnerte 
sich  Janssen  nicht,  dasz  in  der  zunächst  zu  vergleichenden  gemmenin* 
Schrift,  welche  zuerst  von  Caylus  herausgegeben  ist,  Franz  zu  GIG.  nr. 
7326  AKAKIN  durch  'AxäKiov,  einen  weibemamen,  deutet,  sowie  er  in 
«iner  andern  ähnlichen  Inschrift  AKAKI  ZHCEC  das  erste  wort  als  den 
▼oealiv  des  auch  sonst  bekannten  (vgl.  z.  b.  Suidas  u.  d.w.  und  Gruter  inscr. 
s.  XXXVII 10)  namens  'AxdKioc,  Jcacius  betrachtet,  dieses  ist  gewis 
richtig,  der  name  AKAKIN  wiederholt  sich  auf  einem  onyx  der  Londoner 
samlung,  welchen  Panofka  ^geramen  mit  inschriflen'  tf.  IV  nr.  46  heraus* 
gegeben  hat,  mit  hinzufOguug  des  wertes  TPHION,  jener  oberhalb,  dieses 
unterhalb  eines  'ausruhenden,  sich  die  hinterpfote  leckenden  wolfes'* 
Panofka  hat  sich  vergebens  bemCiht  eine  plausible  deutung  zu  geben. 
Franz,  der  im  GIG.  imter  nr.  7361/*  die  iusclirift  als  öine  fortlaufende 
reihe  ausmachend  wiederholt  hat,  verzichtete  auf  alle,  selbst  die  sprach- 
liche erklärung,  indem  er  sich,  wie  es  scheint,  nicht  einmal  seiner  eige- 
nen bemerkung  zu  nr.  7326  erinnerte,  wir  deuten  *das  greise  Akakion'. 
das  adjectivum  tpi^tov  ist  aus  fragmenten  des  Kallimachos  und  Nikandros 
und  durch  erkürungen  im  etym.  magnum  und  bei  Hesyehios  bekannt, 
vermutlich  war  das  betrelTende  Akakin  eine  alle  in  den  ruhestand  ge- 
tretene buhlerin,  lupa,  und  bezieht  sich  die  bildliche  darstellung,  die  wir 
demnach  als  die  einer  wÖlfin  zu  betrachten  haben  werden,  wogegen  auch 
nichts  stichhaltiges  wird  eingewendet  werden  können,  auf  diesen  um- 
stand, wozu  etwa  noch  der  kommen  kanu,  dasz  auch  die  färbe  des  thieres 
zu  dem  epitheton  Tprjtov  passt  (ttoXiöc  Xukoc  11.  K  334).  danach  hätten 
wir  den  geschnittenen  stein  als  eine  art  von  pasquill  auf  das  betreffende 
weib  zu  betrachten,  warum  Janssen  in  der  Inschrift  auf  nr.  66  <t>OYCKI 
AN€  (€)ATTIC  —  denn  so  ist  sicherlich  zu  lesen  —  das  zweite  wort  ge- 
rade für  einen  abgekürzten  imperativ  halten  will,  sehe  ich  nicht  ein.  den 
gedanken,  welchen  man  bei  billigung  dieser  Vermutung  erhalten  würde, 
hat  man  auch,  wenn  man  deutet:  iXnlc  dcriv.  doch  stehen  noch  jindere 
wege  der  erklärung  offen:  denn  CAITIC  ist  ja  auch  als  name  bekannt,  vgl. 
oben  zu  dem  Petersburger  steine  nr.  11  und  anm.  3  zu  nr.  101.  das 
wahrscheinlichste  ist  aber  doch  wol  anzunehmen,  dasz  es  sich  um  den 
namen  einer  Fusdana  Elpis  im  nominativ  handle,  die  inschrifl  auf 
nr.  67  ist  mit  denen  bei  Ghabouillet  und  im  GIG.,  welche  oben  in  anm.  2 
am  anfang  citiert  sind,  zusammenzuhalten,  sie  ist  aus  je  zwei  Inschriften, 
die  dort  getrennt  vorkommen,  zusammengestellt,  was  die  bei  den  mit  * 
bildwerk  und  ausruf  oder  zuruf  (der  aber  ohne  beziehung  auf  das  bild- 
werk  ist)  versehenen  steine  nr.  58  und  59  anbetrifft,  so  musz  ich  ge- 
steben dasz  mir  die  richtigkeit  der  lesung  des  erstem  (ö  iraTc)  sehr  be- 
denklich ist,  und  ich  möchte  daran  erinnern,  dasz  der  name  Achilleus^  wie 
noch  mehr  JchilleSy  in  römischer  zeit  öfters  gebraucht  wurde:  vgl.  Gruter 
inscr.  s.  DGGXLIX  4.  MXXXIX  9  und  den  index  t.  II  p.  2  s.  CXI. 


134     F.  Wieseler:  gemmae  litteraUe  in  der  Ermitage  zu  St.  Petersbui^ 

5.  Der  kaCalog  der  HerUschen  samlung  führt  s.  70  f.  unter  der 
Überschrift  'rings  and  stones,  with  inscriptions  in  Greek  and  Latin'  neun- 
zehn Stück  der  ersten  und  zwölf  der  zweiten  kategorie  auf,  sSmtlich  in- 
taglios.  wir  teilen,  da  das  betreffende  Verzeichnis  sehr  wenig  Verbreitung 
gefunden  zu  haben  scheint  (es  war  nicht  einmal  den  bearbeitem  des  ein* 
schlägigen  hefles  des  GIG.  IV  1  zur  band ,  da  dieselben  sonst  sich  nicht 
auf  die  drei  unbedeutenden  inschriften  nr.  7050.  7367  cf  und  7369  c  be- 
schrankt haben  würden,  von  welchen,  nebenbei  gesagt,  die  erste  grosze 
bedenken  in  betreff  der  echtheit  erregt),  alle  griechischen  inschriften 
nebst  den  angaben  über  die  art  der  steine  und  die  vereinzelten  bemer- 
kungen  über  deren  bestimmung  mit.  nr.  1471  ou  qpiXüa,  ^f|  TrXavdi, 
vou)  bk  (eu)  Kai  t^Xd»,  sardonyx,  und  nr.  1472  X^TOUCiv  &  ÖAouctv. 
XcT^TUJcav,  ou  \ii\ei  ^0l,  sardonyx  of  two  strata.  also  dieselben  in- 
schriften, welche  uns  aus  dem  CIG.,  durch  Chabouillet  und  durch  Janssen 
als  auf  steinen  mehrfach  wiederholt  bekannt  sind,  dasz  das  eingeklam- 
merte eO  in  nr.  1471  ein  höchst  überflüssiger  zusatz  des  verfertigers  des 
katalogs  ist,  brauche  ich  wol  nicht  erst  zu  bemerken,  nr.  1473  Crpa- 
TOViKT)  jHiaivoiKa  qpopeiä  €?  (Stratonice,  tho  art  a  defillng  palanquin),  or, 
q)oEeia,  a  palanquin-bearer,  chalcedony.  ich  habe  nicht  umhin  gekonnt 
die  erklärenden  worte  des  katalogs  mitzuteilen,  so  abenteuerlich  sie  auch 
sind,  man  sieht  daraus ,  dasz  der  Verfasser  auf  dem  steine  qpopeia  las, 
aber,  weil  ihm  dieses  worl  keinen  passenden  sinn  zu  geben  schien,  eine 
conjectur  versuchte,  aber  (popeiä  in  der  bedeutung  von  ßöpßopoc, 
welche  Arkadios  s.  98,  24  bezeugt,  ist  das  einzig  richtige  und  passende, 
die  inschrift  ist,  da  das  betreffende  wort  sonst  nicht  vorkommt,  in  lexica- 
lischer  beziehung  von  belang,  wegen  des  pasquillartigen  vgl.  den  oben 
anm.  4  behandelten  Londoner  geschnittenen  stein,  nr.  1474  EYTYXfiCT 
. . .  Q-fOPGYNTI,  sardonyx  of  two  strata.  die  puncte  in  der  mitte  sollen 
hier,  wie  in  den  weiter  unten  anzuführenden  fällen,  ohne  zweifei  an- 
deuten, dasz  die  durch  sie  getrennten  buchslaben  zwei  verschiedenen 
reihen  angehören,  also :  eirruxuJC  Tip  q>opoOvTl.  bekanntlich  ist  q)0- 
peTv  das  gewöhnliche  wort  von  dem  tragen  des  steins  oder  amulets,  nicht 
q>^p€iv,  vgl.  die  beispiele  bei  Kopp  pal.  crit.  bd.  IV  g  779.  783.  828. 
CIG.  nr.  7343  und  73436.  deshalb  möchte  ich  auch  anstand  nehmen 
bezuglich  der  inschrift  auf  der  im  prodromus  gemm.  de  mus.  Capello 
nr.  89  abbildlich  mitgeteilten,  zuletzt  hei  Kopp  a.  o.  IV  s.  327  wieder- 
holten und  §  844  seltsam  erklärten  gemme:  MHI€1C  06POYCA,  die 
meinung  zu  äuszern,  dasz  der  Steinschneider  nichts  anderes  wollte  als: 
2[rjcatc  f)  (p^pouca.  da  Pherusa  auch  ein  eigenname  gewöhnlicher  wei- 
ber  war  (Gruter  inscr.  s.  CMLXXX  1) ,  so  wird  vielmehr  zu  lesen  sein : 
-Zncaic  «^pouco.  nr.  1476  EYTYXIANHC,  (the  ring)  of  Eutychianc, 
nicolo.  den  namen  kennt  die  Pariser  ausgäbe  des  Stephanus  nur  aus  GIG. 
nr.  1961 ,  2.  auf  einem  im  prodr.  gemm.  de  mus.  Capello  nr.  176  her- 
ausgegebenen geschnittenen  steine  findet  sich  die  inschrift  Olympias  Eu- 
iychiane.  die  lateinische  form  Euty Chiana  auch  hei  Gruter  s.  DCLXIV  10. 
nr.  1476  EYTYXl,  sardonyx  of  two  strata.  nr.  1477  TTPOK  . . .  OTTje, 
sardonyx  of  two  strata.  der  Verfasser  des  katalogs  übersetzt:  *I  foresee'(!). 


und  in  einigen  anderen  samlungen.  135 

raan  liat  zu  lesen:  TTP0K0TTT6  *koniin  forwSrts'.  nr.  1478  XEPETI . . ., 
chalcedony.  dasa  in  den  beiden  ersten  silben  nichts  anderes  stecict  als 
XAIPE,  unterliegt  wol  keinem  zweifeL  so  steht  im  CIG.  nr.  73396 
X€P€  für  X<^^P€*  H^'  3uch  die  byzantinischen  cameen  bei  Ghabouillet 
a.  0.  s.  46  nr.  263  und  264.  die  dritte  siJbe  aber  kann,  da  zumal  xai- 
p^TU)  ohne  analogie  wAre,  nichts  anderes  sein  als  der  anfang  eines 
namens  im  vocativ,  etwa  TiT€,  oder,  was  doch  wol  das  wahrschein* 
liebste  ist,  TE,  so  dasz  die  inschrift  zu  lesen  ist  x^ttpCTC.  nr.  1479 
OMONOIA,  two  joined  hands,  a  seal,  und  nr.  1480  ditto,  jedes  mal 
sardonyx  of  two  strata.  ein  ganz  fthniicher  geschnittener  stein  wird  nach 
Panofka  (gemmen  mit  Inschriften)  aus  der  Petersburger  samlung  ange- 
führt im  GIG.  nr.  73076.  nr.  1481  MNHMONEYE,  a  band  holding  an 
ear,  a  ring,  nr.  1482  ditto,  nr.  1483  MNHMONEYE  MOY  THI  KAAMZ 
M'YXHC,  a  band  pulling  an  ear;  jedesmal  ein  sardonyx  of  two  strata. 
steine  wie  die  beiden  ersten  finden  sich  bekanntlich  häufig,  vgl.  Kopp 
a.  0.  IV  S  883 ;  Stephani  zu  Köhlers  ges.  sehr.  111  s.  248  und  GIG.  nr. 
7349;  Ghabouillet  a.  o.,  der  s.  50  unter  nr.  275  einen  sardonyxcameo 
von  zwei  lagen  so  beschreibt:  main  piu^nt  une  oreilla  legende:  MNH 
MONEY  pour  MNHMONEYE.  auf  einem  Wiener  intaglio  findet  sich  nach 
Sacken  und  Kenner  a.  o.  s.  447  nr.  1122  die  Inschrift  MNHMON€Y€ 
neben  der  darstellung  einer  bloszen  band,  wie  auf  dem  geschnittenen 
steine  bei  Ficoroni  gemmae  ant.  litt.  t.  V  nr.  12,  wo  der  Zeigefinger  auf 
den  daomen  gelegt  ist,  wahrend  sonst  gewöiinlich  eine  band,  die  ein  ohr 
am  läppcben  faszt,  oder  die  einen  ring  hält*),  dargestellt  ist.  auch  der 
pluralis  ^vr)^0V€U€T€  findet  sich  neben  dem  bilde  der  den  ring  darreichen- 
den band  CIG.  nr.  7350.  danach  liesze  sich  auch  die  aufschrifl  des  oben 
erwähnten  Pariser  cameo  jUVimoveueTe  lesen,  aber  mit  ungleich  geringe- 
rer Wahrscheinlichkeit,  mit  dem  Herlzschen  steine  nr.  1483  ist  betrefls 
der  inschrift  zunächst  zusammenzustellen  GIG.  nr.  7346  MAIANE  MNH 
MONEYE  MEOHC  (wo,  nebenbei  bemerkt,  der  heraosgeber  sehr  mit 
unrecht  das  erste  wort  in  AiXtav^  verändert  hat,  da  ja  der  name  ilfata- 
nus^  MAIANOZ  auch  sonst  vorkommt,  vgl.  Gruter  inscr.  s.  GXXX  9  und 
Kopp  a.  0.  III  s.  390  S  332)  und  besonders  nr.  73476  MNHMONEYE 
THCKAAHCTYXHC  während  weiland  Gort  sogar  das  wort  ME0H  in 
nr.  7346  als  apppüativum  faszte,  steht  es  nach  unserem  dafürhalten  nicht 
einmal  in  betreff  des  Wortes  VYXH  auf  dem  Herlzschen  steine  sicher, 
dasz  es  als  appellalivum  zu  betrachten  sei.  ja  es  hat  viel  mehr  auffallen- 
des, wenn  sich  die  person,  von  welcher  die  inschrift  redet,  selbst  als 
'schöne  seele',  pulchra  anima^  bezeichnet,  als  wenn  sich  ein  weih  mit 
namen  Psyche  in  worlen ,  die  an  ihren  liebhaber  gerichtet  sind ,  f]  KaXf| 
y^xi^  nennt,  in  demselben  sinne  wie  dieser  sie  als  Yux^  KoXrj  bezeich- 
net haben  mochte.    Hebbaberinschriften  dieser  art  kommen  bekannllich 


*)  die  das  ohr  fassende  hand  hat  achon  Galeotti  zn  Ficoronis  gem- 
mae ant.  litt.  B.  36  nr.  12  zur  genüge  ans  schriftsteüen  erläntert.  der 
ring,  welcher  ja  znm  andenken  gegeben  wurde,  masz,  ähnlich  wie  das 
ohr,  ein  Sinnbild  der  memoria  sein. 


136     F.  Wieseler:  gemmae  liUeratae  in  der  Ermitage  zu  St.  Pelersburg 

auch  auf  gemmcR  vor:  CI6.  tir.  7329.  7333,  wo  fQr  KYHA  vermutlfeh 
KYNA ,  d.  i.  Kuva  :=  Kuwa  (vgl.  AthenSos  XIII  s.  66O0  zvt  lesen  ist, 
und  7337.  glaubt  man  nun  aber,  dasz  auf  der  Hertzscbeo  gemme  eine 
Yuxn  von  sich  rede,  so  wird  man  es  weiter  fflr  durchaus  wahrscheinlich 
halten ,  dasz  dasselbe  In  der  inschrift  des  CI6.  ur.  7347  in  betrelT  einer 
Tuxn  statthabe,  zumal  da  man  für  f|  xaXfi  tOxh  dem  gewöhnlichen 
Sprachgebrauch  gemflsz  eher  f^  dyaOf)  tjxj\  erwarten  sollte,  dasz  Vuxrj 
und  TOxTl  auch  anderswo  als  eigennamen  gewöhnlicher  weiber  vor- 
kommen, braucht  nicht  besonders  nachgewiesen  zu  werden,  nr.  1484 
OYAAEPIA  KAEOTTATPA  .  . .  EPMAAIQN  KAICAPOC,  sardonyx  of  two 
strata.  namen  von  freigelassenen,  wie  es  scheint,  dasz  die  zweite  namens- 
inschrift  zu  deuten  ist  *  Hermadion  Cdsars  söhn'  bedarf  jetzt  woi  kaum 
einer  besondern  bemerkung.  Caesar  als  eigenname  untergeordneter  per- 
sonen  auch  bei  Gruter  Inscr.  DGXV  6  u.  MDCCGXVII  6,  Gori  inscr.  ant.  Etr.  1 
s.  222  nr.  28  u.  s.  223  nr.  30,  Sacken  u.  Kenner  s.  277.  vgl.  den  oben 
besprochenen  Petersburger  stein  nr.  11.  nr.  1485  KEBOH  ...0ITTAYA 
.  . .  AING),  corneliau.  die  inschrift  ist  dem  Verfasser  des  katalogs  so  un- 
verständlich geblieben ,  dasz  er  eine  Übersetzung  gar  nicht  versucht  hat 
die  beiden  ersten  buchslaben  sind  oflenbar  nichts  anderes  als  eine  abbre- 
viatur  für  KUpie,  wenn  auch  die  ^linea  imposila'  (Kopp  a.  o.  111  $  360) 
fehlt  (wie  KC  für  KUptoc,  vgl.  z.  b.  Chabouillet  a.  o.  s.  46  nr.  262),  luid 
das  folgende  ist  zu  lesen :  ßoii6€i  TTauXXtviu.  es  bedarf  kaum  der  be- 
merkung, dasz  es  sich  um  eine  christliche  insöhrifl  handelt,  nr.  1486 
EfPECiNIKA,  a  ring,  sardonyx  of  two  strata.  auch  hier  hat  der  Verfasser 
des  katalogs  auf  eine  Übersetzung  verzichtet,  es  steht  wol  sicher,  dasz 
es  sich  niclit  um  nur  ein  aus  ^yeipetv  und  vtKT]  oder  viKäv  zusammen- 
gesetztes wort  handelt,  sondern  um  zwei  worte,  von  denen  das  erste 
der  vocaliv  eines  nomen  proprium,  das  zweite  der  bekannte  zuruf  viKa 
ist.  vgl.  die  contorniatenaufschriften  ASTVR1  N1KA,  OLYMPI  NIKA, 
PANNONI  NIKA,  VBANI  NICA*),  LAVRENTI  NIKA  bei  Sabatier  mU. 
conlorniates  pl.  IV  13.  V  2.  V  7.  VIII  7.  X  8,  welchen  beispielen  sich 
die  von  Köhler  ges.  sehr.  Ilf  s.  82  falsch  durch  ^sieg  des  Pompejus'  ge- 
deutete irtsclirifl  POMPEINICA  an  einem  Florentiner  ringe  anreiht,  der 
name  ErPECIOC  ist  mir  freilich  sonst  nicht  bekannt,  nichtsdestoweniger 
kann  er  sehr  wol  vorgekommen  sein,  der  bedeutung  nach  ist  er  mit 
FpriYÖpioc,  fpiiTopac  zusammenzustellen,  nr.  1487  Aujpov,  plasma, 
und  nr.  1488  .  .  .  .  tÖ  buüpov  within  a  TOivia,  the  gift  of  .  .  .  .,  sar- 
donyx of  two  strata.  gleiche  gemmeninsch rillen  sind  mir  nicht  bekannt 
Ähnlichkeit  hat  die  das  bild  einer  Aphrodite  umgebende  inschrift  A8HNA 


"*)  die  Schreibung  griechischer  Wörter  mit  lateinischen  bacbataben 
ist  etwas  allbekanntes,  ich  weisz  aber  nicht  ob  man,  diesen  umstand 
beachtend,  bereits  eine  schon  längst  bekannt  gemachte  gemme  erläa- 
tert  hat.  auf  einem  cameol  im  prodr.  gemm.  de  mus.  Capello  nr.  37 
steht,  um  eine  Fortuna  herum,  die  inschrift  TERESI,  d.  i.  nichts  ande- 
res als  TV^pt^cai.  das  subject  zu  diesem  optativ  ist  eben  die  darge- 
stellte göttin.  vgl.  das  bekanntere  0YAAHAI  (Kopp  III  §  648,  Wieseler 
denkm.  d.  bühnenwesens  s.  96  zu  tf.  XII  nr.  24). 


und  in  einigen  anderen  samlungen.  137 

lAI  AGDPON  auf  zwei  im  prodr.  gemm.  de  mus.  Gapello  nr.  16  und  73 
herausgegebenen  9  von  Kopp  a.  o.  III S  207  besprochenen  gemmen.  die 
durch  die  pnncte  vor  der  Inschrift  und  weiter  auch  durch  die  mitgeteilte 
^berselxung  för  nr.  1488  angedeutete  ansiebt  des  Verfassers  des  katalogs, 
dasz  der  name  des  geschenkgeben  im  genetiv  ausgefallen  sei,  kann  doch 
nur  dann  einen  schein  haben,  wenn  die  betreffende  partie  des  Steins  ab* 
gebrochen  ist.  darüber  verlautet  aber  gar  nichts,  vielleicht  bestand  tö 
%<&pov  eben  in  einer  Unia.  nr.  1489  EY0AMEITQ  AI6HP  .  .  KAI  TA 
.  .  .  ITAQ :  TTONTOI  . .  .  ZTATQ  AAHP,  sardonyx  of  two  strata.  die 
Worte,  welche  offenbar  lu  lesen  sind:  eöq>afA€(Tui  aiOfjp  Kai  yä  ciydriu 
itövTOC  €1t6tuj  b'  d/jp,  sind  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  aus  einem 
schriftsteiler  entlehnt  —  Schlieszlicfa  nehme  ich  diese  gelegenheit  wahr, 
um  die  aufschrifl  eUies  nicht  mit  bildwerk  versehenen  steins,  von  wei- 
chem mir  vor  jähren,  irre  ich  nicht  in  London,  ein  abdruck  gegeben 
wurde,  mitzuteilen,  obgleich  dieselbe  sicherlich  als  ein  beitrag  zu  den 
auf  diesem  gebiete  vorkommenden  f^lschungen  betrachtet  werden  kaun : 

THM  Eni  APETH 
ISM>PO  ZYNHTE 

KAI  ZO0IA 

AlAHPEnOY 

d.  i.  Ti\v  in\  dperQ  cuiqppociWij  t6  xal  cwpUf  {)taiTp^irou(cav}. 

OÖTTINOBN.  FrIBDBICB  WiBSBLBR, 


22. 

zu  THEOKETTOS. 


Die  mitglieder  der  Meiszener  philologenversamlung  von  1863  er- 
innern sich  wol  einer  ehrwürdigen  Persönlichkeit ,  die  an  den  Verhand- 
lungen regen  anteil  nahm,  des  damals  noch  Im  geistlichen  amt  thätigeo, 
bald  darauf  nach  langer  gesegneter  Wirksamkeit  in  den  ruhestand  ge- 
tretenen archidiaconus  von  Meiszen,  magister  aureus  Carl  Freytag. 
ein  würdiger  zögling  der  Pforte  hat  er  seinem  interesse  an  den  classi- 
schen  Studien  durch  zahlreiche  poetische  versuche  in  lateinischer  und 
griechischer  spräche  ausdruck  gegeben;  ich  erinnere  an  seine  carmina 
voliva  zum  Jubelfeste  jener  anstalt  im  j.  1843,  die  das  frühlingsfest  der 
Pyläer  in  vier  rhapsodien  in  griechischer  und  deutscher  spräche  feiern, 
eingeleitet  durch  lateinische  distichen.  [vgl.  auch  jahrb.  1865  s.  792.] 
es  verdient  anerkennung  von  seilen  derer  welche  die  philologischen  Stu- 
dien zu  ihrem  berufe  erkoren  haben ,  wenn  ein  solcher  mann  die  musze 
seines  alters  auch  zu  ernsteren  Studien  auf  diesem  gebiete  benutzt,  und 
wir  l>edauern  nur  dasz  wir  nicht  früher  dieselbe  dem  Verfasser  der 

CoNiEOTXTBABUM  IH  Theocbiti  oabmms  I  Lusus  0TI08I.    Miflenae 
ex  offidna  C.  E.  Klinkichtii  et  filü.    16  s.   gr.  4. 

die  einem  befreundeten  jubilar,  dem  rector  Nobbe,  zum  20  oct.  1864  ge- 
widmet sind,  haben  aussprechen  können,   wir  holen  das  heute  nach  und 

Jahrbacher  f&r  claas.  phUoI.  186S  hft.  S.  10 


138       R.  Peiper:  anz.  v.  G.  FreyUgs  coniecturae  In  Theocrili  Carmen  L 

tauen  die  hauptsftdilichsten  der  in  dem  schriftchen  niedergelegten  Ver- 
mutungen mit.  mit  einer  frische,  der  man  den  Jubilar  nicht  anmerkt^ 
geht  der  vf.  auf  die  von  neueren  hearbeitern  des  gedichts  aufgestellten 
ansichten  ein;  mit  allzugroszer  bescheidenhelt  stellt  er  diesen  seine  eige* 
neu  gegenüber;  gleich  geschleifte  handhabang  der  lateinischen  spräche 
wie  der  iiritlschen  methode  dürfte  manchem  philologea  zu  wünschen  sein, 
mit  Rreussler  nimt  der  vf.  vierzeilige  Strophen  an ,  die  aber  nach  seiner 
auffassung  im  ersten  von  je  2  versen  nngebenen  teile  (64.  65—92.  93} 
sich  als  2  +  ^  darstellen,  zum  teil  dadorch  sind  einige  umsteMongen 
veranlaszt,  deren  begründnog  in  anregender  weise  versucht  wird* 

77.  78  (die  verszahlen  nach  Fritzsche,  Leipzig  1857}  werden  zwi* 
sehen  84  und  85  gestellt,  dem  Hermes  also  dn  stüclt  der  rede  des  Pria- 
pos  gegeben.  In  v.  82  f.  wird  gelesen:  Tt  VU  rdic^ai  (out  Kreussler}; 
äl  hi  T€  KcDpai  TT  0  X X  al  dvä  Kpävac  usw.  und  85  £  beiX '  £  buc^puic 

92.  93  kommen  als  ^€C^ib6c  zwischen  114  und  115:  Tibc  Tdv 
fiiv  TroT€X^£a6'  ö  ßuiKÖXoc  . .  •  Kai  de  t^c  ficaro  jüioipac  in 

V.  96  wird  conjiciert:  ßapuv  b'  &^a  du^ÖV  ^X^tca. 

102  tritt  mit  einem  hinzugedichteten  verse  XGt(p€T€*  fjbii  T^p 
irfic  &Xioc  &\i\k\  bcbuKei,  |  IkttpoXihcuv  bi  <pdoc  bucui  ^öov  i^c- 
pÖ€VTa  vor  120. 121  und  bildet  mit  diesen  die  antistrophe  zu  115 — 119 
(Xaipee*  in  116  =  xaipeie  in  102). 

103  tritt  nach  130;  anklang  an  das  ^KOjitat  vermutend  will  der 
vf.  statt  dXtoc  fpiUTOC  vielmehr  SXKOC^puuTOC  schreiben. 

105  und  106  folgen  also  gleich  auf  101.  gelesen  wird:  it^  X^T^, 
ir§  Tdv  K.  6  ß.;  t  m  "T,  fpire  not*  'Arx^av  rrivel  9iXo v  dv- 
bpa  XOrtEov.   107  halt  auch  er  für  anecht. 

132 — 136  endlich  bilden  nach  des  vf.  ansieht  den  schlusz  des 
Daphnisliedes  und  treten  also  zwischen  142  und  143.  er  reduciert  die 
fünf  verse  auf  vier,  indem  er  135  ganz  tilgt,  oder  nach  ausscheldung  von 
glossenartigen  einschiebsein  zwei  in  dinen  verschmilzt:  Trdvra  b'  fvoXXa 
YT^Xoi  Kod  Tftc  KÖvac  (&Xa<poc  £Xkoi,  |  \d\l  öpdu)V  toI  ckODttcc  driböci 
TapucaiVTO. 

Eine  reiche  lese  anderer  Vermutungen  zu  den  besprochenen  stellen 
beweist  die  belesenheit  wie  die  geislesgewandtheit  des  greisen  vf.  und 
kann  wol  znr  weitern  forschung  nach  der  absieht  des  dichters  anregung 
geben,  dem  ref. ,  der  erst  kürzlich  über  das  gedieht  seine  ansieht  in  die- 
sen Jahrbüchern  1864  s.  449  IT.  niedergelegt  hat,  wird  der  vf.  es  nicht 
verargen,  wenn  er  an  jenen  auf  gewissenhafter  erwägung  beruhenden 
resultaten  auch  Jetzt  noch  festhält  er  wünscht  von  herzen ,  dasz  es  dem 
hm.  Jubelmagister  vergönnt  sein  möge  noch  eine  und  die  andere  frucht 
seiner  alten  liebe  zu  den  dichtem  der  Griechen  und  Römer  mitzuteilen 
und  dadurch  mit  beizutragen ,  dasz  die  kenntnis  des  classischen  alterUims 
wieder  wie  früher  allgemeineres  gut  werde  und  nicht  sich  auf  den  lehrer- 
stand  alfein  beeofartake,  wie  ea  deneü  der  faU  zu  aeln  sdieint 

Breslau.  BudoIiP  Pmnni. 


L.  Drewes:  zu  Demosthenes  IX  g  46.  139 

23. 

ZU  DEMOSTHENES  IX  S  46. 


In  sämtlichen  handschriften  auszer  in  pr.  £  und  pr.  L  finden  sich 

S  46  der  dritten  Philippisclien  rede  die  worte  fcT€ t(voc  >  welche 

Rehdantz  auch  in  der  zweiten  aufläge  seiner  ausgäbe  der  Demosthenischen 
Staatsreden  als  echt  zn  vertheidigen  unternimt  doch  scheint  gerade  diese 
stelle  besonders  geeignet  die  autorit&t  des  £y  zumal  wo  er  mit  L  Ober- 
eiastimmt,  sowie  die  unechtheit  der  in  den  andern  hss.  befindlichen  Zu- 
sätze von  neuem  zu  iMstätigen.  £  läszt  jene  worte  mit  recht  aus  und 
hat  mit  recht  das  lemma:  £k  toC  YPOMM^ciou  &VCCTIVU)CK6L  der 
unterschied  zwischen  annehmen  und  verwerfen  der  worte  lcT€  . .  •  rivoc 
ist  kurz  folgender. 

A.  Im  erstem  falle  fragt  der  redncr:  t(voc  CYTOui>f)€  Kcd  ßouXfic 
rä  iropövra  npdcfixaia  irpocberrm;  elrru);  Dem.  gibt  alsdann  in  der 
vorgelesenen  denkschrift  den  Athenern  einen  rath  Aber  das  bei  gegen« 
wärtiger  Sachlage  zu  thuende.  (Rehdantz  vermutet  ein  defenaivbflndnis 
mit  den  übrigen  Griechen.) 

B.  Verwirft  man  dagegen  die  angeführten  worte,  so  ist  es  durchaus 
nicht  schwer,  wie  Rehdantz  meint,  den  inhalt  des  vorgelesenen  Schrift- 
stückes zu  errathen:  dieses  antwortet  dann  auf  die  frage:  ttiiic  i)\i&C 
irpöc  Tä  TOiaOra  (d.  i.  bujpoboidav)  xai  np6c  jSkXa  lxei€ ;  eliru) ; 
KcXeuCTC  KQi  oÖK  öpTUicdc;  Dem.  wird  also  in  diesem  falle  irgend  eine 
von  den  Athenern  nicht  geahndete  bestechuog  (vielleicht  eines  feldfaerm, 
gesandten  durch  Philippos)  und  deren  verderbliche  folgen  für  Athen  acten- 
mäszig  nachgewiesen  haben,  gegen  erstere  annähme  (A)  i|nd  für  letztere 
(B)  sprechen  mehrere  gründe,  von  denen  ich  die  minder  wichtigen  vor- 
anstelle. 

1.  Die  frage  K€X€ii€T€  Kai  ouk  ö|)Tt€ic6€;  hinter  €Tirui;  erklärt 
sich  schwer,  wenn  Dem.  vorher  nur  seine  absieht  ausgesprochen  hat 
einen  guten  rath  zu  geben,  sehr  leicht,  wenn  er  den  Athenern  ihre 
gegen  bestechlichkelt  gleichgültige  gesinnung  vorhalten  und  die  daraus 
entspringende  misliche  läge  Griechenlands  dem  auslände  (toIc  ßopßd^ 
poic)  gegenüber  nachweisen  wollte. 

2.  Wenn  Dem.  (annähme  A)  schon  hier  seine  ansieht  über  die  bei 
gegenwärtiger  läge  zu  ergreifenden  maszregeln  (nach  Rehdantz  defensiv- 
bündnis  aller  Hellenen)  ausspricht,  wie  kann  er  seine  propositio  (S  70  iL), 
welche  jenen  Vorschlag  doch  wieder  mit  umfaszt,  durch  die  worte  ein- 
führen: li  irouju^v;  irdAai  nc  f|b^uic  &v  Tciaic  ^puiTTJctuv  K6Bt\iau 
itm  vfk  Ai'  ipfSi  xal  TP<in|iui  hi  — ? 

3.  Die  ausführung  A  passt  nicht  in  den  zusammenbang« 
dies  wird  erhellen,  wenn  wir  kurz  die  disposition  der  rede  angeben.*) 


*)  in  bezng  auf  die  weitere  ansführong  und  begründung  dieser 
disposition,  des  ganges  und  Zieles  der  rede  verweise  ich  auf  meine 
abhanÄong  *über  die  kooet  und  den  obarakter  der  dritten  Philippischen 
rede  des  Demostheoee*  iaa  Btauaschweiger  osterprogramm  1866. 

10* 


140  L.  Drewea:  zu  Demosthenes  IX  S  ^6. 

diese  zerfftllt  In  folgende  drei  teile:  I  daritellung  der  gefahr  und  schlioi- 
men  läge,  worin  Gnechenland  sich  befindet  ($  1—46);  11  auffordening 
diese  gefahr  grOndlich  zu  beseitigen  {$  47—70.  motive:  des  Phüippos 
nicht  zu  unterschätzende  macht,  und  an  beispielen  bewiesene  furchtlüre 
folgen  der  gleichgflltigkeit  gegen  bestechung  und  verrath);  111  Vorschlag 
der  zu  ergreifenden  maszregeln  (eigne  kraftanstrengung  in  erster  iinie, 
sodann  auch  bOndnisse).  schon  aus  dieser  kurzen  darstellung  ergibt  sich, 
dasz  ein  hinweis  auf  die  von  den  Athenern  zu  machenden  «nstrengungen 
zwischen  I  und  II  den  fortgang  der  rede  nur  stiren  würde,  wozu  diese 
vorwegnähme  von  III?  wozu  (nach  Rehdantz  annähme)  als  ciroubf)  iroXXfj 
und  ßouXfj  äTGtd/j,  welche  die  gegenwärtige  Sachlage  erfordere,  das  be- 
zeichnen, was  Dem.  nachher  (in  III]  doch  erst  in  zweiter  linie  als  ange- 
messene maszregel  bezeichnet  (nemlich  böndnisse  mit  den  übrigen  Grie- 
chen), wahrend  der  hauptnachdruck  auf  der  Athener  eigne  rfistung  und 
anstrengung  fiillt?  (vgl.  $  70  otÖTOl  itpilhrov  usw.  $  74  dXX'  ö^fv 
toOto  irpaicr^ov,  t&Miv . . .,  ö^iv . . .,  wahrend  es  von  den  bündnissen 
heiszt  oübl  toOt*  äxpn<^rov  S  72). 

4.  Die  ausfflhrung  B  passt  vortrefflich  in  den  Zusam- 
menhang und  gehört  fast  notwendig  an  die  betreffende  stelle,  dies  zu 
beweisen  geben  wir  kurz  eine  darstellung  des  gedankenganges  von  teil  I 
der  rede,  dieser  enthalt,  wie  oben  gesagt,  eine  darstellung  der  mislicheo 
läge  Griechenlands,  nachdem  Dem.  die  äuszere  veranlassung  der  rede 
(feindseligkeiten  des  Philippos  im  Ghersones)  kurz  behandelt  (bis  $  19) 
und  die  betrachtung  auf  den  groszen  nationalen  standpnnct  erhobeh  hat 
(S  20),  schildert  er  die  gefahr  der  läge  als  eine  zwiefache:  a)  eine 
auszere,  durch  des  Philippos  bei  der  gleichgültigkeit  der  Griechen  doppelt 
bedrohliche  Übergriffe  bewirkte  (S  21 — 35),  und  b)  eine  innere,  in  der 
gleichgültigkeit  der  Griechen  gegen  bestechung  und  verrath  bestehende 
(S  36 — 46).  abschnitt  h)  besteht  aus  folgenden  gedanken:  zunächst 
A)  S  36 — 40:  a)  früher  bestrafte  man  verrather  aufs  strengste,  ß)  jetzt 
lacht  man  darüber  oder  ist  gar  neidisch  auf  dieselben,  dann  B)  %  41 — 45 : 
actenmäsziger  nachweis  von  a.  was  ist  nun  natürlicher  als  ein  eben 
solcher  actenmäsziger  nachweis  von  ß?  welch  angemessenen,  auf  solchen 
nachweis  hindeutenden  Übergang  bilden  die  nun  folgenden  werte  S  46 
äXX'  oö  vOv*  od  T^p  o&ruic  ^x^O'  ö)üi€ic  oöre  irpdc  ra  TOiaOrc^ 
oCtc  irpöc  TfiXXa,  dXX&  itil^c;  (cTirui;  KeXeikre  xai  o^  öpricicOe;) 
dieser  nachweis,  dasz  die  Athener  jetzt  gegen  bestechung  gleichgültig 
seien,  ist  aber  nicht  nur  in  diesem  zusammenhange  sehr  angemessen,  son- 
dern entspricht  dem  ganzen  zweck  und  Charakter  der  rede  um  so  mehr, 
da  Demosthenes  jene  gesinnung  der  Athener  als  das  schlimmste  bei  der 
ganzen  sache  betrachtet  und  gerade  in  unserer  rede  mehr  als  in  irgend 
einer  andern  das  übel  bei  der  wurzel  anfaszt  und  es  gründlich  auszu- 
rotten sucht,  (vgl.  S  36.  53  und  die  ganze  ausführung  von  da  bis  $  70. 
damit  hangt  die  oben  erwähnte  betonung  der  notwendigkeit  eigner 
kraftanstrengung  zusammen.) 

5.  Auch  mit  dem  folgenden  ist  so  eine  gute  Verbindung  hergestellt^ 
obgleich  Rehdantz  deren  möglichkeit  bei  dieser  annähme  bezweifelt,   es 


L.  Drewes:  zn  DemoslheDea  IX  $  46.  141 

ist  nicht  nur  möglich,  sondern  sehr  wahrscbeinlidi  dasz  Dem.,  ebenso 
wie  er  nach  darstellung  der  ehemaligen  strenge  gegen  Arthmios  hinzu* 
fflgt  Ik  ik  TOthiuv  €iKÖTU)C  TÖ  TU)V  'CXXfjvuiV  fjv  Till  ßopßdpui  q)0- 
ßcpd,  auch  in  dem  vorgelesenen  schriflstflcke  nicht  nur  die  jetzige  be- 
stechlichkeit  und  gleichgflltigkeit  dagegen  actenmiszig  belegt,  sondern 
desgleichen  die  schlimme  läge,  in  welche  Griechenland  dadurch  dem  bar- 
baren  gegenüber  gerathen  Ist.  (dies  beides  konnte  gerade  durch  einen 
concreten,  in  beiden  beziehungen  actenmSszig  zu  beweisenden  fall  recht 
deutlich  gemacht  werden.)  wie  vortrefflich  schlteszt  sich  nun  $  47  an: 
'es  ist  demnach  fürwahr  eine  thörichte  rede,  dasz  Philippos  nicht  so 
m&chtig  ist  wie  einst  die  Lakedämoniw.' 

6.  Das  einzige,  was  der  annähme  einer  solchen  ausfflhrung  hn  wege 
zu  stehen  scheint,  sind  die  worte  S  ^1  ^  b'  ofirui  TaOr*  ^x^t,  Tä  m^v 
vOv  öpfiTC  bi^ou  Kai  oöbiv  ijütoG  irpocb€ic6€  ^d()Tupoc.  wer  jedoch 
das  unter  4  Ober  den  gedankengang  gesagte  billigt,  wird  in  diesen  wor^ 
ten  nur  einen  Obergang  erblicken  von  ß  (jetzige  glelchgültigkeit  gegen 
verrath)  zum  nachweise  von  a  (ehemalige  strenge  gegen  bestechung). 
wenn  auch  ß  klar  zu  tage  liegt,  so  kann  der  redner  einen  actenmässlgen 
beleg  doch  fflr  förderlich  halten,  dieser  nachweis  wird  also  in  S  41  nur 
aufgeschoben,  damit  die  belege  dieselbe  reihenfolge  haben  wie  a  und  ß 
selbst. 

7.  Wenn  endlich  Rebdantz  meint,  dasz  nur  bei  seiner  auffassung 
sich  der  in  der  proposiiio  erfolgende  verschlag  bflndnisse  mit  den  andern 
Griechen  zu  schlieszen  erklare,  so  bekenne  ich  nicht  einzusehen,  warum 
Dem.  einen  solchen,  noch  dazu  in  zweiter  linie  stehenden  verschlag  nicht 
sollte  machen  können,  ohne  vorher  schon  davon  gesprochen  und  nach- 
weise über  die  machtverhftitnisse  der  betreifenden  Staaten  gegeben  zu 
haben,  da  Dem.  vorher  die  gefahr,  in  welcher  ganz  Griechenland  sich  be- 
findet, nachgewiesen  hat,  so  ist  es  ganz  natürlich,  wenn  er  einen  kämpf 
aller  Griechen  gegen  Philippos  vorschlagt 

Wenn  es  mir  gelungen  sein  sollte  zu  zeigen,  dasz  die  auf  £  (und  L) 
sich  stützende  constituierung  des  textes  dem  gedankengang  und  zweck 
der  rede  vollkommen  angemessen  ist,  so  möchten  damit  nicht  nur  die 
ausführnngen  von  Rebdantz,  sondern  auch  die  von  anderen  vorgeschlage- 
nen Änderungen  erledigt  sein,  wodurch  die  eliminierung  der  oben  mit  B 
bezeichneten  ausführung  (in  dem  vorgelesenen  Schriftstück)  bezweckt 
wird.  Westermaun  nemlich  Iftszt  das  lemma  weg,  Benseier  stellt  es 
nach  &KpÖ7roXtv  S  ^1 9  Spengel  betrachtet  die  von  £  und  L  ausgelasse- 
nen Worte  als  echt,  stellt  aber  die  worte  Tivoc  . .  TrpocbeTcOat  hinter 
öpTt€ic6€. 

Endlich  darf  ich  wol  auf  die  Wichtigkeit  des  gewonnenen  resultats 
fflr  die  kritik  hinweisen,  mit  unserer  stelle  stehen  und  fallen  die  übrigen, 
in  welchen  £  (und  L)  worte  auslassen ,  die  in  den  andern  handschriften 
sich  finden,  da  von  allen  diesen  stellen  die  unsrige  bei  weitem  die  wich- 
tigste ist. 

Bratthsohwbio.  LuDWia  Drbw&s. 


142  T.  M.:  Doohmals  zu  Polybios  X  17,  11-^13. 

24. 

NOCHMALS  ZU  POLYBIOS  X  17,  11—13. 


^K  bk  Tuiv  XomiBv  aixMcx^^tuiv  iKkiiac  ToiK  eöpuieroTdrouc 
. . .  itpocdjiiEe  Tok  a^ToO  TTKnP^M<^<^i  i  Kai  iroirjcac  f)|iioXiouc  Toik 
irdvrac  vourac  f\  irpöcOev  cuveirXfjpujce  xai  toc  ocixMoXUiTOuc  vf^oc, 
Acre  Touc  ävöpac  ^KdcTiu  ocdipet  ßpox^i  n  Xciirciv  toO  ^iirXaciouc 
cfvoi  ToiK  öirdpxovrac  tiuv  irpoT€VO)üi^vuiV'  a!  ju^  t^  cttXM^- 
XujTOi  vf)€c  £)üi'ÖKTu)Ka(b€Ka  t6v  dptOjüidv,  ai b'  ä  dpxf)c  nirct 
KQi  TpidKOvra  dasz  diese  stelle  unvereinbare  widersprflclie  entiialte,  i«t 
offenbar  und  neuerdings  von  F.  Rultscb,  dessen  aufsats  (jafirb.  1867 
s.  564  ff.)  die  verattiassang  tu  diesen  bemertcungen  geworden  ist,  in 
scharfer  und  btediger  weise  erörtert  worden,  da  überdies  äjLi'  eine  er- 
kldrung  nicht  zuzuiasetcn  scheint,  so  hat  der  genannte  gelehrte  an  diesem 
pnnete  den  grund  der  Verderbnis  zu  finden  gemeint;  weil  nun  weiter 
durch  rechnung  sich  zu  ergei)en  scheint  dasz,  wenn  die  angaben  i^ 
Polybios  in  Übereinstimmung  zu  einander  gesetzt  werden  sollen,  die  iah! 
der  erbeuteten  schiffe  nicht  18  sein  könne,  dagegen  10  vortrefflich 
stimme,  so  liest  Hultsch  dvVJTOVTO  b^xa  fflr  das  hsl.  ä^'  ÖKTUiKaibcxa 
und  glaubt  ^somit  die  volle  Übereinstimmung  in  den  Worten  des  Schrift- 
stellers hergestellt'  zu  haben,  freilich  müssen,  soll  das  resultat  stimmen, 
die  Worte  Kai  iroii^cac  f||iioXiouc  toOc  irdvrac  vaÖTac  1^  irpöcdev 
00  verstanden  werden ,  dasz  Scipio  zu  der  bereits  vorhandenen  zahl  der 
vaCrot  noch  anderthalbmal  dieselbe  zahl  hinzugefügt  habe,  eine  auffas- 
sung  welche  Hultsch  nur  unter  der  bedingung  f6r  zulSssig  erkiSrt,  wenn 
einfach  toOc  irdvrac  mit  ausschlusz  von  vaurac  gelesen  werde;  dieses 
verfahren  schemt  ihm  nicht  nur  durch  das  bedenken  Crnestis,  sondern 
auch  durch  den  text  der  Hervagiana,  in  weichem  das  betreffende  wort 
fehlt,  gerechtfertigt  zu  werden,  für  die  durch  rechnung  gewonnene 
zahl  10  beruft  er  sich  auszerdem  auf  Livius,  welcher  an  der  parallelen 
stelle  die  erbeuteten  schiffe  auf  8  bestimmt,  eine  angäbe  deren  werth 
allerdings  sehr  zweifelhaft  wird  durch  eine  spatere  bemerkong  desselben, 
dasz  in  bezug  auf  die  zahl  der  schiffe  ebenso  wenig  Übereinstimmung 
liersche  wie  in  betreff  der  übrigen  kriegsbeute. 

Vergegenwärtigen  wir  uns  die  bedenken  gegen  diese  anderung  und 
erklärung,  welche  natürlich  dem  Urheber  derselben  vollkommen  bewust 
waren,  es  sind  folgende:  1}  wer  die  worle  Kai  notncac .  .  irpöc6€V 
für  sich  liest,  ohne  vorläufig  sich  die  aufgäbe  zu  stellen  dieselben  in 
Übereinstimmung  mit  den  folgenden  (&CTe  .  .  bmXaciouc  cTvat  usw.  zu 
zwingen,  wird  sie  so  verstehen,  dasz  die  gesamtzahl  der  vaCrai  nach 
aufnähme  der  gefangenen  auderthalbmal  die  frühere  zahl  ausmachte, 
nicht  dasz  noch  anderthalbmal  soviel  hinzugekommen  seien;  2)  zuge- 
geben dasz  mit  auslassung  von  vaurac  das  bedenken  gegen  die  letztere 
erklärungsart  sich  vermindere,  diese  auslassung  selbst  bleibt  trotz  der 
angeführten  autoriläten  doch  ein  gewaltsames  verfahren:  3)  alizugrosze 
Wahrscheinlichkeit  bat  auch  die  Vermutung  dvi^TOVTO  nicht  für  sich: 


T.  M.:  nochmals  zu  Polybios  X  17,  11—13.  143 

das  wort  könnte  doch  nur  bedeuten  *a)s  es  zur  abfahrt  kam,  fuhren 
4iuszer  den  früheren  85  schiffen  auch  die  erbeuteten  10  aus  dem  hafen, 
flei  es  um  die  gegend  ganz  zu  verlassen,  sei  es  zu  einer  Qbung  auf  offenem 
meere';  beides  scheint  nicht  in  den  Zusammenhang  zu  passen.  4)  der 
«atz  am  ende  des  capitels  ist  allerdings  verstümmelt;  was  aber  davon 
übrig  geblieben,  f))üitöXtov  ht  troirjcac  to  yauTiKÖv  ^k  toO  icatpoC  bt& 
T^v  aÖToO  irpövoiov  scheint  in  treMicher  Übereinstimmung  zu  stehen 
mit  der  fiberlieferten  anzahl  der  schiffte,  ebenso  mit  jenem  xal  irot^jcac 
fmtoXfotK  usw.,  wenn  man  eben  diese  worte  nir  sich  liest,  ohne  den 
nur  zwangsweise  herzustellenden  Zusammenhang  mit  den  folgenden  ins 
aage  zu  fassen. 

Indes  wQrdeu  alle  diese  bedenken  der  sdieinbai*  zwingenden  rech- 
nung  BuJlschs  gegenüber  nichts  über  den  Verfasser  dieser  bemerkungen 
vermögen ,  kSme  nicht  eine  weit  gröszere  und,  wie  es  ihm  scheinen  will, 
unbesiegbare  Schwierigkeit  hinzu,  sie  liegt  in  folgender  rechnung.  die 
zahl  der  gefangenen  im  ganzen  belief  sich  nach  Polybios  ($  6)  noch  nicht 
auf  10000  (mSnner ,  weiber  und  kinder  zusammengerechnet ,  anders  Li- 
vius) ;  davon  gehen  2000  X^tpOT^xvai  ab  ($  10) ;  die  zahl  der  iroXtTtKOi 
fiv&p€C  mit  frauen  und  kindem  Ist  nicht  angegeben;  indes  wird  1000 
schwerlich  zu  *hoch  gegriffen  scheinen ;  somit  bleiben  als  gesamtzahl  der 
übrigen  gefangenen,  unter  denen  Scipio  die  auswahl  hatte  um  die  be- 
maniiujiff  der  schiffe  zu  verstärken,  nicht  7000  übrig,  nehmen  wir  nuA 
an ,  er  habe  unter  diesen  6000  für  seinen  zweck  passende  gefunden  — 
mehr  doch  gewis  nicht,  wenn  die  worte  touc  eOptxiCTOräTOuc  xal  TOtc 
€R)€Ci  Kai  rate  f)XtK(atc  äKfuaiOTdrouc  überhaupt  einen  sinn  haben 
sollen  —  so  wSre  die  zahl  der  von  Scfpio  mitgebrachten  vaÖTQi  (^/j  X 

Af\f\f\ 

6000)  nicht  mehr  als  4000  gewesen,  also  für  jede  penlere  -^^  = 

114  bis  115  mann,  eine  zahl  die  mit  den  sonstigen  angaben  über  die  be- 
mannung  einer  pentere  schlecht  stimmt;  die  schiffe  wSren  mit  einer  so 
geringen  mannscbafl  wol  kaum  brauchbar  gewesen ,  und  doch  hatten  sie 
sich  kurz  vorher  am  gefechte  beteiligt;  auch  dürfen  wir  nicht  vergessen, 
dasz  die  zahl  6000  die  gröstmögliche  ist,  die  wir  annehmen  dürfen,  und 
die  in  der  wirkliclikeit  schwerlich  erreicht  wurde. 

Angesichts  dieser  reehnung  erscheint  es  zunächst  gerathener  die 
worte  Kod  iroirjcac  usw.  so  zu  verstehen,  wie  sie  ohne  zwang  zu  ver- 
stehen sind,  dasz  nemlieh  die  zahlderneu  aufgenommenen  rudermann* 
acbaftMk  die  hälfte  der  schon  vorhandenen  betrug,  auch  so  ergibt  sich 
noch  immer  eine  beträchtliche  menge  der  aufgenommenen,  falls  wir  die 
bemannung  der  penteren  als  vollzählig,  also  zn  etwa  300  annehmen 

wollen,  nemlieh =  5250,  was  für  eine  auswahl  der  rüstig- 

sten  und  kräftigsten,  wie  es  dort  helszt,  offenbar  eher  zu  viel  als  zu 
wenig  ist.  sollte  Polybios  an  unserer  stelle  vaurac  im  engern  sinne 
gebraucht  haben  mit  ausschlusz  der  ÖTnip€cia?  dann  würden  wir  aller- 
dings einen  kleinen  abzug  von  obiger  zahl  bekommen,    wahrscheinlich 


144  T.  K. :  nochmals  zu  Polybios  X  17, 11—13. 

ist  dies  jedoch  nicht,  da  er  I  26,  7  offenbar  unter  ipizai  die  gesamte 
schilbmannschaft  versteht  mit  alieinigem  ansschlusz  der  ^irißdrat  lieber 
möchte  man  glauben,  um  jene  zahl  etwas  kleiner  annehmen  zu  können, 
dasz  die  bemannong  von  haus  aus  nicht  ganz  vollzählig  gewesen  sei. 

Lassen  wir  nun  einstweilen  den  mittleren  satz  Cbcte  . .  irpOTCVO* 
fx^vuiv  ausser  acht,  so  haben  wir  in  dem  Kai  irotificac  fmioXiouc  usw. 
eine  angäbe,  welche  nicht  nur  zu  dem  Verhältnis  der  überlieferten  schiffs» 
zahlen  (35  und  18)  ziemlich  gut  passt,  sondern  auch  durch  das  verstOm- 
melte  ende  des  capitels  bestätigt  zu  werden  scheint,  das  seltsame  fifi*^ 
ist  freilich  noch  nicht  erklärt,  und  ebenso  fehlt  noch  ein  verbum,  etwa 
^T^VOVTO,  an  der  betreffenden  stelle,  möglich  dasz  das  5^*  der  fiber- 
rest  einer  abbreviatur  der  einst  vorhandenen  verlralform  ist;  jedenfalls 
wird  man  des  verderbten  fi^'  halber  allein  die  zahl  nicht  ändern  wollen, 
wenn  nicht  ein  dringenderer  grund  vorliegt,  der  scheint  freilich  in  dem 
mittlem  satze  S}cre  touc  dvbpac  ^Kdcrqi  ciai<p€i  ßpaxu  ti  Xebrciv 
ToO  bmXadouc  cTvai  touc  i&rrdpxovrac  ti&v  irpoTCVofx^viuv  reich- 
lich vorhanden  zu  sein,  gilt  aber  die  oben  angeführte  rechnung  —  und 
vf.  wüste  nicht  was  man  dagegen  anführen  könnte  —  so  Ist  offenbar  die 
angäbe  ßpaxO  Tt  Xdirciv  ToO  biirXac(ouc  cTvai  nicht  richtig;  viel- 
mehr müste  man  etwa  den  sinn  erwarten:  *so  dasz  auf  jedes  schiff  bei- 
nahe die  gleiche  zahl  von  mannschaften  kam  wie  früher*,  nemlich  durch* 

schnittlich    /?  ,    ,,   =  rr—  der  früheren  zahl,  diesen  sinn  würde  die 
«5o  -f-  lö         106 

änderuug  von  biTrXadouc  In  TraparrXriciouc  geben,  man  wird  gegen 
nopanXiiciouc  nicht  einwenden  können ,  dasz  dabei  ßpaxO  Ti  Xdirctv 
überflüssig  wäre:  denn  erstens  lassen  sich  stellen  beibringen,  wo  irapa- 
TrXt^cioc  dem  Tcoc  in  der  that  gleichbedeutend  erscheint,  und  zweitens 
bezieht  es  sich  keineswegs  blosz  auf  eine  annäherung  von  unten  nach 
oben,  also  von  einer  niedem  zahl  an  eine  höhere,  sondern  umgekehrt 
auch  von  einer  hohem  an  eine  niedere,  wie  in  der  wegen  des  dort  vor* 
kommenden  berflchtiglen  xdXXei  vielfach  besprochenen  stelle  des  Thuky- 
dides  Ul  17,  1  TrapaTtXt^ciai  bl  kqI  ^ti  YrXeiouc,  beiläufig  eine  stelle 
wo,  wie  in  der  unsrigen  ein  dft*  zu  lesen  ist,  dort  allerdings  erklärt,  aber 
doch  nicht  eben  notwendig  und  —  aurrichtig  gesprochen  —  sogar  unbe- 
quem, ist  es  zu  abenteuerlich  für  beide  stellen  eine  gleiche  oder  älmliche 
veranlassung  der  Verderbnis  anzunehmen?  und  doch  musz  der  vf.,  dem 
es  bisher  nicht  vergönnt  war  genauere  bekanntschaft  mit  handschriften 
zu  machen,  den  ihm  aufsteigenden  verdacht  unterdrücken,  entweder  für 
immer  oder  einstweilen,  bis  ihm  vielleicht  mehr  material  aus  handschrift- 
lichem apparat  für  weitere  hegründung  zu  geböte  stehen  wird,  für  jetzt 
begnügt  er  sich  mit  dem  verschlag  der  oben  angegebenen  ändemng  des 
btirXacfoiK  in  irapaTrXridouc,  sei  es  auch  nur  zu  dem  zwecke,  um  von 
Seiten  des  jüngsten  herausgebers  des  Polyblos  dadurch  vielleicht  einen 
zweckmäszigeren  verschlag  zu  gewinnen. 

L.  T.  M. 


Ph.  Wagner :  anz.  t.  oeuvres  de  Virgile,  Mitlon  publice  par  £.  Bcooist.  145 

25. 

P.  VmoiLn  Mabonib  opbba.  les  oeuvres  de  Viboilb.  ioinos 

FOBLl^  D^APBiB  LB8  TRAVAUX  LES  PLUB  BJ^OBRTB  DE  LA 
PHILOLOGIE,  AVEO  I7N  OOMMENTAIRE « GRITIQXJE  ET  EXPLIOATIF, 
TJNE  »TBODÜOTION  ET  UNE  NOTIOE,  PAR  E.  BeMOIST,  AN- 
CIBSI     thtVE    DE     L^iOOLE    N0B1CALE8,     DOCTEUB    ±B    LETTBEB. 

LEB  BucouQüEB  BT  LEB  GJ^OBOiQUES.  Parifl,  librairio  de 
L.  Hachette  et  c^    1867.    LXXTX  u.  293  s.   gr.  8. 

Mit  dem  vorliegenden  bände,  die  bucolica  und  georgica  enthaJtend, 
beginnt  eine  von  dem  bucbhSndler  L.  Hacbette  in  Paris  unternommene 
samlung  der  gelegensten  griechischen  und  lateinischen  Schriftsteller,  der 
auf  dem  Umschlag  befindliche  auszug  des  prospects  spricht  sich  darüber 
m  folgenden  worten  aus:  *ce  volume  inaugure  une  sörie  d'öditions  savan- 
tes  destinöes,  nous  i'esp^rons,  i  faire  honneur  i  Törudltion  de  notre  pays, 
ä  fonder  une  ^ole  de  philologie  frangalse,  ä  bien  m^riter  et  du  monde 
savant  et  du  monde  universitaire.* 

In  der  einleitung  (s.  I — XXXVII)  fahrt  hr.  Benoist  zunächst  die  be- 
merkenswerthesten  ausgaben  auf;  dann  folgt  eine  kurze  besprechung  der 
ältesten  kritischen  hülfsmittel  und  der  Orthographie ;  bezfiglich  der  letzte- 
ren sagt  er:  Ml  n'est  pas  possible,  dans  T^tat  actuel  des  ^tudes  gramma- 
ticales  en  France ,  d'adopter  une  orthographe  scientifique  pour  un  classi* 
qne  latin  donl  l'usage  est  r^pandu.'  und  auf  der  folgenden  seite:  ^si 
d'ailleurs  nous  n'accneillons  pas  de  hon  gr^  cette  r^forme  (in  der  Ortho- 
graphie) nous  finiroBS  par  la  recevoir  malgr^  nous.'  es  folgt  ein  ver* 
zeichnis  der  Wörter  in  denen  er  sich  den  neueren  orthographischen  an- 
richten in  seiner  ausgäbe  anschlieszt,  sowie  ein  zweites  diejenigen  Wörter 
enthaltendes,  in  welchen  er  mit  rücksicht  auf  seine  französischen  leser 
die  früher  hergebrachten  formen  beibehalten  hat. 

Mit  der  grammatischen  und  sachlichen  erkläruug  Ycrslchert  hr.  B. 
es  so  genau  wie  möglich  genommen  zu  haben,  und  das  ist  in  der  that 
der  fall,  mit  ftsthetischen  bemerkungen  den  commentar  anzuschwellen 
halt  hr.  B.  nicht  fOr  rftthlich;  das  hauptsächliche  soll  in  der  ^nollce'  zu- 
sammengestelljt  werden,  trefflich  äuszert  sich  hr.  B.  s.  XXXV:  ^pour 
moi,  quand,  ä  force  de  reclierches.  je  crois  avoir  ^cart^  toutes  les  diffi- 
coltds  du  texte  de  Virgile,  quand  je  crois  poss^er  la  pleine  inteiligence 
de  sa  pensöe,  gräce  ä  une  compl^te  inteiligence  de  l'ezpression,  je  le  relis 
et  je  trouve  plus  de  jouissance  dans  une  communication  directe  avec  le 
poöte  que  dans  les  spirituelles  ou  d^licates  explications  de  ceux  qut 
veulent  se  faire  intermddiaires  entre  lui  et  moi.'  die  nun  folgende  'notice 
snr  Virgile'  (s.  XXXIX — LXXIX)  umfaszt  das  leben,  die  Studien  und  werke 
des  dichters,  sowie  eine  Charakteristik  derselben :  eine  darstellung  welche 
In  jeder  hinsieht  den  leser  befriedigen  wird. 

Wenn  hr.  B.  schon  in  diesen  einleitenden  abschnitten  eine  ehren- 
werthe  bekanntschaft  und  zweckmässige  benutzung  der  dahin  einschlagen- 
den, namentlmh  der  deutschen,  litteratur  an  den  tag  legt,  dabei  strenge 
wissenschaftliche  anfordernngen  an  sich  selbst  macht  und  denselben  mit 


146  Ph.  Wagner:  anz.  v.  oeuvres  de  Virgüe,  ^itlon  publice  par  E.Beooist. 

geachick  genügt,  so  Ist  dies  auch  an  dem  nun  folgenden  commentar  zu 
•rflhmen.  hr.  B.  hat  hier  wesentlich  die  bereits,  besonders  von  deutscher 
seile,  gefundenen  resultale  zu  gründe  gelegt,  sowol  in  den  spArlicheren 
kritischen  beinerkungen  als  auch  in  den  erklärenden,  welche  classe  von 
lesern  hr.  B.  voraussetzt,  wird  nicht  besonders  angegeben,  indes  ersieht 
man  bald,  dasz  seine  ausgäbe  sowol  fflr  junge  und  angebende,  gröndliche 
belehrung  suchende  leser  angelegt  ist,  also  fär  scbfller,  als  auch  für  ein 
reiferes  alter,  welches  den  beliebten  dichter  unter  anleitung  des  hg.  noch 
einmal  rasch  durchlesen  und  ohne  aufhflitliche  Störung  genieszen  will, 
und  diesen  zweck  hat  hr.  B.  glücklich  erreicht,  besonders  empfehlen 
sich  seine  bemerkungen  durch  den  angemessenen ,  klaren  und  lichtvollen 
ausdrack ,  der  allem  was  hr.  B.  schreibt  eigen  ist. 

Während  ich  mit  dem  vorliegenden  bände  beschäftigt  bin ,  erhalte 
ich  aus  Paris  nr.  836  des  ^moniteur*  vom  vergangenen  jähre,  in  diesem 
blatte  wird  die  ausgäbe  des  hrn.  B.  durch  einen  der  bedeutendsten ,  auch 
in  Deutschland  verdientermaszen  anerkannten  französischen  gelehrten, 
mitglied  der  academie ,  hrn.  Sainte-Beuve ,  dem  wir  eine  gediegene  *^lude 
sur  Virgile'  verdanken,  angezeigt  und  warm  empfohlen,  hr.  Sainte-Beuve 
geht  von  dem  gesichtspunct  aus,  dasz  es  den  erklärenden  herausgebem 
alter  dichter  gestattet  sein  müsse  bei  ihrer  arbeit  namentlich  audi  die 
besondere  geschmacksrichtung  ihrer  nation  zu  berücksichtigen,  aller- 
dings geht  der  deutsche  erklärer  mehr  gerade  auf  sein  ziel  los ;  dabei 
werden  wir  aber  unsern  gelehrten  überrheinischen  nachbarn  es  keines- 
wegs verargen ,  wenn  sie  ihrem  gescfamacke  huldigend  manche  blume  in 
ihren  kränz  einreihen,  die  nicht  sowol  auf  als  an  und  neben  dem  wege 
sprieszl.  letzteres  ist  indes  bei  hrn.  B.  sehr  selten  der  fall ,  man  müste 
denn  die  häufigere  anfflhrung  von  parallelstellen  dahin  zählen. 

Der  commentar  ist,  wie  bereits  erwähnt,  teils  kritisch,  teils,  und 
zwar  überwiegend,  exegetisch,  in  beider  hinsieht  hat  sich  auch  der  Ver- 
fasser gegenwärtiger  anzeige  versucht,  und  in  beider  hinsieht  hat  er  in 
Frankreich  verhähnismäszig  die  wenigsten  geschäfte  damit  gemadit  hr. 
Sainte-Beuve  sagt:  ^Wagner,  en  donnant  la  quatri^me  Edition  de  Virgfie, 
et  en  se  permettant  d'y  indiquer  quelques  corrections  et  d'y  ajouter  qi 
et  lä  des  perfectionnements'  usw.  wenn  diese  werte  eine  Charakteristik 
meiner  betetligung  an  der  Heyneschen  ausgäbe  abgeben  sollen ,  so  habe 
ich  nicht  Ursache  mich  dafür  zu  dank  verpflichtet  zu  fühlen,  die  haupt- 
sache  war  dort  fflr  mich  die  kritik ,  die  exegese  mehr  nebensache.  nun 
aber  habe  ich  nicht  nur  cä  et  lä  einiges  verbessert,  sondern  das  charak- 
teristische meiner  arbeit,  woran  sich  später  die  ^lectiones  Vergilianae* 
im  ersten  supplementband  des  philologus  s.  305—426  anschlössen,  be- 
stand in  einer  durchgreifenden  durch  wissenschaftliches  urteil 
begründeten  kritik,  wie  sie  in  dieser  art  weder  vor  noch  nach  mir  am 
Vergilius  geübt  worden  ist.  mit  der  erkläning  habe  ich  mich  ex  professo 
in  meiner  kleinem  ausgäbe  beschäftigt,  wovon  1861  die  dritte  wesent- 
lich verbesserte  aufläge  erschienen  Ist.  diese  ausgäbe  ist  weder  hm. 
Sainte-Beuve  noch  hm.  Benotst  bekannt  geworden,  obwol  letzterer  sich 
um  beiziehung  der  in  Deutschland  erschienenen  Vlrgillitteratur  sehr  be- 


Pfa. Wagner:  anz.  v.  oeoTres  de  Virgüc,  Edition  publice  par  E.fieooi8t.  147 

mfiht  hat.  ich  rechne  diesen  umstand  französischen  pbilologen  um  so 
weniger  an,  da  ich  mehrfach  dieselbe  erfabrang  auch  in  Deutschland  tu 
machen  gelegenbeit  gehabt  habe,  indes  wird  sich  schon  aus  nachstehen* 
dem  ergeben,  dasz  hr.  B.  diese  ausgäbe  öfters  nicht  ohne  nutzen  hstte 
consullieren  können.  *) 

Hr.  B.  dröckt  nemlich  den  wünsch  aus ,  man  möge  ihn  auf  das,  was 
an  seiner  arbeit  nicht  stichhaltig  sei,  aufmerksam  madien;  er  werde  jede 
begrandele  entgegnung  mit  dank  aufnehmen,  dasz  er  es  mit  diesem 
wünsch  aufrichtig  meine,  dafür  borgt  der  ernst  und  der  streng  wissen- 
schaftliche sinn ,  womit  er  an  die  sache  gegangen,  und  so  will  ich  den 
commentar  zum  zweiten  und  dritten  buche  der  georgica  mit  einigen  an- 
merkungen  begleiten. 

Zunächst  sind  die  nicht  unbedeutenden ,  bisher  Qbersehenen  Schwie- 
rigkeiten ungelöst  geblieben ,  welche  sich  zu  ende  des  2n  und  zu  anfang 
des  3n  buches  Torfinden.  ich  glaube  In  der  anmerkung  zum  exordium 
des  3n  buchs  und  besonders  in  S  4  der  prolegomena  dritter  aufläge  mei- 
ner erklärenden  ausgäbe  befriedigende  aufitlärung  hierüber  gegeben  zu 
haben,  woza  ich  noch  hinzuffige,  wie  auch  aus  Horatius  carm.  2, 12, 1  ff. 
erbelle,  was  für  aufgaben  Mäcenas  den  damaligen  dichtem  stellte.  — 
10  primus  usw.  Servtus  sagt:  ^primus^  quia  ante  illum  nullus  Mantua- 
Tius  fuit  poeta,  vel  quia  nullus  eiinde  talis  emersit.'  hr.  B.  schlieszt  sich 
der  zweiten  erklärung  an.  man  sollte  wol  meinen,  dasz  Verg.  so  viel 
Selbstgefühl  besessen  habe,  um  auf  seinem  standpuncte  sich  gar  nicht 
mit  mantuanischen  dichtem  zu  vergleichen,  gleich  darauf  sagt  hr.  B.: 
*il  suppose  que,  vainqueur  dans  l'expedltion  po^tique  qu'il  va  entre- 
prendre,  il  ramönera  les  Muses  elles-mdmes  prisonni^res.'  eine  derartige 
ansieht  scheint  mir  (und  schon  dem  trefflichen  Voss)  der  würde  der  Musen 
nicht  angemessen,  etwas  anderes  war  es ,  wenn  römische  feldherra  die 
bilder  von  schntzgottheiten  aus  eroberten  Städten  wegnahmen,  die  Musen 
folgen  wol  gern,  zumal  da  es  in  Griechenland  keine  groszen  dichter  mehr 
gab ,  dem  mit  ihrer  huld  beglückten  sInger  nach  Italien,  sei  es  für  immer 
oder  nur  zn  der  beabsichtigten  festfeier.  —  18:  die  aus  Gatullus  her- 
beigenommene stelle  bezieht  sich  auf  eine  hekalombe,  nicht  auf  einen 
wagenkampf.  —  Bei  gelegenbeit  der  erklärung  von  v.  24  bitte  ich  die 
besitzer  der  3n  aufläge  meiner  ausgäbe  die  hier  unverständlichen  werte 
^discedai .  .  dissolvatur'  zu  streichen.  —  32  et  duo  rapia  manu  diverso 
ex  hoste  tropaea  \  bisque  triumphatas  utroque  ab  litore  genlis.  soll- 
ten diese  verse  nicht  am  natürlichsten  folgender  maszen  zu  erklären  sein? 
Vergilius  selbst,  meine  ich,  deutet  durch  v.  26—29  und  30  f.  den  sinn 
derselben  an :  durch  erstem  werden  die  anwohner  des  indischen  oceans 
bezeichnet,  durch  letztern  die  des  mittelländischen  meeres,  daher  utroque 
ab  litore.  unter  letzteren  kann  man  bei  einem  römischen  dichter  redit 
wol  auch  die  Parther  begreifen,   so  wird  diese  stelle  hinsichtlich  der  zeit- 


*)  auch  Hofman-Peerlkamps  zahlreiche  kritische  bemerkuugen  in 
der  Mnemosyne,  desgleichen  Ladewigs  hierauf  bezügliche  Schrift,  schei- 
nen fam.  B.  Unbekannt  geblieben  zu  sein. 


150  Pfa.  Wagner:  anz.  v.  .oeuvres  de  Virgile,  Edition  publik  par  E.  Benoist. 

asira  ienebat;  so  die  sieb  spreizende  groscmilaligkeit  des  Numanus9, 
610  versaque  iuvencum  \  ierga  fatigamüs  hasia;  so  endlich  das  bittere 
gefahl  des  Aeneas  11,  111  pacem  me  exanimis  .  . .  6raiisf  equidem  ei 
vivis  concedere  vellem.  —  484  venia  rota  constitit.  hier  soll  venio 
dativ  sein;  dagegen  erlaube  ich  mir  anf  meine  erklärung  und  das  zu  ecl 

2,  26  beigebrachte  hinzuweisen.  —  491  vktusqae  animi:  was  ich  bei 

3,  289  animi  dubius  übersehen  habe,  musz  ich  hier  nachholen,  dass 
animi  ein  locativ  sei,  wie  man  jetzt  annimt,  scheint  mir  keineswegs  be- 
gründet; vielleicht  versteht  sich  hr.  fi.  zu  meiner  an  dieser  stelle  ausge- 
sprochenen ansieht,  animus  passl  an  sich  nicht  zur  bezeichnung  eines 
ortes.  wo  sonst  der  locativ  unbestritten  vorkommt,  ist  immer  von  einer 
reAlen  drllichkeit  die  rede;  dies  merkmal  fehlt  aber  dem  animus.  indes 
würde  ich  mich  wol  auch  zu  der  jetzt  beliebten  ansieht  bequemen  mfissen, 
wenn  die  lesart  anim  miaeratus  an  den  zwei  stellen  Jen.  6,  332  und 
10,  686,  wo  animi  sich  allerdings  nur  als  locativ  fassen  lüszt,  unbe- 
zweifelt  richtig  wäre,  einer  solchen  annähme  siebt  aber  1)  wie  eben  er- 
wähnt, schon  in  hinsieht  des  Wortes  animus  selbst  der  mangel  des  be- 
griifs  einer  sichtbaren  rflumlichkeit  entgegen.  2)  kann  animi  maturus 
Metes  (Aen.  9,  246)  neben  aevi  maturus  {Aen.  5,  73]  nicht  durch  in 
animo  erklärt  werden,  desgleichen  auch  animi  praeceps  (Jen.  11,  685); 
es  ist  hier  von  einer  eigenschaft  des  animus  die  rede ,  nicht  von  einer 
stelle  im  animus,  3]  sagen  die  Griechen  wol  KiipoGi,  aber  nicht  6u|iiö6t. 
4}  läszt  sich  die  entstehung  der  lesart  animi  leicht  aus  den  äuszerst  häu- 
figen beispielen  von  corruptionen  nachweisen,  welche  durch  den  eioflus^ 
der  nächst  vorhergehenden  oder  nachfolgenden  silbe  entstanden  sind, 
wie  meine  ähreniese,  namentlich  aus  dem  Mediceus,  in  der  groszeu  aus- 
gäbe Jen.  1,  104  und  11,  609  darthut.  so  wird  an  den  oben  ange- 
gebenen stellen  die  letzte  silbe  von  animi  aus  der  nachfolgenden  ersten 
Silbe  von  miseratus  entstanden  sein.  Jen.  6,  332  steht  auch  in  der 
Ribbeckschen  ausgäbe  onwio,  dagegen  10, 686  aninu.  in  der  3n  aufläge 
meiner  erklärenden  ausgäbe  habe  ich  selbst  an  beiden  stellen  animi  auf- 
genommen, gehe  jedoch  au»  den  angegebenen  gründen  jetzt  davon  ab.  -— 
547:  bei  gelegenheit  dieses  verses  will  ich  nicht  unbemerkt  lassen,  dast 
hr.  B.,  wie  auch  andere  gethan,  mir  öfters  noch  ansichten  beilegt,  die 
ich,  wie  aus  späteren  ansfflhruigen  und  namentlich  ans  der  3n  auflig« 
meiner  eben  erwähnten  ausgäbe  erhellt,  längst  aufgegeben  habe. 

Bis  hierher  hatten  wir  es  mit  dem  wichtigeren  teile  der  ausgäbe, 
der  erklärung,  zu  thun.  hieran  mögen  skk  noch  einige  bcmerkungeo  lu 
dem  kritischen  schlieszen.  buch  UI  v.  3  schreibt  hr.  B.  carmine,  wie  Rib- 
beck und  Philargynis;,  letzterer  oiTenbar,  weil  dies  die  leichlere  lesart  isi» 
carmina  die  schwierigere ,  welche  jedoch ,  da  sie  ebenso  gut  begla"**'^' 
und  gleichfalls  verständlich  ist,  nach  kritiaeher  regel  den  vorzug  ^^^ 
dient  —  118:  beiläufig  sei  hier  bemerkt,  daaz  betreffs  der  urosteliung 
der  verse  120—122  die  autorität  des  Probus  sehr  wenig  oder  gar  nicht» 
zu  bedeuten  hat.  zul^ilige  Versetzungen  kommen  in  den  Überresten  s^- 
nes  commenUrs,  wie  wir  sie  haben,  auch  anderwärts  vor,  bei  v.  197< 
267.  381  und  die  am  ende  des  buchs  nachgeholten  verse  129.  264. 339' 


Ph.  Wagner:  aas*  t.  oaavres  deVirgUe,  ddition  publice  par£.BeiiouU  151 

—  215  ff.  carpii  enim  viris  pauiatim  uriiq%tg  Mendo  |  femma^  nee 
nemorum  paiiiur  memimsse  nee  herbae.  \  dukibus  iüa  quidem  ihleee- 
bris  et  saepe  superboa  \  cormbus  inier  se  subigii  deeemere  aman-- 
iis,   hier  ist  das  puDctum  nach  herbae  beseitigt,  nach  Vorgang  neuerer 
kriliker;  aber  das  starke  illa  quidem  darf  nicht  so  nachhinken;  rieh« 
tiger  fangt  es  den  neuen  satz  an,  welcher  die  Wirkungen  der  kuh  auf 
den  slter  in  der  höchsten  Steigerung  zeigt  and  hi  passender  weise  auf 
das  219  ff.  folgende  bild  eines  Stierkampfes  vorbereitet   an  ei  darf  man 
keinen  anstosz  nehmen;  es  bedeutet  hier,  wie  öttwsyodeo.  —  230  wird 
pernix  beibehalten,  was  bei  seinem  activen  sinne  doch  gewis  nicht  von 
einem  inactiven  liegen  gebraucht  werden  kann.  —  249  ff.:  über  diese 
passage  bitte  ich  hrn.  B.  nachzusehen  was  ich  im  philologus  XVII  s.  365  f. 
gesciu-ieben  liabe,  und  er  wird  finden  dasz  es  keiner  Umstellung  der  verse 
bedflrfe.  —  322  ff.  schreibt  und  interpuogiert  hr.  B.  nach  Ribbecks  vor- 
gange :  ai  vero  Zephffris  cum  laeia  vocaniibus  aeias^  \  in  salius  utrum- 
que  gregem  aique  in  pascua  mittes.  |  luciferi  primo  cum  eidere  frigida 
rwra  |  carpamuSy  dum  mane  nomtm,  dum  grawuna  caneni.   im  cod. 
Medioeus,   der  mehrmals  allein  die  Urschrift  des  dichters  erhalten  hat, 
steht  von  erster  band  das  richtige  miitei,   man  darf  dem  Verg  nicht  die 
härte  aufbörden,  welche  in  cumaetas^  ohne  eriiy  liegt;  etwas  anderes  ist 
cum  iempus,  d.  i.  iempesUvum  est,  oder  si  libidOy  d.  L  st  Ubei.   zwei- 
tens: wer  in  Italien  wird  nicht  zur  Sommerszeit  auch  ohne  aufTorderung 
die  herden  auf  die  weide  schicken?    ist  nun  die  in  mäies  liegende  Vor- 
schrift, da  sich  die  sache  von  selbst  versteht,  ganz  OberUflssIg,  so  fallt 
sie  durch  das  gewichtige  at  vero  eingeleitet  fast  ins  komische,   dagegen 
ist  dieses  ai  vero  den  werten  gegenüber  carpamus  primo  cum  9idere 
friffida  rura  usw.  ganz  an  seinem  platte,    die  alten  manuscripte  sind 
wertfavolle  Urkunden,  mflssen  aber  bisweilen  richtigerem  urteile  weichen, 
die  übrigens  in  ihrer  art  höchst  v^^rdienstliche  ausgäbe  Ribbecks  ist  mit 
vorsieht  zu  benutzen;  Ribbeck  scheint  es  hauptsachlich  darum  zu  thun 
zu  sein»  den  text  des  codex  Palatinus  zu  reprisentieren.  —  Aehnhch  ver- 
halt es  sich,  wie  mkh  dünkt,  mit  dem  v.  329  aufgenommenen  iubebo 
statt  iubeio,   der  dichter  will  sagen:  sobald  es  heisz  geworden,  musz 
inaa  (iubeio)  die  berde  zur  tränke  führen«   das  ist  der  angemessene  ein- 
fädle ausdruck  in  dieser  einüaehen  sache»   wird  aber  durch  das  futurum 
iubebo  gegeoüber  dem  vorhergegangenen  eoUegerit  ein  grammatisch 
regdmAazIges  zeltverhaltais  zwischen  vorder-  und  nachsatz  hergestellt, 
so  sdieint  es  mir  sonderbar,  dasz  die  befehlende  person  des  dichters  in 
dieser  weise  hervorgehoben  wird,    schützt  mao  iubebo  durch  suadebo 
4,  2M9  so  übersieht  man  dasz  sacb-  und  satzverhaknis  dort  ein  anderes 
ist  als  hier.  —  402  behalt  hr  B.  mit  Conington  das  allein  handschrift- 
liche exporiant  bd;  s.  dagegen  meine  lectiooes  Verg.  s.  374.    die  stelle 
Aen.  1,  160,  worauf  sich  hr.  B.  beruft 9  ist,  wie  hr.  B.  bei  näherer  be- 
trachtung  finden  wird^  von  wesentlicher  Verschiedenheit  und  beweist 
nicht  was  sie  beweisen  soll,    will  man  exporiant  beibehalten,  so  musz 
man  verbinden  calathis  adit  oppida  pastor^  was  sich  durch  stellen  be- 
sUügen  laszt  wie  Aen.  3,  222  inruimus  ferro.  -  297  findet  sich  die 


152  Ph.  Wagner :  anz.  r.  oeavres  de  Virgile,  Edition  publice  par  £.BenoisL 

uorichüge  Schreibart  arciis  statt  artis,  —  Buch  IV  v.  47 — 50:  diese 
verse  habe  ich  in  der  dritten  aufläge  meiner  erklärenden  ausgäbe  zwischen 
vers  32  und  33  eingeschaltet,  wie  Schrader  vorgeschlagen;  in  dieser 
Ordnung  scheint  sie  Coiumella  9,5,4  gelesen  zu  haben,  fälsclilich  hat 
man  sie  nach  v.  17  folgen  lassen,   die  fraglichen  verse  enthalten  einige 
kurzgefasste  zusStze,  eine  zugäbe  per  saturam  zu  den  vorhergegangenen 
ausführlicher  behandelten  Vorschriften,  und  diese  zusItze  gehören  eben 
Dvegen  ihres  der  ganzen  form  zufolge  nachträglichen  Charakters  ans  ende 
der  reihe.  —  203 — 305 :  sobald  hr.  B.  meine  bemerkung  zu  diesen  ve^ 
s^n  und  meine  darauf  bezüglichen  äuszerungen  in  den  lect.  Verg.  s.  375  f. 
gelesen  haben  wird,  dürfte  er  wol  nicht  mehr  in  zweifei  sein,  an  welchen 
platz  sie  gehören.  —  228  sedem  augusiatn ,  freilich  durch  autoritäten 
ersten  ranges  beglaubigt,  musz  ich  doch  für  unrichtig  halten,   eine  sedes 
augusia  kann  nur  ein  aufenthaltsort  göttlicher  Verehrung  gewürdigter 
wesen  sein ;  und  wie  wenig  passt  eine  so  pomphafte  benennung  zu  art 
und  einfachheit  des  geschäfts,  des  honigaussehneidens!  damit  ist  zugleich 
das  urteil  über  die  lesart  ore  fave  v.  230  gesprochen.  —  231—250 
sind  in  der  von  Tittler  angegei>enen  weise  umgestellt,   als  ich  die  dritte 
aufläge  meiner  erklärenden  ausgäbe  besorgte,  stiind  ich  nicht  an  die  ange- 
messenheit der  Umstellung  von  v.  336—338  anzuerkennen;  bezüglich 
der  übrigen  verse  setzte  ich  die  mögiichkeit  voraus,  dasz  der  dichter,  mit 
bewustaein  von  der  strengen  lehrmethode  abweichend,  diese  bemerkungen 
aphoristisch  zusammengestellt  habe;  vgl.  das  zu  v.47 — 50  gesagte,  auch 
schien  mir  durch  v.  248 — 250  der  Übergang  zu  251  fl*.  angemessener 
vermittelt  zu  werden.  —  412  tanto  magis:  Bibbeck  und  mit  ihm  hr.  B. 
schreibt  tarn  tu,  an  sich  recht  empfehlungswerth;  da  aber  der  Palaünus 
und  andere  alle  hss.  ianiu  aufweisen ,  so  läszt  sich  nicht  mit  Sicherheit 
sagen,  ob  der  fehler  in  n  oder  u  steckt,    allem  anschein  nach  deckt  hier, 
wie  sonst  öfters,  der  Mediceus  die  quelle  des  verderbnisses  auf.  in  die- 
sem steht  iantu,  also  tantumj  die  auch  dem  Servius  bekannte  lesart 
andere  übersahen  den  strich  am  ende,  andere  verwandelten  nun  uino^ 
letzteres  im  Mediceus  selbst  von  späterer  band  darüber  gesetzt«  und  warum 
sollte  Verg.,  wie  er  das  altertümliche ,  von  hm.  B.  selbst  angeführte  im 
magis  gebraucht  hat,  nicht  auch  iantum  magis  hier  geschrieben  haben? 
aber  zu  welchem  zwecke,  da  keine  metrische  veranlassung  hierzu  vor- 
handen war?  antwort :  weil  Cyrene  ihre  Vorschrift  mit  möglichstem  nach- 
drudL  betonen  will,  wozu  der  dunkle  und  vollere  ton  der  endsUbe^tf»» 
sich  unstreitig  vortrefflich  schickt:   vgl.  auch  Bamshom  lat  gramm. 
S  154^  anm.  s.  496;  Hand  Turs.  I  s.  255.  —  505  f.:  über  diese  verse 
bitte  ich  hrn.  B.  die  in  der  dritten  aufläge  meiner  öfters  erwähnten  aus- 
gäbe enthaltene  erklärung  und  lect.  Verg.  s.  376  nachzulesen. 

Druckfehler  kommen  selten  vor,  wie  effusas  statt  effUsus  4,  312. 
Intusse  statt  Inius  se  4,  422.   druck  und  ausstattung  sind  vorzüglich. 

Dbbbdbn.  -  Philipp  Waombb. 


ERSTE  ABTEILUNe 
FÜR  CLASSISCH£   PHILOLOGIE 

HSBAÜSGEaBBBN  YOK  ALFBSD  FLECKBISBir. 


26. 

Die  antiken  sohriftquellen  zur  oesohichtb  der  bildendek 

KÜNSTE   BEI   DEN  OrIBOHEN.      OESAMVELT  VON  J.  OvERBECK. 

Leipzig,  Verlag  von  W.  Engelmann.  1868.  XX  n.  488  8.  gr.  8. 

Dieses  buch  hat  nach  der  vorrede  eine  doppelte  bestimmung,  und 
zwar  in  erster  linie  zum  gebrauch  bei  Vorlesungen  ober  knostgeschichle, 
alsdann  auch  nicht  minder  für  das  Selbststudium  derselben,  was  den 
ersten  puncl  betrifllt,  so  ist  es  für  einen,  welcher  nie  auf  einem  katbeder 
gestanden,  das  geziemendste  sich  des  urteils  zu  enthalten;  in  bezug  auf 
den  zweiten  aber  bin  ich  der  öberzeugung,  dasz  vorliegende  arbeit  nach 
plan  und  ausführung  die  freudigste  anerkennung  und  wolverdienten  bei- 
fall  finden  wird,  das  ganze  unternehmen  ist  an  sich  ein  so  zeitgemäszes, 
förderliches,  handliches,  dasz  man  sich  fast  wundern  könnte,  wie  das 
bedarfnis  eines  solchen  buches  nicht  schon  lange  gefühlt  und  befriedigt 
worden  ist;  bei  dem  fleisze  und  der  Sorgfalt,  womit  dasselbe  ausgefflhrt 
ist,  wird  ihm  ohne  zweifei  bei  allen,  welche  sich  mehr  oder  weniger  ein- 
gehend mit  der  geschichte  der  griechischen  kunst  beschäftigen ,  ein  freu- 
diges willkommen  zugerufen  werden. 

Wir  haben  hier  ein  urkundenbuch  zur  geschichte  der  griechi- 
schen känstler,  in  welchem  die  stellen  der  griechischen  und  römischen 
litteratur,  welche  nachrichten  über  griechische  kOnstler  oder  ihre  werke 
enthalten,  soweit  es  möglich  war,  in  chronologischer,  wo  sich  dies  nicht 
feststellen  liesz,  in  topographischer  Ordnung  zusammengestellt  sind,  wir 
finden  also  bei  jedem  einzelnen  künslier  und  werke  Qbersichtlich  beisam- 
men, was  uns  die  quellen  berichten,  von  der  Sitesleu,  mythischen  und 
sagenhaften  kunst  an  bis  auf  die  nachblute  in  Rom  und  ihr  völliges  er- 
löschen, eine  geoaue  Qbersicht  nach  einzelnen  perioden  uud  zweigen, 
sowie  ein  sor^tfälliges  alpliabetisches  Verzeichnis  der  künslier  dienen 
wesentlich  zur  bequemlichkeil  des  gebrauchs,  für  welche  auch  dadurch 
gesorgt  ist,  dasz  alle  stellen  mit  durchlaufenden  zahlen,  von  1 — 2400, 
versehen  sind,  diese  einrichlung  machte  es  möglich  oachlrflge  und  Ver- 
besserungen ohne  wesentliche  slöruog  durch  Wiederholung  der  zahl  und 
binzufögung  von  buchslaben,  z.  b.  469  a,  einzufügen,  eine  erwünschte 
beigäbe  ist  bei  den  einzelnen  künstlern  uud  ihren  werken  die  nachweisung 
der  neueren  litteratur. 

Jahrbücher  für  eUu.  philol.  1868  hft.  8.  11 


154    J.  H.  Ch.  Schubarl:  anz.  v.  J.  Overbecks  antike  schriftquellen 

Sollen  wir  nun  zunächst  die  frage  beantworten,  wie  es  sich  mit  der 
Vollständigkeit  der  quellenmitteilungen  verhalte,  so  wird  dies  erst  nach 
längerem  gebrauche  des  buches  möglich  sein ;  auch  ist  der  begriff  der 
Vollständigkeit  keineswegs  ein  so  genau  abgegrenzter,  dasz  sich  darüber 
so  ohne  weiteres  entscheiden  liesze,  indem  es  ja  eine  menge  unnützer, 
alberner  notizen  gibt  die,  an  sich  völlig  werthlos,  doch  in  gewisser  Ver- 
bindung ihren  nutzen  haben  können,  bei  einem  manne  wie  Overbeck,  der 
seit  so  vielen  jähren  seine  Studien  der  archäologie  zugewandt  hat,  nusz 
man  voraussetzen,  dasz  ihm  die  betreffende  litteratur  hinlänglich  bekannt 
war,  und  dasz  ihm  wesentliche  notizen  schwerlich  entgangen  sein 
werden ;  wäre  es  aber  auch  wirklich  der  fall ,  dasz  dem  vf.  die  eine  uad 
andere,  selbst  bedeutende  stelle  unbekannt  geblieben  oder  seinem  ge- 
dächtnis  entfallen  wäre  (wie  dies  letztere  bei  481  ab  der  fall  sein  mag),  so 
wird  bei  dem  unendlichen  detail  kein  billig  denkender  darüber  mäkeln. 
der  vf.  spricht  sich  auch  ganz  offen  aus,  hat  aber  sehr  recht  gethan,  dasz 
er  die  herausgäbe  des  buches  nicht  aus  dem  gründe  verschoben  hat,  weil 
er  vermutlich  in  einigen  jähren  etliche  notizen  mehr  wflrde  mitteilen 
können.  *wer  auf  jede  feder  acht't,  nie  das  bette  fertig  macht.'  mehr 
berechtigung  hätte  vielleicht  die  frage,  ob  das  buch  nicht  manches  nutz- 
lose, überfiflssige  enthalte;  und  da  gestehe  ich  dasz  ich  die  nummem 
1981  — 1991  nicht  verroiszt  haben  würde,  trotzdem  dasz  darin  von 
T^XVTl,  trpöTOi  T€xvTtai,  irivcncec  täv  CiKuuJviKalv  l{jr(p&q>wv  usw. 
die  rede  ist.  diese  orientalischen  luxusapparate  in  rhetorischen  beschrei- 
bungen  gehören  wol  mehr  in  eine  geschichte  des  luxus  als  der  kunst. 
doch  mag  es  sein;  es  steht  ja  jedem  frei  die  stellen  auszustreichen,  wenn 
sie  ihm  zu  anstöszig  sind;  ich  blättere  darüber  hinweg. 

Was  alsdann  die  correctheit  betrifft,  so  kommen  hierbei  zwei  puncte 
in  betracht:  erstens  ob  die  stellen  so  ausgehoben  sind,  dasz  sie  auch 
auszerhalb  ihres  Zusammenhangs  den  vollen ,  ungeschmälerten  sinn  dar- 
stellen ;  zweitens  ob  überall  soweit  thunlich  kritisch  gesicherte  texte  zu 
gründe  gelegt  sind,  die  erste  forderung  scheint  sich  eigentlich  so  von 
selbst  zu  verstehen,  dasz  es  überflQssig  sein  sollte  sie  nur  aufzustellen; 
indes  musz  man  sich  daran  gewöhnen,  dasz  nicht  alles,  was  überflüssig 
sein  sollte,  auch  wirklich  überflQssig  ist,  und  wir  werden  weiter  unten, 
allerdings  nicht  in  diesem  buche,  beispiele  finden,  welche  beweisen  kön- 
nen dasz  ein  hinwegsetzen  über  diese  regel  arge  misgrlffe  zur  folge  halte, 
soweit  ich  die  sache  bis  jetzt  übersehen  kann,  trifft  vorliegendes  buch 
kein  Vorwurf;  auch  sind  die  stellen  nach  den  neuesten  oder  besten  aus- 
gaben ausgehoben,  auf  eigne  texteskritik  hat  sich  0.  nicht  eingelassen, 
was  ich  vollkommen  billige,  teils  weil  dies  eine  arbeit  ohne  ende  und 
ohne  zweck  gewesen  wäre,  teils  weil  sich  mit  glanzenden  beispielen 
belegen  läszt,  welch  ein  misliches  ding  es  ist  gelegentlich,  gleiclisam  im 
vorbeigehen,  textesstellen  berichtigen  zu  wollen,  und  zwar  oft  sowie 
man  sie  eben  für  eine  eigne  meinung  braucht. 

Die  neuere  litteratur  könnte  man  vielleicht  in  gröszerer  Vollständig- 
keit wüttselien;  denn  so  schwierig  es  auch  sein  mag  über  eine  so  weit- 
schichtige litteratur  die  volle  Übersicht  zu  behalten,  so  glaube  ich  doch 


zur  geschichte  der  bildenden  künsle  bei  den  Griechen.         165 

einige  locken  bemerkt  zu  haben,  deren  ausfAlluog  nicht  allzu  schwer  ge- 
wesen wäre,  urteile  sind,  mit  recht,  bei  dem  knappen  räum  aasge- 
schlossen, eigne  ansichten  fast  durchgingig  zurückgehalten,  gern  wird 
man  es  dem  vf.  glauben,  dasz  ihm  diese  als  pflicht  erkannte  selbstbe* 
Bchrflnkung  nicht  leicht  geworden  ist. 

Nach  dieser  Charakterisierung  des  buches  möge  es  gestattet  sein 
eine  reihe  allgemeiner  bemerkungen  anzuknflpfen,  welche  vielleicht  alle 
in  die  oben  erwähnte  classe  derer  gehören ,  welche  zwar  überflAssig  sein 
sollten,  aber  nicht  flberilQssig  sind. 

Orerbeck  bat  seinem  buche  den  titel  gegeben  'schriftquellen  zur 
geschichte  def  bildenden  kflnste  bei  den  Griechen',  hierin  liegt  eine 
ungenauigkeit;  es  bitte  heiszen  raQssen  *zur  geschichte  der  griechischen 
kflnstler'  allenfalls  mit  dem  zusatz  'und  ihrer  werke',  denn  bleiben  wir 
nur  bei  den  Griechen  stehen  und  beschränken  uns  selbst  hier  lediglich 
auf  den  kunstzweig,  den  wir  unter  der  allgemeinen  bezeidinung  ars  ste- 
tuaria  oder  äTCCÄMaTOiroiia  zusammenfassen  wollen ,  so  kann  man  doch 
unter  einer  geschichte  der  kunst  kaum  etwas  anderes  verstehen  als  eine 
darstellung,  wie  sich  diese  kunst  in  bezug  auf  technische  ausfflhrung  und 
auf  geistige  auffassung  von  den  ersten  rohen  anfingen  allmählich  ent- 
wickelt und  im  laufe  der  zeit  durch  die  tbätigkelt  einzelner  menschen  und 
schulen  fortgebildet,  ihren  gipfelpunct  erreicht  hat  und  dann  wieder  bis 
zu  völligem  verfall  herabgesunken  ist.  da  nun  diese  ars  statuaria  ihre 
einheit  zunächst  nur  in  dem  gegenständ  der  darstellung,  statuae^ 
findet,  flbrigens  aber  je  nach  dem  material  und  der  dadurch  bedingten 
technik  sich  in  mehrere  verschiedene  zweige  teilt,  so  dürfte  die  forderung 
ihre  berechtigung  haben,  dasz  vor  einer  kunstgeschichte  erst  einmal  nach- 
gewiesen werde,  wie  jeder  zweig  für  sich  und  In  wechselvdrkung  mit  den 
andern  sich  entwickelt  habe,  denn  es  darf  doch  nicht  vorausgesetzt 
werden ,  dasz  holzschnltzerei  und  erzgusz,  marmor-  und  chryseiephantine 
arbeit  den  gleichen  entwicklungsgang  genommen  haben,  diese  nachwei- 
sung  Ist  aber  nur  möglich  wo  von  jedem  einzelnen  kunstzweige  die  er- 
forderliche anzahl  von  kunstdenkmälem  aus  allen  perioden,  aus  allen 
schulen  und  selbst  von  allen  meistern  zu  eigner  anschauung  und  bei  den 
unentbehrlichen  kenntnissen  vorhanden  sind,  ob  in  irgend  einer  der 
alten  kunstschriften  diese  erfordernisse  vereinigt  waren,  darf  bezweifelt 
werden ;  waren  sie  es  aber  auch ,  so  können  wir  daraus  keinen  nutzen 
ziehen,  da  diese  werke  leider  sämtlich  verloren  sind,  wir  sind  lediglich 
auf  einzelne  notizen  angewiesen,  die  noch  dazu  von  dilettanten  herrühren 
und  einen  ganz  andern  zweck  verfolgen  als  aufklärung  über  kunstent- 
wicklung  zu  geben  oder  uns  ein  lebendiges  bild  vor  äugen  zu  legen,  und 
noch  dazu  sind  gerade  diese  schlichten  notizen  für  uns  weit  fruchtbarer 
als  manche  uns  erhaltene  seinsollende  Schilderung  von  kunstwerken,  wo- 
bei einem  die  kunstbetraohtungen  einfallen  könnten ,  welche  der  Berliner 
Staatsanzeiger  bisweilen  als  ergötzliche  prachtstflcke  zum  besten  gibt. 
In  ermangelung  tüchtiger  Zeugnisse  und  urteile  sind  wir  daher  ange- 
wiesen aus  einzelnen  wörtchen  möglichst  capital  zu  machen  und  z.  b. 
auf  das  J^Goc  und  ähnliches  theorien  zu  gründen,   werfen  wir  nun  aber 

11» 


156     J.  H.  Ch.  Schabart:  anz.  v.  J.  Overbecks  antike  schriftqaellen 

einen  blick  auf  den  unermeszlichen  reichtum  an  kunatwerken,  welchen 
Pausanias  noch  in  dem  durch  krieg  und  plQnderungen  faerabgekomnienen 
Griechenland  sah,  ziehen  wir  in  betracht  dasz  von  sämtlichen  geprie- 
senen meisterwerken  nicht  ein  einziges  auf  uns  gekommen  ist,  dasz 
ganze  zweige  der  kunstöbuug,  als  die  holzschnitzerei  und  die  chrysele- 
phanllnen  arbeiten,  spurlos  untergegangen  sind,  und  dasz  die  uns  er- 
haltenen, selten  unverstümmelten ,  zum  grösten  teil  namenlosen,  chrono- 
logisch unsicheren  Überreste  durchaus  nicht  genügen  uns  ein  richtiges 
biid  von  der  herlichkeit  und  manigfaltigkeit  der  griechischen  kunalent- 
wicklung  zu  geben :  so  werden  wir  woi  gestehen  müssen  dasz  mit  allem 
enthusiasmus  und  aller  phantaaie  eine  eigentliche  geschichie  der  griechi- 
schen kunst  nicht  mehr  möglich  ist,  insoweit  die  monumente  allein  dabei 
als  quelle  dienen  sollen. 

Anders  verhält  es  sich ,  wenn  wir  zu  der  litteratur  unsere  Zuflucht 
nehmen,  freilich  werden  wir  auch  hier  keineswegs  erreichen ,  was  wir 
wünschen,  nemlich  eine  geschichte  der  kunst;  woi  aber  wird  es  tbunlich 
sein ,  so  lückenhaft  auch  die  quellen  sind ,  eine  nacli  jähren  und  personen 
sich  entwickelnde  geschichte  der  kflnstler  und  ihrer  thäligkeit  darzu- 
stellen, es  fehlt  hier  wenigstens  nicht  an  bestimmten  anbaltspunclen, 
zwar  nicht  für  die  phantasie,  aber  für  positives  wissen,  und  wenn  aucli 
diese  richtung  ebenso  wie  die  vorige  sich  den  monumenlen  anschlieszende 
nur  eine  einseitige  ist ,  so  musz  sie  doch  jener  erst  die  sichere  grundlage 
verschaffen,  mit  vollem  rechte  hat  daher  H.  Brunn  sein  vortreffliches 
buch  als  eine  geschichte  der  griechischen  künsller,  nicht  der  kunst,  be- 
zeichnet ,  und  als  willkommenes  urkundenbuch  hierzu  erscheint  mir  das 
werk  Overbecks. 

Glucklicherweise  beruht  gerade  dieser  teil  der  archäologie  auf  ziem- 
lich fester  grundlage,  auf  gegebenen  daten  mit  anwendung  philologischer 
kritik ;  die  Sicherheit  nimt  ab  nach  den  grenzen  zu ,  weniger  bei  der  be- 
rflhrung  mit  der  monumentalen  archäologie,  auf  bedenkliche  weise  aber 
da  wo  die  werke  der  kunst  gegenstände  des  cullus  werden,  hier  zeigt 
sich  bisweilen,  nicht  eben  in  liebenswürdiger  bescheidenheit,  eine  merk- 
würdige abwesenheit  des  ur teils,  welche  in  geistreichen  hypolheseo, 
die  sich  auf  ebenfalls  geistreiche  hvpothesen  stützen  und  nun  wiede^ 
um  geistreiche  hypothesen  in  die  weit  fördern,  schwerlich  einen  be- 
friedigenden ersetz  findet,  da  es  indes  leute  gibt ,  welche  prosaisch  und 
ungläubig  genug  sind  beweisende  stellen  zu  verlangen,  so  Uszt  mau  sich 
um  der  schwachen  willen  herab ,  und  putzt  seiue  hypothesen  auch  mit 
citaten  aus,  wobei  es  jedoch  nicht  darauf  ankommt,  ob  ein  griechischer 
urgiaube  durch  einen  scholiasten,  durch  Georgios  Kedrenos  oder  durch 
Homer  und  Heslod  bewiesen  wird ;  ja  den  letzteren  begegnet  man  gerade 
nur  äuszerst  seilen,  weil  sie  eben  in  die  geistreichen  halucluationen  nicht 
eingehen,  bequem  ist  es  auch  bisweilen  einen  hauptsatz  etwa  durch  Tla- 
ton'  zu  beweisen,  wo  man  nun,  wenn  man  halsstarrig  ist,  suchen  kann; 
vielleicht  findet  man  dann  die  stelle,  und  madit  die  entdeckung,  dasi 
darin  gar  nichts  von  dem  verlangten  steht,  gegen  diese  ausschreitungen, 
welche  in  allen  puncten  belegt  werden  können ,  soll  dieses  buch  einen 


zur  geschiebte  der  bildenden  kOnste  bei  den  Griechen.         157 

dämm  bilden,  indem  es  überall  die  mittel  bietet  die  bebauptungen  lu 
coDtrolieren  und  mit  eignen  äugen  zu  sehen ,  was  wirklich  in  den  stellen 
steht,  man  sollte  glauben ,  dieses  sei  die  unerlissHcbe  bedingung  jeder 
wissenschaftlichen  forschung,  und  dennoch  sind  die  Alle  flberreich  vor* 
banden,  wo  ein  ausgesprochener  und  scheinbar  erwiesener  satz,  beson- 
ders wenn  er  von  einem  in  seiner  richlung  ein  wort  fahrenden  manne 
herkommt,  ohne  weitere  pröfung  glSubig  angenommen  wird  und  weiter 
▼erbreitet  endlich  sich  als  eine  Wahrheit  festsetzt,  so  ist  z.  b.  von  einem 
gelehrten ,  dessen  Verdienste  übrigens  anerkannt  werden  sollen ,  eine  ge- 
wisse uralle  griechische  cultusform  bewiesen  worden,  nicht  etwa  aus 
Homer  oder  Hesiod  (denn  diese  wissen  nichts  davon),  wol  aber  aus  einem 
christlichen,  byzantinischen  Chronisten  des  zwölften  jh.,  aus  Zonaras. 
wird  man  hierin  schon  einen  verwunderungswflrdigen  mangel  an  kritik 
wahrnehmen  dürfen,  so  ist  es  noch  auffallender,  dasz  ein  ausgezeichneter 
archäolog  diese  selbe  stelle  (noch  dazu  als  aus  Leo  Isauricus)  aufnimt 
und  an  die  spitze  des  beweises  stellt,  hätte  er,  weniger  trauend,  die 
stelle  selbst  angesehen,  so  würde  er  ohne  allen  zweifei  beim  ersten  blick 
die  vollkommene  untauglichkeit  derselben  erkannt  haben,  die  wahr- 
scheinlich nur  hühnische  noliz  des  christlichen  Byzantiners  handelt  von 
—  den  Abasgen.  dasz  aus  einer  nicht  genau  im  Zusammenhang  angesehe- 
nen stelle  gerade  das  gegenteil  von  dem  gefolgert  worden  ist  was  sie 
wirklich  aussagte,  ist  obnlSngsl  in  diesen  biftttern  nachgewiesen  worden. 
Hat  man  nun  im  allgemeinen  bekanntschafl  mit  der  stelle  gemacht, 
so  sehe  man  sich  sorgfiiUig  nach  dem  sinne  derselben  um,  ohne  alle  vor- 
gefaszte  meinung ,  ohne  irgend  einen  wünsch,  das  versteht  sich  ja  von 
selbst  —  sollte  sich  von  selbst  verstehen ;  es  ist  aber  wahrhaft  merkwürdig, 
was  man  bei  einer  vorgefaszlen  und  gar  lieblingsmeinung  alles  sieht, 
und  was  ein  wünsch  für  eutdeckungen  machen  kann,  der  ritter  aus  der 
Mancha  suchte  eifrig  nach  dem  heim  des  Mambrin,  und  ruhte  nicht  bis 
er  ihn  fand,  andere  erkannten  darin  allerdings  weiter  nichts  als  ein 
barbierbecken ;  für  den  ritter  und  seinen  knappen  war  es  aber  der  heim 
des  Mambrin.  wer  z.  b.  im  baumcultus  befangen  ist,  dem  begegnet  es 
gar  leicht,  dasz  er  —  den  wald  vor  lauter  bäumen  nicht  sieht,  ^in  beleg 
mag  genügen.  Pausanias  erzählt  (8,  22,  12):  flüchtiinge  suchten  sich 
eine  wohnstätte;  nach  einem  orakelspruch  sollte  Artemis  ihnen  den  ge- 
eigneten ort  zeigen,  behn  landen  erscheint  ihnen  ein  hase;  sie  folgten 
seuier  führung  und  bauten  ihre  Stadt  wo  dieser  sich  unter  einem  myrten- 
baum  verkroch ;  und  bis  auf  diesen  tag  verehren  sie  noch  diesen  bäum 
xal  ''ApT€^lV  övo^dZouci  Ci&reipav,  das  heiszt  nach  der  Übersetzung 
der  liebhaber  des  baumcultus:  'sie  nennen  den  myrtenbaum  Artemis 
Soteira.'  wunderliche  leute,  diese  Städtebauer;  der  hase  war  ja  ihre  Arte- 
mis Soteira!  doch  ernstlich,  die  leute  waren  vernünftiger;  die  Artemis 
nannten  sie  Soteira.  dasz  sie  übrigens  dem  bäume  oder  husche  Verehrung 
erwiesen,  wenn  auch  nicht  gerade  göttliche,  ist  nicht  zu  verwundern; 
ähnliches  kommt  überall  und  zu  allen  zelten  vor  und  beweist  für  gött- 
lichen cultns  der  bäume  gar  nichts,  ich  habe  in  einem  österreichischen 
kloster  einen  baumstamm  gesehen,  den  man  sorgfältig  ehrte,  weil  die 


158    J.  H.  Ch.  Schabart:  aoz.  v.  J.  Overbecks  antike  scbriftquellen 

mutier  gottes  einem  jager  auf  demselben  erschienen  sei  (an  der  stelle 
war  das  kloster  gebaut);  Ist  darum  etwa  banmcoltus  in  der  katholischen 
kirche  üblich?  —  Nicht  allein  ein  mfihsam  oder  geistreich  aufgebautes 
System,  auch  eine  schlichte  liebgewordene  meinung  ist  im  stände  die 
Unbefangenheit  zu  treiben,  ein  beispiel  dafOr  schein!  mir  der  mehrbe- 
sprochene Diitrephes  zu  bieten,  nach  dem,  was  in  diesen  jahrbQchern 
1863  s.  304  f.  aber  die  saehe  beigebracht  ist,  glaubte  ich  in  der  tbal, 
sie  sei  bis  zur  auffindung  weiterer  grfinde  erledigt,  und  nach  derart, 
wie  die  stelle  des  Pausanlas  (1,  23,  3)  bei  Overbeck  (s.  167  nr.  871] 
abgedruckt  ist,  darf  wol  gefolgert  werden,  dasz  er  seinen  beifall  niclit 
▼ersagt  hat.  dagegen  tritt  Bursian  auf  in  der  Halb'scben  encyclopidie 
1,  82  s.  441  anm.  40:  Mie  richtigkeii  der  auch  von  Brunn  (gesch.  d.  gr. 
k.  1,  263)  gebilligten  bemerkung  von  Rangab«^  (ant  bell.  1,  34),  dasz 
Diitrephes  nicht,  wie  Pausanias  annimt,  bei  dem  fibertoll  der  böotiscben 
Stadt  Mykalessos  (oi.  91,  4)  seinen  tod  gefunden  haben  könne,  weil  er 
noch  ol.  92,  2  zum  feldherm  in  Thrakien  gewählt  worden  sei  (Thak. 
8,  64),  kann  ich  nicht  anerkennen,  sondern  halte  diesen  Diotrephes  (so 
codd.  Thttc.)  für  verschieden  von  jenem,  wie  ja  auch  noch  ol.  99, 1  eia 
archon  IMotrephes  vorkommt,  den  man  doch  gewis  nicht  mit  dem  an- 
f uhrer  der  thrakischen  söldner  vor  Mykalessos  identificierea  darf.'  den 
tiberfall  von  Mykalessos  erzjllilt  Thukydides  ausfQhrlich  und  gibt  genau 
die  zahl  der  auf  selten  der  thrakischen  söldner  gebliebenen  an  (250); 
von  Diitrephes  nichts,  ist  es  wahrscheinlich,  ja  ist  es  glaublich,  dasz 
er  diesen  mit  stillschweigen  übergangen  haben  würde,  wenn  er,  der 
oberfeldherr,  unter  den  gefallenen  gewesen  wäre?  nicht  lange  darauf 
kommt  in  denselben  gegenden ,  wohin  Diitrephes  bestimmt  war,  ein  feid- 
herr  Diotrephes  vor.  ich  erlaube  mir  die  frage:  würde  irgend  jemand 
diesen  Diitrephes  und  diesen  Diotrephes  für  zwei  verschiedene  personea 
gehallen  haben,  wenn  nicht  die  stelle  des  Pausanias  wSre?  dieser  soll  ja 
'annehmen',  dasz  Diitrephes  seinen  tod  vor  Mykalessos  gefunden  habe; 
richtiger  gesagt,  nimt  man  nur  an,  Pausanias  nehme  dies  an;  er  sagt 
davon  kein  wort ;  denn  selbst  wenn  die  von  mir  vorgetragene  erklSrong 
der  stelle  unrichtig  sein  sollte ,  was  erst  zu  beweisen  wSre ,  und  wenn 
wirklich  Diitrephes ,  was  mir  an  sich  schon  ganz  unglaublich  scheint,  als 
von  pfeilen  durchbohrt  dargestellt  gewesen  wflre,  so  folgt  daraus  doch 
noch  nicht,  dasz  er  gerade  vor  Mykalessos  auf  diese  art  geblieben  sein 
müsse,  wahr  ist  allerdings,  dasz  bei  Thukydides  (7,  29)  der  feldherr  vor 
Mykalessos  Diitrephes  genannt  wird ,  der  spSter  erwähnte  (8,  64)  Diotre- 
phes. allein  diese  beiden  formen ,  sowie  die  dritte  Dieitrephes  sind  ja  nvr 
Varianten  ^ines  und  desselben  namens ,  die  dem  Verfasser  wie  dem  ab- 
schreiber  ganz  unwillkürlich  in  die  feder  kommen  konnten  (man  ve^ 
gleiche  nur  den  artikel  im  Pariser  Stephanus).  nehmen  wir  als  nahe- 
liegendes beispiel  die  stelle  des  Pausanias  (1,  23,  3.  4).  hier  kommt  der 
name  viermal  ohne  Variante  als  Dh'trephes  vor;  das  fünfte  mal  schwanken 
die  handschriflen  zwischen  AtiTpoq>oOc  und  AtiOTpoq>oOc,  d.  h.  es 
war  ein  o  als  correctur  fibergeschrieben,  was  einige  zwischen  i  und  t 
einfugten,  andere  mit  Verdrängung  des  €  zwischen  p  und  q>.  —  Wenn 


zur  geschichle  der  bildenden  kflnste  bei  den  Griechen.         159 

dann  Bursian  zulelzt  noch  den  ,ardion  Dioirephes  anfahrt,  mit  der  be- 
merkung ,  diesen  dürfe  man  doch  gewis  nicht  mit  dem  anführer  der  thra* 
kischen  Söldner  identißcieren ,  so  bin  ich  weit  entfernt  dies  ohne  weiteres 
zu  thun,  weil  ich  es  nicht  beweisen  kann;  ebenso  wenig  sehe  ich  aber 
ein,  warum  dies  so  unwahrscheinlich  sein  soll,  eher  kann  ich  glauben 
dasz  die  Athener  ihrem  archon  eponymos  eine  seule  gesetzt  haben ,  als 
dem  fflhrer  thrakischer  söldner  für  seine  nicht  eben  allzu  ruhmreiche  that 
vor  Mykalessos.  nach  allem  diesem  wird  man  mir  hoffentlich  nicht  den 
Vorwurf  machen,  selbst  in  den  fehler  verfallen  zu  sein,  den  ich  hier  he* 
kämpfe,  des  starren  feslhaltens  an  einer  einmal  ausgesprochenen  meinung. 
Gehen  wir  nun  über  zu  einem  andern,  und  zwar  dem  hauptpuncte, 
welcher  bei  benutzung  des  hier  gebotenen  materials  zu  beachten  ist, 
nemlich  zur  kritik,  indem  diese,  die  grundlage  jeder  Wissenschaft,  in 
den  grenzgebietender  archAologie  wenigstens  nicht  immer  die  schul- 
dige achtung  findet,  ob  bei  einer  archäologischen  arbeit  jede  einzelne 
stelle  in  bezug  auf  den  teit  einer  kritischen  prüfung  unterzogen  werden 
solle,  bleibe  dahin  gestellt;  mit  billigkeit  kann  dies  nicht  verlangt  wer- 
den und  in  den  meisten  D&llen  wird  kaum  ein  bedürfnis  dazu  vorhanden 
sein,  tritt  dies  aber  ein,  d.  h.  ist  eine  stelle  ganz  für  sich  betrachtet 
augenscheinlich  und  bis  zur  Störung  des  sinnes  verdorben,  so  hat  ein 
jeder  das  recht  sich  an  der  herstellung  zu  versuchen,  jedoch  mit  doppel- 
ter vorsieht,  weil  solche  im  vorbeigehen  gemachte  Verbesserungen,  wie 
schon  bemerkt,  nur  zu  oft  bedenklich  sind,  und  weil  sie,  durch  einen  be- 
stinunten  zweck  veranlaszt,  leicht  die  Unbefangenheit  trüben,  so  dasz 
etwas  für  verdorben  augesehen  wird ,  was  es  in  der  that  nicht  ist.  neh- 
men wir  ein  beispiel.  man  weiss,  dasz  die  altäre  zu  brandopfern  in  der 
regel  nicht  im  tempel  standen,  sondern  vor  demselben,  statt  sich  Im 
diesem  erweisbaren  satze  zu  beruhigen ,  gieng  man  einen  schritt  weiter 
und  behauptete,  nie  habe  der  altar  im  tempel  gestanden,  nun  steht 
zwar  ausdrücklich  Paus.  5,  14,  4,  es  sei  auf  einem  altar  iwöc  TOV 
vaoO  geopfert  worden ;  aber  diese  ^corrupte  stelle'  soll  dagegen  nicht 
zeugen  können,  corrupt?  warum  denn?  die  stelle  ist  ohne  Variante, 
völlig  klar,  bietet  an  sich  nicht  den  mindesten  aostosz.  aber  sie  passt 
nicht  zu  einem  gewissen  System,  folglich  ist  sie  corrupt  —  oder  vielleicht 
das  System?  richtiger  dürfte  es  vielleicht  sein  in  folge  dieser  stelle  (zu 
der  sich  auch  wol  noch  andere  finden  lassen]  das  System  etwas  zu  be- 
schränken und  neben  der  regel  auch  ausnahmen  zuzulassen.  —  Bei 
zweifellos  verdorbenen  stellen  treten  die  allgemeinen  gesetze  der  metho- 
dischen kritik  ein ;  bei  nachweisbaren  lücken  scheint  es  mir  am  gerathea- 
slen,  wenn  es  sich  nicht  bloss  um  einige  wenige  Wörter  handelt,  man 
begnügt  sich  mit  dieser  nachweisung  und  läszt  die  Iflcke  —  Iflcke  sein, 
man  hat  mir  eine  gewisse  scheu  vor  ausfüllung  der  lücken  zum  vorwurf 
gemacht:  ich  bekenne  mich  schuldig,  aber  mit  milderungsgrflnden.  da 
wir  in  weitaus  den  meisten  fällen  die  grösze  der  lücken  nicht  kennen, 
so  mag  es  wol  eine  ganz  angenehme  beschäftigung  sein  den  Inhalt  des 
ausgefallenen  zu  reconstruieren  und  sich  denselben  mit  mehr  oder  weni* 
ger  Worten,  wie  es  gerade  kommt,  ins  griechische  zu  übersetzen;  ob 


160    J.  H.  Gh.  Schubart:  anz.  v.  J.  Overbecks  antike  scbriftquellen 

aber  gerade  dieser  inhalt  und  mit  diesen  worten  ausgefailen  sei,  wird 
sich  nie  erweisen  lassen ,  und  selbst  der  geistreichsten  derartigen  ergin- 
zung  wird  man  irgend  eine  beweiskraft  nicht  beilegen  können,  auch 
hierfür  ein  beispiel ,  jedoch  mit  der  ausdrücklichen  bemerkung ,  dasz  es 
mir  überall  nicht  sowol  auf  die  sache  als  vielmehr  auf  die  melhode  an- 
kommt, dasz  die  stelle  Paus.  5,  24 , 1  lückenhaft  ist,  hat  man  schon 
lange  erkannt ,  und  die  handschriften  geben  durch  ihre  lesart  die  gewis- 
heit,  dasz  die  lücke  grdszer  ist  als  man  früher  annahm,  eine  nicht  fAück" 
liehe  conjeclur  des  AmasSus  hatte  darhi  den  Ageladas  untergebracht;  da 
dieser  aber  nicht  aus  Sikyon  war,  was  der  lext  hat,  sondern  aus  Arges, 
so  gieng  man  weiter  und  griff  zu  einem  auskunftsmitlel ,  welches  doch 
bald  als  abgenutzt  bei  seite  gelegt  werden  sollte :  man  nahm  zwei  Age- 
ladas an,  den  einen  aus  Sikyon,  den  andern  aus  Argos.  da  dies  keinen 
beifall  finden  konnte,  suchte  man  nach  einem  andern  kfinstler,  und  zwar 
gleich  einen  Sikyonier,  und  da  bot  sich  fast  von  selbst  Kanachos.  wSre 
dies  der  einzige  uns  bekannte  kflnstler  aus  dieser  Stadt,  so  würde  man 
kaum  etwas  gegen  ihn  einwenden  können;  so  aber  bleibt  es  bei  einer 
bloszen  möglichkeit.  keinenfalls  füllt  aber  der  name  die  lücke  aus.  es 
ist  also  weiter  vorgeschlagen:  [KaväXH^'  '^^  ^'  £7r(TpaM)iia  dvdOrma] 
deccoXujV  q}Ticlv  ctvai ,  mit  dem  bemerken,  kqi  sei  aus  KaväxH'  ^^^' 
dorben.  wie  dies  Verderbnis  entstanden  sein  soll,  wird  nicht  genaner 
angegeben ;  ebenso  wenig  wie  man  sich  den  ausfall  der  eingeklammerten 
Worte  erklaren  soll,  auch  wir  hatten  in  SW.  den  versuch  gemacht  die 
lücke  auszufüllen,  wir  nahmen  an,  Ka  habe  am  ende  einer  zeile  gestan- 
den und  die  folgende  zeile  sei  ausgefallen ;  zur  ausfüllung  der  lücke  war 
nun  ohngef^hr  die  zahl  von  buchstaben  erforderlich,  welche  nach  meiner 
berechnung  zu  einer  zeile  der  urhandschrifl  gehörte,  darauf  beruhte 
unsere  ausfüllung ,  ein  spiel  der  phantasie ,  wie  so  viele  andere,  bemerkt 
mag  noch  werden,  dasz  Pausanias  oft  sagt  TÖ  iirixpa^^a  ^X^^i  hvikdi^ 
omaivei,  X^T^i,  nie  aber,  soweit  ich  mich  erinnere,  (pr\Qi;  wol  aber 
gebraucht  er  dies,  wenn  die  statue,  wie  6,  17,  6,  redend  Im  epigramm 
eingeführt  wird. 

Es  folgt  nun  zum  schlusz  die  hauptsächlichste  aufgäbe  der  krilikf 
die  prüfung  der  Zeugnisse.  0 verbeck  führt  diese  der  reihe  nach  auf, 
gute  und  schlechte,  wie  sie  sich  bieten,  und  seinem  plane  nach  durfte  er 
nicht  anders  verfahren,  wer  aber  gebrauch  macht  von  dem  buche  bei 
irgend  einer  Untersuchung,  hat  die  unabweisliche  pfiicht  unbefangen 
und  streng  die  tüchtigkeit  der  einzelnen  zeugen  zu  prüfen  und  danach 
einem  jeden  den  ihm  gebührenden  platz  anzuweisen;  die  wiriclich  be- 
weisenden müssen  voranstehen ,  eine  ganze  reihe  untauglicher  kann  ge- 
radezu ausgewiesen  werden,  diese  prüfung  ist  allerdings  nicht  leicht, 
und  namentlteh  die  wahrung  der  Unbefangenheit  eine  forderung,  welche 
öfter  gestellt  als  befolgt  wird,  wer  vom  nichtwissen  ausgehend  je  nach 
dem  ergebnis  der  Zeugenaussagen  sich  erst  seine  Überzeugung  bilden  will, 
dat  für  seine  Unbefangenheit  die  leichtere,  zuverUssigere  aufgäbe;  ^^^ 
hagegen  mit  einer  a  priori  schon  fertigen  oder  nur  vorbereiteten  ansieht 
herantritt,  der  müste  eine  seltene  selbslbeherscbung  haben,  wenn  er  nicht 


zur  geschichle  der  bildenden  kflnste  bei  den  Griechen.         161 

d  i  e  Zeugnisse  fflr  die  tOcbtigen  halten  sollte,  welche  eben  seinem  System 
am  günstigsten  sind,  die  entgegenstehenden  finden  alsdann  nur  zu  oft 
gar  keine  beachtung;  sie  sind  untüchtig  aus  irgend  einem,  oder  auch 
aus  gar  keinem  gründe,  glücklicherweise  bewegt  sich  die  eigentliche 
archSologie  auf  leidlich  festem  boden ,  den  Zeugnissen  der  litteratur  und 
der  monumente,  und  die  Versuchung  steh  zu  versteigen  ist  nicht  eben 
naheliegend,  wenn  man  etwa  von  einer  gewissen  feinfühligkeit  absieht 
und  dem  sich  überall  geltend  machenden  wünsche  auch  das  zu  wissen, 
was  uns  zu  wissen  versagt  ist.  dagegen  gibt  es  in  einem  benachbarten 
gebiete  eine  richtung,  in  welcher  die  ernste,  vielleicht  trockene  kritik 
durch  ein  verfahren  ersetzt  wird ,  welches  man  gern  als  geistreiche  com- 
bination  preisen  ISszt.  hier  kommt  es  auf  prüfung  der  zeugen  und  ihres 
werthes  gar  nicht  an.  handelt  es  sich  auch  um  die  iltesten  Vorstellungen 
und  anschauungen  des  griechischen  volkes,  so  fragt  man  nfeht  etwa  die 
ältesten ,  lauteren  quellen ,  nein ,  man  nimt  ein  stellchen  aus  einem  scho- 
liasten ,  andere  aus  Silius  Italiens ,  aus  Ovidius,  Servius  zu  Vergilius ,  He- 
sychios,  aus  einem  kirchenvater,  einem  christlichen  Byzantiner  usw.  bunt 
durcheinander,  legt  sich  dieselben  hübsch  zurecht,  stutzt  sie  vielleicht 
auch  erst  zweckgerecht  zu,  und  fügt  sie  nun  in  das  system  ein.  es  mag 
daraus  ein  ganz  hübscher  bau  entstehen ,  er  wird  gepriesen ,  bewundert, 
nachgeahmt  von  den  gläubigen;  seine  grundlagen  aber  sind  morsch: 
er  gleicht  einem  kaleidoskopischen  bilde,  welches  nur  so  lange  bestand 
hat,  als  es  unangerührt  bleibt;  wird  daran  gerüttelt,  so  fUlIt  es  zusam- 
men ,  and  aus  denselben  steinchen  entsteht  ein  anderes  bild  und  so  fort, 
bis  eine  feste  grundlage  geschaffen  wird,  möge  bald  ein  Lobeck  aufstehen ! 

Die  ernste  Wissenschaft  beruht  auf  prÜf^ng :  ob  sie  ein  vollständiges, 
ein  glänzendes  bild  herzustellen  im  stände  ist,  braucht  sie  nicht  zu  küm- 
mern; ihre  würde  besteht  darin,  dasz  das  von  ihr  errungene,  wenn  auch 
lückenhaft,  doch  wahr  sei,  und  zuletzt  beruhigt  sie  sich  mit  der  erkenn t- 
nis,  dasz  man  eben  so  manches  nicht  wissen  könne. 

Für  die  griechische  künstlergeschichte  haben  wir  zwei  hauptquellen, 
den  Pausanias  und  den  Plinius ;  alles  übrige  sind  nur  zerstreute  notizen 
von  sehr  verschiedenem  werthe.  die  Wichtigkeit  des  Pausanias  tritt  beim 
bloszen  durchblättern  des  vorliegenden  buches  auf  das  deutlichste  hervor, 
und  man  darf  wol  sagen,  dasz  ohne  ihn  eine  griechische  künstlerge- 
schichte nicht  möglich  wäre,  seine  glaubwürdigkeit  beruht  wesentlich 
darauf  dasz  er,  wenn  auch  dilettant,  doch  überall  als  augenzenge  spricht 
und  mit  kunst geübtem  sinne  beobachtet;  daneben  befragte  er  die  kunst- 
geschichten,  die  inschriflen,  die  exegetentitteratur ;  seine  Wahrheitsliebe 
zu  bezweifeln  ist  nirgends  ein  grund  vorhanden,  wir  werden  also  alle 
seine  angaben,  insoweit  sie  gesehenes  betreiTen,  so  lange  für  wahr  hallen 
müssen,  bis  durch  überwiegende  gründe  dargethan  ist  dasz  er  geirrt  habe, 
daraus  folgt  aber  weder  für  ihn  noch  für  irgend  einen  schriftsteiler,  dasz 
man  jede  seiner  notizen  zu  weiteren  folgerungen  benutzen  dürfe,  ein 
beispiel  mag  wieder  die  sache  erläutern,  bekannt  ist  der  streit  über  die 
hypäthrale  eigenschaft  der  tempel,  namentlich  des  olympischen  Zeus, 
von  diesem  geht  nun  die  legende,  Pheidias  habe  nach  Vollendung  des 


162    J.  H.  Ch.  Schabart:  anz.  v.  J.  Overbecks  antike  schriftquellea 

bildes  den  gott  gebeten,  er  möge  ihm  ein  zeichen  gdien,  ob  das  werk 
ihm  wolgefillig  sei.  sogleich  fuhr  ein  blitzstral  am  throne  auf  den  boden 
nieder,  so  erzählt  Pausanias  die  hübsche  sage;  merkwürdigerweise  aber 
hat  man  daraus  die  folgerung  gezogen ,  der  tempel  müsse  also  hypithral 
gewesen  sein,  denn  wie  habe  der  blitz  die  stelle  im  tempei  treffen  köDaen, 
wenn  nicht  im  dache  eine  Öffnung  gewesen  wäre?')  ich  dächte,  über 
solche  Schwierigkeiten  konnte  der  gott  des  himmels  und  der  erde  schon 
hinwegkommen,  glücklicherweise  sind  legenden  frei  von  derartigen  be- 
denklichkeiten, und  fände  man  für  hypäthraltempel  keine  besseren  be- 
weise, so  stände  es  schlimm  damit,  ja  es  liesze  sich  vielleicht  auf  ähnliche 
art  die  nichthypäthrale  eigenschaft  desselben  tempels  beweisen,  geist- 
reiche leute  hatten  die  witzige  bemerkung  gemacht  dasz,  wenn  der  gott 
sich  von  seinem  thron  erhöbe,  er  das  dach  einstoszen  würde,  da  Zeus 
ebenso  wie  die  andern  götter  und  menschen  beim  aufstehen  su^h  etwas 
vorgebeugt  haben  würde,  so  war  ja,  falls  es  ein  hypäthraltempel  war, 
gar  keine  gefahr,  dasz  er  das  dach  einstoszen  mfiste,  der  köpf  wäre  durch 
die  dachöffnung  gedrungen,  was  allerdings  für  die  andächtigen  Zuschauer 
ein  anblick  eigentümlicher  erhabeuheit  gewesen  wäre,  doch  ernsthaft, 
geht  daraus  nicht  handgreiflich  hervor,  dasz  solche  dinge  gar  nichts  be- 
weisen und  also  am  besten  auf  sich  beruhen? 

Abgesehen  von  solchen  und  ähnlichen  notizen,  welche  man  ohne 
besondere  Schwierigkeit  ausscheiden  kann ,  wird  man  in  allen  aussagen 
des  Pausanias,  die  auf  eigner  anschauung  beruhen,  sein  zeugnis  als  tüch- 
tig annehmen  müssen,  in  der  regel  tüchtiger  als  das  anderer,  die  nicht 
ab  augenzeugen,  sondern  aus  zweiter,  dritter  band,  gelegentlich,  in  gau 
verschiedener  absieht  eine  einzelne  notiz  mitteilen,  jedenfalls  wird  es 
pflicht  sein  einen  jeden  zeugen,  im  ganzen  wie  im  einzelnen,  für  sich 
zu  prüfen ,  un(l  ihn  nicht  etwa  nach  der  aussage  eines  andern  zu  beur- 
teilen, man  mag  eine  gegenseitige  controle  zulassen,  man  kann  die  ab- 
weichungen  constatieren,  auch  der  einen  ansieht  vor  der  andern  den  Vor- 
zug einräumen;  nimmer  aber  ist  es  erlaubt  ein  zeugnis  nach  einem  andern 
herzurichten,  gegen  ein  entgegenstehendes  verfahren  habe  ich  schon  in 
diesen  blättern  bei  besprechung  der  Gonslantinopolitanischen  schlangeo- 
seule  einspruch  erhoben ;  es  sei  mir  erlaubt  noch  an  einer  ebenfalls  schon 
besprochenen  stelle  meine  ansieht  zu  erläutern;  ich  meine  Paus.  1,25,2. 
bei  erklärung  derselben  dreht  es  sich  um  die  frage,  ob  die  hier  genann- 
ten kunstwerke  reliefs  waren  oder  Statuengruppen,  nach  meiner  ansieht 
wäre  das  correcte  verfahren  gewesen,  vorerst  die  worte  des  Pausanias 
ganz  imabhängfg,  für  sich  zu  erklären;  nicht  zu  untersuchen,  was  die 
genannten  kunstwerke  waren,  sondern  was  Pausanias  von  ihnen  aus- 
sagt, ganz  unbekümmert  um  das  was  man  aus  den  notizen  anderer 
schriAsteller  folgern  zu  müssen  glaubt,  hätte  man  diese  frage  rein  ge- 
halten, so  würde  über  die  erklärung  des  Pausaqias  schwerlich  streit  ent- 
standen sein,    dieser  tauchte  erst  auf,  als  man  ihn  mit  einem  andern 


1)  war  ÜM  gemach  hjpXthral,  in  welchem  Danae  den  goldenen  regen 
auffieng? 


zur  geschicfate  der  bildenden  künste  bei  den  Griechen.         163 

schriftsteiler  in  einklang  bringen  wollte  < —  was  ich  gerade  nkht  fOr 
methodisch  richtig  halte,  nun  zur  saehe,  wobei  ich  wiederum  die  aus- 
einanderseizung  Bursians  (Ball,  encyd.  1 ,  82  a.  483)  zu  gründe  legen 
wilL  seine  worte  lauten :  ^Schubart  (jahrb.  f.  philo!,  bd.  87  s.  301  f.) 
und  andere  haben  diese  werke  ffir  reliefs  gehallen,  die  wahrscheinlich  in 
marmor  ausgeffihrt,  jedes  zwei  eilen  im  quadrat,  inwendig  in  die  mauer 
eingelassen  gewesen  seien,  wegen  des  ausdnicks  des  Pausanias  6cov  T€ 
bOo  mixu^  SicacTOV.  allein  da  die  quadratische  form  far  figurenreiche 
reliefs,  wie  diese  schon  der  dargestellten  gegenstände  wegen  sein  musten, 
höchst  unpassend  wftre,  da  femer  die  von  Plutarch  (Anton.  60)  erwähnte 
gigantomachie,  aus  welcher  die  statue  des  Dionysos  vom  stürme  heraus« 
gerissen  und  ins  theater  hinabgestürzt  wurde  ^  teils  wegen  ihres  Stand- 
ortes, teils  wegen  der  bezeichnung  als  f| 'Adfjviici  TiTCtVTO^axia  von 
der  von  Paus,  beschriebenen  nicht  verschieden  sein  kann,  musz  man  die 
maszangabe  des  Paus,  auf  die  höhe  der  natürlich  nicht  pyramidalisch  an- 
geordneten gruppen  beziehen,  was  auch  sprachlich  durchaus  unbedenk- 
lich bt;  vgL  1 ,  24,  7  Kai  Nfacriv  öcov  T€  T€ccdpujv  mix^J^v.'  um  rei- 
nen Loden  zu  gewinnen ,  will  ich  bemerken  dass  ich  die  schlusznotiz,  die 
sonst  völlig  überflüssig  sein  würde  (denn  wer  hat  je  diesen  spracbge- 
brauch  bezweifelt?),  vermutlich  durch  unrichtigen  ausdruck  oder  durch 
falsche  auffassung  verschuldet  habe,  ich  will  daher  zu  eigner  berichti- 
gung  jetzt  erklären,  dasz  ich  für  die  reliefs  nicht  quadratische  flächen  an- 
nehme, sondern  Vierecke  von  zwei  eilen  höhe  und  von  verschiedener  breite 
bei  den  eineelDen  darstellungen.  betrachten  wir  nun  die  erzählung  des 
Pausanias  genauer,  so  steht  fest,  dasz  an  der  mauer  die  gigantomachie, 
der  kämpf  der  Athener  mit  den  Amazonen,  die  schlacht  bei  Marathon  und 
die  niederlege  der  Galater  in  Mysien,  weihgeschenke  des  Atlalos  waren, 
£cov  T€  bOo  mixuüv  EKacTOV.  es  muste  also  jedes  eine  bestimmte, 
nicht  allein  meszbare,  sondern  auch  zum  messen  auffordernde  einheit 
sein,  dasz  dieses  auf  marmortafeln,  die  in  die  mauerwand  eingelassen 
waren,  vortrefflich  passt,  wird  wol  nicht  in  abrede  gestellt  werden;  jede 
tafel  bildete  eine  meszbare  einheit  (&aCTOV),  und  sah  der  beschauer  vier 
solcher  tafeln  von  gleicher  höhe,  die  neben  einander  eingefügt  waren,  so 
lag  es  auch  für  ihn  nahe  genug  dieselben  zu  messen  oder  ihre  höhe  zu 
schätzen,  bei  andern  reliefs,  denn  ich  halte  auch  einen  guten  teil  der  zu 
anfang  des  24n  capitels  aufgeführten  werke  für  solche  eingefügte  relief- 
tafeln ,  war  eine  angäbe  der  masze  weniger  erforderlich ,  da  die  grösze 
verschieden  war  und  nicht  von  gemeinschaftlicher  Stiftung,  gruppen  frei- 
stehender figuren  können  zwar  eine  künstlerische  einheit,  eine  einheit  in 
der  composition  bilden,  nimmermehr  aber  eine,  wie  soll  ich  es  nennen? 
geometrisdi  meszbare  einheit.  beschreibt  jemand  eine  nivoS ,  sei  es  ge- 
mälde  oder  marmor-,  erztafel ,  so  ist  das  masz  fast  ein  erfordemis ;  auch 
bei  einer  einzelnen  figur  ist  dieses  gerechtfertigt  oder  selbst  verlangt,  aber 
ist  es  wol  schon  jemandem  eingefallen  eine  aus  vielen  figuren  bestehende 
gruppe  im  ganzen  zu  messen?  ich  glaube  es  nicht,  schon  weil  es  mir 
unmöglich  scheint,  nehmen  wir  einmal  beliebig  eine  der  vier  darstellun- 
gen, etwa  die  Marathonschlacht,   was  bedeutet  da  der  ausdruck  *  sie  war 


'  164    J.  H.  Ch.  Schabart:  anz.  ▼.  J.  (herbecks  aotike  schriftquellen 

I 

\  zwei  eilen  hoeh'?  wer  deon?  jede  eimeliie  fignr?  reiter  und  fuszglnger? 

Siebeode,  sinkende,  liegende?  alle  von  ^iner  höbe?  ist  das  denkbar? 
und  in  der  gigantomachie ,  götter  und  giganten  alle  auf  einer  fliGhe ,  alle 
gleich  grosx?  wJLre  das  nicht  eher  eine  schJagerei  als  ein  gdlterkampf 
gewesen?  ich  mdcble  mich  nicht  gern  in  ein  fremdes  gebiet  eindrSngeD, 
aber  die  frage  wird  erlaubt  sein,  hat  man  sich  wol  die  vier  genanDleo 
darsteUnngen  in  freistehenden  fignren  ausgeführt  vorgestellt?  eine  Man- 
thonschlacbt  mit  lauter  zwei  eilen  hohen  figuren?  hat  man  für  so  etwas 
in  der  ganzen  antiken  kunst  ein  entsprechendes  belspiel?')  ja  ist  so 
etwas  überhaupt  eine  aufgäbe  für  die  statuarische  kunst?  nach  all  die- 
sem wage  ich  zu  behaupten  dasz  niemand ,  der  unbefangen  die  stelle  des 
Pausanias,  und  nur  diese,  betrachtet,  an  etwas  anderes  als  an  reliefdar- 
Stellungen  denken  wird. 

Aber  namhafte  arcbiologen*),  darunter  solche  deren  urteil  ich  hoch 
zu  achten  pflege,  haben  doch  freistehende  figuren  angenommen?  aller- 
dings, und  ich  würde  damit  anfangen  mistrauisch  gegen  mich  selbst  zu  sein, 
wenn  ich  annehmen  mflste,  sie  hatten  diesen  gegenständ  einer  ausdrück- 
lichen forschung  unterzogen  und  denselben  nicht  blosz  gelegentlich  im 
vorbeigehen  berührt,  zu  ihrer  annähme  sind  sie  durch  eine  stelle  Pla- 
tarchs  (Antonius  60)  geführt  worden,  wo  es  heiszt,  durch  einen  stunn 
sei  der  Dionysos  aus  der  'AOrjvrici  TtTQVTO^axia  herausgerissen  und 
in  das  theater  hinabgeschleudert  worden,  da  nun  Pausanias  und  Plutarch 
von  einer  gigantomachie  an  der  südlichen  mauer  der  bürg,  also  über  dem 
theater  sprechen,  so  nahm  man  an,  es  sei  bei  beiden  von  demselbeo 
werke  die  rede;  und  da  auch  der  heftigste  stürm  nicht  im  stände  ist  aus 
einem  relief  eine  figur  herauszureiszen,  so  war  es  fast  eine  notwendigkeit 
freistehende  figuren  vorauszusetzen,  betrachten  wir  uns  nun  die  sacbe 
nach  dieser  annähme.  Über  das  roaterial  der  statuen  ist  nichts  über- 
liefert; Bütticher  (Untersuchungen  auf  der  akropolis  von  Athen  s.  68) 
nennt  sie  ohne  weiteres  erzgruppen.  ^)  die  frage  ist  für  die  Untersuchung 
ohne  belang,  die  vier  'gruppen'  waren  ein  geschenk  des  kdnigs  Attalos; 
gewis  um  ihn  zu  ehren  stellte  man  sie  auf  der  akropolis  auf,  längs  der 
mauer ;  doch  ohne  zweifei  so  dasz  die  besucher  der  akropolis  die  kunsl- 
werke  bequem  und  in  künstlerisch  berechneter  aufslellung  betrachten 
konnten?  nein,  dieser,  wie  es  scheint,  allein  richtige  gesichtspunct 
leitete  sie  nicht,  vielmehr  stellte  man  die  (doch  wol  samt  und  sonders?) 
gegen  3%  fusz  hohen  figuren  so  auf,  dasz  man  sie  unten  von  der  sudt 
und  von  den  ufern  des  Ilissos  aus  bewundem  konnte,    sie  in  wolge- 


2)  die  giebelfelder,  denke  ich,  wird  man  nicht  anführen.  3)  die 
litteratar  sieb  bei  Overbeck  s.  886  f.  ihm  verdanke  ich  die  hinwei- 
sang  auf  Beul^,  dessen  buch  'racropole  d' Äthanes'  mir  noch  nicht  za- 
glinglich  war,  als  ich  zum  ersten  mal  meine  ansieht  über  diese  frage 
aussprach.  4)  wenn  dann  Bötticher  ebenfalls  ohne  weiteres  behaop* 
tet,  Dionysos  sei  mit  dem  thyrsos  kämpfend  dargestellt  gewesen,  so 
ist  das  Phantasie,  belebmng  wäre  mir  erwünscht,  woher  derselbe  die 
notlz  habe,  'Antonios  habe  seinen  namen  als  Neodionysos  an  das 
theater  geschrieben',  damit  ich  es  nicht  gleichfalls  für  eine  pbaniasie 
oder  für  ein  miaverstttndnis  der  Platarchischen  stelle  halte. 


zur  gescliichte  der  bildenden  kQnste  bei  den  Griechen.         165 

ordneten  gliedern  auf  der  maaer  aufmarschieren  xu  lassen  (wodurch 
man  freilich  diesen  zweck  am  sichersten  erreicht  haben  würde)  war  nicht 
thunlich ,  weil ,  wie  Bötticher  sagt,  die  mauer  nicht  breit  genug  gewesen 
wire,  oder  nach  Beul^  wol  richtiger,  weil  sie  nach  Pausanias  ntobt  auf, 
sondern  an  der  mauer  waren,  was  also  anfangen,  um  den  am  llissos 
stehenden  die  gruppen  in  voller  Schönheit  zu  zeigen?  man  baute  an  der 
mauer  bin,  nach  Beule  in  einiger  entfernung^),  nach  Bötticher  bündig 
anlehnend ,  mächtige  unterbauten ,  auf  denen  man  die  grosze  menge  von 
figuren  so  aufstellen  konnte,  wie  der  gegenständ  es  erforderte,  zu  be- 
dauern ist  dasz  man  die  höhe  der  befestiguogsmauer,  welche  durch  diese 
herrichtung  für  ihren  eigentlichen  zweck  unbrauchbar  wurde,  anzugeben 
unterlassen  hat ;  viel  unter  vier  fusz  durfte  sie  schwerlich  betragen ,  und 
die  bathra  musten ,  um  des  llissos  willen ,  notwendig  etwas  höher  sein, 
wird  irgend  jemand  diese  plumpen  unterbauten  für  eine  zierde  der  akro* 
polis  gehalten  haben?  nun,  man  hat  ja  gefunden  was  man  suchte:  *des 
assises  en  marbre  de  THyraette,  qu'on  aper^oit  encore  ^  et  \ä  le  long  du 
mur  ou  k  la  surface  du  sol,  ou  enterrees  et  encore  scellees  entre  elles, 
paraissenl  avoir  apparienu  ä  ces  pi^destaux^  sagt  Beui^.  noch  glücklicher 
war  Bötticher:  *die  pirSischen  bestandteile  eines  dieser  bathra  sehe  ich  in 
dem  reste  welcher,  gegen  50  fusz  lang  und  16  fusz  breit,  noch  vorhanden 
ist;  es  mochte  dieses  bathron  das  erste  sein,  welches  die  reihe  nach  oslen 
hin  begann.'  hier  hätten  wir  also  handgreifliche  masze;  fügen  wir  noch 
mindestens  vier  fusz  höhe  hinzu,  und  nehmen  wir  diese  bauten  viermal, 
jede  ebenfalls  mindestens  von  derselben  ausdehnung,  so  ist  allerdings  für 
das  Statuengewimmel  ein  leidlich  groszer  tummelplatz  gewonnen;  es 
bleibt  nur  die  Schwierigkeit  einer  künstlerischen  aufstellung,  da  es 
schwer  ersichllicb  ist,  wie  mit  dieser  in  jeder  gruppe  sehr  bedeutenden 
zahl  von  figuren  ^iner  grösze  der  erforderliche  hervortretende  mittelpunct 
dargestellt  werden  konnte;  ein  unruhiges  gewirr,  nicht  eine  künstlerische 
einheit  scheint  sich  notwendig  ergeben  zu  müssen,  dazu  kommt  noch 
der  mangel  eines  passenden  standpunctes  für  den  beschauer  auf  der  akro- 
polis  —  doch  für  diese  war  ja  die  aufstellung  nicht  berechnet,  sondern 
für  Zuschauer  welche  unten  in  der  Stadt  und  am  llissos  standen ;  *de  la 
plaine  encore  en  voyait  par-dessus  le  mur  de  la  citadelle ,  exhauss^es  sur 
leur  soubassement,  une  s^rie  de  statues  moins  grandes  que  nature  qui  se 
d^tachaient  sur  le  ciel  comme  les  sculptures  de  Phidias  ou  d'Alcam&nes 
sur  le  fond  bleu  des  frontons' (Beul^  1, 94).  das  ist  allerdings  eine  künst- 
lerische benutzung  des  blauen  himmels;  ob  sie  sich  aber  in  der  Wirklich- 
keit bewahrt  haben  mag?  mit  werten  geht  das  freilich  glatt  ab;  machte 
denn  aber  wirklich  die  aufstellung ,  tief  von  unten ,  oder  aus  nicht  unbe- 
deutender entfernung  gesehen,  diesen  eindruck?  von  unten  gesehen 
rouste  die  mauer  und  das  postament  selbst  den  grösten  teil  der  figuren 
decken,  die  vordersten  sah  man  in  ungeeigneter  perspective;  aus  der  ent- 
fernung betrachtet  ist  gewis  auch  ein  scharfes  äuge  nicht  im  stände  ge- 

6)  nach  Beioem  plane;  im  texte  (2,  212)  beiszt  es:  'ces  pydestaaz 
^taient  appliqa^s  an  mar  de  la  forteresse  et  peut-Stre  plas  dlev^s*; 
letsteres  wäre  notwendig. 


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Cb.  Sokxabt. 


R.  Peiper:  noch  einmal  Theokritos  und  Vergilius.  167 

27. 

NOCH  EINMAL  THEOKRITOS  UND  VEKQILIÜS. 


Als  ich  im  Jahrgang  1864  dieser  Zeitschrift  s.  456 — 460  Aber  Ver- 
gilias  achte  ecJoge  sprach ,  meinte  ich  es  sei  wichtig  *an  einem  andern 
belspiele  die  probe  zu  machen ,  ob  Vergilius  der  Theoi[ritischen  weise  in 
responsion  zweier  wettlleder  folge',  ich  hatte  dabei  die  beiden  lieder  der 
fönften  ecloge  im  aoge.  durch  irgend  einen  Unfall  ist  das  ende  jenes 
aufsatzes  verloren  gegangen,  und  ich  will  was  ich  Aber  jene  lieder  zu 
sagen  hatte  hier  nachholen. 

Schon  Ribbeck  hat,  was  die  bauptsache  ist,  jahrb.  1857  s.  65  aus- 
gesprochen ,  dasz  der  parallelismus  der  beiden  kleinen  gedichte ,  welche 
die  klage  um  Oaphnis  und  dessen  apolheose  jedes  in  25  versen  behandeln, 
auch  in  den  gedanken  durchgeführt  sei.  ich  kann  nur  nicht  ganz  mit 
seinem  schema  mich  einverstanden  erklären,    er  gliedert: 

I  II  m 

2.2.5|7.4|2.1.2 
I :  A  trauer  —  A'  freude  der  natur ; 
U:  A  Daphnis  war  wolthSter  —  A'  Dapbnis  sei  gnädig; 
III:  A  letzte  ehren  —  A'  unvergänglichkeit  seines  namens. 

Ich  setze  statt  dessen  mit  scheinbar  geringer  modification  dieses 
Schema : 

a»         b      c        d         c'     b' 

4         5     4        3         4     5 

irpoqiböc      V    \  iiccqiböc 


die  beiden  lieder  weichen  nur  darin  von  einander  ab,  dasz  im  ersten  (A) 
die  mesodos  d  vor  c  steht. 

a^  veranlassung  des  liedes:  A:  Daphnis  tod  {exUndum — }  A':  seine  apo- 
theose  {candidus  — );  den  nymphen  in  A  treten  in  A'  die  dryaden 
gegenüber:  coryli  festes  et  flumina  —  Silvas  ei  cetera  rura. 

h  und  h'i  hier  in  A  trauer,  dort  in  A'  freude.  die  Strophen  drücken 
den  affect  aus  in  beziehung  auf  die  klagenden  in  A,  die  jauchzenden 
inA';dieantistrophenin  rücksicht  auf  den  beweinten  und  auf  den 
gepriesenen. 

b:  boves^  quadrupes  —  pecari^  cervis:  der  singular  wechselt  mit  dem 


plural.  nee  —  nee  hier  wie  dort,  leones  —  lupus,  montesque  feri 
silvaeque  —  montes^  rupes,  mteritum  locuntur  —  sonant:  deus 
deus  nie. 

h'z  wie  in  A  der  fumulus  mit  seinem  Carmen  des  Daphnis  namen  und 
verdienst  verewigen  soll,  so,  heiszt  es  in  A',  semper  konos  nomengue 
iuum  laudesque  manebuni»  durch  sein  verdienst  mandat  fieri  sibi 
tälia  Daphnis  —  durch  seinen  sogen  damnäbis  tu  quoque  votis. 

c  und  c\  c:  tu  decus  omne  tuis.  nach  deinem  fortgange  haben  die 
ackerfluren  auch  Pales  und  Phoebus  verlassen,  c:  durch  unkraut  wer- 


168  R.  Peiper:  noch  einmal  Theokritos  und  Vergilius. 

den  nun  unsere  9cker  überwuchert  —  c:  ^  bonus  o  feUxque  tuis, 
aras  dicamus  tibi  et  Phoebo.  c:  hirtenfreude  über  deinen  segen. 

endlich  die  mittelslrophe  d ,  die  den  ihiasi  des  Bacchus  in  A  die  convim 
muiio  Baccho  celebraia  in  A'  gegenflberslelit ,  dem  hauptverdienste 
des  Daphnis  um  den  Bacchuscultus  die  beste  ehre  {in  primis)  die  ihm 
zu  teil  wird. 

Ist  es  nun  nicht  wunderbar,  dasz  bei  dieser  Übereinstimmung  beider 

lieder  in  der  Stellung  der  mtsodos  eine  abweichung  stattfindet? 

A  ^\    ,    . 

a  b  d  c  c'  b'  a  b  c  d'  c'  b' 

453445  454345 


und  dasz  die  ohne  zweifei  richtigere  Stellung  von  d  gerade  in  A'  statt- 
findet, trotzdem  hier  die  mesodos  in  ihrer  bedeutung  hauptsachlich  erst 
durch  die  vergleichnng  mit  A  hervortritt  ?  die  Schwierigkeit  würde  nicht 
gehoben,  sondern  nur  verdeckt,  wenn  man  als  schema  ansetzte: 

4  5     7     4  5 

Ein  fehler  in  der  anordnung  der  Strophen  bdcc^  des  ersten  teils  bl 
nicht  nachweisbar;  die  Strophen  cc'  folgen  einander  in  logischer  Ver- 
bindung :  'Pales  und  Apollo  verlassen  die  Auren ;  diese  verwandeln  sich 
nun  aus  frucht-  und  blumenreichen  triften  in  unfruchtbare  Wüsteneien.' 
so  scheint  sich  auch  d  als  mittelslrophe  zwischen  b  und  c  an  richtiger 
stelle  zu  befinden:  von  den  löwen,  die  des  Daphnis  tod  betrauern,  gehl 
der  dichter  über  zu  den  gezähmten  tigern,  zum  Bacchuscult:  da  knöpft 
er  den  vergleich  mit  den  vites  und  uvae  an.  und  doch  ist  das  nur  schein: 
1)  es  steht  dem  nichts  entgegen ,  dasz  zwischen  zwei  eng  zusammenge- 
hörige Strophen,  wie  hier  c  und  c'  sind,  eine  einzelstrophe  eingeschoben 
wird,  die  diesen  Zusammenhang  zu  lösen,  den  fortschritl  zu  heoamen 
scheint,  so  würden  wir  auch  hier  die  kleine  Strophe  d  zwischen  c  und  c 
wol  ertragen  können ,  die  gerade  das  tu  decus  omne  tuis  zu  begründen 
geeignet  ist.  der  poetische  fortschritt  erscheint  oft  als  logischer  rück- 
schritt,  als  wiederaufnähme  eines  früher  behandelten  gedankens:  eine 
solche  fände  dann  statt  in  c',  und  mit  recht:  denn  nicht  auf  Pales  und 
Apollo  allein  wird  das  gedeihen  der  Auren  zurückgeführt,  sondern  ebenso 
auf  Bacchus ;  nachdem  dessen  Verehrung  mit  Daphnis  tod  eine  niederlage 
erlitten,  fallen  die  cultivierten  felder  wieder  der^vüste  anheim.  2)  wie 
unangenehm  berührt  sodann  nach  dem  wiederholten  vocativ  Daphni  in  b 
der  plötzlich  in  d  eintretende  nomlnativ2>apAnf5,  der  wiederum  in  c  dem 
vocativ  tu  weichen  musz!  3}  endlich  wenn  die  ursprüngliche  Stellung 
diese  gewesen  ist:  c  d  c',  so  sind  die  gründe,  welche  die  Umänderung  in 
d  c  c'  herbeigeführt  haben,  leicht  ersichtlich ;  gründe  aber  die  den  dichter 
etwa  vermocht  hätten  sein  schema  für  das  zweite  lied  derartig  zu  ver- 
ändern, möchte  schwerlich  einer  auffinden  können,  ich  bin  also  der  an- 
sieht dasz  die  verse  29  30  31  zwischen  35  und  36  einzuschie- 
ben sind. 

Breslau.  Rudolf  Peifer* 


J.  H.  Stahl :  anz.  v.  Thucydides  ed.  E.F.Poppo.  ed.  il.  vol.  I  sect.  1  et  IL  169 

(20.) 

ZUR  LITTERATÜB  DES  THUKTDIDE8. 

(schlnsz  von  8.  105 — 122.) 


2)  Thuoydidis  d£  bello  Peloponnesiaoo  libbi  ooto.    ad  opti- 

MOBUM  LIBBOBUM  FIDEM  EDIT08  EZPLAKAVIT  EbMESTUSFbI- 
DEBICUS   POPPO.       YOL.    I.      SECT.    I   ET   U.      EDXTIO    ALTERA 

AUOTA  ET  EMENDATA.     Lipsiae  in   aedibas  B.  G.  Teabneri. 
MDCCCLXVI.    LIV  u.  277.  230  s.  gr.  8. 

Kein  gelehrter  hat  dem  Th.  ein  so  ausschiieszlichea  und  hleibendes 
iulereaae  zugewendet  als  £.  F.  Poppo.  die  reichen  schätze  seines  um- 
fangreichen Wissens  widmete  er  vorzugsweise  der  sachlicheu  und  sprach- 
lichen erklarung  dieses  gescbichtschreibers,  der  mehr  als  irgend  ein  an- 
derer durch  den  ernst  und  die  tiefe  seiner  mit  dem  sprachstoff  ringenden 
gedanken  und  durch  die  groszarlige  aulTassung  und  liehandlung  seines 
gegenständes  die  kunst  der  wissenschafllicheD  hermeneutik  in  anspruch 
nifflt.  das  Verständnis  des  Th.  zu  fdrdern  hat  P.  zu  seiner  lebenaaufgabe 
gemacht,  die  er  nie  als  abgeschlossen  betrachtete,  sondern  bis  an  sein 
ende  mit  unermadlichem  fleisze  verfolgte,  dafür  liefert  den  vollgältigen 
beweis  die  neue  bearbeilung  der  beiden  ersten  bOcher  seiner  kleinern 
ausgäbe,  die  er  kurz  vor  seinem  tode  vollendete,  keine  wissenschaftliche 
erscheinung ,  die  seinem  zwecke  dienen  konnte ,  hat  er  unberücksichtigt 
gelassen  und  unermüdlich  gesammelt,  was  sich  in  dem  umkreis  seiner 
Studien  für  denselben  verwerthen  liesz.  eine  eigentliche  Umarbeitung 
kann  man  freilich  die  ausgäbe  in  ihrer  neuen  gestait  nicht  nennen  (eine 
solche  konnte  auch  kaum  beabsichtigt  werden) ,  sondern  was  die  frühere 
ausgäbe  bot,  ist  unverändert  oder  in  berichtigter  form  in  die  neue  über- 
gegangen; dazu  sind  aber  die  resultate  späterer  Studien,  eigener  und 
fremder,  als  erweiterungen  hinzugetreten,  der  besondere  zweck  und  die 
methode  der  bearbeilung  haben  keine  Veränderung  erfahren,  indem  ich 
nun  auf  das  einzelne  eingehe,  werde  ich  vorzugsweise  das  Verhältnis  der 
neuen  ausgäbe  zu  der  frühem  im  äuge  behalten ,  und  wenn  ich  dabei  den 
Widerspruch  ebenso  wenig  unterdrücke  wie  das  lob,  so  gedenke  ich  da- 
mit nicht  gegen  den  geist  des  Spruches  'de  mortuis  nil  nisi  bene'  zu  ver- 
stoszen,  mit  dessen  buchstäblicher  befolgung  in  wissenschaftlichen  din- 
gen weder  den  toten  noch  den  überlebenden  gedient  ist. 

Zunächst  hat  der  tezt  an  mehreren  stellen  eine  Verbesserung  erfah- 
ren, so  lesen  wir  jetzt  I  28 ,  5  cnovbäc  bk  noirjcacOat  statt  crrovbac 
\bk]  Tl.,  30,  3  Ti€pii6vTi  sUtt  nepiövTi,  49,  7  dTiTVCTO  statt  dT^vexo, 
50,  4  dvTeTT^icXeov  statt  dvT^nXeov,  54,  2  kqI  inexbx]  fjXeov  [ol 

'AenvmOl],  OÖK  dVT€Tr€TrX€OV  Ik  täv  CußÖTUIV  suti  dVTteX€OV 
(wenn  aber  P.  jetzt  wie  früher  ol  "AOi^vaiot  verdächtigt,  weil  die  Athener 
nicht  allein ,  sondern  mit  den  Kerkyräern  nach  Sybola  gekommen  seien 
[52,  1],  so  ist  zu  entgegnen  dasz  wir  eben  dadurch  genötigt  werden 
lireibf)  fjXGov  ol  'A.  auf  50,  5  cTKOct  vaOc  npocTrXeoücac,  die  von 
Athen  nachgesandte  Verstärkung  von  zwanzig  schiffen,  zu  beziehen,  die 

Jftbibacher  filr  elus.  phUoI.  1868  hfl.  3.  12 


1 


170  J.M. Stahl:  aDz.v.Thucydidesed.E.F.Poppo.  ed.  II.  vol.  1  secl.  I  et  IL 

ja  auch  unmittelbar  vorher  durch  ibövrec  rdc  'AmKäc  vaOc  bezeichnet 
werden),  58,  1  ai  vf)€C  [a\]  in\  MaKebovlav  statt  a\  vf)€C  od  dtd  M., 
61,  4  Kai  d(piKÖ|Lievot  Ic  B^poiav  KäxeiOev  ^ttI  Crp^H^av  sutt  im- 
CTp^i|iavT6C  nach  der  emendation  von  Pluygers  (wenn  ich  früher  glaubte 
ic  B^potav,  gegen  welches  jetzt  auch  Poppo  gewichtige  bedenken  an- 
führt, Glassen  gegenüber  vertheidigen  zu  müssen,  so  halte  ich  jetzt  Bergks 
emendation  Bp^av  für  sicher,  der  diese  stelle  ihrem  ganzen  zusammen- 
hange nach  im  philol.  XXII  s.  536  ff.  mit  musterhafter  klarheit  und 
gründlichkeit  behandelt  hat),  63,  2  direixe  statt  dTi^x^t,  66,  1  npoc- 
TCT^viiVTO  sUtl  npO€T6T^vnvTO ,  124, 1  taörd  statt  raOra,  11  55, 1 
Aaupciou  sUtt  Aaupiou,  57, 1  Scov  bi  tc  statt  flcov  b^,  74, 3  Euvi- 
CTopcc  ?CT€  sUli  SuvicTOp^c  ^CT€ ,  79 ,  6  dvaxtwpoöct  suit  diroxu)- 
poCct  (11,  3  ist  durch  druckfehler  iHiv  statt  f\i€\\  eingedrungen),    in- 
dessen hätte  P.  in  dieser  beziehung  meines  erachtens  weiter  gehen  dfir- 
fen.    namentlich  möchte  man  für  mehrere  offenbar  verdorbene  stellen  die 
aufnähme  zutreffender  emendationen  wünschen,    in  dieser  hinsieht  ist  P. 
in  dem  festhalten  des  überlieferten  zu  ängstlich ,  wenngleich  anderseits 
nicht  verkannt  werden  soll ,  dasz  das  gebiet  der  conjecturalkritik  bei  Tb. 
wegen  der  verhältnismäszig  guten  beschaffeuheit  der  hss.  ein  beschränk- 
tes ist  und  manches,  was  auf  den  ersten  anblick  der  Verbesserung  zu  be- 
dürfen scheint,  sich  aus  den  eigentümlichkeiten  des  Schriftstellers  erklärt, 
alles  fordert  hier  zur  vorsieht  und  umsieht  auf,  und  gewis  hat  eine 
menge  vermeintlicher  emendationen  ihren  Ursprung  in  subjecliver  willkfir 
und  mangelhafter  kenntnis  der  denk-   und  ausdrucksweise  unseres  ge- 
schieh tschreibers.    wo  indessen  wirklich  sprachliche  oder  logische  un- 
möglichkeiteu  vorhanden  sind,  da  hat  jede  sinngemäsze  und  äuszerlich 
wahrscheinliche  emendation  gröszeres  recht  im  texte  zu  stehen  als  die 
verdorbene  lesart,  deren  deutung  entweder  nicht  möglich  ist  oder  nur 
durch  beispiellose  gewaltsamkeit  erzwungen  wird,    die  meisten  stellen, 
an  welchen  der  frühere  text  keine  änderung  erlitten   hat,  obgleich  er 
meiner  meinung  nach  einer  solchen  bedurfte,  will  ich  hier  in  kürze  an- 
führen, einige  andere  sollen  unten  zur  spräche  kommen.     I  1  ist  dKjüui- 
2[0VT€C  fjecav  herzustellen,  wie  Glassen  erwiesen  hat,  dessen  gründe 
von  P.  nicht  widerlegt  worden  sind.    2,  6  hätte  Ullrichs  evidente  emen- 
dation b\ä  Tdc  ^€TOlKtlC€lC  T&  dXXa  }xi\  ö^o(ulC  aöEnOrivai  in  den 
text  aufgenommen  werden  sollen,  ebenso  3, 5  Giassens  Verbesserung  tfiv 
crpareiav  . .  EuveEfiXeov  und  18,  3  ^ireira  bi  nach  den  besten 
hss.    26,  3  hat  Glassen  Td90UC  T€  iiribeiKViiVTCC  als  die  passendere 
lesart  erwiesen.   29,  4  ist  dVTavaTaT6^€V0l  neben  TrapaTO&x^e- 
voi  notwendig,  ebenso  33,  1  Tf|V  X&piy  KaxaGficecee  wie  vorher 
iroit]C€c6€.    38,  4  wird  Ullrichs  i1r€CTpaT€t}o^ev,  welches  der 
scholiast  bestätigt,  durch  den  Zusammenhang  gefordert.     39,  3  irdXoi 
bi  KOivtdcavrac  Tf|V  öuvofüiiv  Kotvd  xai  tq  diroßaivovTa  ^x^tv  hat 
Glassen  die  lesart  der  besten  hss.  KOtvuiVifjcaVTac  als  die  richtige  er- 
wiesen; als  subject  ist  £K€tvouc  re  xai  ii^ac  zu  denken,   die  lesart  KOi- 
vüücavTac,  bei  welcher  die  Kerkyräer  allein  als  subject  zu  denken  sind, 
ist  schon  deshalb  widersinnig,  weil  nicht  ^iner,  sondern  nur  mehrere 


J.  H.  Stahl :  ans.  v.  Thucydides  ed.  E.  F.  Poppo.  ed.  IL  vol.  I  sect.  I  et  IL  171 

etwas  gemeiDschafllich  besilzeu  (xoivä  ^X^iv)  kfinneo.  denn  an  einen 
gemeinsamen  anteil  der  einzelnen  KerkyrUer  kann  hier  gar  nicht  gedacht 
werden,  wenn  P.  mit  bezug  auf  Buttmann  gr.  S  132  a.  7  den  acc.  b\h 
va^lV  bei  KOivuivif]cavTac  bedenklich  findet,  so  kann  man  dagegen  auf 
Krflger  spr.  S  47,  15,  1  und  Eur.  EL  1048  verweisen.  52,  2  ist  die 
lesart  der  geringern  hss.  äya^ocföiitvoi  allein  der  Sachlage  angemessen. 
61,  1  ist  Touc  ^eTd  'ApiCT^uic  dmirapövrac  unhaltbar,  da  nach  61,  3 
Aristeus  erst  im  anmarsche  war,  und  daher  Ullrichs  imirapiövTac 
notwendig.  72,  2  iäszt  sich  die  lesart  der  besten  hss.  cTti  ^f|  drro- 
kujXui]  durch  VI  21,  1  vertheldigen.  74,  1  erfordert  der  Sprachge- 
brauch nach  Krfiger  spr.  %  52,  2,  8  tuj  V  öijo  ^OlpulV.  80, 1  ist  Snep 
&v  TToXXol  irdOoicv  das  richtige,  da  durch  o\  iroXXo(  die  behauptung 
übertrieben  wird.  122,  1  halte  ich  6  ö'  öpTicOek  irepl  auTÖv  (töv 
TTÖXe^ov)  OÖK  dXdccuj  irrafei  für  die  richtige  lesart,  da  rrepi  aÖTÖv 
mit  irralei  verbunden  nur  die  hier  unpassende  bedeutung  haben  kann : 
*er  kommt  in  betreff  seiner  selbst  zu  schaden'  (vgl.  Plat.  TheXt.  160''), 
nicht  wie  ir€pl  aOTd>  irraiei  'er  erleidet  schaden  durch  seine  schuld'; 
TTCpl  aÖTÖv  ist  zu  öpYlcOeic  zu  ziehen :  'wer  in  beziehung  auf  den  krieg 
leidenschaftlich  erregt  ist';  diese  bedeutung  kann  rrepi  überhaupt,  also 
auch  bei  öptUlccGai  haben.  132 ,  3  Toö  fA^VTOt  ITaucaviou  dbiKiiMa 
Ka\  toGto  iöÖKct  €Tvai ,  koX  dneibfi  iy  roOrip  KaOetcrrJKei ,  iroXXi|i 
^aXXov  Trapöftoiov  irpaxOfivai  icpatvcTO  t^  irapoucr}  biavoiqi  ist 
Kai  tot'  iböxei,  wie  Classen  geschrieben  hat,  eine  unabweisbare  ver^ 
besserung,  da  kqI  direib^  dv  TOUTifi  Ka6€tCTrJK€i  ausdrücklich  die  gegen- 
überstellung  eines  frahem  zeitpunctes  verlangt.  133, 1  liest  P.  tÖtc  bty 
bemerkt  aber:  *t6t€  b/j  fortasse  melius,  quod  ad  132,  6  npiv  fe  bi\ 
^1]V^lTf|C  TiTVCTQt  respicitur';  dieser  grund  ist  für  die  lesart  töt€  bf\ 
entscheidend.  137,  3  dcT^^^Tr€l  fp&iiixaTa  de  ßaciXda  war  das  eic  der 
hss.  in  die  zu  verwandeln;  die  von  P.  angeführten  beispiele  können  einen 
derartigen  gebrauch  des  de  nicht  beweisen.  142,  7  konnte  ttu),  welches 
einige  hss.  nach  dEeCptac6€  haben ,  vor  dem  folgenden  rruic  eher  ausfal- 
len als  hinzugefügt  werden ;  da  es  auszerdem  sinngemäsz  ist ,  so  durfte 
es  im  texte  nicht  fehlen.  If  2,  1  ist  ITuOobaipou  in  büo  {ifivac  dp- 
XOVTOC  im  texte  stehen  geblieben,  obgleich  die  zahl  corrupt  sein  musz. 
wenn  P.  eher  Tpeic  als  Krflgers  Tdccapac  für  richtig  hAlt  und  sich  dafür 
auf  V  20,  1  beruft ,  so  scheint  mir  diese  stelle  eher  für  Kräger  zu  spre- 
chen, nach  dieser  fiel  nemlich  der  friede  des  Nikias  gleich  nach  den 
atAdtischen  Dionysien ,  also  um  die  mitte  des  elaphebolion ,  nachdem  der 
krieg  gerade  zehn  jähre  und  einige  tage  gedauert  hatte  (dasz  der  scholiast 
f^epuiv  öXiYUJV  irapcveTKOuciüV  richtig  durch  TrapeXOoucuiv  erklart, 
folgt  schon  aus  dem  part.  aor.).  es  musz  also  der  aiifang  des  krieges 
vor  die  mitte  des  elaphebolion  fallen,  wenn  nun  der  amtsantritt  der 
archonten  auf  den  ersten  hekatombäon  fallt,  so  musz,  wenn  die  Zeitbe- 
stimmung ganz  genau  ist,  der  letzie  eines  monats  bezeichnet  werden, 
also  der  letzte  tag  des  dem  elaphebolion  vorhergehenden  antheslerion. 
7,  2  ist  vaCc  dneTdxOilcav  sicher  verdorben ;  P.  hat  sich  für  die  emen- 
dation  direTdx6r|  entschieden ,  ohne  jedoch  den  text  zu  andern.    9,  4  ist 

12* 


172  J.  M. Suhl :  anz. v.  Thucydides  ed.  E.  F. Poppo.  ed.  JI.  vol.  I  sect  1  et  II. 

KuKXdbec  ohne  allen  zweifei  unecht  und  musle  ausgeschieden  werden. 
10,  1  ist  Sintenis  emendatioo  trop^vei  TOidbc  nicht  zu  kühn,  sondern 
ganz  leicht  und  evident;  durch  die  corruptel  irapcivat  wurde  die  hin- 
zufOgung  von  ^cEev  notwendig.  15,  1  f)  'ATTiKf|  .  .  Kora  iröXcic 
4>K€iT0  TTpuiaveid  T€  fx^^Gi  ^ox  äpxovrac  kann  Kcrrä  ttöXcic  seiner 
Stellung  wegen  nicht  zu  Ix^uca  gehören ,  und  es  ist  daher  ^xovcac  zu 
ändern.  16,  1  ist  ^€T€txov  von  Böhme  und  Glassen  getilgt  worden;  da 
sich  indessen  sein  eindringen  nicht  wol  erklären  läszt,  so  empfiehlt  es 
sich  mehr  fjc  ^ereixov  o\  'AOT)vaTot  zu  lesen;  P.  hat  sich  für  keine 
Verbesserung  entschieden.  16,  2  hat  P.  KOrraXirröVTCC  stehen  lassen, 
obgleich  er  die  lesart  KaToXelTTOvrec  als  besser  erkennt.  19, 1  ist  tujv 
dccXOövTUJV  Ofißaiijjv  durch  keine  erklärung  zu  halten ;  P.  hätte  ent- 
weder mit  Glassen  die  worte  tilgen  oder  mit  Krüger  tujv  nach  £c€X66v- 
T(OV  umstellen  sollen.  29,  3  Tif)pfic  hk  OÖTC  TÖ  aÖTÖ  övOjLia  fx^v 
ßaciXeuc  Te  irpiXiroc  . .  'Obpucuiv  ^t^vcto  kann  weder  f\v  zu  Ix^^v 
ergänzt  werden  (Krüger  spr.  %  56,  3,  5}  noch  bei  £t^V€TO  ein  Übergang 
aus  dem  part.  in  das  verbum  fiu.  angenommen  werden ,  da  mit  ^^V€TO 
der  satz  schlieszt  und  also  T€VÖ^evoc  gar  nicht  möglich  wäre,  datier 
hat  Glassen  mit  recht  aus  B  (nach  Bekker)  oibi  aufgenommen  und  t€ 
entfernt.  29 ,  4  hat  ebenderselbe  EuvcXeTv  als  die  richtige  lesart  erwie- 
sen. 44,  1  hätte  P.  seine  unzweifelhafte  emendation  eC  TeX€UTf)cai  io 
den  text  aufnehmen  dürfen.  44,  2  Xuttt)  oöx  <Lv  äv  Tic  ^f)  n€ipaco- 
jicvoc  dTaBwv  CT€picKr)Tai  Ist  von  der  entziehung  solcher  guter  die 
rede,  die  man  noch  nicht  genossen  hat,  aber  in  der  zukunft  hätte  genie- 
szen  können;  daher  ist  die  lesart  iT6tpacd^€V0C  richtig,  im  folgenden 
ou  äv  iQäc  Tevö^€VOC  dqpccipeOQ  verwirft  P.  mit  reclit  das  von  Glassen 
aufgenommene  d(patpe6eir| ;  die  bezeichnung  des  speciellem  liegt  nicht 
im  Optativ,  sondern  im  aorlst.  49,  5  OÖK  dtav  Ocp^öv  fjv  oCre  x^u>- 
pöv  ist,  wie  auch  P.  einsieht,  oök — o(iT€  unmöglich  und  durfte  daher 
nicht  im  texte  geduldet  werden;  Bekkers  oCt'  &X(xy  liegt  am  nächsten. 
49,  5  wendet  P.  gegen  Bekkers  gestaltung  des  textes  TÖ  bk  €vTOC  ou- 
TUJC  ^KdcTO ,  d[icT€  ixf\Te  tOjv  Trdvu  Xctttuiv  ifiarluiv  Kai  civbövwv 
Tdc  imßoXdc  }xr\b"  dXXo  n  ti  tumvoi  dv^xccBai,  fibicid  t€  öv  tc 
iibu)p  qiuxpöv  cqpdc  auroöc  f^iitTeiv,  die  sich  auf  CG  stützt ,  ein  dasz 
YU^vouc  erforderlich  wäre,  dagegen  läszt  sich  erinnern,  dasz  das  sub- 
ject  des  regierenden  satzes  einen  teilbegriff  zu  dem  des  abhängigen  bildet 
und  hier  also  ein  ähnlicher  gebrauch  anzunehmen  ist  wie  VI  25,2  ^Toi^o- 
cd^€VOl  dEeiv.  femer  hält  P.  iiiyv"  dXXo  für  die  richtige  lesart,  wäh- 
rend Bekker  |üiiit€  —  T€  verbunden  hat.  dieser  ist  im  rechte,  da  pLr\b* 
fiXXo  Tl  f\  ft^MVOl  dv^x^cOai  blosz  eine  Steigerung  des  vorhergehenden 
und  nicht  verschiedenes  enthält.  53,  3  ist  7rpoTaXaiiTU)p€iv  die  richtige 
lesart:  denn  was  soll  irpoc-  bedeuten?  Ar.  Lys.  766  heiszt  irpocraXot- 
iTwpetv  *noch  weiter  ausharren',  und  das  passt  hier  nicht.  67,  2  ist 
keiu  grund  ffteivav,  die  lesart  der  besten  hss.,  zu  verschmähen.  63,  1 
ist  nach  den  besten  hss.  ^  ÖTT^p  diravTac  zu  lesen;  daraus  ist  diirep 
äiraVTCC  entstanden,  nicht  umgekehrt.  65,  13  dqp'  div  ainöc  irpo- 
^TVUi . .  neplTCV^cOai  steht  aÖTÖc  ohne  gegensatz  und  war  daher  mit 


i. M.Suhl:  anz.v.Thucydides  ed.E.F.Poppo.  ed.  IL  vol.  I  sect.  I  et  II.  173 

Glassen  in  auToOc  za  verwandeln,  dafür  dasz  Glassen  78,  1  nicht  nur 
xö  bk  XotTtöv  dcp^vrec,  welches  in  einem  teile  der  hss.  fehlt,  sondern 
auch  ^^poc  ixiv  Ti  KOTaXiiTÖVT€C  ToO  CTpcrrOTt^bou  mit  recht  ausge- 
schieden hat,  liegt,  abgesehen  von  allem  andern,  ein  sicherer  beweb  da- 
rin ,  dasz  nach  78,  2  der  abzug  eines  teiles  des  heeres  erst  später  nach 
vollendang  der  belagerungswerke  erfolgte,  zu  80,  1  Kai  ö  ireptfrXouc 
oÖK^Ti  &01T0  'AOrivdoic  o^oloc  trepl  TTeXoTrövvricov  bemerkt  P. 
über  das  von  Bekker  aus  F  aufgenommene  öjioiuiC:  *fortasse  probandum 
est;  etenim  non  dicendum  cireumvectionem  non  similem  futuram,  sed 
isircumvectionem  non  similiter  efTectum  iri.'  aus  diesem  gründe  folgt  die 
richtigkeit  des  ö^olujc  mit  gewisheiL  83,  5  ist  irpocmitTOiev ,  die 
Überlieferung  der  geringem  hss.,  allein  angemessen ,  weil  der  angriff  be- 
zeichnet werden  musz.  wenn  P.  irpocnX^otev  erklärt:  ^adnavigent  (ad 
faciendum  impetum)',  so  ist  dagegen  zu  erinnern ,  dasz  TrpocirXciv  eben 
nichts  weiter  bedeutet  als  adnavigare.  85,  6  liegt  in  Kai  und  dv^^uiv 
Ka\  ifitö  dirXoiac,  da  äirXoi.a  hier  nicht  ^windstille'  bedeuten  kann, 
weil  diese  fGr  die  ruderschiffe  kein  hindeniis  der  fahrt  war,  eine  uner- 
trägliche tautologie,  die  Glassen  mit  recht  durch  ausscheidung  von  t^d 
dvl^uiv  Kai  entfernt  hat  96,  3  Kai  iq^aioi .  .  ffbr]  ist  Glassens  her- 
stellung  bis  jetzt  die  einzige  welche  aus  dem  labyrlnth  der  Überlieferung 
heraushilft.  P.  freilich  hält  sie  für  unwahrscheinlich;  aber  schwerlich 
wird  sich  auf  leichtere  weise  ein  verständlicher  teil  gewinnen  lassen. 
99,  3  Tf|V  bk  napd  ddXaccav  vOv  MaKCÖovfav  wird  durch  das  aus 
99,  1  angezogene  TfjV  Kdruj  MaKCboviav  nichts  bewiesen  gegen  den 
grund,  welchen  Glassen  für  nepl  OdXaccav  angeführt  hat;  Trept  ebenso 
IV  64,  4.  Plat.  Phädon  109  ^  —  Auszer  der  oben  angeführten  stelle 
I  54,  2  hat  P.  auch  noch  TL  36,  3  T&  bi  TiXeCui  (xim\c  a<no\  ^jüietc  .  . 
lm\\)ii\ca}iey  die  richtigkeit  des  überlieferten  mit  unrecht  bezweifelt, 
er  vermutet  nemlich  aM[v:  'magis  vero  nos  eam  eveximus.'  dadurch 
aber  wird  der  Widerspruch  mit  dem  vorhergehenden  KTTjcdfiEVOi . .  öcnv 
SX0)i6V  dpX^V  keineswegs  gehoben,   vgl.  rhein.  museum  XXI  s.  310  f. 

Was  die  exegetische  seite  anlangt,  so  ist  zunächst  das  materiai  zur 
sachlichen  erklärung  in  so  erheblicher  weise  bereichert  worden ,  dasz  der 
werth  der  ausgäbe  dadurch  um  ein  bedeutendes  gestiegen  Ist.  zu  die- 
sem zwecke  hat  P.  nicht  nur  die  bekannten  werke  von  Grote ,  Duncker, 
E.  Curtius  und  Bursian  ausgebeutet,  sondern  auch  alle  beachtenswerthen 
monographien  aus  dem  gebiete  der  geschichte,  der  altertümer,  der  geo- 
graphie  und  Chronologie,  die  irgend  einen  beitrag  liefern  konnten,  ver- 
werthet.  durch  die  zahlreichen  hinweisungen  auf  diese  schriAen  und  die 
einschlägigen  stellen  der  alten  wird  deijenige,  welcher  sich  über  sach- 
liche fragen  die  den  Th.  berühren  eingehend  unterrichten  will ,  in  den 
stand  gesetzt  sich  die  gewünschte  kenntnis  in  der  genausten  weise  zu 
verschaffen,  was  die  zu  1  98.  103  benutzte  *  dissertatio  de  rerum  post 
bellum  Persicum  usque  ad  tricennale  foedus  in  Graecia  gestarum  lempo- 
ribus'  von  A.  Schaefer  betrifft,  so  hat  Krüger  seine  dort  angefochtenen 
chronologischen  ansichten  neuerdings  im  zweiten  heft  der  analekten 
s.  3  ff.  vertheidigt,  wie  mir  scheint,  nicht  ohne  erfolg,     ferner  hat  die 


176  J.  M.  Stahl :  anz.  v.  Thucydides  ed.  E.  P.  Poppo.  ed.  II.  vol.  1  sect.  I  et  IL 

der  genauea  Untersuchung  der  ältesten  zustande  Griechenlands  nicht  leicht 
angieng  sich  von  denselben  auf  jedes  beliebige  zeugnis  hin  ohne  nähere 
prüfung  eine  glaubhafte  Überzeugung  zu  bilden  (mcTcOcat  nach  Krüger 
spr.  S  53,  5)  2).  eine  solche  prüfung  ist  uro  so  mehr  für  die  ältesten 
Zeiten  notwendig,  da  man  selbst,  wie  er  im  folgenden  nachweist,  bei 
Verhaltnissen  welche  der  gegenwart  nahe  liegen ,  ja  in  dieselbe  hineio- 
reichen  (in  vGv  0VTa  Kai  ou  XPOVifi  d^V1lCTOU^eva),  nicht  jeder  über* 
lieferung  unbedingt  vertrauen  darf. '  22 ,  2  i^äuica  fp&tp^v^ .  .  irapa 
TUiV  SXXtuv  .  .  dKptßetqi  Ttepi  ^Käcrou  direEcXOtliv  beweist  schon ,  wie 
Classen  bemerkt,  das  part.  aor.,  dasz  dneS^pXCcOai  hier  nicht  ^erzüilen' 
heiszen  kann ;  auch  läszt  sich  nur  sehr  gezwungen  zu  Trapä  TU»v  fiXXuiv 
aus  dem  vorigen  Truv6av6^evoc  erganzen.  25,  4  xpT1M<iTUiv  biAfdfiei 
ÄVT6C  . .  6)üiOia  TOtc  'eXX^^ujv  TrXovciurrdTOic  koI  t^  ic  iröXe^iov 
irapacKCU^  öuvotruiTepoi  will  P.  zu  fl^ola  entweder  irXoöctoi  oder 
buvaTOt  erganzen ,  obgleich  weder  bei  Th.  noch  sonst  sich  ein  sicheres 
beispiel  eines  solchen  gebrauches  von  ö^oia  findet  (jahrb.  1863  s.  465). 
der  Ursprung  der  ausdrucksweise  soll  sich  aus  VH  29,  4  öftoia  Tok 
^dXlCTa  ToO  ßapßapiKoO  q>otviKurraTÖv  icny  erkennen  lassen,  allein 
diese  stelle  ist  durchaus  verschieden,  da  hier  fl|tioia  gar  keiner  erganzung 
bedarf,  es  hat  mir  nicht  einfallen  können  öjLiotuic  emendieren  zu  wollen, 
wie  P.  angibt,  da  dies  genau  dieselbe  Schwierigkeit  böte  wie  öjüioia,  son- 
dern ich  habe  aus  &^o{a  in  A  bpiolqi  hergestellt,  und  halte  dieses  auch 
jetzt  noch  für  nutwendig,  zu  35 ,  5  dXXd  ftdXtCTa  jitiv  . .  ia\h(ya 
dXXov  tSv  K€i€Tv)c9ai  vaGc  will  P.  lieber  aus  dem  voranslehenden  xal 
vauTiKTic  . .  EujLijyiaxtac  btbo^^viic  oOx  ö^oia  f)  dXXoTpiuKtc  ein  bta- 
(p^€i  oder  Eujkiqp^pei  erganzen  als  den  Inf.  iov  imperativisch  fassen,  da 
dadurch  der  ausdruck  zu  abgebrochen  werde,  die  vorgeschlagene  ergan- 
zung scheint  mir  ganz  unerhört  zu  sein ;  die  kuappe  entschiedenheit  aber, 
welche  in  dem  inf.  des  befebls  liegt,  passt  vortrefflich  zu  der  form  des 
vorhergehenden  satzes,  welchem  die  auslassung  von  dcrf  dieselbe  kraft 
des  ausdrucks  verleiht.  36,  3  xpia  ixky  övia  Xötou  fi£ia  ToTc  "GXXiici 
vauTiKd  verwirft  P.  die  ansieht,  dasz  hier  kii  ausgelassen  sei,  unter 
hinweisung  auf  Buttmann  gramm.  %  129  a.  19.  allein  die  angezogene 
bemerkung  Buttmanns  findet  hier  keine  anwendung,  da  icTX  nur  zu  Tp(a 
TOtc  ''CXXria  vatmKd  zu  erganzen  ist  und  dvTa  zu  XÖTOU  öixa  gehört: 
^drei  seemachte  gibt  es  bei  den  Hellenen,  die  beachtenswerth  sind.'  37,2 
EÖM^axöv  T€  oi)b4va  ßouXöjiievoi  npöc  TdötK/j^ara  oibk  päprupa 
IX«v  oöre  irapaKaXoOvTCC  aicx0vec6ai  erklart  P.  die  letzten  worie: 
'neque  pudore  sulTundi  aliorum  auxilium  implorantea'  und  fügt  zur  nahern 
eriauterung  hinzu :  'nam  si  alios,  ut  socii  et  tesles  suarum  renim  essent, 
ezcitassent,  nemo  in  societatem  turpissimomm  consiliorum  venire  voluis- 
set.'  allein  'aliorum  auxilium  implorantes'  heiszt  dXXouc  rropaKaXoGv- 
T€C  und  der  gedanke,  dasz  in  dem  angegebenen  falle  j^der  die  beteiligun^ 
an  den  schandlichen  planen  der  Kerkyraer  würde  zurückgewiesen  haben, 
ist  willkürlich  untergeschoben,  ich  habe  jahrb.  1863  s.  469  f.  0^^^ 
napaKoXoOvTCC  alcxüvcceai  für  unecht  erklart.  P.  halt  dies  fdr  «u 
kühn,   allein  an  und  für  sich  enthalt  meine  behauptung  weder  etwas  un- 


J.  M.  Stahl :  aoz.  v.  Thucydides  ed.  E.  F.  Poppo.  ed.  D.  vol.  I  sect.  I  et  II.  177 

mögliches  noch  etwas  unwahrscheinliches,  das  beweisen  diejenigen  stel- 
len des  Th.,  wo  ein  teil  der  hss.  dergleichen  einschiebsel  hat,  die  andern 
Dicht  (z.  b.  1  39,3.  113, 1.  II  91,3).  es  kommt  also  lediglich  die  begrün- 
dnng  meiner  ansieht  in  frage,  diese  stQtzt  sich  nicht  nur  auf  die  thatsache 
dast  Th.T€ — oiSre  nicht  kennt,  und  auf  den  umstand  dasz  sich  den  Wor- 
ten kein  ertraglicher  sinn  unterlegen  läszt,  sondern  auch,  was  besonders 
wichtig  ist,  auf  die  von  mir  näher  dargelegte  entsprechung  der  gedanken- 
glieder  in  dem  abschnitte  tö  b'  ini  KOKOUpflqi  37,  2  —  c.  38.  schon 
mehrfach  habe  Ich  bei  besprechung  der  Classenschen  ausgäbe  gelegenheit 
gehabt  auf  die  symmetrische  anordnung  der  gedankenglieder  hinzuweisen, 
die  Th.  besonders  da  anzuwenden  pflegt,  wo  er  einen  grundgedanken 
weiter  ausführt  und  in  seinen  verschiedenen  beziehungen  auseinanderlegt; 
die  erkenntnis  dieser  Symmetrie,  die  keine  äuszerliche  oder  rhetorisch 
erkflnstelte  ist,  sondern  auf  dem  in  sich  geschlossenen  gefOge  des  ge- 
dankenganges  beruht,  ist  fflr  manche  stellen  und  so  auch  hier  der  einsig 
sichere  weg  zur  richtigen  auffassung.  *)  53,  3  TUlv  bk  KepKupatuiv  tö 
ftiv  crpOT^ircbov  . .  ol  b'  'AOiivatoi  habe  ich  die  von  P.  angezweifelte 
Stellung  des  ^^v  jahrb.  1863  s.  472  dnrch  den  vergleich  mit  I  62,  2 
gerechtfertigt.  64,  1  tö  b^  Ik  toO  icOpoO  t€ixoc  . .  diroTeixicavTCC 
|<ppoupouv  will  P.  TCtxoc  von  der  Stadtmauer  verstehen ,  obgleich  doch 
nicht  diese,  sondern  die  Stadt  selbst  abgesperrt  werden  soll,  auch  jetzt 
noch  stimme  ich  Classen  bei,  welcher  tcTxoc  getilgt  hat.  68,  2  Toiic 
£u^^dxouc  .  .  iv  olc  TTpocr^KCi  fmäc  oöx  i^KiCTa  elrrciv  musz  £v 
*unter',  nicht  *vor'  heiszen,  da  die  Korinthier  nicht  vor  der  bundesver- 
samlung ,  sondern  vor  der  spartanischen  iiacXr^cia  sprechen.  P.  bezwei- 
felt ,  ob  iv  ausser  in  der  formet  £v  TOic  so  beim  Superlativ  gebraucht 
werde,  dagegen  vgl.  PInd.  Pytb.  UI  21  fcrt  bi  9OX0V  iy  ävOpuiiroici 
^aTOtÖTaTov,  Hom.  P  26.    69 ,  2  oi  T&p  bpoivrec  ßeßouXcujüi^voi 

*)  gelegentlich  will  ich  mir  hier  die  bemerkung  gestatten,  dasz  die 
aasführliche  besprechung,  welche  L.  Herbst  im  philol.  XXIV  8.688  ff. 
dieser  stelle  gewidmet  hat,  nur  dazu  dienen  kann,  die  beziehang  der 
gedankenglieder  zu  verwirren,  er  liest  irapaKoXoOvroc  und  stellt  die 
worte  0<iT€  irapaKoXoOvrac  alcx^vccOai  ^'noch  wollen  sie  vor  den  sie 
um  hülfe  ansprechenden  sich  zu  schftmen  haben,  d.  h.  noch  wollen  sie 
Schimpfes  halber  auf  yerträge  rücksicht  zu  nehmen  haben'  in  beziehung 
ra  fjv  b^  iroO  Ti  irpocXdßuiciv.  dvaicxovrdici  'wenn  sie  irgendwo  in  et- 
was kiilf reiche  band  mit  angelegt  haben,  schamlose  f orderungen  stellen', 
das  entspricht  sich  so  wenig,  dasz  es  sich  vielmehr  widerspricht,  wie 
sollen  die  Kerkjräer  hülfreiche  band  mit  anlegen,  wenn  sie  es  eben  ver- 
meiden wollen  dnrch  Schamgefühl  zur  hülfeleistung  genötigt  zu  werden? 
und  wo  heiszt  jemals  dvatcxuvretv  'unverschämte  forderungen  stellen' 
(dvaicxovTOt  ctev  VUI  46, 4  kann  dafür  nichts  beweisen  und  heiszt  auch 
lediglich:  'sie  seien  unverschämt')  oder  alcx^vccOai  'sich  zu  schämen 
haben'?  ist  das  etwa  identisch  mit  'schäm  empfinden*?  femer  soll 
öiruic  KaT&  ^övac  dbiKiIici  dem  £irl  KüKOVprfiq.  entsprechen,  was  soll 
denn  hier  xard  ^6vac?  ist  das  dbiK^v  an  siäi  nicht  schon  eine  KOKOup- 
Yia?  noch  unerträglicher  ist  die  beziehung  von  öiruic  iy  üp  \iiv  Av  Kpa- 
T«Xici  ßid2:uivTai  auf  £t!»^^axöv  t'  o<»b^va  ßouXÖMCvoi  irp6c  TdbtKfmora 
^X^^v.  soll  ein  bundesgenosse  sie  etwa  daran  hindern  gewalt  zu  üben, 
vo  sie  die  starkem  sind?  waram  soll  er  nicht  vielmehr  ihre  überlegen- 
lieil  vermehren  und  ihre  gewaltthätigkeiten  unterstützen? 


1 


4 


178  J.M.Stahl:  anz.  v.Thucydides  ed.  E.F.Poppo.  ed.ll.  voll  secUlelll. 

irpöc  ou  öicTvuJKÖTac  f^x\  Kai  otj  fi^XXovrec  iireS^pxovrai  kann  ol 
bpubvTCC  nicht  'qui  iniqua  agunt'  und  fjbr]  nicht  'iam  nunc'  heiszen. 
man  übersetze :   'leute  welche  handeln  gehen  entschlossen  sofort  gegen 
unentschiedene  und  ohne  zdgern  an.'    die  allgemeinheit  des  ausdnicks, 
bei  welchem  speciell  an  die  Athener  gedacht  wird,  darf  nicht  auffallen, 
auch  wir  sprechen  so  von  Meuten  die  dieses  oder  jenes  thun',  indem  wir 
dabei  auf  bestimmte  persönlichkeiten  zielen.   70, 1  macht  der  zusammeD- 
hang  mit  dem  folgenden,  in  welchem  bloss  von  der  charakterverschieden- 
heit  der  Athener  und  Lakedflmonler  die  rede  ist,  P.s  erklärung  von  ^€- 
tdXuiv  Tuiv  biaq>€pövTUJV  Ka6€CT((»TUJV  *cum  de  magni  momenti  reJbiu 
agatur'  unmöglich.   70, 3  hätte  P.  sich  fflr  eine  der  von  ihm  angeführten 
deutungen  des  irapa  TVUffiriv  Kivbuveural  entscheiden  müssen.  Clai- 
sens  auffassung  '  über  die  vernünftige  Überlegung  hinaus  waghalsig'  ist 
die  einzig  richtige,    ist  w  das,  so  kann  auch  im  folgenden  rfic  TV^MH^ 
TOtc  ßeßaioic  nicht  heiszen  ^exploratis  animi  consiliis'  sondern  nur  Men 
sichern  ergebnissen  der  vernünftigen  Überlegung'.   70, 4  sind  bei  der  e^ 
klArung  von  ^iceXOetV  die  von  mir  jahrb.  1863  s.  473  zu  gunsten  der 
Ullrichschen  emendation  ^cXOeiv  vorgebrachten  gründe  nicht  widerlegt 
worden.     70,  8  ist  oux  fjccov  nicht  magis^  sondern  potius.    71, 1  ist 
P.  über  die  bedeutung  von  TÖ  Tcov  v^^CTC  zu  keiner  entschiedenen  an- 
sieht gelangt    was  ich  zur  begründung  meiner  aulTassung  *ibr  verfahrt 
nach  gleichem  masze'  über  sinu.  und  Zusammenhang  der  ganzen  stelle 
jahrb.  1863  s.  475  f.  gesagt  habe,  halte  ich  auch  jetzt  noch  aufrecht 
P.  freilich  ist  meine  erklArung  dunkel  geblieben,     ich  vertraue  indessen 
dasz  jeder  dieselbe  verstehen  wird ,  welcher  sie  mit  aufmerksamkeit  ge- 
lesen und  erwogen  hat.     73,  2  ei  Kai  bt'  dxXou  jüiäXXov  ictm  dei 
npoßaXXojLi^VOtc  steht  P.s  auslegung   ^quamvis  semper  proferentibos 
molestiora  futura  sint'  im  widersprach  mit  dem  folgenden  toC  bk  \&^o\i 
pfl  TrdvTiüC  CT€piCK(Jbfie6a,  in  welchem  die  Athener  eine  rühmende  er« 
wähnung  ihrer  thaten  ausdrücklich  für  sich  beanspruchen ,  was  sie  doch 
nicht  thun  würden,  wenn  dieselbe  ihnen  lästig  wäre.    84,  3  TOC  irpoc- 
TTiTTTOUcac  Tuxct^  oi>  \&f\\}  biaipcTdc  wendet  P.  gegen  die  dem  sinn 
und  Zusammenhang  ganz  angemessene  erklärung  von  Sintenis,  Forberg 
und  Classen  *die  eintretenden  zufalle  sind  durch  reden  nicht  auseinander- 
zulegen und  zu  bestimmen '  ein ,  dasz  die  angenommene  bedeutung  von 
biaiperöc  unsicher  sei.  dagegen  vgl.  Dem.  XXIII  54.  XLV  45  und  XX  28, 
wo  Dobree  bt^pr|K€V  hergestellt  hat.    84 ,  4  macht  die  beziehung  des 
öcTtc  dv  TOic  dvoTKaiOTdroic  iraibeiierai  zu  dem  (84, 3)  vorhergehen- 
den Traibeuö^evoi . .  Suv  xoEXcirÖTTiTi  es  notwendig  iv  toic  dvoTKaio* 
rdrotc  mit  Classen  *unter  dem  strengsten  zwange'  zu  verstehen ,  was  P. 
nicht  beachtet  hat.   91, 4  wendet  P.  gegen  Glassens  höchst  ansprechende 
herstellung  des  textes  el  b4.  Ti  ßoüXovrai . . ,  iTpec߀i3€c6at  napä 
cq)äc  übe  TTpobiOTtTVibcKOVTac  tö  Xcittöv  [Uvai]  xd  tc  cq)iav  aö- 
TOic  E0M9opa  Kai  rd  KOtvd  ein,  dasz  es  heiszen  müsie:  TrpecßeOecOai 
d)C  Trapd  irpobiaTtTVWCKOvrac  cq>fic  dagegen  vgl.  Plat.  Phädon  115* 
|if|  dravaKTfl  <mip  dfioö  d)c  beivd  ndcxovroc.   112,  4  Kai  viKrjcav- 
T€c  d)iq>6Tepa  dTrexuipricav  in'  oIkou,  Kai  a\  ÖE  Aliwro"  ^^ 


J.  M.  Stahl :  anz.  ▼.  Tbucydides  ed.  E.  F.  Poppo.  ed.  H.  vol.  1  sect.  I  et  H.  179 

TiäXtv  a\  £X6oCcat  ^€T'  aöruiv  kann  zu  TrdXtv  nicht  dircxuipiicoev 
erglAzt  werden,  da  man  annehmen  müste,  rroXtv  dTrcxuipilcav  wäre 
etwas  anderes  als  dnrex^f^cay  iit*  oTkou.  am  natürlichsten  ist  es  mit 
Classen  das  zweite  al  zu  streichen  und  o\  ii  Altuirrou  näXiv  ^OoCcai 
zu  verbinden.  120,  1  widerstrebt  P.s  erklArung  des  Ü  Icou  *ex  aequo, 
i.  e.  ita  ut  non  prae  aiiis  sibi  quid  tribuant'  dem  von  mir  jahrb.  1863 
s.  477  f.  dargelegten  gedankenzusammenhang.  120,  4  bezieht  sich  ei 
f|CuxdZot  auf  das  vorhergehende  fiiffre  Tij)  f|cuxtt|>  Tfic  €lpii\yr\c  fiböfie- 
vov  dbiKCtcGai,  und  es  ist  daher  zu  denken:  ei  dbiKOUfievoc  ^cuxd- 
ZIoL  124,  1  Kai  fi^uiv  Tdbe  koiv^  napaivouvruiv  bestreitet  P.  gegen 
Classen,  dasz  KOiv^  *zum  allgemeinen  wohl'  heiszen  könne,  in  derselben 
bedeutung  steht  es  11  43, 2  KOtv^  fäp  rd  cul^aTa  bibövrec,  Dion.  Hai. 
aniiq.  rom.  VI  56  KOtv^  OÖK  dStoöciv  f|TTficOat  toO  dvTtirdXou;  ebenso 
KOtvurc  II  42,  3.  was  das  folgende  eltrep  ßeßaiÖTaxov  tö  raörd  £u|li* 
(p^povra  Kai  TröXect  Kai  ibiuiraic  elvai  betrifft,  so  wkierspricht  aller- 
dings die  Stellung  des  elvai,  wie  P.  richtig  bemerkt,  der  auffassung 
Giassens,  der  Kai  rröXeci  Kai  ibiunraic  mit  ßeßaiöraTOV  verbinden  will, 
zieht  man  es  aber  zu  £u|üq)^povTa,  so  passt  der  gedanke  nicht,  was  soll 
hier  der  vorteil  der  Privatleute,  von  welchem  in  der  ganzen  rede  kein 
wort  gesagt  ist?  es  müste  doch  wenigstens  angedeutet  sein,  in  welcher 
weise  das  Interesse  der  Staaten  hier  mit  dem  vorteil  der  einzelnen  zu- 
sammenträfe, der  gedanke,  welchen  Classen  seiner  erklArung  zu  gründe 
gelegt  hat,  ist  der  einzig  brauchbare;  er  liegt  aber  nur  dann  in  den  wer- 
ten, wenn  man  elvai  nach  Eu|i9^povTa  stellt  von  solchen  Versetzungen 
bieten  übrigens  unsere  hss.  da,  wo  sie  in  der  Stellung  der  worte  von 
einander  abweichen,  belehrende  beispiele.  126,  6  hätte  P.,  um  die  echt- 
heit  der  worte  iv  ^  navbT)^€t  Ououci,  noXXol  otirx  Upeia,  dXXd  Ou- 
^ora  imxiiLjpia  genügend  zu  vertheidigen ,  den  verbindungslosen  an- 
schlusz  des  iroXXol  sprachlich  rechtfertigen  müssen.  132, 2  rd  T€  dXXa 
ouToC  dyecKÖTTOuv  . .  Kai  öxi  inX  tdv  rpfaioba  . .  i^Eiuicev  ^iriTpd- 
i|iacOat  .  .  t6  iXefcTov  röbe  soll  re  nach  P.  zur  Verbindung  mit  dem 
vorhergehenden  dienen,  allein  nach  dem  stehenden  gebrauche  des  rd  TC 
dXXa  bei  Th.  ist  es  mit  dem  folgenden  Kai  zu  verbinden ,  und  darum  bat 
Ullrich  recht,  wenn  er  die  fehlende  Verbindung  mit  dem  vorhergehenden 
durch  ein  vor  rd  re  dXXa  eingefügtes  Kai  herstellt.  141 ,  7  xpövioi  t€ 
&jviövTec  ^v  ßpaxet  M^v  popitii  ocoTToOd  ti  täv  KOivdiv  glaubt  P., 
£v  gestatte  nicht  tv  ßpaxei  ^Op(^l  ohne  ergänzung  'zum  geringen  teile' 
zu  erklären,  warum  nicht?  da  doch  auch  sonst  iv  zur  bildung  adverbia- 
ler ausdrücke  gebraucht  wird,  wenn  übrigens  etwas  ergänzt  werden 
soll,  so  kann  nur  aus  Euviövrec  hinzugedacht  werden  Tf)c  Suvöbou.  — 
II 11,  7  TTOCi  Tdp  iv  ToTc  Ä|üi|Liaci  Kai  iv  tiJi  irapat^riKa  6pöv  ird- 
qcovidc  Ti  SfiOec  öpirt  ttpocttCtttci  kann  6pov  nicht  von  dpirt  npoc- 
Trinrei  abhangen,  wie  P.  will,  und  es  nützt  nichts,  wenn  er  seine  auffas- 
sung dadurch  zu  begründen  sucht,  dasz  öpT^I  itpoCTriirret  so  viel  sei  als 
q>8ov€pdv  iCTi.  man  kann  ebenso  gut  sagen ,  es  sei  nicht  so  viel,  und 
welche  grammatische  rege!  kann  noch  bestehen  bleiben,  wenn  man  solche 
willkürliche  Unterschiebungen  gestatten  will?  gegen  Classen,  welcher  tv 


4 


\  180  J.  M.  Stahl :  anz.  v.  Thucydides  ed.  E.  F.  Poppo.  ed.  II.  vol.  I  sect.  1  et  IL 

ti|)  TropouTtKa  öpäv  verbindet,  wendet  P.  ein,  dasz  der  acc.  näqcovrac 
nicht  erkISrt  werden  könne,  berücksichtigt  man,  dasz  TTpocrriirreiv  so- 
y  woi  den  acc.  als  den  dativ  regiert,  so  bieten  die  von  Oassen  aogexoge- 

nea  stellen  I  63,  1.  72,  1.  II  7,  2  ziemlich  naheliegende  analogien. 
36, 4  ßäpßapov  f\  "EXXriva  ttöXc/üiov  liriövra  irpoO^MUJC  tt^uvd^€6a 
will  P.  den  adjectivischen  gebrauch  von  "CXXfiv  zulassen,  da  die  rede  des 
Perikles  sich  an  manchen  stellen  znm  poetischen  ausdruck  aufschwinge, 
was  soll  aber  n6X€^ov  d^l}v€c6at  bedeuten :  *sich  gegen  den  krieg  rer- 
tbeldigen'  oder  *den  krieg  abwehren'?  ersteres  ist  an  sicli  widersinnig, 
das  zweite,  weil  sie  wirklich  den  krieg  nicht  von  sich  fern  gehalten  ha- 
ben, kann  iröXe^ov  nicht  mit  Glassen  als  einschiebsei  betrachtet  wer- 
den, so  ist  nach  11  41, 3.  HI  56, 2  iroX^fiiov  zu  verbessern.  40,  2  liegt 
in  £vi  T€  Toic  airrote  oUeiuiv  äpta  Kai  ttoXitikiüv  dirtft^Xeia  nicht  die 
mindeste  hindeulung,  dasz  nur  von  einer  bestimmten  classe  der  Athener, 
wie  P.  will,  die  rede  sei.  gelit  aber  der  ausdruck  auf  die  Athener  im  all- 
gemeinen, so  entbehrt  im  folgenden  xai  iripoic  Trpöc  igr^a  Terpa^fi^- 
voic  Tä  noXtTiKä  ^f|  ivbeuuc  tvopvat  das  ixipoic  seines  gegensatxes 
und  ist  daher  nach  Glassens  Vorschlag  in  Srepa  zu  ändern.  40,  3  hat  P. 
seine  frühere  gewaltsame  und  erkünstelte  erklärung  des  8  TOtc  äXXoic 
ä^a6ia  jit^v  Opdcoc,  XoTtcjudc  bk  ökvov  ipipei  beibehalten,  suit  5 
einfach  mit  Glassen  als  acc.  der  beziehung  zu  fassen.  42,  3  xal  T^P 
Toic  TfiXXa  X€ipoa  biKaiov  t#|v  k  toüc  noX€^ouc  {mip  tflc  iraTpi- 
boc  ävbpataOiav  npoTiOecOai  leugnet  P.  mit  recht,  dasz  TrpoTi6ec6ai 
^angerechnet  werden'  oder  als  medium,  wie  Glassen  will,  *sich  anrechnen' 
(111  64,  4  heiszt  dvbpaTa6(av  TrpoGOecOe  *  ihr  legtet  tapferkeit  an  den 
tag'}  bedeuten  könne,  die  zwei  erklärungsweisen ,  zwischen  welchen  P. 
die  wähl  läszt :  'es  ist  recht  dasz  sie  tapferkeit  zeigen'  oder  *dasz  sie  sich 
tapferkeit  vornehmen'  stehen  weder  mit  dem  vorhergehenden  noch  mit 
dem  folgenden  satze  in  logischem  zusammenhange,  ich  fasse  npOTtOe- 
cOai  als  einfaches  passivum  und  verstehe  irpOTiOrmi  in  seiner  ursprüng- 
lichen bedeutung:  'für  diejenigen,  welche  In  anderen  bezlehungen  schlech- 
ter sind,  musz  die  in  den  kriegen  für  das  Vaterland  bewiesene  tapferlceit 
vorangestellt  werden'  und  also  bei  ihrer  beurteilung  das  hauptgewicht 
in  die  wagschale  legen,  ebenso  scheint  der  scholiast  die  stelle  verstanden 
zu  haben,  welcher  iTpoTi)iäc6at  erklärt,  vgl.  III  39,  3  lq(uv  dStdbcay« 
Tee  ToO  biKaiou  irpoOeivai.  zu  42,4  dßouXi^Oiicotv  ^€T'  airroö  tovc 
likv  TtjLiujpeTcOai,  tüliv  bk  £q>iec6ai  hatP.  seiner  frühem  emendation 
dqpiecOai  gar  keine  erwAhnung  gethan.  ich  kenne  keine,  welche  der  ab- 
soluten gewisheit  näher  käme,  und  ich  wundere  mich,  wie  P.  sie  so 
leichten  kaufs  hat  aufgeben  können  der  gewöhnlichen  erklärung  des 
£9(€cOai  zu  liebe,  die  nicht  nur  mit  dem  vorstehenden  T^jv  bi  Tu)v 
£vavTiu)V  Tl^iup{av  TroOeivoT^pav  ain&v  Xaßövrec  in  directem  Wi- 
derspruche steht,  sondern  auch  den  logischen  Zusammenhang  des  ganten 
abschnittes  TÜuvbc  bk  oCre  irXoÜTqi . .  TreTroiB^vai  geradezu  vernichtet, 
vgl.  rheln.  museum  XXI  s.  477  f.  im  folgenden  xai  iv  aÖTt^  tö  i^i- 
vecOat  KOI  TraOetv  jitfiXXov  #|Tnc(4|i€V0i  ^  xd  dvbövTEC  ciiiZeceai  fasat 
P.  jLiotXXov  fiTcTcOai  richtig  im  sinne  von  ^äXXov  äStoOv.    dann  aber 


J.  M.  Stahl:  auz.  r.  L.  Herbst  über  fiv  beim  futur  im  Thukydides.   181 

ist  der  arlikel  bei  ä^üv€c6ca  und  ciIiZecGai  sprachwidrig,    ich  habe  das 
ursprüngliche  a.  o.  s.  476  herzustellen  versucht.    65,  12  koI  oö  npö- 
Tepov  iv^bocav  f{  a(no\  iy  cq>(ct  xorä  räc  Ibiac  biaq>opäc  ireptirc- 
CÖVT6C  icqxiXricav  gewinnt  Trcpmccövrec  dadurch,  dasz  aöraic  tu 
demselben  ergänzt  werden  soll,  keinen  halt,  esstftode  rein  mflszig:  dena 
dasz  man  in  bezug  auf  innere  zwistigkeilen  nur  dann  schaden  leides 
kann,  wenn  man  in  sie  hineingerathen  ist,  versteht  sich  von  selbst,   vgl, 
rhein.  museum  XXI  s.  478.  68,  7  l&szt  sich  nicht  irpocrraponcaX^cavTCC 
ä|Lup6T€poi  'AOrivaiouc  . .  äq>iKO|üi^vou  bi  toO  0opfjiiujvo€  verbiodee 
wie  111  55,  1.  VI  64,  1,  weil  bi  ohne  gegensatz  stände.    89,  5  )if|  ^^X- 
Xovrdc  Tt  dSiov  toO  napd  troXu  np6ie\y  gibt  die  ergänzung  von 
irpdcceiv  zu  toC  Trapa  ttoXu  keinen  sinn;  ebenso  wenig  kann  aus  dem 
vorigen  toO  TrpoveviioiK^vai  hinzugedacht  werden,  da  auf  eine  solche 
erginzung  gar  nichts  hinweist;  noch  weniger  kann  tö  iropä  noXä  an 
sich  ^eximia  agendi  ratio'  bedeuten.    90,  1  tadelt  P.  Glassens  erklArung 
von  in\  Teccäpuiv  Ta£ä^€VOl  Täc  voOc  Mn  vier  linieu%  weil  aus  dem 
folgenden  erhelle,  dasz  auf  dem  rechten  flügel  fflnf  linien  gewesen  seien. 
das  ist  nach  Glassens  darstellung  des  Vorganges  eben  nicht  der  fall,  und 
ich  finde  nichts  woraus  dieses  hervorgehen  könnte.   Oberhaupt  ist  Glas- 
sens erklSrung  des  in  diesem  capitel  beschriebenen  seemanövers  so  klar 
imd  anschaulich ,  dasz  P.  nichts  besseres  hätte  thun  können  als  sich  der- 
selben anschlieszen.   dasz  im  Tf)V  ^auToiv  in)v  (nach  ihrem  lande,  dem 
Peloponnese  hin)  mit  ToEdjLievoi  (vgl.  Xen.  anab.  V  4,  22  dtrl  tö  cuUi- 
vu^ov  .  •  To£d|Li€VOi),  und  nicht  mit  firXeov  verbunden  werde ,  ist  des- 
wegen notwendig,  weil  man  sonst  nicht  begreift,  wie  Phormion  aus  der 
bewegung  der  Peloponnesier  schlieszen  konnte,  dasz  sie  einen  angriff 
auf  Naopaktos  beabsichtigten,    dasz  sie  bei  dieser  aufsteliung  die  koste 
im  rflcken  halten,  liegt  zwar  an  und  för  sich  nicht  in  dni,  folgt  aber  aus 
der  dargestellten  Situation.    Aber  nX^ovra  TÖv  diriTrXouv  90,  2,  wor- 
über P.  nicht  ins  klare  gekommen  ist,  vgl.  jahrb.  1866  s.  217. 

3)  Über  "AN  beim  futüb  im  Thuktdides  von  Ludwig  Herbst. 
Hamburg  1867.    druck  von  Th.  G.  Messner.    38  s.  gr.  4. 

L.  Herbst,  der  als  ein  feiner  und  sorgfältiger  beobachter  des  Thu 
kydideischen  Sprachgebrauchs  bekannt  ist,  hat  in  dem  letzten  osterpro 
gramm  der  Hamburger  gelehrtenschule  über  das  futurum  mit  äv  bei  Th 
«ine  eingehende  Untersuchung  angestellt ,  deren  ergebnisse  auf  das  deut 
liebste  zeigen,  welch  groszer  gewinn  für  die  kritik  und  exegese  des  Th 
sich  aus  der  rationellen  erforschung  seines  Sprachgebrauchs  schöpfen 
läszt  und  wie  diese  fQr  manche  derartige  fragen  die  sicherste  grundlage 
der  entscheidung  bildet,  auf  diese  abhandlung  besonders  aufmerksam  zu 
machen  ist  man  um  so  mehr  berechtigt,  da  es  zu  wünschen  ist  dasz  das 
^i^r  gegebene  beispiel  nicht  nur  für  Ib.,  sondern  auch  für  andere  Schrift- 
steller zahlreiche  nachahmer  finde,  die  frage,  welche  H.  zum  gegenstände 
seiner  Untersuchung  gemacht  hat,  konnte  nur  im  zusammenhange  mit 
verwandten  sprachlichen  erscheinungen  ihre  lösung  finden :  denn  es  han- 
delte sich  vor  allem  darum,  die  bedeutung  des  futurs  mit  &y  festzu- 


Il 


182   J.  H.  Suhl:  anz.  v.  L.  Herbst  ühtr  &v  beim  falnr  im  TbuliTdid«.       ' 

stellen,  und  das  war  nur  aur  (fem  wege  der  vergleich ung  lU  eTreichen.  lo 
die  spitze  seiner  erQrlerung  stellt  H.  das  urleil,  dasi  keine  der  bisherigen  , 
tbeorieo  über  weseo  und  bedeutung  der  partikel  &v  (Ol  alle  ßlle  Ihiti 
gebrauches  durchführbsr  sei.  besonders  findet  die  ansieht  G.  Herminns 
eine  gründliche  tviderlegung.  finden  wir  H.  hier  tu  dbereinstioimuDg  nil 
BSumlein,  dessen  Torschungea  aur  dem  gebiete  der  griechischen  mudus- 
lebre  fruchtbarer  sind  ah  alle  rrflhera,  so  scheint  ihm  anderseits  die  von 
Baumlein  selbst  aufgestellle  theorie  nicht  allgemein  anwendbar  lu  sein, 
wie  an  einem  besondern  falle  nachgewiesen  wird,  ohne  dasi  damit  eioe 
vollstindige  Widerlegung  derselben  beabsiciitigt  ist.  auch  mir  bat  es  nie 
gelingen  wollen  alle  gebrauchs weisen  des  &\  nach  der  UtumleinKhra 
ansieht  lu  begreifen.  H.  will  nun  seiner  Untersuchung  keine  bestimmie 
theorie  Aber  fiv  zu  gründe  legen,  sondern  bei  der  ihm  speciell  Torliegea- 
den  frage  durch  vergleichende  betrachtung  den  genauen  sinn  der  einiel- 
Den  stellen  ermitteln  und  auf  diese  weise  die  Wirkung,  welche  dv  bei 
denselbcD  ausübt,  erkennen,  gewis  ist  es  wahr  dasz  nur  dann,  wenn  auf 
diese  weise  die  genaue  bedeutung  der  einzelnen  gebrauchs  weisen  des  äv 
klar  gelegt  ist,  man  daiu  Übergehen  kann  die  allgemeine  theorie  aufia- 
steJIen;  und  was  die  bisherigen  aufstellungen  schiefes  haben,  beruht 
einzig  darauf,  da»  man  von  einer  vorgefaszlen  theorie  ausgieng  und  die  , 
einzelnen  sprachlichen  erscbeinungen  derselben  anzupassen  suchte,  slalt  < 
von  der  genauen  Untersuchung  der  einzelnen  gebrauchsformen  tu  der  ' 
allgemeinen  hedeutung  des  äv  aufzusteigen,  tod  dem  angenammenea 
slandpuncte  aus  betractitet  H.  zunSchst  deu  ind.  fut.  mit  fiv  und  wt\ii 
nach,  dasz  derselbe  bei  Tb.  nicht  vorkommt,  dabei  werden  die  üellea 
I  33, 1.  11 80, 1  naher  erläutert,  eine  weitere  betrachtung  erfordert  i  140, 
5,  wo  zwischen  KaracniceTe,  6v  Kaxocn^ceTe,  Öv  KorttcnicoiTe  m 
entscheiden  ist.  das  macht  es  nötig  den  unterschied  zwischen  dem  fnl-mtl 
und  ohne  äv  und  dem  futuralen  aor.  mit  &v  zu  ermitteln,  das  resullal  i« 
hierüber  angestellten  eingehenden  Untersuchung  wird  von  H.  folgend«^ 
maszen  zusammengefaszt:  'das  schlichte  fut.  steht  zur  bezeichnung  eiiKr 
zukünftigen  wirklicbkeil,  entweder  einer  neu  eintretenden  oder  einer 
dauernden,  für  die  Vorstellung  sich  ohne  bestimmtes  ende  ausdebneDdei 
handluug;  es  musz  noch  ein  av  zu  sich  nehmen,  wenn  nicht  die  wirklldi- 
heit,  sondern  die  blosze  Vorstellung  solcher  handlung  ausgedrückt  wentea 
soll-,  der  futurale  aorist  mit  dv  tritt  ein  für  einen  einmaligen  in  der  cor- 
Stellung  sich  abschlieszenden  act  in  der  zukunft,  ohne  dasz  dabei  da5  ihA 
aussprechende  urteil  einer  mOgllchkett  oder  einem  iweifel  unterlieg« 
soll.'  nachdem  nun  so  eine  sichere  bestimmang  der  drei  ausdrticksfar 
men  gewonnen  ist,  ergibt  sich  für  I  140,  5  von  selbst  die  entscheiduog, 
dasz  der  vom  Schriftsteller  ausgedrückte  gedanke  fiv  KOraCTi^CCtiTi  er- 
fordert, darauf  betrachtet  H.  den  opt.  fut.  mit  äv,  der  V  94.  II  64,4  lU 
Variante  überliefert  ist,  und  Bndet  dasz  derselbe  an  der  ersten  stelle  mf 
derlierzustcllen  (die  neuern  ausgaben  haben  alle  öv  b^aicöe),  aa  der 
zweite»  iiniiiiisaig  ist.  dann  folgt  eine  nähere  erlauterung  derjeaigea 
stellen,  an  welchen  der  inf.  fut.  mit  fiv  handschriftlich  gesichert  isl  C 
"  71, 1,  82,  5.  VI  66, 1.  Vm  26, 5),  welche  zeigt  dui  die  übe 


J.  M.  Stahl:  »z.  v.  L.  Herbsl  fiber  &v  beim  fator  im  Thukydides.    183 

lieferuDg  mit  der  bedeatnng  des  fut.  mit  dv  im  einklange  steht,  zum 
schlösse  wenkai  die  drei  stellen  besprochen,  an  welchen  das  parL  fut. 
mit  äv  als  lesart  fiberliefert  ist  (V  15,  2.  VI  20,  2.  VII  67,  4).  wSbrend 
die  berausgeber  das  part.  fut,  hier  entweder  anzweifeln  oder  verwerfen, 
briDgt  H.  uns  zu  der  fiberseugung,  daaz  an  sämtlichen  drei  stellen  nur 
das  part.  fut,  mit  5v  dem  gedankenzusammenhange  entspricht 

Dieser  kurze  überblick  Ober  den  inhalt  der  vorliegenden  abhandlung 
wird  es  vor  äugen  legen,  wie  H.  sich  mit  echt  kritischer  melhode  Aber 
eloe  rein  luszerliche  betrachtung  der  handschriftlichen  flberlieferung,  die 
itt  ßdlen  der  hier  besprochenen  art  mehr  als  sonst  von  zofiilligkeiten  ab- 
hingig  ist,  erhebt  und  durch  rationelle  erwigung  aus  gründen  der  innern 
notwendigkeit  zu  einem  sicher  begrfindeten  urteil  gelangt,  methode  und 
gesamtergebnis  der  Untersuchung  verdienen  den  vollsten  beifall,  wenn  man 
aach  fiber  einige  einzelhelten  abweichender  meinung  sein  darf,  in  dieser 
beziehung  sind  mir  drei  puncte  aufgefallen ,  die  ich  nicht  als  vollständig 
begründet  erachten  kann,  fiber  ädriZctv  mit  folgendem  aor.  stellt  H.  die 
behauptung  auf,  dasz  fiv  den  aor.  begleite,  wenn  ein  neues  subject 
eintrete,  im  andern  fall  aber  fehle,  diese  Scheidung  ist  eine  rein  äuszer- 
llche,  und  es  ist  nicht  zu  begreifen,  warum  in  dem  einen  falle  das  ge- 
hoffte  mehr  der  Vorstellung  zufallen  soll  als  in  dem  andern;  dann  aber 
spricht  auch  durchaus  dagegen  V  39,  2  dXtriZovTCC  .  .  AaK€bai^6vioi 
. .  KO^lCOcGai  &V  aÖTOi  TTuXov,  wo  dasselbe  subject  bleibt  und  nur  in 
dem  abhingigen  satze  durch  aÖToi  (ipsi)  eine  nähere  bestimmung  erhalt, 
mir  scheint  es,  dasz  &v  wegbleibt,  wenn  eine  sichere  erwartung  oder 
Überzeugung  ausgedrfickt  wird,  hinzutritt,  wenn  blosze  hofTnung  oder 
vennutung  vorhanden  ist.  das  letzlere  ergibt  sich  II  20,  2  touc  T^p 
'AOrivaiouc  fjXtriZov  . .  icuic  &v  ^ncEeXOcTv  aus  dem  hinzugefügten 
ictuc;  dagegen  kann  VII  21,  2  die  von  Gylippos  an  die  Syrakosier  ge- 
richtete aufforderung  sich  zum  seekampfe  zu  rüsten  sich  nicht  auf  eine 
unbestimmte  hoffnung,  sondern  nur  auf  eine  fiberzeugungsvolle  erwar- 
tung stützen:  äiriZctv  T^p  dir'  adroO  ti  ^ptov  äEiov  toG  Kivbuvou 
. .  KaTcpTdcacOai.  Ilf  30, 3  gründet  sich  dXTriZIu) . .  KaroXiiqpdfivai  &v 
Tä  irpat^tora  auf  die  vorher  durch  Konrd  fäp  tö  eixöc  und  eköc  bk 
xa\  eingeführten  Vermutungen ;  mithin  ist  von  hoflnung ,  nicht  von  siche- 
rer erwartung  die  rede,  ebenso  geben  auch  VII  61,  3  xal  TÖ  Tf)c  VüXf\C 
kSv  hc6  '  fmiAiv  dXiricavTec  cxiivai  die  irapdXoTOi  des  krieges  nur  zu 
hoffbung,  nicht  zu  bestimmter  erwartung  anlasz.  I  127,  2  oO  ji^VTOi 
tocoOtov  fiXniZov  TraGciv  Sv  aöröv  toOto  ,  öcov  biaßoXf|v  otceiv 
auTi^  irpdc  Tf|V  ttöXiv,  wo  beide  fälle  vereinigt  sind,  zeigt  ou  TOCoO- 
TOV,  dasz  sie  mit  gröszerer  Sicherheit  auf  das  letztere  rechnen  als  auf 
das  erstere.  —  Ferner  stimme  ich  H.  nicht  bei,  wenn  er  bei  besprechung 
der  stelle  11  80,  8  dcpiKVOÖVTOi  ln\  CtpdTOV  iröXiv  |i€Ticirnv  Tf)c 
'AKapvaviac  vo)i{ZovT€C,  ei  Ta{m\y  irpübrnv  Xdßoiev,  ^qib(u>c  dv 
Cq)ici  rdXXa  irpogc^P^^^^V  glaubt ,  der  bedingungssatz  könne  gar  kei- 
nen einflasz  auf  die  setzung  des  dv  üben,  da  anderwärts,  wo  in  gleicher 
weise  ei  mit  dem  opt.  vorhergeht,  das  dv  beim  inf.  fut.  oder  dem  ent- 
sprechenden part.  fehle,   allein  bei  sämtlichen  stellen  dieser  art  liegt  ein^ 


184  J.  N.  Suhl:  anz.  v.  L.  Herbst  Ober  &v  beim  fulur  im  Tbukydides. 

Ibatsache  vor,  welche  die  Verwirklichung  der  bediogung  unmillelbar  er- 
warten läszt,  und  es  steht  daher  hier  jedesmal  in  dem  ideell  abhangigen 
salze  el  mit  dem  opt.  nach  dem  historischen  tempus  für  I6y  mit  dem 
conjunctiv  nach  Krüger  spr.  $  54,  12,  4.   so  erwarten  II  7, 3  6puiVT€C, 
€l  cq)(ci  q>(Xia  raOr*  etr)  ßeßaiuic,  tr^piS  Tf|v  TTeXoirövvncov  xara- 
noXc^i'icoVTCC  die  Athener  die  Verwirklichung  der  angegebenen  bedin- 
({ung  auf  grund  der  von  ihnen  abgeschickten  gesandtschaflen  (^c  Td7T€pi 
TleXoTTÖwricov  ^oXXov  xwpia  iirpccßeuovro) ;  VII  4 ,  4  Kai  el  leixi- 
cGeiii,  ^qtov  aurqj  £(paiv€To  f)  icKO^ibf)  twv  ^irtTtibeiuiv  &€c6ai 
hat  Nikias  die  befestigung  bereits  beschlossen  (T(|)i  tk  NiKiqi  iböxei . . 
TCixicm)  und  setzt  deshalb  voraus,  dasz  dieselbe  ausgefflhrt  wird,   ähn- 
lich U  20,  4.  84,  2.  Hl  62,  4.  IV  67,  5.  V  14,  3.  VI  33,  2.  56,  3. 
VH  28,  3.  VIII  48,  1.     dagegen  liegt  U  80,  8  die  annähme  eines  rein 
gedachten  falles  vor:  el  TauTT|V  irpdiriiv  Xdßoiev,  da  aus  dem  marsche 
nach  Stratos  nicht  unmittelbar  die  eroberung  desselben  erwartet  werden 
kann;  eine  solche  erwartung  liesze  sich  zunächst  nur  auf  den  spSter 
(81,  1)  erwähnten  angriff  auf  die  Stadt  gründen,  der  freilich  schon  bei 
dem  marsche  nach  Stratos  in  aussieht  genommen  war,  aber  eben  deshall) 
blosz  in  der  Vorstellung  liegt  und  nur  zu  einer  subjectiven  voraussetzong 
berechtigt,    eine  aussage  nun ,  die  sich  auf  eine  blosz  gedachte  vpraus- 
selzung  gründet,  kann  nicht  objecliv,  sondern  nur  ein  der  vorsteiloog 
angehörendes  urteil  sein,  und  daher  äv.—  In  der  stelle  V  82,5  ö  hk  bfi- 
|iOC  TUüv  'ApTeiuiV  ^v  toutc}),  q>oßou^€voc  touc  AuKCbai^oviouc 
Kttl  Tf|v  TÜJV  'AOnvaiuiv  Eu|i|iOxlav  TrdXiv  npocaTÖjicvöc  t€  kw 
vo^fi;uiv  ^^T»CTov  öv  c<päc  dicpeX^iceiv,  reixttei  jLiaicpd  xelxn  ic  öd- 
Xaccav  will  H.  Kai  vo^iZuiv  ii^t^ctov  dv  tö  reixiZciv  cqpäc  u^^eXfj- 
C€iv  verstehen,   wogegen  entschieden  die  Stellung  des  T€  Kai  spricht. 
Th.  hätte  dann  Trjv  t€  tujv  'A6iivalu>v  Hü|i|iaxtav  ndXiv  TrpocaT^Me- 
voc  Kai  voiiiCiDV  ^dytCTOV  dv  cqpac  (bqpeXriceiv  geschrieben,    wie  wir 
jetzt  lesen,  musz  Tr|V  Tuiv  'AOnvaluJV  Eu^^axlav  auch  subject  zu  uxpe- 
Xiiceiv  sein,     man  übersetze  nur:  *der  demos  der  Argeier  baute,  da  er 
sich  der  athenischen  bundesgenossenschafl  anschlosz  und  glaubte,  dasz 
sie  ihm  dann  (vgl.  V  22,  2)  am  meisten  nützen  würde,  lange  mauern 
zum  meere.'     es  wird  durch  vo^xiliDV  fii^TiCTOV  dv  C(pac  iiiq>eXric€iy 
die  handlung  des  reixlZeiv  aus  ihren  mutmaszlichen  folgen  motiviert, 
diese  auffassung  passt  auch  ganz  genau  zu  der  unmittelbar  folgenden  an- 
gäbe der  leitenden  absieht:   SiruiC,  fjv  rfic  xflc  clpTUJVTai,  fj  kcto 
edXaccav  ccpdc  ^€Td  tu&v  'AOiivalwv  diraTtwirt  täv  imTobdwv 
ibqpeX^. 

Blicken  wir  noch  einmal  auf  die  hauptresultate  der  Untersuchung 
zurück,  so  verdient  neben  den  ergebnissen  für  die  kritik  uod  erklärung 
des  Th.  vorzugsweise  die  feststeUung  der  bedeutung  des  futurum  mit  und 
ohne  dv  und  des  futuralen  aorist  mit  dv  als  ein  wesentlicher  gewinn 
derselben  bezeichnet  zu  werden. 

Köln.  Jobann  Matthias  Stahl. 


F.  Pahler  zur  erklining  des  ersten  buches  der  iloratischen  episteln.  185 

28. 

ZUR  ERKLÄRUNG  DES  ERSTEN  BUCHES  DER 
HORAZISCHEN  EPISTELN. 


Dasz  die  episteln  des  Horalius  —  mag  man  über  ihren  poetischen 
fverih  denken  wie  man  will  —  zur  gattung  der  didaktischen  poesie  ge- 
hören, kann  als  unbestritten  feststehend  angesehen  werden:  ich  finde 
sogar  gerade  darin  einen  wesenth'chen  unterschied  derselben  Yon  den 
sonst  vielfach  mit  ihnen  verwandten  satiren,  dasz  in  letzteren  dem  dich- 
ter sein  Stoff  und  die  darlegung  seiner  ansichlen  Ober  denselben  viel 
mehr  Selbstzweck  ist,  während  jene  direct  darauf  ausgehen  dem  leser 
die  meinungen  des  dichters  zu  erklären  und  aufzudrängen  (vgl.  u.  a.  i  6, 
67.  68.  I  17,  1—5).  mehr  als  anderswo  tritt  diese  didaktische  rieh- 
tung  des  Hör.  in  der  ersten  und  namentlich  in  der  dritten  epistel  des 
zweiten  buches  hervor:  die  fragen  die  er  hier  behandelt  sind  nicht  nur 
ganz  allgemeiner  nalur ,  sondern  es  fehlt  für  uns  auch  in  Ihnen  fast  jeg- 
liche spur  von  rQcksichtnahme  auf  die  adressaten,  wenigstens  von  sol- 
cher racksichtnahme,  welche  die  darstellung  des  Stoffes  beeinfluszt  hätte, 
anders  steht  es  in  dieser  hinsieht  mit  den  meisten  episteln  des  ersten 
buches:  nicht  nur  dasz  einzelne  ganz  allein  persönliche  beziehungen 
haben  und  ein  allgemeines  Interesse  nur  durch  die  persönlichkeit  des 
dichters  oder  des  adressaten  gewinnen  (so  namentlich  1  8  und  9) ,  auch 
da  wo  der  dichter  Stoffe  von  allgemeinem  Interesse  behandelt,  Ist  mei- 
stens die  färbung  gewählt  mit  rflcksicht  auf  die  persönlichkeit  an  welche 
der  brief  zunächst  gerichtet  isl,  oder  doch  auf  eine  von  dieser  persönlich- 
keit ausgegangene  (möndliche  oder  sciiriflliche)  anfrage,  aufforderung, 
blite,  wünsch  oder  dgl.  aber  es  geht  auch  bei  letzteren  eine  freiere,  so 
zu  sagen  ungeß&rbte  behandlung  des  Stoffes  nicht  unter;  ein  groszer  teil 
auch  der  briefe  des  ersten  buches  ist  geschrieben  mit  rQcksicht  auf  des- 
sen spätere  Veröffentlichung,  also  för  das  römisclie  publicum  in  seiner 
allgemeinheit ,  und  wie  auch  die  herausgeber  meistens  andeuten,  sind 
manche  briefe  (wie  I  7.  17.  18)  nicht  vollständig  zu  verstehen,  wenn 
man  nicht  jene  rücksichtnahme  des  dichters  auf  das  ganze  publicum  im 
ange  behält. 

Wenn  wir  also  auch  bei  den  episteln  des  ersten  buches  —  wenig- 
stens bei  den  meisten  —  eine  allgemeine  didaktische  tendenz  anzuer- 
kennen haben,  so  müssen  wir  auch  hier  zunächst  den  conflict  consta- 
tieren,  in  dem  der  Verfasser  von  vorn  herein  sich  befand,  und  die  aufgäbe 
präcisieren,  deren  lösung  zu  den  grösten  Schwierigkeiten  gehörte,  inso- 
fern er  lehren  will,  verlangt  von  ihm  der  leser  um  so  mehr  eine  logische 
anorduung  des  Stoffes,  als  derselbe  ein  abstracter  ist;  insofern  er  aber 
als  dichter  zugleich  unterhalten  und  ein  kunslwerk  liefern  will ,  welches 
mehr  ist  als  gereimte  prosa,  musz  er  die  logik  zu  verdecken  suchen  und 
sich  scheinbar  nonchalant  in  anmutigen  Wendungen  und  überraschender 
folge  seiner  gedartken  bewegen,  so  ist  es  tienn  eine  weit  verbreitete  an- 
nähme, als  ständen  die  gedanken  des  llor.  in  seinen  episteln  nur  in  losem 

JfthrbOcher  fUr  elati.  philol.  1868  hfu  S.  13 


186  F.  Pahle:  zur  erkUrung  des  ersten  buches  der  Hora zischen  episteln. 

zusammenhange;  die  epistolische  form  eben  soll  ihm  die  freihcit  gegeben 
haben,  die  einzelnen  gedanken  nur  an  dünnem  faden  an  einander  zu 
reihen,  dasz  von  solchem  standpunct  aus  z.  b.  die  ars  poetica  nur  als 
ein  Sammelsurium  von  regeln  der  poetik  erscheinen  kann,  liegt  auf  der 
band;  aber  auch  in  vielen  episteln  des  ersten  buches  hat  man  diesen 
festen  logischen  Zusammenhang  bisher  noch  vielfach  verkannt,  liat  ver- 
kannt dasz  Ilor.  seinem  didaktisclien  zwecke  gemäsz  die  logisciien  faden 
dick  und  fest  genug  nehmen  und  dasz  er  nur  der  dichterischen  Schönheit 
wegen  zugleich  die  knoten  fest  zu  schlingen  unterlassen  muste.  je  gluck- 
liclier  aber  unser  dichter  die  logische  trockenheit  vermieden  bat  und  je 
mehr  seine  briefe  neben  treffenden  vergleichungen  übersprudeln  von  glück- 
lichem humor  und  treffendem  witz,  desto  schwieriger  ist  es  die  Ordnung 
des  ganzen  —  unter  der  wir  denn  allerdings  nicht  eine  schulgemäszc  dis- 
position  wie  in  einem  primaneraufsatze  verstehen  dürfen  —  herauszufin- 
den; es  geht  uns  da  mit  Hör.  wie  manchmal  mit  einer  schonen  und  geist- 
vollen damc:  über  dem  zauber  ihrer  mienen,  ihrer  stimme  und  ihrer  worte 
überhören  wir  ganz ,  was  sie  eigentlich  sagt. 

Für  die  erklürung  der  meisten  Horazischen  briefe  ist  es  also  meines 
erachtens  nicht  genug,  wenn  die  Interpreten  auf  eine  *  überraschende' 
Wendung  aufmerksam  machen  oder  das  ganze  paraphrasieren ,  ohne  den 
logischen  Zusammenhang  im  einzelnen  nachzuweisen,  oder  den  liaupl- 
inlialt  resümieren,  ohne  die  teile  blosz  zu  legen,  damit  soll  denn  freilich 
nicht  gesagt  sein ,  dasz  nicht  schon  seit  längerer  zeit  die  Interpretation 
nach  dem  eigentlichen  ziele  immer  mehr  und  mehr  hindränge,  dasz  nicht 
von  einzelnen  schon  länger  im  einzelnen  tüchtig  vorgearbeitet  sei  und 
dasz  nicht  auch  schon  Döderlein,  der  meines  Wissens*)  zuerst  die  auf- 
findung  einer  art  disposilion  versuchte,  manches  schätzbare  roaterial  liabe 
benutzen  können,  es  wollen  aber  die  folgenden  Zeilen  ein  neuer  versuch 
sein  die  briefe  des  Hör.  in  rücksicht  auf  den  logischen  Zusammenhang 
der  einzelnen  teile  unter  einander  und  ihre  zusammenfügung  zum  ganzen 
zu  erklären;  dasz  ich  mir  allerdings  nicht  versagen  konnte  nebenl>ei 
Specialerklärungen  von  einzelnen  Worten  und  sätzen  auch  da  einzuschie- 
ben, wo  ihre  auffassung  den  sinn  des  ganzen  wenig  oder  gar  nicht  alle- 
riert,  ist  wol  natürlich  und  verzeihlich  genug. 

1.  Hör.  ist  von  Mäcenas  angegangen  worden  die  lyrische  dichtung 
wieder  aufzunciimen.  schon  die  vergleichung  mit  dem  rudiarius  und 
speciell  die  worte  donatum  iam  rüde  enthalten  eine  ablehnende  anl- 
wort:  ^das  wäre  gerade  eben  so,  als  wolltest  du  einen  rudiarius  auf- 


*)  bei  dieser  gelegenheit  masz  ich  im  voraus  bemerken,  dasz  mir 
die  so  immense  Iloraz-lttteratnr  keineswegs  in  ihrem  ganzen  umfange 
zn  geböte  steht  noch  bekanot  ist;  möglicherweise  haben  die  eine  oder 
andere  der  folgenden  bemcrknngen  schon  andere  vor  mir  gemacht  — 
eine  nachsieht  aber  die  ein  Döderlein  sich  erbat  darf  auch  ich  mir  er- 
bitten, dasz  mir  Döderlein  sowie  DUntzer,  Obbariiis,  Krüger  znm  teil 
wesentliche  dienste  geleistet  haben,  erkenne  ich  gern  nnd  mit  dank  an: 
^.  Am,^f  QQ^  ^^W  eben  nicht  jeder  erklärer  ganz  von  vom  anfangen. 


F.  Palile:  zur  erkilniBg  des  erstell  buches  der  üoraziscben  episteln.  187 

forden!  wieder  in  die  feditschule  zu  gehen  —  ist  also  ein  sonderbares 
ansinnen.'  mit  v.  4  beginnt  der  dichter  die  gründe  seiner  ablehnung 
anzngeben;  er  iiat  deren  zunächst  vier:  erstens  non  eadem  est  aetas^ 
non  menSj  d.  b.  ^ineine  slimmiing,  wie  sie  bei  meinem  alter  natärlich 
ist,  passt  nicht  mehr  für  das  lied';  zweitens  Veianius  ormis  .  .  exaret 
harena  d^h.  'wer  wessz,  wann  ich  dann  wieder  herauskomme,  wenn  icli 
mich  wieder  habe  ins  joch  spannen  lassen  {ne  ioiiens  exoretyi  drit- 
tens: ich  färchte  meinen  allen  rühm  selbst  zu  ruinieren  (v.  7 — 9);  vier- 
tens: jene  lyrische  poesic  ist  docli  nur  ein  ludkrum  (v.  10).  in  diesem 
▼.  10  ist  nemlich  beweis,  schlusz  und  Übergang  mit  meisterhafter  kunst 
vereinigt:  denn  nicht  grammatisch  werden  durch  ei  —  et  die  versus  direct 
als  ludiera  prädiciert,  sondern  erst  das  cetera  läszt  dieselben  gleichfalls 
als  ludiera ,  also  als  einen  an  sich  nicht  gerade  wünligen  gegenständ  des 
strebens  erscheinen  (*ich  lege  also  das  dichten  und  ebenso  auch  jedes 
andere  spiel  werk  bei  seite');  das  nunc  itaque  versus  pono  bildet  den 
sclilusz  der  dednction  von  v.  4  an;  ludiera  pono  endlich  bildet  per  con« 
trarium  den  Übergang  zu  v.  11.  12  ('ich  gebe  mich  ernsten  beschSfli- 
gungen  hin ,  und  zwar  dem  Studium  der  praktischen  philosophle'). 

Passend  folgt  nun  (daher  ac  v.  13)  die  beschreibung  der  art  und 
weise,  wie  Hör.  die  philosophie  treibt;  und  da  sind  es  zwei  angaben,  die 
er  uns  hierüber  macht,  die  eine  so  zu  sagen  vom  materialen,  die  andere 
vom  formalen  standpunct  aus.  erstens,  sagt  er,  treibe  ich  die  philosophie 
als  eklekltker  (v. '13  — 19);  übrigens,  fährt  er  fort,  studiere  ich  mit 
groszem  eifcr,  wobei  ich  nur  bcdaure  dasz  ich  zu  oft  gestört  werde 
und  nicht  so  vorwärts  komme,  wie  ich  wol  möchte  (v.  20 — 26).  im 
folgenden  verse  (27)  ist  das  his  nicht  ganz  ohne  Schwierigkeit  und  von 
DfMierlein,  wie  es  scheint,  übersehen  worden,  denu  dasz  Hör.  nach  der 
klage  V.  23.  24  fortßhrt  mit  dem  gcdanken  resiat  ut  me  soler  elementis^ 
sc  pMlosophiae  (d.  h.  darüber  dasz  ich  es  in  der  philosophie  nicht  weit 
liringe,  musz  ich  mich  damit  trösten,  dasz  ich  wenigstens  die  demente, 
die  grundlehren  mir  aneigne),  ist  natürlich  genug;  und  ebenso  wird  jeder 
gern  zugeben,  dasz  in  dieser  Verbindung  das  regam  für  erigatn  und  syno- 
nym mit  soler  zu  verstehen  sei,  wie  denn  ja  auch  v.  32  denselben  ge- 
danken ,  nur  mit  einer  feineu ,  aber  bedeutsamen  nüancierung  (quadam) 
wiederholt  oder  richtiger  gesagt  ausführt:  aber  was  ist  dann  hisl  oflen- 
bar  hat  Hör.  das  wort  elementa  doppelsinnig  gebraucht,  und  haec  ele- 
menia  sind  'meine  nur  auf  die  demente  sich  erstreckenden  kenntnisse' ; 
an  eine  rflcklieziebung  auf  v.  12,  wie  Kruger  will,  dabei  zu  denken  ist  gar 
nicht  nötig. 

Demgemäsz  steht  der  ganze  passus  v.  27 — 32  im  engsten  anschlusz 
an  das  vorhergdiende:  'wenn  ich  zu  bedauern  habe,  dasz  ich  es  bei  den 
manigfachen  Störungen  nicht  so  weit  bringen  kann ,  wie  ich  wol  möchte, 
so  musz  ich  mich  damit  trösten,  dasz  ich  wenigstens  über  die  grund- 
lehren ins  klare  komme  (v.  27);  und  dieser  trost  ist  nicht  etwa  ein  leidi- 
ger, sondern  mit  den  grundlehren  hat  man  Immer  doch  wenigstens 
etwas.'  schon  die  v.  28 — 31  eingeschobenen  vergleich ungen  aber  wei- 
sen auf  das  hin,  was  man  seihst  schon  von  den  elemenlen  hat:  Ihre  wir- 

13* 


188  F.  Pahle :  zur  erkldrung  des  ersten  buclies  der  Horazischen  episleln. 

kuog  isl  zunäclist  negativ,  indem  sie  den  menschen  frei  machen  von 
äbelü  und  mangeln  des  geistes,  und  zwar:   a)  von  moralischen  mangeln 
(v.  33 — 40);  b)  von  inteilectuellen  mangeln,  d.  i.  von  falscbeo  Vorur- 
teilen und  verkehrten  aufTassungen  (v.  42 — 51).    von  dem  zwischen  bei- 
den teilen  stehenden  v.  41  weisen  auf  den  erstem  (nur  in  einzelneu  bei- 
spielen  concret ,  nicht  in  abstracto  hingesleiitcn)  satz  zurück  die  worle 
virltis  est  prima  Vitium  fugere^  wahrend  die  worte  sapientia  prima  est 
stuUitia  caruisse  auf  das  folgende  hinweisen;  den  logischen  Zusammen- 
hang macht  man  sich  deutlich  durch  die  Umschreibung :  *wie  es  demnach 
(nach  v.  33 — 40)  der  tugend  anfang  ist,  das  laster  zu  meiden,  so  isl  es 
gleicherweise  der  Weisheit  anfang,  sich  frei  zu  machen  von  der  thorheit' ; 
es  erscheint  so  virtus  prima  als  synonym  mit  virtutis  elementa  und  stellt 
prflgnant  für  id  quod  elementa  virtutis  efficiunt.  —  Als  beispiel  der 
StuUitia  aber  stellt  der  dichter  das  Vorurteil  hin,  esse  exiguum  censum 
turpemque  repulsam  maxima  mala,   dagegen ,  heiszt  es  nun  im  folgen- 
den ,  kann  man  vom  philosophen  {meliori  v.  48)  lernen ,  dasz  diese  an- 
sieht tliöricht  (stulte  miraris)^  dasz  also  a)  alle  die  viele  auf  die  Ver- 
meidung der  pauperies  verwandte  mfihe  unnütz  sei  (v.  45  —  48).    es 
müssen  also  v.  49 — 51  notwendigerweise  h)  denselben  oder  einen  übn- 
liehen  gedanken  von  der  Vermeidung  der  turpis  repulsa  oder  von  dem 
streben  nach  äuszeren  ehren  ausdrücken;  neben  der  Schilderung  der 
mühen  um  die  Suszeren  ehren  müssen  sie  zugleich  die  auflbrderung  ent- 
halten von  diesem  thörichten  beginuen  abzulassen,   dasz  aber  unter  dem 
bilde  des  faustk5mpfers  der  candidat  gemeint  ist,  der  die  turpis  repulsa 
vermeiden  will,  liegt  klar  genug  vor:  ebenso  isl  die  Schilderung  seiner 
mühen  selbst  angedeutet  in  den  worten  circum  pagos  et  circum  compita 
pugnax^  insofern  diese  nicht  nur  darauf,  dasz  die  gesuchte  ehre  doch  nur 
wenig  werth  habe  (bildlich:  eine  ehre  sei  sie  nur  in  den  äugen  des  land- 
volks  und  des  pöbeis) ,  sondern  auch  darauf  hinweisen ,  dasz  ein  solcher 
gladiator  überall ,  an  vielen  puncten ,  also  auch  zu  wiederholten  malen 
auftreten  und  seine  künste  producicren  musz;  in  letzterer  beziehung  ist 
gerade  die  Wiederholung  des  circum  recht  malerisch,    die  Aufforderung 
endlich  von  diesem  thörichten  streben  abzulassen  liegt,  gerade  wie  vorher 
V.  48,  in  der  frageform  (quis  contemnat  ?  anlwort :  niemand),    es  handeli 
sich  in  rücksicht  auf  Döderleins  erklfirung  jetzt  nur  noch  um  die  wort- 
erklärung  von  magna  Olympia  und,  was  damit  innigst  zusammenhängt, 
von  sine  pulvere:  sind  magna  Olympia  die  eigentlichen  olympischen 
spiele  oder  *der  tugendpreis'?  und  heiszt  sine  pulvere  wörtlich  'ohne 
staub'  oder  bildlich  'ohne  mülie'?    dasz  in  rücksicht  auf  turpis  repulsa 
v.  43  die  beiden  letzteren  bedeutungen  vorwiegen  müssen,  verlangt  nach 
dem  entwickelten  zusammenhange  die  stelle  mit  not  wendigkeit;  aber  wie 
Hör.  den  candidaten  um  Huszere  ehren  nur  unter  dem  bilde  eines  faust- 
kampfers,  der  in  den  dörfern  auftritt,  darstellt,  so  wird  auch  der  Süsse- 
ren, wertblosen  ehre,  die  jener  anstrebt,  der  'tugendpreis'  nur  unter 
dem  bilde  des  olympischen  siegespreises  gegenübergestellt:   Hör.  will. 
meine  ich,  magna  Olympia  zunächst  in  rücksicht  auf  den  pugnax  von 
den  eigentlichen  olympisclien  spielen  verstanden  wissen,  hat  aber,  wie 


F.  Pable :  zur  crklärung  des  ersten  bticlies  der  Horazischen  episleln.  189 

so  oft,  das  gleicbnis  io  dcu  hauptgedanken  verwoben  oder  vielmehr  bier 
das  gleicbnis  als  wirklichen  bauptgedanken  hingestellL  der  sinn  der 
stelle  ist  also:  wie  ein  faustkäinpfcr  sich  nicht  am  den  beifall  des  dorf- 
und  gassenpublicums  abmühen  wird ,  wenn  er  aussiebt  hat  den  höchsten 
Siegespreis  im  fauslkampf  zu  Olympia  und  zwar  sine  pulvere^  ohne  den 
Jästigen  staub ,  zu  erringen :  ebenso  soll  der  menscli  nicht  trachten  nach 
den  wertblosen  äuszeren  ehren,  da  ihm  höhere  und  schönere  (dulcis 
▼.  51)  -ehren  zu  geböte  stehen  ohne  Suszere  anstrengungen. 

Dasz,  wie  die  verse  45 — 48  autexiguum  censum^  so  auch  die  verse 
49—51  auf  turpem  repulsam  zurückweisen  und  die  letzteren  nicht  etwa 
eine  bildliche  crliuterung  zu  den  ersteren  sind ,  dieser  auffassung  wider- 
sprtclit  auf  den  ersten  anblick,  dasz  v.  52  IT.  ganz  entschieden  allein  auf 
exiffuum  censum  zurückblicken,  so  dasz  v.  49 — 51  störend  dazwischen 
zu  treten  scheinen,  aber  es  bat  der  dichter,  dasz  es  slulliiia  sei  sich  um 
geld  und  gut  zu  mülien,  dasz  es  höhere  ehren  als  ehrenstelien  gebe,  v.  45 
— 51  eben  nur  behauptet:  mit  v.  52  tritt  er  für  diese  behauptung  den 
lieweis  an.  ein  guter  schüler  würde  nun  freilich  gewissenhaft  den  beweis 
führen  in  bezug  sowol  ^\xt  pecunia  als  auf  honores;  dasz  Hör.  sich  über 
diese  schülerhafte  behandlung  hinwegsetzt  und  im  folgenden  nur  noch 
von  der  pecunia  redet,  wird  ihm  jeder  gern  verzeihen,  es  liegt  demnach 
m  v.  52  der  bauptton  auf  den  neu  eingeführten  mriuies;  'es  gibt  (nem- 
lich)  etwas  besseres  als  geld  und  gut ,  die  tugend.'  den  beweis  aber  für 
diesen  satz  liefert  der  dichter  nun  scheinbar  höchst  indirect,  indem  er 
dem  vulgären  gcschrei  nach  geld  (v.  53— -56)  und  der  vulgären  roisach- 
lung  des  biederuiannes  ohne  vermögen  (v.  57.  58}  gegenüberstellt  das 
spieliied  der  knaben ;  doch  sehen  wir  genauer  zu,  so  hat  er  für  die  werth- 
schätzung  der  tagend  folgende  gründe :  1)  die  werthschätzung  der  tugend 
ist  in  der  menschlichen  natur  iustinctiv  begründet:  denn  a)  schon  die 
knaben  singen  rex  eris^  si  rede  fades,  b)  die  tugend  ist  von  jeher  hoch- 
geschätzt worden  (v.  64);  2)  die  lugend  gewährt  die  innere  ruhe  des 
guten  gewissens  (v.  60.  61);  3)  die  tugend  gewährt  kraft  und  stärke 
gegenüber  den  schlagen  des  Schicksals  (v.  65 — 69).  dasz  Hör.  die  beiden 
glicder  des  ersten  satzes  trennte  und  das  zweite  zwischen  den  zweiten 
und  dritten  hauplsatz  einschob  und  so  gewissermaszen  als  anbängseKzum 
zweiten  hauptsatz  erscheinen  liesz,  geschah  wol  zu  dem  zwecke,  die  bei- 
den letzteren  abstracten  sätze  zu  trennen  und  so  durch  die  ganze  beweis- 
föhrung  eine  lebendige,  concrete  anschauung  hindurch  gehen  zu  lassen. 

Dem  so  eben  in  wenigen  drastischen  zügen  entworfenen  bilde  des 
tugendhaften  bicdermannes  stellt  Hör.  nun  —  und  dadurch  vollendet  er 
erst  eigentlich  den  beweis  des  in  v.  52  aufgestellten  satzes  —  in  sati- 
rischer weise  das  bild  des  in  seinen  bemühungen  um  geld  und  gut  zer- 
fahrenen publicums  (v.  70 — 80),  sowie  des  wetterwendischen  und  launen- 
haften individuums  aus  dem  publicum  (v.  80—93)  gegenüber,  auch  in 
dem  letzteren  dieser  beiden  bilder  hat  sich  der  dichter  (wie  v.  64)  eine 
abweichung  von  der  schulgemäszen  disposition  der  gedanken  erlaubt; 
eine  solche  würde  den  v.  90  hinter  v.  93  verlangen,  gerade  die  einschie- 
bung  desselben  in  seine  jetzige  stelle  verbietet  aber  in  v.  91  die  von 


190  F.  Palile:  zur  erkläriuig  des  erstell  buches  der  Uorazisclien  episteln. 

Döderleio  gewunscblc  und  durch  änderung  der  inier^^unclion  {quid?  pau- 
per  —  ride!  —  mulat)  eingeführte  Steigerung;  und  es  weist  zwar 
augenscheinlich  das  pauper  zurück  auf  dives  (v.  84),  aber  lieiueswegs 
gegensätziicli.  Hör.  will  von  v.  83  an  den  in  v.  82  aufgestellten  salz 
[eosdem  homines  non  posse  horam  durare  eadem  probantes)  beweisen ; 
da  dieser  salz  aber  aufgeslcllt  ist  und  gelten  soll  zunächst  nur  in  bezug 
auf  die  Stellung,  weldie  die  alllagsmenschen  zu  dem  geld  und  seinem  gc- 
nusse  einnehmen,  so  ist  es  ganz  natOrlich,  dasz  er  seinen  salz  zunächst 
auch  nur  in  bezug  auf  den  der  geld  hat  (dives)  beweist  und  dann  v.  90 
thut,  als  habe  er  seinen  beweis  nunmehr  schon  zur  genüge  geführt,  als 
stände  v.  84  nicht  dives ^  sondern  homoi  da  fällt  ihm  denn  ein,  dasz  er 
die  andere  classe  von  menschen,  die  pauperes^  noch  vergessen  habe; 
also:  quid  pauper?  d.  1.  *und  wie  macht  es  der  arme?'  —  antworl:  *er 
macht  es  nicht  besser;  Proteusnaturen  sind  sie  alle.' 

Es  hat  aber  der  dichter  die  launenhafügkeit  der  einzelnen  alltags- 
menschen geschildert  nicht  mehr  in  bezug  auf  die  art  des  gelderweiiies, 
sondern  des  genusses  der  glücksgüter  und ,  da  dieser  die  iebensweise  im 
allgemeinen  fast  ganz  beherscht ,  auch  in  bezug  auf  die  letztere  im  allge- 
meinen; so  ist  es  mehr  die  launenhaftigkeit  an  sich  geworden,  die  er 
uns  vorführt,  von  solcher  launenhaftigkeit,  fährt  er  nun  mit  v.  94  fort, 
soll  jeder  sich  frei  machen;  diesen  salz  aber,  der  eigentlich  auf  v.  40 
zurückgeht  und  zunächst  in  seiner  allgemeinen  gültigkeit  nur  eine  still- 
schweigende folgerung  aus  der  ganzen  vorhergehenden  deduction  ist, 
wendet  er  sofort  speciell  auf  sich  selber  an ,  auf  die  allgemeine  Stellung 
des  Mäcenas  zu  ihm  gerade  in  bezug  auf  diese  frage ,  wie  impÜcite  im 
besondern  auf  das  Verhältnis  der  bitte  des  Mäcenas  zu  dieser  philoso- 
phisch-moralischen aufgäbe  die  Hör.  sich  stellen  zu  müssen  glaubt,  denn 
das  ist  der  sinn  und  inhalt  von  v.  94  bis  zum  schlusz:  *du  wirst,  nament- 
lich da  du  so  ängstlicli  um  mein  äuszeres  auftreten  besorgt  bist,  mir 
sicherlich  nicht  wehren  wollen,  wenn  ich  bemuht  bin  mich  von  solcher 
launenhaftigkeit  und  Unbeständigkeit  frei  zu  machen  und  zu  erhallen; 
das  kann  ich  aber  erreichen  nur  durch  angestrengtes  Studium  der  Philo- 
sophie.' selbstverständlich  ist  dann  die  folgerung:  *also  lasz  mich  philo- 
sophieren I'  —  aber  gerade  dadurch  wird  nun  der  ganze  excurs  von  v.  11 
an  über  des  dichters  philosophische  Studien  und  über  den  werth  und  die 
bedeutung  der  philosophie  zu  dem  fünften  und  wesentlichsten  gründe,  mit 
dem  Hör.  seine  ablehnung  der  bitte  des  ftläcenas,  die  lyrische  dichtung 
wieder  aufzunehmen,  motiviert;  und  jetzt  erst  verstehen  wir  ganz  die 
stelle  V.  20 — 26,  womit  der  dichter  offenbar  dem  Mäcenas  schon  den 
wink  geben  wiU,  dasz  seine  philosophischen  bestrebungen  ihm  keine  zeit 
lassen  und  dasz  jede  Störung ,  also  auch  etwaige  lyrische  dichtungen ,  die 
er  auf  verlangen  ausarbeiten  müste,  ihm  unangenehm  seien. 
Demnach  ist  folgendes  der  gedankeogang  unserer  epistel : 
Deiner  bitte  mich  wieder  der  lyrik  zu  widmen  kann  ich  nicht  will- 
fahren (v.  1 — 3) :  denn 

A)  in  meinem  alter  hat  man  für  das  lied  nicht  mehr  die  rechte  Stimmung 

(v.  4); 


F.  Pable :  zur  eriUruog  iles  ersten  buclies  der  Horazischen  episleln    191 

B)  fange  icli  wieder  iu,  %vcr  weiss  wann  ich  dann  wieder  loskomme  (v.  4 
Veianius  — 6); 

{))  ich  fdrchle  meinen  dichlemibm  selbst  preis  zu  gelten  (durch  schlech- 
tere dichlungen,  wie  sie  das  alter  nicht  anders  producieren  kann) 
(v.  7—9). 

D)  die  poesie  ist  tandelei  (r.  10). 

C)  ich  habe  angefangen  mich  der  philosophie  zu  beOeiszigen  (v.  11  —  12): 

I)  als  ekleküker  (v.  13—19); 

il)  dennoch  mit  eifer,  so  dasz  jede  Störung  mich  unangenehm  berührt 

(v.  20—26). 
111)  bringe  ich  es  auch  nicht  weit,  so  fördern  und  uützen  doch  auch 
schon  die  anfange  (v.  27 — 32):  denn 

1)  sie  befreien  von  moralischen  mängelu  (v.  33—40), 

2)  sie  befreien  von  intellectuellen  mSngeln ,  z.  b.  in  räcksicht 

a)  der  schjilzung  des  geldes  (v.  42 — 48), 

b)  der  Schätzung  der  ehrenstellen  (49 — 51). 

Zu  a)  a)  die  philosophie  lehrt  die  'tugend'  ober  alles  schätzen  und 
das  geld  verachten  (v.  52 — 69). 
ß)  lächerlich  und  verächtlich  sind 

1)  die  arten  des  gelderwerbes  (v.  70  —80) , 

2)  die  laimenhafligkeit  und  Veränderlichkeit  der  men- 
schen in  dem  genusse  der  glflcksgüter  und  in  ihrer 
lebensweise  im  aligemeinen  (v.  81 — 93). 

f)  von  solcher  inconstantia  befreit  nur  das  Studium  der  phi- 
losophie —  darum  lasz  mich  philosophieren  (v.  94 — 108). 

2.  Das  erste  dritteil  dieses  briefes ,  bis  zu  v.  26  hin ,  ist  in  seiner 
anldge  klar  und  versländlich  genug ;  es  dient  als  beweis,  wie  der  dichter, 
sobald  er  es  mehr  mit  sachen  zu  thun  hat,  in  der  folge  der  gcdankcn  von 
der  gewöhnlichen  regel  nicht  abweicht  und  hauptsächlich  nur  reihen  von 
au  sich  trockenen  abstractionen  durch  scheinbares  '  irrlich  teueren '  an- 
mutiger zu  maclien  bemüht  ist.  zu  bemerken  hätte  ich  nur  noch  zu  citr 
Ha  crediderim  (v.  5)  gegen  Krüger,  der  das  perfect  nur  erklären  kauD, 
indem  er  der  Wortbedeutung  von  credere  gcwalt  aotliut  (^ich  liabc  die 
Überzeugung  gewonnen  und  hege  sie  also  noch'),  dasz  ich  —  und  ich 
glaube ,  auch  die  meisten  leser  des  dichters ,  obgleich  die  ausgaben  sonst 
hier  schweigen  —  von  jeher  den  indirccten  fragsatz  als  aus  der  beschei- 
denen behauptung  ila  crediderim  (für  iia  credam  oder  Ua  credo)  ent- 
standen angesehen  habe,    ferner  möchte  ich  v.  12  f.  so  inlerpungieren: 

Nestor  camponere  Utes 
inter  Peliden  festinat  et  inier  Atriden: 
hunc  amor^  ira  quidem  communOer  urit  utrumqüe: 
quidquid  delirant  reges  ^  plectuntur  Achim. 
denn  so  erscheint  v.  13  als  erklärung  von  Utes  (v.  12)  und  v.  14  als  der 
erfolg  der  bemühungen  des  Nestor:  ^Nestor  ist  bemüht  den  streit  zwi- 
schen dem  Peliden  und  dem  Atriden  zu  schlichten;  dieser  [nemlich]  ist 
von  der  liebe,  beide  zugleich  vom  zorn  in  leidenschafl  versetzt:  [aber] 


192  F.  Pahle :  zur  erklärung  des  erslen  buches  der  Horazischcn  episteln. 

sie  rasen  in  ihrer  leidenscliafl  weiler,  und  freilich  —  die  Achäer  luässen 
es  buszen.' 

Bei  V.  27  befinde  ich  mich ,  wie  die  lueislen  hgg. ,  niclit  in  Überein- 
stimmung mit  Döderlein,  der  die  freier  und  die  Phäaken  in  gegensatz 
stellt  einerseits  zu  "Paris,  Achilleus,  Agamemnou  (als  bcispielen  grosz- 
artiger  leidenschaft} ,  anderseits  zu  Odysseus  (als  bcispiel  groszartiger 
Weisheit);  denn  während  Hör.  die  Weisheit  des  Odysseus  preist,  hat  er 
die  leidenschaftcn  jener  beiden  der  llias  im  lichte  des  tadeis  erscheioen 
lassen,  es  können  also  wol  die  freier  und  die  PhSakeu  nur  im  gegen- 
satz  zu  dem  weisen  und  namentlich  auch  zu  dem  klug-enllialtsamen 
(v.  24)  Odysseus  gemeint  sein,  verständlicher  wäre  der  dicliter  gewesen, 
wenn  er  den  v.  27  nachgestellt  hätle  (etwa  so:  dem  schönen  beispielc 
des  Odysseus  gegenüber  stehen  die  freier  und  die  Pbäaken,  die  da  nur 
ihren  bauch  pflegten  usw.;  und  —  solche  leute  sind  wir!). 

Mit  der  erwähnung  der  freier  und  Phäalten  aber  hat  Hör.  nun  ge- 
rade einen  faulen  fleck  in  dem  Charakter  seiner  zeit  berührt,  die  gleich- 
gültigkelt  gegen  die  idealen ,  insbesondere  die  philosophischen  bestrcbun- 
gen ;  nichts  natürlicher  also,  da  er  davon  ausgegangen  ist  dasz  die  lectürc 
des  Homer  die  philosophischen  Studien  oder  doch  die  anwendung  der 
Philosophie  auf  das  leben  fördere,  als  dasz  er  in  längerer  paränese  (von 
V.  32  an)  diese  gleicbgultigkeit  zu  bekämpfen  sucht:  es  ist  also  dieser 
teil  der  epistel  wesentlich  mit  an  das  römische  publicum  im  allgemeinen 
und  erst  am  Schlüsse  wieder  an  den  jungen  Lollius  (puer  v.  67)  im  be- 
sondern gerichtet  der  gedankengang  aber  dieser  paränese  ist  mir  nun 
folgender: 

a)  nur  philosophische  Studien  können  uns  von  mängek  des  geistes 
(z.  b.  invidia ,  amor  v.  37)  frei  machen ;  und  köiperiichen  leiden 
abzuhelfen  sind  wir  docli  immer  bereit  (v.  32 — 37). 
6)  darum  eile  {fesiinas  v.  38),  wie  du  ja  auch  bei  körperlidien  lei- 
den mit  der  heilung  nicht  zu  säumen  pflegst,  und  schieb  die 
philosophischen  Studien  nicht  auf  (v.  38—43). 
c)  die  entschuldigung,  dasz  das  geschäft  und  die  sorge  um  des  Ici- 
bes  notdurft  für  die  philosophischen  Studien  keine  zeit  lasse,  ist 
eitel:   denn  der  mensch  bedarf  in  dieser  hinsieht  nur  äuszerst 
wenig  [und  dies  wenige  ist  leicht  bescbafTl]  (v.  44 — 46), 
cQ  und  schätze  [selbst]  kann  der  mensch  nicht  genieszen  ohne  gei- 
stige gesundheit  [die  nach  dem  obigen  nur  die  philosophie  bringt], 
da  die  geistigen  mängel  jeglichen  genusz  vergällen  (v.  47 — 54). 

e)  aber  es  führen  die  letzteren  auch ,  wenn  sie  nicht  beseitigt  wer- 
den, schlieszllch  zu  positivem  schaden  (v.  55 — 62);  so  erzeugt 

1)  die  Wollust  (v.  55)  schmerzen , 

2)  die  habsucht  (v.  56)  das  gefühl  der  bedfirfligkeit, 

3)  der  neid  (v.  57.  58)  magerkeit, 

4)  der  Jähzorn  (v.  59—62)  unüberlegte  handlungen. 

f)  daher  —  noch  einmal  —  bezwinge  [durch  philosophisclic  Stu- 
dien] solclie  leidenschaften ,  und  zwar  namentlich  du ,  Lollius,  so 
lange  du  noch  jung  bist  (v.  62 — 69). 


F.  Pahle :  zur  erkläruog  des  erslen  bucbes  der  Horazischco  episteln.  193 

Zur  erläulening  und  begröndung  dieser  auffassung  mögen  noch  fol- 
gende bemcrkungen  dienen,  bei  argentum  (v.  44)  hal  Döderlein  zurück- 
gegriffen auf  die  crklärung  ^silbcrgeräl' ;  die  dann  in  den  versen  44.  45 
liegende  Irias  (prunksucht,  geldgier,  bauwut)  findet  er  wieder  in  v.  47 
(wo  domus  ei  fundus  dann  aof  die  bauwut,  auri  acerpus  auf  die  geld- 
gier, endlich  aeris  acervus  auf  die  prunksucht  geben  soll),  ich  meine, 
im  letzteren  vcrse  musz  schon  die  Verbindung  von  aes  und  aurum  durch 
el  und  ihre  gemeinschaftliche  Unterordnung  unter  acervus  uns  abhalten 
unter  €tes  etwas  anderes  als  einen  dem  aurum  synonymen  begriff  zu  ver- 
stehen ;  will  man  die  erste  trias  (in  v.  44.  45)  wiederfinden  in  v.  47,  so 
stelle  man  lieber  domus  dem  uxor^  fundus  dem  pacantur  vomere  sihae^ 
aeris  acervus  et  auri  dem  argentum  zur  seite.  nun  aber  wäre  es  doch 
sonderbar,  wenn  Hör.  schon  v.  44  die  avaritia  geiszelte,  um  sie  v.  56 
ueben  anderen  leidenschaften ,  die  an  dieser  stelle  mit  ihr  ganz  auf  glei- 
cher stufe  behandelt  werden ,  noch  einmal  zu  geiszelu :  da  würde  eben 
jegliche  logik  aufhören  und  ein  wirkliches  Irrlichtelieren  anfangen,  da 
jedoch  Hör.  unmittelbar  vorher  gegen  den  aufschub  predigt,  so  ist  nichts 
natürlicher  als  dasz  er  auch  —  zur  begründung  seiner  aulTorderung  —  die 
entschuldigungsgrflnde  der  säumenden  zurückweist  diese  aber  sind  nach 
meiner  auffassung  in  v.  44.  45  angegeben,  und  am  besten  vergleicht  man 
mit  dieser  stelle  das  gleicbnis  ev.  Luc.  14, 16  ff.:  *der  eine  sagt,  ich  musz 
geschäfte  machen  und  verdienen;  der  andere  sagt,  ich  bin  gerade  darauf 
aus  mir  eine  reiclie  frau  zu  suchen;  der  dritte  sagt,  ich  musz  erst  meinen 
acker  bestellen.'  von  diesen  einwänden  nun  tragen  der  erste  und  der 
letzte  ihre  gemeinsame  beziehung  deutlich  genug  zur  schau:  es  ist  die 
sorge  um  des  leibes  notdurft,  welche  jene  säumigen  zum  verwände  neh- 
men ;  aber  dieselbe  beziehung  will  meines  erachtens  llor.  auch  bei  dem 
zweiten  einwände  andeuten  durch  den  zusatz  beata^  welcher  überhaupt 
um  so  weniger  überflüssig  erscheint,  als  der  säumige  ja  nur  dann,  wenn 
er  nicht  jede  beliebige  zur  frau  nehmen  will,  zu  suchen  nötig  hat.  und 
auf  diese  einwände  antwortet  dann  Hör.  v.  46 :  *  soviel  als  du  brauchst 
hast  du  leicht,  wenn  du  genügsam  bist,  und  mehr  brauchst  du  nicht: 
also  dürfen  und  sollen  solche  sorgen  dich  nicht  hindern.'  dasz  hier- 
bei das  quaerUur  in  zweierlei  bedeutung  (quaeritur  argentum  ==  es 
wird  geld  erworben,  quaeritur  uxor  =  es  wird  eine  frau  gesucht) 
genommen  ist,  hat  nichts  auffälliges,  da  beide  begriffe  eng  verwandt 
sind  und  nur  der  deutsche  Sprachgebrauch  ein  doppeltes  verbum  ver- 
langt. 

Der  in  v.  47  liegende  gegensatz,  den  ich  im  obigen  schema  durch 
den  zusatz  ^selbst'  andeutete,  Ist  nun,  glaube  ich,  auch  klar  genug:  'was 
hilft  das  blosze  sorgen  um  des  leibes  noUlurft?  hast  du  des  irdischen 
gutes  auch  noch  so  viel,  es  befreit  dich,  wie  von  körperlichen  leiden, 
ebensowenig  von  geistigen  gebrechen  (z.  b.  cupido  und  meius)^  die  jeg- 
lichen genusz  verkümmern.'  demnach  ist  valeat  (v.  49)  nicht  auch  auf 
die  geistige  gesundheit  zu  beziehen ;  es  bezieht  sich  auf  corpore  febres 
(v.  48),  wie  qui  cupit  aut  meiuit  auf  animo  curas:  ich  würde  demnach 
nach  cogitat  uti  statt  des  herkömmlichen  puuctums  ein  Semikolon  sctzeu, 


}94  F.  Paiile:  zur  erklärung  des  ersten  buclies  der  Uorazischen  epislela. 

da  tue  beiden  sätzc  valeat .  .  u(i  und  gut  cupit .  .  dolentes  den  satz  non 
.  .  deduxit  corpore  febres^  non  animo  curas  crlHulcrn. 

In  V.  60 — 62  hat  Döderlein  die  interpunction  geändert,  so  dasz  der 
satz  ira  furor  brems  est  nachsatz  wird  zum  Vordersatz  dum  poenas  .  . 
inulto ;  icii  glaube  mit  unrecht,  denn  einmal  wird ,  da  v.  59  schon  von 
der  ira  als  einer  verwerflichen  leidenschaft  die  rede  gewesen  ist,  in  v.  62 
niemand  von  selbst  mehr  an  den  'gerechten  zorn'  denken^  und  es  er- 
scheint also  durchaus  unnötig ,  dasz  Hör.  noch  ausdrucklicli  hervorheben 
sollte,  unter  welchen  umständen  die  ira  ein  furor  sei;  zugleicli  aber 
wurde  auf  diese  weise  der  dichter  seiner  beweisfahrung  durch  den  Zu- 
satz brevis  die  spitze  abgebrochen  haben  (man  denke  nur:  wenn  der  zorn 
so  und  so  handelt,  dann  ist  er  raserei  —  freilich  nur  eine  vorüber- 
gehende} ;  dagegen  nimt  brevis  sich  recht  gut  aus ,  wenn  man  (nach  dem 
punctum  hinter  inulto)  den  salz  ira  furor  brevis  est  sich  nackt  hinge- 
stellt denkt:  ^dcr  zorn  ist  nemlich  eine  raserei,  wenn  auch  nur  eine  vor- 
übergehende.' dazu  kommt  dasz  im  folgenden  die  werte  regere,  com- 
pescere  frenis  et  catena  auf  den  zorn  besser  passeu  als  auf  jede  andere 
leidenschaft,  wie  denn  ja  auch  animus  und  ira  sonst  vielfach  fast 
synonym  gebraucht  werden,  dagegen  habe  ich  nicht  angestanden  die 
auffordcrung  in  v.  62.  63,  die  dem  Wortlaut  und  der  (gewöhnlichen) 
Satzverbindung  nach  zunächst  nur  die  ira  betrifft,  auch  auf  die  anderen 
leidenschaften  implicile  zu  beziehen:  die  freihcit,  die  Uor.  sich  in  der 
ersten  epistel  nahm,  indem  er  von  v.  52  au  die  honores  ganz  unerwähnt 
liesz ,  ist  eine  viel  gröszere. 

Nun  noch  einige  worte  über  den  schlusz ,  den  man  gewöhnlich  als 
empfelilung  der  aurea  mediocritas  auch  in  dem  Studium  der  philosopliie 
ansieht,  so  schön  dieser  gedanke  auch  an  sich  ist  und  so  schöne  paralle- 
len man  zu  demselben  nicht  nur  aus  Cicero  sondern  auch  aus  unserm 
Horatius  selber  nachweisen  kann,  so  ist  doch  derselbe  hier,  wo  der  dich- 
ter einem  jungen  freunde  so  eben  einen  energischen  anfang  des  philoso- 
phischen Studiums  mit  ernst  und  wärme  ans  herz  gelegt  hat,  ebenso  we- 
nig am  platze  wie  ep,  I  6, 15  f.,  wo  Döderlein  denselben  schon  vor  jähren 
so  treffend  zurückgewiesen  hat;  einem  junger  der  Weisheit  zu  sagen, 
er  solle  seine  Studien  nur  nicht  zu  hastig  treiben,  wäre  frevel  am  Jüng- 
linge selber,  es  sind  die  letzten  worte  nee  praecedentibus  insto  meines 
erachtcns  vielmehr  ein  ausdruck  der  bescheidenheit  des  Hör.  seinem  wenn 
auch  jugendlichen ,  doch  seiner  familienverbindungen  wegen  angesehenen 
freunde  gcgenülier:  Ovarien'  sagt  er  ^auf  die  trägen  und  säumenden  kann 
und  mag  ich  nicht;  doch  kann  ich  auch  nicht  von  mir  sagen,  dasz  ich  es 
schon  weit  gebracht  hätte  und  den  vorder.nten,  den  ersten  schon  auf  den 
fersen  folgte'  (vgl.  ep.il,  27).  während  nemlich  anteire  (v.  70}  mehr 
relativ  zu  nehmen  ist  (Svenn  du  mir  voraus  bist'),  fasse  ich  das  syno- 
nyme praecedere  hier  ganz  absolut  und  praecedens  ebenso  wie  prae- 
sians,  welches  letzlere  ja  aucli  ursprünglich  relative  nebenbeziehung  hat 
und  doch  als  reines  adjectlvum  mit  dem  absoluten  begriffe  des  Vorzug* 
liehen,  Irefllicben'  gebraucht  wird  (vgl.  QuinL  VIU  2,  13  convimum 
.V  ^„  laedtia). 


F.  PaUe:  iw  etiiäno^  4es  crstca  hmtkts  4er  Bomüdwa  «pisteln.  1% 


Za  3  nr  Ae  l<Muiig  4asE«  mcaa  IMcrkni  ▼.  :?8  es  vono^  die 
Worte  koe  9pms  ab  beMadcn  saU  i=  A«e  re  «p««  €«r*  awbdassea,  ihw 
ofleab»  die  wiii««g  der  aasfiMra,  weidbe  die  anfiordetuag  sa  recbi 
dringüch  erichf»eB  fist,  ^au  CBlfaBgca  isL 


4  Diese  cpisld,  das  haba  wel  seboa  die  meistea  eiilSrcr  ^efUilU 
ist  bei  weiten  ncfat  so  Jcichl  wie  sie  aifaags  aassiehU  veaa  auch 
maoebe  omidliserweise  aebr  scbwierigfceilea  dario  gesvcbl  babea  als 
wirklieb  forüegea.  die  haaplTeraBlaasug  la  derselbea  fir  Hör.  isl  wol 
am  deotlicbsUB  io  des  beides  letzlen  rersen  aosgesprocbea :  dieselben 
siad,  wcBfl  Man  Mir  aiebl  vius  =•  vidMs  aimL,  dae  eialadiiag  tu  einem 
besuche  (ond  Tielleichc  ist  dies  der  gnnd,  dasi  bei  der  herausgäbe  der 
briele  Hör.  diese  epislel  mil  dem  einladaagsscbreiben  an  TorquaUis  zu- 
sanuneoslellte) ,  zugleich  aber  auch  eine  hunorislisch  eingeUeideie  nadi- 
richl  fiber  des  dichlers  damals  gerade  recht  erfreulichen  gesundbeilszu- 
stand.  vergleicben  wir  aber  die  ari  ond  form  dieser  einladung  mit  der 
der  folgenden  epistel,  so  erscheint  sie  offenbar  nur  als  eine  gelegenl* 
liehe,  nebensächliche,  und  demnach  möchte  ich  das  ganze  fär  niclits  mehr 
als  einen  freundschafUichen  gelegenheilsbrief  halten,  bestimmt  die  zwi- 
schen beiden  dichtem  obwaltenden  freundschafUichen  beziehungen  zu 
pflegen,  oder  mit  einem  worte  für  ein  stuck  der  zwischen  beiden  frcuu- 
den  gepflogenen  correspondenz ,  welches  unser  dichter  der  ab%vech$elung 
wegen  einmal  in  poetische  form  zu  gieszen  beliebt  hat.  eben  daliin  zielen 
denn  auch  deutlich  die  an  den  adressaten  gerichteten  fragen  v.  2 — 5  über 
seine  augenblicklichen  beschJlAjgungen,  firiUirend  zugleich  die  anrede  v.  1 
vielleicht  sclilieszen  lAszt,  dasz  TibuUus  sich  brieflicli  gegen  Hör.  ein 
urteil  über  seine  sermonen  erlaubt  hatte,  wenn  damit  der  Suszero  Cha- 
rakter des  briefes  richtig  gezeichnet  ist,  so  dfirfen  wir  natürlich  in  dem- 
selben eine  logische  einbeit  nicht  verlangen;  der  briefsteller  plaudert 
eben  seinem  freunde  alles  vor,  was  er  auf  dem  herzen  hat.  entweder 
sind  dies  nun  aber  gerade  ganz  disparate  dinge  (wie  z.  b.  in  dem  bricfe 
au  Iccius  I  12),  wo  dem  Schreiber  scblieszlich  nichts  übrig  bleibt  als  in 
raschem  sprunge  eine  neue  gedankenreihe  zu  beginnen;  oder  aber  es 
lassen  sich  die  dinge  wenigstens  durch  irgend  einen  zwischengcdankcn 
an  einander  reihen,  bei  letzterer  Sachlage  tritt  dann  nalürlicli  der  fall 
ein,  den  die  meisten  erklärer  leider  bei  allen  eplstelu  wollen  gelten  lassen, 
dasz  nemlich  die  das  ganze  zusammenhallenden  fäden  nur  luszerst  dünn 
gewoben  sind,   und  diesen  fall  haben  wir  in  unserer  epistel. 

Die  V.  2—5  an  TibuUus  gerichteten  fragen  setzen  alle  bei  dem- 
selben geistreiche  beschäftigungen  voraus :  und  diese  Voraussetzung  be- 
gründet der  dichter  offenbar  mil  den  Worten  non  tu  corpus  eras  sine 
peciore  v.  6.  dieser  beweissalz  wird  dann  näher  erläutert  durch  die 
worte  rfi  tibi  formam^  di  tibi  divilias  dederuni  arlemque  fruendi^  wo 
forma  und  divitiae  als  äuszere  guter  auf  corpus^  die  ars  fruendi  auf 
pectus  zurückweist,  wie  aber  dieser  zweite  salz  {di  tibi  .  .  fruendi) 
schon  den  erstcrcn  {non  tu  corpus  eras  sine  pectore)  verallgemoincrl 
hat  — «  denn  wie  wenig  deckt  pectus  die  ars  fruendi]  —  so  verallge- 


"Ui  1'    i'4iiM.  iitf  efiläniB^  des  ersten  buches  der  Horaziscbeii  episleln. 

••■  .iiv'iu  'lOM  U«  ^erse  8 — 11  das  vorlicrgeiiende  volktändig  zu  dem  ge- 
i.Kvii.  ubctiMMfl  bist  du  ein  wahres  gtückskind',  und  zwar  wiederum 
t.^ii  H0>^  I»  nlcisicfat  auf  ftuszere  guter,  sondern  auch  auf  geistige 
V  '  .  V  «4r  man  der  letzte  gedanke  eingekleidet  in  die  frage:  was 
■>;  WH.*  viiM«  MMM  ihrem  glQckskind  von  Säugling  wol  noch  zu  wünschen 
.1»«.^  '  %tt«l  m  Verbindung  mit  dem  vorhergehenden  erwartet  Hör.  vom 
w  N«.  i  JMi  oMlwort  ^nichts',  aber  der  dichter  hat  in  seiner  scherzhaften 
'ja«K  ^Kk^  Moch  etwas  einem  solchen  glückskind  zu  wünschen.»  nemlich: 
<«iK*«  l;ftS4  das  sorgen  usw.  anderen  leuten ,  geniesz  du  froh  den  augen- 
>»iKk.*  dies  und  nichts  anderes  ist  der  sinn  der  verse  12 — 14;  und  nur 
IM  die&er  auffassung  können  dieselben  den  passenden  ubergang  bilden  zu 
ik'T  folgenden  mitteilung  über  des  Hör.  wolbeGnden :  'wenigstens  ich  be- 
^Uiik  mich  bei  befolgung  dieses  Epikureischen  grundsatzes  kannibalisch 
wol*  dasz  an  dieser  stelle  inier  (gerade  wie  1  12,  14)  einen  esciusiven 
sinn  haben  kann;  dasz  femer  die  worte  des  v.  13  nicht  zu  bedeuten 
brauchen  *sei  jeden  augenblick  todesbereit',  sondern  ebenso  gut  be- 
deuten können  'sieh  jeden  augenblick  als  den  lelzten  des  genusscs  an', 
wird  jeder  gern  zugeben :  wenn  man  dann  aber  nur  sperabitur  (v.  14} 
in  dem  prägnanten  sinne  von  ^erhoffen'  nimt  (denn  erhofft  man  eine  neue 
stunde,  so  kann  mau  nicht  zum  rechten  genusz  der  gegenwärtigen  kom* 
men) ,  so  heiszt  grata  superveniei  'die  stunde  wird  als  eine  angenehme 
d.  h.  wiederum  genuszreiche  hinzukommen',  eine  paraphrase  der  letzten 
fünf  verse  möchte  ich  so  fassen:  'ich  will  dir  sagen,  was  dann  der  mensch 
noch  braucht:  man  äberlasse  das  hoffen  und  sorgen,  das  fürchten  und 
ärgern  anderen  leuten  und  denke  jeden  tag,  dieser  könne  wol  der  letzte 
sein  und  müsse  also  genossen  werden ;  um  so  angenehmer  und  willkom- 
mener wird  jede  neue  stunde  herankommen,  wenn  man  nicht  mit  bangen 
und  hoffen  auf  sie  gewartet  hat  und  während  ihrer  dauer  nicht  mit  bangen 
und  hoffen  auf  eine  neue  wartet,  das  wenigstens  ist  der  grundsalz,  bei 
dessen  befolgung  ich  rund  und  fett  werde:  komm  nur  und  überzeuge 
dich,  und  du  wirst  grund  zu  lachen  haben,  wenn  du  siehst,  wie  ich  durcli 
mein  Epikureisches  leben  ein  aussehen  gewonnen  wie  ein  mastschwein.' 
dasz  llor.  hier  scherzhaft  übertreibt  und  dadurch  zum  umgekehrten  heuch- 
Icr  wird,  ähnlich  wie  ep.  I  15,  ist  klar  genug;  den  scherz  wenigstens 
bekundet  die  wähl  der  ausdrücke  In  den  beiden  letzten  versen. 

5.  Die  ehrenrettung  des  Torquatus  hat  Döderlein ,  wenigstens  was 
die  crkiärung  von  v.  13  betrifft,  nach  meiner  meinung  mit  vollständigem 
erfolge  durchgeführt ;  weniger  überzeugend  scheint  mir  seine  Interpreta- 
tion von  v.  8 ,  obgleich  ich  weder  selbst  eine  bessere  zu  bringen  weisz 
noch  anderswo  eine  bessere  gefunden  habe. 

Der  gedankengang  ist  im  allgemeinen  klar  genug;  im  einzelnen 
möchten  folgende  bemerkungen  dem  einen  oder  andern  leser  willkom- 
men sein,  der  7e  vers  steht  auf  den  ersten  anblick  störend  da,  und 
zwar  w«;gen  des  attributs  munda^  auch  wegen  des  verbum  splendet^  um 
"->  V.  22 — 24  einen  ähnlichen  gedanken  ausfuhrlicher  behan- 
'*,s  flllt  jede  Störung  weg,  sobald  wir  nur  aus  dem  verse  den 


F.  Pa]ile:  zur  erkJarung  des  ersten  buches  der  Iloraziscfaen  episleln.  197 

gedanken   ^ich  erwarte  dich  bestimmt',  der  so  zu  sagen  zwischen  den 
Zeilen  steht,  herausschälen:  dann  ersdielot  dieser  vers  nach  der  angäbe 
des  zu  erwartenden  getränkes  ebenso  passend  eingefdgl,  wie  v.  3  nach 
der  angäbe  der  zu  erwartenden  speisen,     in  solcher  fassung  und  bei 
dieser  gedankenfolge  kann  natürlich  splendere  erst  recht  nicht  auf  das 
feuer  des  herdes  bezogen  werden,  was  übrigens  auch  sonst  wol  die 
meisten  neueren  erklärer  aufgegeben  haben.  —  V.  10  kann  ich  trotz 
Obbarius  und  mancher  anderen  ausleger  wamung  nicht  umhin  veniam 
somnumque  =  veniam  somni  zu  nehmen,    denn  wie  wenig  zunächst 
die  ergänzung  bibendi  zu  veniam  hier  passt,  liegt  auf  der  band,  da  es 
doch  ättszerst  unschicklich  und  gegen  Octavian  nlcksichtslos  von  Hör. 
wire  zu  sagen:  *da  morgen  Cäsars  gebiirtstag  ist,  so  haben  wir  die  beste 
gelegenbeil  heute  uns  zu  bezechen.'   aber  «emVi,  wie  manche  wollen, 
absolut  für  ^musze,  freiheit  von  geschäfien'  zu  nehmen  ist  meines  er- 
achlens  unmöglich:  denn  venia  heiszt  'nachsieht,  wilJfahrung'  u.  dgl., 
es  verlangt  also  namentlich  in  der  redensart  veniam  dare  eine  attributive 
bestimmung,  die  angibt  oder  andeutet,  in  welcher  hinsieht  venia  gewährt 
wird,  und  wo  ein  solches  attribut  fehlt,  ist  es  wenigstens  aus  dem  zu- 
sammenhange  leicht  zu  entnehmen,   nun  aber  ist  es,  da  wir  bibendi^  wie 
wir  eben  gesehen,  nicht  supplieren  dürfen,  unmöglich  etwas  anderes  als 
somni  aus  dem  somnumque  binzuzunehmen ,  und  es  heiszt  dann  dies  dai 
veniam  somni  =  der  tag  hat  nichts  dagegen,  wenn  du  länger  schläfst, 
d.  h.  er  verlangt  keine  arbeit  von  dir.   damit  will  ich  nun  freilich  nicht 
gesagt  haben ,  dasz  veniam  somnumque  in  grammatischem  sinne  so  viel 
sei  wie  veniam  somni;  der  dichter  hat  hier  nur,  wie  er  überhaupt  gern 
coordiniert,  wo  die  strenge  logik  eine  Subordination  verlangt,  die  nähere 
bestimmung  der  venia  so  gegeben,  dasz  der  leser  sogleich  das  wort 
finde,  aus  welchem  er  die  attributive  bestimmung  zu  venia  ergänzen 
könne,   ebenso  ist  ep.  \  1,  81  alüs  rebus  studiisque  dem  sinne  nach 
nichts  anderes  als  aliarum  rerum  siudiis:  denn  es  ist  an  dieser  stelle 
nur  die  rede  von  den  verschiedenen  arten  des  strebens  der  menschen 
nach  geld,  und  die  res  cuius  studio  tenentur  homines  ist  bei  allen  die- 
selbe, nemlich  die  pecunia,   nicht  anders  steht  es  ep,  I  2, 36  mit  studiis 
ei  rebus  honestis:  denn  dasz  Hör.  gerade  wesentlich  an  das  studie- 
ren (der  Philosophie)  und  nicht  etwa  an  gute  handiungen  und  thalen, 
die  ja  vielleicht  instinctiv  ausgeführt  werden  können,  denkt,  zeigt  deut- 
lich der  vorhergehende  vers  35.    stellen  dieser  art  hat  Obbarius  zu  ep. 
I  2,  60  verwechselt  mit  solchen,  in  denen  dem  erstem  substanliv  ein 
synonymum  von  schärferer,  umgrenzterer  bedeutung  hinzugefügt  wird. 
—  Dasz  Döderlein,  nachdem  er  v.  25.  26  den  unterschied  zwischen  coeat 
und  iungatur  so  fein  hervorgehoben,  indem  er  cotre  auf  die  cena^  iungi 
auf  den  speciellen  platz  bei  tische  bezieht,  Paulys  interpunction  noch  an- 
sprechend gefunden,  wundert  mich:  denn  da  Torquatus  aus  den  aufge- 
zählten namen,  welche  die  tischgesellschaft  bilden  sollen ,  nicht  ersehen 
kann,   wen  speciell  er  zum  tischnaclibar  erhalten  wird  [quocum  iun^ 
gaiur)^  so  kann  wenigstens  ui  par  iungatur  pari  nicht  von  adsumam 
abhängig  sein,  sondern  musz  zum  vorhergehenden  gehören ;  auch  schlieszt 


198  F.  Palile:  zur  erklSrung  des  erslen  Inicbes  der  (lorazischen  episteln. 

sich  an  ne  fidos  inter  amicos  sii  qui  dicta  foras  elimnet  dem  gedanken 
nach  das  ut  coeai  par  iungaturque  pari  viel  zu  ungezwungen  an ,  als 
dasz  man  es  davon  trennen  dürfle,  und  die  erwähnung  gerade  dieser 
J[)eido|i  lelztgenannlen  ohiiegenheilen  des  wirtes  {ne  .  .  eliminet  und  ut 
.  .  pari}  gibt  es  dem  dichter  dann  in  den  sinn  dem  Torqualus  die  fibrigen 
gSslc  zu  nennen. 

6.  Dasz  das  nil  v.  1  im  gegensalz  zu  geistigen  gutem  und  idealen 
nur  res  exiernae  bedeutet,  geht  aus  dem  Zusammenhang  und  dem  In- 
halt des  ganzen  klar  genug  hervor;  die  beziehung  dieses  wortcs  aber 
von  vorn  herein  auf  'glQcksgüter'  zu  beschränken ,  dazu  Ist  nicht  allein 
kein  grund  vorhanden,  sondern  es  zwingen  auch  fast  die  verse  3 — 5 
diese  heschränkung  nicht  zuzulassen,  den  sinn  dieser  letzteren  fasse  ich 
so,  dasz  ich  zu  sunt  nicht  ergSnze  quidam  oder  non  nullit  sondern  viel- 
mehr muUi  oder  plurimi;  dann  ist  der  sinn:  'das  nil  admirari  erringen 
die  meisten  menschen  in  bezug  auf  die  doch  so  erhabenen  himmelser- 
scheinungen',  und  so  erscheint  formido  als  synonymum  von  admiratio^ 
wie  die  verba  exterret  (v.  11),  (orpei  (v.  14),  suspice  (v.  18),  so  dasz 
es  unnütz  wird  darüber  zu  streiten,  ob  Hör.  die  abergläubische  oder  die 
religiöse  furcht  im  äuge  gehabt  habe,  'und'  so  fährt  der  dichter  v.  5 — 8 
fort  ^das  nil  admirari  sollte  man  nicht  fertig  bringen  iu  bezug  auf  die 
irdischen  dinge?'  auf  die  so  gefaszte  frage  erwartet  der  dichter  eben 
unbedingt  von  seinem  leser  die  antwort  ja,  d.  h.  er  weisz  sich  mit  sei- 
nem leser  d.  i.  zunächst  Numicius  einverstanden,  die  mit  v.  9  beginnende 
straffe  dcmonstration  aber  nötigt  uns  in  bezug  auf  die  nun  folgenden 
gedankcn  das  gegenteil  anzunehmen:  sei  es  dasz  Numicius  gegen  llor. 
brieflich  oder  mundlich  belreiTende  Suszerungen  gethan,  sei  es  dasz  Hör. 
wesentlich  das  ganze  römische  publicum  und  speciell  den  teil  desselben 
ins  äuge  faszt,  der  sich  oberflächlich,  aber  eben  auch  nur  oberflächlich 
mit  der  phllosophie  beschäftigte,  genug  er  demonstriert  wie  gegen  einen 
anders  denkenden ,  dasz  der  satz  nil  admirari  in  bezug  auf  die  glucks- 
gillcr  nicht  nur  das  non  cupere  für  den  nichtbesitzer,  sondern  auch  das 
non  timere  für  den  besitzer  in  sich  schlieszc.  es  wendet  sich  der  dichler 
also  in  diesen  versen  (9 — 14)  gegen  das  sicher  oft,  vielleicht  auch  von 
Numicius  selber  gehörte,  dem  wahren  philosophen  aber  als  durchaus  lai 
erscheinende  raisonnement:  dasz  es  recht  gut  sei,  wenn  die  philosophie 
lehre  dasz  man  den  äuszeren  glücksgütern  nicht  nachjagen  solle;  dasz 
es  aber  doch  niemandem,  der  einmal  in  dem  besitz  derselben  sich  be- 
fände, verargt  werden  dürfe,  wenn  er  sich  dieselben  zu  bewahren  und  zu 
erhalten  bemüht  und  besorgt  sei.  und  was  ist  dann  natürlicher  als  dasz 
diese  gemeine  rede  aller  derer,  denen  es  mit  der  philosophie  nicht  der 
rechte  ernst  ist,  gipfelte  in  dem  satz:  'wenn  die  philosophie  das  (nemlich 
auch  das  nil  timere  vom  besitzer  der  glücksgüter)  verlangt,  dann  ver- 
langt sie  zu  viel  und  führt  zum  unsinn.'  genau  dies  aber  steht  v.  15.  16 
in  den  worten  insani  sapiens  nomen  feral^  ultra  quam  satis  est  viriu- 
tem  si  petat^  d.  h.  'verlangt  ein  philosoph  die  virtus  in  solchem  über- 
masz,  so  ist  er  ein  narr.'    den  zusatz  ipsam  nun  zu  diesen  worten  hat 


F.  Pahle:  zur  erklärung  des  ersten  buches  der  Horazischen  episteln.  199 

schon  Doderlein  anniherod  zur  genüge  erklSrl;  aber  er  ist  doch  wieder 
fehlgegangen,  wenn   er  das  ultra  quam  sa(i$  est  und  das  tpsam  als 
zweierlei  auffaszte  und  für  est  ein  et  setzen  möchte:  denn  meines  er- 
acblens  ist  die  virtus  ipsa  nicht  nur  das  von  der  wahren  pliilosopbie 
verlangte  ideal  der  tugend ,  sondern  zugleicli  in  dten  äugen  jener  leute, 
die  so  reden,  ein  nimium^  ein  ultra  quam  satis  est.  —  Und  nun  die 
Worte  aequus  iniquU  man  lialte  nur  zunächst  die  grundbedeutung  von 
aequus  d.  i.  gleich  fesL    im  moralischen  sinne  übersetzen  wir  dies 
wort  durcli  ^billig' ;  aber  die  beiden  begrifle  aequus  und  ^billig'  decicen 
sich  durchaus  niclit.    der  biliigdenkende  ist  bemüht  einem  andern  mdg- 
lichst  wenig  übles,  möglichst  viel  gutes  zukommen  zu  lassen,  sofern  er 
es  ohne  unrecht  gegen  sich  selbst  oder  gegen  einen  dritten  ermöglichen 
kann;  der  aequus  dagegen  will  jedem  das  geben,  was  seinem  wahren 
Verdienste  gleichkommt:  er  erstrebt  eine  aequitas,  eine  gleichheit. 
letzlere  aber  ist  etwas  absolutes:  während  der  billige  leicht  unbillig 
werden  kann,  mdem  er  auf  kosten  des  einen  dem  andern,  gegen  den  er 
die  billigkeit  üben  will,  zu  viel  gibt,  kann  der  aequus  nie  iniquus  wer- 
den, da  er  nach  allen  seiten  die  aequitcts  sucht  —  ein  gedanke  den  wir 
im  deutschen  uns  deutlicher  miichen  durch  das  abstractum,  indem  wir 
sagen,  dasz  gleichheit  nie  Ungleichheit,  das  gleiche  nie  das  ungleiche  sein 
oder  werden,  dasz  also  am  wenigsten  die  aequitas  ipsa^  die  absolute 
gleichheit,  je  Ungleichheit  sein  könne,   gehen  wir  damit  zu  unserer  stelle 
zurück ,  so  hat  Hör. ,  wie  er  in  den  versen  9 — 14  einen  nicht  mit  klaren 
Worten  liesondcrs  genannten  eintvand  zu  widerlegen  sucht,  in  den  versen 
15.  16  die  spitze  dieses  einwandes  zunächst  genannt  (mit  den  Worten 
insani  sapiens  nomen  feratj  ultra  quam  satis  est  virtutem  si  petat 
ipsam\  aber  zugleich  auch  widerlegt  mit  den  worten  aequus  iniqui.   es 
ist  dies  nerolich,  um  mit  Döderlelns  worten  (zu  «p.  I  5,  8)  zu  reden, 
^einer  der  hundert  fälle ,  wo  der  dichter  und  redner  das  vergleichungs- 
glied,  das  bild,  mit  seinem  gegenbilde  parataktisch  verbindet  und  coor- 
cliniert,  statt  syntaktisch  und  subordiniert.'    uro  ganz  deutlich  zu  reden, 
Hör.  hätte  nach  ferat  ein  non  magis  quam  {=  ebenso  wenig  wie)  cin- 
scliieben  müssen,  denn  das  ist  der  sinn  seiner  worle:  du  siehst  also,  dasz 
die  virtus  etwas  ebenso  absolutes  ist  wie  die  aequitas  (von  der  es  doch 
selbstverständlich  niemand  bezweifelt),  und  dasz  es  also  ein  nimium  in 
der  virtus  nicht  gibt  und  nicht  geben  kann ;  ebenso  wenig  wie  die  aequi- 
tas ipsa  ein  nimium  in  der  aequitas  sein  kann,  ebenso  wenig  ist  die 
virtus  ipsa  ein  nimium  in  der  virtus;  und  so  wenig  wie,  wer  aequitatem 
ipsam  übt,  dadurch  iniquus  wird,  ebenso  wenig  ist  der  sapiens^  der 
virtutem^)  ipsam  petita  ein   narr.  —  Freilich  geschieht  diese  art  der 
parataxis  bei  Hör.  in  der  regel  durch  ei  oder  que\  aber  das  asyndeton  ist 
ifim  auch  sonst  ganz  geläufig:  so  ist  z.  b.  ep,  1  2, 49  animo  curas  gegen- 
hild   zu  corpore  febres  (v.  48)  und  ebd.  v.  51  qui  cupit  aut  metuit 
^egenbild  zu  valeat  (v.  49),  ohne  dasz  bild  und  gegenhild  durch  eine 
conjunction  mit  einander  verbunden  wären  (s.  oben  meine  erklarung). 

*)  für  den  pbilosophen  —  nnd  als  solchen  geriert  sich  ja  Hör.  in 
umerer  epistel  —  ist  natürlich  virhis  nnd  snpientia  dasselbe. 


200  P.  Pahle:  zur  erklSning  des  ersleo  budies  der  Horazisdien  episleln. 

Gerade  \n  diesen  versen  15.  16  aber  finde  icb  nun  eben  die  kröne 
und  den  bauptinfaalt  der  ganzen  epistel ,  die  eben  eine  empfehlung  der 
virtus  ipsa  sein  soll  und  will,  die  nächsten  ?erse  (17 — 23)  gehen  erst 
noch  einmal  auf  den  ausgaugspuncl  der  letzten  deduction  (v.  5  quid  cen- 
ses  usw.  bis  iBcL  v.  8)  zurück:  'also  willst  du  noch  wirklich  in  irgend 
einer  weise  dich  um  irdische  guter  quälen  V ;  und  hiervon  wird  dann  der 
aus  der  nalur  der  irdischen  guter  selbst  genommene  grund  für  das  nil 
admimriy  nemlich  ihre  Vergänglichkeit  unmittelbar  angeknöpft  (v.  24 — 
27).  hieran  schlieszt  sich  dann  die  paränese,  der  erkannten  Wahrheit 
nun  auch  praktisch  in  jeder  hinsieht  die  ehre  zu  geben  und  alles  zu  thun 
was  sie  verlangt,  mit  dem  motive  dasz  sie  zum  glflcklichen  leben  führe, 
während  die  anderen  sogenannten  glficksgfller  auf  ironisch -humoristische 
weise  in  ihrer  nacktheit  und  lächerlicbkeil  mit  kurzen ,  drastischen  zQgen 
dem  ruhigen ,  in  sich  zufriedenen  weisen  gegenübergestellt  werden.  — 
Nächst  der  hinweisung,  dasz  bei  der  zuletzt  erwähnten  leidenschaft,  der 
liebe,  die  ironie  in  dem  kurzen  zusatze  Mimnermus  uii  censet  foder 
willst  du  dir  etwa  von  einem  [leichtfertigen]  dichter  wie  üimnermus 
lebensregeln  holen?')  enthalten  ist,  bedarf  es  nur  noch  der  bemerkung 
zu  v.  33  IT.,  dasz  Döderlein  hier  nicht  scheiden  durfte  zwischen  a)  erwerb 
und  b)  reichtum ,  da  beide  begriffe  auf  das  engste  zusammengehören  f  leg 
dich  nur  auf  den  erwerb,  denn  geld  ist  ja  natürlich  das  schönste  auf  erden'). 

Demnach  hätten  wir  folgende  Ordnung  der  gedanken : 

1)  nichts  zu  bewundern  gewährt  das  höchste  glück  (v.  1.  2). 

2)  dazu  gehört  aber,  dasz  man  nicht  nur  die  auszenwelt  Überhaupt 
gleichgültig  betrachtet,  sondern  auch  namentlich  gleichgültig  ist 
gegen  die  irdischen  guter  (v.  3—8). 

3)  die  volle  gleichgültigkeit  gegen  diese  aber  verlangt  nicht  nur,  dasz 
man,  wenn  man  sie  nicht  hat,  sie  nicht  sucht,  sondern  auch  dasz 
man,  wenn  man  sie  hat,  ihren  verlust  nicht  fürchtet;  nur  wer  es 
dahin  bringt,  hat  die  wahre  tugend  und  Weisheit  (v.  9 — 16). 

4)  dasz  aber  die  irdischen  guter  nicht  glücklich  machen  können ,  er- 
hellt schon  aus  ihrer  Vergänglichkeit  (v.  17 — 27). 

5)  also  strebe ,  um  glücklich  zu  leben ,  nach  dem  ideale  der  tugend 
(v.  28—31). 

6)  sonst  bliebe  dir  nichts  übrig  als  deinen  etwaigen  leidenschaften  zu 
folgen;  also  etwa 

a)  nach  geld  zu  jagen ,  als  ob  du  damit  alles  gluck  der  erde  hät- 
test (v.  31—48);  oder 

b)  dich  um  ehrenslellen  demütig  zu  bemühen,  die  doch  Hans  und 
Kunz  zu  vergeben  haben  (v.  49 — 55);  oder 

c)  den  bauch  zu  pflegen ,  um  dich  lächerlich  zu  machen  wie  Gar- 
gilius,  und  um  jede  edlere  regung  in  dir  zu  ersticken  wie  die 
gefährten  des  Otlysseus  (v.  56 — 64) ;  oder 

d)  der  Hebe  zu  fröhnen,  wie  leichtfertige  dichter  es  anrathen, 
als  ob  von  solchen  lebensweisheit  zu  holen  wäre  (v.  65.  66). 

7)  damit  leb  wol.  meine  ansieht  kennst  du  jetzt:  weiszt  du  es  liesser, 
so  sag  es  mir;  sonst  richte  dich  nach  meinen  lehren. 


F.  Pahle:  zur  erklärusg  des  ersten  buches  der  HoraziBchen  episteln.  201 

7.  Es  ist  dies  ein  in  vielfacher  hinsieht  äusserst  feio  und  elegant 
angelegter  brief,  der  uns  recht  eigentlich  den  feinen,  wellmAnnisdien 
tact  unseres  diditers  nicht  weniger  als  seinen  männlichen  sinn  und  Cha- 
rakter zur  unmittelbaren  anschauung  bringt,  denn  immerhin  muste  es 
für  ihn  eine  peinliche  aufgäbe  sein,  seinem  hoben  gönner  aber  seine  Stel- 
lung zu  ihm  klaren  wein  einzusdienken ;  es  gibt  eben  dinge  die  man 
sehr  gut  wissen  und  denken ,  es  gibt  lebensregeln  und  grundsätze  nach 
denen  man  sehr  gut  handeln  kann ,  die  man  aber  doch  anderen  gegen- 
über nur  sehr  schwer  auszusprechen  vermag,  ohne  zu  beleidigen  oder 
wenigstens  anzustoszen:  und  dasz  der  hier  behandelte  gegenständ  zu 
den  delicatesten  puncten  gehört,  wer  möchte  das  leugnen?  bei  aller  ent- 
schiedenheit  des  ausdruckes  aber,  wo  er  auf  die  hauptpuncte  kommt  und 
wo  es  gilt  seine  —  entschiedene  —  gesinnung  und  meinung  auszuspre- 
chen (z.  b.  V.  34  und,  wie  wir  gleich  sehen  werden,  v.  44  f.),  weisz  Hör. 
doch  zugleich  diese  hauptpuncte  gleichsam  nur  nebenbei  zu  berühren 
und  durch  humoristische  Wendungen  und  scherzhafte  anekdoten  nicht 
nur  dem  Mäcenas  anzudeuten ,  dasz  er  immer  noch  mit  ihm  auf  freund- 
schaftlichem fusze  stehe  und  stehen  wolle,  sondern  zugleich  denselben 
wo  möglich  in  eine  heitere  laune  zu  versetzen  und  so  in  ihm  das  gefflhl 
der  Verstimmung  über  die  hauptsache  nicht  aufkommen  zu  lassen. 

Als  ersten  grund  seines  langem  ausbleibens  gibt  Hör.  die  besorgnis 
um  seine  gesundheit  an ,  die  ihn  nötige  die  ungesunde  heisze  Jahreszeit 
fern  von  Rom  (v.  8)  zuzubringen,  dasz  diese  entschuldigung  süchhaltig 
ist,  leuchtet  jedem  leser  ein  und  wird  also  auch  dem  Mftcenas  einge- 
leuchtet haben;  auch  drücken  die  verse  3.  4  deutlich  genug  aus,  dasz 
Hör.  dieses  Zugeständnis  bei  seinem  gönner  voraussetzt,  daran  knüpft 
nun  aber  der  dichter  v.  10  if.  die  mitteilung,  dasz  er  auch  den  ganzen 
winter  über  ausbleiben  werde,  während  doch,  da  Hör.  im  anfang  nur  die 
heisze  Jahreszeit  vorgeschoben,  Mäcenas  bestimmt  hoffen  durfte  nach  den 
Worten  quodsi  bruma  nives  Mbanis  iUinet  agrü  zu  lesen  vales  tuus 
redibit  et  ie^  dulcis  amice,  revisei.  bei  der  lesung  der  worte  ad  mare 
descendet  vates  iuus  muste  Mäcenas  sich  geteuscht  und  also  verstimmt 
fohlen,  und  Hör.  konnte  in  seinen  äugen  undankbar  erscheinen,  da  er  so 
wenig  auf  die  bitten  und  wünsche  seines  gönners  achtete ;  der  dichter 
niusz  also  im  folgenden  den  etwaigen  Vorwurf  der  Undankbarkeit  zurück- 
weisen und  zugleich  sein  ausbleiben  auch  während  des  winters  entschul- 
digen oder  rechtfertigen:  denn,  wolgemerkt,  letzteres  ist  mit  dem  erste- 
ren  entschuldigungsgrunde  (wegen  der  heiszen  Jahreszeit)  nicht  entschul- 
digt, und  «die  worte  sibi  parcet  (v.  11)  können  das  fernere  ausbleiben 
zunächst  höchstens  motivieren,  aber  der  bitte  des  gönners  um  baldige 
rflckkehr  gegenüber  nicht  entschuldigen  oder  gar  rechtfertigen. 

Dem  vorwürfe  der  Undankbarkeit  begegnet  Hör.  zunächst  mit  der 
Versicherung,  dasz  Mäcenas  vollen  anspruch  auf  seine  dankbarkeit  habe, 
und  zwar  nicht  allein  seiner  wolthaten  wegen ,  sondern  wesentlich  auch 
wegen  der  edlen  art  und  weise ,  wie  er  sie  ihm  erwiesen,  letztere  wird 
geschildert  zunächst  durch  zwei  gegensätze,  nemlich  des  calabreslschen 
Wirtes  und  des  Verschwenders,    die  pointe  der  anekdote  vom  erstem 

JahrbOclMr  fOr  claas.  phÜoL  1S68  hft.  8.  14 


202  F.  Pable:  zur  erkllruog  des  ersten  buches  der  Horazischen  episteki. 

aber  ist  offenbar  die ,  dasz  er  elwas  verschenken  will  *was  doch  nur  die 
Schweine  bekommen'  d.  h.  dinge  deren  werlhlosigkeit  er  selber  recht 
gut  kennt  (von  einer  ^demfltigung'  des  empfingers  kann  meines  erach- 
tens  gar  keine  rede  sein,  da  letzterer  ja  nicht  aunimt);  der  Verschwender 
dagegen  verschenkt  zwar  werthvolle  dinge,  aber  er  selbst  kennt  ihren 
werth  nicht  und  weisz  sie  nicht  zu  wOrdigen ;  beiden  gegenfiber  steht 
der  edle  mann  {vir  bonus  et  sapiens)^  der  zu  werthvoilen  gaben  stets 
bereit  ist,  aber  auch  ihren  werth  wol  kennt  —  man  sieht,  dignis  v.  22 
kann  durchaus  nur  neutrum  sein,    wie  dann  die  betrachtung  über  die 
beiden  entgegengesetzten  Charaktere  v.  21  mit  dem  gedanken  schlosz, 
dasz  solche  art  zu  geben  nur  Undankbarkeit  erzeuge,  so  liegt  per  contra- 
rium  nach  v.  26  der  allgemeine  gedanke  versteckt,  dasz  der  edle  geber 
dankbarkeit  verlangen  könne:  und  diesen  allgemeinen  gedanken  wendet 
Hör.  gleich  v.  24  auf  sein  specielles  verhAltnis  zu  Hflcenas  an.   diese  con- 
dicio  des  lUcenas ,  sein  anspruch  auf  dankbarkeit  ist  eben  mit  laus  und 
mit  merens  angedeutet,  und  mit  letzterem  worte  wird  der  hohe  herr 
selbst  als  edler  geber  und  woithater  bezeichnet;  Hör.  sagt  also  v.  24: 
^meine  pflicht  ist  es  nun,  mich  der  liebenswflrdigkeit  meines  wollhSters 
werth  zu  beweisen ;  und  das  werde  und  will  ich  stets  thun'  {praesiabo). 
das  etiam  dient  also  nicht  zur  verstflrkung  des  pro  laude  tnerentis,  son- 
dem  verbindet  den  ganzen  satz  mit  dem  vorhergehenden  {ei  tarn  prae- 
stabo  =  und  so  will  ich  denn  auch  usw.).  —  Er  kann  aber  sich  des 
edlen  gebers  wfirdig  erweisen  nur  durch  dankbarkeit  (wie  das  schon  der 
gegensatz  zu  v.  21  deutlich  anzeigt);  dem  sinne  nach  kommt  also  hier 
dignus  dem  gratus  gleich;  aber  dennoch  ist  ein  wesentlicher  unterschied 
zwischen  beiden  ausdrucksweisen,  insofern  dignutn  pro  laude  meren- 
iis  eben,  wenn  auch  nur  entfernt,«  andeutet,  dasz  ein  vir  bonus  et  sa- 
piens auch  eine  andere  als  die  vulgare  dankbarkeit  verlange ,  und  somit 
schon  darauf  anspielt,  dasz  ein  edler  empßnger  dem  edlen  wollhater 
gegenüber  doch  seine  freiheit  und  Selbständigkeit  nicht  aufzugeben  brau- 
che,  zunächst  freilich  faszt  Hör.  den  ausdruck  dignum  pro  laude  meren- 
tis  scheinbar  nur  för  gleichbedeutend  mit  gratus  und  fihrt  v.  25 — 28 
fort:  *  wenn  du  aber  darauf  hiu  (d.  f.  in  rflcksichl  auf  deine  ansprüche 
auf  meine  dankbarkeit;  es  liegt  dies  in  dem  quod)  verlangst,  dasz  ich 
stets  um  dich  sein  soll,  so  muszt  du  mich  erst  wieder  jung  machen.'  er 
kommt  also  auf  das  hauptthema,  die  entschuldigung  wegen  des  aus- 
bleibens  auch  wahrend  des  winters,  zurdck;  dieser  sein  erster  grund 
weist  zurflck  auf  das  sibi  parcet  (v.  11)  und  ist  eben  der,  dasz  sein  ge- 
sundheltszustand  im  allgemeinen ,  wie  er  mit  dem  höheren  alter  sich  ge- 
staltet habe,  ihm  gebiete  nicht  immer  seinen  aufenthalt  in  Rom  zu  neh- 
men, die  scherzhafte  laune,  in  welcher  der  dichter  diesen  entschuldigungs- 
grund  vorbringt,  ist  unverkennbar:  die  gliederung  finde  ich  in  dem  drei- 
maligen reddes  (mir  fehlt,  sagt  Hör.,  a)  kraft  und  rOstigkeit  des  körpers; 
b)  witz  und  anmut  der  Unterhaltung;  c)  lebenslustiges  gemdt). 

Es  scheint  nun  zwar  dieser  entschuldigungsgrund  auf  den  ersten 
blick  durchaus  zutreffend:  denn  so  unangenehm  es  dem  HScenas  vielleicht 
auch  war,  den  Umgang  mit  seinem  geistreichen  freunde  so  lange  nnd 


F.  Pahl«:  zur  erkläniDg  des  ersten  buches  der  Horazischen  epislelo.  203 

zwar  noch  den  ganzen  winter  über  entbehren  zu  müssen,  er  konnte  doch 
unmöglich  dem  dichter  den  aufenthalt  in  Rom  zumuten,  wenn  diesem  die 
schwache  des  alternden  körpers  das  verweilen  in  der  hauptsladt  verbot, 
aber  schon  der  humor.  In  dem  Hör.  an  unserer  stelle  von  seioem  alter 
spricht,  zeigt  deutlich,  dasz  es  ihm  mit  diesem  entschuldigungsgrunde 
nicht  so  rechter  ernst  ist,  dasz  er  selbst  nicht  so  recht  an  die  Stich- 
haltigkeit desselben  glaubt  und  also  auch  bei  Mäcenas  den  rechten  glau- 
ben daran  kaum  voraussetzt:  und  allerdings  war  ja  Hör.,  als  er  diesen 
brief  schrieb,  gewis  in  höheren  jähren,  aber  doch  sicher  noch  nicht  ein 
verfallener  greis;  lingere  ruhe  und  pflege  des  körpers  mochten  ihm  ganz 
gut  thun ,  waren  aber  doch  sicher  nicht  absolut  notwendig,  auch  würde 
nach  meiner  meinung  Hör.,  wenn  er  wirklich  sich  jetzt  schon  hinlänglich 
entschuldigt  und  gerechtfertigt  gefühlt  hätte,  sicherlich  selbst  gern  ver- 
mieden haben  den  folgenden  so  delicaten  punct  zu  berühren,  demnach 
beginnt  meiner  auffassung  nach  von  v.  29  an  die  ausffihrung  eines  zweiten 
entschuldigungsgrundes,  den  ich  ohne  Umschweife  ausgesprochen  finde 
V.  44.  4ö  in  den  Worten  mihi  iam  non  reffia  Roma  placet  d.  i.  ich  mag 
eben  das  leben  in  Rom  und  speciell  bei  hofe  {regia)  nicht  mehr — ein  ge- 
danke  der  wol  auch  einige  beleuchtung  findet  durch  das  experius  meiuit 
in  ep,  I  18, 87.  diese  entschuldiguog  nun  aber  konnte  Mäcenas  in  doppel- 
ter hinsieht  anstöszig  finden,  denn  erstens:  muste  es  nicht  oder  konnte 
es  nicht  von  Hör.  undankbar  erscheinen,  dasz  er  unbekümmert  um  seines 
hohen  gönners  dringende  wünsche  seinen  launen,  seinen  neigungen  folgte? 
konnte  man  angesichts  eines  solchen  Verfahrens  nicht  mit  recht  sagen, 
dasz  er  doch  seinem  wolthäter  gegenüber  Verpflichtungen  und  Verbind- 
lichkeiten trage?  zweitens  aber  lag  ja  auch  möglicherweise  eine  du*ecte 
beleidigung  des  Mäcenas  oder  doch  seines  umgangskreises  darin ,  wenn 
Hör.  erklärte  dasz  ihm  dieser  nicht  mehr  gefalle,  diese  beiden  anstöszlg- 
keiten,  die  möglicherweise  in  seiner  erklärung  {mihi  iam  non  regia  Roma 
placei)  gefunden  werden  konnten,  sucht  der  dichter  nun  sowol  in  dem 
was  von  v.  29  an  derselben  vorhergeht,  als  in  dem  was  derselben  nach- 
folgt zu  beseitigen. 

In  dem  bilde  vom  füchslein  in  der  komkiste  (v.  29 — 33)  ist  natür- 
lich das  tertium  comparationis  des  füchsleins  gefangenschaft:  wie  dieses 
sich  gütlich  gethan  an  fremdem  gute  und  dafür  nicht  wieder  fortkann, 
so  ist  auch,  kann  man  sagen,  der  empfänger  von  gaben  und  geschenken 
seinem  wolthäter  gegenüber  gebunden ;  und  wie  das  füchslein  seine  frei- 
heit  nur  durch  rückgabe  der  genossenen  speisen  wieder  gewinnen  kann, 
so  auch  «der  empfänger  von  wolthaten  nur  durch  deren  rückerstattung. 
solchen  auslebten  gegenüber  kann  Hör.  denn  freilich  nichts  erwidern: 
er  erklärt  einfach  dasz,  wenn  man  ihm  solche  gebundenheit  auferlegen 
wollte  (v.  34:  in  dem  wenn  liegt  offenbar  eine  gewisse  Voraussetzung 
des  Hör.,  dasz  der  edle  Mäcenas  solciie  aosichten  über  ihr  gegenseitiges 
Verhältnis  nicht  hege  und  solche  anforderungen  an  seine  beschenkten 
freunde  nicht  stelle) ,  er  die  geschenke  lieber  zurückgeben  würde  (v.  34), 
und  dasz  seine  freiheit  ihm  nicht  feil  sei  für  alle  schätze  der  erde  (v.  36). 
nur  bei  dieser  engen  Verbindung  von  v.  34  und  v.  36  kommt  v.  35  zu 

14' 


204  F.  Pahle:  zur  erklärung  des  ersten  buches  der  Horazischen  episteln. 

seinem  vollen  rechte  und  zugleich  zu  seiner  richtigen  erklirung;  dem  gan- 
zen zusammenhange  nach  ist  die  Döderleinsche  Interpretation  (*zwar  bin 
ich  nicht  etwa  der  edleren  genüsse  öberdrassig  und  fühle  mich  nicht  ange« 
zogen  von  dem  stupiden  vegetieren  des  groszen  haufens')  allein  stichhaltig, 
aber  wolgemerkt,  Hör.  redet  hier  nicht  von  der  absoluten  persönlichen 
freibeit,  von  der  eigentlichen  ungebundenheit  und  zwanglosigkeit ,  son- 
dern nur  von  oiia  Uberrima^  was  ich  nicht  anders  verstehen  kann  als 
von  der  Freiheit,  den  persönlichen  neigungen,  wünschen  und  bedürfiiissen, 
soweit  sie  den  zustand  des  ich  wesentlich  bedingen  (mit  ausschlusz  frei- 
lich der  eigentlichen  ^launen'),  zu  folgen  und  nachzugehen;  denn  dasz 
der  dient  seinem  hohen  gönner  manches  nachgeben  müsse,  dürfe  und 
könne,  ohne  seine  persönliche  würde  zu  verletzen,  das  spricht  Hör.  in 
der  16n  wie  in  der  17n  epistel  deutlich  genug  aus.  es  ist  eben  nicht 
der  eingebildete  stolz  auf  persönliche  Verdienste  und  leistnngen ,  nicht 
das  mftunlich  sein  sollende  und  doch  so  oft  nur  der  weibischen  eitelkeit 
ähnelnde  eckige  Selbstgefühl,  welches  durch  die  humanen  rücksichten 
selbst  auf  den  edlern  und  bessern  nachbar  der  eignen  Persönlichkeit  und 
würde  etwas  zu  vergeben  wfihnt,  was  unserem  dichter  das  cuncta  re- 
Signa  in  den  mund  legte:  dasz  er  von  solchem  falschen  stolze  frei  sei, 
dafür  beruft  er  sich  auf  den  MScenas  seihst  und  dessen  erfabrung  mit 
den  Worten  in  v.  37  f.  denn  hier  zwingt  zunächst  das  vorangehende  reo: 
mit  notwendigkeit,  dM  pater  weniger  nach  deutscher  weise  von  der  ge- 
mütlichen seile  als  im  altrömischen  sinne  zu  fassen;  wir  legen  uns  diese 
beziehung  nfther ,  wenn  wir  patronus  für  pater  substituieren  und  rex- 
que  paterque  etwa  ^gebieter  und  schutzherr'  übersetzen,  so  wird  denn 
auch  verecundus  in  seiner  richtigen  bedeutung  hervortreten,  welches 
seinem  stammverbum  nach  nur  ^schüchtern'  oder  allenfalls  ^zurflck- 
haltend'  bedeuten  kann  und  in  der  von  den  auslegern  gewöhnlich  ange- 
zogenen stelle  Cic.  Phil,  12,  5,  11  erst  mit  dem  zusatze  in  posiulando 
zu  einer  bedeutung  zusammenschmilzt,  die  unserm  ^bescheiden'  ziemlich 
entspricht,  also  sagt  Hör.:  'eiller  stolz  gibt  mir  diesen  entschlusz  {cuncta 
resignandi)  und  diese  erklürung  (me  oiia  liberrima  non  mutare  diviiiis 
Arabum)  nicht  ein ;  denn  stets  war  ich  in  meinem  benehmen  gegen  dich 
schüchtern  und  sprach  von  dir  nur  als  von  meinem  gebieler  und  schütz- 
herrn/  daraus  folgt  denn  auch ,  dasz  unser  dichter  bei  seiner  erklArung 
gerade  nur  von  dem  richtigen,  edlen  Selbstgefühl,  dem  wahren  mannes- 
stolze beseelt  war,  der  sein  ich  nicht  aufgeben  will  und  nicht  aufgeben 
kann,  der  also  auch ,  wenn  ihm  solche  Zumutungen  gemacht  werden  soll- 
ten (hac  ego  si  compellor  imagine) ,  im  vollsten  sinne  potesi  donata  re- 
panere  laetus;  auf  das  vorhergehende  nemlich,  nicht  auf  das  folgende 
ist  V.  39  (*nach  dem  eben  gesagten  kannst  du  ermessen ,  ob  ich  frohes 
mutes  verzichten  kann')  zu  beziehen. 

Es  hat  also  bis  jetzt  (v.  29 — 39}  der  dichter,  im  begriff  seine  per- 
sönliche neigung  als  entschuldigungsgrund  für  die  noch  weitere  Verlänge- 
rung seines  ausbleibens  vorzubringen ,  vorlaufig  sich  dagegen  verwahrt, 
dasz  er  durch  annähme  von  geschenken  sich  dem  MScenas  gegenüber  ge- 
bunden und  gleichsam  seine  freiheit  verkauft  habe,   seine  zweite  aufgäbe. 


F.  Pahle:  sur  erklflrung  des  ersten  buches  der  Horazischen  episteln.  206 

wie  wir  oben  sahen ,  ist  nun  die,  das  mihi  tarn  tum  regia  Roma  placei 
so  einzukleiden ,  dasz  es  den  MScenas  und  seinen  umgangskreis  nicht  be- 
leidige ;  und  diese  aufgäbe  löst  er  von  ▼.  40  an.  lassen  wir  die  beiden 
anekdoten  von  Telemacbos  und  von  Vultejus  Mena  vorläufig  bei  seite 
(denn  abgesehen  von  ihrem  ethischen  zwecke,  den  HScenas  in  heitere 
iaune  zu  versetzen,  haben  sie  logisch  ja  nur  die  bedeutung,  die  ansichten 
des  Hör.  concret  zu  veranschaulichen  und  zu  beweisen),  so  fallen  zu- 
nächst die  worte  partum  parva  decent  v.  44  ins  gewicht :  *ich  bin  ein 
parvuf*  sagt  also  Hör.  *d.  h.  von  herkunft,  erziehung,  anerzogener 
lebensweise  bin  ich  ein  einfacher  mann ;  -  also  sagt  mir  am  meisten  das 
einfache  zu  und  sieht  mir  am  besten.'  damit  ist  denn  also  deutlich  ge- 
nug ausgesprochen,  dasz  Hör.  die  schuld,  dasz  ihm  die  regia  Roma 
nicht  gefällt,  in  sich  selber,  lediglich  in  seiner  ihm  anerzogenen  und 
vielleicht  kleinlichen  und  engherzigen  lebensanschauung  suche;  zugleich 
liegt  aber  darin  wiederum  klar  angedeutet,  dasz  seine  neigung  nicht  eine 
vorübergehende  Iaune,  die  er  vielleicht  dem  Häcenas  gegenüber  gern 
geopfert  hätte,  sondern  ein  ausflusz  des  individuellsten  seins  und  habens 
ist,  bei  welchem  das  nee  otia  ditniüs  Arabum  liberrima  muto  seine 
vollkommenste  berechtigung  hat ;  und  gerade  diesen  gedanken  führt  er 
noch  deutlicher  in  der  aus  der  anekdote  von  Mena  zu  ziehenden  nutzan- 
wendung  (v.  96 — 99),  wenn  er  sagt,  das  sei  gerade  das  verum ^  dasz 
jeder  sich  nach  seinem  masze  messe,  sobald  es  sich  um  Vermittlung  zwi- 
schen lebensanschauung  und  lebensweise  handle  —  wobei  denn  das  de- 
minutivum  modulo  in  rflcksicht  auf  partmm  parva  decent  (v.  44)  wieder 
äuszerst  fein  gewählt  ist. 

Diese  letzten  gedanken  nun  sollen  veranschaulicht  und  bewiesen 
werden  durch  die  erzählungen  von  Telemacbos  und  von  Mena.  und  da 
müssen  wir  denn  festhallen  dasz,  wenn  auch  Hör.  bei  den  Worten  tu  me 
fedsti  locupletem  (v.  14)  vielleicht  nur  an  das  Sabluum  und  sonstige 
eigentliche  geschenke  des  Mäcenas  gedacht  hat,  er  doch  (wie  alHlium 
V.  35,  auch  cuncta  v.  34  andeutet)  im  allgemeinen  und  wesentlich  die 
ganze  lebensstellung,  den  Umgang  mit  den  gebildeten,  das  ansehen  bei 
bofe  und  der  hdchsten  römischen  aristokralie  usw.  usw.  im  äuge  gehabt 
hat,  was  alles  er  ja  auch  dem  Mäcenas  indirect  verdankte,  wenn  also 
Menelaos  dem  Telemacbos  eigentliche  geschenke  macht,  so  will  Hör. 
doch  unter  deren  bilde  jene  uneigentlichen  geschenke  des  Mäcenas  we- 
sentlich mit  verstanden  wissen,  wie  denn  ja  auch  die  geschenke,  welche 
Mena  von  Philippus  empfängt,  für  erstem  eine  ganz  neue  lebensweise 
bedingen,  nur  so  versteht  sich  ganz  der  plötzliche  Übergang  von  den 
die  geschenke  ablehnenden  worlen  des  Telemacbos  zu  mihi  iam  non 
regia  Roma  placet^  so  die  anwendung  der  erzählung  von  Mena  auf  die 
eigne  lebensanschauung  und  lebensweise,  wobei  das  dimissa  (v.  96)  spe- 
ciell  auf  des  dichlers  frühere  einfachheit  hinweist,  nach  der  er  sich  eben 
zurücksehnt. 

Wir  hätten  also  in  unserer  epistel  folgenden  gedankengang : 
I)  entschuldige  dasz  ich  schon  so  lange  ausgeblieben  bin ;  furcht  vor  er- 

krankung  hielt  mich  in  der  heiszen  Jahreszeit  von  Rom  fem  (v.  1—9). 


206  F.  Pahle:  zur  erklAniDg  des  ersten  buches  der  Horasischen  episteln. 

II}  ich  werde  aber  aucb  den  winter  über  fortbleiben  (v.  10 — 13);   denn 

1)  trotz  deiner  gerechten  anspröche  auf  meine  dankbarkeit  (v.  14 — 23), 
die  mich  gern  deine  wünsche  erfüllen  lAszt  (v.  24),  gebietet  mir  dies 
schon  die  rücksicht  auf  meinen  alternden  körper  (v.  25 — 28) ; 

2)  meine  neigung,  oder  besser  gesagt  meine  lebensanschauung  —  und 
die  freiheit  dieser  zu  folgen  gebe  ich  um  keinen  preis  auf  (v.  29 — 
36),  und  zwar  nicht  aus  eitlem  stolze  (v.  37 — 39)  —  passt  nicht 
für  die  regia  Roma ,  so  dasz  ich  besser  thue  es  zu  machen  wie  Te- 
lemachus  oder  Meoa  (v.  40—98). 

Zum  schlusz  noch  einige  Worte  über  die  stelle  v.  55 — 59.  ver- 
bindet man  notum  mit  sine  crimine  oder  nimt  man  es  absolut,  so  bleibt 
es  in  beiden  fällen  hnmer  anslOszig ,  dasz  auf  das  asyndcton  der  attri- 
butiven bestimmungen  in  v.  56  (zu  denen  natürlich  esse  zu  ergänzen 
sein  würde)  das  polysyndeton  der  Infinitive  folge  und  dieses  hinwiederum 
asyndetisch  aufgenommen  werde  von  dem  attributiven  gaudeniem.  die- 
sem anstosze  geht  man  nur  dadurch  aus  dem  wege ,  dasz  man  mit  Pauly 
die  infinitive  in  v.  57  von  noium  abhängig  macht,  so  dasz  zusammen- 
gehören die  asyndeta  Menam^  praeconem^  ienui  censu^  sine  crimine ^ 
notum ,  gaudentem ;  die  so  entstandene  concinnltät  wird  dann  noch  da- 
durch gehobeh,  dasz  nun,  v^ie  von  noium  das  polysyndeton  der  infinitive, 
so  auöh  von  gaudentem  ein  polysyndeton  [parvisque  sodalibus  et  lare 
certo  et  ludis  et  campo)  abhängt.  —  In  v.  58  hat  bekanntlich  Döderlein 
sich  wieder  für  Jare  curio  statt  des  diplomatisch  beglaubigteren  lare 
certo  entschieden:  sicherlich  mit  unrecht,  denn  zunächst  kann  doch 
v.  57  unmöglich  die  Uhätigkeit'  des  Mena  in  dem  sinne  schildern  sollen, 
dasz  ihm  v.  58  als  Schilderung  der  ^gesinnung'  desselben  gegenüberstände, 
oder  ist  etwa  cessare  die  ^tliätigkeit'  des  Mena?  und  ist  es  etwa  ein 
charal(teristischcs  merkmal  seiner  gesinnung,  dasz  er  an  ludis  et  campo 
ebenso  seine  freude  hat  wie  die  Römer  alle?  es  schildert  v.  57  das  trei- 
ben des  Mena  insofern,  als  dadurch  seine  ehrenwerthe,  bürgerliche  ge- 
sinnung zum  ausdruck  gelangt  (er  ist  eifrig  auf  sein  geschäft  und  auf 
seinen  verdienst,  aber  nicht  etwa  aus  habsucht  und  gewinnsucht,  sondern 
so  dasz  er  auch  gern  wieder  zu  seinem  vergnügen  ausgibt),  es  hat  also 
nach  V.  57  Mena  auch  seine  Vergnügungen ;  unter  solchen  aber  hat  man 
sich  nicht  die  lustbarkeiten  und  kostspieligen  genüsse  der  vornehmen 
weit  vorzustellen,  sondern  es  sind  eben  die  allereinfachsten  Vergnügungen, 
wie  z.  b.  kleine  tischgeseilschaflen  nnd  ein  eigenstübchen  (welches  für 
lente  seines  Standes  eben  schon  ein  luxus  war),  und  ebenso  die  gewöhn- 
lichet  erholungen  des  römischen  bürgers,  ludi  und  campus,  so  will 
V.  58  uns  zunächst  die  Vergnügungen  aufzählen ,  die  Mena  sich  in  seinen 
Verhältnissen  erlaubt;  erst  in  zweiter  llnie  steht,  gleichsam  zwischen  den 
Zeilen ,  dasz  dies  doch  recht  bescheidene  Vergnügungen  seien  und  dasz  es 
für  den  genügsamen  und  in  sich  frohen  sinn  des  Mena  spreche,  wenn  er 
an  solchen  dingen  eine  wirkliche  freude  empfinde. 

(der  schlusz  folgt  im  nächsten  hefte.) 

Jeveb.  Friedrich  Pahle. 


G.  Kruger:  zu  Giceros  rede  für  Sex.  Boscius.  207 

29. 

ZU  CICEBOS  EEDE  FÜR  SEX.  EOSCIUS. 


9,  26  ac  primo  rem  differre  cotidie  ac  procrastinare  isii  coepe- 
rutUy  deinde  aUquanto  hntius  [nihil]  agere  aique  deludere^  postremo^ 
id  quod  facile  inleUecium  est,  insidias  viiae  huiusce  [Sex.  Roscii]  pa- 
rare ,  neque  9ese  arhitrari  posse  diutius  dlienam  pecuniam  domino  in- 
coiumi  obiinere,  die  in  klammern  gesdilossenen  worle  sind  von  Halm 
und  von  du  Rieu  als  glosseme  ericannt.  schon  früher  nahm  Heusinger  an 
dem  ausdrnck  coeperunt  anstosz ,  den  zu  streichen  jedoch ,  worauf  eben- 
falls Halm  bereits  hingewiesen  hat ,  die  Stellung  des  subjecls  isli  nicht 
gestattet,  auch  ist  die  Verbindung  der  worte  differre  cotidie  ac  pro- 
crastinare coeperunt  an  und  für  sich  unbedenklich,  da  ja  cotidie  aus 
logischen  gründen  nicht  zu  coeperunt  gehören  kann,  vielmehr,  wie  die 
Stellung  zeigt,  ebenso wol  auf  differre  wie  auf  procrastinare  zu  be- 
ziehen ist.  wollen  wir  indessen  in  den  Worten  ac  procrastinare  nicht 
nur  eine  immerhin  etwas  matte  erlflulerung  des  vorhergehenden  allge- 
meinen begrifls  rem  differre  cotidie,  sondern  zugleich  eine  dem  ge- 
danken  der  ganzen  periode  sehr  angemessene  Steigerung  erkennen,  so 
wird  diese  durch  folgende  leichte  Umstellung  gewonnen:  ac  primo  rem 
differre  ac  cotidie  procrastinare  isti  coeperunt. 

20 ,  56  anseribus  cibaria  publice  locantur  et  canes  aluntur  in 
Capitolio,  ut  significent,  si  fures  venerint.  at  fures  intemoscere  non 
possunt:  significant  tamen,  si  qui  nociu  in  Capitolium  venerint,  et 
quia  id  est  suspiiiosum,  tametsi  besiiae  sunt,  tarnen  in  eam  partem 
potius  peccant,  quae  est  cautior.  in  diesem,  wie  Halm  richtig  urteilt, 
*etwas  abgeschmackten  und,  weil  die  vergleichungspuncte  nicht  recht 
stimmen  wollen,  gesucht  erscheinenden  vergleich'  der  ankUger  als  Wäch- 
ter der  öiTentlidien  Sicherheit  mit  den  gSnsen  und  hunden  des  Gapitols 
macht  sich  Cicero  selbst  mit  den  werten  at  fures  intemoscere  non  pos- 
sunt einen  einwurf ,  welchen  er  allerdings  nicht  völlig  widerlegen  kann, 
dessen  bedeutung  er  aber  sofort  auf  das  richtige  masz  zurückführt ,  in- 
dem er  fortfährt:  significant  tarnen  usw.  zunächst,  meine  ich,  fordert 
hier  der  gedankenzusammenhang,  dasz  der  causalsatz  quia  id  est  suspi- 
tiosum  zum  vorhergehenden  gezogen  wird,  auszerdem  aber  bilden  die 
Worte  tametsi  bestiae  sunt  einen  schleppenden ,  völlig  überflüssigen  Zu- 
satz, der  unmöglich  von  dem  redner  selbst  herrühren  kann,  vielmehr 
werden  wir  darin  ebenso  wie  in  den  bereits  von  Halm  und  Benecke  ge- 
tilgten Worten  in  suspitione  und  sine  suspitione  {$  67),  welche  die  an 
und  für  sich  schon  störende  breite  dieser  digression  noch  vermehren ,  die 
randbemerkung  eines  abschreibers  zu  erkennen  haben,  der  durch  dieselbe 
die  Worte  significant  tarnen  richtig  zu  erklären  glaubte,  als  dann  später 
jener  zusatz  an  einer  falschen  stelle  in  den  text  sich  verirrt  hatte,  wird 
dieser  umstand  das  nächststehende  tarnen  noch  zur  weiteren  folge  gehabt 
haben,  demnach  schlage  ich  vor:  at  fures  intemoscere  non  possunt: 
significant  tarnen,  si  qui  noctu  in  Capitolium  venerint,  quia  id  est 


208  G.  Kräger:  zu  Giceros  rede  ffir  Sex.  Roscius. 

suspitiosutn^  et  [iametsi  besiiae  sunt^  tarnen]  in  eam  fkattem  poUus 
peccant^  quae  est  cautior. 

27,  74  quo  modo  occidit?  ipsene  (so  Fleckeisen;  die  hss.  ipte) 
percussit  an  aliis  occidendum  dedit?  si  ipsum  arguis,  Romae  nonfuit: 
si  per  alios  fecisse  dicis^  quaero  quos^  servosne  an  Uberos?  st  per 
Hb  er  OS  (von  Halm  nach  Matthias  und  Madvigs  Vorgang  ergänzt),  quos 
homines?  indidemne  Ameria  an  hosce  ex  urbe  sicarios?  si  Ameria^ 
qui  sunt  ii  (so  Halm;  die  hss.  Af)?  cur  non  nominantur?  si  Roma^ 
unde  eps  noverat  Roscius^  qui  Romam  multis  annis  non  venit  neque 
umquam  plus  triduo  fuit?  übt  eos  convenit?  quicum  conloculus 
(so  Stanger;  die  hss.  locuius)  est?  quo  modo  per suasit?  pretium  de- 
dit? (so  Richter;  vulg.  ^pretium  dedit.*)  cui  dedit?  per  quem  dedit? 
unde  aut  quantum  dedit?  nonne  his  vestigiis  ad  Caput  mdleflcü  per - 
veniri  solet  ?  obwoi  besonders  in  neuerer  zeit  das  verstSndnis  der  vor- 
stehenden fragen ,  mit  welchen  Cicero  den  anklager  Eruclns  *)  bestdrmt, 
in  kritischer  und  exegetischer  hinsieht  mehrfach  gefördert  ist ,  so  schei- 
nen mir  doch  an  zwei  stellen  die  ursprflngHchen  worte  des  redners  noch 
nicht  wieder  hergestellt  zu  sein,  einmal  nemlich  halte  ich  für  unerträg- 
lich die  nichtWiederholung  der  pr9position  in  denworten:  si  per  alios 
fecisse  dicis^  quaero  quos^  servosne  an  Uberos?  wenn  es  gleich 
nachher  heiszt:  si  per  liberos^  quos  homines?  so  ist  nicht  zu  vergessen, 
dasz  die  ersten  drei  worte  in  sämtlichen  hss.  ausgefallen  sind  und  dem- 
nach möglicherweise  zugleich  die  prSposition  vor  dem  fragpronomen  auch 
hier  verloren  gegangen  ist.  da  indessen  quaero  vom  redner  ausgelassen, 
so  schlieszen  sich  hier  die  worte  quos  homines  leicht  an  die  unmittel- 
bar vorhergehenden  si  per  Uberos  an,  und  die  nichtWiederholung  der 
Präposition  kann  an  dieser  stelle  ebenso  wenig  befremden  wie  S  79  in 
den  Worten  conveniat  mihi  tecum  necesse  est .  .  aut  ipsum  sua  manu 
fecisse,  id  quod  negas,  aut  per  dliquos  Uberos  aut  servos.  Uberosne? 
anders,  an  unserer  stelle ,  wo  nicht  nur  das  eingeschobene  quaero ,  son- 
dern auch  die  dann  ohne  prSposilion  folgende  gliederung  servosne  an 
Uberos  es  sehr  wahrscheinlich  macht  dasz  Cicero  geschrieben  hat :  si  per 

*)  [beiläufig:  welches  ist  die  richtige  quantität  dieses  namens  Eru- 
cius7  in  Ciceros  rede  kommt  er  bekanntlich  am  hänfi^ten  im  vocativ 
Eruei  vor,  und  ich  erinnere  mich  diese  form  von  Bchfilem  und  auch 
von  lehrem  nie  anders  haben  aussprechen  zu  hören  als  Erüeiy  von  den 
letzteren  vermutlich  wegen  des  anklangs  an  den  Horazischen  vers  eru^ 
ea»  mrideSf  imdas  ego  primus  amaras  — .  dieser  anklang  ist  aber  ein 
trügerischer:  der  eigenname  Erucius  hat  mit  der  pflanze  eruca  {rauke) 
nicht  das  mindeste  zu  schaffen,  sondern  er  ist  die  lateinische  form  des 
griechischen  '6ptJKioc,  von  '€puS  ''CpuKoc  gebildet  der  anklSger  des 
Bextns  Roscius  stammte  wahrscheinlich  aas  Unteritalien:  denn  hier 
finden  wir  den  namen  Erucius  noch  mehrfach  in  inschriften  erhalten 
—  Mommsens  index  zu  den  IBNL.  weist  ihn  7mal  auf,  2mal  den  weib- 
lichen namen  Eruda  —  und  dasz  er  wirklich  mit  dem  namen  des  sici- 
lisch en  berges  zusammenhängt,  ist  mir  darum  wahrscheinlich,  weil  er 
unter  jenen  7  malen  2mal  in  der  form  Herueius  auftritt,  gerade  so  wie 
die  Venui  Erucina  inschriftlich  auch  als  Berudna  erscheint,  also  ist 
Erucius  ein  procelensmatischer  wortfusz  und  man  hat  den  vocativ  'ErUci 
zu  lesen.  A,  F.] 


G.  Krilger:  zu  Ciceros  rede  für  Sex.  Roscius.  209 

ahos  fedsse  dicit^  quaerOy  per  quosf*)  servosne  an  liberos?  wenn 
femer  Slanger  die  hsL  Überlieferung  quicum  locutus  est  verändert  in 
quicum  conlocutus  est^  so  hat  er  mit  diesem  verbum  gewis  das  ur- 
sprüngliche restituiert;  docli  hüte  er  sich  nicht  durch  die  spftter  folgen- 
den Worte  numquam  cum  hotnine  quoquam  conlocuium  esse^ 
numquam  in  oppido  constitisse  bestimmen  lassen  sollen,  im  vorhergehen- 
den quicum  beizubehalten,  vielmehr  war  hier  die  priposition  von  dem 
fragwort  abzutrennen  und  mit  dem  folgenden  verbum  zu  verbinden,  dann 
liegt  in  den  vier  fragen:  unde  eoi  noverat  Roscius?  ubi  eos  con ve- 
nu? qui  conlocutus  est?  quo  modo  persuasit?  eine  passende 
Steigerung,  und  das  zu  conlocutus  est  und  persuasit  gehörige  object, 
(1.  h.  auch  hier  nicht  ein  einzelner,  sondern  die  gesamtheit  der  angeblich 
in  Rom  gedungenen  meuchelmürder,  ergänzt  sich  aus  dem  zu  den  beiden 
ersten  gliedern  hinzugefügten  object  eos  von  selbst. 

29,  80  interdum  (so  Ursinus;  die  hss.  interim;  Kayser  Herum) 
mihi  videriSj  Eruci^  una  mercede  duas  res  adsequi  velle^  nos  iudicio 
perfundere^  accusare  autem  eos  ipsos  a  quibus  mercedem  accepistü 
nachdem  Halm  früher  die  von  allen  hss.  überlieferte  lesart  perfundere 
als  *  wahrscheinlich  corrupt'  bezeichnet  hatte,  schlosz  er  sich  in  der 
vierten  aufläge  (1863)  der  emendation  pessumdare  an,  welche  inzwi- 
schen Fleckeisen  und  Trojel  unabhängig  von  einander  gefunden  hatten, 
aus  der  1867  erschienenen  fünften  aufläge  dagegen  ist  jenes  allerdings 
hei  Cicero  selbst  sonst  nur  in  einem  fragment  einer  seiner  frühesten 
reden  (bei  Quintilian  VIII  6,  47;  vgl.  Fleckeisen  in  diesen  jahrb.  1866 
s.  550  anm.  *^})  vorkommende  wort  wiederum  verschwunden ,  ohne  dasz 
ersichtlich  ist,  welche  gründe  hierbei  für  den  herausgeber  entscheidend 
gewesen  sind,  dieser  hat  jetzt  selbst  perfundere  in  pervertere  geändert 
und  dies  in  den  text  gesetzt,  eine  conjectur  der  unseres  erachtens  die 
äuszere  Wahrscheinlichkeit  abgehl ,  wenngleich  die  wendung  iudicio  per- 
vertere auch  sonst  sich  nachweisen  läszt;  vgl.  pro  SesUo  67, 140  atque 
hunc  tarnen  flagrantem  invidia  propter  interitum  C.  Gracchi  semper 
ipse  populus  Romanus  periculo  liberavit:  alia  quaedam  civem  egre- 
gium  iniqui  iudicii  procella  pervertit.  ceteri  vero  aut  repen- 
tina  vi  perculsi  ac  tempestaie  populari  per  populum  tamen  ipsum 
recreati  sunt  atque  revocati  aut  ommno  invulnerati  inviolatique  vixe- 
runt,  indem  wir  uns ,  was  die  erklärung  der  stelle  betrifft ,  an  die  von 
Kratz  in  diesen  jahrb.  1866  s.  550  f.  gegebene  auseinandersetzung  an- 
schlieszen  und  demnach  unter  iudicium  nicht  im  allgemeinen  *die  gerichts- 
verhandlung*,  sondern  *den  letzten  entscheidenden  act,  den  Urteilsspruch' 
verstehen ,  können  wir  doch  der  von  demselben  gelehrten  versuchten  ret- 
tung  der  lesart  perfundere  nicht  beistimmen ,  schlagen  vielmehr  statt 
dessen  vor  iudicio  percutere,  Cicero  selbst  gebraucht  dieses  wort 
mehrfach  in  bezug  auf  das  einschlagen  des  blitzes:  vgl.  in  Cat,  HI  8,  19 

*)  febenso  schon  Halm  in  der  Zürcher  ausgäbe  1854.] 
^)  [und  Halm  beitrftge  zur  beriehtigang  nnd  ergänzang  der  Cicero- 
nischen fra(i;mente  (1862)  s.  8,  dessen  behandlnng  jenes  fragmentes  mir 
an  der  oben  erwähnten  stelle  nicht  hfttte  entgehen  sollen.        A.  F.] 


210  G.  Kräger:  zu  Ciceros  rede  för  Sex.  Roscius. 

memoria  tenetis^  Coita  ei  Torquato  eoss,  complures  in  CapiioUo  res 
de  caelo  esse  percussas»  de  deor.  not.  III  35 ,  84  hunc  igüur  nee 
Olympius  luppiter  fülmine  percussit  nee  Jescuiapius  misero  diuiur' 
noque  morbo  tabesceniem  interemit.  sehr  nahe  lag  es  durch  dasselbe 
wort  in  Oberlragener  bedeutung,  wie  durch  percellere  an  der  eben  ange- 
führten stelle  der  rede  j^ro  Sestio^  eine  Verurteilung  zu  bezeichnen,  welche 
'den  angeklagten  wie  ein  blitz  aus  heiterem  himmel  trifll'. 

52,  152  an  vero^  iudiees^  vos  non  inlellegUis  nihil  aUud  agi^  nisi 
ut  proscripiorum  liheri  quavis  ratione  ioUantur^  et  eins  rei  initium  in 
vestro  iure  iurando  atque  in  Sex,  Roscii  peHculo  quaeri?  auf  den  in 
dieser  frage  enthaltenen  gedanken  kommt  Cicero,  wie  Halm  richtig  be- 
merkt, demnfichst  zurück  mit  den  werten  $  153  quodsi  id  vos  suscipitis 
usw.  vorher  aber  lesen  wir  in  allen  hss.  in  unmittelbarem  anschlusz  an 
jene  frage:  dubiumne  (so  hatte  ich  langst  statt  der  vulgata  dubium 
vermutet ,  als  ich  sah  dasz  jenes  durch  den  codex  G  bestätigt  wird)  est^ 
ad  quem  malefidum  pertineat^  cum  videatis  ex  altera  parte  sectorem^ 
inimicum ,  eicarium  eundemque  accusatorem  hoc  tempore ,  ex  altera 
parte  egentem^  prcibatum  suis  ßium,  in  quo  non  modo  culpa  nuüa^ 
sed  ne  suspiHo  quidem  potuit  consistere ?  numquid  huic  (so  mit  Madvig 
und  Kayser  statt  hie)  aliud  videtis  obstare  [^Roscio'] ,  nisi  quod  patris 
bona  venierunt?  was  soll  hier,  wo  es  dem  redner  nur  darauf  ankommt 
hervorzuheben ,  dasz  es  den  sectores  einzig  und  allein  darum  zu  thun  ist 
ut  proscripiorum  liberi  quavis  ratione  toüantur^  damit  diese  nicht  etwa 
^in  folge  einer  politischen  reactlon  wieder  In  ihre  rechte  und  gfiter  ein- 
gesetzt werden',  was  soll  hier  die  in  jenem  lose  angeknüpften  Zwischen- 
satz enthaltene  recapitulatton  der  in  früheren  teilen  der  rede  ($  88.  13. 
107)  ausführlich  bewiesenen  hauptpuncte,  die  es  auszer  zweifei  stellen, 
ad  quem  maiefidum  pertmeatl  hier,  wo  soeben  durch  die  worte  ut 
proscripiorum  liberi  quavis  ratione  iollantur  die  wahre  absieht  der 
sectores  ohne  jeden  räckhalt  aufgedeckt  ist,  kann  jene  Wiederholung 
längst  abgemachter  dinge,  zumal  in  dieser  form,  nur  störend  wirken, 
ich  meinerseits  vermag  daher  nicht  anzunehmen ,  dasz  der  satz  dubiumne 
est .  .  consistere?  an  seiner  ursprünglichen  stelle  steht,  musz  mich  aber 
mit  dieser  andeutung  begnügen  und  anderen  den  nacliweis  fiberlassen, 
wo  innerhalb  unserer  rede  jene  worte  unterzubringen  sind,  denn  mit 
Worten  des  redners  selbst  haben  wir  es  hier  zu  thun;  inhalt  und  form 
verbieten  an  eine  etwa  vom  rande  in  den  text  gekommene  bemerkung 
eines  abschreibers  zu  denken,  schreiben  wir  dann:  nam  quid  huic 
aliud  videtis  obstare  [Roscio'] ^  nisi  quod  pairis  bona  vemeruni?  so 
ist  diese  frage  eine  angemessene  erUuterung  dessen,  was  durch  die  un- 
mittelbar  vorhergehenden  worte  et  eius  rei  iniiium  in  vesiro  iure  iu- 
rando atque  in  Sex.  Roscii  periculo  quaeri  hervorgehoben  ist.  Halms 
Übersetzung  der  partikel  kic  *bei  dieser  Sachlage',  mit  welcher  allerdings 
auf  den  Inhalt  des  von  mir  gestrichenen  satzes  zurückgewiesen  werden 
würde ,  hat  etwas  gezwungenes ;  ich  zweifle  nicht  dasz  Madvig ,  indem 
er  huic  schrieb  und  Roscio  tilgte,  damit  das  richtige  getroffen  hat.  nach- 
dem durch  jenen  Zwischensatz  die  werte  nam  quid  huic  aliud  videtis 


G.  Krüger:  zu  Ciceros  rede  för  Sex.  Roscius.  211 

obsiare  yon  denjenigen,  zu  deren  begrQndung  sie  hinzugefügt  sind  {atque 
in  Sex,  Roscii periculo  guaert}^  abgetrennt  waren,  konnte  um  so  leich- 
ter ein  abschreiber  sich  veranlasst  sehen  huic  durch  Roscio  zu  erläutern. 
53, 153.  der  redner  fährt  fort:  quod  si  id  vos  suscipitis  et  ad  eam 
rem  operam  vesiram  profiiemini^  si  idcirco  sedeiis^  ut  ad  vos  addw 
cantur  eorum  Hberi,  quorum  bona  venieruni^  caveie  .  .  ne  wwa  et 
muüo  crudelior  per  vos  proscriptio  insiaurata  esse  videatur.    illam 
priorenty  quae  facta  est  in  eos  qui  artna  capere  poiuerunty  tarnen 
senatus  suscipere  noluity  ne  quid  acrius^  quam  more  nuriorum  com- 
paratum  esset  (so  Rinkes;  die  hss.  est),  publico  consilio  factum  vide- 
retur:  hanc  vero,  quae  ad  eorum  liberos  atque  ad  infanUum  puero- 
rum  incunabula  pertinet,  nisi  hoc  iüdicio  a  vobis  reicitis  et  aspema- 
mini,  videte  . .  quem  in  locum  rem  publicam  venturam  (so  Halm; 
die  hss.  perventuram)  puietis.  Halms  erläuterung  der  worte  quae  facta 
est  in  eos  qui  arma  capere  potuerunt  ^also  nicht  gegen  wehrlose' 
scheint  bestätigt  zu  werden  durch  die  den  gegensatz  bildenden  worte 
hanc  vero,  quae  ad  eorum  liberos  atque  ad  infantium  puerorum  in^ 
cunabula pertinet;  die  wehrlosen  opfer  der  nova  et  muUo  crudelior 
proscriptio  wiren  demnach  gegenübergestellt  den  nicht  wehrlosen 
der  ersten  proscriptionszeit.    gehörte  denn  aber  auch  der  angeklagte 
Sextus  Roscius,  um  welchen  es  sich  doch  zunSchst  hier  handelt,  zu  den 
wehrlosen?  doch  gewis  nicht,  wie  ja  vor  allem  die  vorliegende,  zu  sei- 
ner rettung  gehaltene  rede  beweist,     der  von  dem  redner  aufgestellte 
gegensatz  musz  demnach  ein  anderer  sein,  der  uns  hergestellt  zu  sein 
scheint,  sobald  wir  schreiben:  in  eos  qui  arma  capere  voluerunt. 
dann  erst  ist  die  partikel  tamen  völlig  verständlich :  'obgleich  jene  pro- 
scriptionen  des  Sulla  sich  richteten  zunächst  gegen  diejenigen  bärger, 
welche  nach  ihrem  eigenen ,  freien  entschlusz  am  bfingerkriege  thätigen 
anteil  genommen  und  dadurch  dem  sieger  gegenfiber  eine  schuld  auf 
sich  geladen  hatten  {arma  capere  vöhserunt;  Cicero  sagt  von  sich  selbst 
S  142:  fateor  (me)  insanisse,  qui  cum  Ulis  senserim,  tametsi  inermis 
sensi,  was  Halm  richtig  erklArt:  'ohne  selbst  am  kämpfe  teil  genommen 
zu  haben') ,  so  hat  dennoch  der  seuat  die  Verantwortung  för  jene  pro- 
scriptionen  nicht  Obernehmen  wollen ;  um  so  mehr  hütet  euch ,  ihr  rich- 
ler,  dasz  ihr  durch  euer  urteil  die  zeit  einer  nova  ei  müUo  crudelior 
proscriptio  herbeiführt,  die  sich  richtet  gegen  völlig  unschuldige 
(ad  eorum  liberos  atque  <»d  infantium  puerorum  incunabula),  welche 
man  nur  deshalb  beseitigen  will,  weil  sie  die  söhne  proscribierter  bürger 
sind.'     diese  darlegung  des  gedankenganges  zeigt,  weshalb  Cicero  die 
Umschreibung  mit  velle  dem  einfacheren  ausdrucke  qui  arma  ceperunt 
oder  ceperant  vorgezogen  hat.   zugleich  stehen  nun  die  worte  qui  arma 
capere  voluerunt  in  einem  scharfen  gegensatze  zu  den  unmittelbar 
folgenden  tamen  senatus  suscipere  noluit,  so  dasz  wir  keineswegs 
genötigt  sind  zu  der  von  Hermann  Müller  im  rbein.  museum  XXI  s.  426 
mit  recht  verworfenen  theorie  des  pleonastischen  gebrauchs  von  velle 
unsere  zuflucht  zu  nehmen. 

Chablottenbubq.  Gustav  KniiGEB. 


4 
f 


212  Lucian  Mfiner:  Titus  Maccias  Plaulus. 

80. 

TITUS  MACCroS  PLAUTÜS. 


Nachdem  alle  weit  die  frage,  ob  Titas  Maccias  oder  Marcus  Accius 
Plautus,  abgethan  wShnle,  haben  neulich  einen  Italiftner,  hrn.  Vallauri 
in  Tarin ,  die  lorbeeren ,  die  sich  Geppert  ^excellentis  ingenii  et  doclrinae 
vir%  wenn  wir  seinem  aemulus  trauen  dürfen  (über  Lachmanns  bezeich- 
nung  Wir  dootissimus'  vgl.  das  litterarische  cenlralblatt  1867  sp.  1054), 
bei  dem  philologischen  publicum  erworben  hat,  nicht  schlafen  lassen,  in- 
dem ich  beiden  grossen  gelehrten  nur  noch  den  rath  erteile  nun,  wo 
möglich  viribus  unitis,  ihre  ersprieszliche  tbatigkelt  dem  gleichfalls  durch 
Rilschls  hyperkritik  in  discredit  gekommenen  Plautinischen  namen  ^Asi- 
ntus'  zuzuwenden,  nehme  ich  von  ihnen  abschied  und  komme  zur  sache. 
als  ich  nemlich  für  eine  anzeige  von  Vallauris  schriftchen  im  litt,  central- 
blatt  noch  einmal  die  stellen  der  alten,  welche  für  die  bezügliche  frage 
in  betracht  kommen,  durchmusterte,  begegnete  ich  einer,  die  Ritschi 
selbst  vielleicht  jetzt  in  der  von  ihm  parerga  1  s.  23  gegebenen  fassung 
beanstanden  würde,  sie  steht  im  prolog  der  Asinarla  v.  11 
Demöphilus  scriptum  Mdechi  voriit  barbare. 
Lachmann  zu  Lucretius  s.  116  stellt  bekanntlich  das  gesetz  auf  'vocabula 
dactylica  trochaei  loco  in  versa  poni  non  debere'  und  Ritschi  scheint 
diese  beobachtung  (obwol  die  im  rhelo.  museum  VIII  s.  159  versprochene 
behandlung  des  fraglichen  themas  noch  nidit  erfolgt  ist)  nur  für  den 
ersten  fusz  der  trochften,  nirgend  für  die  iamblschen  verse,  zumal  tri- 
meter,  zu  beanstanden  (vgl.  Fleckeisen  in  diesen  jahrb.  1867  s.  625  ft.'j 
für  Lucilius,  Varro  und  Phfldrus  auch  de  re  metrica  s.  416).  danach  er- 
scheint der  dactylus  Macciü'  in  obigem  verse  bedenklich,  auch  die  syni- 
zese  des  t  in  diesem  werte  Ist  nicht  zulässig:  vgl.  Ritschi  proleg.  Trin. 
s.  GLU — CLXlV;  denn  amhiuni  im  miles  glor.  69  ist  richtig  emendiert 
von  Fritzsche  (s.  Fleckeisen  praef.  PlautI  s.  XXIlI).  in  dem  zweisilbigen 
Maccius  würde  noch  eine  besondere  Unmöglichkeit  stecken,  insofern  der 
I  consona  dann  zwei  gleiche  consonanten  vorausgiengen.  man  lese  in  be- 
zug  hierauf  de  re  metrica  s.  256.  für  das  zweisilbige  quaituor  ist,  wie 
ich  mit  Ritschi  im  rhein.  museum  VIII  s.  309  meine,  stets  quattor  zu 
setzen,  noch  sei  es  mir  gestattet  (so  wenig  es  solcher  bedarf)  eine  kleine 
beslfttigung  der  von  Ritschi  proleg.  s.  CLXII  aufgestellten  form  sarire  bei- 
zubringen, bei  Nonius  s.  7  u.  sariores  haben  der  Bambergensis  und  Lei- 
densis  zwar  in  dem  citat  aus  Varros  vinaiia  ircpl  äqppobiciuiv  sarriat^ 
dieselben  aber  in  dem  vers  der  Captivi  663  sariuni,  *)  endlich  ist  auch 


*)  [dieses  factum  habe  ich,  wenigstens  in  bezuff  auf  den  Bamber- 
gensis Nonii,  bereits  in  diesen  jahrb.  bd.  60  (1860)  s.  262  constaüert 
und  zugleich  darauf  hingewiesen,  dasz  auch  bei  Varro  de  l.  UU,  V  §  184 
das  sarcendo  des  Florentinus  vielmebr  auf  »arienäo  führe  als  auf  tar- 
riendo,  wie  in  unseren  texten  steht,  überhaupt  wird  sich  bei  genaue- 
rer  Untersuchung,  namentlich  wenn  erst  Heinrich  KeUs  apparat  zu  den 
scriptores  rei  rusticae  vorliegt,  vermutlich  herausstellen,  dasz  die  alten 


Lucian  Müller:  Titus  Macdus  Plautus.    '  213 

die  letzte  ausflucht  oicht  zulässig,  man  könne  dem  Verfasser  des  proIogs 
wol  zutrauen,  was  bei  Plautus  selbst  als  unstatthaft  erscheine,  denn 
wenn  nach  Ritschi  parerga  I  s.  238  unser  prolog  spater  als  das  sechste 
Jahrhundert  der  stadt  zu  setzen  ist,  so  musz  derselbe  vielmehr,  entspre- 
chend dem  entwicklungsgange  der  scenischen  metrik,  die  gesetze  des 
trimeters  sorgfilltiger  beobachten  als  bei  Plautus  geschieht,  und  Osanns 
Phantasien  von  einem  'pesaimum  numerorum  genus'  für  jene  prologe  hat 
Ritscfai  a.  0.  s.  236  gebQhrend  zurfickgewiesen. 

Kurz ,  wenn  der  vers  von  dem  wir  ausgiengen  stehen  soll ,  so  musz 
geschrieben  werden 

Demöphiltts  scripsit^  M actus  vortit  bdrhare. 
Modus  natflrlich  als  tribrachys.  die  Zeugnisse  aber  der  hss.  sind  dieser 
Schreibart  nicht  ungünstig:  die  jungem  bieten  zumeist  macrus  oder 
tnacus^  der  Vetus  des  Camerarius  maccus,  dies  letzte  vielleicht  durch 
eine  reminiscenz  des  abschrelbers  an  die  bekannte  charaktennaske  der 
Atellanen.  über  die  form  Modus,  ihr  Verhältnis  zu  Maiius^  Macdus, 
Maitius  und  die  mdglicfakeit  ihrer  Verkürzung  etwas  zu  sagen  ist  über- 
flüssig; es  genügt  auf  Ritschi  s.  37 — 39  der  parerga  zu  verweisen,  wer 
sich  für  fthnlicbe  Wandlungen  eines  vocales  vor  geminierter  consona  bei 
den  dactylikern  interessiert,  möge  noch  de  re  metrica  s.  360  nachsehen. 

Bonn.  Luoian  Müllbr. 

ZUSATZ. 

Lange  bevor  das  manuscript  vorstehender  misceiie  in  meine  hflude 
kam,  hatte  mein  freund  Bücheier  in  Greifswald  im  anschlusz  an  meinen 
aufsatz  im  vorigen  Jahrgang  dieser  Zeitschrift  s.  625  IT. ,  in  welchem  ich 
das  Lachmannsche  gesetz  von  der  unzulässigkeit  einer  dactylischen  wort- 
form statt  des  trochäus  nAher  zu  begründen  suchte,  mir  brieflich  einige 
bemerkungen  zu  gelegentlicher  Verwendung  zugeben  lassen,  von  diesen 
betrifft  eine  den  oben  behandelten  vers  des  prologs  der  Asinarla ,  dessen 
Schwierigkeit  in  ganz  derselben  weise  gehoben  wird  wie  oben.  Ich  glaube 
im  sinne  meines  freundes  zu  handeln,  wenn  ich  die  bezügliche  deduction 
hier  unverändert  abdrucken  lasse : 

'Nach  demselben  metrischen  gesetze  ist  die  von  Ritschi  parerga  1 
s.  23  aufgestellte,  von  Hertz  (in  der  Streitschrift  gegen  Geppert  s.  20) 
angenommene  Schreibung  des  Plautusnameos  im  prolog  der  Asinaria 
Demöphüus  scripsit,  Macdus  vortit  barbore  nicht  richtig,  was  liegt 
aber  näher,  da  über  den  namen  selbst  ein  zweifei  unmöglich,  als  das 
handschriftliche  maccus  mit  änderung  4ines  buchstaben  in  Modus  zu 
verwandeln?  eben  diese  form  mit  ^inem  c  merkt  Ritschi  a.  o.  s.  38  aus 
einer  inschrift  von  Perugia  an,  und  dies  war  die  vorennianische  form, 
ich  könnte  erinnern  an  Piltpus  und  Phüippus,  tle  und  ille,  sogtto  und 


nur  sarire  gekannt  haben,  sarrire  eine  gans  anberechtigte,  weil  erst 
mittelalterliche  schreibong  ist.  die  einzige  mir  bekannte  inschrift,  in 
der  das  wort  vorkommt,  IRNL.  6746,  2,  10  (Orelli  II  s.  880)  bestätigt 
dies  durch  ihr  ssgbtsb  •  sabiyiitvb.  A,  F.] 


214  A.  Fieckeisen:  Titus  Maccius  Piautus. 

sagitia  bei  Piautus,  an  die  namen  Persona  und  Porsenna  oder  Pwsmna^ 
Cattlus  und  Catülus  und  anderes  bekanntes  bei  fast  allen  dichtem:  und 
wer  zweifelt  dasz  genus  unde  Atii  duxere  latinum  und  die  AHii  von 
haus  aus  eins  sind  und  eine  Unterscheidung  durch  die  Schreibung  erst 
später  sich  Gxierte,  so  gut  wie  bei  den  Claudii  und  Clodii  oder  unsern 
landslenten  Schmidt  Schmidt,  Schmitt  usw.  also  bei  Piautus  lebzeiten 
Titus  Modus,  letzteres  mit  doppelzeitiger  pnma,  sp9ter  constant  Biac- 
cius,'   soweit  Bficheler. 

Die  Plautuskritiker  wissen  dasz  Ritschi  an  einer  spatern  slelie  der 
parerga  als  der  oben  angezogenen ,  nemlich  s.  272  fttr  den  Asinariavers 
.auf  grund  einer  mitteilung  von  Ladewig  eine  andere  fassung  vorgeschla- 
gen hat,  weil  ein  komödiendichter  Demophilos  sonst  ^gftnzlich  unbekannt' 
sei,  nemlich  diese:  tarn  Diphilus  scripsit,  Mäccius  vortU  bdrbare.  mit 
recht  haben  sowol  Müller  als  Bficheler  diesen  Vorschlag  oben  mit  still* 
schweigen  übergangen  und  sich  an  die  handschriftliche  Überlieferung  ge- 
halten: denn  jene  fassung  des  verses  mit  dem  daclylus  Diphilus  *)  ist  ja, 
wie  wir  jetzt  wissen,  aus  demselben  gründe,  um  deswillen  der  dactylus 
Maccius  fortzuschaffen  war,  unmöglich,  auch  hat  Ritschi  selbst  im  2n 
bände  seiner  kleinen  philologischen  schriflen  s.  683  jenen  verschlag  mit 
folgenden  werten  zurückgenommen :  'von  meinen  eigenen  früheru  Sünden 
gegen  dieses  gesetz  liegt  mir  seit  langem  keine  schwerer  auf  dem  herzen, 
als  dasz  ich  einstens  im  prologvers  11  der  Asinaria  das  gemutmaszle 
eam  Diphilus  scripsit  für  zulftsslg  halten  konnte :  zumal  seit  ich  zufällig 
weisz,  wie  glücklich  auch  die  zweite  vershalfle  Mäccius  vortit  bärbare 
von  ganz  demselben  gebrechen  befreit  worden  ist'  (womit  eben  die  obige 
MQller-Büchelersche  emendation  gemeint  ist). 

Ist  denn  aber  der  Demophilos  uns  auch  jetzt  noch  wirklich  so 
^gftnzlich  unbekannt'?  im  jähre  1845,  als  Ritschi  seine  parerga  heraus- 
gab, war  er  es  allerdings;  aber  bald  darauf  ist  im  PeirSeus  eine  Inschrift 
gefunden  und  durch  M.  H.  E.  Heiers  commentatio  epigraphica  secunda 
(Halle  1854}  zugänglich  geworden,  in  der  dieser  name  als  der  eines 
komudtendichters  wirklich  vorzukommen  scheint,    es  ist  Bergks  scharf- 


*)  nnd  doch  kommt  diese  nemliche  dactyliache  wortform  DiphUiu 
einmal  statt  eines  trochäus  vor,  aber  im  ersten  fasze  eines  troohfti- 
sehen  septenarius,  wo  sie  vollkommen  gerechtfertigt  ist:  ich  meine  die 
in  Aqnileja  befindliche  grabschrift  ans  republicanischer  zeit 

Diphilus  sine  aoaritie  vixii,  dd  Ditem  venit.  vate» 
sie  steht  im  CIL.  bd.  I  nr.  14Ö9,  nnd  ihre  metrische  beschaffenheit  scheint 
mir  nnzweifelhaft,  obgleich  Mommsen  nichts  darüber  bemerkt  hat.  aller- 
dings ist  mir  ein  eine  vollständige  grabschrift  bildender  trochSiacher 
septenar  bis  jetzt  noch  nicht  Torgekommen;  aber  dies  ist  wol  kein 
hindernis  der  obigen  annähme,  anmal  da  öfters  einseifte  iambische 
senare  eine  Inschrift  aasmachen  und  anderseits  tLberbanpt  HrochlUscber 
rythmns  anf  Inschriften  eben  nicht  häufig  ist',  nm  mit  Bücheier  zu  re- 
den in  diesen  jahrb.  1858  s.  68,  der  aber  doch  einen  einer  grabschrift 
eingestreaten  trochäischen  septenar  ansaführen  weiss,  nemlich  ron 
dem  monnment  des  Soldaten  T.  Cissonins  aus  Antioohia  in  Pisidlea  bei 
Orelli-Henzen  nr.  6674: 

Dum  nixi,  b(bi  libenter:  6/Mte  vo»  qui  viviOs, 


Philologische  gelegenheiUschriften.  215 

hlick  gelungen  ihn,  wenn  auch  nicht  mit  mathematischer  gewishcit,  aber 
doch  mit  einiger  wahrscheinlicblLeit  daselbst  nachzuweisen :  in  seiner  an- 
zeige der  Meierschen  abhandiung  z.  f.  d.  aw.  1855  sp.  166  spricht  er 
sich  darüber  so  aus :  *in  der  Inschrift  nr.  67  wird  mit  vollem  recht  ein 
Verzeichnis  i(omischer  dichter  erliannt:  da  die  inschrifl  im  Peii:äeHs  ge- 
funden, so  möchte  ich  vermuten  dasz  sie  sich  auf  die  aufffihrungen  im 
dortigen  theater  bezog,  mit  den  ergänzungen  hrn.  M.s  bin  ich  jedoch 
nicht  überall  einverstanden,  von  dem  ersten  namen  ist  nur  übrig 
«A(H)**«(A)OZ,  was  jeder  restitution  widerstrebt,  vielleicht  ist  aber 
hier  die  lithographie  nicht  genau,  und  substituiert  man  A(H)«*4  4t(A)0I, 
so  ergibt  sich  AiUiöcpiXoc,  und  so  w&re  auch  ein  urliundliches  zeugnis 
rar  den  aus  Plautus  Asinaria  beliannteu  dichter  gewonnen,  wo  freilich 
Ritschi  und  Ladewig  den  namen  des  Diphilus  substituieren  wollten.'  sehr 
zu  wünschen  wäre  es  dasz  dieser  stein  auf  den  namen  hin  an  ort  und 
stelle  noch  einmal  genau  untersucht  würde. 

Dbesdsn.  Alfbed  Flbokeisbn. 


31. 

PHILOLOGISCHE  GELEGENHETTSSCHRIPTEN. 


Antwerpen  (acad^mie  d^archdologie  de  Belgiqne)  A.  Wagen  er: 
le  monament  fontfraire  Bomain  du  muaee  des  beaux-arts  d'Anvers.  ex- 
trait  des  annales  de  Pacaddmie,  2*  serie,  tome  III,  druck  you  J.  £. 
Buschmann.  1867.   14  s.  gr.  8. 

Basel  (univ.,  re ctoratefeier)  W.  Wackernagel:  voces  variae  ani- 
mantium.    druck  von  G.  Schnltse.  1867.  54  s.   gr.  4. 

Berlin  (akad.  d.  wiss.)  £.  Hühner:  neue  gladiatorentesseren. 
ans  dem  monatsbericht  (sitsung  vom  25  novbr.  1867).  akademische 
hnchdmckerei.  s.  747—771.  gr.  8. 

Ellwangen  (gymn.)  G.  F.  Schnitzer:  de  Pindaro  nuperrime 
emendato.    druck  von  L.  Weil.  1867.  80  s.  gr,  8. 

Göttingen  (ges.  d.  wiss.)  £.  Gurtius:  sam  gedächtnis  von  Gh. 
A.  Brandts  und  A.  Boeekh.    aus  den  nachrichten.   1867.   21  s.  8. 

Greifswald  (nniv.,  lectionskatalog  s.  1867)  G.  F.  Schömann: 
quaestionum  grammaticamm  epimetmm.  druck  von  F.  W.  Kunike. 
18  s.  gr.  4.  —  (lectionskatalog  w.  1867—68)  F.  Suse  mihi:  de  Aristo- 
telis  politicomm  libris  primo  et  seouado  quaestiones  criticae.  18  s.  gr.  4. 
—  (doctordissertationen)  Bernhard  Fahland  (aus  Pommern):  Appia- 
nun  in  hello  Punico  tertio  describendo  aa<^tore  usum  esse  Polybio.  1867. 
49  B.  8.  —  Victor  Gampe  (ans  Neomppin):  de  pugna  Marathonia. 
1867.  68  8.  8.  —  £wald  Böcker  (aus  Solingen):  de  quibusdam  poli- 
ticomm Aristoteliorum  locis.  1867.  44  s.  8.  —  Wilhelm  Hahn  (aus 
Lieberose):  scaenicae  qnaestiones  Plautinae.   1867.   50  s.  8. 

Halle  (zur  begräszang  der  26n  deutschen  philologenversamlnng 
1 — 3  octbr.  1867,  im  namen  der  lat.  hanptschule)  Th.  Adler:  salutatio 
(s.  III — ym)  —  A.  Imhof:  emendata  quaedam  et  observata  in  Staüi 
Silvia  (s.  1 — 11)  —  W.  Scheuerlein:  der  conionctivus  inssivns  der 
geforderten  seelenthätigkeit  im  unabhängigen  lateinischen  nebensatze 
(8. 12 — ^22).  waisenhausbnchdruckerei.  gr.  4.  —  (im  namen  des  k.  päda- 
gogiums)  G.  Thilo:  quaestiones  Servianae.  53  s.  gr.  4.  —  (für  die 
germanistische  section)  lulii  Yalerii  epitome.  zum  erstenmal  herausge- 
geben von  J.  Zacher.  XIY  u.  64  s.  gr.  8.  —  R.  Yolkmann  (in  Jan"'^ 


216  Philologische  gelegenheitsschriften. 

commentatio  de  consolatioue  ad  Apolloniam  Pseudoplatarchea.  druck 
von  H.  Vaillant  in  Jaaer.    13  8.   gr.  4. 

Hof  (Stadienanstalt)  M.  Lechner:  de  arte  Aeschyli  rhetorica.  druck 
von  C.  Hörmann.  1867.  11  s.  gr.  4.  —  M.  Lechner:  festrede  bei  ein- 
weihuDg  des  neuen  gymnasiums  zu  Hof  am  7  octbr.  1867  in  der  alten 
aula  gehalten,  druck  von  Giesecke  u.  Devrient  in  Leipzig.  20  s.  roy.  8. 
[in  welchem  Verhältnis  der  gymnasialunterricht  zum  öffentlichen  leben 
stehe.] 

Jena  (univ.,  lectionskatalog  w.  1867 — 68)  ICNipperdey:  oratiun- 
cula  in  renuntiatione  certaminum  habita.  Brausche  buchhandlang.  10  s. 
gr.  4.  —  (doctordiss.)  Benno  Born:  de  Antigonae  stasimo  secundo. 
druck  von  Rat.  1867.  21  s.  gr.  8.  -—  A.  I.  Reiohart:  die  sittliche 
lebensanschauung  des  P.  Ovidius  Naso.  druck  von  G.  Krämer  in  Pots- 
dam. 1867.  58  s.  gr.'8.  —  H.  Muess  (aus  Westphalen):  de  Syracusa- 
norum  rerum  statu  qualis  fuit  Thrasybulo  mortuo  usque  ad  Ducetii 
egregii  Siculomm  ducis  interitum.    druck  von  Bat,    1867.   27  s.   g^.  8. 

Kiel  (univ.)  O.  Bibbeck:  Griechenland  und  Deutschland,  rede 
zur  feier  des  geburtstages  sr.  maj.  des  königs  Wilhelm  I  22  märz  1867 
gehalten,  druck  von  C.  F.  Mohr.  18  s.  gr.  4.  —  (lectionskatalog  w.  1867 
— 68)  O.  Ribbeck:  diranun  carmen  enarratum  et  recognitnm.  14  s.  gr.  4. 

Königsberg.  K.  Lehrs:  ein  halber  bogen  Horatiana.  die  sechs- 
zehnte und  siebzehnte  epistel.  druck  von  Gruber  u.  Longrien.  1867. 
8  B.   gr.  8. 

Leipzig  (ges.  d.  wiss.)  G.  Curtius;  zur  Chronologie  der  indoger- 
manischen Sprachforschung,  aus  dem  5n  bände  der  abhandlungen.  Ver- 
lag von  S.  Hirzel.  1867.  s.  187-261.  hoch  4.  —  J.  O verbeck:  über 
den  Apollon  vom  Belvedere  und  die  Artemis  von  Versailles  nebst  einer 
capitolinischen  Athenestatue  als  bestandteile  einer  gruppe.  ans  den  be- 
richten der  phil.-hist.  classe  1867  s.  121 — 160.  mit  2  steindrucktafeln.  — 
(univ.f  zur  Verkündigung  der  philos.  doctorpromotionen  1866 — 67  und 
der  preisaufgaben  für  1868)  R.  Klotz:  adnotationum  criticarum  ad 
Ciceronis  librum  de  natura  deorum  primum  pars  I  et  U.  druck  von 
A.  Edelmann.  1867.  9  u.  20  s.  gr.  4.  —  (doctordissertatlonen)  Alois 
Goldbacher  (inTroppau):  de  L.  Apulei  floridorum  quae  dicuntur  ori- 
gine  et  locis  quibusdam  corruptis.  druck  von  G.  P.  Melzer.  1867. 
86  s.  gr.  8.  —  Ernst  Windisch  (aus  Dresden):  de  hymnis  Homericis 
maioribus.    druck  von  B.  G.  Teubner.    1867.   68  s.   gr.  8. 

Lucern  (l^antonsschule)  H.  Dziatzko:  über  die  Plautinischan  pro- 
löge,  allgemeine  gesichtspuncte.  druck  von  gebr.  Räber.  1867. 16  s.  gr.  4. 

Marburg  in  Steiermark  (gymn.)  R.  Reichel:  die  deutschen  ge- 
schlechtsnamen  mit  besonderer  rücksicht  auf  Marburger  namen.  druck 
von  £.  Janschitz.    1867.   s.  13—39.    gr.  8. 

Maulbronn  (evang.-theol.  seminar)  G.  A.  Palm:  der  magnet  im 
altertum.    druck  von  A.  Müller.    1867.   34  s.   4. 

M  e  i  8  z  e  n  (landesschule,  zur  beglückwünsohung  des  gymn.  in  Bautzen 
1  mai  1867)  Tb.  Vogel:  symbolae  ad  liuguae  latinae  thesauros.  part.  I. 
druck  von  Klinkicht  n.  söhn.   22  s.   gr.  4. 

Minden  (gymn.)  R.  Grosser:  geschichte  und  altertum  er  der  Stadt 
Kroton.    zwei  teile,    druck  von  J.  G.  G.  Bruns.   1866  u.  67.   143  s.  gr.  8. 

München  (akad.  d.  wiss.)  H.  Brunn:  über  das  alter  der  ägineti- 
sehen  bildwerke.  aus  den  Sitzungsberichten  (sitzung  vom  4  mai  1867). 
druck  von  F.  Straub.  24  s.  gr.  8.  —  H.  Brunn:  über  die  sogenannte 
Leukothea  in  der  glyptothek  sr.  maj.  könig  Ludwigs  I.  Vortrag  am 
26  juli  1867  gehalten.  26  s.  gr.  4.  —  (Ludwigs-gymn.)  A.  Spengel: 
die  Partikel  nonne  im  altlateinischen  (zu  Plautus  und  Terentius).  druck 
von  F.  Straub.  1867.  6  s.  gr.  4.  —  (Maximiliansgymn.)  F.  J.  Lauth: 
Homer  und  Aegypten.    1867.   48  s.   gr.  8. 


ERSTE  AETEILUNa 
FÜR  CLASSISCHE   PHILOLOGIE 

HERAUSGEGEBEN  VON  ALFBED  FlECKEISEN. 


32. 

ÜBEB  DIE  QUELLEN  DER  PSEÜDOARISTOTELISCHEN 
SCHRIFT  n€PI  eAYMACIQN  AKOYCMATQN. 


Seitdem  Henricus  Stepbanus  im  jähre  1657  die  autoriUt  der  hand- 
schriftea,  die  uns  eine  schrift  des  Aristoteles  irepi  Oaufiaciuiv  äKOu- 
c^dTU)V  überliefern,  zuerst  durch  das  bescheidene  urteil  in  zweifei  ge- 
zogen hat ,  dasz  er  zwar  nicht  in  abrede  stelle ,  dasz  diese  schrift  von 
Aristoteles  herrühre,  jedoch  der  ansieht  sei,  die  ganze  schrift  in  der  ge- 
stalte in  welcher  sie  auf  uns  gekommen,  könne  nicht  Aristotelisch  genannt 
werden'}:  hat  sich  allmählich  die  ansieht  über  die  entstehungszelt  der 
uns  unter  dem  bekannten  titel  vorliegenden  excerpte  mit  ausreichender 
Sicherheit  feststellen  lassen,  ein  nicht  unerheblicher  schritt  zu  diesem 
ziele  war  das  von  Westermann  (iropaboSoTpdcpoi  praef.  s.  IV.  XXVI) 
gewonnene  resultat,  dasz  die  abschnitte  152 — 178  (ßekker),  die  sich  in 
einer  handscbrift  (Ottobon.  45,  U*  Bk.)  von  dem  übrigen  isoliert  finden, 
unabhängig  von  dem  vorhergehenden  entstanden  und  erst  später  dem- 
selben hinzugefügt  worden  seien,  eine  annaiune  der  sich  Val.  Rose  (Ar. 
pseud.  8.  280)  angeschlossen  bat.  denn  da  abschnitt  152  aus  des  Philo- 
stratos  leben  des  ApoUonios  (16  s.  3 ,  30  Kayser)  hervorgegangen  ist, 
168  aus  Herodianos  (VI  7,  14),  eine  ganze  reihe  von  abschnitten  (158  — 
160.  162.  163.  166.  167.  171.  173—175)  aus  der  fälschlich  dem  Plu- 
tarch  zugeschriebenen  schrift  irepl  1^0Ta^uJV  Kai  öpwv  inw^v^dac  Kai 
TUiv  iy  auTOic  6uplCK0^^VlJJV,  die  vermutlich  viel  späterer  zeit  ange- 
hört als  der  zeit  des  Plutarch ,  jedoch  nicht  weiter  als  bis  zum  fünften 
jfa.  nach  Gh.  herabgerückt  werden  darf) :   so  würde  sich  trotz  mancher 


1)  Aristo  teils  et  Theophrasti  scripta  quaedam  etc.,  Paris  1567,  8| 
in  der  dedicatlon:  'Aristotelis  librum  illum  esse  non  nego  .  .  sed  totam 
librum  qaalis  qaantusqne  est  Aristotelicum  esse,  id  sane  pemeffc' 

2)  Stobäos  hat  sie  für  den  lOOn  abschnitt  seiner  blamenfese  be- 
nutzt (ircpl  vöcou  kqI  Tf^c  tuiv  KaT'aÖTf|v  dviapiS^v  XOccujc).  er  citiert 
freilich  die  antoren  welche  diese  schrift  anführt,  nnd  nicht  die  schrift 
ircpl  iroTa|LiOüv,  doch  bat  er  nur  aas  dieser  geschöpft,  wie  ans  den  ste- 
reotypen Wendungen  seiner  artikel,  die  mit  denen  der  genannten  schrift 
übereinstimmen,  zur  genüge  hervorgeht  einzelne  übrigens  unbedeu- 
tende abweichungen  sind  auf  ungenauigkeiten  oder  den  schlechten 
zustand  des  textes  der  schrift  ircpl  iroTajKÜt)v  zurückzuführen. 

Jahrbücher  fOr  elMS.  philol.  1868  hit  4.  15 


218         H.  Scbrader :  Qber  die  quellen  der  pseudoaristolelischen 

älteren  bestandleile  auch  dieser  gruppe'}  das  urteil  für  eine  sehr  späte 
entstehungszeit  des  ganzen  entscheiden  müssen,  wenn  wir  eben  alle  178 
abschnitte,  die  uns  die  Bekkersche  ausgäbe  aus  verschiedenen  handschrif- 
ten  (s.  Westermann  s.  II  ff.)  zusammengestellt  hat,  als  aus  äiner  recen- 
sion  hervorgegangen  betrachten  dQrften.  bei  dem  mit  richtigem  blicke 
von  Westermann  erkannten  wahren  Verhältnisse  dieser  capitel  ist  es  je- 
doch von  interesse,  dasz  sie  auszer  auf  andere  quellen  auch  auf  die  älte- 
re, jetzt  mit  ihnen  vereinte  samlung  zurückgehen:  denn  nach  dem  161n 
abschnitte  finden  wir  in  vier  handschriften,  auszer  der  schon  erwähnten 
U'  noch  R*  und  N*  Bk.  und  der  Wiener  hs.  Beckmanns,  drei  abschnitte 
aufgenommen,  die  sich  in  anderen  hss.  am  anfang  der  altern  Zusammen- 
stellung finden  und  von  fiekker  als  4r  9r  5r  abschnitt  herausgegeben 
worden  sind,  ebenso  bieten  die  eben  genannten  hss.  und  auszerdem  0* 
Bk.  nach  177  ein  excerpt,  das  auf  die  autorität  anderer  Codices  hin  als 
das  33e  bezeichnet  worden  ist;  auch  findet  sich  der  anfang  des  ersten 
abschnittes  (bis  zu  dem  werte  öq)6aX]Lii£iv  s.  830*  12)  in  fOnf  hss.  (Q  R* 
N*  0*  Bk.  und  der  Wiener  hs.)  auch  am  ende  der  späteren  samlung,  nach 
dem  176n  absclinitte,  wiederholt. 

Ebenso  hat  Westermann  mit  recht  erkannt,  dasz  sich  für  die  ersten 
151  excerpte  kein  grund  finden  läszt,  der  uns  zwänge  ihre  Zusammen- 
stellung einer  ebenso  späten  zeit  zuzuschreiben ;  er  glaubte  dieselbe  viel- 
mehr in  die  alexandrinische  zeit  versetzen,  innerhalb  dieser  jedoch  be- 
trächtlichen Spielraum  für  dieselbe  übrig  lassen  zu  müssen,  während  Rose 
sich  durch  den  um  die  zeit  des  todes  des  Timäos  (um  ol.  130)  herschen- 
den  geschmack  an  dergleichen  wundergeschichten  bestimmen  liesz  die 
nächste  zeit  nach  demselben,  etwa  oi.  130 — 135,  für  die  entstehung  der 
samlung  anzusetzen  (de  Ar.  libr.  ordine  et  auct.  s.  55,  Ar.  pseud.  s.  280)* 

Es  könnte  freilich  scheinen ,  als  ob  noch  ein  bei  weitem  gröszerer 
Spielraum  für  ihre  entstehung  anzunehmen  wäre:  denn  aus  äusseren 
gründen  ist  einerseits  feststehend,  dasz  sie  nicht  vor  dem  jähre  289  ent- 
standen sein  kann,  dem  todesjahre  des  im  llOn  abschnitte  erwähnten 
tyrannen  Agathokles,  und  anderseits,  dasz  sie  nicht  später,  als  die  zeit 
des  Isigonos  ist,  zu  stände  gekommen  sein  kann,  denn  diesem  hat  sie 
offenbar  vorgelegen,  wie  eine  vergleichung  der  abschnitte  56  und  57 
unserer  mirabilia  mit  dem  7n  und  8n  der  von  H.  Stephanus  dem  Sotion 
zugeschriebenen  fragmente  (Westermann  s.  183  ff.)  ergibt,  von  denen 
sich  das  erstere  auf  Aristoteles ,  das  zweite  auf  Isigonos  beruft,  so  dasz 
oflenbar  beide  dem  den  sog.  Aristoteles  benutzenden  Isigonos  entnommen 


3)  abschnitt  156  ist  aus  Ar.  poetik  9;  161  aus  Theophrast  de  causis 
plant.  I  22;  170  ans  Eudoxos,  wie  aus  Flinius  n.  h,  XXXI  13  hervor- 
geht, wo  schon  Sylbnrg  (zn  ause.  mir.  184)  statt  des  überlieferten  Eu- 
dicus  emendiert  hat  Eiuloaus.  177  ist  aus  Ar.  de  gen.  aniro.  IV  10,  vgl. 
bist.  anim.  V  li.  VI  27.  169  scheint  aus  Timäos  zu  sein:  wenigstens 
führt  Antigonos  Kar.  134  einen  teil  desselben,  der  samlung  des  Kalli- 
machos  entnommen,  aus  dieser  quelle  an,  und  Strabon  VI  s.  263*,  der 
häufig  den  Timäos  benutzt,  stimmt  fast  wörtlich  mit  diesem  abschnitt 
überein;  auch  Theophrast  hatte  ähnliches  berichtet,  Flinius  XXXI  13» 
Tgl.  Aelian  nat.  anim.  XII  36. 


Schrift  Trepl  0ai>)Liaciiuv  äKOUCjndTiuv.  219 

sind,  auch  dem  neanlen  dieser  fragmente,  das  sich  ebenfalls  auf  Isigo- 
nos  beruft,  scheint  der  117e  abschnitt  zu  gründe  zu  liegen,  nun  ist  aber 
dieser  Istgonos  jedenfalls  älter  als  Varro,  der  ihn  benutzt  hat,  wie  richtig 
von  Rose  (Ar.  pseud.  s.  280)  erkannt  worden  ist,  wenn  sich  auch  die 
Voraussetzung,  dasz  die  fragmente  des  sog.  Sotion  nur  excerpte  aus  Isi- 
gonps  seien ,  schwerlich  als  sicher  nachweisen  iSszl. 

Trotz  des  somit  bedeutend  erweiterten  Zeitraums,  in  dem  diese  mi- 
rabilia  gesammelt  sein  können ,  scheint  die  von  Rose  versuchte  fixierung 
wenigstens  annähernd  das  richtige  getroffen  zu  haben,  denn  es  wäre  in 
der  that  ein  wunder,  ebenso  grosz  wie  die  in  dieser  samlung  erzählten, 
wenn  bei  einer  beträchtlich  spätem  redaction  derselben  sich  schlechter- 
dings nichts  finden  sollte,  was  dieselbe  verriethe.  so  würde  es  vor  allen 
dingen  befremdlich  sein ,  dasz  sich  bei  einer  etwa  der  letzten  hälfte  des 
zweiten  jh.  zuzuschreibenden  redaction  kein  einflusz  derselben  auf  die 
art  und  weise  zeigen  sollte,  in  der  Karthagos  erwähnung  geschieht,  im 
gegenteil :  die  macht  dieser  Stadt  erscheint  noch  im  vollen  bestände ,  so- 
woi  an  sich  *)  als  auch  auf  den  Balearen '),  ja  vielleicht  selbst  noch  auf 
SicUien.  •) 

Mithin  dürften  diese  excerpte  schwerlich  später  als  um  die  mitte 
des  zweiten  jh.,  vermutlich  jedoch  schon  bedeutend  früher  redigiert 
worden  sein,  wobei  freilich  die  von  Rose  als  wahrscheinlich  angegebene 
zeit  um  einige  Olympiaden  zu  erweitern  sein  möchte,  der  werth  oder 
unwerth  dieser  151  excerpte  wird  jedoch  dadurch  nicht  alleriert:  denn 
es  liegt  auf  der  band,  dasz  eine  selbst  um  das  jähr  160  aus  alten  und 
guten  quellen  angelegte  samlung  von  ungleich  höherem  werthe  sein 
musz  als  eine  selbst  ein  volles  Jahrhundert  früher  aus  mangelhaften  quellen 
zusammengetragene. 

Das  eigentliche  kriterium  für  die  bedeutung  dieser  angeblich  Aristo- 
telischen Schrift  bildet  daher  das  resultat  der  frage  nach  dem  material 
aus  dem  sie  aufgebaut  ist ,  eine  frage  die  eigentümlicher  weise  mehr  als 
billig  hinter  der  nach  ihrer  gesamtabfassung  und  der  Verwendung,  die 
ihre  angaben  in  späterer  zeit  gefunden  haben,  zurückgetreten  ist.  in  der 
Beckmannschen  ausgäbe  (Göttingen  1786)  ist  durch  die  grosze  fülle  des 
materials,  besonders  des  naturhistorischen,  ein  dankenswerther  anfang 
geboten ,  doch  ebenso  wenig  wie  in  der  Westermannschen  samlung  der 
paradoxographen  zwischen  quellen  und  parallelstellen  unterschieden 
worden. 

Aeuszerst  einfach,  besonders  im  gegensatz  zu  dem  Sammelwerke 
des  Kallimachos,  das  in  der  unter  dem  namen  des  Antigonos  von  Karystos 
verbreiteten  (s.  R.  Köpke  de  Antigono  Carystio,  Berlin  1862,  s.  ö  ff.)  Zusam- 
menstellung von  Wundergeschichten  (IcTopu&v  irapaböSuJV  cuvatuiTfi) 
benutzt  worden  ist,  gestaltet  sich  das  Verhältnis  zu  den  quellen  nach  der 


4)  abschnitt  136.  5)  88,  ans  Timttos,  vgl.  Biod.  V  17.  6)  Nie- 
bnhr  röm.  gesch.  I  s.  23  versteht  die  werte  118  ^v  t^  ^irtKparei^  tCliv 
KapxT)bov{u)v  von  dem  karthagischen  teile  Siciliens.  (Sotion)  29,  der 
dasselbe  in  küree  berichtet,  hat  nur  KQTd  Kapxnööva,  ebenso  Vitmv 
Vm  3,  8  s.  195  (Rose)  Oarthaginu 

15* 


220        H.  Schrader:  über  die  quellen  der  pseudoaristotelischen 

aDsicbt  Roses  (Ar.  pseud.  8.  280),  nach  welcher  die  abschnitte  1 — 77, 
mit  ausnähme  von  51 — 60 ,  aus  scbriften  des  Aristoteles  oder  des  Theo- 
pbrastos,  die  damals  unter  des  ersteren  namen  verbreitet  gewesen  wären, 
herrühren;  78 — 114,  130 — 136,  die  in  dieser  w^eise  anzuordnen  seien, 
sollen  aus  TimSbs,  137, 115^129,  138  aus  Theopompos  stammen,  so 
dasz  das  ganze  als  'mirabilium  Aristotelis  et  Timaei  et  Theopompi  coUec- 
tio'  bezeichnet  wird. 

Eine  genaue  vergleichung  jedes  einzelnen  abschnittes  mit  allem  ein- 
schlägigen material  ergibt  jedoch  ein  anderes,  weniger  einfaches  resultat, 
das  hier  in  kürze  zusammengefaszt  werden  mag. 

Der  anfang  unserer  jetzigen  samlung  ist  zum  grösten  teil  aus  Aris- 
toteles genommen ,  und  zwar  enthalten  die  ersten  30  abschnitte  fast  aus- 
schlieszlich  (nur  der  29e  bildet  eine  ausnähme)  berichte  über  eigen- 
tümliche oder  wunderbare  erscheinungen  der  tbier*  und  pflanzen  weit, 
da  mit  dem  33n  abschnitt  dann  berichte  ganz  anderer  art  eintreten ,  über 
wunderbare  ausstrümungen  des  erdbodens,  seltsame  quellen,  metalle  usw., 
deren  Ursprung  uns  zum  grösten  teil  unbekannt  ist,  so  hat  die  nach  einem 
fingerzeig  der  handschrifteu  von  Westermann  aufgestellte  Vermutung,  dasz 
die  ersten  32  abschnitte,  ebenso  wie  die  letzten  von  152  an,  ursprüng- 
lich eine  samlung  für  sich  gebildet  hätten^,  nichts  unwahrscheinliches, 
durch  diese  annähme  würde  sich  auch  das  vorkommen  der  beiden  anek- 
dotenhaften berichte  31  und  32,  Über  den  wahnsinnigen  in  Abydos  und 
den  in  Tarent,  zwischen  sonst  zwar  wunderbaren,  aber  keineswegs  al- 
bernen aufzeichnungen  auf  das  leichteste  erklären :  sie  sind  der  ursprüng- 
lich mit  dem  30tt  abschnitt  schlieszenden  samlung  von  irgend  einem 
müszigen  köpfe  hinzugefügt  worden,  um  die  allerdings  der  ausdehnung 
nach  unbedeutende  samlung  noch  um  etwas  zu  vergröszern. 

Von  diesen  30  excerpten  also  läszt  sich,  wenn  auch  nicht  in  allen 
fällen  direct  (s.  unten  s.  222),  gerade  die  häifte  auf  die  thiergeschichte  des 
Aristoteles  zurückführen^),  und  zwar  mit  alleiniger  ausnähme  des 
17n  auf  das  neunte  buch  derselben,  selbstverständlidi  jedoch  so  dasz 
sich  mitunter  erweiterungen  finden,  die  sich  nicht  auf  bestimmte  ge- 
währsmänner  zurückführen  lassen,  wie  z.  b.  wenn  in  abschnitt  15  zu 
dem  aus  der  thiergeschichte  IX  49  B  (s.  633^)  entnommenen  noch  hinzu- 
gefügt ist,  dasz  die  amseln  ihre  Wanderungen  bei  nacht  ausführen  und 
daher  am  tage  schwer  zu  jagen  seien. 

Daneben  lassen  sich,  wenigstens  mit  Wahrscheinlichkeit,  7  abschnitte 
auf  Theophrastos  zurückführen,  wie  dies  bereits  von  Rose  Ar.  pseud. 
s.  334  ff,  und  s.  364  geschehen  ist.  denn  den  Inhalt  von  25  und  26 
inden  wir,  wenn  auch  nicht  in  derselben  Vollständigkeit,  bei  Photios 
(bcbL  cod.  278  s.  528')  aus  der  schrift  desselben  irepi  tOüv  d6pdu)C 


7)  Weßtermann  praef.  8.  IV.  XXVI.  8)  1  =  IX  45.  2  =  IX  47. 
.3  =  IX  29.  4  =  IX  6.  5  =  IX  6.  6  =  IX  6.  7  =  IX  6.  8  =  IX 
6.  11  =  IX  6.  12  =  IX  6.  13  =  IX  9.  14  =  IX  10.  .  15  =  IX  19 
und  49  B  (».  633  »>  Bk.).  17  =  V  22.  21  =  IX  40  (s.  626*).  [übrigens 
war  diese  abhandlong  vor  dem  erscheinen  der  ausgäbe  von  Aristoteles 
tbierknnde  von  Aubert  und  Wimmer  geschrieben  und  eingesandt.] 


Schrift  Trepl  Oaujuaciiuv  dxoucjüidTwv.  221 

<paivo]Li^vu)V  Ztjjiuv  excerplert,  und  auch  Plioius  n.  A.  VIII  222  teilt 
dasselbe  auf  Theophrasts  autorität  hin  mit.  derselbe  Ursprung  ergibt 
sich  ffir  27  und  28  aus  einer  vergleichung  mit  Äelian  nat.  anim.  XV  26, 
wo  sich  dieselben  und  noch  andere  erscheinungen  berichtet  finden  mit 
dAn  Zusätze  6€6<ppacTOC  X^t^i  ToOra*  denn  dasz  sich  diese  Worte  auf 
das  ganze  capitel  des  Aellan  und  nicht  etwa  nur  auf  die  schluszworte  be- 
ziehen, geht  daraus  hervor,  dasz  sich  das  im  verlauf  desselben  berichtete 
X^TOuci  ht  Ka\  Onö  CKoXonevbpoiv  Öavacxrivai  'PoiTieTc  bei  Plinius 
VIII  104  aus  Theophrast  angeführt  findet.  olTenbar  ist  auch  hier  an 
dieselbe  schrifl  irepl  Tiiüv  dOpöwc  qpaivoji^vuüv  Z^iujv  zu  deniten,  aus 
der  sich  auch  die  diesen  abschnitten  unmittelbar  vorhergehenden  23  und 
24,  deren  Inhalt  dem  ihrigen  völlig  entspricht,  mit  Wahrscheinlichkeit 
herleiten  lassen,  dagegen  läszt  sich  fOr  30  mit  bestimmtheit  die  Theo- 
phrastische Schrift  irepl  tujv  fieraßaXXövrujv  rdc  XPÖac  als  quelle 
angeben:  denn  das  hier  von  dem  fabelhaften  thiere  tarandos  erzählte  hat 
auch  der  sog.  Antigooos  von  Karystos  (25)  nach  kurzen  berichten  Aber 
den  polyp  und  das  cham91eon ,  die  wie  angeblich  auch  jenes  thier  ihre 
färbe  verändern,  und  zwar  ganz  in  derselben  reihenfolge  und  zum  teil 
mit  denselben  ausdrücken,  wie  Photios  a.  o.  s.  525*  in  einem  excerpte 
ans  der  genannten  schrift  (fr.  172  Wimmer}  diese  drei  behandelt,  wir 
haben  hier  also  drei  von  einander  unabhängige  auszflge  aus  dem  genann- 
ten Schriftsteller,  denen  sich  noch  die  kurze  notiz  bei  Plinius  Viil  124 
anreihen  läszt,  und  der  umstand,  dasz  Antigonos  seine  mitteilungen 
Ober  den  tarandos  mit  den  Worten  einführt:  'ApiCTOT€Xr)c  bi  (pi^ct, 
thut  diesem  ergebnisse  keinen  abbruch.  denn  es  ist  allerdings  möglich, 
dasz  eine  Zeitlang  schriften  des  Theoplu'ast  und  anderer  peripatetiker 
unter  dem  namen  ihres  groszen  meisters  im  umlauf  waren ,  wie  Rose  Ar. 
psend.  s.  278  vermutet,  freilich  ist  zuzugeben,  dasz  sich  die  hier  in 
frage  kommende  stelle- —  neben  Antigonos  19  und  20  eine  der  haupt- 
stützen  dieser  Vermutung  —  mit  mindestens  ebenso  groszer  Wahrschein- 
lichkeit auch  in  anderer  weise  erklären  läszt.  denn  es  musz  jedenfalls 
auffallend  erscheinen,  dasz  Antigonos  nicht  im  anfang  der  einer  angeblich 
Aristotelischen  schrift  entnommenen  excerpte  sich  auf  seine  quelle  beruft, 
sondern  inmitten  derselben,  so  dasz  auch  die  Vermutung  nahe  genug 
liegt,  dasz  dies  citat  des  Aristoteles  bereits  in  der  schrift  des  Theophrast 
enthalten  sein  konnte,  aus  der  es  Antigonos  mit  herfibernahm  ^),  wie 
derselbe  auch  noch  anderes  aufgenommen  hat,  das  die  beiden  andern 
quellen  auslassen.  ^°) 

9)  dasselbe  würde  sich  in  betreff  des  im  20n  abBchnitt  des  Anti- 
gODOB,  der  ebenfalls  dem  Theophrast  entnommen  ist  (Photios  s.  528*), 
eitierten  Aristoteles  geltend  machen  lassen:  auch  hier  wird  derselbe 
nicht  für  das  ganze  ezcerpt,  sondern  nur  für  eine  sich  im  yerlanf  des- 
selben findende  behanptung  als  gewährsmann  angeführt. 

10)  er  nennt  den  tarandos  cxc^öv  Tcov  övip,  während  sowol  Photios 
als  auch  die  ansc.  mir.  in  soheinbarem  Widerspruch  mit  demselben  die 
grösze  als  die  eines  rindes  angeben,  das  richtige  Verhältnis  dieser  ex- 
cerpte und  den  inhalt  des  Originals  zeigt  jedoch  Plinius  a.  o.  tarandro 
magnitudo  quae  bovi  est  .  .  cum  lihtdt  tui  eoloris  es«e,  a$ini  »imiiU, 


222         11.  Schrader:  Qber  die  quellen  der  pseudoaristotelischen 

Fflr  die  übrigen  abschnilte  dieser  samlung  lassen  sich  die  quellen 
nicht  mit  genflgender  Sicherheit  angeben;  denn  ob  9  und  10  von  Rose 
Ar.  pseud.  s.  332  mit  recht  auf  Schriften  des  Theophrast  zurOckgefOhrt 
sind ,  dürfte  zweifelhaft  erscheinen ,  besonders  für  den  erstem  dieser  bei* 
den  abschnitte,  da  Alexasdros  der  Hyndier  bei  Aelian  nat.  anim.  V  27,  d« 
allerdings  Theophrast  benutzt  zu  haben  scheint,  das  nach  dem  berge 
Himas  verlegt,  was  die  ausc  mir.  von  der  Insel  Kephallenia  berichten, 
wir  müssen  uns  also  bescheiden,  und  können  nur  noch  das  als  sicher 
annehmen,  dasz  die  abschnitte  16 — 22  einer  schrift  entnommen  sind,  die 
sich  über  die  bienen  und  deren  producte  ausliesz,  und  die  zum  teil  die 
thiergeschichte  des  Aristoteles  benutzt  hatte  (17  und  21),  so  dasz  es 
nicht  zu  fem  liegt  an  die  von  Photios  s.  529  ^  dürftig  excerpierte  schrift 
des  Theophrast  irept  jlicXitujv  zu  denken,  der  urspmng  alles  übrigen 
läszt  manche  möglichkeiten ,  jedoch  keine  zu  begründende  Vermutung  zu. 
es  musz  uns  genügen,  dasz  mit  etwaiger  ausnähme  von  31  und  32  kein 
abschnitt  eine  spätere  quelle,  als  Theophrast  es  ist,  verräth;  denn  das 
sich  29  findende  wort  cucTp€^^<iTl0Vy  das  erst  bei  Pollux  vorkommt 
(IV  116)  und  in  der  bedeutnng  *  Strudel',  wie  es  hier  die  Wörterbücher 
erklären,  sonst  nicht  nachweisbar  ist,  wird  nach  dem  fingerzeige,  den 
fragment  6  des  sog.  Sotion  gibt,  in  cücTTi|Lid  Ti  zu  verandern  sein. 

Der  inhalt  der  abschnitte  33—151  — nach  Westermann  der  älteste 
teil  der  samlung  —  ist,  wie  schon  bei  dem  gröszeren  umfange  zu  er- 
warten, ein  manigfaltigerer.  im  allgemeinen  lassen  sich  vier  gruppen 
unterscheiden ,  jedoch,  was  bei  einer  schrift  dieser  art  natürlich ,  so  dasz 
sich  innerhalb  derselben  wieder  manches  fremdartige  findet,  bis  zum 
62n  excerpte  sind  es  mitteilungen  über  wunderbare  erscheinungen  des 
erdbodens,  eigentümliche  quellen  und  gewässer,  metalle  und  ungewöhn- 
liche fundorte  und  eigenschaften  derselben,  dann  folgen  bis  zum  77n 
wunder  der  thierwelt,  hierauf  wunderbare  Vorgänge  und  örtliche  erschei- 
nungen bei  fremden ,  zur  zeit  der  samlung  noch  wenig  bekannten  Völker- 
schaften, zum  grösten  teil  Italiens  und  der  angrenzenden  länder,  über- 
haupt der  westweit,  an  die  sich  jedoch  einzelnes  über  der  griechischen 
weit  näher  liegendes  (wie  Thrakien,  Thessalien)  sowie  auch  über  Griechea- 
land selbst  (Elis,  Böotien)  anschlieszt  (bis  138);  endlich  wieder  berichte 
über  wunderbare  erzeugnisse  und  gewohnheiten  des  thierreiches. 

Auch  für  diese  samlung  sind,  wie  bei  dem  naturhistorischen  Inhalt, 
der  auch  ihr  eigen  ist,  nicht  anders  zu  erwarten,  Aristoteles  und 
Theophrast  benutzt  worden,  erslerer  freilich,  so  viel  jetzt  noch  nach- 
weisbar, in  weit  geringerem  masze  als  fQr  die  vorhergebenden  abschnitte, 
und  schwerlich  direct.  denn  der  118e  und  124e  abschnitt  entsprechen 
zwar  im  ganzen  bemerkungen,  die  in  der  thiergeschichte  (IX  36  und  VUl 
28)  vorkommen ;  doch  finden  sich  an  beiden  stellen  abweichungen :  IX  36 
wird  z.  b.  als  Schauplatz  der  wunderbaren  Verwendung  der  habichte 
für  die  jagd  die  Stadt  KebpciiroXic  oder  KcbpönoXic  angegeben,  wäh- 
rend es  in  den  ausc.  mir.  118  ungenauer  heiszt:  rrepl  tf)V  OpcjlK^v  Tf|v 
xmkQ  ^Ajaq)t7T0Xtv.  die  excerpte  149.  150  sind,  wie  ein  vergleich  der 
wunderbaren  geschichlen  des  ApoUonios  (11.  12)  lehrt,  aus  der  angeb- 


sclirin  Ttept  dau|biaciu>v  dKOucjudriüV.  223 

licli  Aristotelischen  sclirift  vö^t^a  ßopßapiKd  enüelinl,  der  jedoch  eia 
illteres ,  vielleicht'.  Theophraslisches  werk  (s.  Rose  Ar.  pseud.  s.  539)  zu 
gründe  liegen  könnte,  und  bei  dem  145n  abschnitt  endlich  kann  man 
zweifeln,  ob  das  zeugnis,  das  Aelian  (uat.  anim.  VI  14}  bei  erzählung 
«iner  ähnlichen  wunderbaren  erscheinung  ablegt:  übe  'ApiCTOT^Xi^c 
A^€i ,  auf  eine  verlorene  schrift  desselben  oder  mit  Rose  (s.  347)  auf 
das  werk  des  Theophrast  nepi  TÜüV  baK€TU)V  Kai  ßXriTiKÜLiv  (Ath.  VI! 
314'),  das  im  altertum  auch  unter  dem  namen  des  Aristoteles  cursiert 
hätte,  zu  beziehen  sei.  dagegen  kann  es  keinem  zwei  fei  unterworfen 
sein,  dasz  das  scholion  V  zu  Arist  Plutos  586,  das  den  51n  abschnitt, 
zum  teil  mit  wörtlicher  Übereinstimmung,  mit  den  vorangestellten  wor- 
ien  wiedergibt:  xat  'AptcroT^T^c  bk  oikw  ipr\cx  xard  \4i\y  irepi 
ctÖTnc,  sich  nur  auf  das  uns  noch  jetzt  vorliegende  excerpt  unbekannter 
herkunft  beruft. 

Grosz  Ist  dagegen  die  anzahl  der  auf  Theophrast  zurflckzufQh- 
renden  abschnitte:  der  41e  ist  der  schrift  ir€pi  XiOwv  entnommen 
(s.  37  S  13  Wimmer),  gibt  jedoch,  vielleicht  aus  späterem  zusatze,  etwas 
jnehr  als  das  jetzt  ans  derselben  erhaltene;  ebendaher  ist  die  zweite 
häifle  des  33n  (Bekkerschen)  ahschnitles  (Beckmann,  wie  die  früheren 
ausgaben  alle,  geben  ihn  nach  hss.  als  194),  in  welcJiem  fOr  dv  BiOu- 
viqi  bk  TTJc  6pdKt)C  nach  Theophrast  a.  o.  S  12  zu  lesen  ist  dv  Bivaic 
^i  T.  6p.  ebenso  ist  der  58e  abschnitt  mit  Wahrscheinlichkeit  auf  Theo- 
phrast zurückzuführen:  denn  der  Inhalt  desselben  findet  sich  auch  bei 
Antigonos  (131),  und  zwar  auf  das  engste  an  die  vorhergehenden  worte 
angeschlossen  (130),  die  Antigonos  aus  der  samlung  des  Kallimachos 
anführt,  der  sie  aus  Theophrast  mitgeteilt  hatte. 

Derselben  quelle  scheint  die  vorher  erwähnte  zweite  gruppe  dieser 
samlung  zuzuweisen  zu  sein:  denn  für  die  meisten  abschnitte  von  63 — 77, 
deren  inball  einer  und  derselben  kategorie  angehört  und  durch  nichts 
fremdartiges  unterbrochen  ist,  läszt  sich  dieselbe  noch  mit  bestimmlhelt 
nachweisen,  so  findet  sich  der  schlusz  von  63  über  den  erstarrten  zu- 
stand der  fische,  der  dem  winterschlafe  der  vögel  verglichen  wird,  in  dem 
uns  noch  jetzt  erhaltenen  bruchstücke  der  schrift  irepl  ix6uu)V  tujv  dv 
Tip  iT\pvj  biQjüievövTUJV  (s.216  S  8),  der  auch  71 — 74  entnommen  sind 
(s.  214  S  2  IT.),  vgl,  Plinius  IX  176  ff.  Ath.  VUI  331^  der  67e  abschnitt 
Ist  aus  der  schrift  irepl  öcpL&v  (s.  92  S  64);  68—70,  deren  Theophras- 
tischer  Ursprung  für  den  ersten,  wenigstens  für  einen  teil  desselben ,  aus 
Plinius  X  79  wahrschelnUch  wird,  und  für  die  beiden  andern  aus  Plinius 
Vlü  173  und  Aelian  Hl  37  erhellt,  werden  von  Rose  s.  328  aus  irepl 
4T€po<pu}Viac  TtBv  ö^otevujv  hergeleitet,  könnten  jedoch  leicht  auch 
einzelne  bestandteile  anderswoher  aufgenommen  haben :  wenigstens  findet 
sich  das  dem  titel  dieser  schrift  wenig  entsprechend  über  die  Schwarz- 
pappeln Kretas  (69)  bemerkte  auch  in  der  geschichie  der  pfianzen  (111 
3,  4).  66  und  75—77  endlich  stammen  aus  der  schrift  irepl  TiXiV  Xe- 
TOfi^vuiV  2:(|ju)V  (p6oveiv  (Photios  bibl.  s.  528');  auch  Plinius  VIU  111 
und  Aelian  111 17  führen  einen  teil  des  Inhaltes  derselben  auf  Theophrast 
zurück. 


224         H.  Schrader:  üher  die  quellen  der  pseudoaristotelischen 

Man  musz  es  daher  für  im  höchsten  grade  wahrscheinlich  halten, 
dasz  auch  das  einzige  in  diesem  zusammenhange  nicht  als  Theophrastisch 
nachweisbare  (der  anrang  von  63  und  64.  65)  desselben  Ursprungs  ist, 
und  63  scheint  nicht  mit  unrecht  von  Hose  (s.  366)  der  aus  AthenSos^ 
(z.  b.  n  63*^)  bekannten  schrift  irepi  (pwXeuövTOüV  zugeschrieben  wor- 
den zu  sein,  so  dasz  der  Schriftsteller  auch  in  dieser  das  in  dem  obeiv 
angefahrten  fragmente  der  schrift  Trepl  IxBiiuJV  berflhrte  erwähnt  hatte. 

Auch  für  die  ebenfalls  aus  Einern  gesichtspunct  gesammelten  ab- 
schnitte 139 — 151  scheint  Theophrast  die  wenigstens  vorwiegende 
quelle  gewesen  zu  sein:  denn  140.  141  finden  sich  —  ersterer  freilich 
verallgemeinert  —  bei  Aolian  IX  15  mit  der  bezeichnung  wieder:  T€K|üit]-' 
piuücai  toOto  Kai  6eö(ppacT0C  kavöc.  dem  147n  abschnitt  kann  de 
causis  pl.  Vi  5,  1  zu  gründe  liegen,  während  Rose  (s.  351)  es  mit  allen 
andern  excerpten,  unter  denen  es  sich  findet,  aus  der  schrift  Trepl  TOiv 
baKCTUJV  Kai  ßXriTiKUJV  herleitet,  auch  148  stammt,  wie  ein  vergleich 
mit  Plinius  VIH  111  zeigt,  von  demselben  schriftsteiler,  diese  vier  ex- 
cerpte  finden  sich  auszerdem  in  dem  9n  abschnitte  der  in  lateinischer 
Übersetzung  vorhandenen,  an  den  könig  Chosroes  gerichteten  quaestiones 
des  Neuplatonikers  Priscianus  (bei  Rose  s.  339  IT.) ,  die ,  wie  deren  proö- 
mium  lehrt,  zum  groszen  teil  auf  Theophrast  zurückgehen,  in  derselben 
findet  sich  auch  das  143e  excerpt  unserer  samlung  (s.  339,17),  das  auch 
bei  Antigonos  (18)  unter  nachweislich  demselben  schriftsteiler  entnom- 
menem vorkommt,  welches  auch  als  25r  und  26r  abschnitt  in  diese  dem 
Aristoteles  zugeschriebene  collection  übergegangen  ist.  da  sich  auch  142^ 
und  151  deutlich  bei  Priscianus  finden  (s.  340, 49.  44),  wird  man  keinen 
anstand  nehmen  auch  diese  aus  Theophrast  abzuleiten,  während  sich  für 
139  und  144 — 146  der  beweis  nicht  mit  ausreichender  bündigkeit  füh- 
ren läszt,  so  wahrscheinlich  es  auch  immer  durch  die  Umgebung,  in 
welcher  sie  sich  befinden,  erscheint,  der  umstand  dasz  Aelian  etwas  dem 
Inhalt  von  145  ähnliches  aus  Aristoteles  citiert,  würde  nicht  mit  not- 
wendigkeit  dagegen  sprechen,  so  sehr  auch  die  möglichkeit,  dasz  Aelian 
sich  auf  eine  verlorene,  wirklich  Aristotelische  schrift  berufe,  zuzuge- 
stehen ist  (vgl.  oben  s.  223),  und  selbst  das  nach  dem  zeugnis  des  Apol- 
lonios  aus  den  v6\k\]xa  ßapßapiKd  des  Aristoteles  stammende,  das  149. 
150  berichtet  wird,  könnte  ursprünglich  auch  auf  Theophrast  zurück- 
gehen und  ebenso  wie  für  unsere  samlung  auch  für  diese  pseudoaristo- 
telische schrift  benutzt  worden  sein  (s.  oben). 

Von  der  ersten  abteilung  dieser  samlung  (33 — 62)  lassen  sich 
auszer  den  oben  besprochenen  nur  noch  der  53e  und  54e  abschnitt  mit 
ausreichender  Sicherheit  auf  ihre  quellen  zurückführen,  das  in  dem 
erstem  über  den  Askanischen  see  berichtete  führt  auch  Antigonos  an 
(156)  und  zwar  im  engsten  anschlusz  an  das  bei  ihm  unmittelbar  vorher- 
gehende, das  nach  seiner  eignen  bemerkung  aus  der  samlnng  des  Kalti- 
machos  stammt,  wo  es  aus  Phanias,  ohne  zweifei  dem  schüler  des 
Aristoteles  (Strabon  XIII  618%  Suidas  u.  OavCac),  mitgeteilt  war,  von 
dem  auch  noch  ähnliche  notizen  über  wunderbare  Vorgänge,  die  Kallima- 
chos  aufgenommen  hatte,  auf  uns  gekommen  sind  (Antig.  155.  171). 


schrirt  7T€pi  8aufiaciu)v  dKOucjndTiüV.  225 

das  54e  excerpt,  fiber  die  im  winter  austrocknenden  und  im  sommer  sicii 
wieder  fallenden  bninnen  von  Pylhopolis,  lesen  wir  ebenfalls  bei  Anli- 
gonos  (162) y  und  zwar  derselben  samlung  entnommen,  die  sich  auf 
Eudoxos  beruft,  einen  Schriftsteller  den  Kallimachos  auch  sonst  nicht 
selten  benutzt  zu  haben  scheint  (vgl.  Antig.  129.  138.  147.  153.  161). 

Diese  berichte  über  wunderbare  spiele  der  natur ,  sei  es  in  erzeug- 
nissen  und  erscheinungen  des  erdbodens  oder  der  thierwelt,  tragen  das 
kriterium  ihres  inneren  werthes  oder  unwerthes  in  sich ,  und  die  frage 
nach  der  autorschaftkann  wol  für  die  beurteilung  der  angeführten  ge- 
währsmänner  von  bedeutung  sem,  hat  jedoch  fflr  die  Würdigung  des 
mltgeteillen  nur  da  werth,  wo  es  sich  um  ins  bereich  der  möglichkeit 
fallende  dinge  handelt,  die  als  topographische  notizen  verwcrthet  werden 
könnten. 

In  derselben  glücklichen  läge  wie  die  nur  sich  selbst  als  norm  an- 
erkennende natur  sind  weder  die  topographie  noch  die  ethnographie,  die 
verbunden  mit  spärlichen  historischen  notizen  den  bauptsAchlichen  inhalt 
der  dritten  gruppe  von  excerpten  dieses  zweiten  teils  ausmachen, 
welche  die  abschnitte  78 — 138  umfaszt.  die  frage  nach  den  bestand- 
teilen  hat  hier  nicht  allein  bedeutung  für  die  beurteilung  des  Sammel- 
werks ,  sondern  auch  für  die  Würdigung  der  einzelnen  notizen ,  die  zum 
teil  keineswegs  unwichtig  sind. 

Leider  läszt  sich  nur  fdr  einen  verhaltnismSszig  geringen  teil  dieser 
mitteitungen  ein  hinreichend  sicherer  anhält  für  den  Ursprung  derselben 
auffinden;  für  den  rest  ist  der  Vermutung  ein  wenn  auch  nicht  weiter 
Spielraum  gelassen. 

Wir  finden  in  dem  ganzen  uns  vorliegenden  Sammelwerke  gewährs 
mSnner  nur  auszerst  selten  citiert ,  völlig  im  gegensatze  zu  dem  des  An- 
tigonos,  der  seine  quellen  sorgfaltig  anzuführen  pflegt,  und  dies  geschieht 
mit  alleiniger  ausnähme  des  173  citierten  Eudoxos  nur  in  der  jetzt  zu 
besprechenden  gruppe ,  auch  hier  jedoch ,  um  von  dem  (105)  nur  zur  er- 
hartung  einer  aufgestellten  meinung  angeführten  Homer  (^  67)  abzu- 
sehen ,  nur  dreimal ,  und  zwar  37  wo  der  periplus  des  Hanno ,  38  wo 
Xenophanes,  beide  jedoch  schwerlich  direct  (s.  unten  s.  231),  112  wo 
Polykritos  6  xd  CtKeXiKot  T€TPO<ptbc  iy  fneciv  citiert  wird;  denn  der 
132  citierte  Kallisthenes  ist  schwerlich  als  die  quelle  des  excerptes, 
gegen  die  polemisiert  würde ,  anzusehen ,  sondern  war  schon  in  der  dem 
exeerpte  zu  gründe  liegenden  schrift  angeführt  und  zurückgewiesen  wor- 
den, und  ebenso  wenig  können  die  134  angeführten  4>otvtKtKai  kropiai 
als  quelle  dieses  abschnittes  gelten. 

^ür  fast  die  ganze  gruppe  musz  also  eine  vergleichung  des  sonst 
überlieferten  den  mangel  an  auszeren  stützen  zu  ersetzen  suchen,  fflr 
diese  ist  es  nicht  ohne  Wichtigkeit,  dasz,  wie  aus  der  Verwechselung  der 
flchluszworte  des  114n,  129n  und  137n  abschnittes  hervorgeht,  die  ur- 
sprüngliche anordnung  die  gewesen  ist,  dasz  auf  den  114n  abschnitt 
die  jetzt  als  130 — 137  bezeichneten  folgten,  auf  diese  erst  115—129, 
an  die  sich  endlich  138  und  das  folgende  anschlosz. 


226       U.  Sclirader:  über  die  quellen  der  pseudoaristolelischen 

Der  nachweislich  Mlesle  schriftsteiler,  aus  dem  diese  excerpte  ge- 
flossen sind,  ist,  wenn  wir  von  dem  namentlich  angeführten  Polykritos 
(112}  und  der  möglichkeit  der  autorschaft  des  Aristoteles  fflr  118  und 
124  absehen,  Theo  pompös,  aus  ihm  ist  auszer  den  abschnitten  117, 
120 — 123,  dem  letzten  wenigstens  zum  teil,  125 — 127,  fQr  die  es  sicli 
<]urch  eine  vergleichung  mit  Antigonos,  Aelian  und  Plinius  ohne  weiteres 
ergibt "),  zunächst  104  geflossen,  es  ist  hier  die  rede  von  dem  gebirge 
Delphion  zwischen  dem  gebiete  der  Mentores  und  Istrien ,  von  welchem 
^us  man  die  in  den  Pontos  einlaufenden  schüfe  sehen  könne,  in  der 
mitte  zwischen  dem  adriatischen  meere  und  dem  Pontos  befinde  sich  ein 
ort,  wohin  die  aus  jenem  kommenden  händler  kerkyräische  krflge  auf  den 
markt  bringen,  während  auch  die  aus  dem  Pontos  kommenden  daselbst 
waaren  (wie  aus  Strabon  hervorgeht,  ebenfalls  tbonwaaren)  verkaufen, 
^ies  war  nach  Strabon  Vli  317  die  ansieht  Tiieopomps,  der  behaup- 
tet hatte ,  t6  T€  cuvT€Tpiic6ai  xd  TreXdTn  ^ttö  toö  €ÖpicK€c9ai  K^pa- 

JLIÖV  T€  XlOV  KCl  6dclOV  dv  Tlff  NdpUJVl  Kttl  TÖ  ä)Ll<pU)  KaT07rT€U6CGai 

Td  TreXdTTl  dTrö  Ttvoc  öpouc.  in  den  vorhergehenden  werten  ist  aller- 
dings vom  ionischen  und  vom  adriatischen  meere  die  rede;  doch 
können  die  angeführten  werte  sich  nicht  auf  diese,  vielmehr  nur  auf 
letzleres  und  ein  Östlich  von  Griechenland  gelegenes  meer  beziehen:  denn 
für  den  Zusammenhang  des  ionischen  und  des  adriatischen  meeres  durch 
eine  das  land  durchschneidende  wasserstrasze,  die  man  sich  überhaupt 
nur  schwer  vorzustellen  vermöchte,  würde  das  vorkommen  von  producten, 
die  aus  dem  osteu  Griechenlands  stammen ,  in  der  gegend  des  Naron  eine 
gar  nichts  beweisende  thatsache  sein,  wollen  wir  daher  nicht  eine  un- 
genauigkeit  annehmen,  die  sich  Strabon  beim  excerpiereu  hätte  zu  schul- 
den kommen  lassen,  so  ist  nach  den  werten  tö  T€  cuvTCTpf^cOai  Td 
ireXdtn  eine  lücke  anzunehmen,  die  etwa  durch  einfügung  der  werte 
TaOra  xal  töv  TTövtov  ergänzt  werden  könnte,  wie  auch  in  dem  fol- 
genden (s.  50,  16  Kramer)  bereits  ein  ähnlicher  fehler  der  Überlieferung 
«rkannt  worden  ist. 

Auch  der  unmillelbar  folgende  abschnitt  (105)  ist,  wenigstens  zum 
teil ,  nicht  ohne  wahrscheinliclikeit  auf  dieselbe  quelle  zurückzuführen» 
er  handelt  von  der  angeblichen  gabelung  des  Ister,  von  dessen  armen  der 
eine  in  den  Pontes,  der  andere  in  das  adriatische  meer  fliesze.  als  beweis 
wird  die  rückkehr  des  lasen  aus  dem  Pontos  angeführt,  die  auf  diesem 
wege  erfolgt  sei,  was  aus  spuren  des  aufenthalies  von  Griechen  auf 
der  insel  Aelhalia  hervorgehe,  so  wie  aus  den  versen  der  Odyssee,-  wo 
es  von  deu  Plankten  heiszt  (fi  67) :  dXXd  0  *  6fiOÖ  TrivaKttC  T€  veuJV 
KQi  ci()^aTa  (pu)Tu>v  I  KU|Lia0'  dXöc  cpopdouci  irupöc  t'  6Xöoto  OueX- 


11)  117  vgl.  Antigonos  142  (Kall.),  Pliniaa  XXXI  17  120  =  Ant. 
14  121  =  Ant.  141  (Kall.),  Plin.  XXXI  26  122  =  Ael.  V  27.  XI  48, 
Gell.  XVI 15,  Steph.  Byz.  u.  BicaXria  123:  den  schlusz  des  abschnitts 
(135  Beckmann)  führt  Apollonios  mir.  10  aus  Theopomp  ^v  Totc  6au^a- 
<:iotc  an  125  =  Ant.  137  (Kall.),  Plin.  XXXI  14  126  a  Ant.  15, 
Steph.  Byz.  Kpawuüv  (die  KaXXifjtaxoc  £v  toIc  Oou)iiac{oic  Kai  9€6iro]uitroc) 
127  =  Plin,  XVI  59. 


Schrift  Trepi  OauMaciwv  äKOUCjidTuiv«  227 

Xav  deun  die  ^feuerslürme'  konnten  sich  nicht  auf  die  gegend  des  Pon- 
tos,  wol  aber  auf  den  Aetna  beziehen. 

Tbeopompos  hatte  nach  Strabon  VII  317  ^  die  ansieht  von  der  tei- 
lung  des  Ister  ausgesprochen ,  und  es  ist  im  höchsten  grade  wahrschein- 
lich, dasz  auch  dieser  abschnitt  aus  ihm  geschöpft  ist.  denn  er  scheint 
auf  das  engste  mit  dem  vorhergehenden  zusammenzuhängen,  so  dasz 
unter  dem  cuvT€Tpi]c9ai  der  beiden  meere,  wie  Strabon  an  der  vergli- 
chenen stelle  sich  ausdröclct,  die  Verbindung  des  adriatischen  mit  dem 
schwarzen  meere  durch  die  beiden  arme  des  Ister  zu  verstehen  ist,  für 
die  Theopomp  also  auch  die  fahrt  der  Argonauten  als  beweis  angefflhrt 
hatte,  keinenfalls  sind  beide  fragmente  dem  Timäos  zuzuschreiben ,  wie 
dies  von  Rose  (Ar.  pseud.  s.  280}  geschehen  ist;  denn  wenn  dieser  histo- 
riker  auch  über  die  insel  Aethalia  dasselbe  berichtet  hatte  (Oiod.  IV  56), 
so  hatte  er  doch  über  die  rflckkehr  der  Argonauten  eine  andere  ansieht : 
er  liesz  sie,  wie  aus  Diodor  a.  o.  hervorgeht,  den  Tanais  hinauffahren, 
dann  ihr  schiff  eine  strecke  über  land  tragen ,  und  endlich  einen  andern 
groszen  flusz  hinabfahren ,  bis  sie  nach  Gades  kamen ;  höchstens  könnte 
man  annehmen ,  dasz  mit  dem  aus  Theopomp  geschöpften  die  ansieht  des 
Timäos  über  die  insel  Aethalia,  so  wie  auch  die  ansieht  desselben  über 
den  ort  der  Flankten  (schol.  Apoll.  Arg.  IV  786)  verbunden  worden  wäre. 

Auch  das  115e  excerpt  ist  aus  Theopomp  geflossen:  denn  das  da- 
selbst über  die  Steinkohlen  des  thrakischen  flusses  Pontos  erzählte  findet 
sich  mit  nur  unbedeutender  abweichung  in  der  bestimmung  der  locali- 
tät^')  auch  aus  der  samlung  des  Kalhmachos  bei  Antigonos  (136),  freilich 
ohne  dasz  die  quelle  desselben  direct  angegeben  wäre;  doch  wird  das 
zunächst  folgende,  ganz  in  derselben  redewendung  angefügte  excerpt  bei 
Antigonos,  das  ebenfalls  in  unsere  samlung  übergegangen  ist  (125),  auf 
Theopomp  zurückgeführt,  so  dasz  die  annähme,  dasz  auch  das  erstere 
ihm  zuzuschreiben  sei ,  eine  keineswegs  gewagte  ist ,  um  so  weniger  als 
die  meisten  der  unmittelbar  folgenden  abschnitte  sich  als  demselben 
Schriftsteller  entnommen  nachweisen  lassen. 

In  dieser  Umgebung  musz  es  nahe  liegen  auch  den  118n  und  124n 
abschnitt,  die  sich  allerdings,  wie  bereits  bemerkt  (s.  222),  auch  aus 
Aristoteles  herleiten  lassen,  obwol  sich  ab  weichungen  von  demselben 
finden,  auf  Theopomp  zurückzuführen,  wobei  es  dahin  gestellt  bleiben 
musz ,  ob  ersterer  von  diesem  benutzt  worden  ist.  freilich  —  wie  wenig 
sicher  ein  solcher  schlusz  ist,  geht  auf  das  deutlichste  aus  dem  119n 
abschnitt  hervor,  der,  obwol  auch  Theopomp  etwas  ihm  ähnliches  mit- 
geteilt hatte,  doch,  wie  uns  ein  paar  zufällig  erhaltene  notizen  zu  erken- 
nen gestatten,  nicht  aus  ihm  allein,  sondern  auch  aus  Lykos  von  Rhe- 
gion  geschöpft  ist.  nach  Aelian  XVII  16  hatte  Theopomp  berichtet, 
dasz  die  Heneter  zur  zeit  der  aussaat  den  dohlen  geschrotene  gerste 
u.  dgl.  als  eine  art  von  geschenk,  um  sich  ihrer  gunst  zu  versichern, 
darzubringen  pflegten,  damit  sie  die  saat  nicht  beschädigten,     diesen 


12)  Antigonos:  irepl  tV|v  tiöv  'AtP^wv  9paK<Xlv  %\ljpav,    ausc.  mir.: 
tr^l  T^v  Tttiv  CivTiöv  Kai  Maiöiliv  %{bpav. 


228        II.  Schrader:  Ober  die  quellen  der  pseudoaristotelischeQ 

zwar  eigeolQmlichen,  jedoch  keineswegs  unglaublichen  Vorgang  hatte 
Lykos,  wie  wir  ebenfalls  von  Aelian  erfahren,  noch  dahin  ausgeschmQckt, 
dasz  er  u.  a.  behauptete,  wenn  die  dohlen  von  dem  ihnen  dargebrachten 
kosteten ,  so  wSre  dies  ein  zeichen ,  dasz  sie  mit  den  einwohnern  frieden 
halten  wollten ;  wenn  sie  es  aber  ungekostet  lieszen ,  ein  zeichen  feind- 
licher gesinnung.  beide  berichte  hatte  Kalllmachos  zu  öinem  verschmol- 
zen und,  wie  es  scheint,  den  numen  des  Lykos  verschwiegen,  wenigstens 
ffihrt  das  allerdings  nur  fragmentarisch  Qherlicferte  173e  excerpt  des 
AntlgoDOs,  das  dem  Kallimacheischen  Sammelwerke  entstammt,  etwas  als 
von  Theopomp  herrührend  an,  das,  wie  wir  aus  dem  genaueren  be- 
richte Aelians  wissen,  nicht  dieser,  sondern  Lykos  behauptet  hatte,  nem- 
lich  dasz  die  dohlen  die  grenze  des  landes  zunSchst  nicht  überschritten, 
sondern  zwei  oder  drei  aus  ihrer  mitte  absendeten ,  um  sich  die  menge 
der  dargebrachten  gaben  anzusehen,  eine  ähnliche  amalgamierung  beider 
einander  Suszerst  ähnlicher  berichte  mag  auch  das  119e  excerpt  unserer 
samluDg  enthalten:  denn  dafür,  dasz  es  nicht  ausschlieszlich  aus  Lykos 
stammt,  spricht  allerdings  der  umstand  dasz  es  sich  unter  einer  gröszern 
anzahl  Theopompischer  bemerkungen  findet,  zugleich  ist  dies  jedoch  ein 
handgreiflicher  beweis,  wie  wenig  wir  aus  dem  vorkommen  eines  excerp- 
tes  unbekannter  herkunft  unter  einer  gröszem  menge  von  mitteilungen^ 
deren  Ursprung  feststeht,  sicher  schlieszen  können,  dasz  auch  der  frag- 
liche abschnitt  völlig  derselben  quelle  entnommen  sei  und  nicht  noch 
fremdartige  zusStze  enthalte. 

Auch  im  Übrigen  sind  aus  Lykos  stammende  excerpte  in  unsere 
samlung  aufgenommen  worden:  79  und  113.  114,  wie  aus  der  verglei- 
chungvon  Antigenes  172  und  139,  wo  aus  der  samlung  des  Kallimachos 
Lykos  citiert  wird,  hervorgeht,  da  nun  auf  den  114n  abschnitt  ursprüng- 
lich der  130e  folgte,  so  hat  es  alle  Wahrscheinlichkeit  für  sich,  dasz  die 
denselben  anfangenden  werte  7T€pl  bk  ToO  TropOjiioO  Tf^c  CiKeXiac  xal 
öXXoi  jLifev  7rX€(ouc  T€TP«<poci,  Kai  oötoc  hi  q)r]ci  cu^ißatvetv 
TepaTU)b€c  sich  auf  keinen  andern  als  auf  Lykos  beziehen,  der  nach 
Agatharchides  Trepl  £pu6päc  OaXdcoic  am  anfang  (rä  jii^v  Trpöc  ^ctt^- 
pav  d&ipTacTai  Aükoc  tc  Kai  Tijüiaioc,  id  hi  Trpöc  dvaroXdc 
'GKaTatoc  Kai  BdciXic)  die  Verhältnisse  der  westweit  beschrieben  hatte, 
ebenso  wie  später  Timäos. 

Auch  dieser  schriftsteiler  hat  berückslchtigung  gefunden ,  vielleicht 
bedeutend  mehr  als  sich  nachweisen  läszt,  obgleich  die  schon  berührte 
ansieht  Roses,  dasz  alle  abschnitte  von  78 — 114  und  130 — 136  aus  ihm 
stammten,  entschieden  zu  weit  gegriffen  hat'") 

Ohne  weiteres  ergibt  sich  die  autorschaft  des  Timäos  für  das  102e 
excerpt,  das  auch  Antigenes  152^  nur  weniger  ausführlich,  unter  seinem 
namen  wiedergibt,  dasselbe  folgt  für  109  aus  einem  vergleiche  der  be* 
merkung  des  Tzetzes  zu  Lykophron  1137.    auch  88  ist  auf  Timäos  zu- 

13)  79.  113.  114  sind  nachweiBlich  aus  Lykos,  104. 106  aas  Theo- 
pomp,  112  nach  seiner  eignen  angäbe  aus  Polykritos.  dass  diese 
Schriftsteller  nnr  ans  citaten  des  'Hmäos  in  nnsere  samlung  gekommeD 
wären,  ist  durch  nichts  indiciert,  s.  unten  s.  280. 


Schrift  irepl  GaufLiaduiv  äKOuc^äruiv.  229 

rückzuführen:  das  dorl  über  die  bewohner  der  Balearen  berichtete  Ondet 
sich  auch  bei  Diodor  V  17,  der  hier,  wie  so  häuGg,  aus  der  angegebenen 
quelle  geschöpft  hat:  denn  das  von  ihm  über  die  grösle  dieser  inselu 
bemerkte:  toutwv  bi  f|  juciZwv  fLteiricni  iracwv  icA  fütcrä  t&c  ^tttöc 
vrjcouc  CiKcXiav,  Capbui ,  KuTTpov,  KpifJTTiv,  €0ßoiav,  Kupvov,  A^c- 
ßoV)  findet  sich  bei  Strabon  XIV  654*  mit  anführung  ganz  derselben 
sieben  namen  aus  TimSos.  es  ist  zum  teil,  wenn  auch  arg  verstümmelt, 
auch  in  das  fragliche  excerpt  übergegangen,  wo  es  von  den  genannten 
inseln  in  der  vulgata  heiszt:  Sc  )Lt€Ta  T&c  XetOji^vac  ^irra  fütericrac 
A^YOUCIV  clvat,  wofür  man  nach  der  Überlieferung  der  hss.  N*  B*  B*  lesen 
zu  müssen  scheint:  Sc  jüietfcTac  X^touciv  etvai  )A€t&  tqc  X6Y0|ütdvac 
^iTTd,  al  fLt^YiCTai  boKoOciv  elvai.  im  übrigen  scheinen  die  worte  des 
Timäos  gewissenhaft  bewahrt  worden  zu  sein^  wenigstens  deuten  die 
ausdrüfike  in  denen  Karthagos  erwShnuiig  geschieht  (vgl.  oben  note  6) 
darauf  hin. 

Für  alles  übrige  fehlt  es  entweder  an  jedem  beweise  oder  sind  die 
beweise  doch  nur  äusserst  schwach,  und  letzteres  gilt  auch  von  den 
zwei  abschnitten  81  der  über  den  Eridanos,  und  100  der  über  Sardinien 
handelt.  *^} 

Polybios  II  16,  15  tadelt  Timflos  wegen  seiner  Unwissenheit  über 
die  gegend  am  Padus;  wir  wissen  jedoch  nicht,  ob  diese  sich  gerade  in 
4kn  dingen  kund  gab,  die  das  81e  excerpt  ealbält.  das  einzige  was  man 
dafür  anführen  könnte  ist  das,  dasz  in  demselben  die  viicoi  'HXcKTpibcc 
erwähnt  werden,  die  nach  Strabon  V  215^  gar  nicht  existierten;  dem 
übrigen  inhalt  desselben  kann  man  zwar  mangel  an  kritik  vorwerfen, 
aber  nicht,  wie  Polybios,  eine  ircpl  touc  töitouc  firvoia.  noch  weniger 
zuverlässig  ist  der  schlusz,  der  sich  etwa  aus  einer  vergleichung  von 
Piinius  lU  85  auf  den  Ursprung  von  100  ziehen  liesze.  unter  anderen 
mitleilungen  über  Sardinien  wird  hier  bemerkt:  dKOtXeiTO  \xkv  TTpÖTCpov 
'IXVoCcca  biot  TÖ  dcximoTicOai  tQ  Trepi^^Tpqi  b^oiöxara  ävdpumivip 
IXV€l.  nun  bemerkt  Piinius  zwar:  Sardiniam  ipsam  Timaeus  Sanda- 
liotim  appeUavit  ab  effigie  soleae;  dieser  name  kommt  aber  in  un- 
serm  excerpt  gar  nicht  vor,  sundern  nur  der  name  Ichnussa,  der,  wie 
Piinius  hinzufügt,  von  Myrsilos  angeführt  worden  war,  und  auf  eine  lücke 
oder  eine  ungenauigkeit  im  excerpieren  weist  sonst  nichts  hin. 

Für  die  abschuitte  33 — 151  haben  sich  also  folgende  quellen  ergeben: 
33  Theophrast  100  Timäos? 

41  Theophrast  102  Timäos 

53  Phanias  104  Theopomp 

54  Eudoxos  105  Theopomp  (und  Timäos?) 
58  Theophrast  109  Timäos 

63—77  Theophrast  112  Polykritos 
79  Lykos  113.114  Lykos 
81  Timäos?  130  Lykos 
88  Timäos  115  Theopomp 

14)  beide  excerpte  sind  von  Müller  fr.  Tim.  41.  27  mit  den  oben 
erwähnten  notizen  des  Polybios  and  Piinius  zusammengestellt. 


•  f 


230       H.  Schrader:  über  die  quellen  der  pseudoaristotelischen 

117  Tiieopomp  140 — 143  Theophrast 

118  Aristoteles?  Theopomp?  144  Theophrast 

119  Theopomp  und  Lykos  145  Aristoteles?  Theophrast? 
120 — 123  Theopomp                               146  Theophrast? 

124  Aristoteles?  Theopomp?    147. 148  Theophrast 
125—127  Theopomp  149. 150  Aristoteles?  Theophrast? 

139  Theophrast?  151  Theophrast, 

an  die  sich  noch  der  im  37n  abschDilt  ciüerle  periplus  des  Hanno  und 
(38)  Xenophanes  anschlieszen ,  die  jedoch  schwerlich  als  unmittelbare 
quellen  dieser  excerpte  zu  betrachten  sind. 

Das  resultat  ist  also  ein  viel  weniger  einfaches  als  das  Rosesche 
(Ar.  pseud.  s.  280),  nach  welchem  die  abschnitte  1—77  mit  ausnähme 
von  51;— 60  aus  Aristoteles  oder  Theophrast  stammen,  und  78 — 114, 
130^136  aus  Timäos,  137,  115—129,  138  aus  Theopompos  entnom- 
men sind,  und  endlich  wieder  exceqite  aus  Theophrast  folgen,  man 
würde  die  autorschaft  des  Lykos  und  des  Polykritos  jedoch  nur  dann  be- 
seitigen, und  104.  105  nicht,  wie  es  oben  als  im  höchsten  grade  wahr- 
scheinlich nachgewiesen ,  dem  Theopomp ,  sondern  dem  Timäos  zuschrei- 
ben können ,  wenn  man  annähme  dasz  dieser  sowol  Theopomp  als  Lykos 
und  Polykritos  an  den  betrefTenden  stellen  ausgeschrieben  hätte,  eine  an- 
nähme die  durch  nichts  wahrscheinlich  gemacht  wird,  höchstens  für  den 
schlusz  des  105n  abschnittes,  der  übrigens  auch  von  dem  samier  mit 
dem  aus  Theopomp  stammenden  exceqite  verbunden  sein  könnte,  warum 
sollte  die  sog.  Aristotelische  samlung  weniger  manigfaltige  bestandteiie 
haben  als  die  dem  Antigenes  zugeschriebene  und  selbst  die  des  Kalli- 
machos  ? 

Nachweislich  sind  also  nur  namhafte  Schriftsteller,  von  denen  Timäos 
der  jüngste  ist,  für  den  zweiten  und  hauptsächlichen  bestandteil  unserer 
samlung  benutzt  worden,  schwerlich  jedoch  direct.  denn  es  ist 
nicht  wahrscheinlich  dasz  jemand,  der  sich  die  nicht  unbeträchtliche 
mühe  gegeben  aus  den  zusammenhängenden  Worten  mehrerer  naturhisto- 
riker  und  geschiclitschreiber  ihn  interessierende  dinge  zu  excerpieren, 
alle  spuren  seines  fleiszes  sowie  die  möglichkeit  das  wunderbare  durch 
belegsteilen  zu  erhärten  durch  das  verschweigen  seiner  quellen  gänzlich 
beseitigt  haben  sollte,   auch  ist  es  klar  dasz  der  anfang  des  56n  abschnittes 

Kttl  blÖTl  dTTl  Tf^C  6bo0  Tf^C  6lc  CupttKOUCaC  KpTJVTl  dCTlV,  durch 

nachlässigkeit  des  letzten  redactors,  der  sonst  den  ton  von  excerpten  mit 
geschick  zu  vermeiden  versteht,  aus  einem  zusammenhange,  in  welchem 
der  ursprüngliche  samier  seine  quelle  angegeben  hatte,  losgelöst  ist.  ob 
diese  redaction  aus  einem  Sammelwerke  oder  aus  mehreren  hervorge- 
gangen ist,  läszt  sich  nicht  mit  Sicherheit  bestimmen;  man  musz  sich  bei 
dem  in  sich  abgeschlossenen  Charakter  einzelner  gruppeu  der  letzteren 
ansieht  zuneigen,  besonders  die  sich  durch  ihre  ausführlichkeit  und  zum 
teil  interessante  ethnographische  notizen  auszeichnenden  61  excerpte 
78 — 138  scheinen  eine  gemeinsame  quelle  vorauszusetzen ,  ebenso  wie 
die  vorhergehenden ,  die  zum  groszen  teil  naturhistorischen  Inhalts  sind». 


*m    • 


Schrift  TTcpi  6au^aciu)V  dKOuc^äTu)v.  231 

Jedenfalls  mQssen  die  erwähnten  61  excerpte  einer  samlung  von' 
nicht  geringer  bedeutung  —  so  weit  man  überhaupt  die  berechtigung 
solcher  collectaueen  zugeben  will  —  entnommen  sein,  und  es  ist  schwer 
sich  der  hypothese  zu  erwehren ,  dasz  es  die  samlung  des  Kallimachos 
und  zwar  besonders  deren  buch  Trepl  Tt&v  ^v  TTeXoirovvticip  Kai  'ixa- 
Xia  Oaupacduv  Kai  irapaböEwv  gewesen  sein  Icönne.  denn  wir  wissen 
aus  Antigonos*'),  dasz  der  inhalt  der  abschnitte  79. 113. 114. 115. 117. 
119. 121. 125,  und  aus  Stephanos  (u.  Kpavvu>v),  dasz  der  des  126n  sich 
auch  bei  Kallimachos  fand;  sodann  verdient  es  beachtung,  dasz  von  den 
erwähnten  61  excerpten  sich  35  auf  Italien  (mit  einschlusz  Ulyriens 
und  Liguriens)  beziehen  **) ,  und  endlich  ist  es  von  bedeutendem  gewicht, 
dasz  gerade  bei  Kallimachos  sich,  wie  oben  nachgewiesen,  die  Vermischung 
des  von  Theopomp  und  des  von  Lylcos  berichteten  fand,  der  wir  auch  im 
119n  abschnitt  unserer  samlung  begegnen. 

Will  man  diesen  drei  momenten  kraft  genug  zugestehen  die  hier 
aufgestellte  hypothese  zu  stützen ,  so  wird  man  sich  leicht  auch  zu  der 
annähme  bereit  finden,  dasz  das  53e  54e  und  58e  excerpt,  die  sich  eben- 
falls in  der  samlung  des  Kallimachos  fanden  (Antig.  156.  162.  131), 
desselben  Ursprungs  sind ,  und  auch  nicht  abgeneigt  sein  das  citat  des 
periplus  des  Hanno  und  des  Xenoplianes  (37.  38) ,  quellen  die  von  nicht 
gewöhnlicher  belesenheit  zeugen,  dem  gelehrten  bibliothekar  zuzu- 
schreiben. 

Wenn  übrigens  in  dieser  Untersuchung  ein  sicherer  grund  zur  Wür- 
digung dieses  Sammelwerkes  gelegt  ist,  so  Iflszl  sich  nicht  verkennen,  dasz 
es  eben  nur  der  grund  zu  derselben  ist:  denn  es  ist  mehr  als  wahr- 
scheinlich, dasz  über  viele  einzelheiten  einer  schrift,  die  mit  so  manig- 
fachen  gebieten  der  Wissenschaft  des  classischen  altertums  berührungs- 
puncto  hat ,  von  mancher  speciellen  seite  aus  bestimmter  wird  geurteilt 
werden  können ,  als  es  für  diese  abhandlung  möglich  gewesen  ist ,  die 
excerpte  der  verschiedensten  art  in  ihren  quellen  zu  ergründen  suchte, 
jedoch  dürfte  schwerlich  die  zahl  der  quellen  um  ein  bedeutendes  zu 
vermehren  sein,  und  ebenso  wenig  sich  eine  erheblich  jüngere,  als  Ti- 
mlos  es  ist,  nachweisen  lassen,  für  den  Innern  werth  dieser  excerpte 
ist  dadurch  freilich  nur  ein  äuszerer  anhält  gegeben,  der  jedoch  der  be- 
urteilung  jenes  notwendig  zu  gründe  liegen  musz.  nach  der  glaubwür- 
digkeit ,  die  man  den  betreffenden  autoren  für  diese  oder  jene  milteilung 
aus  äuszeren  oder  inneren  gründen  beimessen  will,  steigt  oder  sinkt  auch 
der  werth  dieser  abschnitte. 

Für  die  grenzen  dieser  abhandlung  möge  es  genügen  schlieszlich 
noch  darauf  hinzuweisen,  dasz  manche  der  vorliegenden  excerpte  noch 


15)  Ant.  172.  139.  136.  142.  173.  141.  137.  die  veracbiedene  anord- 
nung  erklärt  Bicb  daraus,  dasz  unsere  samlung  die  excerpte  im  grossen 
nnd  ganzen  nach  den  sehriftBiellem  ordnet  (79  Lvkos,  ebenso  113. 114; 
115.  117.  119.  121.  125.  126  Theoi^omp),  -wfthrend  Antigonos  dies  princip 
verlassen  bat.  16)  78—82.  8{^  89—98.  100—114.  119.  128.  130.  132. 

von  den  abschnitten  83 — 67  bezieiien  sich  auf  dieselben  gegenden:  34.. 
37  (zun  teil).    38.  40.  55.  56.  57. 


232  J.  Richler:  in  Piatonis  Gorgiani. 

nicht  in  gebührender  weise  für  die  fragmenle  der  griechischen  liistonker 
ausgebeutet  worden  sind,  so  vermiszt  man  104. 105  noch  unter  denen  des 
Theopomp,  unter  die  vielleicht  auch  118.  124  aufzunehmen  sind;  ferner 
sind  115.  127  mit  dem  MflUerschen  fragment  231  dieses  Schriftstellers 
in  Verbindung  zu  bringen;  130  fehlt  noch  unter  denen  des  Lykos;  88 
scheint  die  worte  des  Timäos  viel  ausführlicher  und  getreuer  wiederzu- 
geben als  30.  31  bei  Müller;  53  endlich  könnte  für  die  fragmente  des 
Phanias  zu  berücksichtigen  sein. 

Hamburg.  Hermann  Schradbr. 

33. 

IN  PLATONIS  GORGIAM. 


Dormitare  interdum  si  non  bonum  Platonem,  at  certe  deteriores  non 
magis  librarios  quam  interpretes  documento  possunt  esse,  quae  vulgo 
leguntur  in  Gorgia  p.  450  «^  ?Tepai  bi.  ^i  eici  tüjv  T€XVu)v  a\  bia 
XÖTOu  Träv  trepaivouci  Kai  f pTOu,  u)c  Ittoc  elireiv,  f|  oubevöc  irpoc- 
b^ovrai  i^  ßpax^oc  Trdvu,  olov  dpiGfAii'n'rfl  ^^^  XoTicxiKf)  Kai  few- 
jüi6TpiKf|  Kai  7T€TT€UTiKri  T^  Kai  SXXai  TToXXal  T^xvcti,  tiv  fviai  CX€- 
böv  Ti  icouc  touc  XÖTOuc  f  xowci  TaTc  TrpdEeciv,  al  bfe  iroXXal  TrXeiouc 
Kai  TÖ  Trapdtrav  Träca  f)  TipäStc  Kai  tö  Kupoc  auraic  bid  XÖTUiV 
dcTi.  etsi  enim  fuerunt  qui  aleam  —  Treneiav  —  cum  XoTtCTiKq 
et  Y€u)|üi6TpiKQ  a  Piatone  consociari  solere  contenderent,  ad  ea  provo- 
cantes  quae  scripta  extant  de  legibus  p.  820*^  foiKe  ToGv  f{  T€  ireireia 
Kai  TaÖTa  dXXrjXuJv  Td  jLiaOrJiüiaTa  ou  ird^iioXu  K6XU)ptc6ai ,  tarnen 
ex  uno  loco  tale  quiddam  colligi  licere  aleamque  habendam  esse  artem 
similem  arithmelicae  neque  mihi  neque  cuiquam  umquam  persuadebitur. 
quid  enim?  statuit  Plato  similitudinem  intercedere  inter  Trerreiav  et 
XoTiCTiKTiv  an  inter  ireTTeiav  et  irepl  XoTicjüioöc  dtexv&c  naidv 
£Eeupr)^eva  |üia6r)|LiaTa,  jüterd  iraibidc  re  Kai  f^bovric  jiavBdveiv 
p.  819^?  age  vero  condunemus  eius  modi  errorem  iudicibus  parum 
cautis :  locutio  o\)  TrdjiTroXu  K€XU)picOai  non  est  dlversa  ab  ou  Kexu)- 
picOai?  verum  enim  vero  non  casu  videtur  factum,  ut  philosophus  di- 
serte  negaret  aleam  esse  artem  neque  quicquam  aliud  nisi  negotium  — 
biaTpißfjv  —  haberet  p.  820*.  ac  siquis  quae  p.  819**— p.  820*  cx- 
posiia  sunt  omuia  perlustraverit,  non  effugiet  eius  aniroum,  inter  ttct- 
Teiav  et  XoftcnKrjv  hoc  Interesse,  quod  alea  modo  non  tota  pendeat  ex 
arithmetica  idque  non  aliter  atque  Aegyptlorum  ludi  quidam  pueriles, 
et  quoniam  tantum  discriminis  inier  utramque  intercedere  ipse  Plato  ape- 
ruit,  non  est  cur  aliis  praeceptis  usi  aut  quanto  vel  veteres  vel  recen- 
llores  antestare  decreverint  arithmeticam  aleae  doceamus,  aut  cur  ipsi 
vocabulum  7r6TT£UTiKf)C  prorsus  inauditum  fuisse  Graecis  fusius  atque 
copiosius  exponamus.  neque  enim  apud  ullum  scriptorem  legitur,  quam- 
quam  apud  mukös  Td  irerreuTiKd  et  6  treTTCuriKÖc.  inde  non  mediocris 
videlur  esse  inconsiderantiae  hunc  locum  componere  superiori  illi,  quo 
non  est  dubium  quin  summa  llbrariorum  incuria  oscitanliaque  it€TT€U- 


J.  Richter:  in  Piatonis  Gorgiatn.  233 

TiKV]  irrepserit.  illic  enim  licet  casu  et  forluito  iT6TT€ia  cum  XoTiCTtK^ 
et  Y€UJ|i6TpiK9  conluncta  sit,  tarnen  computandi  ratione  hablta  cogna- 
tionis  vinculo  quodam  continetur:  at  hie  philosophos  noa  agit  de  nume- 
ris,  sed  de  artibus  a1  biä  XÖTOU  ttov  ircpaivouciv.  eique  Xöftp  quia 
p.  460 '^  cifr\  opponitur,  quominus  eum  pro  oratione  accipiamus,  nemo 
plane  advereabitur.  iam  vero  fae  errore  nos  esse  addoctos  ul  Tr€TT€iiTi- 
KTJv  artem  exstirpar emiis :  ecqoid  est  aleae  cum  oratione  aut  quis  um- 
quam  homini  routo  eius  modi  ludo  abstinendum  esse  sibi  persuasit? 
quid  quod  Plato  de  re  publ.  p.  487  <^  usus  imagine  ir€TT€iav  Iv  XöfOtc 
diserte  distinxit  a  ireTreiqt  iy  iprj^oic?  itaque  nescio  an  ars  restituenda 
videatur  iraibeuTiidi  propler  consonantiam :  quodsi  quis  quae  In  Piatonis 
dialogo  sequuttlur  coosideraverit,  fortasse  malet  TricrcuTiKii  coli.  p.  454*' — 
455*.  hoc  utique  optinendum  censemus,  Trerrcunicf^v  nee  in  numerum 
artiuffl  esse  referendam  aH  bia  Xötou  iräv  ircpaivouciv,  nee  omnino 
esse  artem  nee  ab  bominibus  Graecis  originem  cepisse  tale  vocabulum. 

Sed  ttt  ineommodum  artls  non  modo  suspectae  verum  etiam  reiectae 
compensatlone  commodorum  leuiatur ,  efc6€av,  quo  vocabulo  Plato  usus 
videtur  p.  466**  T^j  bk  ifVjLivacnicft  Korä  töv  auiAv  Tpötrov  toOtov 
f)  KO|Lt)uiumKifi,  KOKoCpTÖc  T6  ouca  Kai  äiraniXfi  xai  dtcvWic  ical 
ävcXeuOcpoc ,  cx%totci  Kcd  xfiustiaa  xal  XeiöniTi  Kd  eicO^cct  äira- 
Tubca,  «&CT6  itcHeiv  dXXÖTpiov  loiXXoc  ^^eXKOfi^vouc  toG  okelou 
ToO  bid  Tf)c  Tu^vacTiici)c  djyieXcTv  —  id  igkur  vocabulum  ne  aspernen- 
tur  lexicographis  arbitramur  suadendum.  quod  enim  vuigo  legebant  xal 
C(icOi|C€i,  boc  usque  eo  non  est  satisfactum  Piatonis  interpretibus,  ut 
eoniecturas  tentareut  varias  dcOrjcet,  dcOf}civ,  akO^jceic  deleto  Kai. 
earum  nulla  nee  propius  accedtt  ad  vulgatam  nee  ad  sententiam  accom- 
modatior  est  quam  quod  ipsi  proposuimus  eicO^cet.  etenim  cxtfjjüuxct 
voce  generali  conli&eri  ^c0r)C€i  vel  ^cOnciv  nemo  non  videt:  neque  Xeiö- 
TiiTi  quam  respondeat  cTcOecic  i.  e.  fartura  toliusque  loci  sententiam 
illustret,  obscurum  delitescit.  et  cum  KomiUiiTiKri  uuncupetnr  KaxoCp* 
YOC  ei  diTaTT|Xil  f  quae  alienam  adseiscere  soleat  pulcritudinem ,  inprimis 
de  capillamentis ,  de  suris  fartura  craseioribus ,  de  simüibus  rebus  cogita- 
mus.  eas  omoes  ut  ars  gymnastlca  gratuito  ac  sincere,  Ita  foci  faciundi 
ars  per  fraudes  sie  suppeditat,  ut  quorum  insania  eius  modi  artes  malas 
aucupetnr,  recte  dicantur  dXXörpiov  £q)^XK€c6ai  KdXXoc.  pertinere 
aulem  ad  pulcritudiuem  alienam  adsciscendam  cum  alia  tum  dfcBectv 
(au9$lopfen)  quis  est  qui  igooret?  neque  aliam  ob  causam  eius  locum 
occupavit  aTc9r)Cic,  nisi  quod  tllud  vocabuUim  parum  usitatum  et  sor- 
dido  atque  inliberati  bominum  generi  notom  videtur  fuisse:  unde  Plato, 
eum  Socratem  opificibus  amicum  utdutisset  loquentem,  ad  delestandum 
opificium  absurdum  non  dubttavit  in  librum  suum  transferre. 

P.  447  **  alli  legendum  censuerunt:  oökoOv,  (b  'rfiv,  ßouXecBc 
Tiop'  i)il  fiK€iv  olKab€;  alü  oukoOv,  6Tav  ßouXti^,  nop'  i)ik  fiKetv 
olKObe  interpretantes :  ^itaque  quandocumque  placuerit,  ad  me  domum 
meam  veniie.'  oeatra  scripiura  libris  veteribos  coofirmatar.  neqie  enim, 
ne  soHicitemus  ötov  ßouXiicOe,  quae  verba  cum  pro  &rav  ßouXccOe 
vel  5t€  ßouXficccOe  ad  arbitfium  buc  invecla  «int  tum  prorsus  alieiia 

JahrhftelMr  f&r  cUu.  plulol.  iSeS  hfU  4.  16 


234  J.  Richter:  in  Platonis  Gorgiam. 

Yidentur  a  loci  senteniia,  potuit  fieri  ut  Musis  Graecis  uHo  modo  proba- 
re tur:  öÖKoCv  fiK€iv.  namque  constat  nee  oÖKoOv  cum  infinitivo  con- 
iunctum  nee  eius  modi  locutionem  iiDperativi  loco  a  scriptoribus  Graecis 
usurpari.  quocirca  coniecturam  (b  'tSv  a  viris  doctis  iniuria  repudialam 
facile  dicas.  verum  si  ad  superiora  eountiala  respexerfs  inprimisque  ad 
verba  foptiac  ^mbcigcTai  f^iv,  ei  fuev  boKCi,  vCv,  i&y  hk  ßoiiXi), 
^caOOic ,  nescio  an  futurum  sit  ut  aÖTÖOev  magis  placeat.  non  invita, 
opinor,  Minerva  de  re  publ.  p.  412'  est  repositum  £06V  pro  örav  in 
hisce  annalibus  1867  p.  142:  eliam  Gorgiae  p.  517*"  multa  suadent  ößey 
pro  iliv :  atque  p.  447  ^  propter  oÖKoCv  syllaba  aÖT-  facile  potuit  oblit- 
terari.  reposito  vero  adverbio  aÖTÖOcv  perquam  luculenta  apparet  sen- 
tentia  haec:  'nonne  ergo  ad  me  domum  meam  ilico  venire  vultis?*  ita 
facillime  Socratis  et  ed  X^Y^ic  intellegftur  et  disputatio  quam  slatim  in 
domo  Calliciis  de  arte  rhetorica  instituil,  et  dubilalio  de  Gorgiae  voluntate 
disputandi,  qua  morderi  se  in  itinere  simolat. 

Non  minus  p.  465*  ouk  ^x^^  Xötov  oub^va  paucisque  versibus 
interiectis  fiXoTOV  TTparjiio  et  p.  501*  dXÖTiuc,  quam  p.  463*  (|it)X^c 
CTOX0tCTiicf)C  idem  fere  significans  atque  Isocratis  KQTä  TUiv  coq)iCTdiv 
S  ^  U'tiX^c  bo£acnKf)c  declarat  scribendum  esse  p.  464^  Tcrrdpuiv  bi\ 
TOUTUJV  oöcOüv,  Kttl  fiel  TTpdc  td  ßeXncTov  Öepoircuoucuiv,  Tt&v 
\itv  Td  cd^^a ,  tAv  bfe  Tf|v  i|iux^v ,  f|  KoXaK€UTiirf|  alcöofn^vn ,  oö 
Tvoöca  XÖTOV  (pro  vulgaio  X^-ftw),  ÄXXa  CTOxacajudvT],  T^Tpaxa  iav- 
Tf|v  biaveifiaca,  öirobOca  uitö  iKacrov  tujv  ^opiuJV,  TrpocTroieiTai 
elvat  toOto  öirep  vtiibv ,  Kai  toO  ^kv  ßeXTicxou  oöbfev  q)povTiZ;€i, 
Tijj  hk  &el  fiMcTiu  OripeueTai  Tf|v  ävotav,  bac  senlentta:  ^quattuor  igi- 
tur  esse  artes  semperque  Optimum  quodque  submfnisA*are,  alias  corpori 
alias  animo,  postquam  ars  adulaloria  sensit'  b.  e.  non  cognovit  eius  divi- 
sionis  rationem,  sed  augurata  est:  factum  est  ut  qnadrifariam  ipsa  se 
dispertiret. 

Qualem  medicinam  viri  docti  adhibuerint  loco  corrupto  p.  503^  el 
IcTi  Te,  c5  KoXXixXeic,  i^v  irpöiepov  cu  ^Xerec  iperfiv^  dXtiOiic,  tö 
Tdc  liTiöuiLiiac  d^T07rl^^^X(ival  xai  xäc  airoO  xal  xäc  tu>v  fiXXuiv  • 
el  hk  pi\  toOto,  dXX*  öirep  ^v  tdb  iciipw  Xötu)  !^vaTKdcör)|Li€V  f|M€Tc 
6^oXoTeiv,  Sti  al  ixiv  twv  dtrtOuiüitdrv  iTAr)poij|i€vai  ßeXriu)  iroioOci 
TÖv  dvOptüirov ,  Ttturac  }iky  diroreXeiv ,  rfi  hk  x^^P^ »  M^ '  toOto  bi 
T^XVT]  TIC  elvat-  toioOtov  dvbpa  toötuiv  nvd  T€Tov^vai  fx^tc 
eiiretv;  inde  iam  patet,  quod  nemo  eril  qui  6ti  cum  infinitivo  a  Stall- 
baumio ita  coniunctum,  ut  beiv  videatur  supplendum,  iudicio  praeferen- 
dum  censeat  de  ellipsi  cogilantium:  ÖTi  (dpeifl  dXiiOrjc  icTiv)  . .  diro- 
TeXeiv.  neque  tamen  quia  unde  toOto  bk,  t^XVY]  Ttc  elvat  pendeat  non 
liquet,  haec  noslra  coniectura  nobis  arridet.  atqui  quo  enuntiatum  ab 
ei  bk  ixf\  incipiens  priori  congruat,  praedicatum  simile  tQ  dXiiGei  dperQ 
non  temere  nobis  videmur  desiderare.  qua  in  re  ad  p.  499  respicientes^ 
ad  quem  locum  ab  ipso  Piatone  legentium  animi  releganlur  —  flirep  dv 
Ti?i  TJCT^pij)  XÖTijj  t^vanTcdcörjuev  fi^eic  öfioXoTeW  —  inprimisque 
jion  magis  ad  tolam  sententiam  quam  ad  verbum  boxet  p.  499*  £vcKa 
idp  TFOv  Tiuv  draeöv  änavra  f|^Tv  IboU  TtponcTtov  elvai . .  dpa 


J.  Richter:  in  Platonis  Gorgiam«  235 

xai  col  cwboK6i  o6tu),  t^Xoc  elvot  äTracujv  tujv  itpäSeiuv  t6  dra- 
66v,  noQ  arbilramur  a  vero  aberrare  extremum  locum  corniptum  sie 
scribentes:  al  bi.  xcipu),  ju/i,  toOto  1)ok€T  t^XVT]  clvai,  toioOtov  ktX. 
certe  quidem  leni  voculae  bi  muUtione  satisfactum  est  grammaticae,  cete- 
raeque  argumentatloni  iam  respondet  haec  sententia :  ^siquidem  est  vera, 
0  Callieles,  quam  tu  antea  nuncupabas  virtutem,  cupiditates  explere  et 
suas  et  alienas:  si  vero  non  hoc,  sed  quod  in  posteriore  disputatione 
coacti  sumus  concedere,  cupiditates,  quae  cum  explerentur  redderent 
hominem  meliorem,  satiare,  quae  deteriorem,  non  satiare,  eam  esse 
artem  quandam:  num  talem  hominem  horum  quemquam  exstitlsse  potes 
affirmare?' 

Non  defuere  qui  contraxisse  damnum  suspicarentur  locum  p.  521  ^ 
€l  coi  Mucöv  T€  f[h\ov  KoXetv,  (b  CdiKparec  quos  Sullbaumius  sie 
recensuit,  ut  errores  varios  redargueret.  verum  tarnen  accidit  ut  quam 
medellam  vir  egregius  putaret  necessariam,  eam  ipse  nescio  quo  pacto 
eflfunderet  ac  dissiparet.  allato  enim  Olympiodori  grammatici  iudicio 
f)  TrapoijLiia  aöni  ^k  toO  TiiX^q)ou  icAv  eupmibou  •  ixei  Tctp  ^pwid 
TIC  iT€pl  ToO  T?iX^q)Ou,  Ktti  q)T]ci  TÖ  Mucöv  Ti^X6q)0v  •  cixe  bk  Mucdc 
fjv,  €!t€  äXXoO^v  TToGev,  ttuic  8ti  6  TiiX6q)0C  TVUjpiZcTar  oötuj  xal 
ivxaöGa  •  che  KÖXaxa  OAeic  elireiv  töv  toioOtov  ,  ehe  bidxovov, 
€iT€  övTivaoOv,  bei,  q>i]clv  6  KoXXiicXfic,  toioOtov  elvai  irepl  Tr|v 
iTÖXiv  —  haec,  inquit,  licet  Vitium  contraxennt,  tamen  egregie  pate- 
faciunt  interpretandi  viam.  constat  enim  Mysorum  gentem  contemptui 
esse  habitam,  id  quod  vel  ex  proverbio  illo  patet  Mucujv  6  fcxotTOC, 
quod  cum  ab  aliis  tum  a  Piatone  Theaeteti  p.  209  ^  adhibetur  ad  signi- 
iicandum  hominem  plane  vilem  et  abieetnm.  equidem  nee  quod  Vitium 
contraxennt  veleris  grammatici  verlni  cogitatione  assequi  possum,  nee 
lila  interpretalio  et  de  gente  vili  sententia  quo  vinculo  continealur  repe- 
rio,  nee  quare  Callicles,  probatis  sub  dialogi  finem  insignis  cum  persua- 
dendi  arte  tum  pietale  viri  placitis  modo  non  omnibus,  Socratem  contem- 
nendum  censeat  hominemque  ducat  abiectum  sentio.  ac  primum  quidem 
Olympiodori  verba  latine  sie  facile  reddas:  *hoc  proverbium  est  ex  Te- 
lepbo  Euripidis :  illic  enim  quaerit  aliquis  Telephum  et  nuncupat  Mysum 
Telephum:  sive  autem  Mysus  erat  sive  aliunde,  quid  quod  Telephus 
agnoscitur?  ita  etiam  hoc  loco:  sive  adulatorem  vis  nuneupare  talem 
hominem  sive  administrum  sive  quemvis,  oportet,  inquit  Callicles,  eum 
talem  esse  in  urbe.'  in  bis  etsi  elHpsis  iriBc  ön  admodum  dura  videtur 
latinnmque  dicendi  genus  resipit,  ut  ipsi  interpretati  simus:  'quid  quod?' 
tamen  ntsi  mavis  nujc  ea  accipere  sententia,  quam  Vigerus  p.  444  sq. 
ed.  Herrn,  in  hae  particula  inesse  statuit,  facile  orationem  neglegentem 
condonabis  grammalico.  at  nihil,  opinor,  quod  Mysos  fuisse  gentem 
vilem  innuat  inde  elicies.  itaque  restat  ut  videatur  probandum,  ne  Piato- 
nem  quidem  1. 1.  de  Socrate  a  Callicle  contempto  cogitasse,  sed  de  Gallicle 
misericordia  commoto.  qui  cum  Socrati,  quod  alia  atque  ceteri  Athe- 
nienses  de  rei  publicae  condieione  sentiret  civiumque  anlmos  studiis  suis 
in  dies  magis  otfenderet,  multum  a  popularibus  sibi  persuasisset  imminere 
periculi:  ne  verba  aucupetur  atque  premat  opinionique  publicae  obse- 

16* 


236  M.  Hertz:  miscelU. 

quatur,  iam  amiee  suaidejt:  et  p»  521*"  fftf|  cTthjc  &  TroXXäloc  £Tpn*Qixc, 

ÖTl  älTOKT€V€T  M£  Ö  ßOuXd|4€VOC,  et  p.  Ö^l""  &C  MOt  bOK€lC,  (b  CuJ- 

Kparec,  mcrcueiv  |iit)b'  ^  ^v  toijtu;v  iradciv,  iK  oiväiv  dKirobuiv 
Kai  oOk  &v  6icax0€\^  eic  biKOu^Tfipiov  öttö  Ttdvu  Icuic  |UU)x6i1P^0 
ävSptiiiirou  Kai  qxxuXou,  ad  h^ec  iUe:  'suades  Igitur,  mi  amiee,  ut 
adulator  eiUtw*'  Um  vero  ut  aUbi,  velut  p.  483  V  489  **  inprinisqu« 
p.  490*,  Ua  hoc  Iocq  non  sine  magna  ajaUni  coDcitatione  verborum  aaca- 
pium  quoddam  Sooralis  castigaturus  CalUcle^  sie  intercipit  oraUooem:  el 
cot  Mucöv  T£  f)b^ov  KaXctv  h.  e«  Micet  per  me  quons  namioe  utare, 
tarnen  nisi  haeo  feceris,  nisl  urbi  servies,  ja»n  effugles  mortem.'  iaest 
igitur ,  id  quod  non  soliun  Olympiodorus  confirmat ,  sed  etiam  seriea  sen- 
tentianin^  in  Piatonis  Gorgia  obviarum,  in  verbis  varie  vexatis  haec  sen- 
tentia ,  nihil  vaiere  nomen  quoddam  ad  cahmitaies  avemmcandas.  viden* 
tur  autem  viri  docti  ad  aliena  ideo  esse  detapsif  qvod  sermone  interrnpto 
non  ipse  GalUcles ,  sed  Socrates  mortis  perioulum  imminens  declarat« 

RASTBHBUBai.  lOANMBfi   RiOBTER. 


■  71;       I    I       i  ■  ■  ■   I  ■   »p  I  I    p     ^ 


MIBCBLLEN. 

(fortsetznng  von  Jahrgang  1867  s.  317—819.) 


16. 

In  den  interessanten  Tironiana  von  W.  Schmitz  symb.  phil.  Bonn, 
s.  529  ff.  wird  bei  der  betrachtung  der  Überschriften  und  subscripttonen 
der  handschriften  der  Tironischen  noten  auch  der  schon  von  Kopp  er- 
Tv&hnten  Überschrift  der  Straszburger  hs.  erwähnung  gethan  (s.  538} 
Auxüiante  deo  inctphini  Notae  Senecae  et Amen  unter  Wieder- 
holung der  angäbe  Kopps ,  dasz  die  fast  erloschenen  buchstaben  tioiter 
gewesen  zu  sein  scheinen,  die  dieser  durch  ti  (TuUii)  oiter  {citerio- 
rumtfue)  oder  tioioeb  (TulUi  Ciceronis)  erklären  zu  dürfen  glaubte. 
Schmitz  selbst,  indem  er  die  angäbe  des  cod.  Paris.  8777  hinter  der  vor* 
rede  In  nomine  dei  summt  incipHmi  notae  Senecae  ei  Cyceronis  gra- 
matkorum  seeundum  traditionem  Tuüii  vergleicht,  meint  s.  543,  es  sei 
wahrscheinlich  Cicer  zu  lesen,  aber  sicher  sind  die  wol  auch  nicht  mehr 
ganz  deutlichen  nftehstvorhergehenden  buchstaben  et  nicht  richtig  ent- 
siff^t  und  in  dem  ettioitbb  steckt,  von  den  cHeriores  noch  ganz  abge- 
sehen, weder  et  TullH  Oceronis^  noch  et  Ciceronis^  sondern  ein  ein- 
faches, landesübliches  fblioitbb. 

Breslau.  Martin  Hertz. 


F.  BQclieler:  ArUtodemoB  echt  oder  uaecht?  237 

35. 

fAEISTODEMOß  ECHT  ODER  UNECHT? 

Eioe  neue  grieohische  haodscbrifl  durch  Minas  nach  Paris  gebracht, 
ein  neuer  griechischer  hietoriker  -^  wem  sollte  da  in  einer  zeit  kritischer 
Studien,  nach  den  erfahrungen  letzter  jähre  nicht  ein  skeptischer  gedanke 
kommen?  als  ich  die  von  C.  Wescher  veröffentlichten  Aristodemos-frag- 
mente  prüfte,  hatte  ich  sie  so  unbedenklich  wie  Arnold  Schaefer  für  echt 
genommen,  mein  freund  CurtWachsmuth,  gewis  ein  in  diesem  ge* 
biete  sehr  bewanderter  mann,  hat  im  jflngsten  hefte  des  rheinischen 
museums  XXIH  s.  803-^315  völlig  anders  geurteilt,  bei  der  auszerst 
geringen  frucbt  welche  das  eben  entdeckte  pfl&nzchen  trSgt,  bei  der  fülle 
tauber  biOten  ist  jenes  nrteil  wol  begreiflich,  aber  wie  ich  fürchte,  ein 
sdiusz  über  das  ziel  hinaus,  zwar  wird,  da  in  solchem  fall  vindiciae 
eines  textes  allzu  leicht  in  vindiciae  seines  kritikers  umschlagen,  das 
wort  hierüber  am  besten  andern  unbeteiligten  überlassen;  aber  da  die 
gute  des  in  Paris  sich  aufhaltenden  dr.  Gustav  Meyncke  mir  einige 
bemerkungeu  Über  das  object,  dessen  echtheit  in  frage  gestellt  ward, 
an  die  band  gegeben  hat,  so  glaube  ich  die  gelegenheit  benutzen  zu 
dürfen,  um  mein  festhalten  an  der  früher  dargelegten  ansiebt  auszu- 
sprechen, wie  vorsiebt  not  thut  vor  dem  verdammenden  spruch,  lehrt 
der  von  Waobsmuth  mit  unrecht  gescholtene  gebrauch  des  namens 
'ApTiXtOC  s.  357, 19  als  eigenname:  gleicher  tadel  irifTt  schon  Cornelius 
Nepos  erzählnng  Paus,  4  und  5,  die  ohne  zweifei  alterer  tradition,  doch 
wol  des  Ephoros  folgt,  und  wie  hatte,  so  darf  man  fragen,  der  jedes 
minrerstandnis  ausschlieszende  ausdruck  des  Thukydides  I  132  ävf|p 
'ApfiXiöc  überhaupt  zu  jener  aporie  führen  können,  welche  die  scholien 
bezeugen:  nv^c  Kupiov  nvlc  iOviKÖv,  wenn  nidit  neben  der  Thuky^ 
dideischen  tradition  jene  andere  bestanden  hatte,  gleich  viel  wer  diese 
aufgebracht  und  durch  welchen  irtum?  das  marchen,  dasz  die  Lakedamo- 
ttier,  um  von  den  mitkampfern  im  Perserkrieg  keinen  vorn  oder  hintan 
setzen  zu  müssen ,  den  diskos  'erfanden',  dünkt  mich ,  was  die  aufnähme 
desselben  in  die  geschiebte  betrifft ,  wol  der  zeit  eines  Lueian  und  Chen^ 
Bos,  was  erflndungsgabe,  wol  noch  alterer  Unterweisung  ir€pt  eöpimd« 
Ttuv  würdig;  vielleicht  hat  dem  erfinder  eine  erinnerang  an  den  von  Pau*" 
sanias  V  20, 1  beschriebenen  diskos  des  Iphitos  mit  der  rund  laufenden 
Inschrift  vorgeschwebt,  auch  das  argument  scheint  mir  niobt  stichhaltige 
womit  allein  Wachsmuth  hoffen  konnte  den  verdaicht  einer  fälschung  zu 
begründen,  dasz  Demosthenes  die  Perser  auf  der  flucht  von  Plataa  in 
Makedonien  durch  Perdikkas  laszt  vernichtet  werden,  Aristodemos  aber 
durch  Alexandros  in  Übereinstimmung  mit  Clinton  und  andern  welche 
dem  Oemosthenes  Verwechselung  der  beiden  namen  zutrauen,  dasz  ako 
Aristodemos  aus  modernen  Studien  schöpfe,  die  frage  ob  Demosthenes 
gegen  Aristokrates  $  200  diesen  oder  jenen  meinte ,  kann  ganz  aus  dem 
spiele  bleiben:  denn  directe  enllehnung  aus  jener  stelle  zeigen  Aristo- 
demos Worte  nicht,  desgleichen  der  brief  des  Philippos,  wonach  Alexan* 


238  F.  Bacheler:  Aristodemos  echt  oder  unecht? 

dros  von  den  kriegsgefangenen  Medern  einen  tribut  nach  Delphi  weilite : 
genug  dasz  nach  Demosthenischen  Zeugnissen  alte  angenommen  und  ge- 
sagt haben,  dasz  die  fliehenden  Perser  in  Malcedonien  durch  feindlichen 
angriff  schlecht  wegkamen,  um  die  notiz  des  Aristodemos  zu  rechtfertigen, 
dasz  Alexandros  sie  aufgerieben  habe,  denn  diesen  kennt  unser  schrift- 
steller  als  damaligen  regenten  Makedoniens,  von  dessen  gesandtschaft  im 
auftrag  des  Mardonios  an  die  Athener  halte  er  oben  berichtet;  dagegen 
wird  nach  dem  grundsatz  Homer  aus  Homer  zu  erklären,  einem  solchen 
historiker  niemand  die  kenntnis  eines  makedonischen  teilfürsten  zuschrei- 
ben, umgekehrt  also  wäre  wo!  mehr  zu  verwundem,  wenn  Perdikkas  hier 
vorgeführt  würde,  als  die  nennung  des  Alexandros,  die  an  sich  thdricht 
sein  mag  und  lächerlich  (iravTac  £q>öv€ucev),  aber  dem  begriff  und  der 
darstellung  dieses  Schriftstellers  entspricht,  übrigens  bemerkt  Heyncke 
zu  den  werten  'AX^Eavbpov  Tdv  Maxe&öva  töv  ^iXIttttou  npÖTOVov 
s.  351,20,  dasz  so  zu  schreibeu  einem  Zeitgenossen  Philipps  am  nächsten 
lag  und  dasz  sie  arglos  von  einem  epitomator  aus  Ephoros  fortgepflanzt 
sein  möchten. 

Die  echtheit  eines  scliriftstückes  läszt  sich  einem  bekannten  spruch 
zufolge  nie  demonstrieren;  desto  gröszere  ansprüche  wird  man  an  den 
beweis  der  unechtheit  zu  stellen  haben. 

Ueber  das  handschriftliche  object  schreibe  Ich  Im  folgenden  die  von 
Meyncke  mir  zugegangenen  mitteilungen  zusammen.  ^Minas  hat  bei  sei- 
neu lebzeiten  die  handschrift  nie  zeigen  wollen,  sie  ist  erst  nach  seinem 
tode  in  seinem  koffer  mit  beschlag  belegt  und  seinen  verwandten  dafür 
eine  entschädigung  geboten,  er  hielt  sie  so  verborgen,  dasz  er  die  Theo- 
pomp-fragmente,  welche  Müller  veröffentlicht  hat,  nicht  aus  ihr  selbst  bat 
herausgeben  lassen ,  sondern  aus  einer  an  Müller  übergebenen  abschrift. 
es  ist  schwer  einzusehen,  warum  Minas  oder  ein  älterer  falscher  eine 
handschrift  von  so  werthvollen  bestandteilen ,  wie  diese  in  ihrem  kern 
ist,  durch  ein  verhältnismäszig  so  unbedeutendes  fragment  noch  hätte 
erhöhen  wollen.  Ninas  iiat  den  etwas  undeutlichen  namen  des  Aristo- 
demos nicht  lesen  können  und  dies  bruchstück  daher  in  dem  zu  anfang 
der  handschrift  von  ihm  gemachten  katalog  nach  Vermutung  anderen 
historikern  zugeteilt,  hm.  Weschers  beschreibung  der  handsclirift  ist 
von  einer  musterhaften  genauigkeit,  seine  behauptung  dasz  keine  der 
drei  im  ältesten  kern  derselben  zu  unterscheidenden  bände  jünger  als  das 
zehnte  Jahrhundert  sei ,  zeugt  von  besonnener  mäszigung ,  da  der  schrift- 
charakter  hohes  aller  verräth,  die  mitte  haltend  zwischen  uncial-  und 
cursivschrifL  die  Aristodemos -fragmente  scheinen,  wie  hr.  Wescher 
selbst  bemerkt  (anm.  zu  s.  349),  allerdings  von  einer  andern  band  ge- 
schrieben ;  der  Charakter  der  scbrift  stimmt  aber  so  genau  zu  den  übri- 
gen teilen  im  allen  kerne  der  handschrift,  dasz  man  daraus  wenigstens 
auf  volle  gleichzeitigkeit  der  niederschreibung  schlieszen  musz  und  bei 
genauerer  vergleichung  der  schriftzüge  kaum  ein  anderer  unterschied  übrig 
bleibt  als  der,  dasz  die  buchstaben  hier  etwas  kleiner  sind,  dort  etwas 
gröszer.  keine  spur  nötigt  anzunehmen,  dasz  die  blätter  auf  welchen  das 
medicinische  fragment ,  Aristodemos  und  Philoslratos  stehen ,  an  grösze 


F.  Bücheler:  ArUto.lemos  echt  oder  uneclil?  239 

von  den  aadern  verscliiedea  gewesea,  da  auch  sonst  hin  und  wieder  Über- 
schriften oder  randbemerkungen  vom  bachhinder  durchschnitten  sind, 
vielmehr  war  ursprünglich  das  format  durchgängig  beträchtlich  gröszer, 
bevor  die  handschrift,  so  wie  sie  jetzt  vorliegt,  im  sechzehnten  Jahrhun- 
dert eingebunden  wurde,  der  binder  hat,  um  die  verschiedenen  teile, 
vielleicht  sogar  einzelne  bUlter  wie  fol.  81  zusammenzulialten,  teilweise 
auch  um  schadhafte  ecken  des  pergaments  zu  ergänzen,  papierstreifen 
aus  einer  lateinischen  handschrift  des  14n  Jahrhunderts  verwendet,  da 
ich  einmal  fol.  81,  worauf  Philostratos  steht,  erwähnt  habe,  füge  ich 
gleich  hinzu  dasz  grösze  und  Charakter  der  schrifl  auf  diesem  blatt  völlig 
mit  der  band  übereinstimmt,  von  welcher  fol.  83^ — 87^  herrührt,  ich 
bedaure  dasz  ich  noch  nicht  habe  entdecken  können,  wie  dies  einzelne 
blatt  oder  ob  es  mit  den  anderen,  namentlich  den  Arlstodemischen  äuszer- 
lich  zusammenhängt;  auch  verzweifle  ich  fast  an  der  ermittlung  des  Ver- 
hältnisses von  fol.  81  zu  fol.  83 — 87 ,  wenn  die  buchbinderarbeit  nicht 
teilweise  abgelöst  werden  darf,  das  erste  wort  in  der  oben  am  rande 
von  fol.  88'  durchschnittenen  reihe  (denn  eine  ganze  reihe  stand  dort, 
aber  nur  von  den  ersten  buchstaben  sind  hinlängliche  reste  erhalten  um 
ihre  ergänznng  zu  wagen)  war  nicht  dpiCT- ,  nur  der  zweite  buchstab  ist 
wahrscheinlich  p  gewesen ,  aber  der  erste  €i ,  wovon  ich  jetzt  auch  hrn. 
Wescher  überzeugt  habe,  dasz  eine  alte  paginierung  mit  griechischen 
buchstaben  durch  die  ganze  liandschrift  geht  und  auch  die  fraglichen 
bläller  mit  einbegreift,  ist  schon  in  hrn.  Weschers  beschreibung  gesagt.' 
Diesem  mag  nur  beigefügt  wenlen  dasz  mein  sehr  vorsichtiger 
freund,  der  seiner  zeit  auch  den  Uranlos  hat  zeigen  sehen  und  das  ge- 
schick  der  f&lschung  hat  erklären  hören,  seine  Überzeugung  von  der  echt- 
heit  alter  teile  wiederholt  ausspricht,  sie  wachse  mit  jedem  neuen  male 
wo  er  den  band  in  die  band  nehme,  von  argumenten  für  die  echtheit, 
welche  dem  tezt  selbst  entlehnt  werden  können,  genügt  mir  eines,  denn 
für  ausgemacht  nehme  ich  dasz  s.  356,  9  i^  dcriv  £ti  vQv  5ia  verderbte 
lesung  statt  'HeTiuivia  oder  'HcTiuiveia  ist.  scheint  es  glaublich  dasz 
ein  falsarius  diese  so  wol  abgestufte  corruptel  ersann,  deren  progression 
uns  allen  verborgen  geblieben  war?  ictiv  nemlich  wuchs  dem  verderb- 
ten ^  in  vöv  bia  zu  entweder  durch  diltographie  oder  um  das  sinnlose 
sätzchen  nach  möglichkeit  zu  ergänzen,  wie  die  anläge  und  form  der 
ganzen  darstellung  durchweg  die  färbe  der  compilationen  des  sinkenden 
altertums,  aber  des  altertums  widerspiegelt,  ward  schon  oben  s.  94  kurz 
skizziert,  ein  blick  in  die  von  Wachsmuth  apgezogenen  Hermogenes- 
scholien,  in  denen  nicht  blosz  die  dem  peloponnesischen  krieg  voraus- 
gehenden ereignisse  ebenso  zusammengedrängt,  sondern  auch  iu  ähn- 
licher weise  z.  b.  V  p.  482  W.  lakchos  beistand  bei  der  salaminischen 
Schlacht  aus  Herodot  und  p.  375  Alkibiades  rath  an  Perikles,  der  rechen- 
schaftsablage  sich  zu  entziehen,  und  der  anlasz  des  megarischen  psephisma 
erzählt  werden  —  dieser  blick  zeigt  wie  die  von  Aristodemos  gebotene 
auswahl  historischen  Stoffes  mit  dem  von  den  späteren  rhetorenkindern 
verwandten  material  zusammentriiTl.  und  einwirkung  der  rhetoren  auf 
unser  compendium  tritt  wol  auch  in  der  benutzung  von  phrasen  des 


240  F.  Buclieler:  ArJstodcmos  ecbl  oder  unecht? 

Demoslhenes  und  Aescbines  wie  von  historischen  Zeugnissen  zu  tage,  die 
ShnlicbkeiLen  mit  den  schollen  zu  Aristophanes,  zu  Thukydides  (nicht 
blosz  sachlich)  z.  b.  in  belrefT  der  ringniauern,  sondern  selbst  sprachlich, 
wie  wenn  Thukydides  zusalz  beim  Argilier  TTaibtxd  auToO  in  den  scho- 
llen, die  Suidas  wörtlich  abschreibt,  durch  ^piJü|Lievoc,  von  Aristodemos 
durch  dtoiirtüfievoc  verdolmetscht  wird),  hinsichtlich  des  von  Themisto- 
kles  an  Xerxes  gesandten  pddagogen  Sikinnos  auch  mit  den  schollen  zu 
Aeschylos  geben  einen  ungefähren  maszstab  für  das  Zeitalter  und  den 
Studienkreis  welchem  diese  epilome  ihren  Ursprung  verdankt,  ich  meine 
die  schon  s.  94  bezeichnete  zeit  zwischen  der  sophistik  und  d€r  byzan- 
tinischen redaction  der  hypomnemata.  weiss  jemand  die  geographische 
definition  von  Mykale  im  Fragment  s.  353,  17  als  dpoc  Tf)c  MiXrictac 
historisch  zu  verwerthen  ?  oder  ist  sie  rein  fingiert  nach  z.  13  eic  MiXt]TOV? 
Teusche  ich  mich  nicht,  so  besitzen  wir  hier  bruchstficke  einer 
hauptsächlich  aus  Ephoros  abgeleiteten,  nach  und  nach  ins  enge  gezoge- 
nen ,  daneben  wieder  durch  zuthalen  von  rheloren  und  grammatikern  er- 
weiterten geschieh isdarstellung  etwa  des  fünftel^  Jahrhunderts,  der  man- 
cher Byzantiner  sein  wissen  von  der  altgriechischon  geschichle  verdankte, 
sicher  wenigstens  hat  dies  buch  der  namenlose  schollasi  des  Hermogenek 
ausgeschrieben,  wo  er  zur  erlSuterung  des  rhelors  sich  genötigt  sah  auf 
ein  historisches  compendium  zurfickzugreifen.  da  handschriAen  dieses 
scholiasten  aus  dem  lOn  Jahrhundert  vorhanden  sind,  so  kann  er  spä- 
testens in  die  zeit  der  makedonischen  dynastie  verwiesen  werden,  1» 
dieselbe  zeit  deren  saromelfleisz  wir  ohne  zweifei  die  erhaltuug  wie 
des  ganzen  von  Wescher  publicierten  corpus  so  auch  der  Aristodeml- 
schen  fragmente  verdanken,  dasz  der  scholiast  seinen  gewShrsmao» 
wort  ffir  wort  ausschreibt,  ohne  ihn  zu  nennen,  war  damals  regei; 
interessanter  ist,  doch  auch  dies  nicht  neu,  wie  die  grammatische  litte- 
ratur  ausweist,  dasz  er  dessen  text  verderbt  so  wie  heute  vor  sich  hatte 
und  ihn  sdilecht  genug  zu  restaurieren  versuchte,  unser  Arislodemos 
berichtet  s.  363,  4  AaK€&at^övlOl  d(p€Xö^6V0i  <t>iUK^uJV  tö  iv  AeX- 
q)Oic  iepöv  irap^bocav  AoKpoic  Kai  d(p€Xö)i€VOt  aöroOc  dtr^bocav 
irdXtv  TOic  <t>iUK€OciV.  ich  sagte  schon  s.  99  dasz  hier  der  abschreiber 
nach  Kai  den  namen  'A6iivaTot  ausgelassen  habe,  der  scholiast  des 
Hermogenes  aber,  welcher  den  satz  bereits  ebenso  verstdmmelt  fand, 
braut  daraus  folgenden  mischmasch  s.  388,  11  AaKebot^öviOi  d^eXö- 
jLi^voi  <t>iüK^tMv  t6  ^v  AeXqpoTc  iepöv  trap^bocav  AoKpoic,  €?Ta 
irdXiv  AoKpouc  dq)eX6|4evoi  trop^cxov  <t)uiK€Ociv,  und  da  er,  nuo 
einmal  auf  falscher  fahrte,  das  unmittelbar  anschlieszende  Ö7T0CTp€(pdv- 
Ttuv  hk  TUJV  *A6r)vaiiJüV  dirö  Tf^c  l/t&Xf)^  "i^^t  verstehen  konnte ,  so 
substituierte  er  dafür  aus  der  erzflhlung ,  die  er  bei  Aristodemos  gerade 
vorher  gehen  sah,  dummschlau  i5nocTp€(pövTtxiv  'A6T)va{ujv  dirö  TÜiiV 
irpöc  'ApTa£^p£riv  CTrovbt&v.  ich  bekenne  hiernach  dasz  der  falsarius 
mir  einigen  respect  einfiöszt.  übrigens  las  derselbe  scholiast  bei  der 
samischen  Strategie  noch  richtig  TTepiKX^ouc  xai  Coq>OKX^Ouc,  so  dass 
der  fehler  xai  OcjitiCTOKX^ovc  bei  Arislodemos  kaum  alter  ist  als  die 
heute  erhaltene  abschrift.   das  aber  versteht  sich  nunmehr  wol  von  selber 


F.  K.  Herüein:  zur  kritik  des  Arislodemos.  241 

dasx,  ivenn  aa  eben  jener  stelle  desr  Her mogenes-scholien  tö  KuXuivciOV 
ärfoc  durch  einen  liogem  historischen  bericht  erläutert  wird,  welcher 
zu  der  frOh  hewonderten  Thukydidelsch^n  Schilderung  skh  analog  ver* 
hält  wie  des  Aristodemos  erzShluog  über  ereignisse  der  penlekontetie  zu 
den  betreffenden  abschnitten  des  Thukydides,  dasz  wir  auch  hierin  einen 
getreuen  anszug  aus  dem  (dritten)  buch  des  Aristodemos  werden  aner- 
kennen därfen.  mlleicht  stammt  dort  noch  anderwärts  einiges  aus  der- 
selben quelle,  wie  s.  878  über  Peisiatratos  und  die  Phye  oder  der  in  den 
anmerkungen  zu  s.  386  aus  dem  Turiner  Planudes  genommene  bericht 
über  der  Lakedämonier  verhalten  bei  der  Marathonschlacht,  weil  in  den 
Worten  'A6r)vai6t  irpocßäXXovrec  iv  td^  MapoGüivi  toTc  M^iboic 
ifSJ!  ToO  Ziplov  CTpaT(|ii  und  wiederum  ctrTKpoTfjcavTec  iröXe^ov 
fi€Td  TWY  Mrjbujv  fffovy  xou  crparoO  toö  E^pEou  f^trncav  aöroäc 
ilTTav  iT€ptq)avf)  iv  Mapa6(£ivi  offenbar  neben  der  alleren  fassung 
(die  Meder)  eine  jüngere  glossierung  (heer  des  Xenes)  herlauft. 

Die  verAffentllchung  des  textes  durch  Wescher  ist,  wie  kaum  anders 
zu  erwarten  war,  fQr  eine  editio  princeps  ungewöhnlich  genau;  eine  von 
Meyncke  begonnene  nochmalige  vergleichung  der  handschrift  liefert  eine 
auszerordentlidi  geringe  auabeute.  hier  mag  nur  erwahnung  finden  dasz 
8.  350,  17  xai  vor  Kivbvveiiauca  in  bekanntem  ccHnpendium  steht  und 
dasz  s.  351 ,  18  durch  ein  versehen  beim  druck  gegen  die  hs.  und  gegen 
Wescbers  willen  uir^cxcTO  bk  statt  äir^cxcTÖ  T€  ediert  ward.*) 

GrBIFSWALD.  FSANZ  BtlCHELER. 

36. 

ZUE  KRITIK  DES  ARISTODEMOS. 


A. 
s.  349, 6  dcTTOtjba2;6V  hk  6  sjiplr\c^  lexrt}ia  KaracKeudcoc,  ttcZQ 
Inißiivai  dnl  "rtiv  CaXo|jiTva  öv  Tpönov  bif|XG€  in\  töv  'eXXfJcTrov- 
Tov,  Kai  }ilpoc  Ti  Ix^v  f)K€V  KOTOi  TÖ 'HpäKXeiov.  in  den  letzten 
Worten  ist  offenbar  ein  fehler,  der  aber  auf  ganz  gelinde  weise  dadurch 
beseitigt  werden  kann,  dasz  man  Ktti  jbi^poc  Tt  Ix^vvuev  Kara  t6 
'HpäKXeiOV  schreibt,  so  wörde  der  Verfasser  die  beiden  sagen,  welche 
Scbaefer  oben  s.  84  erwähnt,  und  von  welchen  die  eine  berichtete,  Xerxea 
habe  die  meerenge  zu  überbrücken,  die  andere,  er  habe  diese  zuzudaoimen 
gesucht,  mit  einander  verbinden,  man  erwartet  zwar  bei  fi^poc  Tt  noch 
den  Zusatz  toC  TTÖpou,  aber  das  fehlen  desselben  kann  bei  der  unbe- 
hülflichen  spräche  unseres  fragmentes,  welche  sich  vielfach  zeigt,  nicht 
als  grund  gegen  die  gemachte  Verbesserung  in  anschlag  kommen,  zu  den 
mangeln  des  ausdrucks  rechne  ich  z.  b.  in  den  aogefflhrten  worlen  £iri- 
ßnvm  M  Tf)V  CaXajLtiva  statt  biaßfivoi  (denn  dasz  nicht  etwa  so  zu 
andern  ist  zeigen  die  ahnlichen  stellen  s.  350,  4  ixavac  ^uptdbac  im* 
ßißacev  clc  Tf|v  nXiiciov  vnciba  und  s.  3öO,  12  iiiifir]  eic  Tfjv  Vvrä- 

*)  [in  dem  obigen  abdmck  s.  84  ff.  sind  als  dmckfebler  bemerkt  wor- 
den s.  865P,  8  ictp&ivcav  st.  kTpdTCVcav  und  s.  864, 1  lüi^v  Koi  et.  ^V)  Kal.I 


242  R.  Löhbach:  zur  kritik  des  Aristodemos.[ 

Xeiov)  and  btfiXOe  im  t6v  "EWiicttoytov.  hier  ist  jedoch  ixA  Wel- 
leicht aus  dem  kurz  vorhergehenden  tn\  eingeschoben  und  zu  lesen 
b\fi\Q€,  tdv  '6XXrictTOVTOV.  —  s.  350,  7  *ApiCT€il>nc  &fe  *A9nvaioc, 
v\öc  Aucl^(ixou ,  KoXou^evoc  biKaioc.  hier  ist  zu  lesen  KoXoüjüievoc 
ö  biKaioc.  —  s.  351,  3  ol  ''GXXnvec  dßotjXovTO  XOctv  rd  tn\  toö 
'GXXncrrövTOu  Icötmcc  Kai  KaroXa^ßdvecOai  E^pSnv  iv  tQ  'GXXdbu 
wenn  KaTaXa|üißdv€c6ai  vom  Verfasser  herrdbrt,  so  ist  es  als  einer  der, 
wie  schon  bemerkt  worden  ist,  zahlreichen  mängel  des  ausdrucks  zu  be- 
trachten, ich  bin  aber  mehr  geneigt  dasselbe  auf  rechnung  eines  ab- 
Schreibers  zu  setzen  und  d1roXa^ßdlV€cOal  zu  schreiben.  Herodot  VIII 97 
gebraucht  den  ausdruck  dTtoX04iq>0€lc  iv  t^  Göpdiiri],  letzteres  rich- 
tiger als  iy  tQ  *€XXdbi.  —  s.  355 ,  1  rpiiroba  dvadelc  ti{>  dv  AeX- 
q>otc  'ArröXXuivi  imfpa}i}ia  ^TPOtMiev  icpöc  oötöv  toioötov.  ich 
nehme  wie  BQcheler  anstosz  an  irpöc  aÖTÖv,  verandere  aber  iTpöc  in  de, 
welche  pripositionen  sehr  häufig  verwechselt  werden. 

WfiBTHEIH.  FrIEDBIOH   Ka.RL   HeRTLBIN. 

B. 

s.  349,  8:  Xerxes  beabsichtigt  eine  brdcke  irom  fesllande  hinüber 
nach  Salamis  zu  schlagen,  um  neUji  dirißfivat  in\  Tf|v  CoXa^Tva  8v 
Tpöirov  bi{]XOe  Inl  töv  "GXXi^cirovTOV.  das  zweite  im  ist  als  augen- 
scheinlich irrige  Wiederholung  des  ersten  zu  streichen.  —  s.  350, 5  nimt 
BQcheler  mit  recht  an  der  form  dKirXriTTÖjLievoc  anstosz  und  schreibt 
dKirXi^TTUiV.  das  participium  futuri  ddrfte  dem  folgenden  ßouXö^evoc 
besser  entsprechen.  —  s.  350, 15:  in  bezug  auf  Ameinias  bemerkt  Schae- 
fer  s.  82 :  'hier  wird  auszer  der  erdlTnung  der  schlacht  (=s  Herod.  VIII 84) 
demselben  auch  der  angriff  auf  das  schiff  der  königiu  Artemisia  zugeschrie- 
ben.' letzteres  findet  sich  aber  auch  bei  Herodot  VllI  93  8c  Kai  'Aprc- 
liiciiiv  diT€biu)E€.  —  s.  354,  12  ist  die  (piXoTi^ia  f|  urr^p  toiv  '£XXii- 
vuiv  nicht  anders  zu  erklären  als  in  dem  sinne  von  ehrsucht  öir^p  touc 
^'CXXnvac.  inip  mit  genetiv  ist  in  dieser  bedeutung  sehr  selten ,  aber, 
bei  dichtem  wenigstens,  nicht  ganz  ohne  beispiel:  vgl.  Pindar  Nem.  9, 
129  eöxojüott  ^TT^p  TToXXiliv  TtjLiaXq>etv  Xöfoic  mav,  und  Isthm.  2, 53 
öpTÄv  EeivoKpdTTic  öirfep  ävOpüCiTruiv  TXuKCiav  ?cx€V.  —  s.  356, 16 
TTaucavia  von  dTK€X€tptC^^VTic  abhängig  zu  machen  verbietet  die  Stel- 
lung, es  ist  deshalb  TTaucavtou  zu  lesen.  —  s.  358, 5  ergänzt  Wesoher 
xfnö  ai)TÖ  tö  t^)üi€VOC,  Bachelor  besser  de  TÖ  aärd  oder  eic  toOto  t6 
T^)üi€VOC.  der  aulor  verbindet  irapaTiTVCcSai  beständig  bei  örtern  mit 
cic  (352,  2.  7.  356,  15.  357,  12.  359,  13),  bei  personcn  mit  irpöc 
(350,  10.  358,  1.  8.  359,  14.  15.  360,  7).  die  richtige  ergänzung 
scheint  eic  TÖ  T^jiievoc  zu  sein.  toOto  hinznzufdgen  ist  unnötig  und 
schon  wegen  des  raumes  nicht  zu  empfehlen.  —  s.  361,  14  dQrfte  ini 
Tivoc  TTOTajüioO  in  iiii  NeiXou  TTOTajiioO  zu  ändern  sein,  der  naivetAt 
des  Verfassers  wird  sonst  doch  gar  zu  viel  zugetraut ; .  und  wie  der  ab- 
Schreiber  mit  eigennamen  umgesprungen  ist,  zeigen  sattsam  356,  9. 
361,  1.  363,  16  und  364,  15.  '^ 

Andernach.  1  Rudolph  Löhbaoh. 


F.  Efsseahardt:  zu  Theodosios  Tripolites.  243 

37. 

ZU  THEODOSIOS  TBIPOLITES. 


Bei  Suidas  steht  Ocoböcioc  q>iXöcoq>oc  ^TPOtMie  ctpatpiKd  £v 
ßißXioic  T)  ÖTTÖ^vima  eic  Td  9eubä  K€q>dXaia,  irepl  fifiiepubv  Kai 
vuKTi&v  ß\  ÖTTÖ^vr|^cx  cic  TÖ  'Apxijiilbouc  ^öbiov,  biaTP(xq>dc  oi- 
Kiuiv  iv  ßißXioic  t\  CKCiTTiKd  K€<pi&Xaia,  dcTpoXoTiKd,  tr€pl  oM- 
C€U)V.  voD  diesen  schriften  sind  griechisch  bis  jetzt,  so  viel  ich  weisz, 
nur  herausgegeben  die  ctpatpiKd.  diese  und  die  schriften  ircpl  oiKrj- 
ceu)V  und  irepl  fmcpiüv  Kai  vukt&v  machen  den  schlusz  einer  neulich 
von  mir  gekauften  abschrifl,  die  im  vorigen  Jahrhundert  jemand  von  meh- 
reren astronomischen  griechischen  schriften  genommen  hat.  eine  andeu- 
tung,  woraus  abgeschrieben  wurde  oder  wer  abschrieb,  fehlt:  ein  loses 
blatt  liegt  in  dem  bände,  auf  dem  von  —  wenn  ich  nicht  irre  —  anderer 
hand  eine  gleichung  gelost  ist.  darunter  steht,  aber  wieder  von  anderer 
band  Euler.  Pelrop.  1797 ,  die  letzte  7  kann  auch  für  eine  2  gehalten 
werden,  zu  den  cq)atpiKd  wird  einmal  am  rande  bemerkt  quae  seq.  non 
erant  in  codice  Sambuci,  und  auf  dieselbe  handschrift  mit  c.  S.  noch 
einmal ,  am  Schlüsse  der  schrift  irepl  ok^ceuiv ,  verwiesen,  die  schrift 
ist  deutlich,  accente  spiritus  und  iota  subscr.  fehlen,  die  worttrennung 
ist  meistens  erkennbar. 

TTcpi  oiKi^ceuJv. 

rTpoTäc€ic.  a'  d€t6pimc(.  Toic  t&ird  rdv  ßöpciov  rröXov  oIkoO- 
ctv  fmiccpaipiov  ^^v  toO  köqiou  btd  iravTÖc  den  tö  aÖT6  cpave« 
pöv,  fijüitcqpaipiov  bk  toö  KÖCfiou  bid  iravröc  Icn  t6  auTÖ  dtpavdc, 
Kai  oöb^v  TiZiv  dcrpujv  aÖToTc  oSre  buvet  ofire  dvarAXei,  dXXd  rd 
yiiv  iv  Tij!>  (pav€p<f^  f||Luc(paip(i|i  btd  iravTÖc  icxi  tpavepd,  rd  bk  Iv 
Tiji  dcpavei  btd  iravröc  dcriv  dtpavf). 

ß'  Toic  i&irö  TÖv  icrmepivöv  ohcoGci  irdvra  rd  dcrpa  Kai  öüv€t 
Kai  dvardXXei  Kai  töv  Icov  xpövov  äirdp  re  rdv  öpiZovra  dv6x6/|« 
C€Tai  Kai  öirö  töv  öpUlovra. 

T  TTpöc  irdvxa  xöirov  töv  tvX  tiJc  }iicr\c  l\Jjvr\c  6  tujv  Cifibliüv 
kukXoc  öpOöc  TcTorai  iroxe. 

b'   OIc  TÖ  KaTd  KOpU(pf|V  CT1|UI€10V  dlTÖ  TOÖ  ITÖXOU  TOCOÖTOV 

iraptfJKet  öcov  ö  TpoiriKÖc  dirö  toö  icimepivoö  bidcntKe v ,  dKcivoic 
fi^a  IE  &l[ibia  Kai  buccTai  Kai  dvaTcXei. 

e'  Toic  uirö  töv  iaifiieptvöv  oIkoöciv  )üi€amßpivöc  b(xa  T^^v€t 
TÖ  i^ir^p  TÖV  6pi2IovTa  toö  CqibiaKOö  fjfiiiKÜKXiov,  ÖTav  a\  dqpal  ti&v 
TpoiriKOiv  Kai  TOÖ  tAv  ZifjbCuiv  kukXou  (Hciv  dirl  toö  öpiZovTOC 
TÖT6  bk  Kai  6  Tubv  Z(j|)biujv  kukXoc  öpSöc  &Tai  irpöc  töv  öpiJIovTa. 

g'  Toic  uirö  töv  Icrmeptvöv  oIkoöciv  Td  toö  CijibiaKoö  fijLiiKii- 
KXia^iravTdiraciv  iv  Tctu  xpöviu  dvordXXei  •  öjioCujc  bk  Kai  al  dirc- 
vavTiov  ircpicp^peiai. 

t  OIc  btacp^pouciv  ol  6pi£ovT€C  TotJTqi  füiövui  T(|i  irpöc  dva- 
ToXdc  ^äXXov  fi  büceic  dKcivotc  TCTdxöat ,  Td  dirXavn  dcTpa  oötc 


244  P.  EyssenliarcU:  zu  Theodosios  Tripolites. 

fijüia  ävaT AXei  oCre  &iia  buvet,  dXX '  dcui  irpÖTepov  toTc  irpöc  dva- 
ToXäc  oIkoOciv  imi^XXci  (eiriTeXXT)  die  abschrift),  tocoutiu  Kai  irpö- 
Tcpov  bÜV€l. 

r\  Toic  ÜTTÖ  TÖv  airr6v  fxecrmßpivöv  oIkoOciv  tö  dtirXovfi 
ficTpa,  6ca  jitiv  icx\  ^eToSö  toO  t€  ä€t  qpavepoO  xal  toG  kr^epi- 
voO,  nXcfova  xpövov  imip  töv  öpiZovra  cp^perai  toic  irpdc  äpKTOv 
oiKoOctv  f\  TOIC  irpöc  ^ect]|Li^piav  K0t\  äcuj  irpötepov  itriT^XXei  toTc 
irpöc  fipKTOV  oixoCci,  TocouTui  Ka\  ücTcpov  bOvcu  öca  b'  icii 
^CTo^u  Toi)  T€  äel  äqpavoCc  kukXou  xai  toö  {cr)p€ptvoC,  nXctova 
Xpövov  imtp  TÖV  6pßovTa  cp^pcxai  toTc  Ttpdc  |üi€a]|Lißpiov  okoO- 
CIV ,  TOCOUTUI  Ka\  (icTCpov  buv€i '  Tä  bk  itiX  kr))Li€ptvoO  auTOic  fijüia 

iTTIT^XXci  T€  Kttl  bt!rV6t. 

e'  T&v  6piC6vTuiv  pi]  ÖVTUJV  örrö  töv  auTÖv  |ui€CT||üißpivöv  kcA 
oikvj  Tä  änXav^  ficrpa,  6ca  ^^v  ^ctI  jucTaSu  toO  t€  dci  cpavepoO 
KiiKXou  xd  ToO  lcT]jui€pivoO,  irXciova  xpövov  imip  töv  6pKovTa 
qp^pcTOi  Tolc  TTpöc  dpxTov  oixoCciv  f\  ToTc  irpöc  jLieoipßptav.  öca 
bk  icü  jUKTaEu  ToO  Te  dct  dqpavoCc  xai  toG  kY]jLt€ptvoO,  irXciova 
Xpövov  trckp  TÖV  bpilovra  <p^p€Tm  toic  npöc  (i€ci]Mßp(<<v  fi  toIc 
Trpdc  dpxTOV  olxoCctv. 

i'  ToTc  xmö  TÖV  ßöpciov  ttöXov  oIxoGciv  nXcCova  ixkv  xP^vov 
f[  dSd|Lir)V0v  6  f\Xioc  uirip  töv  öpiZovTa  (p^perat ,  ^EdjLiTivov  (hierta 
am  rande  bemerkt  f^TOi  ^TTiCTd  ttujc)  hi  ^dXiCTQ  önö  töv  öpiZovTCU 
xai  fijüi^pa  jnfev  aÖToTc  ^eiZujv  ^ctIv  (€Cti  die  abschrifi)  f{  d^TTa^^" 
vmia,  vvl  bk  irevTaMtiviaia  imaXicTd  ttujc. 

la'  Ok  bk  tropt^xet  i\  olxrjcic  ^tti  Td  irpöc  fxecrmßplav,  dxcivotc 
6  {^Xioc  JXdccova  xpdvov  öitip  töv  öpiZovTa  £v€xO^C€Tai  fjirep 
Tok  i&nö  TÖV  ßöpciov  iröXov  oixoGav,  xai  dXdccovoc  xpövou  a(^ 
Toic  IcTox  f|  f\}xipa. 

iß'  Ok  TÖ  KQTd  Kopuqpf|V  oifieTov  tocoCtov  napfjxei  dirö  tou 
(pavepoG  iröXou,  ficov  6  Tpomxöc  dirö  tou  ki^pivoG  bi^cTT)K€V^ 
Ik€(voic  ö  fiXioc  Kcrrd  yukv  öcpivdc  Tpoirdc  töv  cuvd^qnu  xpövov 
vuKTÖc  xod  fifx^pac  öir^p  töv  öpt2:ovTa  dvex6f)c€Tai ,  xal  f)  i^ipa 
auTok  f cToi  Tpidxovra  fijLicpojv ,  xaTd  bk  X€^pivdc  Tpoirdc  töv 
cuvojiqjÖTcpov  xpdvov  vuktöc  xoi  fm^pac  uirö  töv  öpiCovTa  ivex- 
Gl^C€Tai ,  ai  bk  Xoiira\  fm^pai  irpöc  Tdc  Xotirdc  VT3KTac  dvd  (so  ist 
wol  zu  sehreiben:  die  abschrift  hat  iravTa  und  am  rande  steht  c.  S. 
bioq)0pov,  was  emendationsversuch  zu  sein  scheint)  XÖTOV  lEoxKiv. 
T^Xoc. 

FTcpi  fm€p4&v  xai  vuktujiv.  H 
TTpooi|Liiov 

a'  TiroB^cci  XP^«i  ö  ©eoböcioc-  ö^aXiüC  xivcköai  töv  f^Xiov 
Tf|v  ivavTfov  T(j>  KÖc^iij  KiviTctv  xaTd  ToG  bid  ^^ciuv  Tfiv  Ztpbfonr 
xuxXou,  fivTiva  xuxXov  fiXiaxöv  xaXei, 

ß'  xol  xpövov  f^fi^poc  xaXci  töv  dirö  dvaToXf)c  Euic  btketoc^ 
vuxTÖc  bk  TÖV  dirö  buceujc  ?ujc  dvaToXf|c, 

Y  l£aXXaTP|v  bk  ircpiqpepeiac  qpovepoG.fi^icqpaipiou  (Ti^icqpai- 
pciou  die  abschrifi),  ÖTOv,  ToG  irpoTiTOUfi^voü  cr|M€fov  rfjc  irept^pc* 


F.  Eyssenhardt:  zu  Theodosios  TripoÜles.  246 

pdac  in\  Tfic  ivaroXfic  övroc,  tö  ^irö^evov  dvaTciXov  Kai  bteXOov 
^Xov  t6  q)av€pöv  fmicqpaipiov  iiA  iffc  buceuic  T^viitat, 

W  dSoXXaTJjv  bk  dipavouc  fi|nicq>atpiou  (imicqxxipciou  die  ab- 
sohrifi)  Tr€pi<p€p€iac  kixei^  örav,  toö  trpobebuKOTOc  cimelou  Tf)c 
dHaXXoEaaic  7T€piq>€p€{ac  tö  cpavcpdv  f||iicq>aipiov  T^vojjiifvou  irpöc 
Tf^  ^OToXtK^  6pi£ovTi,  Ka\  t6  ^TTÖfüievov  devcrr^XXq  (avoTeXri  die 
dbscbrllt),  to€t'  ^ctiv  ÖTav,  toO  irporiTOUiüi^vou  cii^ciou  Tf)c  Trepi* 
q)€p6iac  büvovTOc  koi  bieXGövTOc  öXov  tö  ätpavkc  f)|üUcq)atptov,  tö 
inij^voy  cimciov  iiA  if\c  ävaToXfic  teviiTai. 

e  K6c)iou  TrepiCTpoqiri  dcriv  xpovoc,  iv  4»  ?KacTOC  twv  dtiXa- 

VU>V    dCT^pUJV  —  dKlVrJTOUC   Tap    Ö7tOTl6€TOl  TOUTOUC  clvai  KttTOt 

Toüc  TraXaioiic  —  difö  dvaToXflc  ^irl  t^v  Öfjc  dvaToXfjv  Trapa* 
T^VTiTtti  f\  dirö  buccuK  dni  böciv  f{  dqp*  oöJmittotoöv  töttchj  ^tti  töv 

aÖTÖV  TÖIIOV. 

ITpoTdceic 

a  'AiTÖ  TpoTTUJv  0€piv(Siv  TOÖ  f|Xiou  1^op€uo^^vou  fm^pa  ^^v 
fl  irpoTifpa  Tf]c  dcT€pov  jiuxxpOT^pa  ecTi,  vug  bk  f)  irpoT^a  Tf)c 
ucTCpov  ßpaxuT^pa  ^ctiv.  dnö  b^  x^Mi^ptvuiv  TpoirAv  toG  f|Xiou 
Tropeuojüi^vou  fm^pa  ^^v  f)  npoT^pa  Tf\c  (krepöv  icn  ßpaxirrdpa, 
vuE  b^  f|  TrpoT^pa  Tfic  ucT€pov  i^cn  füiaKpoT^pa. 

p'  '€dv  iy  Tivi  fm^pqt  6  i^Xioc  Tf|V  dvaToXf^v  TronfjcriTai  koI 
T^v  böciv  Tcov  dir^xwv  if\c  Tpomici^c  cuva(pf]€,  ÖTtorcpaiouv  ^ia\t 
(jüiecou  dM  abschrifl)  fm^pac  f)  Tpoirf)  &Tai  Ttf»  f|X(ui*  diri  toO  Mecf}^- 
ßpivoO.  Kai  läv  npHfiicnTai  Tf)v  Tpoti7|v  irpöc  ti|»  Gcpivtfi  TpOTriKif», 
dv  5  öv  flM^pqi  Tf|V  Tpoirf^v  iroi/icnTai »  iK€ivTi  f|  flM^pa  lüiaKpoTdTT] 
toi  naculcv  Tuiv  £v  Ti|i  iviauTiXi  f|)üi€pu»v'  a\  bi  7rpoT6T€vrpfv«i 
ii^^pat  KOI  vuKTCC  ToO  f|X!ou  nopcuojü^vou  dnö  TpOTrc&v  x^^MCpi- 
vuiv  diil  Tpondc  ecptvdc  Ica»  &ovTai  töTc  ^no^^vatc  #wL*^paic  t€ 
Kai  vuHi,  ToO  f)Xiou  7TOp€uo|u^vou  dirö  Tpoirt&v  Oepivwv  im  Tpo- 
Hjdc  x^^iM^Pwdc,  ai  icov  dir^x^^^^^^  ^f)^  TponiKf^c  f^^pac. 

t  *6dv  6  fJXioc  ^Tfi  Tivoc  irapaXXi^Xou  dvoToX#|v  iroirjciTTai 
iv  f)M^pa  Tivl  irpö  Tpondiv  OepivuDv ,  Kai  M^rd  Tpoirdc  Oepiivdc  iy 
^XXip  fm^P9  buciy  in\  toO  outoO  tiS^v  itapoXXifiXujv  irotnaiTOt,  !cai 
icovTai  dXXrjXaic  ai  fm^pai.  koI  ai  irpd  ttjc  ^idc  avrtüiv  T€T€vr|-> 
\Uyai  vi)KT€C  T6  xal  f^^pai  toC  fjXiou  iropeuofüi^vau  dirö  Tpcmüuv 
X€i|üi€piviliv  iirl  Tpoirdc  Oepivdc ,  TaTc  |i€Td  Tfjv  ^T^pav  (a/.  ucTCpav 
am  rande  der  abschrifi)  TlVO^^vatc  vuEi  T€  Kai  fm^paic  ToC  fjXiou 
nopeuofi^vou  dirö  Tpeiruiv  8€pivuiv  dirl  Tpoirdc  x^V^cpivdc  Tcai 
IcovTai  oSl  kov  dir^xoucat  önoTepacoGv  fj^^poc. 

b'  '6dv  fv  Tivi  fuüi^dpa  ö  f^Xioc  ii\y  divaToXf|v  kcä  ttiv  buciv 
iroi^CTiTai  iif\  tcov  dir^x^v  tt^c  TpoiriKflc  cuvaq)f|c,  6iroT€paco0v 
oök  ^CTtti  fbii^ciic  (^€Cou  die  abseiinfi)  ^un^pac  f|  Tpoirfj  T(fi  f|X(ifi.  iy 
^b*  hy  irotiiCTiTat  f|H^p(ji  irpöc  Ttf»  6cpiv«£i  Tpoirixtu  Tf^v  Tpoirif|V^ 
paKpordTTi  irac4j&v  icTi  i<by  4v  tuj  ^viout«^  fj^epu^  f)  fm^pa  ^KCtvi)* 
Kol  al  iy  Tijp  f|MiKUKXii|i  fiM^pai  cv  4»  ^ttiov  u>v  Tflc  Oeptvfic  cuva- 
9fic  Tfiv  dvaroXi^v  fi  Tf|v  bikiv  diron^caro,  ]4aKp<k€pai  ^coviat 
TiXiv  T^vo^dvujv  ^]46pu»v  ToC  f)Xiou  biarropeuoii^vou  tö  ^Tcpov 


246  F.  Eyssenbanlt:  zu  Theodosios  Tripolites. 

fl^tKUKXiov,  VUKT6C  tk  ToövttVTiov  ßpaxtiTcpau  iäy  bl  rrpdc  np 
XeijuepivuF  rpotriKi^,  TävavTia  cujißiiccTai. 

e  *Aird  6€pivf)c  TpoTrfJc  toO  f|X(oü  iropeuop^vou  iäv  dvoToXfi 
T^virrai  ToO  fiXfou  tiA  toO  icrijLiepivoO,  fi  irpd  tflc  dvotroXf^c  vO£ 
iCTi  ^CTi  Tf|  Meid  tPiv  dvaroXf|v  fiM^pqi. 

g  AI  Icov  dTT^xoucai  toO  icr)^€ptvoC  kiikXou  fm^pat  tc  Kod 
VUKT6C  tcai  clciv,  Icov  b*  dn^x^iv  toO  IcrifiepivoO  X^tovrai,  örav 
aX  T€  dvaroXal  Kai  at  bOceic  icov  dir^xu^ct  toG  icnM^pivoO. 

t  '€dv  T^VTiTtti  Ti^  f|X{qj  biicic  xal  dvaroXfi  Kcrrd  btd^CTpov, 
f|  bid  f||Li(c€OC  iviauToO  vuE  TcTi  icrx  t^  fiM^P?« 

T]'  "Orav  6  f^Xioc  biairopcuiiTai  tö  dwoXaiuißavö^evov  fim- 
kukXiov  imö  toG  iauiicpivoG  irpdc  ti^  OepivtS)  rpomKi^ ,  f)  ßpax^- 
Tdiri  fjM^pa  ttJc  juaKpordiTic  vuktöc  ^cKuiV  icrt. 

6  'Attö  x^^M^pivuJV  TpOTruüV  toG  ^X(ou  btaTTopeuo^^vou  iäy 
T^vujvrai  (TiTVOVTai  die  abschrifi)  tiJ»  fiXiip  dvoToXal  Wo,  i\  \xiv 
dvuiT6pov,  f|  bk  KOTiliTcpov,  f)  Mcxd  -rfjv  dvuiTcpov  dvoToXfiv  biicic 

dvUJT^piü  &Tai  Tf\C  |i€Td  TTjV  KOTlJ&TepOV  dvaTOX#|V  btiC€U)C,  KCl  f| 

TTpö  Tf|c  dviÖTcpov  dvcToXfic  böcic  dvibrcpov  Ictax  rflc  Trpd  Tfjc 
KaiuiTcpov  dvaToXf)c  Mceiuc. 

i'  'Aird  ecpivÄv  tpondiv  toG  fiXiou  nopeuofüievou  idv  t^viuv- 
Tai  tu)  f)X(ui  t)i3c€tc  btJO,  f|  ^CTd  tPiv  (tiP|V  fehlt  in  der  abschriR)  dviii- 

TCpOV    dVttTOXfjV   bÜClC  dviWT^pUJ   ?CTai  TfJC  |i€Td  TfjV  KatiÄTcpov 

dvaToXfjv  bucetüc  xai  f|  xrpö  Tf|c  dviöiepov  dvaioXf^c  bucic  dvtü- 

TCpOV  &Tai  Tf|C  Tipd  TflC  KaTlJ&T€pOV  dVttTOXfJC  bt5C€U)C. 

la'  'AiTÖ  öcpiviflv  TpoTTUJv  f|Xiou  TTopcuojüi^vou  ddv  T^vtüvrai 
Tilfi  fjXfu)  büc€ic  biio,  f|  jufev  dviliTcpov,  f|  bfe  KaxiOrepov,  f|  mctä  t^iv 
dvidrcpov  büciv  dvaxoXfi  dviixepov  ?cxai  xfjc  jucxd  xf|v  xaxifixepov 
buciv  dvaxoXflc,  koI  f|  irpd  xf\c  dvi6x€pov  böcciwc  dvaxoXfj  dviö- 
xepov  ?cxai  xfjc  Trpö  xf|c  Kaxiuxcpov  bucciuc  dvaxoXflc. 

iß'  'Attö  9€pivu)v  xpoir&v  xoG  fjXiou  iropeuoim^vou  iäy  jüii^xc 
bucic  yii\te  dvaxoXfj  T^vrixai  xä  fiXiui  ircX  xoG  tcT]M€pivoO,  oök  ?cxai 
icTm€p(a. 

it'  'And  x^iMcpivtöv  xpoiruiv  xoG  fjXtou  iropcuo^^vou  idv  luii^xe 
dvoxoXf)  \xf\it  böcic  T^vT|xai  xiö  fjXliü  inX  xoG  IcT^epivoG,  oök  ?cxai 
lciijLi€p(a.  xAoc. 

n 

TTpoxdccic 

a'  ''Oxav  6  ffXioc  biatiopeurixai  xö  ^cxd  xdv  (xo  die  abschrift^ 
KapKlvov  x€xapxTi|üi6piov ,  vüE  xal  fijLi^pa  xd  cuva^cpdxepov  vukh 
Kai  i\liipq.  cuvofüiqpox^pu)  dvtcoc  Icxai  Kai  \itilovc  d€l  a\  Trpdxepov 
xüiv  öcxcpov. 

ß'  "Oxav  6  f^Xioc  biairopciiiixai  xd  jiexd  xdc  xn^dc  X6xapxn- 
jiöpiov,  vuE  Kai  fi^^pa  xd  cuva^qpdxepov  vukxI  koI  fjM^p?  xi^  cw- 
ajiqpox^piü  dvicöc  icxi  Kai  iXdccovec  al  irpdxcpov  xwv  öcxepov. 

-f  "Oxav  6  f^Xioc  bmiropeinTrai  xd  M€xd  xdv  airÖKepu)  x€xap- 
rrmdpiov,  fm^pa  xal  vGE  xd  cuvojLicpdxepov  fi)Li^p<)i  xal  vuxxl  cuvoji- 
^ox^pt^j  dvicdc  icn  xal  jiülovc  d€l  ai  Trpdxepat  xulv  Scxcpov. 


F.  Lyssenhardt:  zu  Theodosios  Tnpolites.  247 

b'  ''Orav  6  fjXioc  biaiTopcuiiTai  tö  mctq  töv  Kpidv  Tcxaprrijiö- 
piov ,  fiM^pa  Kat  vOE  tö  c^lva^<pÖT€pov  f)M^P9  xal  vuktI  cvvo)i(po- 
T^pifj  ävicöc  ^cri  Kai  ^Xdccouc  ai  «pörepov  vSiv  dcT€pov. 

'  e'  *H  }X€tä  6eptv&c  Tpoir&c  fiM^pa  kqI  vOS  tö  cuvo^qpÖTcpov 
Tflc  (tti  die  abschrift)  |Li€Td  Tpoirdc  X€»M€piväc  fip^pac  xal  vuktöc  cuv- 
a)üiq>OT^pou  jbieiZuJV  icü  kqI  i\  xaTä  bidjuerpov  Tfjc  Korä  bidpcTpov. 

^  'H  M€Td  0€ptvdc  TpOTidc  i\\xipa  xai  viiE  tö  cuva|Li(pÖT€pov 
T^  H€Td  xciM^P^vdc  Tpondc  vuicrt  kqI  i]\xipqi  t<|i  cuvajyi<poT^ptü  \cr\ 
icrl ,  Kai  f)  KttTd  bidpeTpov  t^  koto  bidjütcTpov. 

r  AI  kov  dTT^xoucai  toO  tcrmcpivoO  f^^pai  T€  xal  vuktcc 
flji^paic  xal  vuSv  Icai  dciv,  toO  f|Xiou  bianopcuoiüi^vou  fjToi  tö 
M€Td  töv  xapxivov  fmixuxXiov  fjToi  t^  jLi6Td  töv  alTOK^pujTa. 

Ti'  AI  !cov  dmixovcai  Tflc  Tpomxflc  cuvacpflc  ÖTroTepacoOv 
fm^pa  xal  vu£  tö  cwa^q>ÖT€pov  vuktI  xal  fija^pa  T(p  cuvajLi(poT^p(|i 
Xo]  ictiv.  •  '    ' 

6'  *€dv  }iia\c  (^€Cou  die  abschrifi)  f|jLi^poc  f\  ^icr\c  vuxtöc  6 
f^Xioc  T#|V  Tpotrfjv  7roificT|Tai  ÖTTOTCpavoOv ,  fiM^pa  xal  vüE  tö  cuv- 
o^(pÖT€pov  vuxtI  xal  fijLi^pa  Tifi  cuva^qpoT^ptfi  lcoxp6vio(  ciciv  ai 
T€VÖ|Li€vai  iv  TfSji  iv\  fijLiixuxXfijj  —  toOt'  ?CTiv  al  fijLi^pai  Täte  f^^- 
paic  xal  al  vöxtcc  vuE(  —  TaTc  Tivo^^vaic  iv  tiJi  ^T^pui  al  Icov 
äiT^XOvc<^^  Tflc  cuvaqpflc  Tflc  tv  ij  ^noi/jcaTO  Tdc  Tpond'c  f\  }iicr\c 
()Li€Cou  die  abschriA)  i]^4pac  f{  piicr\c  (|l1€Cou  die  abschrift)  vuktöc. 

t'  '€v  öXXij  (f  b€  om  rand  der  abschrift)  oöbe^iä  ir€piq>op^  iiA 

TOÖ    ^€CTl|LlßplVOÖ    &Tai  6  f^XlOC    OÖTC   KaTd  Tdc  |Ui€CT|jLlßp(aC  OÖT€ 

Kcrrd  Tdc  ju&ac  vOxrac ,  dXX  *  ÖTav  ^ev  dirö  TpOTruJv  Gcpivuiv  tto- 
p€ÖT]Tai,  iv  TI&  M€TaEu  TÖTrqi  toö  tc  irpöc  dvaToXdc  fjimiKuxXiou  toO 
öpttovTOC  xal  ToO  juccTiMßpivoö  Tdc  T€  jLiccTijuißpiac  Tcoi/jccTai  xal 
Td  jaccovuxTia. 

m'  "OTav  ö  HXiocdtTÖ  X€iM€pivalv  TpoTtuüV  in\  Tpoirdc  Gcpivdc 
iTOpcuTiTai,  ^v  Tij)  ^CTaEu  TÖTciü  ToO  im  bucjyiaic  f|fiiKUKXiou  toO 
öpiZovToc  xal  ToO  ^coiiLißpivoC  Tdc  t€  |üi€cr)Mßp(<xc  TTOirjccTat  xal  Td 
MecovuKTta. 

iß'  *edv  dvaT^XXiüv  6  f^Xioc  t?|V  0€piv#|v  Tpoirtlv  TroH^criTai, 
oifK  fcTat  ^^cii  fjM^pa  im  toC  ^€cr]^ßpivoO,  dXX'  iv  ti£)  }X€raE\y 
TÖTTijj  ToO  T€  jLiccTmßpivoö  xal  TOÖ  (toutc  die  abschrift)  dvaToXixoO 
f)|uiixuxX{ou  TTOt/)C€Tai  xat  TOU  ^comßpivou  (so  bat  die  abschrifi,  das 
letzte  wort  corrigiert  aus  ^ecovuxTia.  es  wird  zu  schreiben  sein  Tdc 
fi€ai)üißp(ac  xal  Td  juecovüxTia). 

it'  '€dv  TTpö  iiicr\c  f^^pac  6  f^Xioc  t#|v  0€pivf|v  Tp07rf|v  ito\f\- 
CTiTat,  oöx  fcTai  ixia\  (Mcca  die  abschrifi)  i\iiipa  inX  toO  |i€cr)Mßpi* 
voO,  dXX*  iy  TtD  \iejali)  töttui  toö  t€  ^ccimßpivoö  Kai  toö  (tovfc 
die  abschrifi)  dvaToXiKoö  fijJixuxXiou  Tdc  ficoiiaßpiac  TroirjceTai  xal 
Td  MCCOviixTia. 

ib'  'Edv  ^lelä  TÖ  ^^cov  Tflc  fj^^pac  6  i^Xioc  Tf|v  9€pivf|v  Tpo- 
Trf|v  iTOi^iaTrai,  oök  f CTai  fi^cov  fiji^pac  itiX  toö  jiccruLißpivoO,  dXX  * 
iv  Tqji  M€Ta£ö  TÖTTU)  TOÖ  T€  buTixoö  fj^ixuxXiou  xal  TOÖ  ^ccimßpi- 
voö  Tdc  p€ciiiLißp(ac  xal  Td  jiccovuxTia  TrotficeTai. 


248  F.  Cyssenhardl:  zu  Theodosios  Tripolites. 

i€'  '6äv  iji  ö  ^viauTÖc  iB  ÖXuiv  Tccpicpopwv  fiXiou,  toGt'  £cn 
priToO  äpi6)üi(>0  vuxdnM^P^v,  xal  al  Ka9'  SicacTOv  vSiw  äv^c  dviau* 
Td»v  fm^pai  T€  Kol  VUICT6C  Icai  fcovrai  toic  ^cfiBea  mi  tüi  itXrj6ei, 
Kai  Kora  rä  aördc  oiiüieTa  toO  T€  6pi£ovToc  kaI  toO  fiXuncoD  kvkXou 
ai  rporral  xal  od  dvaroXai  Kai  al  buccic  &ovTai ,  in  bk  Kod  kotä 

Tf|V  auTTiv  üjpov  ini  T€  TOUC  TpOtrtKOUC  TTOplkTai  ö  ^Xioc  KOl  ijA 

TÖv  Icrmcpivöv. 

\^  '€av  b^  Mf|  ^  ö  iviaurdc  Ü  öXuiv  ir€pi(popuJV  f|Xiou ,  dXXd 
iTOiri  (schreib  dXXd  nuic  iji)  ixp*  öXaic  irepicpopo^c  Kai  juöptöv  ti, 
dvicoi  &0VTai  al  fm^pat  Kai  al  vuKTec  iv  T<fi  TrpiIiTui  dviaurdi  raic 
dv  Tif»  ^TTO^^vtp  ivtauTui  Tok  fi€T^O€Ci ,  KOt  oütc  al  Tpouai  obre  al 
ävaroXai  o&re  bucetc  ccovtoi  Kara  ra  aöra  criMcia  toC  t€  6p(Zov- 
Toc  Kai  ToO  f|XiaKoO  kOkXou  ,  o&re  Karde  Tf|v  aöxfiv  t&pav  iiA  touc 
TpOTtiKOuc  Tcop^at  6  f^Xioc  Kai  ^i  töv  ia)^€ptvöv. 

it  *£äv  ÖTcoOtü^eOa  t&c  TT6piq)opdc  tou  f)Xiou  icoxpoviouc 
dXXriXaic  (aXXnXoic  die  abschrifl)  cTvat ,  Sircp  KOrd  rdc  aicBfjceic 
ipmverai,  Kai  öXoc  ö  dviaurdc  ^  Ü  öXujv  7T€pi<popujv  f)X(ou,  irävTa 
Kttxd  Td  aörd  t^voito  (Tevotvro  die  abschrifl)  dv  kcO'  ^Kacrov 
dviauTÖv,  djc  Koi  dirdviu  dp^rai.  iav  bi^i\ijib  lyvaxnoc  Ü  5Xcuv 
Tcepiqpopütiv  dXX'  diriTevtiTai  Kai  ^6pt6v  n  ircpicpopfic,  ei  |Liiv  icxx 
TÖ  iTriTivÖMCVOv  cü^^€Tpov  äXg  tQ  irepicpopdi ,  £ v  |iiv  toic  dcpc- 
Snc  It€Civ  ouk  Sv  T^voiTO  xd  aörd,  d>c  eipTirai,  b\ä  bk  nvuiv  diiöv 
dtravra  xard  rd  aizä  Tivexai. 

in'  TTdXiv  bk  Kord  M^TUJva  Kai  €ÖKTr)|yu>va  dTretbfi  cpaiveTat 
TÖV  dviawov  aÖTOic  elvai  fmepAv  tEc'  Kai  Itx  irevre  dvveaKat- 
bcKdruiv  TTcpitpopdc ,  btd  b^xa  ivyia  hm  fcrai  fiTtavTa  Kord  rd 
airrd. 

lO'  "Oti  b^,  iäv  TÖ  diriTivö^evov  jiiöptov  dcujutjüiCTpov  iji  öXij 
Trepupop^,  oöbdiTOT€  &Tai  Koxd  xd  aurd,  Toöt'  icav  oub^Trore  €lc 
TÖ  auTÖ  dTTOKaTacTaSriceTai  ö  fiXtoc.  t^Xoc. 

Von  der  schrift  ircpi  fmepüuv  Kai  vuktwv  existiert  eine  lateinische 
übersetzang  von  Auria  (Rom  1591),  die  im  ganzen  mit  dem  hier  gedruck- 
ten texte  übereinstimmt ,  jedoch  fehlt  der  letzte  (13e)  lehrsatz  des  ersten 
biiches;  der  neunte  des  zweiten  bucfaes  ist  UBFoHstAndig.  er  lautet  si 
medio  die  sol  fecerii  alteruiram  conuersionem ,  erii  medio  die  in  meri' 
diano  circulo,  zwischen  dem  lln  und  12n  desselben  buches  steht  eine 
reoapitulation  des  vorigen,  die  so  gedrucict  ist  als  gehöre  sie  zu  der 
schrift  seihst:  sie  scheint  a1}er  von  Auria  herzurühren,  der  zwölfte  lehr* 
satz  heiflzt  bei  Auria  si  sol  oriens  aesUuam  fecerit  comtersionem  ^  non 
erii  medio  die  in  meridiano  circulo :  sed  in  loco  qui  est  inter  semicir- 
cuium  orientalem  et  meridianum.  wahrscheinlich  hatte  also  Aurias 
handschrift  dieselbe  corruptel  wie  das  original  meiner  abschrifl,  und  der 
Übersetzer  liesz  die  verderbte  stelle  aus.  was  für  eine  handschrift  er 
benutzte  ist  airgends  gesagt. 

BsELiN.  Franz  Etsssithabdt. 


W.  Brambach:  anz.  v.  A.  v.  Cohausen  fiber  Cäsars  Rkembräcken.   249 

38. 

C  AS  ARS  KhEIKBRÜOKBN  PHILOLOGISCH,  MILITÄRISCH  UND  TECH- 
NISCH UNTERSUCHT  VON  AüOUST  VON  CoHAUSEN,  OBERST 
IM  KÖNIGLICH   PREÜSZISCHEN  INOENIEURCORPS.     HIT  22  IN  DEN 

TEXT  GEDRUOKTEN  HOLZSCHNITTEN.    Leipzig,  dnxck  Und  Ver- 
lag von  B.  6.  Teubner.    1867.    56  ß.   gr.  8. 

Hr.  Ton  Cohausen  war  durch  den  kaiser  der  Fraozosen  veraidasit 
worden  das  lerrais ,  auf  welühem  die  von  Cäsar  im  norden  Galliens  ge- 
fahrten  kriege  spielten,  m  untersuchen,  er  gelangte  dabei  mehrfach  zu 
«idern  resultaten,  als  im  zweiten  bände  des  Nafkoleonischen  geschichts- 
werkes  vertreten  sind,  in  der  kleinen  schrift  nun ,  welche  hier  der  prfl- 
fung  unterzogen  werden  soll,  ist  ein  teil  der  gewonnenen  ansichten  dar- 
gelegt: der  vf.  will  seine  ven  der  Napoleonischea  durchaus  verschiedene 
construction  der  Rheinbrdcke  ausführlich  begrOnden.  die  gewählte  dar* 
Stellungsform  ist  einfach  und  klar,  das  verst&ndnts  wird  durch  viele  vor- 
treffliche holzsehnitte  gefördert,  und  die  ausstattung,  in  welcher  die  ab- 
handlnng  aus  der  berflhmten  offidn  hervorgieng,  läszt  nichts  zu  wünschen 
übrig. 

Der  brückenbeschreibuttg  Ist  eine  kurze  einleitnng  voraufgeschickt, 
in  welcher  die  stellen  der  beiden  Aheinübergftnge  bestimmt  werden  sollen, 
diese  einleitung  würde  sich  wegen  ihrer  kürze  einer  eingehenden  prüfung 
entziehen,  wenn  nicht  hr.  von  Cohausen  die  beweise  für  seine  hier  aus- 
gesprochenen ansichten  später  aasffihrlich  niedergelegt  hätte  in  der  ab- 
handiung  über  ^Gäsars  feldzfige  gegen  die  germanischen  stamme  am  Rhein* 
(Jahrbücher  des  Vereins  von  ditertumsfreunden  im  Rheinlande  heft  XUil 
8.  1—56). 

Es  ist  nicht  meine  absieht  mich  in  den  streit  einzulassen,  der  über 
den  ort  der  Cäsarlaohen  Rheinübergftnge  von  den  unermüdlichen  rheini- 
schen antiquaren  mit  einer  hefligkeit  geführt  worden  ist,  die  in  keinem 
Verhältnis  zur  bedentung  der  sacthe  aleht ,  und  die  vollends  lächerlich  er- 
scheint, wenn  man  sieht  da»  aller  eifer  der  streithähne  die  lösung  der 
frage  nicht  herbeigeführt  hat.  wie  jetzt  die  sadien  stehen,  läszt  sich 
nicht  hoifen  dasz  jemals  mit  einiger  Sicherheit  die  beiden  orte  iMstimmt 
werden ,  an  welchen  Cäsar  seine  brücken  gesciüagen  hat.  schon  de^alb 
möchte  ich  hrn.  von  Cohausen  nioht  den  geringsten  Vorwurf  daraus 
machen,  dasz  es  lim  nicht  gelungen  ist  die  Untersuchung  wesentlich  zu 
fördern,  es  würde  auch  nicht  gerecht  sein  an  die  kurze  einleilung  den 
raasastab  einer  eindringenden  Untersuchung  zu  legen;  ich  unterziehe 
sie  nur  einer  betrachtung,  weil  ich  einmal  darauf  aufmerksam  machen 
möchte,  mit  welch  unzulänglichen  mittein  unsere  phiiologen  und  alter* 
iflmler  sich  an  die  schwierigsten  proldeme  der  Cäsarisohen  kriegfflhrung 
wagen,  es  lag  hrn.  von  Cohausen  gewis  fem  für  seine  einleitung,  und 
selbst  auch  für  die  abhandlung  über  Cäsars  feldzüge  am  Rhein,  die  bis- 
her veröffentlichten  Untersuchungen  einer  prüfung  zu  unterwerfen,  dasz 
er  nur  die  Untersuchungen  neuester  zeit  berücksichtigt,  darin  hat  er  für 
seinen  standpunct  recht;  sind  wir  Ihm  ja  ohnehin  dafür  zu  danke  ver<- 

Jahrbücher  fOr  dass.  philol.  1668  hft.  4.   J  17 


250  W.  Brambach:  anz.  v.  A.  v.  Cohausen  über  CSsars  Rheinbrfickeo. 

pflichtet,  dasz  er  uns  seine  militärischen  und  topographischen  forschun- 
gen  in  klarer  und  allgemein  verständlicher  weise  vorführt,  ein  anderes 
aber  ist  es,  wenn  unsere  zunftgenossen  die  memoiren  CSisars  fiber  den 
gallischen  krieg  erlSutem  oder  antiquarischen  Untersuchungen  zu  gründe 
legen ,  ohne  sich  darum  zu  kOmmem ,  was  vor  ihnen  gedacht  und  gesagt 
worden  ist.  abgesehen  von  der  unmethode  solches  treibens  musz  man 
die  traurige  erfahrung  machen ,  dasz  bei  gar  vielen  Untersuchungen  unse- 
rer rheinischen  allerlflmler  'das  neue  nicht  wahr  und  das  wahre  nicht 
neu  ist',  durch  das  bestreben  etwas  recht  lesbares  zu  schreiben  verführt 
haben  auch  die  besten  forscher  gewöhnlich  nichts  eiligeres  zu  thun  als 
in  der  fast  jedesmal  der  Wichtigkeit  des  speciellen  themas  gewidmeten 
einleitung  zu  versichern,  dasz  sie  ihre  Vorgänger  nicht  berücksichtigten. 

So  ist  es  gekommen  dasz  die  Untersuchung  der  Cäsarischen  feldzüge 
am  Rhein  eine  geschichte  hat,  die  nichts  weniger  als  innere  notwendig- 
keit  des  entwicklungsganges  aufweist,  gerade  durch  die  abhandlung  des 
hrn.  von  Cohausen  veranlaszt  habe  ich  mich  überzeugen  wollen ,  ob  denn 
in  unserem  Jahrhundert  etwas  wesentlich  neues  für  die  sachliche  erklä- 
rung  der  einschlägigen  Cäsarischen  berichte  von  den  altertumsforschem 
geleistet  worden  sei:  das  resultat  meines  nachforschens  war,  trotzdem 
mir  die  ältere  litteratur  durchaus  nicht  vollständig  zu  geböte  stand, 
ein  ziemlich  betrübendes,  wie  die  nachfolgende  auseinandersetzung  zei- 
gen wird. 

Stellt  man  die  bis  jetzt  geäuszerten  ansichten  neben  einander,  sa 
wird  man  finden  dasz  alle  möglichkeiten  Cäsars  Rheinübergänge  örüich 
zu  bestimmen  vollkommen  erschöpft  sind,  alle  wichtigeren  puncto  von 
Coblenz  abwärts  bis  Emmerich  sind  schon  in  verschlag  gebracht,  und 
mit  dem  besten  willen  könnte  ich ,  abgesehen  von  kleinlichen  modificatio- 
nen,  für  den  ersten  brückenbau  Cäsars  keine  wesentlich  neue  hypothese 
aufstellen,  ich  darf  also  auch  mit  hm.  von  Cohausen  nicht  rechten, 
wenn  seine  hypothese  nicht  neu  ist. 

Ich  weisz  nicht ,  ob  sich  früher  jemand  über  den  ersten  übergangs- 
punct  geäuszert  hat  als  der  alle  überseUer  des  Cäsar  Ph  lies  ins.  we- 
nigstens sind  ältere  meinungsäuszerungen ,  so  viel  ich  davon  weisz ,  zu 
unbestimmt,  um  hier  in  rechnung  gezogen  zu  werden.  Philesius  hat  in 
seiner  Übersetzung  das  geleistet,  was  er  auf  dem  titel  verspricht,  der 
folgendermaszen  lautet:  'Julius  der  erste  Römisch  Keiser  von  seinen» 
leben  vnd  Kriegen  erstmals  vsz  dem  latein  in  tütscli  gebracht  vnd  mit 
andrer  Ordnung  der  capittel  vnd  vil  züsetz  nüw  getruckt'  (Slraszburg 
1507/8  bei  Johann  Grüninger).  der  Übersetzer  war  seiner  sache  gewis; 
denn  bei  dem  capitel  'wie  der  Keiser  ein  brücken  vber  den  Ryn  liesz 
machen'  hat  er  eine  Illustration  beigefügt,  die  deutlich  beweisen  würde, 
dasz  Cäsar  bei  Köln  über  den  Rhein  gieng,  selbst  wenn  die  auf  dem  holz- 
schnitt  angebrachte  Stadt  nicht  die  Überschrift  'colen'  trüge,  man  sieht 
ja  ganz  genau  auf  dem  linken  ufer  des  flusses  die  grosze  gothische  kirche 
stehen;  wer  könnte  zweifeln  dasz  das  der  dom  sei?  Cäsar  ist  aber  schon 
glücklich  zu  Deuu  angelangt;  man  erblickt  im  Vordergründe  sein  zeit,  auf 
^em  für  etwa  noch  unkundige  Soldaten  das  thürschild  IVLIVS  und  oben 


W.  Brambach :  anz.  v.  A.  v.  Cohausen  über  Cäsars  Rbeiübrucken.  251 

an  der  spitze  der  k.  k.  doppeladler  angebracht  ist«  im  binlergrunde 
kauern  die  ^Swaben'. 

In  der  Ihat  hatte  man  schon  im  sechzehnten  Jahrhundert  am  Rheine 
die  ansieht,  Cäsar  müsse  bei  Köln  über  den  Rhein  gegangen  sein,  wenn 
ich  mich  recht  erinnere,  so  ist  sie  auch  von  Brdlmann  vertreten,  wel- 
cher eine  weitläufige  geschichte  des  alten  Köln  geschrieben  haL '}  sie  ist 
zwar  ungedruckt  geblieben  (vgl.  mein  corpus  inscriptionum  Rhenanarum 
s.  XX),  aber  einzelne,  in  kupfer  gestochene  tafeln  sind  in  die  Öffentlichkeit 
gekommen  und  zu  dem  sogenannten  Brölmannschen  epideigma  vereinigt 
worden,  unter  diesen  tafein  befindet  sich  eine,  welche  den  Güsariscben 
brfickenbau  und  Rheinübergang  veranschaulicht. 

Die  bestimmung  des  ortes,  an  weichem  Cäsar  zum  ersten  male  über 
den  Rhein  gegangen  ist,  hängt  ab  von  der  bestimmung  des  Schlachtfeldes, 
auf  dem  die  Usipeten  und  Tencteren  besiegt  wurden,  die  läge  des  Schlacht- 
feldes aber  wird  nur  durch  ^ine  stelle  der  Cäsarischen  kriegsberichte  an- 
nähernd bezeichnet:  der  proconsul  erzählt  nemlich,  dasz  die  Deutschen 
durch  seinen  unerwarteten  Überfall  zum  vereinigungspuncte  des  Rheines 
und  der  Maas  getrieben  worden  seien,  die  worte  lauten :  Germani .  . 
armis  ahieciis  signisque  tnüUaribus  relictis  se  ex  castris  eiecerunt^  ei 
cum  ad  conflueniem  Mosae  et  Rheni  pervenissent^  reliqua  fuga 
desperaia  magno  numero  interfecto  reliqui  se  in  flumen  praecipitave- 
runt  aique  ibi  timore^  lassiiudine^  vi  fluminis  oppressi  perieruni  (Cäsar 
b.  ^.  iV  15  s.  335 ,  20 — 25  N.}.  also  nicht  weit  oberhalb  der  Vereini- 
gung von  Maas  und  Rhein  musz  das  lager  der  Germanen  gestanden  haben, 
heutzutage  vereinigt  sich  die  Maas  mit  dem  bei  Nymwegen  ausflieszenden 
hauptarme  des  Rheines,  mit  der  Waal,  bei  Gorkum;  in  alter  zeit  hat 
jedoch  schon  ein  zusammenflusz  drei  und  eine  halbe  meile  weiter  östlich 
beim  fort  St  Andreas  stattgefunden,  wie  Napoleon  dargethan  hat  (leben 
Cäsars  11  s.  138  anm.  3  d.  d.  übers,  tafel  14].')  demgemäsz  nimt  Napoleon 
an ,  dasz  die  Deutschen  sich  in  der  ebene  von  Goch  gelagert  hätten  imd 
von  da  bis  unterhalb  Nymwegen  von  der  reiterei  verfolgt  worden  seien, 
hr.  von  Cohausen  glaubt  das  Schlachtfeld  höher  rheinaufwärts  legen  zu 
müssen ;  denn  die  in  vorliegender  schrift  (s.  6}  geäuszerte  meinung,  Cäsar 
habe  *in  der  gegend  von  Geldern'  gesiegt,  ist  durchaus  auf  wolüberlegte 
gründe  gestützt,  die  wir  aus  der  erwähnten  abhandlung  in  den  Jahr- 
büchern des  allertumsvereins  s.  44  ff.  kenneu  lernen,    der  vf.  hält  nem- 


1)  bei  dieser  gelegenheit  erlaube  ich  mir  darauf  aufmerksam  zn 
machen,  dasz  über  die  am  Niederrhein  neuerdings  wieder  vielbespro- 
chene Wasserleitung,  welche  aus  der  Eifel  nach  Köln  führte,  bemer- 
kenswerthe  nachrichten  in  Brölmanns  manuscript  niedergelegt  sind, 
wahrscheinlich  gibt  auch  Crombach,  dessen  handschrift  mit  der  Bröl- 
mannschen im  archive  der  stadt  Köln  aufbewahrt  wird,  einigen  auf- 
scblnss.  2)  Napoleon  hat  somit  die  angäbe  Cäsars  gerechtfertigt, 

dasz  sich  die  Maas  80  meilen  weit  vom  Ocean  mit  der  Waal  ver- 
einige (&.  g.  IV  10  8.  333, 1  N.).  freilich  ist  dabei  die  kritische  Schwie- 
rigkeit der  betreffenden  stelle  unberücksichtigt  geblieben ,  durch  welche 
Nipperdey  s.  75  veranlasst  wurde  eine  vollständig  yerschiedene  angäbe 
durch  conjectur  zu  erzielen. 

17* 


252  W.  Brambach:  aoz.  v.  A.  v.  Cohausen  über  Gäsars  RbeinbrOckeii. 

lieh  den  ausdnick  Cisars  ad  conflueniem  JHosue  et  Rheni  für  un» 
genau;  Cäsar  sei  offenbar  Im  irtom  gewesen,  wenn  er  an  einen  wirk- 
lichen zusammenfluss  der  betden  ströme  geglaubt  habe,  die  Deutschen 
seien  nicht  in  den  wirklichen  znsammenflnsx ,  sondern  in  einen  schein- 
baren, durch  äberschwemmung  gebildeten  getrieben  worden,  des  ▼£. 
ansidit  ist  kurz  folgendermaszen  ausgesprochen  (ja^rb.  a.  o.  s.  8):  *er 
(Cflsar)  griff  sie  an,  schlug  und  Terfolgte  sie  bis  dahin,  wo  der  Bhein  und 
die  Maas  sich  zu  vereinigen  schienen,  nemitch  bis  an  die  Cranenbuiger 
bucht,  welche  bei  früh jabrs- hoch wasser  —  und  Irühjaiir  war  es,  als 
Cäsar  dahin  kam  —  vom  Rhein  überschwemmt,  nur  durch  eine  sehr 
schmale  (1000  schritt  breite)  landenge  von  den  wassern  der  Maas  ge- 
trennt ist'  die  Granenburger  bucht  liegt  oberhalb  Nymwegen ;  und  dem- 
gemftsz  rOckt  der  vf.  auch  das  Schlachtfeld  mehr  hinauf  nach  Geldern  zu, 
'etwa  in  die  fruchtbare  gegend  von  Wissen'. 

So  sorgfUtig  die  auseinanderselzungen  des  vf.  Aber  das  terrain  zwi- 
schen Geldern  und  Nymwegen  auch  sind :  einen  durchschlagenden  gnind, 
weshalb  nun  gerade  die  Vereinigung  der  Maas  mit  dem  Rheine  nur  auf 
einem  durch  die  fiberachwemmung  der  Granenburger  tiefebene  herbeige- 
fahrten  falschen  scheine  beruhe,  hat  er  nicht  angegeben.')  an  und  für 
sich  betrachtet  ist  es  ja  recht  gut  möglich,  dasz  die  fliehenden  sieb  nach 
einem  der  in  die  Granenburger  bucht  einspringenden  Vorgebirge  wandten 
und ,  am  ende  desselben  angekommen ,  das  links  und  rechts  anschlagende 
Wasser  fQr  Maas  und  Rhein  hielten;  die  römischen  reiter,  des  landes 
unkundig ,  mochten  noch  viel  leichler  auf  den  gedanken  kommen ,  und 
Cäsar  konnte  sich  selber  auch  durch  ihren  berichl  teuschen  lassen  — 
wenn  er  nicht  den  wahren  Sachverhalt  wirklich  gekannt  hätte,  aber  er 
kannte  ihn ;  er  wüste  ja  dasz  sich  vom  Rhein  die  Waal  trenne  und  erst 
diese  mit  der  Maas  zusammenfliesze  (6.  g.  IV  10).  wenn  seine  terrain- 
kenntnisse  so  weit  reichten ,  die  trennnng  von  Waal  und  Rhein  und  die 
Vereinigung  von  Waal  und  Maas  sich  vorstellen  zu  können ,  so  muste  er 
auch  wissen,  wie  sein  marsch  sich  zu  den  beiden  flüssen  verhielt;  wenig- 
stens muste  er  sich  vergewissem,  ob  er  oberhalb  oder  unterhalb  des 
Waidausflusses  stand,  darflber  muste  er,  wenn  er  nicht  wissentlich 
leichtsinnige  märsche  machen  wollte,  sich  informieren,  und  er  hat  sich 
Aber  die  entfernungen  der  flflsse  informiert,  wie  wir  in  dem  sehnten 
capttel  des  vierten  buohes  aus  der  genauen  maszangabe  sehen,  wenn  er 
aber  wüste,  dasz  er  oberhalb  des  Waalausflusses  stand,  so  konnte  ihm 
das  misverständnis  nicht  passieren,  welches  ihm  hr.  von  Cohausen  zu- 
schreibt, ebenso  wenig  als  er  im  zehnten  capitel  sagen  konnte,  die  Maas 
verbinde  sich  unterhalb  der  Rheintrennung,  und  im  fünfzehnten  capitel, 
sie  verbinde  sich  oberhalb  derselben  mit  ihrem  nachbarstrome.  idas  ein- 
zige was  Cäsar  verbrochen  hat  ist  ein  ungenauer  ausdruck ,  deren  sich 
mehr  in  den  commentaren  finden,  als  eifrige  verehrer  derselben  zuge- 


3)  dagegen  hat  sich,  ebenfalls  auf  die  beschaffenheit  des  terrains 
gestützt,  schon  H.  Probst  wider  y.  Cohansens  ansieht  aQBge8proche& 
(in  diesen  jahrb.  1867  s.  43). 


W.  ftrambacb:  aaz«  v.  A.  v.  Gohauseii  über  CAsars  RheinbrOcken.    253 

stehen  werden.  Cisar  sagt  im  fünfzehnten  capitel  ^Rhein'  statt  ^Rbein- 
arm'  (:=:  Waal):  das  ist  die  durchaus  versündige  annähme  der  erklarer 
und  zuletst  Napoleons,  ich  glaube  dass  wir  gezwungen  sind  die  Cofaau» 
scnsche  terreinbesiimmung  aufzugeben  und  die  Vereinigung  von  Rhein 
und  Maas,  auch  im  sinne  Cüsars,  zum  allermlndesten  unterhalb  Rym« 
wegen  zu  setzen. 

Dock  ich  kehre  zur  faeuftsacbe  surdck,  zu  der  frage,  in  wie  weit 
die  bestinnnung  der  Usipetenscblaeht  mit  der  Untersuchung  des  ersten 
Rheinüberganges  zusammenfaftngt,  und  warum  sie  jene  alte  ansiebt  vom 
abergange  bei  K61n  modfficiert  hat.  eine  so  kleine  differenz  von  einigen 
meilen,  wie  sie  zwiechen  Cohausen  und  Napoleon  besteht,  kommt  dabei 
nicht  in  betracht. 

Aber  hier  läszt  sich  kaum  ein  schritt  mit  Sicherheit  vorwärts  thun, 
wenn  wir  den  verschlungenen  wegen  unserer  antiquarischen  diletlanten 
folgen  müssen,  ich  halte  es  für  die  erste  forderung  einer  gesunden 
methode,  dasz  man  bei  erforschung  der  Cflsarischen  kriegszflge  sich 
klar  macht,  was  hauptquelle  und  was  abgeleitete  quelle  für  die  in  frage 
stehenden  ereignisse  ist.  hauptquelle,  und  nach  meiner  Überzeugung 
einzig  brauchbare  quelle  für  die  militärischen  forschungen  sind  die  com« 
mentare  Cftsars;  ihnen  treten  für  die  erklflruag  nur  terrainuntersuchungen 
und  ausgrabiingen  zur  seite.  wenn  CSsars  werte  vielfach  unbestimmt 
sind)  so  darf  man  sich  dennoch  nicht  durch  eine  scheinbar  genauere 
angdbe  Dioas  (XXXIX  47 — 48)  verführen  lassen  an  eine  zweite  uaab- 
hAngige  quelle  zu  glauben,  i«  besten  falle  haben  wir  in  den  übrigen 
angaiieii  alter  schriftsteiler  über  den  gallischen  krieg  eine  richtige  Inter- 
pretation der  commentare,  in  vielen  fiillen  nur  misverstAndnis  oder  phan- 
tastische ausschmückung  und  sagenhaAe  erweiterung.  es  ist  daher  schon 
TOD  vevn  herein  an  keiBen  wirklichen  erfolg  zu  denken,  wenn  man  aus 
Gdsars  bficbern,  aus  Dion,  oder  gar  aus  dem  unvernünftigen  Florus  wie 
aus  gleichberecbUglen  quellen  schupft,  in  der  that  halte  ich  nichts  für 
80  verfehlt  im  ^leben  Cftsars'  von  Pfipoleon ,  einem  sonst  an  den  lehr* 
reichsten  nntersudiungen  durchaus  nicht  armen  buche,  als  den  über- 
grossen  respect,  den  der  höbe  Verfasser  gegen  scribenten  wie  Plutarch, 
Appian,  Dion  oder  vollends  Orosias  hegen  zu  müssen  geglaubt  hat.  und 
doch  Skid  sehen  lange  dnagende  mahnungen  gegen  die  unmethodische 
berücksichtigung  abgeleiteter  quellen  ausgesprochen  worden^),  aber  ohne 
entsprechenden  erfolg. 

Wenn  also  Florus  I  46  (=  ill  10)  anlasalich  des  zuges  gegen  die 
Teneteren  berichtet:  hie  vero  iam  Cae$ar  üUro  Mosellam  navali 
p€nte  iransffredUur  ipsumque  JRhenium,  so  ist  das  vollkommen  gleich- 
gültig, weil  wir  den  authentischen  bericht  Cftsars  (6.  g.  IV  15}  haben, 
und  nur  das  ^ine  läszt  sich  noch  mit  einer  folgerichtigen  forschung  ver- 


4)  mit  bezog  auf  Dion  sprach  sich  schon  Dederich  so  aus  (jahrb. 
des  vereine  ▼.  alt-freunden  Y— VI  s.  862.  264.  IX  s.  194)  \  den  übrigen 
plnader  schätzt  Kö^y  richtig  ab  (einleitang  zu  C.  Julius  Cäsars  comm. 
8.  98  ff.). 


254    W.  BramlMch:  anz.  v.  A.  t.  Cohausen  Ober  Cäsars  Rheinbrücken. 

^eioigeo ,  daaz  man  annimt ,  Gäsan  worte  seien  in  den  handschriften  ver- 
derbt, die  rechte  lesart  sei  zufillig  in  dem  abgeleiteten  berichte  erhalten, 
so  faszte  der  wacliere  Clurer  die  sache  auf.  er  leugnet  nicht,  dasz 
Cäsar  die  Vereinigung  von  Waal  und  Maas  mit  fug  und  recht  eine  Ver- 
einigung von  Rhein  und  Maas  hätte  nennen  können,  aber  gestützt  einer- 
seits auf  die  angäbe,  dasz  die  Deutschen  schon  bis  ins  gebiet  der  Condru- 
sen  streiften  (6.  g,  IV  6  s.  331 ,  15  N.),  anderseits  in  der  meinung,  der 
bei  dem  gebiete  der  Ubier  bewerkstelligte  transport  des  heeres  sei  vom 
Schlachtfelde  aus  ohne  weiteren  marsch  ausgeführt  worden,  sieht  er  sich 
gezwungen  den  Schauplatz  des  krieges  gegen  die  Usipeten  an  den  Mittel- 
rhein zu  verlegen,  er  ändert  demnach  an  der  oben  erwähnten  stelle 
Cäsars  Mosae  in  Mosellae^  und  hierbei  kommt  ihm  die  stelle  des  Plorus 
gut  zu  statten  (Germ.  ant.  11  14*)).  indes  ist  sein  erster  grnnd,  dasz  von 
dem  lande  der  Condrusen  bis  zur  untern  Maas  ein  gar  zu  weiter  weg  sei, 
nicht  sticiihaltig,  weil  man  die  Wohnsitze  der  Condrusen  nicht  so  genau 
zu  bestimmen  vermag,  dasz  nicht  eine  tagereise  diflTerenz  unterlaufen 
könnte.  Napoleon  verlegt  dieses  volk  ohne  weiteres  in  den  sfiden  der  mitt- 
lem Maas,  läszt  sie  aber  nördlich  bis  in  die  gegend  von  Aachen  sich  er- 
strecken (leben  Cäsars  II  s.  22  anm.  d.  üb.  tafel  2, 14).  hiergegen  ist  Cluvers 
Völkerkarte  sehr  ungenau  (tafel  2  ^Germaniae  cisrhenanae  descriptio').  der 
zweite  grund  Cluvers,  dasz  die  niederlage  der  Deutschen  dem  ubischen 
gebiete  gegenQber  erfolgt  sei,  hängt  mit  der  frage  zusammen,  wie  sorg- 
fältig Cäsar  seine  märsche  aufgezeichnet  hat,  ob  er  einen  kQrzeren,  unbe- 
deutenderen marsch  von  ^inem  oder  zwei  tagen  gar  niclit  erwähnen 
konnte,  in  der  that  sind  die  commentare  in  vielen  dingen  so  ungenau, 
dasz  man  sich  wol  hüten  musz  aus  dem  stillschweigen  des  feldherm  weit- 
greifende schldssc  zu  machen. 

Wie  dem  aber  auch  sein  mag ,  Cluvers  grOnde  erschienen  schon  zu 
seiner  zeit  vollkommen  unhaltbar,  und  wie  man  darüber  urteilte,  Uszt 
sich  aus  Oudendorps  Cäsarausgabe  (s.  185  n.  2)  sehen,  zu  bedauern 
ist  jedoch,  dasz  der  zwischen  Cluver  und  den  holländischen  altertflmlern 
geführte  streit  ohne  nutzen  für  die  gelehrten  unseres  Jahrhunderts  ge- 
blieben ist.  nachdem  Hermann  Müller  die  niederlage  der  Deutschen 
wieder  an  den  Mittelrhein  verlegt  und  sogar  einigen  anklang  gefunden 
hatte,  wurde  einige  zeit  über  die  wieder  aufgetauchte  frage  gestritten, 
als  wenn  sie  noch  vollkommen  neu  wäre,  zugleich  aber  liefligkeit  und 
zorn  dabei  in  solchem  masze  vergeudet,  dasz  selbst  die  streitlustigen 
herren  des  sechzehnten  und  siebenzehnten  Jahrhunderts  nicht  schwer- 
wuchtigere Worte  hätten  wechseln  können,  die  durchaus  nicht  erfreu- 
lichen erörterungen  nehmen  mehr  räum,  als  billig  ist,  in  den  Jahrbüchern 
des  Vereins  von  altertumsfreunden  ein  (besonders  V— VI  252;  VII  1; 
IX  191  vgl.  II  110;  IX  159). 

Zwar  hat  noch  freiherr  A.  von  Göler  an  der  Cluverschen ,  später 
von  Müller  vertretenen  ansieht  festgehalteu  und  die  schlaclit  an  den 

6)  8.  56  der  Leidener  folioausgabe  (Elzevir)  1616.  Clnver  liest  bei 
Florus  Mosellam  entsprechend  der  Überlieferung:  museUam  Bamb.  massi- 
liam  Naz.  (Jahns  ausgäbe  s.  72). 


W.  Brambach:  anz.  v.  A.  v.  Cohausen  Qber  Cäsars  RheinbrAckeu.    255 

Mittelrheia  verlegt  (CSsars  gallischer  krieg  in  den  jaliren  58  bis  53  vor 
€h.  s.  110);  hr.  K.  F.  'ein  alter  soldal'  hält  sogar  die  ^angäbe  des  Florus, 
betreffend  die  fiberbrückung  der  Mosel'  fdr  'unzweifelhaft'  (Zeitschrift  des 
Mainzer  geschichtsvereins  II  s.  244) :  nichts  desto  weniger  hat  sich  die 
alte  richtigere  ansieht,  welclie  allein  mit  methodischer  Würdigung  des 
Dion  und  Flonis  vereinbar  ist,  in  der  letzten  zeit  den  sieg  verschafft. 
Dederich,  Köchly  und  RQstow,  Napoleon,  Cohausen  halten  an 
^en  CSsarlschen  werten  fest  und  verlegen  die  sclilacht  an  den  Niederrhein. 

Gasar  sagt  nicht,  er  habe  nach  der  schlacht  einen  marsch  gemacht, 
um  an  die  stelle  zu  kommen ,  an  welcher  er  den  Rhein  zu  überbrücken 
gedachte,  also,  so  schlosz  man  zunächst,  ist  er  dort  übergesetzt,  wo  er 
gerade  war;  diese  einfachste  ansieht  äuszert  schon  der  alte  Joannes  lu- 
cundus  Veronensis:  'pontem  fecit  Caesar  primuminMenapiis  contra 
Sicambros.'  entschlosz  man  sich  jedoch  zu  der  annähme,  der  proconsul 
habe  einen  marsch  rheinaufwärls  gemacht,  ihn  aber  als  unbedeutend  nicht 
referiert,  so  halte  man  freien  Spielraum  ihn  sich  länger  oder  kürzer  zu 
denken,  rechnen  wir  die  erwähnten  hypothesen ,  welche  die  worte  des 
Florus  oder  die  conjectur  ad  conflueniem  Moseilae  ei  Rheni  zum  fun- 
-dament  haben ,  hinzu ,  so  sind  folgende  stellen  für  den  ersten  brückenbau 
vorgeschlagen  worden: 

Koblenz  bis  Neuwied:  Cluver ;  Blinola  (vgl.  Baumstarks  übers.) ;  H. 
Müller  an  mehreren  stellen,  die  in  den  jahrb.  des  alt.-vereins  (a.  o.)  kri- 
tisiert sind.  V.  Göler  a.  o.  s.  112;  vgl.  die  karte  in  der  kleinen  abhand- 
lung  'Cäsars  gall.  krieg  im  j.  51  vor  Gh.'  (Heidelberg  1860).  vermut- 
lich gehört  hierher  ein  mir  unbekannter  aufsatz  im  rhein.  archiv  für 
gesch.  u.  litleratur  4r  bd.  3s  heft,  Mainz  1811  (von  Göler  citiert). 

I^euwied  bis  Bonn:  unterhalb  Andernach  nach  der  auseinandersetzung 
von  K.  F.  in  der  Mainzer  Zeitschrift  II  s.  243. 

Bonn  oder  südlich  von  Bonn  bis  Köln:  Drumann  gesch.  Roms  III 
s.  292;  Zeuss  und  Dederich  (vgl.  jahrb.  des  alt.-vereins  IX  198);  Köchly 
und  Rüstow  s.  125;   Napoleon  II  s.  139. 

Köln:  carte  de  la  Gaule  sous  le  proconsulat  de  Jules  Gesar,  und  die  er- 
wähnten Philesius  und  Brölmann;  Probst  a.  o. 

Köln  bis  Xanten:  SteiniDger,  dessen  ansieht  von  Dederich  gewürdigt 
wird  (jahrb.  IX  s.  201). 

Xanten  bis  Nymwegen:  bei  Xanten  nach  Gohausens  ansieht;  bei 
G I  e  V  e  nach  der  meinung  von  de  la  Ravalli^re  bei  de  Pecis  Ha  guerre 
de  Jules  Cösar  dans  les  Gaules'  1 — 3  (Parma  1786)  II  s.  233.  vermut- 
lich gehören  hierher  die  Holländer,  wie  Pontanus,  dessen  geschichts- 
werk  mir  an  meinem  jetzigen  aufenthaltsorte  nicht  zugänglich  ist. 

Obgleich  ich  nicht  im  besitze  der  gesamten  Gäsarlitteratur  bin ,  so 
war  es  mir  leicht ,  auch  ohne  die  interpreten  zu  hülfe  zu  rufen,  für  jeden 
faauptort  von  Koblenz  bis  Nymwegen  unter  den  Schriftstellern,  welche 
sich  eigens  mit  militärischen  und  topographischen  Studien  befaszt  haben, 
einen  Vertreter  zu  finden,  leider  sieht  man  die  alten  ansichten  Immer 
wieder  ohne  rüoksicht  auf  die  vorhandene  lilteratur  auftauchen,  und  es 


256  W.  Brambach:  anz.  v.  A.  v.  Cohausen  über  Cäsars  RheiDbrOokeD. 

ist  dabei  schwer  an  den  fortschriit  in  unserer,  zu  sehr  in  bänden  von 
dilettanlen  ruhenden  altertumslcunde  zu  glauben. 

Zur  beslimmung  des  zweiten  Übergangs  dienen  zwei  zeagnisse  Ca* 
sars:  b.  ^.  VI  9  s.  386,  8  N.  Caesar  posiquum  ex  MenapHs  in  Tre* 
veros  venii^  duabus  de  eausis  Rhenum  iransrre  consiiiuii;  und  s.  386, 
11  paulum  supra  eum  locum^  quo  ante  exercUum  traduxerat^  faeere 
pontem  insiituit,  also  der  feldherr  setzte  über  im  gebiete  der  Tre?erer; 
doch  sind  dessen  grenzen  leider  so  unbestimmt ,  dasz  wenigstens  für  die 
nordgrenze,  auf  die  es  hier  anlLonnnt,  bei  den  neuern  forschem  dtfferen* 
zen  von  drei  bis  acht  wegslunden  bestehen.  K.  F.  (a.  o«  s.  243)  sucht 
die  nordgrenze  bei  Andernach  am  Rhein  zu  fixieren,  und  dadurch  würde 
der  übergangspunct  im  sinne  der  meisten  forscher  entschieden  sein; 
wenigstens  erkljiren  sich  für  die  gegend  von  Andernach  aufwärts  Clnver, 
HöUer,  Dederich,  Göler,  Kdchly,  Cohausen,  während  für  die  gegend  von 
Bonn  nur  wenige  stimmen ,  wie  die  Napoleons,  laut  wurden,  gewöhnlich 
begnügte  man  sich  mit  der  angäbe,  dasz  der  zweite  brfickcnbau  eine 
kleine  strecke  oberhalb  des  ersten  stallgehabt  habe,  indes  ist  paulum 
supra  ein  so  unbestimmter  auedruck,  dasz  Cohausen  die  dadurch  bezeich* 
nete  entfernung  auf  90  roilien  ausdehnen  zu  können  glaubte,  ohne  das» 
man  ihm,  in  anbetracht  ähnlicher  unbestimmter  entfernungsangaben  bei 
Cäsar,  einen  wirklich  schlagenden  gegengrund  anzuführen  vermag. 

Die  litteratur  welche  sich  um  das  17e  capitel  Im  4n  buche  der  Cäsa- 
rischen kriegsberichte  gruppiert  hat,  konnte  nicht  mit  weniger  schaden 
von  den  neueren  erklärern  vernachlässigt  werden  als  die  bisher  erwähn- 
ten Schriften,  sie  ist  nicht  nur  viel  lehrreicher  als  diese ,  sondern  auch 
ungleich  interessanter,  weil  sich  an  der  reconstruction  der  Cäsarischen 
brücke  viel  geistreichere  köpfe  versucht  haben  als  an  der  terrainbestim* 
mung  des  germanischen  feldzugs. 

Gleich  beim  Wiederaufleben  der  classischen  Studien  war  die  recon- 
struction der  Rheinbrücke  ein  beliebtes  problem ,  so  beliebt ,  dasz  schon 
im  anfange  des  sechzehnten  Jahrhunderts  Franciscus  Floridus  Sa- 
bin us  überdrusz  an  den  vielen  versuchen  bekam,  er  sagt  in  seiner  ab- 
handlung  *de  C.  lulii  Caesaris  praestantia'')  (s.  12):  ^cuius  pontis  arti- 
ficium  admirabilemque  strucluram  cum  saepe  mecum  considero,  dici  non 
polest ,  quam  eorum  derideam  insulsilalem ,  qui  nescio  quae  somniorum 
porlenta  confingentes  ad  verissimam  se  Caesariani  pontis  rationem  pri- 
mos  unosque  pervenisse  iurant.  a  quorum  ordine  nee  Veronensem 
lucundum  nee  alium  quenquam  eorum  quos  novi  excipio:  licet  aliquos 
eo  se  praecipue  nomine  venditantes  norim,  quod  soll  Caesaris  pontem 
longa  experlentia  egregie  reddere  didicerint.  facerenl  me  auctore  longe 
consullius,  si  rem  noslris  temporibus  difficillimam  pollus  omitlerent, 
quam  Gordii  nodum  soivere  tentantes  vulgi  fabula  fierent.'  dieser  resig- 
nierte mann  würde  es  schwerlich  geglaubt  haben ,  ii-enn  man  ihm  gesagt 


6)  libri  tres  ad  Radolphum  Pimn  Cardinalem  Carpensem.  die  vor- 
rede datiert  Bononiae  qnarto  Nonas  Kovembris  1538.  ich  kenne  nnr 
den  Baseler  druck. 


W.  Brambacb:  am.  v.  A.  v.  Goturasen  über  Gäsars  BheiobrOcken.   267 

bdlte ,  dasz  maa  nach  nehr  als  dreihundert  jähren  noch  immer  sich  an 
dem  schwierigen  problem  abmühen  werde,  dasz  noch  manche  sich  be- 
strebten 'vnlgi  fabula'  zu  werden. 

Auch  in  Deutschland  Mesz  man  sich  den  brfickenbau  schon  frühzeitig 
angelegen  sein,  zwar  wird  Philesius  kefasen  auspruch  daraufgemacht 
haben,  dasz  sein  'brücken'  genau  sei,  denn  er  ist  nur  klein  mitten  im 
holzschnttte  gezeichnet,  aber  schon  der  'bucbhandler'  Sigismund 
Feyrabend  bat  das  capitei  ^von  der  Brücken,  die  der  Keyser  vber  den 
Rdn  machen  liesz*  genauer  illustriert.'^ 

Das  meiste  ansehen  genosz  im  anfange  des  sechzehnten  Jahrhunderts 
die  brückenconstruction  des  Veronesers  loannes  lucundus,  die  viel- 
fach von  den  herausgebem  des  CAsar  abgedruckt  und  erläutert  wurde, 
doch  es  fehlte  auch  nicht  an  gegnem ,  die  bald  einzelne  puncto  seiner 
erürterung,  bald  die  ganze  construction  verwarfen,  so  hat  die  Änderung, 
wekbe  lucundus  vornahm  an  den  werten  haec  ulraque  insuper  bipeda- 
kbus  trabibut  immissis  .  .  binis  utrimque  fibulis  ab  exirema  parte 
disUnebaniur  in  hohem  grade  das  misfallen  unseres  vortrefDichen  Gla- 
reanus  erregt,  welcher  in  seinen  bemerkungen  zum  Cäsar  s.  71^)  ent- 
rüstet sagt:  'Gaesaris  verba  meo  quidem  iudfcio  lucundus  corrumpit,  non 
emendat.'  freilich  gesteht  er  vorher  ein,  dasz  ihm  mit  ausnähme  der 
teztesindening  die  Illustration  des  lucundus  wolgefalle. 

Das  hauptsl^liche,  was  bis  in  die  mitte  des  sechzehnten  jahrhun- 
derts  schon  über  die  Rheinbrücke  Casars  geschrieben  war,  findet  man 
ziisammengefaszt  in  der  Aldina  vom  jähre  1575  (G.  lulii  Gaesaris  com- 
mentarli  ab  Aldo  Manutio  Paulli  f.  Aldi  n.  emendati  et  scboliis  illuslrati. 
ad  illustrissimum  atqne  excellentissimum  D.  lacobum  Boncampagnum  S. 
R.  E.  Gen.  Gubern.  Venetiis  aoDLXXV).  die  zahlreichen  eingedruckten 
holzscfanitte  sind  von  guter  technik ,  wenn  sie  auch,  im  vergleich  mit  der 
grossen  vervollkomnung  der  holzschneidekunst  in  unserer  zeit,  steif 
aussehen,  die  Illustrationen  zeugen  von  dem  sehr  löblichen  eifer  die 
kriegsberichte  Gäsars  recht  anschaulich  zu  machen,  ein  streben  welches 
in  späteren  Jahrhunderten  den  erklärern  wenigstens  in  Deutschland  ziem- 
lich abhanden  gekonmien  zu  sein  scheint  und  erst  in  neuerer  zeit  wieder 
mefar  erwacht  ist. 

Dem  berühmtesten  erklärer  des  brückenbaus  im  anfange  des  sech- 
zehnten Jahrhunderts  spendet  sein  schaler  lulius  Gaesar  Scaliger 
reiclies  lob,  bedauert  aber  dasz  er  nicht  eingesehen  habe,  was  eine  fibula 
sei  (de  subtil  ex.  329  s.  1055):  Moannes  lucundus  civis  noster, 


mm 


7)  in  der  übersetsang  (Frankfurt  1565),  in  deren  vorrede  es  heiszt: 
*jetst  aber  habe  ich  die  Bücher  von  den  nammbafften  fttrtrefflicben  Krie- 

Sen,  so  der  Burchlaucbtige  Wolgeborne  Caias  Jttlins,  der  erste  römische 
ieyser,  nicht  allein  geftirt,  sondern  auch  selbs  in  LatiniBcher  sierlicher 
spräche  beschrieben ,  in  das  gut  Oberlendische  Tentsch  bringen  lassen» 
mit  eigentlichen  fürgesetaten  Figaren.'  8)  in  C.  Inlii  Gaesaris  da- 
rissimi  Rom.  imperaloris  commentarios  de  hello  Oallico  ac  civlli ,  Hen- 
rici  Glareani  Poetae  laareati  annotationee  nnnc  ab  autore  dil^enter 
76visae  et  auetae.  Fribnrgl  Brisgoiae  Stephanns  Melecbns  Grauins  ex- 
eadebat  an.  M.D.XLniI. 


258  W.  Brambach:  anz.  v.  A.  v.  Gohaasen  über  Gäsars  RheiabrQckea. 

iiobUi  gencre  prognalus ,  qui  Haximiliani  iussu  cum  Hteroüymo  Dominio 
Norico,  forlissimo  ac  sanctissimo  viro,  iater  tirocinii  rudimenta  me 
utriusque  litecalurae  primis  sacris  imbult,  vir  fuit  in  Philosophia  Peri- 
patetica  non  igaobilis,  Scolicae  sectae  summus,  Tbeologus,  in  Mathe- 
raalicis  uulU  secundus ,  in  Oplice  alque  Architectura  omaium  facile  prin- 
ceps.  neque  is  lamen  neque  Aldus  tola  cum  Academia  sua,  quid  fibula 
esset  haec,  assequi  potuere.'  noch  weit  weniger  ahnung  von  einer  fibuia 
halte  nach  ansieht  seiner  zeilgenossen  der  Mailänder  Hieronymus 
Card a aus,  der  in  seiner  schrift  Me  subtilllate'  Gäsars  RheinbrOcke- 
als  exempel  uad  flbungsslQck  des  Scharfsinnes  behandelte,  aber  auch  er 
entgieng  nicht  dem  geschicke  grimmig  kritisiert  zu  werden:  Buteo, 
dessen  betrachtungen  der  erwftlinten  Aldina  von  1575  vorgedruckt  sind, 
geht  zuerst  darauf  aus  die  absurditäten  nachzuweisen,  welche  sich  lucun- 
dus  habe  zu  schulden  kommen  lassen,  und  fertigt  dann  den  Gardanus 
kurz  ab:  Mescriptionem  istam  Gardani,  cum  satis  prae  se  feral,  quam  sit 
inepta  et  aversa  longe  prorsus  a  menteGaesaris,  nihil  aliter  discutiendam 
pulavi.  ex  bis  itaque  palam  est,  structuram  hanc  sublicii  pontis  a  Gae- 
sare  scriplam  falsis  inlerpretationibus  ad  nostra  tempora  corruptam 
latuisse.'  jedoch  auch  dieser  zuversichtliche  Buteo  hat  mit  seiner  schwer- 
fälligen conslruction  nicht  mehr  glück  gehabt  als  seine  Vorgänger. 

Julius  Scaliger  vermochte  ebenfalls  nicht  mit  seiner  erklärung 
durchzudringen,  veranlaszt  durch  die  auseinandersetzungen  des  Gardanus 
gab  er  gleichfalls  eine  samlung  von  Übungsstücken  des  Scharfsinns  her- 
aus, und  nahm  in  der  329n  Übung  gelegenheit  die  nach  seiner  ansieht 
vor  ihm  verkannte  fibula  durch  folgende  erörterung  in  ihr  recht  einzu- 
setzen (s.  1056^)):  *est  enim  fibula  corpus  durum  oblongum,  quod  in- 
greditur  in  foramen  aliquod  ad  qulppiam  cohibendum,  ne  lazelur  aut 
prolabalur:  quasi  findat  illud  quod  perforat.'  er  läszt  demnach  den 
querbalken  eines  brückenjoches  millels  eingepflöckter  zapfen  an  den 
schräg  eingesenkten  Stützbalken  haften. 

Die  im  seclizehnlen  Jahrhundert  versuchten  erklärungen  verloren 
bald  ihr  ansehen  gegenüber  der  dinen  reconstruction  des  berühmten 
archiiekten  Palladio,  welche  auch  im  siebenzehnleu  und  achlzehnten 
Jahrhundert  vor  allen  maszgebend  war.  neben  ihr  hat  sich  nur  die  übri- 
gens nicht  sehr  verschiedene  construcüon  des  Lipsius  in  einigem  an- 
sehen erhalten. 

I  quatlro  libri  dell*  archileltura  di  Andrea  Palladio  ^^)  enthalten  im 
dritten  teile  abhandlungen  über  wege  und  brücken  und  darunter  einen 
besondem  traclat  Mel  ponte  ordinale  da  Gesare  sopra  il  Rheno'  (lU-^ 
s.  12).  man  findet  dort  nur  die  werte  Gäsars  übersetzt  und  eine  kurze 
besclireibung  der  beigegebenen  groszen  und  schönen  Zeichnung,  ver- 
gleichl  man  die  conslruclion  des  Palladio  mit  den  Sltern  versuchen,  so 


nach  der  Krafftheimschen  ausgäbe:  lalii  Caesaris  Scaligeri  ezo- 
tericaram  ezerciiatioram  Über  XV  de  subtilitate  ad  Hieronjmnin  Car- 
danum.  Francofarti  (typis  Wechelianis)  M.DCI.  10)  die  vorrede  ist 
datiert  'in  Venetia  il  Primo  di  Nouembre.  Del  M.D.LXX.'  ich  kenne 
nar  die  ausgäbe  von  1616  (in  Venetia,  appresso  Bartolomeo  Carampello). 


W.  Brambach:  anz.  v.  A.  v.  Cohausen  ober  Cäsars  RheinbrQckeo.    259 

musz  man  einen  forlschrilt  anerkennen,  der  darin  besteht,  da$2  die  für 
den  bau  angewendeten  mittel  ungleich  einfacher  sind  und  die  balkeu- 
fQgung  selbst  leichter  ist.  die  vielbesprochene  fibuia  ist  ein  einfacher, 
kurzer  balken  oder  querriegel,  der  mit  zwei  scharfkantig  eingehauenen 
kehlen  in  zwei  entsprechende  kehlen  der  schräg  in  das  fluszbelt  einge* 
triebenen  Stützbalken  sich  einlegt;  die  untere,  an  der  auszenseite  des 
Joches  oder  besser  brackenbockes  angebrachte  fibuia  trägt  den  zwischen 
die  Stützbaiken  von  oben  eingesenkten  querbalken,  die  andere,  über  dem 
querbalken  an  der  Innenseite  des  bockes  eingelegte  fibuia  klemmt  sich 
zwischen  den  tragbalken  imd  dem  querbalken  ein.  der  querbalken  greift 
mit  kehlungen  in  beide  fibeln. 

Die  construction  des  Palladio  liegt  noch  wesentlich  zu  gründe  der 
abbildung  welche  Samuel  Clarke  seiner  Cäsarausgabe  (London  1712 
fol.)  beigab,  sowie  der  Illustration  in  Oudendorps  ausgäbe  (Leiden 
und  Rotterdam  1737).  kein  wunder  also,  wenn  man  in  Italien  noch  am 
ende  des  achtzehnten  Jahrhunderts  die  Illustration  des  Palladio  verehrte, 
wenigstens  sagt  de  Pecis  (Parma  1786  II  s.  236):  ^venons  ä  la  con- 
struction du  ponL  Palladio,  si  habile  lui-möme  ä  construire  des  ponts, 
a  illustre  celui  de  C^sar.  il  a  donn^  dans  une  tigure  le  m^canisme  dans 
lequel  il  l'a  cru  bäli.  je  joins  ici  cette  figure  oü  Ton  pourra  examiner 
les  parties  qui  le  composent.  j'accorde  qu'il  peut  avoir  ^t^  form4  de  la 
Sorte;  mais  le  fameux  Architecte  de  Vicence  n'a  pas  discul^  Tordre  de  la 
formalion,  ni  aucun  autre  est  entrö  dans  un  detail  aussi  important.") 

Lipsius  ist  bei  gelegenheit  seiner  auseinandersetzung  über  die 
brücken  (poliorceticon  II  dial.  V)  auf  den  brückenbau  Gäsars  zu  sprechen 
gekommen,  seine  structur  stimmt  äuszerlich  mit  der  Palladios  überein; 
nur  legt  er  die  fibeln  nicht  ein,  sondern  steckt  sie  nach  Julius  Scaligers 
definition  beide  durch  den  holm;  ferner  weicht  er  in  der  Stellung  der 
defensores  ab.  die  abbildung ,  welche  Lipsius  von  der  brücke  entworfen 
hat,  habe  ich  noch  in  der  ausgäbe  der  commentarien  *cum  nolis  varlo- 
rum'  gefunden  (G.  lulii  Gaesaris  quae  exstaut  cum  seleclis  variorum  com- 
mentarils,  Leiden  1651  von  Arn.  Hontanus  besorgt). 

Die  erklärungen ,  welche  in  den  letzten  drei  Jahrhunderten  erschie- 
nen sind ,  gruppierten  sich  ziemlich  um  zwei  besonders  hochgeschätzte 
constructionen :  lucundus  fand  seine  commentatoren ,  wie  sie  in  der 
Aldina  von  1575  vertreten  sind,  und  Palladio  hatte  seine  besondern 
anhänger.^')  in  unserm  Jahrhundert  giengen  die  erklärer  wieder  ihre 
eigenen  wege.  abgesehen  davon  dasz  die  herausgeber  der  Cäsarisclien 
commentare  ihr  scherflein  zum  Verständnis  des  brflckenbaus  redlich  bei- 
trugen, sind  auch  nicht  wenig  besondere  interpretationsversuche  ans  licht 


11)  übrigens  hat  der  Verfasser  oder  Zeichner  sich  in  der  wieder- 
gäbe von  Palladios  Illustration  sehr  geteascht.  auch  bei  Wiederholung 
der  Aldina  von  1675,  die  za  Venedig  ^apnd  loannem  Mariam  Lenum' 
1580  erschien,  sind  arge  irtfimer  untergelaufen.  12)  von  einzelnen 

bemerkungen  über  die  brücke  verdient  erwähnnng  was  Petrus  Bamus 
de  Caesaris  militia  (Graeve  thes.  X  1652)  and  Rösch  (commentar  über 
die  commentarien  des  Cäsar,  Halle  1783)  gesagt  haben. 


260    W.  Brambach :  anz.  v.  A.  v.  Cohausen  aber  Gäsars  RheinbrfickeiK 

getreten.  Brieglebs  bemerk uogen  in  Seebodes  kritischer  bibliothek 
1820  8.  1007 — 9  kenne  ich  nicht,  wol  aber  war  mir  vergönnt  das 
Ra9tatler  lyceumsprogramm  von  1830  einzusehen,  in  welchem  Feld« 
bausch  erklftrung  und  abbildung  der  brOcke  versucht  hat.  auszer  dem 
unglöck,  dasz  das  angegebene  masz  nicht  anf  die  Zeichnung  passt,  ist 
dem  Verfasser  auch  noch  manches  andere  unglflck  in  der  erklärung  be* 
gcgnet. 

TreiTender  ist  die  reconstruclion  von  Anton  Eberz,  weiche  in 
der  Zeitschrift  für  die  alterlumswissenschaft  1848  nr.  51  f.  sp.  405  ff. 
veröffentlicht  ist.  leider  hat  Eberz  sich  niclit  auf  eine  eingehende  kritik 
seiner  vorgSnger  eingelassen ,  sondern  nur  einzelne  ausstellungen  an  der 
reconstruction  Julius  Scaligers  und  an  den  erkllrungen  von  Herzog,  Held 
und  Baumstark  gelussert.  er  iSsst  ein  brQckenjoch  bestehen  aus  zwei 
durch  qucrriegcl  verbundenen  baikenpaaren,  die  in  einer  entfernung  von 
40  fusz,  in  gerader  Hnie  nach  der  strororichtnng  eingerammt  sich  neig- 
ten ,  so  dasz  die  einander  zugewendeten  balkenseiten  mit  der  linie  des 
flieszenden  wassers  einen  spitzen  winkel  bildeten  [iigna  prona).  die 
balkenpaare  selbst  denkt  er  so  construiert,  dasz  die  beiden  balken  unt6B 
weiter  aus  einander  stehen  als  oben ,  das  heiszt  ^dasz  sie  nach  art  eines 
dachgiebels  zusammenlaufen  würden,  wSren  sie  nicht  oben  in  einem 
Zwischenraum  von  zwei  fusz  mit  einander  verbunden  {fasiiffaiay  Cäsar 
gibt  den  abstand  der  zwei  zu  einem  joch  gehörigen  balkenpaare  auf 
40  fusz  an :  Eberz  ist  geneigt  diese  entfernung  anf  der  Wasserfläche  zu 
rechnen,  so  dasz  für  den  durch  die  beiden  balkenpaare  getragenen  quer- 
balken ,  welcher  der  brflckenbreite  mit  einschlusz  des  erforderlichen  vor- 
Sprungs  entspricht,  eine  länge  von  etwa  35  fusz  herauskommt 

Am  wichtigsten  ist  die  erklärung  der  fibulae ,  die  als  dielen  aufge* 
faszt  werden,  welche  die  tragbalkenpaare  mit  einander  verbinden  und 
durch  ihre  befesligung  nalärlich  auch  zugleich  auseinanderhalten:  sie 
waren  so  angebracht,  dasz  sie  ^dle  diagonalrichtung  halten  in  den  durch 
die  tragbalkenpaare,  die  querbalken  und  die  linien  des  flieszenden  was- 
sers  gebildeten  parallel trapezen'.  an  jeder  seite  des  bockes  befand  sich 
ein  flbelnpaar,  im  ganzen  also  vier  dielen,  ich  glaube  nicht  dasz  man 
zweifeln  kann  an  der  auffassung,  wonach  die  fibula  unter  ihren  manig- 
fachen  formen  auch  die  form  einer  geraden  diele  haben  kann,  die  zur  Ver- 
bindung zweier  gegenstände  dient,  wenigstens  vergleicht  Vitruv  an  einer 
stelle,  auf  die  Eberz  passend  hinweist,  mauerbalken  mit  fibulae  (de  arch, 
I  5  s.  21,  21  Rose):  tum  in  crassiiudine  perpetuue  taleae  oleagmeae 
uslilaiae  quam  creberritnae  insiruaniur^  uii  uiraeque  muri  frontes 
inter  se,  quemadmodum  fibulis^  his  ialeis  conUgatae  aeiemcm  ha- 
beant  firmitaletn,  schon  lucundus  gab  den  fibulae  die  ge&talt  eines  ge- 
raden balkens,  den  er  freilich  falsch  ansetzte;  später  sah  man  in  den 
fibeln  nur  pflöcke  oder  durch  scharfkantige  einkehlung  von  geraden  höl- 
zern geformte  spannriegel. 

Auf  die  letzte  art  von  spannriegeln ,  die  durch  kantige  einkehlung  in 
die  tragbalken  und  den  querbalken  eingreifen,  ist  freiherr  von  Göler 
zurQckgekommen  (Cäsars  gall.  krieg  s.  113  tafel  Vlll),  indem  er  also 


W.  Brambad) :  aaz,  v.  A.  v.  Gohausen  über  Cäsars  Rheiabracken.   361 

sich  wieder  der  von  Palladio  und  Lipsius  vorgeschlagenen  struclor  an- 
schliettt. 

Dagegen  hat  Napoleon  dieselbe  erkläruag  der  fibulae^  wie  sie 
Eberz  gibt,  seiner  beschreibung  und  zeichuAng  zb  grande  gelegt  (leben 
GAsars  U  s.  141  f*  tafel  15).  er  I35zt  jedoch  die  beiden  balken,  welche 
durch  mehrere  querriegel  verbunden,  als  träger  schief  in  das  fluszbett 
eingeramml  sind,  nicht  gegen  einander  geneigt,  sondern  parallel  laufen, 
darin  weicht  er  also  von  Eberz  ab,  daaz  er  die  worte  prone  ac  fasti§i»U 
beide  auf  die  Stellung  der  zwei  tragbalken paare  des  joches  bezieht,  das 
heifizt  von  den  beiden  paaren  sagt,  sie  seien  schief  geneigt  [prone)^  so 
dasz  sie  in  ihrer  nach  oben  convergierenden  richtung  giebelfönnig  zu- 
aamiaenliefen.  ferner  nimt  Napoleon  nur  einen  Strebebalken  am  untern 
tragbalkenpaare  des  bockes  an. 

Nach  ao  vielen  reconstructionsversuchen ,  von  denen  Ich  nur  die  be- 
deutenden, mir  bekannt  gewordenen  hervorgehoben  habe,  darf  man  wol 
fragen,  ob  denn  das  bisher  gewonnene  resultat  so  unbefriedigend  sei, 
dasz  neue  versuche  ohne  rücksicht  auf  die  bereits  gemachten  mit  aus- 
sieht auf  erfolg  angestellt  werden  können,  oder  ist  gar  das  resultat  so 
trostlos ,  dasz  man  gleich  jenem  alten  Sabinus  vollständig  an  einer  glaub- 
wdrdigen  erkUrung  zu  verzweifeln  hat?  jedenfalls  hätten  sich  die  archi- 
tecten  und  altertumsforscher,  welche  sich  in  neuerer  zeit  mit  GSsars 
brdckenbau  beschftftigl  haben,  manches  wort  und  wol  auch  manchen 
irtum  ersparen  können,  wenn  sie  mit  einer  scharfen  kritik  ihrer  Vor- 
gänger angefangen  und  sich  zuerst  darflber  aufgeklärt  hätten,  bis  zu  wel- 
chem puncte  der  lösung  die  frage  bereits  vorgerückt  sei ,  und  wo  zu  be- 
seitigende Schwierigkeiten  übrig  geblieben  wären,  auf  diese  weise  hätte 
dich  bald  herausgestellt,  dasz  Cäsars  angaben  teilweise  unbestimmt  sind 
und  auf  mehrere  fragen  keine  antwort  geben :  zum  beispiel  auf  die  frage, 
wie  je  ein  balkenpaar  verbunden  wurde,  ob  der  abstand  der  beiden 
h^enpaare  ^ines  joches  oben,  auf  dem  Wasserspiegel  oder  auf  dem 
boden  zu  messen  sei,  ob  ^ia  oder  zwei  Strebebalken  unterhalb  des  joches 
angebracht  wurden,  endlich  wie  weit  die  joche  selbst  von  einander  stan- 
den und  wie  viele  ihrer  waren? 

Zum  vollständigen  Verständnis  des  bröckenbaos  ist  die  beaatwortung 
dieser  fragen  unerläszlich,  das  wird  der  begeistertste  verehrer  der  Gäsa- 
rischen  darstellung  eingestehen  müssen;  und  dennoch  hat  Cäsar  es  für 
unnötig  gehalten  uns  darüber  auskunft  zu  geben,  zwar  hat  es  Eberz 
nicht  an  einer  entschuldigung  fehlen  lassen,  indem  er  glaubt  dasz  ^Cäsars 
kürze  in  der  beschreibung  blosz  daher  rühren  könne,  weil  er  den  bau 
einer  holzbrüoke  im  allgemeinen  bei  seinen  lesern  als  bekannt  voraus- 
setzte und  nur  besonders  hervorhob,  was  von  dem  gewöhnlichen  bau 
abwich',  dennoch  ist  es  nichts  als  ungenauigkeit,  wenn  Cäsar  einen  ab- 
stand convergierender  balkenpaare  angibt,  aber  zu  sagen  vergiszt^  ob 
sein  masz  oben  oder  unten  oder  in  der  mitte  genommen  sei.  es  verstand 
sich  auch  nicht  von  selbst,  nicht  einmal  für  den  kundigsten  baumeister, 
von  welcher  länge  die  verbin dungsbalken  zweier  joche  beschafit  werden 
konnten,  und  wir  würden  daher  dem  Cäsar  dankbar  sein,  wenn  er  uns 


262    W.  Brambach:  anz.  v.  A.  v.  Coliausen  über  Cflsars  Rheinbrficken. 

den  abstand  der  joche  bezeichnet  hätte,  zugleich  wflrde  es  sehr  zur  an- 
schaulichkeit  beitragen,  wenn  wir  wüsten,  wie  viel  joche  erforderlich 
waren,  das  urteil  über  GSsars  beschreibung  wird  sich  also  wol  nicht 
durch  stummes  anstaunen  des  groszen  feldherrn  gefangen  nehmen  lassen, 
sondern  etwas  herabgestimmt  werden  müssen,  ohne  darum  in  wegwerfung 
auszuarten. 

Abgesehen  von  den  unlösbaren  fragen  gibt  es  noch  manche  lösbare 
schwierig lieit;  man  kann  sagen,  dasz  durch  die  vielen  versuche  die  recon- 
struction  Immer  mehr  der  Wahrscheinlichkeit  entgegengefahrt  wurde,. 
schon  deshalb  weil  die  neueren  versuche  immer  mehr  auf  einfachheit  und 
ausführbarkeit  des  baus  hinarbeiten,  schon  von  diesem  gesichtspuucte 
aus  halte  ich  weitere  bemühungen  wie  die  Gobausensche  für  wolberech- 
tigt.  V.  Gohausen  hat  sich  aber  auch  noch  eine  andere,  sehr  dankens- 
werthe  arbeit  nicht  verdrieszen  lassen,  den  ganzen  bergang  des  baus, 
soweit  er  sich  aus  den  angegebenen  einzelbeiten  erschlieszen  ISszt,  zu 
verfolgen,  dadurch  gewinnt  seine  darstellung  an  anschaulichkeit  und 
macht  uns  den  Gäsarischen  bericht  lebendig. 

Der  vf.  stellt  an  sich  die  anforderung  keinen  satz  der  beschreibung 
unklar  zu  lassen  und  alle  angaben  derselben  zu  erfüllen ,  so  dasz  mit  den 
einfachsten  technischen  hülfsmitteln  ohne  zeitraubende  anfertigung  von 
wolschlieszendem  bolzverband,  ohne  scharf  passende  Verzapfungen ,  eine 
brücke  in  zehn  tagen  herzustellen  sei,  welche  der  Strömung  und  etwaigen 
Zerstörungsversuchen  widerstehen  und  truppen  tragen  könne,  alle  eisen- 
verbindungen  b9lt  er  für  unzulässig ,  weil  weder  die  Menapier  und  Ubier 
hinlänglich  viel  Werkzeuge  dieses  metalls  hätten  besitzen,  noch  Gäsar 
seinen  trosz  durch  grosze  Vorräte  von  eisenstangen ,  eisernen  nageln  und 
klammern  habe  vermehren  können,  ja  weil  es  überhaupt  unwahrscheinlich 
sei,  dasz  damals  selbst  in  Italien  schon  der  gebrauch  bestand,  zum  eisen 
als  Verbindungsmaterial  zu  greifen  (s.  13).  für  die  annähme,  dasz  die 
Germanen  erst  kurz  vor  der  berührung  mit  den  Römern  überhaupt  in  den 
besitz  von  eisen  gekommen  seien ,  stützt  sich  Gohausen  auf  eine  behaup- 
tung  Lindenschmits,  der  sich  durch  aufsuchen,  abgieszen  und  meister- 
haftes abbilden  antiker  waffen  und  anticaglien  höchst  verdient  gemacht 
hat.  aber  bei  der  Unsicherheit ,  die  in  der  chronologischen  bestimmung 
alter  gräber  und  walfenfunde  herscht,  ist  eine  solche  behauptung  eher 
ausgesprochen  als  bewiesen,  und  wenn  der  beweis  sich  nicht  auf  sicher 
datierbare  fundstücke  und  vollständig  gesammelte  angaben  alter  Schrift- 
steller stützt,  so  ist  er  unzulänglich,  ich  weisz  wol,  dasz  man  nament- 
lich gräber  heutzutage  frischweg  in  bestimmte  zeitperioden  setzt;  doch 
richtet  sich  diese  datierung  leider  nach  einer  gerade  zur  mode  geworde- 
nen theorie  und  hat  in  den  letzten  Jahrzehnten  gewechselt,  ohne  dasz 
positive  Zeugnisse  beigebracht  werden  konnten.")   doch  wie  dem  auch 


13)  zu  den  sichersten,  nach  meiner  ansieht  vollkommen  zuverlltsBig 
datierten  fnndstücken  gehören  diejenigen,  welche  Napoleon  am  Mont- 
Auxois  hat  ausgraben  lassen;  sie  beweisen  zum  überflasz,  dasz  im  gal- 
lischen kriege  eiserne  waffen  benutzt  wurden  (leben  Cäsara  11  s.  SOS 
anm.  1  d.  üb.),     unsicher  dagegen  sind  wieder  die  fundstucke  von  Yin- 


W.  Brambacb :  ans.  v.  A.  v.  Cohausen  ober  Cäsars  BheinbrückeD.   263 

sei ,  selbst  wenn  Germanen  nnd  Römer  zu  Cäsars  teil  kein  eisen  gehabt 
hatten ,  so  waren  metallene ,  also  wol  bronzene  waflTen  und  Werkzeuge 
doch  lange  in  Italien  heimisch ,  und  was  würde  es  für  uns  verschlagen, 
wenn  CSsar  statt  eiserner  bronzene  nSgel  angewendet  hätte?  Cohausen 
bat  sich  etwas  zu  weit  führen  lassen  durch  Lindenschmits  ansieht:  denn 
aus  dem  nichtvorhandensein  von  eisen  würde  ja  nicht  das  fehlen  der  ge- 
bräuchlichen bronzewerkzeuge  folgen,  dasz  Cäsar  seinen  trosz  nicht  be- 
schwert habe  mit  eisen-  oder  melallvorräten ,  Ist  nicht  so  plausibel  als  es 
aussieht:  denn  die  groszartigen  belagerungswerke  und  der  wenigstens 
teilweise  in  Gallien  ausgeführte  schiflsbau  erforderte  metallnägel  und 
Werkzeuge,  die  gewis  nicht  immer  aus  gröszem  depots  bezogen  werden 
konnten,  sondern  zum  teil  schon  der  einfachsten  vorsieht  halber  mitge- 
führt werden  musten.  dasz  eisenstangen  an  der  brücke  gewesen  seien, 
ist  unglaublich;  dasz  man  aber  mit  nageln,  wenn  man  sie  in  hinlänglicher 
dicke  und  zahl  zur  band  hatte,  ungleidi  schneller  arbeiten  konnte  als 
zum  beispiel  mit  holz-  oder  wiedenbändern ,  sieht  auch  ein  nlcbthand- 
werker  ein.  zudem  war  die  last,  wenn  man  das  erforderliche  handwerks- 
zeug  zusammenrechnet,  nicht  sonderlich  grosz;  jedenfalls  überstieg  sie 
nicht  den  gewöhnlichen  zimmermannsbedarf :  denn  verwendet  man  so  viel 
nägel  wie  Napoleon,  dessen  slructur  sich  durch  grosze  einfachheit  em- 
pfiehlt, so  kommen  auf  das  joch  nur  74,  wenn  ich  richtig  gezählt  habe, 
und  auf  54  joche,  die  er  nach  einer  Wahrscheinlichkeitsrechnung  annimt, 
noch  nicht  ganz  4000  nägel,  eine  so  kleine  last  dasz  sie  bei  ihrer  son- 
stigen Verwendbarkeit  doch  wol  nicht  im  train  fehlen  durfte. 

v.  Cohausen  macht  uns  neugierig,  wie  er  eine  brücke  ohne  schlüs- 
sigen holzverband,  pflöcke  und  nägel  zu  bauen  gedenkt,  er  geht  zu 
einem  so  primitiven  zustand  der  baukunsl  zurück,  wie  er  eines  Cäsa- 
rischen heeres,  welches  unter  tüchtigen  praefecii  fabrum  eine  belage- 
rung  von  Avaricum  und  Uzellodunum  unternehmen  konnte,  unwürdig  ist. 
nichts  desto  weniger  ist  der  angestellte  versuch  höchst  Interessant  und 
fordert  zu  einer  vergleichung  mit  den  oben  erwähnten  constructionen  auf. 

Aehnlich  einfache  band werksübung ,  wie  sie  v.  Cohausen  für  den 
brfickenbau  in  anspruch  nimt,  findet  er  heutzutage,  abgesehen  von  ein- 
zelnen notbehclfen  des  rheinischen  landmannes ,  noch  in  voller  geltung 
bei  der  flöszerei  auf  dem  Rfaeinslrome ,  die  er  uns  anschaulich  schildert 
(s.  15 — 21).  die  absiebt  des  vf.  ist  ^nicht  das  Vorhandensein  von  flosz- 
hölzern  am  Niederrhein  zu  beweisen ,  sondern  das  alter  der  flöszerei  und 
ihrer  technik  bis  in  die  zeit,  als  Cäsar  an  den  Rhein  kam,  zurückzuführen 
und  in  der  noch  heutiges  tages  geübten  werkweise  der  flöszer  die  hülfe 
nachzuweisen,  welche  der  grosze  Römer  dort  vorfand  und  benutzte.' 
freilich  erweist  das  einzige  positive  zeugnis ,  eine  Badener  und  eine  iden- 
tische Eltlinger  inschrift  (CIRh.  1668.  1678),  nur,  dasz  in  der  kaiserzeit, 
man  darf  sagen  im  zweiten  oder  dritten  Jahrhundert  nach  Cb.,  flöszerei 
in  Baden  betrieben  wurde;  ob  man  vor  der  römischen  ansiedlung  ausge- 


geanne,  welche  neben  bronze,  wie  es  scheint,  viele  eisengeräüie  anf- 
weisen  (a.  o.'s.  286  f.). 


264  W.  Bnmbacb:  anx.  ▼.  A.  v.  Cohaosen  Gber  CSsan  BheüilirilckeB« 

dehnte  fldnerei  trieb,  kann  maD  mit  derselbea  wahncheiDÜehkeit  wegen 
der  natfiriicbeo  einfaehbeit  des  handwerks  bebaapUn  ab  w^cn  der  zer* 
rissealieit  der  vielen  am  Rheine  lesxhaften  stimme  Temeinea.  es  ist  keine 
kfihne  oder  anch  nor  unwahrscheialicbe  annähme  v.  Cohauaens,  dasx  die 
Ubier  mit  dem  schlagen  und  binden  des  holses  ebenso  vertraot  gewesen 
seien  wie  die  heuligen  Rbeinflöszer.  dasz  Clsar  'ihre  tflehtigkeit  als 
Schiffer  und  flöszer  and  ihre  schiffe  zu  den  nötigen  hfilfeleistangen  wlh- 
rend  des  haus  seiner  brücken  nicht  abgewiesen'  sagt  er  zwar  nicht,  doch 
ist  es  wahrscheialich ,  weil  er  schiffe  oder  fldsze  sur  aufslellung  der 
brückenpflhle  nötig  hatte,  nur  das  eine  kann  man  doch  als  sicher  hin- 
stellen, dasz  er  seine  Soldaten,  welche  ja  die  arbeit  Terrichten  musten, 
so  hat  hantieren  lassen,  wie  sie  es  durch  kunstgerechte  belagernngs*  und 
Tcrscbanzungsbauten  gewohnt  waren,  dasz  er  die  ihnen  gebrünchlidien 
kunstmittel  nicht  verschm^t  hat ,  um  sie  zu  der  einfacheren  banweise 
der  barbaren  zu  zwingen,  die  Soldaten,  nicht  die  Ubier  oder  Menapier 
bauten  die  brücke,  wie  Cäsar  selbst  sagt  (VI  9  s.  386,  12  N.):  noia 
aique  insiiiuia  raUone  magno  militum  studio  paucis  diebus  opus 
effidiur.  gebrauchten  die  Germanen  noch  so  einfache  iHndeaittel,  die 
römischen  Soldaten  haileu  sie  ja  doch  erst  kennen  lernen,  för  ihre  bolzen 
oder  nägel  erst  weiden  drehen  mösseu,  und  mehr  zeit  verloren  als  an 
arbeitsmitteln  gespart  wenn  demnach  hr.  von  Cohausen  der  mdnung 
ist  *dasz  jeder  restaurationsversuch  der  brücke  an  Wahrscheinlichkeit  ge- 
winnt, wenn  auch  die  dabei  angewendete  werkweise  mit  den  alten  Werk- 
zeugen (der  Germanen)  möglich  und  zugleich  als  eine  allherg^rachte 
landesübliche  anerkannt  werden  kann',  so  ist  er  offenbar  viel  zu  weil 
gegangen,  weil  es  eine  ihorheit  des  generals  gewesen  wäre,  sein  zur 
maschinenzimmerei  wolgeschultes  beer  zu  einfachen  und,  weil  den  Solda- 
ten nicht  gelftuüg,  zeilraubenden  notbehelfen  zu  verdammen. 

Trotzdem  der  vf.  ein  möglichst  einfaches  arrangement  des  haus  vor- 
schlagen will ,  sieht  er  sich  dennoch  veranlaszt  die  von  CSsar  angegebene 
frist  auszudehnen,  gestützt  auf  die  annähernde  Zeilberechnung  Napoleons 
(leben  Cäsars  11  s.  175),  setzt  er  den  beginn  des  haus  auf  den  12n  juni 
und  nimt  an  dasz  die  *Ubier  und  Menapier,  selbst  wenn  sie  den  nötigen 
befebl  erst  am  31n  mai  erhielten,  acht  tage  zeit  hatten  die  vorhereltongen 
für  den  brückensclilag  zu  treffen',  auf  diese  vorarbeiten  und  den  eigenl- 
lichen  bau  wären  also  im  ganzen  18  tage  verwendet  worden;  und  idi 
weiss  nicht  wie  ich  damit  die  präcise  angäbe  Cäsars  reimen  soll  (s.  337, 
22  N.):  diebus  decem^  quibus  materia  coepta  erat  conportari^ 
omni  opere  effecto  exercilus  traducitur.  eine  grosse  erleichlerung  sieht 
der  vf.  In  der  bescbaffenheit  der  uferslelle,  an  welcher  die  brücke  nach 
seiner  meinong  gebaut  wurde:  bäume,  die  auf  dem  östlichen  abhänge  des 
Fürstenberges  bei  Xanten  gefällt  wurden ,  musten  vor  anlegnng  der  ufer- 
strasze  von  selbst  In  den  Rhein  rutschen  und  brauchten  also  nur  aus  dem 
Wasser  geschleppt  zu  werden,  vollkommen  einleuchtend  Ist  die  annähme, 
welche  schon  Napoleon  seiner  Zeichnung  zu  gründe  legi,  dasz  die  brücken- 
pfähle rundslämme  und  nicht  scharfkanlig  behauen  waren. 

llr.  von  Cohausen  läszl  die  einzelnen  bocke  'aus  zwei  paar,  je 


W.  Brambach:  anz.  v.  A.  v.  Cohausen  über  Cäsars  RheiobrflckeD.  265 

paarweise  parallel  mit  einander  verbundenen  beinen  und  einem  bolm 
bestehen'  (s.  25).  'die  pfähle  waren  nur  wenig  {paulum)  oder  technisch 
gesprochen  stumpf  und  einseilig  angespitzt,  so  dasz  die  spitze  etwa  im 
cylindermantel  selbst  lag,  die  gröste  face  der  anspitzung  aber  eine  breite 
dnickfUche  gegen  das  ausweichen  des  schrSgstehenden  pfahles  gab'  (s. 
27).  die  pfShle  sind  durch  mehrere  querhölzer  oder  querriegel  ver- 
bunden, und.  zwar  parallel;  *denn  andern  falls'  meint  hr.  v.  Cohausen 
*  wenn  die  pfähle  nach  unten  divergiert  bütten ,  hatten  zwei  abstände  und 
eine  länge  angegeben  werden  müssen'  (s.  28).  der  schlusz  ist  nicht 
sidier,  weil  Cäsar  auch  bei  den  nach  unten  divergierenden  pfahlpaaren 
eines  bocks  nur  ^ine  distanz  angibt  die  verbindenden  querriegel  'zwei 
bit  drei  an  der  zahl,  bestehen  aus  halbrundem  holz,  liegen  in  einem  ver- 
satz,  so  gut  er  sich  mit  der  axt  ausführen  läszt,  und  sind  durch  wieden, 
die  in  gebohrten  löchern  zu  beiden  selten  verpflöckt  sind,  befestigt' 
(s.  29).  auf  diese  weise  musten  für  jeden  querriegel  vier  pflöcke  ge- 
schnitzt und  zwei  wieden  gedreht,  das  heiszt  wol  sechsmal  so  viel  zeit 
aufgewendet  werdon,  als  wenn  die  querriegel  nach  einfacher  art  mit 
starken  bolzen  angesciilagen  wurden,  die  pfahlpaare  wurden  nicht  ein- 
gerammt, sondern  mit  Schlägeln  nur  In  den  fluszkies  eingetrieben,  wo 
sie  wegen  ihrer  halben  anspitzung  nicht  zu  tief  eindrangen  und  doch 
durch  die  breite,  nach  auszen  gerichtete  fläche  am  spitz  geschlagenen 
ende  sichern  halt  gewannen,  der  von  Cäsar  angegebene  abstand  der 
pfahlpaare  von  40  fusz  bezeichnet  die  entfemung  der  beiden  fuszenden, 
so  dasz  die  distanz  oben ,  wo  der  holm  auflag ,  weit  geringer  war ,  und 
die  brflckenbreite  das  gewöhnliche  masz  der  Römerstraszen  und  zuge- 
hörigen brücken,  etwa  von  18  fusz,  gewis  nicht  überschritt  (s.  36).  der 
holm  würde  demnach,  seine  vorsprflnge  auf  je  6  fusz  gerechnet,  minde- 
stens 30  fusz  lang  sein. 

Die  flbeln  sind  je  zwei  rundhölzer,  welche  das  tragen  des  holms 
durch  die  beiden  schiefgestellten  balkenpaare  vermitteln,  an  jedem  trag- 
balken  ist  nemlich  in  der  höhe,  in  welcher  der  holm  ruhen  soll,  eine 
3  zoll  tiefe  kerbe  eingeschlagen,  über  welcher  ein  wiedenbug  so  einge- 
pflöckt ist,  dasz  man  ein  rundholz  einstecken  kann,  welches  in  der  kerbe 
von  der  wiede  fest  getragen  wird,  ruht  nun  der  holm  auf  einem  oder 
zwei  aufgefahrenen  schiffen,  und  ist  ein  pfahlpaar  an  je  ^Inem  ende 
richtig  eingesenkt,  so  wird  es  so  tief  eingetrieben ,  bis  die  zwei  kerben 
gerade  unter  dem  holm  stehen  und  durch  die  wiedenbüge  ein  rundholz, 
die  erste  fibula,  gesteckt  werden  kann,  gleichfalls  ist  auf  der  obern  seile 
des  holms  eine  Vertiefung  für  ein  rundholz  geschlagen,  welches  durch 
wiedenbüge  eingesteckt  wird,  auf  diesem  holze,  der  zweiten  fibula, 
ruhen  die  beiden  tragbalken,  so  dasz  der  holm  nach  entfemung  der 
unterlagen,  auf  denen  er  angefahren  wurde  und  während  der  einsenkung 
der  tragbalken  ruhte,  sich  auf  die  untere,  den  tragbalken  angesteckte 
fibula  senkt  und  dadurch  diese  tragbalken  gegen  die  auf  ihm  steckende 
fibula  drückt'^)   die  sehr  schräge  Stellung  der  balkenpaare  bewirkt,  dasz 


14)  hr.  von  Cohausen  ist  selbst  in  der  läge  gewesen  eine  derartige 
Jfthrbncher  lür  cImi.  pliUol.  1868  hfU  4.  18 


2G6  W.  §nm^aAz  JKL  T.  A.  T.  CiJLMLseL  itt«r 


umBieBikflOMB,  )e  »eW  Act  «fnoL  mJ  ias  4ifert  ki^as.»jr  drjcil« 
uad  je  ^ntEt^r  ijt  iciüii^exu^^gtfrirf  ssL 

Die  ftredL^ilLa  zv.-scba  Ä»  icn.LL>&M»«  l.>ei< 
siad  wieier  Asitik  w^M^s  LefeKLLrt.  vilre»i  5r:*.^^M 
aasa^^dji  Üszl;  4<e  ly-?? »^^^  tj«  \i>v^  n  t-xi  trt  a-^f  ^J  fssx 
selzl  >  4<'J - 

Jeiea  bock  ist  e^  «trci^UIifs  a2  nlfn  «3.^  fccdrefoft,  Icic^ 
eugetnetea  ote"  gv  f«^«a  n  t>d«s  «üsixiea  ^=x^  ei»eB  qpemesel 
gesciiBtzt,  obcB  dardi  w>eJe  »^  Lisftj«  as  k:>iae  b<<es£irL  esf»- 
lömlidi  ist  die  art,  wie  t.  G>Lnsa  die  dtf^mpwts  frier  abirciscr  ^<r- 
halb  der  irwle  afibräzt.  alie  bcsiienrefl  erklirer  sebea  m  ihsea  soi- 
recht  öiiferaBBte  prüJe;  der  rL  cbui-t  jeiroh  dasz  d;e  worte  Qsars 
eise  andere  deolvii;  TeHaarea.  ci  l»Ä5it  s.  337«  17  X.:  s^AHcmt  ei  mä 
inferiorem  pariem  ftuwäms  oblique  agehcntur^  fume  pr9  Ariele 
sMedme  et  cum  omaä  opere  crjtmtMCtae  lüt  fbtmmis  e^ciperent^  ei 
aUae  item  suprm  pomtem  w^diocri  spaüo,  mt,  ti  orbantm  tnmei  Jrrr 
naves  dticiendi  operit  essent  a  barharis  missae,  kis  defensfribus  eo- 
rmm  rerum  vis  wtinueretur  neu  ponii  nocerenL  aus  Htm  ergiazt  sich 
Cohattsea  ahae  Mique  agebantur  item*  suprm  poniem  [u  40^  nsd 
iijzt  je  eioea  pfähl,  in  geno^em  aLstaode  tof  der  brocke  am  bodea 
dorcfa  duuere  bülfspQhie  befestigt,  schräg  aus  den  wasser  aoCsleigen« 
auf  dem  tordera  köpfe  des  holms  ruhen  und  durcb  wieden  aogebcuMieu 
seio.  ich  musz  gestehen  dasz  item  nicht  durch  einfaches  ageb^aUmr  er- 
kJirt  werden  kann,  sondern  notwendig  auf  oblique  agebantur  hin- 
weist auf  der  andern  seite  fehlt  jedoch  die  durchaus  nicht  selbstTer- 
stlndliche  angäbe,  dasz  auch  die  oben  balkea  mit  dem  bocke  fcriNinden 
waren  {cum  omni  opere  coniunctae).  wenn  hr.  t.  Cohaosen  mit  seiner 
ansprechenden  erilirung  das  richtige  getroffen  hat,  so  ist  ihm  offenbar 
seine  technische  erfahruog  mehr  zu  gute  gekommen  als  die  Cäsariscbe 
darsteUnng,  die  in  ihrer  übergroszen  kürze  diesmal  foUkommcn  nnzn* 
reichend  ist. 

Zum  schlusz  gibt  der  vf.  eine  berecbnuDg  der  abmessungen  und  des 
tragvermögens  der  brückenhölzer  (s.  48 — 56). 

Man  siebt  dasz  der  vf.  wirklich  ohne  allen  eisenrerband  nnd  nigd 
eine  haltbare  brücke  constmiert  hat  wenn  man  auch  mit  der  primisse 
nicht  einverstanden  sein  kann,  dasz  ein  römisches  beer  mit  den  pranitir- 
sten  milteln  noch  zu  Cäsars  zeiten  brücken  geschlagen  habe,  so  hat 
dennoch  die  vorliegende  darstellung  das  wesentliche  verdienst,  uns  zu- 
erst den  verlauf  des  brückenbaos  durch  viele  sachgemäsze,  aber  nicht  in 
allen  puncteo  gleidi  sichere  erörterungen  lebendig  vor  äugen  geführt  m 
haben. 


Verbindung  so  praktischem  gebraoch  anfertigen  so  lassen,    bot  brachte 

er  bei  einem  bock,  dessen  tragfähigkeit  er  erprobt  hat,  ISngere,  nnier 

flieh  verschränkte  bonde  an,  welche  sowol  beide  dorchstecker  (fibeln) 

'3r  verbanden,  als  auch  am  oberen  ende  die  tragbalken  unter 

't  der  obem  fibnla  verstrickten  (s.  46  f.). 


G.  Sirker:  zu  Tacitus  lusloriem  267 

Wesenllich  neu  ist  an  Cohausens  constnicüon  die  rerwendung  von 
wiedenverbindung,  das  vermeiden  jeder  schlössigen  überkflmmung  und 
Verzapfung,  die  einseukung  der  pHihle  und  die  Stellung  der  abweiser. 
dagegen  das  System  des  haus,  dessen  wesentlichstes  merkmal  in  der  ein- 
Setzung  der  fibeln  besteht,  ist  nicht  neu,  sondern  dasselbe  welches  Palla- 
dio  sehier  structur  zu  gründe  legte,  die  einkämmiing  bei  Pailadio  und 
das  anbinden  bei  Cohausen  ist  ein  ebenso  accidenteller  unterschied  wie 
das  behaaen  oder  belassen  der  baumstümme:  unser  neuester  erklSrer  der 
Cäsarischen  brilckenconstruction  tritt  also  trotz  mancher  fortschritte  im 
einzelnen  wieder  in  die  fuszstapfen  des  alten  italiSnischen  baumeisters. 

Frbiburo  im  Brbisgaü.  WiLHfiLM  Brambach. 


39. 

zu  TACITUS  mSTOMEN. 


1 37  Septem  a  Neronis  fine  menses  suni^  et  tarn  plus  rapuH  Icelus 
quam  quod  PolycUti  et  Vatinii  et  aegialn  perierunt.  für  das  überlieferte 
aegi€tNi  nehme  ich  mit  J.  F.  Gronov  das  immerhin  noch  unsichere  Tigel- 
lini  auf,  kann  mich  aber  mit  den  an  stelle  des  verdorbenen  perierunt 
gesetzten  conjecturen  nicht  befreunden,  da  sie  entweder  zu  weit  von  der 
Überlieferung  sich  entfernen,  wie  Weissenborns  eorripuerunt ^  oder  nur 
eine  gezwungene  inlerpretation  zulassen ,  wie  dies  mit  N.  Helnsius  pepe- 
rerunt  und  Ritters  perdiderunt  mir  der  fall  zu  sein  scheint,  ich  schreibe 
mit  geringer  InAerung praeierunt:  'sieben  monate  sind  erst  seit  dem 
tode  des  Nero  verflossen,  und  schon  hat  Icelus  mehr  an  sich  gerissen,  als 
worin  ihm  menschen  wie  Polyclitus  und  Vatinius  und  Tigellinus  den  weg 
gezeigt  haben.' 

I  36  rapta  statim  arma^  sine  more  et  ordine  militiae^  ut  praeto- 
rianus  aut  legionarius  insignibus  suis  distingueretur,  der  sinn  ist 
offenbar,  dasz  der  prfttorianer  und  der  legionür  nicht  oder  doch  kaum 
unterschieden  werden  konnte ;  indessen  scheint  es  mir  unwahrscheinlich, 
dasz  die  in  sine  liegende  negation,  wie  man  bei  der  überlieferten  lesart 
annehmen  mflste,  noch  im  folgenden  satze  ihre  kraft  ausüben  sollte, 
dem  sinne  Im  ganzes  entsprechend  hat  Ritter  ui  non  praeioritmus  usw. 
geschrieben;  doch  glaube  ich  dasz  die  volle  negttion  zu  viel  sagt  und 
Tacitus  vielmehr  ausdrücken  wollte,  dasz  die  beiden  truppengattungen 
k«tm  zu  »nteracheiden  gewesen  wären,  diesen  sino  erhalte  ich  durch 
die  emendation  ui  praetorianus  aut  legionarius  insignibus  vix  disiin- 
gueretur,  das  erste  s  des  überlieferten  suis  ist  dittographie  des  vorher- 
gehenden s  und  das  letzte  s  anstatt  x  ein  in  den  beiden  Mediceischen  hss, 
des  Tacitus  sehr  hftuGger  fehler:  vgl.  Heraus  studia  critica  I  s.  130. 

I  68  Raeiorum  iuvenius  sueta  armis  et  more  militiae  exercita. 
ich  vermisse  mit  Helnsius  und  Ritter  den  begriff  von  Romanae  bei  mili- 
tiae, glaube  aber  einfacher,  als  es  durch  einfügung  von  Romanae  vor 
more  (Helnsius)  oder  nach  demselben  (Ritter)  geschieht,  den  richtigen 

18* 


268  W.  Tenffd :  zu  Plautas  miles  gloriosus  1042. 

sinn  henustelleD,  indem  ich  more  nosirae  mSitiae  schreibe,  wie  leicht 
nrf  nach  mcre  ausfallen  konnte,  ist  klar. 

U  16  timul  ignara  el  altem  melus  soda  imperiiorum  turba  m 
verba  VUettn  iuravere,  anslosz  erregt  der  zweimalige  ausdmck  des  be- 
grifTs  'onkundig'  in  ignara  und  hnperitorum;  sollte  dahernicht  ignava 
zu  schreiben  sein?  dem  entspricht  auch  das  gleich  folgende  laborem  m- 
solitum  peroMi, 

II  36  dem  Flavium  Sabinum  consulem  designaium  Otho  rectorem 
copiis  misit,  quüms  Macer  praefuerat^  laeto  müite  ei  ad  mutatümem 
ducum ,  ei  ducibus  ob  erebras  sediiiones  iam  infesiam  mäiiiam  atper- 
naniibus.  so  der  Nediceus.  ei  nach  tnüiie  wird  ?on  den  ligg.  entweder 
ausgelassen  oder  nacli  Döderleins  Vorschlag  laeio  ei  miUie  gesetzt  es 
scheint  mir  bedenklich  durch  conjectur  eine  so  ungewöhnliche  Wort- 
stellung in  den  schriflsleller  zu  bringen;  ich  schreibe  daher,  indem  Ich 
den  ausfall  eines  wertes  nach  ei  annehme,  laeto  milite  ei  miiigato. 
wir  erhalten  dadurch  den  nach  dem  zusammenhange  so  passenden  be- 
griff, dasz  der  soldat  bei  der  Indernng  des  Oberbefehls  froh  war  und 
seinen  vorher  gefaszten  zorn  aufgab. 

DI  53  neque  offieere  gloriae  eorum  qui  Asiam  inierim  composue- 
rini,  Asien  war  gar  nicht  im  aufstände  gewesen;  also  kann  auch  von 
einem  componere  Asiam  nicht  die  rede  sein,  dies  scheint  auch  der  grand 
gewesen  zu  sein,  weshalb  Ritter  o/ta  statt  Asiam  schreibt;  allein  alia  ist 
unpassend  wegen  des  folgenden  Ulis  Moesiae  paeem  .  .  cordi  fuisse: 
denn  unter  alia  müsten  auch  andere  Under  als  Ndsien  verstanden  werden, 
ch  verbessere  Asiam  in  Daciam.  die  richligkeil  dieser  conjectur  be- 
weist aufs  schlagendste  c.  46,  worin  erzählt  wird,  dasz  gerade  Mucia- 
nus,  der  ja  an  unserer  stelle  gemeint  ist,  Dacien  wieder  zur  ruhe  ge- 
bracht habe. 

Andbrnach.  Carl  Sirksr. 


40. 

ZU  PLAUTUS  MILES  GLOKIOSUS  1042. 


Die  handschriflen  bieten  den  anapftstischen  septenar  hommem  iam 
pulchrum  ei  praeclara  viriute  ei  forma  factis.  hier  ist  nichts  zu  tliun 
als  praeclara  aufzulösen  in  praeclarum  o,  und  statt  viriuie  ei  zu  schrei- 
ben virtutei  (s.  Bücheier  grundrisz  der  lat.  dedination  s.  50),  so  dasz  der 
vers  lautet: 

hominem  tarn  pulcrum  ei  praeclarum  a  viriüti,  forma  ^  fdeiis. 
Plautinische  belege  fQr  diesen  gebrauch  der  präp.  a  gibt  Raropmann  de 
AB  praep.  usu  Plautino  (Breslau  1842)  s.  4. 

TtjBiNQEN.  Wilhelm  Teuffel. 


j 


F.  Paliie:  zur  erkläruiig  des  erslen  budies  der  lloraziscben  cpisteln.  269 

(280 

ZUR  ERKLÄRUNG  DES  ERSTEN  BUCHES  DER 
HORAZISCHEN  EPISTELN. 

(schlasz  Yon  s.  186 — 206.) 


9.  So  gewaodl  sicli  auch  Döderlein  zu  v.  11  der  erklärung  der 
Worte  froniis  ad  urbanae  descendi  praemia  durch  descendi  in  arenam 
ad  reportandum  in  certamine  impudenUae  praemium  angenommen  hat, 
so  werden  doch  gewis  noch  manche  leser  des  Hör.  auszer  mir  diese 
Interpretation  verwerfen,  gegen  Döderlein  mache  ich  vor  allem  geltend 
dasz ,  wenn  Hör.  hier  notwendig  die  stärkste  byperbel  wählen  muste,  um 
die  entschuldigung  als  scherz  erscheinen  zu  lassen,  sich  schwer  begreifen 
läszl,  warum  dann  für  die  impudeniia^  statt  sie  mit  dem  stärksten  aus- 
druck  oder  doch  mit  ihrem  wahren  namen  zu  bezeichnen,  den  möglichst 
gelinden  ausdruck ,  ja  euphemismus  frons  urbana  gewählt  haben  sollte, 
es  haben  aber,  so  viel  ich  sehen  kann,  die  Interpreten  viel  zu  wenig  auf 
den  parallelismus  geachtet,  der  zwischen  diesen  worten  und  den  unmit- 
telbar vorhergehenden  {maioris  fugiens  opprobria  culpae)  besteht,  da 
die  Selbstsucht  (nach  v.  9)  als  maior  culpa  bezeichnet  wird,  so  ist  da- 
mit die  frons  urbana  auch  jedenralls  als  culpa^  wenn  auch  culpa  minor^ 
bezeichnet,  und  es  ist  demgemäsz  unmöglich,  die  den  opprobria  parallel 
stehenden  praemia  als  bclohnungen  im  guten  sinne  des  Wortes  zu  fassen, 
jene  opprobria  nun  will  Hör.  fliehen  (fugere) ;  wenn  er  also  ad  culpae 
minoris  praemia  descendit^  so  kann  dies  nur  bedeuten  dasz  er  den  lohn 
der  kleineren  schuld  auf  sich  nimt.  der  dichter  sagt  also :  'um  wenigstens 
dem  Vorwurf  eines  gröszern  vergebens  zu  entgehen,  will  ich  den  lohn 
der  Zudringlichkeit  tragen'  d.  h.  er  wählt  von  zwei  flbeln  das  kleinere. 

10.  Die  frage,  ob  v.  5  die  stärkere  interpunction  vor  oder  nach  vetuli 
noiique  columbi  zu  setzen  sei,  scheint  allerdings  mehr  nur  eine  rhetori- 
sche bedeutung  zu  haben  als  den  sinn  der  ganzen  stelle  zu  beeinflussen, 
da  Hör.,  mag  er  columbi  schon  mit  adnuimus  verbunden  haben  oder  nicht, 
jedenfalls  erst  durch  dieses  bild  wieder  auf  das  zweite  gleichnis  {tu  nidum 
servas  usw.)  gekommen  ist.  doch  möchte  es  sich  auch  aus  sachlichen 
gründen  empfehlen,  das  punctum  erst  an  den  schlusz  des  verses  zu 
setzen:  denn  paene  gemelli  adnuimus  pariter  ist  nur  dann  schön  ge- 
sagt ,  wenn  adnuere  mehr  im  abstracten  sinne  (==  einmütig  sein)  gefaszt 
wird  und  die  concrcte,  sinnliche  bedeulung  (=  zunicken)  aufgibt;  dann 
aber  begreift  man  schwer,  wie  der  dichter  mit  einem  male  auf  das  biUi 
-von  den  tauben  gekommen  sein  sollte,  mir  scheint  das  bild  paene  ge- 
melli schon  in  v«  4  durchgeführt ;  am  natürlichsten  ist  es  also  mit  adnui- 
mus ein  neues  bild  anzunehmen,  wozu  dann  allerdings  vetuli  noiique 
columbi  aufs  engste  gehört;  v.  6  ist  dann  fast  adversativ  zu  v.  5  zu 
denken ,  da  in  ihm  dasselbe  bild  von  den  tauben  nun  dazu  dient  die  Ver- 
schiedenheit der  ansichten  darzustellen,  ich  interpungiere  also:  urbis 
amatores  .  .  ruris  amatores:  hac  .  .  dissimiles^  at  cetera  paene  gemelli 


27<*  F.  ?^Uti  ZOT  erkiänu^  4o  enica  kic&es  <ler  Ooranschai  cpisicb. 


frtäerms  «mmit  quüiquid  tugal  alter,  et  alter  jtegci^ :  mdnwimMS  ptai- 
ter  veimH  notique  coiumthi.    jU    tu  nidum  usw. 

Wenn  ia  v.  8  Di^iiein  rfk  worte  qiäd  qumeris?  öbenetzt  diirdi 
'fragil  da  wamiD  ?%  so  U«zl  Aoch  seine  iattfpoBcUao  za  beida  seitea 
es  zweifeliiaft  erscheinea,  ob  er  skh  deo  logischen  nisawimrnhaag  poz 
klar  gcmacfat  hat  ich  fasse  quaeris  ab  einen  an  stelle  eines  conJicional- 
saCies  (für  $i  quaeris  stehenden  directen  ond  quid  =  cmr  ab  einen 
?0B  quaeris  abbingigen  mdireeten  fragsalz,  volbtändig  wnrde  der  satz 
hetszca;  si  quaeris  cur  rus  laudem,  and  statt  scito  «e  titere  nsw. 
fihrt  Hör.  bracbylogisch  fort  mit  rr'ro  osw.,  äliDÜch  wie  ep,  I  1,  13  L 
II  1 9  208  und  sonst;  zu  iolerpongieren  Ut  also:  qväd^  quaeris:  rrro 
usw.  fdena  die  an  stelle  der  condiaonabätze  stehenden  directen  frage- 
sälie  mit  einem  firagezeichen  za  rerseben  bt  anpraklisch,  und  auch  Im 
deotschea  geKhJeht  es  ja  nicht',  mit  dieser  auslegung  der  worte  quid^ 
quaeris  aber  gewinnen  wir  einen  neaen  passenden  gedankea:  Hör.  will 
Im  folgenden  seine  Vorliebe  für  das  land leben  motivieren. 

Das  motiv  selbst  ist  zunächst  ein  ganz  einfaches:  vivo  et  regno  d.  L 
^dort  geniesze  ich  erst  Ais  leben  and  fühle  mich  wie  ein  könig.'  aber 
for  Fuscus  und  jeden  leser  bt  dies  natürlicli  zuvörderst  nicht  viel  mehr 
als  eine  tautologie  der  laus  ruris;  denn  gerade  dasz  Hör.  sich  zam  land- 
leben  hingezogen  fühlt,  das  sehen  die  mebten  an  ab  wenn  einer  schwarx- 
brot  lieber  bzt  ab  kuchen  (t.  9—11).  es  beginnt  abo  die  eigentliche 
motineniDg  erst  mit  t.  12,  und  der  gnind  den  der  dichter  bb  t.  21  an- 
gibt bt  kurz  der,  dasz  das  land  am  besten  die  natürlichen  bedurfnisse 
des  menschen  befriedige,  wie  dies  sogar  wenigstens  insiinctiv  die  stidter 
selbst  fahlen  (v.  22 — 25).  und  nun  kommt  die  kehrseite:  woher  diese 
mala  fastidia  der  stadter?  'das  kommt  daher*  ßhrt  unsere  epbtel  fort 
'dasz  die  menschen  sich  blenden  lassen  namentlich  in  bezug  auf  die 
äuszeren  sog.  glücksgüter*  (t.  26 — 32  invitus),  mit  fuge  magna  (v.  32} 
aber  beginnt  meines  erachtens  der  zweite  grund  für  die  mala  fastidia 
der  Städter,  die  ungenügsamkeit,  und  für  mich  geben  v.  40.  41  direct 
auf  V.  32.  33  zurück,  denn  zunächst  ist  für  das  verständnb  von  t.  40. 
41  wegen  des  sie  das  vorhergehende  gleichnis  v.  34 — 38  notwendiger- 
weise auls  strengste  im  äuge  zu  behalten,  das  rosz  war  imzufrieden  mit 
dem  wenigen  was  der  hirsch  ihm  liesz;  um  mehr  zu  bekommen,  nahm 
es  den  menschen  zu  hülfe,  konnte  aber  nun  den  herrn  nicht  wieder  los 
werden:  'ebenso  wird  d^r  mann  ewig  knecht  bleiben,  der  einmal,  um 
seine  ungenügsamkeit  zu  stillen ,  seine  freiheit  an  einen  gönner  oder  dgl. 
verkauft  hat'  —  das  ist  der  gedanke  den  man  notwendig  erwartet,  wenn 
blid  und  gegenbild  sich  decken  sollen,  natürlich  ist  bei  dieser  auffassung 
das  dominum  vehit  selbst  wieder  nur  bildlich  zu  verstehen,  und  die 
ganze  stelle  möchte  idi  ihrem  sinn  und  Zusammenhang  nach  so*  wieder- 
geben :  'wer  besseren  wollebens  wegen  seine  freiheit  einem  patron  {rex 
V.  33)  gegenüber  aufgibt,  der  nimt,  ähnlich  wie  das  pferd  in  der  fabel, 
einen  herrn  auf  sich,  und  die  folge  wird  sein  dasz  er  diesen  nie  los 
wird.'  wenn  dagegen  manche  ausleger  hier  schon  daran  denken  wollen, 
dasz  der  habsüchtige  und  geizig^  gleichsam  sklav  seines  geldes  ist,  so 


F.  Pahle:  zur  erklärung  des  ersten  buches  der  Horazischen  episteln.  271 

übersehen  sie  dasz  dieser  gedanke  erst  v.  47  angedeutet  wird  und  es  un- 
möglich ist  die  dazwisclien  liegenden  verse  (42 — 46)  in  logische  Verbin- 
dung mit  dem  vorhergehenden  und  dem  folgenden  zu  bringen,  ohne  dem 
llor.  eine  tautologie  mit  v.  47  unterzuschieben.  —  Ihren  abschlusz  nun 
findet  diese  diatribe  gegen  die  ungenügsamkeit  in  bezug  auf  wolleben 
mit  V.  42  f.  dasz  hier  bild  und  gegenbild  in  einander  verwoben  sind,  ist 
von  allen  erklSrern  anerkannt;  aber  wShrend  das  bild  offenbar  lautet: 
^ein  schuh  bringt  zu  falle,  wenn  er  zu  grosz  ist;  er  drückt,  wenn  er  zu 
klein  ist',  welches  ist  das  gegenbild?  ich  meine,  wir  haben  hier  im  bilde 
wieder  die  bei  Hör.  so  beliebte  coonlination  statt  der  Subordination :  in 
rücksicht  auf  das  gegenbild  hätte  es  streng  logisch  heiszen  sollen:  Vie 
ein  schuh  drückt ,  wenn  er  zu  klein  ist ,  so  bringt  er  (dagegen)  zu  falle, 
wenn  er  zu  grosz  ist'  oder  noch  deutlicher:  ^ein  zu  enger  schuh  ist  frei- 
lich unangenehm,  denn  er  drückt;  aber  noch  fataler  ist  der  zu  grosze 
schuh,  denn  er  bringt  zu  falle.'  der  sache  nach  eifert  Hör.  nun  ja  gerade 
gegen  den  ungenügsamen  in  bezug  auf  das  wolleben;  ein  solcher  ist  der 
cui  non  conveniet  sua  res  und  im  bilde  hat  er  einen  caiceum  minorem : 
ev  sehnt  sich  nach  besserem,  nach  einem  gröszeren  schuh  —  und  sieh 
da,  nun  ist  der  schuh  mit  einem  male  zu  grosz  und  bringt  ihn  zu  falle, 
d^  h.  das  wolleben  bringt  ihm  noch  schwerere  unzutrflgUchkeiten  (nem- 
Hch  die  oben  erwähnte  servilus).  kurz  könnte  man  die  stelle  so  fiber- 
setzen: *wen  seine  läge  zu  ärmlich  dünkt,  den  wird  der  gröszere  schuh 
leicht  gar  umfallen  lassen ,  während  ihn  der  zu  enge  nur  drückte.' 

Die  Warnung  vor  geiz  und  habsucht  nun  aber  wird  jeder,  der  da 
weisz  wie  gern  Hör.  gerade  gegen  diese  fehler  eifert,  hier  in  diesem  Zu- 
sammenhang am  allerwenigsten  gern  vermissen  wollen,  da  ja  diese  lasier 
nur  eine  andere  erscheinung  derselben  ungenügsamkeit  sind ,  die  so  eben 
getadelt  wurde,  und  diese  Warnung  finde  ich  in  v.  44 — 46  enthalten, 
so  freilich  dasz  der  dichter  v.  45  in  seiner  freien  Urbanität  die  personen 
umkehrt  und,  statt  den  Fuscus  zu  warnen,  diesen  bittet  dasz  er  ihn 
selbst  warnen  möge,  wenn  er  solche  fehler  an  ihm  bemerke,  während 
also  V.  42  der  begrifl*  von  res  seine  erklärung  im  vorhergehenden  fand 
(=:  lebensweise,  in  bezug  auf  genüsse),  so  findet  sors  (v.  45)  seine  er- 
klärung im  folgenden :  es  ist  der  besitz  an  geld  und  gut.  soll  aber  das 
ganze  eine  ermahnung  und  Warnung  sein ,  so  sind  natürlich  die  futura 
vives  und  dimittes  imperativlsch  zu  fassen ,  wie  dies  von  dem  letzteren 
wol  bei  jeder  auffassung  des  ganzen  kaum  anders  möglich  ist;  also: 
^lelie  wie  ein  weiser,  indem  du  zufrieden  bist  mit  dem  was  dir  (an  geld 
und  gut)  beschieden  ist,  und  hüte  dich  schätze  samcneln  zu  wollen.'  dasz 
nun  das  folgende  imperai  aut  servit  collecta  pecunia  cuique  als  be- 
gründung  der  vorangehenden  wamung  dienen  soll ,  liegt  auf  der  band, 
und  ganz  verführerisch  erscheint  Waddels  haud  für  aut  (*denn  beim 
scharren  wird  das  geld  herr  und  bleibt  nicht  sklave') ;  aber  die  vulgata 
hat  ihre  volle  berechtigung ,  sobald  wir  collecta  pecunia  nicht  vom  zu- 
sammenscharren des  geldes,  sondern  von  dem  besitze  gröszerer  geld- 
summen  verstehen  und  das  imperat  aut  servit  in  specielle  beziehung 
mit  sapienter  bringen  durch  die  annähme ,  dasz  durch  v.  47  der  dichter 


272  F.  Pahie:  zur  erklärung  des  ersten  buclies  der  Uorazischen  episleln. 

eben  andeutet,  dasz  nur  sapienti  cuique  coUecla  pecunia  servü  und, 
wahrend  tertium  non  dalur,  demgemäsz  insipienti  cuique  coUecla  pe- 
cunia imperat.  —  In  belreflT  des  unmittelbar  zu  dieser  sentenz  gehören- 
den  verses  48  ('da  doch  die  pecunia  [nur]  venlient'  usw.)  zweifle  icli 
keinen  augenblicii  dasz  Hör.  nur  an  ein  am  strick  zu  ffihrendes  stück 
vieh  gedacht  hat,  dasz  aber  dieser  fQr  uns  freilich  seltsame  und  weit 
hergeholt  erscheinende  vergleich  dem  römischen  dichter  sehr  nalie  lag, 
sofern  er  nur  an  das  Stammwort  von  pecunia  zu  denken  brauchte. 
Der  gedankengang  dieser  epistel  ist  mir  demnach  folgender: 
Ich  lobe  das  landleben  im  gegensatze  zu  dir  (v.  1 — 8)  und  anderen, 
denen  das  vorkommt  wie  wenn  man  lieber  Schwarzbrot  essen  wollte  als 
kuchen  (v.  9—11).   denn 

I)  das  land  befriedigt  am  besten  die  natürlichen  bedörfnisse  des  men- 
schen (v.  12—25). 

II)  wenn  dagegen  die  menschen  das  land  meiden ,  so  kommt  dies  da- 
her ,  dasz  sie  entweder 

1)  sich  blenden  lassen  vom  schein ,  namentlich  in  bezug  auf  die 
äuszeren  göter  (v.  26 — 31),  oder 

2)  ungenügsam  sind 

a)  in  ihrem  verlangen  nach  wollebcn,  welches  sie  sogar 
dahin  bringt,  dasz  sie  ihre  freiheit  an  hohe  gönner  ver- 
kaufen (v.  32—43) ; 

b)  in  ihrem  verlangen  nach  geldbesitz,  wodurch  sie  sicli  zu 
Sklaven  ihres  geldes  machen  (v.  44 — 48). 

11.  Die  erste  grosze  Streitfrage  ist  hier  bekanntlich  die,  ob  die 
epistel  an  den  nocii  in  der  fremde  weilenden  oder  doch  noch  auf  reisen 
begriffenen  oder  an  den  von  seiner  reise  zurückgekehrten  Bullatius  ge- 
richtet ist.  doch  will  man  nicht  a  priori  construieren ,  so  bleibt  meines 
eraclitens  nichts  übrig  als  den  erstem  fall  anzunehmen,  denn  zwar 
scheint  das  perfectum  visa  est  v.  1  auf  eine  zeit  der  reise  und  der  ab- 
wesenheit  des  Bullatius  hinzuweisen ,  die  vor  der  zeit  der  abfassung  des 
briefes  liegt;  aber  es  ist  doch  ebenso  leicht  denkbar,  dasz  Bullatius  die 
V.  1 — 3  genannten  stSdte  schon  besucht  hatte,  als  Hör.  diesen  brief 
schrieb ,  oder  doch  dasz  Hör.  dies  voraussetzte  und  der  adressat  dennoch 
auf  seiner  (weiteren)  reise  sicli  noch  befand,  dagegen  würde  nun  aber, 
wenn  wir  uns  den  Bullatius  schon  wieder  in  Italien  denken,  das  präsens 
venu  V.  5  unpassend  sein  und  noch  weniger  das  Lebedum  laudas  odio 
maris  atque  viarum  v.  6  einen  sinn  haben:  denn  aus  überdrusz  am 
reisen  lobt  doch  der  in  die  heimat  zurückgekehrte  reisende  nicht  eine 
Stadt  in  der  ferne. 

Eine  zweite  frage  ist  die,  ob  Bullatius  mit  seiner  reise  eine  förm- 
liche auswanderung  beabsichtigt  habe  oder  nicht;  erst  wenn  wir  das 
erstere  annähmen,  entstände  die  weitere  frage  nacli  den  gründen ,  die  ihn 
bewogen  haben  möchten  sich  aus  Rom  und  Italien  zu  verbannen,  docli 
mir  scheint  das  letztere  ganz  unzweifelhaft:  denn  1)  im  erstem  falle 
müsten  wir  bei  unserm  dichter  eine  kenntnis  dieser  absieht  und  dieses 


F.  l'ahlc:  zur  crklärung  des  ersten  buches  der  Horazischen  epislchi.  273 

Zweckes  der  reise  voraussetzen,  und  dieser  könnte  nicht  mehr  fragen 
cunclane  prae  campo  et  Tiberino  flumine  sordeni?  (v.  4],  da  ja  dem 
Bullatius  jedenfalls  feststände,  dasz  es  flberall  besser  sei  als  in  Rom; 
2)  würde  bei  Bullatius  dann  nicht  von  einem  odium  maris  atque  viarum 
(v.  6)  die  rede  sein  können,  denn  er  reiste  ja  nicht  um  zu  reisen,  und 
hat  doch  schon  schone  städte  (v.  1—3)  genug  gesehen,  so  dasz  er  nicht 
aus  reisemfidigkeit  in  einem  neste  wie  Lebedus  seinen  wohusitz  aufschla- 
gen wird;  3)  kann  man  unmöglich  den  inhatt  von  v.  15  f.  auf  den  Bulla- 
tius und  seine  Schicksale  und  seinen  auswanderungsplan  beziehen,  zwar 
die  ungiacksHUle  des  lebens  mit  stQrmischer  Seefahrt  zu  vergleiclien  ist 
etwas  ganz  gewöhnliches;  aber  wenn  (v.  16)  das  navetn  vendere  die  an- 
siedelung  des  Bullatius  in  Asien  bedeuten,  also  nicht  mehr  bildlich  von 
der  fahrt  des  lebens  verstanden  werden  sollte,  so  wSre  dtlum  mare  v.  15 
auch  nicht  mehr  sein  stQrmischer  lebensweg,  sondern  müste  ebenso  ohne 
bild  genommen  werden ;  denn  wie  kann  man  sagen :  'da  dich  (hier  in  Ita- 
lien) die  störroe  des  lebens  geschüttelt  haben ,  so  verkaufst  du  dein  schilF 
jenseit  des  meeres  und  bleibst  dort  wohnen'?  demnach  ist  v.  15  f.  ein 
ähnlicher  vergleich  wie  die  beiden  vorhergehenden,  und  ie  ist  nicht  Bulla- 
tius sondern  eine  unbestimmte  person  (und  so  wird  die  stelle  ja  auch 
von  den  meisten  auslegern  verstanden) :  'der  schifler  ist  allerdings  nach 
sturmischer  seefahrt  froh  land  zu  erblicken ,  wenn  auch  fremdes ;  aber  er 
wird  darum  doch  das  fremde  land  noch  nicht  für  das  erklären ,  was  ihn 
vollkommen  glücklich  machen  könne ,  so  dasz  er  sich  nicht  nach  der  hei- 
luat  zurücksehne.'  4)  endlich  aber  ist  es  überhaupt  deshalb  ganz  unstatt- 
haft den  Bullatius  sich  als  einen  vom  unglück  verfolgten  oder  auch  nur 
die  politischen  Verhältnisse  Roms  schwarz  sehenden  mann  zu  denken, 
weil  ein  solcher  dem  Hör.  auf  die  worte  (v.  20)  dum  licet  ac  voUum 
servat Fortuna benignum  sofort  mit  recht  hätte  entgegnen  können:  'dem 
glucklichen  hast  du  gut  predigen,  aber  das  passt  nicht  auf  mich  unglück- 
lichen (oder  auf  die  unglückliche  läge  des  Vaterlandes,  die  jeden  bieder- 
inann  bekümmern  musz).' 

Also  Bullatius  will  nicht  auswandern,  weshalb  reiste  er  denn  aber  ? 
dasz  er  aus  unmut  über  seine  oder  Italiens  läge  gereist  sei ,  ist  wol  eben 
so  wenig  anzunehmen  als  dasz  er  überhaupt  aus  mismut  habe  auswandern 
wollen,  da  wir  nach  v.  20  bei  ihm  eben  gar  keinen  mismut  voraussetzen 
dürfen,  es  läge  nun  die  annähme  nahe,  dasz  er  von  der  allgemeinen 
retsewnt  seiner  zeit  angesteckt  gewesen  sei,  die  Hör.  in  den  letzten  versen 
unserer  epistel  so  treffend  geiszelt;  aber  auch  dagegen  sträubt  sich  mein 
gefühl ,  da  unter  diesen  umständen ,  d.  h.  wenn  unser  dichter  in  diesem 
briefe  die  fehler  seines  freundes  hätte  rügen  wollen ,  die  Veröffentlichung 
desselben  eine  unverzeihliche  rücksichtslosigkeit  gewesen  sein  würde, 
und  können  wir  denn  nicht  annehmen ,  dasz  Bullatius  aus  geschäftlichen 
rücksichten  gereist  sei?  oder  seiner  ausbildung  wegen?  Oberhaupt  dasz 
diese  reise  für  ihn  eine  von  auszen  herangetragene  notwendigkeit  ge- 
wesen sei  und  ein  bestimmtes  ziel  gehabt  habe?  dasz  also  Hör.  davon 
nur  nebenbei  veranlassung  genommen  habe  einen  der  gewöhnlichen 
fehler  seiner  Zeitgenossen  zu  geiszeln,  und  dasz  also  die  ganze  epistel 


274  F.  Pahle:  zur  erkUrung  des  ersten  buches  der  Ilorazisclieo  cpislelD. 

weseDtlich  mit  rücksicht  auf  das  römische  publicum  geschrieben  sei?  — 
Ich  glaube,  mit  dieser  annähme  kommen  wir  am  weitesten:  die  Persön- 
lichkeit des  Bullatius  wird  uns  für  die  Interpretation  ganz  gleichgültig ; 
wir  haben  nichts  zwischen  den  zeilen  zu  suchen ,  um  uns  jene  in  ihren 
vermeintlichen  Zügen  auszumalen ,  und  der  gedankengang  der  epistei  er- 
klart sich  so  am  einfachsten  und  ungezwungensten. 

Die  frage  des  Hör.  danach ,  wie  dem  Bullatius  die  fremden  städlc 
gefallen  haben ,  setzt  bei  letzlerem  durchaus  keine  Voreingenommenheit 
gegen  Rom  voraus;  das  beweisen  sowol  die  werte  maiora  minorane 
famaf  als  die  werte  v.  4  cunctane  prae  campo  et  Tiherino  flumne 
sordent?  letzlerem  gegenüber  dürfen  wir  die  Aiialicae  urbes  (v.  5) 
unmöglich  als  gegensatz  zu  den  in  den  ersten  versen  genannten  stfldten 
fassen;  es  sind  eben  auch  wegen  ihrer  Schönheit  und  pracht  berufene 
Städte  Kleinasiens,  bei  v.  6  vorauszusetzen,  dasz  Bullatius  das  kleine 
nest  Lcbcdus  wirklich  gelobt  habe  (*oder  geschieht  es  aus  überdrusz 
am  reisen,  dasz  du  Lebedus  lobst?'),  ist  nicht  nur  unnötig,  sondern  es 
würde  dies  auch  den  Zusammenhang  geradezu  stören :  denn  wenn  Bulla- 
tius auf  der  reise  dem  Ilor.  geschrieben  hatte,  so  hatte  er  doch  auch  wol 
seine  ansichlen  über  die  asiatischen  prachtstadte  ihm  nicht  vorenthalten, 
und  die  fragen  des  Hör.  in  den  vorhergehenden  versen  würden  um  so 
überflüssiger  erscheinen,  als  schon  in  dem  von  Bullatius  dem  kleinen 
Lebedus  gespendeten  lobe  die  eindrücke,  die  auf  ihn  die  ganze  reise  ge- 
macht, genugsam  geschildert  waren,  es  enthalt  vielmehr  —  schon  nach 
den  gewöhnlichen  regeln  der  rhetorik  —  der  6e  vers  eine  dritte  art  von 
eindrücken,  die  Bullatius  auf  seiner  reise  möglicherweise  empfangen  haben 
könnte,  nemlich  entweder  stehen  die  besuchten  stadle  hinter  Rom  zu- 
rück ,  wobei  sie  iomier  noch  schön  und  des  besuches  werth  sein  können ; 
oder  sie  sind  die  reise  überhaupt  nicht  werth,  und  der  reisende  wird  bei 
und  in  ihnen  des  reisens  satt ;  oder  aber  sie  sind  so  schön ,  dasz  ihm  der 
wuliscii  kommt:  *da  möchtest  du  wol  wohnen.'  wahrend  nun  die  erste 
möglicbkeit  in  v.  4  und  die  dritte  in  v.  5  ausgedrückt  ist,  finde  ich  die 
zweite  eben  In  v.  6  bezeichnet,  und  der  sinn  ist  also:  ^oder  haben  die 
Städte  dir  das  reisen  so  verleidet,  dasz  du  am  liebsten  gleicli  deine  Wan- 
derung aufgeben  möchtest,  und  solltest  du  auch  in  Lebedus  wohnen  blei- 
ben müssen?'  —  Für  eine  interlocutio  des  Bullatius  ist  nach  unserer 
auffassung  natürlich  im  folgenden  kein  räum,  da  wir  ja  ein  vorange- 
gangenes schreiben  des  Bullatius  an  Hör.  nicht  annehmen  und  bei  letzte- 
rem überhaupt  eine  kenntnis  der  augenblicklichen  Stimmung  des  erstem 
wahrend  seiner  reise  nicht  voraussetzen  durften,  ist  aber  nun  in  v.  8 
Hör.  selber  das  subject  zu  veUem,  so  nützt  es  freilich  wenig,  wenn  man 
diesen  conjunctiv  condicional  faszt  und  ein  'wenn  es  sein  müste'  oder 
*wenn  es  die  umstände  so  fügten'  zu  erganzen;  denn  tivere  veüem  ist 
doch  immer  etwas  anderes  als  ein  einfaches  viverem^  und  der  satz:  ^icli 
würde  wünschen  in  Lebedus  zu  wohnen,  wenn  es  sein  müste'  ist  mir 
wenigstens  unverstandlich,  wol  aber  gewinnen  wir  einen  ganz  gesunden 
gedanken ,  wenn  wir  vellem  als  prateritum  von  velim  auffassen  (also  = 
*icb  hatte  mögen',  analog  der  bekannten  stelle  Clc.  ad  Ait.  4,  16,  7 


F.  Pahle :  zur  crkläruiig  des  ersten  buches  der  Horazischen  epislcln.  275 

cuperem  videre  voUum  iuum^  cum  haec  legeres);  dann  würde  Hör. 
seinen  leser  zurückweisen  auf  eine  zeit,  wo  er  selbst  die  städte  des 
Orientes  kennen  lernte,  obne  frage  die  zeit  seiner  teilnähme  am  bürger- 
krieg,  und  wo  er,  vom  odium  maris  aique  viarum  gepackt  und  im  Stru- 
del der  ereignisse  unterzugehen  fürchtend,  sicli  sehnte  nach  ruhe  und 
zuruckgezogenheit  fern  von  Rom  (obliiue  meorum  Mimcendus  et  Ulis) 
—  und  wäre  es  selbst  in  Lebedus,  wo  das  stürmische  meer  das  einzige 
Schauspiel  wäre.*} 

Den  gedanken  der  nun  folgenden  drei  vergleiche  (v.  11 — 16)  fassen 
mir  die  erklärer  niclit  präcis  genug;  am  besten  noch  Oflntzer:  *die  drei 
beispiele  zeigen,  dasz  man  das,  was  man  zur  zeit  bedarf,  als  ein  gut  be- 
trachten kann,  ohne  dasz  man  sich  dieses  als  höchstes  gut  für  immer 
erwählen  werde.'  doch  es  ist  hier  nicht  allgemein  die  rede  von  etwas 
Vas  man  zur  zeit  bedarf^,  sondern  speciell  von  aufenthaltsorten:  für 
caupona  ist  dies  deutlich  genug ;  aber  auch  bei  furnos  wird  niemand  an 
unsere  stubendfen,  sondern  an  backöfen  oder  vielmehr  an  backstuben 
denken,  und  balnea  sind  für  den  quifrigus  coUegü  hadstuben,  in  denen 
für  warme  lufl  gesorgt  ist  (vgl.  Gniquius);  dasz  endlich  bei  dem  drittel] 
bilde  von  fremden  häfen  die  rede  ist,  habe  ich  schon  oben  auseinander- 
gesetzt, sämtliche  drei  aufentbaltsorte  nun  aber  liefern  zwar  ein  gut, 
eine  annehmlichkeit:  die  caupona  erfrischung  und  erholung  und  schütz 
vor  dem  regen ,  die  balnea  und  die  fumi  wärme ,  der  fremde  hafen  ruhe 
und  Sicherheit  vor  dem  stürme  —  aber  sie  gewähren  eben  aucli  nur  die- 
ses öine  glück  und  haben  daneben  alle  drei  ihre  groszen  Schattenseiten, 
die  Uor.  eben  nur  deswegen  nicht  weiter  ausmalt,  weil  sie  weltbekannt 
sind ,  und  die  ich  gleichfalls  weiter  zu  schildern  für  überflüssig  erachte, 
der  dichter  sagt  also:  'einen  aufenlhaltsort,  der  seine  groszen  Schatten- 
seiten bat,  wird  sich  niemand  wählen,  höchstens  dann  auf  kurze  zeit, 
wenn  er  derjenigen  annehmlichkeit  gerade  bedarf,  die  derselbe  als  das 
einzige  bietet,  was  er  zu  bieten  hat.'  so  gewinnen  wir  in  diesen  versen 
eine  directe  rückbeziehung  zu  dem  v.  7 — 10  ausgesprochenen  gedanken, 
und  der  inhalt  von  v.  7—16  ist  kurz  dieser:  *einst  hätte  ich  selbst  wol 
in  dem  räucherigen  Lebedus  wohnen  mögen ,  um  da  ruhe  zu  finden ;  aber 
einer  einzigen  annehmlichkeit  wegen  darf  man  sich  doch  keinen  ort  als 
wohnplatz  aussuchen.'  auf  den  ersten  teil  dieses  gedankens  konnte  der 
leser  fragen :  'aber  warum  bist  du  denn  damals  nicht  nach  Lebedus  ge- 
zogen?' und  wenn  Hör.  nachher  (v.  30}  sagt  quod  pelis^  est  Vlubris^ 
so  hatte  die  nichtausführung  jenes  entschlusses  leicht  etwas  auffälliges ; 
dem  gegenüber  erwidert  eben  Hör.,  dasz  man,  wenn  es  sich  um  die  au s- 
wahl  eines  Wohnortes  handle,  allgemeine  rückslchten  nehmen  müsse. 


*}  ob  nicht  vielleicht  allerdings,  wie  D5derlein  will,  der  Neptunus 
furens  bildlich  aufzufassen  ist,  und  —  nach  unserer  meinung  —  die  stürme 
des  damaligen  btirgerkrieges  bezeichnen  soll,  will  ich  dahin  eesiellt 
sein  lassen,  etwas  künstlich  hätte  Her.  sich  dann  freilich  ausgedrückt; 
empfohlen  dagegen' wird  die  bildliche  auf  fassang  dadurch,  dasz  in  der 
gewöhnlichen  auffassung  diese  Charakteristik  von  Lebedus  der  erstereu 
in  V.  7  f.  gegebenen  nachhinken  würde. 


276  F.  Pahle:  zur  erklärung  des  ersten  buches  der  Horazisclicn  episleln. 

(Jod  in  tvelchem  zusammenhauge  sieht  nun  dieser  gedanke  (v.  7 — 
16)  zu  V.  6  einerseits  und  zu  den  ilim  folgenden  versen  17  IT.  anderseits? 
was  dte  Verbindung  mit  dem  vorhergehenden  betrifll,  so  liegt  es  aller- 
dings nicht  fem  anzunehmen ,  Hör.  habe  für  den  fall ,  dasz  Bullatius  odio 
maris  atque  viarum  sich  Lebedus  zum  Wohnsitze  erwShlt  haben  sollte, 
diesen  davon  abmahnen  wollen,  aber  dagegen  spricht  erstens ,  dasz  der 
dichter  zwischen  dreierlei  eindrücken ,  die  sein  freund  von  seiner  reise 
bekommen  haben  könnte,  schwankt  und  dasz  also  die  möglichkeit  des 
letzten  gcwis  nicht  einen  so  groszen  vorzug  der  besprechung  verdiente; 
dann  aber  kommt  es  in  v.  6  wesentlich  auf  odio  maris  atque  viarum  an, 
da  Hör.  sich  zunächst  nur  die  möglichkeit  vorstellt,  dasz  Bullatius  das 
reiseu  satt  bekommen  habe,  und  erst  in  zweiter  linie  daran  denkt,  wel- 
chen entschlusz  der  flberdrusz  am  reisen  ihm  möglicherweise  eingegeben 
haben  könnte;  drittens  endlich  würde  so  eine  Verbindung  mit  dem  folgen- 
den (v.  17  ff,)  kaum  herzustellen  sein,  ich  denke  mir  den  Zusammenhang 
so:  Hör.  denkt  sich  v.  6  die  möglichkeit,  dasz  Bullatius  des  reisens  fiber^ 
drüssig  geworden  sei,  so  überdrüssig  dasz  er  sich  gar  in  Lebedus  an- 
siedeln wollte ;  dies  bringt  ihn  auf  die  erste  sorte  derjenigen  auswande- 
rungslustigen,  die  aus  mismut  u.  ilgl.  über  ihr  (vermeintliches  oder 
wirkliches)  misgeschick  sich  in  die  ferne  sehnen  und  hier  den  abge- 
legensten Winkel  aussuchen;  *und  ein  solcher*  sagt  er  *bin  ich  selbst 
einmal  gewesen;  aber*  flihrt  er  fort  'solche  ansieht  ist  verkehrt  schon 
deshalb,  weil  neben  der  einen  annehmlichkeit  (zurflckgezogenheil  und 
ruhe)  das  leben  in  einem  fernen  winkel  sehr  viele  unannehmlKhkelten 
mit  sich  bringt.'  hatte  der  dichter  also  hier  zunächst  unglückliche  und 
mismutige  im  äuge,  so  stellt  er  denen  jetzt  (v.  17  ff.)  den  incolumis  zur 
scite ,  d.  h.  einen  mann  der  von  schlagen  des  Schicksals  gar  nichts  zu  er- 
zählen hat  und  sich  aucli  keineswegs  nach  einem  stillen  fernen  wiokel 
sehnt,  sondern  glaubt  eine  schönere,  'anmutigere  Stadt  als  seinen  heimats- 
ort  finden  zu  können  und  deshalb  gleichfalls  von  der  auswandeningslusl 
gepackt  wird :  ihm  sagt  dann  unser  dichter ,  dasz ,  da  er  ja  incolumis  sei, 
ein  anderer  aufenthaltsort  für  ihn  mindestens  überflüssig  sei  und  der  glück- 
liche am  besten  thue  in  seinem  (heimatlichen)  Rom  zu  bleiben  (v.  17 — 21). 

Waren  es  also  von  v.  7  an  die  beiden  Sorten  von  auswanderungs- 
lustigen, die  Hör.  tadelte,  so  wendet  er  sich  nun  zweitens  (von  v.  22  an) 
gegen  die  eigentliche  reisewut ,  die  ja  auch  eine  gewöhnliche  krankheit 
der  damaligen  zeit  war ,  sich  aber  von  der  auswanderungslust  wesenllidi 
dadurch  unterscheidet,  dasz  sie  nirgend  ruhe  läszt,  während  doch  der 
mensch  vernünftigerweise  überall  sollte  zufrieden  und  glücklich  lebeu 
können  (v.  22 — 25).  auch  sie  kann  zwei  verschiedene  Ursachen  haben: 
der  eine  will  durch  das  reisen  sich  und  seine  curae  zerstreuen  —  aber 
das  kann  er  doch  nur  durch  ratio  und  prudentia  (v.  25 — 27);  der  an- 
dere ist  blasiert ,  weisz  sich  in  seinem  heimatsorte ,  wo  alles  alt  und  das- 
selbe bleibt,  nicht  zu  unterhalten,  sucht  das  neue  und  in  ihm  das  glück 
und  die  Zufriedenheit  —  die  doch  nur  ein  richtiges  gleiciigewicht  der 
Seelenstimmung  zu  geben  vermag  und  an  jedem  orte  dem  sich  ergibt,  der 
sich  aus  diesem  gleichgewicht  nicht  herausbringen  läszt  (v.  28 — 30). 


F.  Pahle:  zur  erklSrung  des  ersten  buches  der  Horazischen  episteln.  277 

Wir  haben  demnach  in  unserer  epistel  folgenden  gedankengang : 
Einleitung,   wie  gefallen  dir  die  berühmten  stSdte  des  Orients? 
fesseln  sie  dich  oder  machen  sie  dich  des  reisens  überdrüssig ,  so  dasz  du 
lieber  im  kleinsten  ueste  sitzen  bliebest?  (t.  1 — 6}  wenigstens  hat 
1)  zur  auswanderungslust 
1}  nach  einem  fernen  kleinen  neste  der  mismut  und  unmut  über 
(vermeintliches  oder  wirkliches)  Unglück  schon  manchen  getrie- 
ben —  und  auch  mir  wflre  es  einstmals  fast  so  gegangen;  aber 
gewinnt  man  auch  dadurch  die  eine  annehmlichiieit,  die  zurück- 
gezogenheit, so  ladet  man  sich  dadurch  doch  zugleich  tausen- 
derlei Unannehmlichkeiten  wieder  auf  (v.  7 — 16); 
2)  andere  wandern  aus,  weil  sie  glauben  einen  anmutigeren,  schö- 
neren ,  prächtigeren  wohnort  zu  finden ;  aber  wer  glücklich  ist^ 
für  den  ist  der  Ortswechsel  mindestens  überflüssig  (v.  17 — 21). 
11)  die  reisewut,  die  sich  auf  die  dauer  nirgend  wol  fühlt  (v.  22 — 
25),  sucht  entweder 

1)  Zerstreuung  der  bekümmemisse;  aber  nur  ratio  und  prudentia 
sind  sichere  heilmittel  dagegen  (v.  25 — 27);  oder 

2)  Unterhaltung  im  geschSfligen  nichtsthun  zur  Vertreibung  der 
langenweile;  aber  die  glückliche  Zufriedenheit  mit  sich  selbst 
kann  der  mensch  überall  erringen  und  erringt  sie  nur  durch 
gleichmut  (v.  26—30). 

12.  Dasz  dieser  brief  wesentlich  nur  persünhche  beziehungen  habe, 
liegt  ziemlich  auf  der  band:  nach  der  beantwortung  eines  an  Hör.  gerich- 
teten briefes  von  iccius,  worin  dieser  über  seine  äussere  läge  geklagt, 
die  ihm  nicht  erlaube  so  den  Studien  obzuliegen ,  wie  er  wol  wünsche, 
und  worin  er  auch  wol  selbst  einiges  über  die  arl  seiner  Studien  mitge- 
teilt hat,  folgt  eine  empfehlung  des  Pompejus  Grosphus  (v.  21  —  24) 
und  darauf  die  erwfthnung  einiger  politischer  tagesneuigiteiten  und  des 
reichlichen  ausfalls  der  ernte  in  Italien. 

Zum  eingehenderen  verstflndnis  des  ersten  und  hauptsächlichen  tei- 
les  sind  noch  einige  bemerkungen  notwendig.  Horkels  erklärung  von 
recte  v.  2  =s  non  per  furtum  et  fraudem  ist  mehr  spitzfindig  als  geist- 
reich; eine  solche  andeutung  von  seilen  des  Hör.  hätte  Iccius  als  ehren- 
mann  nur  als  infame  beleidigung  ansehen  und  auffassen  können,  meiner 
meinung  nach  bekäme  der  ganze  satz  si  recte  frueris  usw.  erst  sein 
rechtes  licht  dadurch,  dasz  wir  ihm  den  (v.  7)  folgenden  condicionalsatz 
si  forte  in  medio  posiiorum  abstemius  herbis  vivis  et  Urtica  zur  seile 
stellen,  denn  in  letzterem  sind  in  medio  posita  doch  gewis  nicht  lecker- 
bissen  u.  dgl. ;  es  bezeichnen  diese  worte  eben  nur  den  allgemeinen  ver- 
rat von  alle  dem  was  zum  behaglichen  leben  notwendig  ist,  welchen  Vor- 
rat dem  Iccius  seine  procuratur  zu  geböte  stellte:  wenn  Hör.  also  nun 
die  möglichkeit  ausspricht ,  dasz  Iccius  dies  alles  ungenutzt  und  unange- 
rührt liegen  lasse ,  so  bildet  diese  annähme  eben  einen  gegensatz  gegen 
das  obige  (v.  2)  si  fructibus  frueris  —  denn  wenn  jemand  über  die 
kärglichkeit  seines  lebens  klagt,  so  sind  zwei  möglichkeiten :  entweder 


278  F.  Pahle:  zur  erklärung  des  ersten  buches  der  Horazischen  episleln. 

er  hat  nichts,  oder  er  genieszt  nicht  was  er  hat.  —  Bleiben  wir  aber 
znnichst  noch  bei  dem  satze  ▼.  7  ff.  stehen ,  so  drückt  das  dem  si  ange- 
ragte  forte  offenbar  aus,  dasz  Hör.  an  die  zweite  mögliehkeit  selber 
nicht  glaubt,  und  es  gibt  dies  adverbium  dem  ganzen  salze  eine  ironische 
färbung ,  als  habe  ihn  Hör.  eben  nur  der  logischen  rollständigkeit  wegen 
hiniogeffigt.  charakteristisch  ist  es  dann  auch,  dasz  fOr  diesen  fall  unser 
dichter  dem  Iccius  als  grund  seiner  etwaigen  enthaltsamkeit  nicht  gek 
oder  dergleichen ,  sondern  entweder  körperliches  naturell  (indem  ihm  die 
ein  räche  kost  besser  bekomme)  oder  philosophische  grundsfltze  unter- 
schiebt. —  Gehen  wir  nun  zu  dem  ersten  satze  der  eplstel  zurück ,  so 
kann  in  rflcksieht  auf  den  zweiten  bedingungssatz  das  si  fruerU  nichts 
anderes  heiszen  als  *wean  du  dich  nicht  enthältst,  sondern  genieszest' 
wenn  wir  also  frui  in  dem  sinne  des  'materiellen  genieszens'  auffiassen, 
so  befinden  wir  uns  im  widersprach  mit  vielen  auslegern,  welche  das 
recte  frui  für  den  philosophisch-richtigen  gebrauch  ansehen  und  ebenso 
in  dem  folgenden  cui  rerum  suppetit  usus  irgend  einen  philosophischen 
satz  (entweder  =  pauper  non  est^  qni  artem  rebus  utendi  saiis  caüel 
in  rflcksieht  auf  ep.  1  4, 7  und  1  10, 41,  oder  =  cift  rerum  usus  [niesz- 
brauch]  esi^  ei  res  ipsae  quasi  sunl^  in  rflcksieht  auf  ep.  II  2,  158  ff.) 
erblldten  wollen,  aber  warum  sollten  die  worle  rerum  suppetä  usus 
nicht  auch  rein  materiell  rerstaoden  werden  kflnnen?  wenn,  freilich  in 
dieser  hinsieht  mit  mir  flbereinstimmend ,  Orelli  übersetzt  *was  zu  seinen 
bedflrfnissen  ausreicht'  und  dies  den  sinn  haben  soll  *er  hat  wenigstens 
eben  genug  zum  l^eii',  so  wird  dadurch  dem  gedankeu  eine  firbung 
gegeben,  die  geradezu  nicht  ihm  anhaften  soll  und  darf,  rerum  suppetit 
usus  heiszt  vielmehr  'die  nötigen  dinge  sind  vorhanden'  und  zwar  mit 
dem  Bebenbegriff  *ln  hülle  und  fClIle',  und  Hör.  sagt  also:  'wie  kann  der 
arm  sein,  der  nur  ins  volle  hineinzugreifen  braucht?'  wie  aber  frui 
allein  nur  den  materiellen  genusz  bezeichnet,  so  natürlich  auch  recte 
frui;  es  ist  dies,  abgesehen  von  philosophischen  grundsiltzen  und  lehren, 
einfach  derjenige  materielle  genusz,  den  alle  vernünftigen  menschen  sich 
von  den  fructus  gönnen,  also  kurz  das  ^gehörige  essen  und  trinken', 
natürlich  g^ört  dazu  als  Vorbedingung  gesundheit  des  leibes,  und  diese 
wird  ja  audi  von  Hör.  nicht  übergangen  (v.  5).  —  Demnach  parapbrasiere 
ich  die  ersten  elf  verse  so:  *woin  du,  Iccius,  von  den  voHen  scheuem 
des  Agrippa  nur  gehörig  lebst,  wahrlich  gröszern  vorrat  brauchst  du 
nicht*);  wie  kannst  du  über  armut  klagen,  da  du  unmer  nur  ins  volle 
hineingreifen  kannst?  und  wenn  du  dazu  noch  gesund  bist,  was  können 
rekhtümer  dir  dann  noch  mehr  geben?  wenn  du  aber  etwa  solltest  nur 
von  kraut  und  nesseln  leben,  sei  es  aus  gesundheitsrflcksichten ,  sei  es 
aus  philosophischen  grundsStzen ,  so  wird  reichtum  weder  deine  körper- 


*)  es  ist  SU  beachten,  dasz  mit  der  Verbindung  der  beiden  sStce 
fntetüm»  Afftippae  .  .  si  recte  flruerit^  non  est  tU  usw.  Hör.  sich  eine 
elUpse  erlaubt  hat;  vollständig  würde  der  gedanke  lauten:  ^wenn  du 
von  den  verraten  .  .  nur  gehörig  lebst,  so  brauchst  du  doch  wahrlich 
nicht  mehr;  denn  du  hast  ja  so  grosze  hülle  und  fülle,  dass  sie  nicht 
grösser  sein  kann.' 


F.  Pahle:  zur  erkiärung  des  ersten  buches  der  Horazischen  episteln.  279 

beschafTenheit  ändern  nodi  deine  philosophischen  grundsfltze  umstoszen, 
also  gleichfalls  dich  nicht  zu  einer  andern  iebensweise  bewegen.'  so  ist 
das  ganze  Tom  köstlichsten  humor  durchwflrzt,  mit  dem  unser  dichter, 
der  die  klagen  seines  freundes  gewis  wol  verstand  und  zu  würdigen 
wüste,  diesen  wo  möglich  in  eine  heitere  Stimmung  und  laune  versetzen 
will ,  wie  denn  derselbe  humor  v.  20  (mit  dehret)  und  namentlich  mit 
V.  21  wieder  durchbricht:  Iccius  hatte  geklagt  Aber  seine  armut,  d.  h. 
darüber  dasz  er  nicht  so  viel  habe,  um  nicht  fürs  Ugliche  brot  arbeiten 
und  eine  banausische  beschafligung  vornehmen  zu  müssen,  und  also  nicht 
im  vollen  oUum  den  Studien  obliegen  könne;  Hör.  geht  über  diesen 
hauptpunct  hinweg  und  thut ,  als  habe  iccius  geklagt  über  seine  armut, 
als  wenn  er  sich  gewissermaszen  nicht  satt  essen  könnte  (v.  1 — 6}  oder 
nicht  satt  essen  dürfte  (v.  7 — 11). 

Sollte  aber  diese  humoristische  auffassung  und  Widerlegung  der  — 
namentlich  bei  den  motiven  aus  denen  sie  entsprangen  —  immerhin  be- 
rechtigten klagen  des  Iccius  auf  diesen  die  rechte  Wirkung  üben  und  nicht 
vielleicht  gar  das  gegenteil  bewirken  und  bei  ihm  die  meinung  erwecken, 
als  wolle  Hör.  ihn  ernstlich  zum  besten  haben ,  so  war  der  rerfasser  des 
briefes  gezwungen  zugleich  ernsthaft  sich  in  anerkennender  weise  über  die 
Studien  des  Iccius  zu  Suszern,  wie  dies  Hör.  denn  auch  in  den  versen  12 — 
20  thut.  einmal  liegt  darin  indirect  das  Zugeständnis  und  das  bedauern 
des  dicblers,  dasz  Iccius  nicht  musze  genug  habe  zum  Studium,  weil  er 
sonst  gewis  groszes  leisten  würde ;  anderseits  tröstet  Bor.  damit  seinen 
freund  durch  die  andeutung,  dasz  er  ja  auch  so  schon  groszes  leiste,  ge- 
rade diese  aufzählung  der  Studien  des  Iccius  von  selten  des  Hör.  ist  bei 
unserer  auffassung  der  verse  1 — 11  durchaus  motiviert,  wShrend  es  bei 
derjenigen  auffassung  derselben,  die  den  Hör.  seinem  freunde  eine  wenn 
auch  gelinde  uud  freundschaftlich  gemeinte  philosophisch  -  moralische 
lehre  erteilen  Iflszt,  immer  anstöszig  bleibt,  dasz  Hör.  seinem  freunde 
seine  Studien  auf-  und  vorzählt.  —  Ich  weisz  daher  auch  nicht,  ob  nicht 
V.  14  lucrum  nichts  mehr  bedeute  als  quaestus^  der  erwerb,  d.  i.  für 
Iccius  seine  amtsbeschäftigung  als  proeurator  des  Agrippa,  die  ihm  das 
brot  bringen  musz,  die  aber  so  leicht  Ihn  ins  gemeine  (im  gegensatz  zu 
seinen  idealen  hestrebungen)  hinabziehen  könnte,  sollte  aber  auch  lucrum 
die  hSszliche  gewinnsucht  und  plusmacherei  bedeuten,  Ton  denen  Iccius 
sich  überall  bei  seinen  unterbeamten  umgeben  sah,  so  beziehe  ich  doch 
jedenfalls  nil  parvum  v.  15  nicht  mehr  auf  den  luszern  erwerb  (als 
eine  *kleinigkeit')  zurück,  sondern  setze  es  in  gegensatz  zu  snbUmia  als 
den  höchsten  und  schwierigsten  fragen  der  sapieniia^  um  die  Iccius  sich 
vorzugsweise  kümmert,  während  er  über  die  kleinen,  untergeordneten 
fragen  hinaus  war.  *) 

13.  Dasz  dieser  brief  als  solcher  eine  fictlon  Ist,  liegt  am  tage;  wenn 
Bor.  den  Vinius  Asella  mündlich  instruiert  hat,  so  wird  er  ihm  nicht 


^)  vielleicht  könnte  man  auch  nits=  non  fassen  und  parvwn  =  we- 
nig; vgl.  X^ucan  Phars*  II  128. 


280  F.  Pahle:  zur  erkllrung  des  ersten  bnches  der  Horazischen  epistdo. 

noch  eine  epistel  nachgeschickt  haben,  als  ob  er  die  mündlichen  aaftrige 
vergessen  hitle  oder  vergessen  könnte,  denn  wenn  auch,  wie  Döderlein 
richtig  aus  dem  scherze  schlosz,  den  der  dichter  sich  mit  dem  namen  des 
Vinius  Asella  erlaubt,  dieser  keineswegs  eine  erdichtete  Persönlichkeit 
ist,  so  verbieten  doch,  ihn  sich  als  bauer  resp.  landmann  zu  denken, 
nicht  nur  die  worte  v.  13  und  15,  die  eine  beleidigung  des  landmanns 
Vinius  sein  würden,  sondern  auch  v.  3,  der  voraussetzt,  dasz  derselbe 
nicht  ein  bloszer  böte,  sondern  ein  mann  von  solcher  Stellung  ist,  dasz 
er  jedenfalls  das  buch  dem  Augustus  persönlich  überreichen  wird,  einem 
solchen  manne  durfte  Hör.  natürlich  ein  erbrechen  des  siegeis  nicht  zu- 
trauen ,  und  vor  einem  zußüllgen  zerbrechen  des  siegeis  warnt  er  erst 
V.  19;  es  ist  aiso  signata  (v.  2)  directes  attribut  und  ist  hinzugefügt, 
um  die  sorgsamkeit  des  dichters  selbst  beim  einpacken  und  den  werth  zu 
bezeichnen,  den  er  auf  seine  gedichte  oder  doch  auf  das  an  Augustus  zu 
überreichende  exemplar  derselben  legt  überhaupt  aber  gab  Vinius  Asella 
gewis  nicht  veranlassung  alle  die  möglichen  versehen  befürchten  zu  las- 
sen, vor  denen  Hör.  ihn  in  dem  briefe  warnt:  und  so  treten  erst  durch 
die  richtige  anffassung  von  des  adressaten  persönlichkeit  die  wprte  v.  4. 5 
ins  rechte  licht,  die  genugsam  andeuten,  dasz  die  epistel  wesentlich  auf 
Augustus  selbst  berechnet  ist,  aber  wol  weniger  ein  ausdruck  von  des 
dichters  wünsch  dem  kaiser  mit  der  Zusendung  nicht  lästig  zu  fallen, 
als  vielmehr  seiner  hoffnung  sein  soll,  dasz  die  gedichte  selbst  d^  herrn 
gefallen  mögen ,  und  der  sorgsamkeit ,  mit  der  er  zu  dem  ende  sogar  in 
den  äuszerlichkeiten  bei  denselben  verfahren  habe. 

Die  Worte  sub  ala  v.  12  möchte  ich  nicht  gern  auch  noch  auf 
V.  14  und  15  beziehen,  denn  wie  ein  trihüUs  hut  und  schuhe  zugleich 
unter  Einern  arme  tragen  könne,  ist  mir  unklar;  dazu  kommt  dasz,  wenn 
das  tragen  sub  ala  überhaupt  unanständig  ist.  Hör.  die  verschiedeneu 
arten  desselben  aufzuzählen  nicht  nötig  gehabt  hätte,  nach  meiner  mei- 
nung  warnt  er  vielmehr  scherzhaft  den  Vinius  vor  verschiedenen  unan- 
ständigen arten  des  haltens  eines  solchen  päckchens  in  dem  augenblicke, 
wo  er  es  dem  Augustus  Überbringt,  und  sagt:  'erstens  trag  es  nicht  unter 
dem  arme:  denn  so  trägt  der  bauer  ein  lamm;  zweitens  halt  es  nicht 
unter  dem  rocke,  als  wenn  du  nichts  hättest:  denn  so  trägt  im  lustspiel 
Pfrrhia  die  gestohlene  wolle,  und  an  dem  bauschen  des  rockes  sieht  man 
ja  doch  gleich,  dasz  etwas  (verstecktes)  darunter  ist;  drittens  halt  es 
nicht  steif  mit  beiden  bänden  vor  dich  hin ,  denn  so  trägt  der  gast  vom 
lande  hut  und  schuhe.' 

14.  Auch  diese  epistel  ist  sicher  nicht  von  Hör.  an  seinen  haus- 
meier  adressiert  und  abgeschickt  worden ;  sie  ist  eben  wieder  eine  ficiion, 
und  der  dichter  hatte  sicherlich  einen  andern  adressaten  bei  der  abfas- 
sung  im  äuge,  wollte  er  aber  die  fiction  aufrecht  hallen,  so  konnte  dies 
natürlich  nur  durch  einüechtung  von  ausdrücken  und  Wendungen  ge- 
schehen ,  die  eine  rein  persönliche  beziehung  auf  den  vilicus  haben :  und 
zu  diesen  gehört  wol  ohne  frage  die  mehrfache  andeutung  (v.  4.  5.  27. 
29),  dasz  derselbe  ein  faulpelz  sei,  und  diese  stellen  haben  dann  natür- 


F.  Pahle:  zur  erklirung  des  ersten  buches  der  Horazisclien  episteln.  281 

lieh  mit  der  allgemeineren  lendenz  der  epistel  so  gut  wie  gar  nichts 
zu  thun. 

Offenbar  nun  will  Hör.  in  diesem  briefe  seine  Vorliebe  fflr  das  land- 
leben  rechtfertigen,  aber  nicht  philosophisch  gebildeten  männem  wie 
Fttscus  {ep.  l  10)  gegenüber,  sondern  gegenAber  dem  groszen  häufen  der 
alUagsmensefaen,  die  sich  von  herkömmlichen  gewohnlieiten  und  neigun- 
gnn  unbewust  und  instinctiv  leiten  lassen  und  denen  der  sinn  für  rein 
geistige,  Ideale  genüsse  mehr  oder  minder  ganz  abgeht:  nur  solche  men- 
sohen  konnte  er  mit  einem  gewdhnllohan  vilicus  identificieren.  einge- 
kleidet ist  das  ganze  in  eine  art  streit  zwischen  dem  herm  und  seinem 
verwaller,  wobei  allerdings  letzterer  schweigt,  ersterer  aber  auch  das, 
was  derselbe  vorbringen  könnte,  anführt,  um  es  natürlich  zu  widerlegen, 
der  gedankengang  ist  folgender. 

Eingang:  lasz  uns  sehen,  mit  welchem  recht  ich  das  landleben 
preise  (v.  1 — 5),  du  das  stadtleben  (v.  6 — 10). 
L  d«  hast  unrecht:  denn 

1)  du  lobst  die  Stadt  nur,  weil  dir  dein  loos  und  amt  (welches  dich 
eben  nötigt  auf  dem  lande  zu  leben)  nicht  zusagt  (v.  11);  «o  ist 
es  denn 

a)  unbillig  und  tböricht  dem  lande  an  und  für  sich  die  schuld 
zu  geben  (v.  12) , 

b)  ist  dies  inconsequent,  insofern  du  ja  früher  als  stfldtischer 
hausknecht  dich  nach  dem  lande  sehntest  (v.  13 — 16),  wo- 
hingegen ich  mir  in  meiner  Sehnsucht  nach  dem  lande  stets 
gleich  bleibe  (v.  16 — 17). 

2)  du  verstehst  die  naturschönbeiten  nicht  zu  würdigen  (v.l8 — 21); 

3)  du  vermissest  die  niedem,  gemeinen  slnnlicben  genüsse,  die  das 
stadtleben  bietet  (v.  21—216),  und  dabei  sind  dir  faulpelz  die 
landlichen  arbeiten  zuwider  (v.  27 — 30). 

II.  ich  habe  recht:  denn 

1)  ich  wünsche  mir  das  einfache,  obgleich  idi  früher  allerdings  ein 
lebemann  war  (v.  31 — 36); 

2)  auf  dem  lande  lebt  man  unbeirrt  und  ungeivert  (v.  37 — 39) ; 

3)  das  land  befriedigt  die  natürlichen  bedflrfnisse  im  vollsten  masze 
V.  40-42). 

sehlusz:  also  bleib  du  nur  ruhig  auf  dem  lande  (v.  43.  44). 

Es  werden  ein  paar  werte  zur  begründung  dieser  meiner  auffassung 
hinreichen,  dasz  mit  v.  10  die  vorangehende  gedankenreihe  abschlleszt, 
hat  schon  Döderlein  gesehen;  mit  v.  11  beginnt  dann  also  eben  die  be- 
weisflUirung  oder  wesentlich  der  allgemeinere  teil  des  brlefes.  hier  nun 
aber  sors  allgemein  als  *iage'  ohne  rüokaicht  auf,  oder  geradezu  im 
gegensatz  zum  Stadt-  resp.  landleben,  d.  h.  zum  aufenthaltsorte  überhaupt 
aufzufassen,  dazu  zwingt  meines  erachtens  eben  locum  v.  12:  *wenn 
zwei  menschen  gegenseitig  mit  ihrem  lf»ose  (Ihrer  läge,  beschftftigung, 
ihrem  anite,  beruf  u.  dgl.)  unzufrieden  sind,  so  ist  es  ganz  natürlich  dasz 
jeder  sich  das  loos  des  andern  wünscht;  aber  tböricht  ist  es  die  schuld 
ihres  nicht  befriedigenden  looses  dem  orte  zuzuschieben,  wo  sie  sich  auf- 

JahrMkher  fllr  clast.  pbUol.  1868  hft  4.  19 


282  F.  Pabk:  zur  erUanmg  des  ersten  buches  der  Honziscben  epistdn. 

hdten.'   dasz  v.  27—30  eine  rein  persdniicbe  beziebong  haben,  isl  scbon 
oben  angedeutet.  —  Am  sdiwierigsten  stebl  es  offenbar  mit  den  letzten 
fünf  versen.    dasz  Hör.  hier  die  stadt  und  das  sUdtleben  als  etwas  wirli- 
lich  fibles  hinstellen  will,  gebt  mir  deutlidi  aus  der  wähl  des  aasdnicks 
rodere  hervor:  die  mahlzeiten  der  diener  und  sklaTen  in  der  Stadt  waren 
knapp.   Ihnen  gegenOber  steht  also  der  usus  hgnorum  etpecoris  ei  harti 
auf  dem  lande  als  der  Inbegriff  der  (uUe,  und  zwar  gerade  im  sinne  des 
Hör.  selber,  wie  dies  namentlich  dadurch  angedeutet  wird,  dasz  er  den 
calo,  der  (mit  ihm)  dieser  ansieht  ist,  als  arguius  (=  sdilau)  belobt, 
mag  man  nun  aber  m  den  versen  40—43  vorzugsweise  persönliche  oder 
allgemeine  beziehungen  erblicken,  jedenfalls  ist  es  unpassend  den  tadel 
der  Unbeständigkeit  und  Inconsequenz  darin  finden  zu  wollen,  da  diese 
fehler  schon  v.  14  f.  gerügt  worden  waren,   der  sinn  der  worte  v.  40 — 
42  ist  demnach:  'thöricht  ist  es  sich  von  dem  mit  allen  vorrllen  reich 
gesegneten  lande  nach  der  stadt  zu  sehnen,  wo  alles  knapp  zugeht'  es 
hat  also  dieser  gedanke  mit  dem  in  v.  43  f.  ausgesprochenen  direct  gar 
nichts  zu  thun.    auch  ist  es  nun  ebenso  unstatthaft  in  den  beiden  letzten 
versen  einen  tadel  der  Inconsequenz  oder  eine  rückbeziehung  auf  die 
Worte  cui  placei  alterius^  sua  rumirutn  est  odio  sors  (v.  11]  anzu- 
nehmen; man  würde  damit  dem  Hör.  ja  geradezu  mangel  an  logik  unter- 
schieben,  vielmehr  uimt  am  Schlüsse  der  dichter  mit  dem  worte  piger 
noch  einmal  die  persönliche  rücksichtnahme  auf  den  vilicus  selbst  wieder 
auf,  und  der  sinn  ist:  'wie  es  faulheit  ist  vom  stier,  wenn  er  sich  den 
sattel  wünscht,  und  faulheit  vom  rosse,  wenn  es  pflügen  will,  so  ist  das 
grundmoüv  bei  dir  nichts  als  die  faulheit;  und  da  gilt  auch  gegen  dich 
das  wort  quam  seil  uterque,  libens  exerceai  ariemJ*   zu  beachten  ist 
dann  noch  in  v.  44,  dasz  hier  Ubens  dem  bekannten  und  von  den  her^ 
ausgeben!  angezogenen  griechischen  Sprichwort  eine  wesentliche  ßrbung 
gibt,  so  dasz  es  nicht  so  sehr  unserm  'schuster  bleib  bei  deinem  leisten' 
(d.  L  fange  niemand  etwas  an,  was  er  nicht  versteht)  als  dem  Horazi- 
schen  laetus  sarte  Uta  vives  sapienter  {ep,  1 10,  44:  s.  meine  erklSmng 
oben  s.  271)  entspricht. 

15.  Nach  der  treffenden  analyse  und  Charakteristik ,  die  Döderlein 
von  diesem  briefe  gegeben  hat,  habe  ich  nur  noch  einiges  über  die  stelle 
V.  26—32  hinzuzufügen,  wenn  nemlich  Düderlein  hinter  saevus  ein 
punctum  setzt,  so  ist  das  ein  offenbarer  lapsus;  er  hat  das  u(  in  v.  26 
übersehen,  welches  doch  unmöglich  =  veluf  genommen  werden  kann, 
sondern  eben  den  untergeordneten  Vordersatz  {ut .  .  cepit)  einleitet,  zu 
welchem  donäbai  oder  donarat  nachsatz  ist.  die  Versetzung  des  konuna 
hinter  scurra  statt  vor  diesem  worte  ist  gut;  aber  es  sind  dann  die  worte 
vagus^  non  qui  cerium  praesaepe  ienerei  als  gewissermaszen  parenthe- 
tisch dem  scurra  angefügt  anzusehen ,  und  es  wird  erst  durch  v.  29.  30 
der  eigentliche  scurra  urbanus  weiter  ausgeführt  und  geschildert.  liest 
man  nun  aber  v.  32  donarai,  so  ist  meines  erachtens  im  vordersatze 
{Maenius  ut  .  .  saevus)  der  participiaie  zusatz  rebus  maiemis  atque 
-iternis  forUter  absumpiis^  wenigstens  schon  an  dieser  stelle,  unange- 


F.  Pahle:  zur  erklärung  des  ersten  bucbes  der  Horazischeii  episleln.  283 

messen  und  boclistens  durch  die  annähme  zu  vertbeidigen ,  dasz  auch 
noch  im  stile  dieser  periode  Hör.  sich  selber  habe  ironisieren  wollen*}; 
auch  passt  das  quaerere  schJechl  zu  einem  menschen,  der  von  vater  und 
mutter  geid  geerbt  hat,  wenn  man  es  nicht  etwa  auf  das  auftreiben 
von  leckerbissen  deuten  will;  und  endlich  unterbricht  eine  nochmalige 
erwähnung  des  zustandes  und  des  treibens  des  NSnius  vor  seinem  stände 
als  scurra  (wie  sie  das  donarat  einfflhren  würde)  den  Zusammenhang 
von  V.  26 — 30  mit  dem  folgenden  (v.  33  ff.)«  ^o  wieder  von  MAnius  als 
scurra  die  rede  ist.  der  gedanliengang  ist  mit  dem  imperf.  äonabat 
vielmehr  dieser :  ^  als  Mänius  nach  Vergeudung  seines  .Vermögens  als 
scurra  lebte  und  sich  mit  seinen  bissigen  witzen  gefürchtet  machte, 
pflegte  er  gleichfalls,  wie  früher  als  er  vom  väterlichen  erbe  zehrte, 
alles  dem  bauciie  zu  opfern,  war  nun  was  er  erworben  hatte  wenig, 
dann  schimpfte  er  auf  die  schlenimer;  war  es  aber  viel  und  gut,  dann 
lobte  er  sich  ein  prasserleben.',  und  nur  so  wird  die  (ironische)  ver- 
gleichung  des  Hör.  mit  diesem  Mänius  eine  ganz  treffende:  wie  dieser 
ein  mensch  war,  qui  quidquid  quaesierat  ventri  donahat  aparo^  ge- 
rade so,  sagt  Hur.,  bin  ich  einer,  qtti  quidquid  quaesivit  donai  ventri 
avaro. 

16.  Zuvörderst  glaube  ich  nicht,  dasz  Hör.  den  ersten  teil  dieses 
briefes,  die  beschreibung  seines  Jandgutes  (v.  1-— 16),  als  wirkliche 
einleitung  zum  hauptthema  geschrieben  und  als  solche  habe  angesehen 
wissen  wollen ;  die  sache  wäre  doch  ein  wenig  zu  weit  hergeholt,  viel- 
mehr hat,  glaube  ich,  Quintius  wirklich  den  dichter  brieflich  (oder  münd- 
lich) nach  seinem  Sabinum  gefragt,  und  darauf  gibt  ihm  Hör.  eben  die 
beschreibung  desselben;  aber  auf  diese  weise  einmal  genötigt  an  Quintius 
zu  schreiben,  benutzt  er  diese  gelegenheit  dazu  dem  jungen  manne,  der, 
wie  er  ohne  frage  überhaupt  glücklich  situlert  war,  gerade  damals  viel- 
leicht einen  ganz  besondern  glücksfall  erlebt  hatte,  der  überall  (omnis 
Roma  ▼.  18)  von  sich  reden  machte,  die  aufforderung  zugehen  zu  lassen, 
er  möge  das  wahre  glück  niciu  in  äuszerlichkeiten ,  sondern  In  tugend 
und  Weisheit  suchen,  und  zugleich  —  wie  auch  in  andern  briefen  —  in 
halb  ernster,  halb  scherzhafter  weise  einige  sätze  der  stoa  poetisch  zu 
illustrieren,  der  Übergang  dazu  scheint  mir  nicht  stricter  als  z.  b.  in 
ep.  I  12  der  von  den  Studien  des  Iccius  zur  empfehlung  des  Pompejus 
Grosphus,  wenigstens  bei  weitem  noch  nicht  so  strict  wie  z.  b.  in  I  10 
der  Zusammenhang  zwischen  v.  1—25  und  v.  26—48. 

In  der  beschreibung  des  landgutes  nun  wäre  es  doch  gar  zu  auf- 
fällig, wenn  Hör.  von  cornellen  und  schieben,  von  eichen  und  steineiclien 
spräche  und  dann  hinzusetzte :  'die  sind  aber  nicht  da'  —  abgesehen  da- 
von dasz  dann  auch  si  ferreni  stehen  müste.  mir  scheint  si  ferani  ein- 
fach aus  der  Vorstellung  heraus  gesagt,  die,  der  Wirklichkeit  entspre- 
chend, Quintius  sich  vom  Sabinum  macht  oder  vielmehr  machen  soll ;  und 


*)  natürlich  bliebe  die  sache  auch  dann  noch  dieselbe ,  wenn  wirk- 
lich ein  punctum  hinter  saemu  gesetzt  würde. 

19* 


284  F.  Pahle:  sur  erUärung  des  ersten  bacbes  der  Horazischen  epistdn. 

dicas  dessdbigeogleichen  (vgl.  epod.  2, 39).  docb  mag  Döderiein  immer- 
bin  darin  recht  baben,  dasz  iUcas  als  nachsatz  zu  si  ferani  aufzafassen 
ist  und  denuacb  binter  umbra  kein  fragezeichen  sieben  darf:  dann  heiszt 
die  stelle  etwa  so :  *ja ,  wenn  du  dir  dazu  noch  comellen  und  schieben, 
eichen  und  iLSStanfen  vorstellst,  so  lidnntest  du  wol  sagen,  das  ganze 
mache  einen  eindrucl[  wie  eine  tarentinische  landschaft.' 

Des  zweiten  bauptteiles  Icem  ist  oflTenbar  enthalten  in  den  versen 
19.  20:  im  anscblusz  an  das  iaciamus  iam  pridem  amnis  te  R&ma  bea- 
tum  (v.  18]  fordert  Hör.  den  Quintlus  zunächst  auf,  in  diesem  puncte 
sich  nicht  auf  das  urteil  anderer  zu  verlassen,  sondern  sich  selbst  zu 
prOfen,  und  zwar  in  rficksicht  auf  tugend  und  Weisheit,  die  allein  glück- 
lich machen,  man  siebt ,  es  wäre  vielleicht  stricter  gewesen  den  zweiten 
gedanken  voranzustellen :  tugend  aber  und  Weisheit  machen  allein  glück- 
lich ,  und  in  bezog  darauf  traue  nicht  dem  urteil  anderer,  sondern  fVti^ 
ceauTÖV.  diese  beiden  hauptgedanken  finden  einige  erklärer  durch  die 
beiden  'gleichnisse  v.  19 — 24  nur  veranschaulicht ,  nicht  auch  ausge- 
führt und  erweitert,  die  erweiterung  derselben ,  und  zwar  als  zu  einer 
einheit  verbunden ,  liegt  im  ersten  gleicbnis  fflr  mich  zunächst  in  dem 
dissimtdes:  Mu  kennst  deine  fehler,  suchst  sie  aber  zu  verheimlichen 
und  wirst  also  zum  heucbler';  eine  zweite  erweiterung  liegt  dann  in 
dem  donec  manüfus  tremor  incidat  unciis^  d.  h.  'bis  die  schände  dann 
doch  an  den  tag  kommt.'  das  andere  gleicbnis  endlich  bringt  die  ferne- 
ren Zusätze:  1)  incurata  d.  h.  *bei  solchem  verheimlichen  unterl>leibt 
in  der  regel  die  besserung';  2)  stultorum^  also  'solches  verfahren  ist 
tböricht*. 

Die  erklämng  des  nächstfolgenden  ist  wol  wesentlich  von  der  auf- 
fassung  der  worte  netnpe  vir  bonus  et  prudens  dici  deUctor  ego  ac  tu 
(v.  32)  abhängig,  diese  aber  als  worte ,  als  sentenz  des  Hör.  selber  zu 
fassen,  verbietet  die  v.  33 — 40  folgende  diatribe  gegen  die  werthscbätzung 
der  stimme  des  publicums ,  und  namentlich  hier  die  worte  fahus  hanar 
iuvat  quem  nisi  mendacem?  (v.  39.  40),  die  offenbar  beweisen  dasz  Hör. 
nicht  von  sich  sagen  konnte  ego  delector  dici  tir  bonus  et  prudens, 
faszt  man  dieselbe  stelle  aber  als  einwand,  den  der  dichter  dem  Qnintius 
in  deu  mund  gelegt  habe ,  und  das  ego  ac  tu  =:  *wir  alle',  so  vermisse 
ich  nicht  nur  vor  qui  dedit  ein  at  oder  verum  als  andentung ,  dasz  eben 
das  vorhergebende  ein  einwand  sein  sollte ,  zu  dessen  Widerlegung  der 
dichter  nun  übergeht,  sondern  namentlich  finde  ich  es  auch  aufTallend, 
dasz  Hör.  seinem  gegner  für  *alle'  gerade  den  ausdruck  ego  ac  tu  hätte 
in  den  mund  legen  sollen,  da  er  doch  im  folgenden  gerade  sich  selber 
von  diesen  *allen'  ausnimt.  so  bleibt  mir  nichts  übrig  als  die  worte 
nempe  vir  bonus  usw.  als  den  inhalt  des  respondes  aufzufassen,  als 
die  antwort  die  üach  des  Hör.  meinung  Quintlus  möglicherweise  gd>en 
kdnnte,  aber  nicht  geben  soll,  wenn  man  ihn  als  weisen  und  tugend- 
haften mann  bezeichnete,  so  ist  also  pateris  v.  30  proleptisch  gesagt ; 
streng  logisch  müste  es  beiszen:  cum  sapiens  emendatusque  vocaris^ 
hocine pateris  et  tuo  nomine  —  die  sodes  —  respondes:  nempe  vir  bonus 
usw.   das  nempe  im  anfange  der  rede  hat  offenbar  iHchts  auffälliges:  der 


F.  Pahle:  zur  erklärung  des  ersten  bucbes  der  Horazischen  episteln.  285 

antwortende  gibt  damit  zu  erkennen,  v?ie  natflrlich  und  selbstverständlicb 
es  ibm  scheint,  dasz  er  über  ein  solches  compJiment  sich  freut  {delector). 
dagegeu  ist  jetzt  ac  tu  nicht  ohne  grosze  sehwierigkeiL  eine  zeit  lang 
glaubte  ich  ac  als  prägnanten  ausdruck  für  aeque  ac  fassen  zu  dflrfen, 
so  dasz  die  ganze  anlwort  den  sinn  enthielte :  'natürlich  freue  ich  mich 
sehr  ein  guter  manu  genannt  zu  werden,  gleichwie  du';  das  wäre  dann 
entweder  soviel  als  'gleichwie  du  dich  ober  solchen  guten  ruf  freuen 
würdest',  oder  —  da  dieser  sinn  durch  die  erklärung  des  lior.  y.  39  f. 
abgeschnitten  ist  —  'gleichwie  du  selber  ein  guter  mann  bist',  in  wel- 
chem letztem  falle  also  der  becomplimentierte  das  compliment  freilich 
annähme,  aber  höAicherweise  auch  sofort  erwiderte,  indessen  fühle  ich 
das  willkürliche  dieser  Interpretation  zu  sehr,  als  dasz  ich  mich  dabei 
beruhigen  könnte,  gehen  wir  aber  auf  das  ttio  nomine  zurück ,  so  kann 
dies  in  dem  zusammenbange,  wie  ich  ihn  aufgefaszt  habe,  nichts  anderes 
heiszen  als  'antwortest  du  dann  so ,  dasz ,  während  jemand  zu  dir  von 
einem  tu  sprach,  du  dies  iu  auf  deine  eigne  person  beziehst,  und 
antwortest  du  also  mit  einem  auf  deine  eigne  person  bezüglichen 
egoV  man  sieht,  so  hat  die  antwort  bis  zu  ego  einen  guten  sinn;  dieses 
pronomen  ist  nicht  des  nachdrucks  wegen  hinzugefügt,  sondern  nur  der 
deutlichkeit  wegen  gerade  in  rflcksicht  auf  das  iuo  nomine:  'natürlich 
freue  ich  mich  über  dies  compliment,  welches  ich  allerdings  mir  an- 
eignen zu  dürfen  glaube.'  (einen  ähnlichen  gedanken  hat  schon  Dfintzer 
hier  gesucht,  aber  freilich  alles  in  den  bloszen  worten  respondesne  iuo 
nomine  finden  wollen.]  mit  ego  aber  möclite  ich  nun  auch  die  anlwort 
schlieszen  und  dann  lesen:  a/,  tu,  qui  dedii  usw.,  oder  noch  lieber: 
atqm,  qui  dedil  usw.  das  iu  wäre  natürlich  =  heus  /ti,  oder  age  iam 
oder  dgl.  (vgl.  Ter.  eun,  664),  das  ai  oder  aiqui  aber  würde  die  ent- 
gegnung  des  Hör.  gegen  eine  solche  etwaige  antwort  des  Quintius  ein- 
leiten ,  die  speciell  freilich  nicht  so  sehr  gegen  die  annähme  des  compli- 
mentcs  au  sich  als  wesentlich  f^^^'^ii  das  delecior  d.  h.  gegen  die  meinung 
gerichtet  ist,  dasz  man  über  solche  öffentliche  meinung  sich  Überhaupt 
freuen  dürfe. 

Blicken  wir  jetzt  zurück  auf  die  verse  25—29,  so  können  dieselben 
unmöglich  einen  andern  sinn  haben  als  den  ihnen  die  meisten  erklärer 
unterlegen,  also:  'wenn  jemand  von  deinen  kriegsthalen  in  dein  eignes 
gesiebt  hinein  rühmen  wollte  und  gar  in  die  worte  ausbräche  iene  magis 
.  .  Juppiter^  da  würdest  du  doch  gleich  sagen  können:  «das  kann  ich 
nicht  auf  mich  beziehen,  das  passt  nur  auf  Augustus» ;  warum  hast  du 
nun  nicht  dieselbe  Unbefangenheit  des  urteils  über  dich ,  wenn  man  dich 
als  weisen  und  fehlerfreien  mann  rühmt?'  aber  in  welcher  logischen 
beziehung  stehen  uun  diese  beiden  sätze  zu  einander  und  in  welchem  zu- 
sammenhange stehen  sie  zum  ganzen?  ich  meine.  Hör.  will  eben  mit 
diesem  gegensatze  zwischen  den  kriegstliaten  und  der  tugendhaftigkeit 
des  weisen  darthun,  dasz  es  schwer  ist  sich  inwendig  zu  kennen, 
dasz  die  forderung  des  Tvai6i  ceauTÖv,  die  er  v.  19  an  Quintius  stellte, 
eine  schwer  erfüllbare  ist,  weil  sie  von  dem  menseben  verlangt  dasz 
er  sein  innerstes  ich  zum  gegenstände  seiner  beobachtung  und  prüfung 


, .  ,  ,^  -..-ii  j;»    rtf^niixia    Jiii     «siit^ia     ii'«?a' '    ina    laiiA  "w^t^sr 

*  -  ^-     «»nn   n-«    :«*a    u  ,1:1   .mt  »»»5*  tuei*  —  um  sau  nlte  Bvr. 

;;h'  ^»"^«r  in'  »i»*r  ^a  «r  3-::*-ca  -inca  'naipn  -nmi  ]iiizm!i:rs9  w-ii. 
v»4t*M*»  i;h«  :f»  •*?.*r:i  -m  ^«*i*:2i!9  -oimii.uiesi  unnimt.  TPnntrfi  wisi  s 
^n#^    -r*.fii^rr.»*»t     ri*i*"-riir* .    n    aarai    -r   iiea    a   reai  Tam^aiae  ojr 

:^T''4f^  r>»?i»n  li*^  n«*!iiniiir.  nax  oai  ii«:a  Uät  *m  .ria:stiir?a  ir!£5i  -ie^ 
,i»»i»=^;«nw  'r«v?f  tür*.*  nui  "laa  irreii  «r  lI«l^e  m  jß6zn:z  waf  «Ik 
♦f«;«r-,iii,»rc^C'*a'»r!ui'*«i  iBi^  lUMucaiffl  si  TnixEL'ümiuz  inii  uiwsUBdig; 

*•  »rT^   '     ;:^, — t4i:    iin-a    st    ui:«  m   jt'aciuea.   usz   li«  jmwrv.iagea 

..n»:»/7^ri.j?  ^»»r*!«!,  u  «snAXi  unpiiiiefiu.  Uta  utr  licnter  _^a  rvioich^ 
1»  r  ^.r*»i  -w  il .  twx  Tum  Hü"  lie  ^iH?  la'nrettg  i€r  TttsiiX.  iem  ^cw^tht 

V    14")'  >jii  nv<»:f»»r  jnnrt  j^crnni.  ▼i^iuiL  jun  ml  iis  irtesi  tes  pnüii- 

ii«»7frT>  7**r^»>hrt  iriBic.  TDd  fi*riiab«  -uüiL  n  lieser  aU«m«üimeit  bt» 
/  72  nz-J,  l<»fl  .i*':^*»»  •D«'  fiihrt  iiKPr  ncaier  »1,  bisz  «r  D;}ch weist. 
-.•"^  <<^  iii*t  tpr,  :«r<»irncr  j#*?ni  pnüJicnm  .ur  'z^l  iJl.  üt»  Jennocb  Ji 
i^r  'hM  n^rixi  mt ;  mit  »i  iommi  ■s'  Jiiiir?^  zu.  emer  tednitioa  <ii!s  b«« 
jr  (f*»-«  '^'if'.  Im  <r  »5ii#»n  ancia  aat.  -jm  ien  laiiem  uüJ  semer  aiifr«ipie- 
rm7  ▼.  2^^  »1  !w»xrriiiit«»a ,  aemiicii  im  aaciiznw^isen  Jas  nur  oärtits 
^f  n^y^e^ivt  wihrnaft.  /i 'uJi^uüi  üucheii.  w  smii  Itain  in  ».  4<> — 72 
^i#v»  v»i«<eii  h*?ru»hiiii{j»»a  iiircli  einofliter  v«rw)uai:  die  »«nirteiluag  des 
*)rVil<4  4<*r  m<nije  ia  iw^k:  auf  'likraiiP  rind  itir  Oii<:hwie!:k,  «iasz  das,  vis 
4>,  m^n'jre  'f47^n«<'  aennt .  aicht  zorn  «nor^ii  ziiici  fuhr«. 

rH^4^,  4^pp^ir«  h<2ieh:in^  AHA  Criu  znniciiist  t.  10^43  am  deut- 
le S-iM?»  4;>nÄ  hervor,  w^aa  wir  rfie  dr«  «tie  ^ji  <:)0fur«/<4i  .  .  «maf « 
^/^  mnlUt^  ,  ,  liU$  tihd  77/4  res  .  .  Uikentur  iLch:  als  die  aiitwort  eines 
^ftU^  4.  $.  d^r  tu^,n7t  auf  di<  fraje  nr  bomus  e^  qvis?  aofTssscB  und 
Anf\^h  m»^p»m^i^«in,  %ftU*Um  qim  hier  Tier  fragen  asyndelisdi  coor- 
d'rOf^ff  d^k^:  denn  li^i  der  ersters  interpoBcüoB  würde  eben  die  ersten 
l>^/f^hrm^  d^  ^an/^n  deduction  aosjciiiiesalicb  berf ortreten ,  und  dasz 
Wff  )h»j  df,f  letztem  mterponction  die  leuiere  beziehung  nicht  allein 
h)myiUp.n  laM^,  hindert  f/>frirt  ^m  sed  v.  44,  welches  ja  geradezu  be- 
«Af^f^  f\4%/y  Mor«  eben  auch  damit  beschäftigt  ist  das  urteil  der  menge  za 
whhrhyfjt,  —  Was  nnn  die  worterfclämog  dieser  stelle  anlangt,  so  kann 
hh  tn)tM  imhi  flf>ef zeugen  dasz  hier  von  männem  die  rede  sei,  die  in 
ni»niUf.\iP.n  Ämtern  und  wflrden  stehen,  die  in  v.  42  und  43  oder  doch 
die  In  t.  43  liezelchneten  persönlichkeiten  finden  wir  äugen- 


F.  Pahle:  zur  erklärung  des  ersten  buclies  der  Horazischen  episteln.  287 

scheinlich  wieder  in  v.  57 ,  wo  es  heiszl  vir  banus  omne  forum  quem 
spectat  et  omne  tribunal:  der  vir  bonus  quem  spectai  omne  tnbunal 
ist  aber  der,  zu  dem  der  gerichtshof  als  zu  einem  vir  bonus  hinaufsieht, 
oder  —  wenn  wir  den  fQr  uns  hier  vorläufig  nebensachlichen  begriff  der 
hewunderung  weglassen  —  den  der  gerichtsliof  für  einen  vir  bonus  hall; 
diese  seine  ansieht  zu  bekunden  aber  ist  der  gerichtshof  nur  dann  in  der 
läge ,  wenn  der  mann  vor  gericht  steht,  und  da  wird  wol  beim  vir  bonus 
jeder  nicht  an  einen  angeklagten  denken,  sondern  an  einen  testis  und 
zwar  quo  eausae  tenentur  d.  i.  der  die  processe  gewinnen  macht  durch 
sein  Zeugnis,  ist  femer  tribunal  der  geriditshof,  so  geht  forum  auf 
private  geldgeschdfle;  vir  bonus  quem  forum  spectat  ist  also  der  spon" 
sor  quo  res  tenentur^  nalQrlich  nicht  in  bezug  auf  seine  Zahlungsfähig- 
keit, sondern,  wie  der  testis  quo  eausae  tenentur^  in  bezug  auf  seine 
moralische  Zuverlässigkeit  und  glaubwflrdigkeit.  wird  nun  aber  ein  sol- 
cher mann  als  Sponsor  oder  testis  verwandt,  so  ist  das  ja  nur  eine  ver- 
Irauenssache  von  seilen  des  publicums.  wenn  nun  aber  v.  56  vom  spon' 
sor  und  testiSy  die  als  glaubwürdig  gelten,  wieder  die  rede  ist,  v.  46—56 
dagegen  augenscheinlicli  vom  ^geselzmäszigen'  gehandelt  wird ,  so  musz, 
wenn  wir  nicht  dem  dichter  eine  logische  confusion  zuschreiben  wollen, 
der  ^gesetzmäszige'  auch  schon  vorher  erwähnt  sein,  so  dasz,  wie  v.  57 
— 62  sich  auf  v.  43,  so  v.  46 — 56  gleichfalls  auf  etwas  vorhergenanntes 
zuröckbeziehl:  also  ist  v.  41  servat  =  observat.  nun  aber  bliebe  end- 
lich für  den  v.  42  erwähnten  iudex  kein  räum,  wenn  wir  uns  unter  ilim 
einen  vom  Staate  gesetzten  richter  vorstellen;  es  ist  dies  vielmehr  der- 
selbe (vermeintliche)  ehren-  und  biedermann  wie  der  v.  43  genannte,  und 
wie  ihn  hier  das  allgemeine  vertrauen  in  seiner  Zuverlässigkeit  und 
glaubwOrdigkeit  zu  bfirgscliaflen  und  Zeugnissen  heranzieht,  so  überträgt 
ilim  dasselbe  vertrauen  in  seine  Unparteilichkeit  das  amt  eines  scliieds- 
richlers  qui  secat  lites^  d.  i.  also  der  den  (gerichtlichen)  process  ab- 
schneidet (verhütet  oder  abbricht) ,  weil  beide  parteien  sich  willig  seinem 
Spruch  unterwerfen,  also  sind  wesentlich  zwei  kategorien  von  vermeint- 
lichen boni  viri  in  v.  41 — 43  bezeichnet:  der  ^gesetzmäszige'  und  der 
'mann  des  öffentlichen  Vertrauens'. 

Beide  kategorien  werden  nun  v.  44  f.  zunächst  als  eine  einholt  be- 
handelt, und  zwar,  wie  das  sed  andeutet,  in  rficksicht  auf  den  öinen 
zweck  der  ganzen  mit  v.  40  begonnenen  auslassung,  nemlich  in  rücksicht 
auf  die  kritik  des  urtells  der  menge :  von  ihr  heiszt  es  also  zunächst  — 
und  es  ist  dies  der  zweite  grund ,  warum  man  auf  die  öffentliche  mei- 
nung  nichts  zu  geben  habe  —  dasz  sie  leicht  oberflächlich  und  nach 
dem  ersten  schein  urteile;  denn  manclier  der  fQr  *gesetzmäszlg'  gelte, 
und  mancher  der  als  'mann  des  allgemeinen  Vertrauens'  dastehe,  ver- 
danke dies  nur  dem  umstände,  dasz  er  den  ferner  stehenden  unbekannt 
sei,  während  die  ihm  näher  stehenden  {domus  et  vicinia)  seine  fehler 
sehr  wol  kennen. 

Mit  V.  46  werden  nun  scheinbar  beide  kategorien  gesondert,  und 
zwar  V.  46 — 56  zunächst  der  'gesctzroäszige'  gewflrdigL  eingekleidet 
Ist  dieser  ganze  abschnitt  in  ein  gespräch  zwischen  einem  sklaven  und 


288  F.  Pahle:  zar  erkUruDg  des  ersten  buches  der  HoraziseLen  epistein. 

seinem  herm.  der  ganze  abschnitt:  denn  wenn  es  auch  nicht  nötig 
sdieint  die  worle  ▼.  50 — 56  als  direae  antwort  des  Sabellns  und  ein* 
rede  desselben  gegen  den  anspnich  des  Sklaven  auf  das  prftdicat  btmus  et 
frugi*)  tu  bezeichnen,  so  bekundet  doch  v.  55  das  beispid  vom  bohnea- 
dlebstahl  IQr  diebstahl  Oberhaupt  zur  genüge,  dasz  bis  zum  schlösse  dem 
dlditer  das  gleichnts  vom  Sklaven  vorgeschwebt  bat  so  ist  denn  aucli 
du  tu  natürlich  zunächst  nicht  allgemein  (=  man),  sondern  nur  ab  be- 
Zeichnung  des  Sklaven  aufzufassen ,  ohne  dasz  wir  freilich  darum  uns  bei- 
kommen  lassen  dftrflen  admütes  zu  ändern  in  admäüs,  da  das  futurum 
vielmehr  eine  geheime  bediogung  andeutet  (*wena  du  wirklich  nie  soll- 
test dich  zu  einem  vergehen  hinrelszen  lassen,  so  wird  es  stets  nur  die 
furcht  vor  der  strafe  sein,  die  dich  davon  abgehalten  hat').  —  In  bezug 
auf  den  ersten  zweck ,  die  Widerlegung  des  urteils  der  menge,  ist  der  ge> 
dankengang  klar  genug;  Hör.  sagt:  'der  «geselzmäszige»  ist  nicht  banus: 
denn  o)  ISszt  er  sich  wirklich  nichts  zu  schulden  kommen,  so  geschieht 
dies  nur  aus  furcht  vor  der  strafe,  während  doch  der  wahrhall  gute  als 
einziges  motiv  seines  handelns  die  liebe  zur  tugmd  kennt;  b)  danim 
eben  handelt  ein  solcher  gesetzmtelg  in  der  regel  nur  so  lange,  als  er 
sich  beobachtet  glaubt  oder  weiss,  während  er  Im  umgekehrten  falle,  also 
namentlich  iu  kleinigkellen ,  es  mit  dem  gesetze  keineswegs  genau  nimL* 

Hieran  knflpft  sich  (v.  57 — 62)  unmittelbar  der  gedenke,  dasz  es 
mit  dem  'glaubwQrdigen'  ebenso  stehe,  nemiich:  *manch  solcher  ver- 
meintlicher biedermann  steckt  voller  lug  und  trug'  {fraudibus  v.  62). 
berechtigt  hierzu  ist  Hör.  dadurch,  dasz  jene  beiden  kategorlen,  die  wir 
des  genauen  Verständnisses  wegen  scharf  trennen  musten ,  in  der  Wirk- 
lichkeit ziemlich  zusammenfallen:  denn  der  'glaubwürdige  und  zuver- 
lässige', der  'mann  des  allgemeinen  Vertrauens'  ist  dies  eben  nur  so 
lange,  als  er  im  rufe  der  'geselzmäszigkeil'  steht;  wird  es  von  ihm  be- 
kannt dasz  er  z.  b.  gestohlen  hat,  so  ist  es  mit  dem  öffentlichen  ver- 
trauen sofort  aus. 

Der  zweite  zweck  der  ganzen  mit  v.  40  beginnenden  betrachtung, 
die  definitlon  des  begriffes  *gut',  tritt  aber  gleichfalls  deutlich  und  be- 
stimmt in  V.  52  hervor,  und  gleicherweise  endlich  ist  der  ansatz  zum 
beweise,  dasz  nur  der  wahrhaft  'gute'  glücklich  sein  könne,  gemacht, 
denn  wenn  der  'gesetzmäszige'  furcht  (vor  strafe)  hat,  so  ist  er  damit 
nach  allbekannter  lehre  der  stoa ,  die  v.  66  sogar  direct  angezogen  wird, 
nicht  glücklich,  am  wenigsten  dann,  wenn  er  sich  geheimer  vergehen 
schuldig  weiss,  um  deren  willen  er  in  angst  schweben  musz  (v.  61  f.), 
wohingegen  der  wahrhaft  gute,  der  nur  aus  liebe  zur  tugend  handelt, 
solche  furcht  und  angst  nicht  kennt. 

Mit  v.  63  beginnt  nun  der  gedanke ,  dasz  auch  der  von  leidenschaf- 
ten  —  die  avariiia  ist  als  beispiel  gewählt  —  behersclite  nicht  gut  und 
nicht  glücklich  sei.    hier  stellt  Hör.  aber  das  zweite  voran:  denn  die 


*)  im  sinne  des  Sklaven  ist  natürlicb  der  satz  tum  bonus  et  frugi 
die  notwendig  sich  ergebende  fol^emng  aus  seinen  Vordersätzen ,  also: 
nee  furtum  fed  nee  fugi^  non  lumänem  occidi,  ergo  sum  bonus  et  frugL 


P.  Pahle :  zur  erklärang  des  ersten  buches  der  Horazischen  episteln.  289 

verse  63—66  beweisen  ja ,  dasz  der  geizige  ebenso  unfrei  wie  ein  sklav 
d.  i.  also  ungtöcklich  sei.  v.  67.  68  folgt  dann  die  behauptung,  dasz  ein 
solcher  geiziger  nicht  *gut'  sei  (locum  viriutis  deseruit),  ziemlich  ver- 
steckt liegt  dann  die  beziehnng  auf  das  gewöhnliche  urteil  des  imbücums, 
doch  finde  ich  diese  in  den  versen  69 — 72,  die,  wenn  sie  nicht  eine 
ziemlich  ungehörige  nebenbemerkung  enthalten  sollen,  nur  den  sinn  haben 
können ,  dasz  Hör.  sich  den  einwand  gemacht  denkt ,  ein  solcher  avarus 
werde  ja  aber  nicht  (vom  gesetze)  bestraft,  könne  also  nicht  einer  sein 
gut  locum  virtutis  deseruit^  und  dasz  er  dagegen  darauf  aufmerksam 
macht,  wie  der  habsüchtige  seine  strafe  schon  trage  in  seinen  milben 
und  sorgen,  damit  ist  denn  zugleich  noch  einmal  und  in  anschaulichster 
weise  das  'unglück'  des  habsQchtigen  dargethan. 

Und  diesem  *unglflck'  des  habsüchtigen  stellt  nun  Hör.  gegenüber 
das  *glflck'  des  guten,  welches  in  der  vollkommensten  seelen-  und  ge- 
mfltsruhe  besteht,  für  welche  ein  sogenanntes  (tnszeres)  ^unglüok'  gar 
nicht  existiert,  weil  sie  sich  davon,  und  wäre  es  der  tod  selber,  gar  nicht 
stören  llszt. 

17.  Die  Worte  v.  41.  42  kann  man  richtig  nur  dann  verstehen, 
wenn  man  sie  eng  mit  dem  vorhergehenden  verbindel  und  als  schlusz- 
folgerung  ans  demselben  ansieht  mit  v.  33  kommt  Hör.  darauf,  dasz 
die  gunst  und  freundschaft  der  vornehmen  zu  suchen  ehrenhaft  sei. 
nachdem  er  v.  33  f.  angedeutet,  dasz  diese  art  der  ehrenbaftigkeit  aller- 
dings eine  bescheidene  sei  im  vergleich  mit  andern,  stellt  er  v.  35  die 
betreffende  behauptung  auf;  mit  v.  36  beginnt  also  der  beweis  dieses 
Satzes,  der  dahin  verläuft:  'es  erfordert  der  Umgang  mit  vornehmen  ge- 
wisse Leistungen  und  anstrengungen ;  schon  mancher  hat  sich  dadurch  ab- 
schrecken lassen  —  hat  also  nicht  derjenige  vhHiier  gehandelt,  der  diese 
lasten  auf  sich  nimt  und  zum  ziele  gelangt  (v.  38)?'  danach  kann  der 
satz  (Oqui  hie  est  aut  nusquam  quod  guaerimus  nichts  anderes  heiszen 
als:  ^aber  darauf  kommt  es  ja  gerade  bei  unserer  Untersuchung  an': 
nemlich,  wenn  es  sich  um  die  ehrenbaftigkeit  der  Stellung  eines  gesell- 
schafters  handelt,  so  ist  eben  die  frage  zu  untersuchen  und  zu  entschei- 
den, ob  er  fririUter  gehandelt  habe;  wird  diese  frage  bejaht,  so  ist  auch 
die  frage,  ob  seine  Stellung  ehrenhaft  sei,  selbstverständlich  bejaht,  nun 
hatte  aber  bis  dahin  der  dichter  den  begriff  der  mit  der  erringung  solcher 
siellung  verbundenen  lasten  bei  weitem  nioht  so  deutlich  hervorgehoben, 
wie  es  in  der  obigen  paraphrase  geschehen ;  und  doch  ist  gerade  dieser 
begriff,  da  aus  ihm  der  des  tiriUier  gefolgert  wird,  ein  höchst  wichtiger : 
darum  nimt  Hör.  den  gedanken  v.  37  f.  noch  einmal  mit  stärkeren,  deut- 
liclieren  werten  {hie  onus  horret  • .  perferi)  wieder  auf,  um  dann  den- 
selben schlusz,  der  in  dem  fragsatze  feciitm  virililerT  (v.  38)  nur  in- 
direct  angedeutet  war,  gleicbfalb  in  kräftigerem  ausdruck  hervortreten 
zu  lassen,  die  virtus  (v.  41)  entspricht  so  ganz  dem  ficä  nrnUier  (v.  38) 
und  helszt  also  '  männlichkeit ,  mannhaftigkeit'  und  hat  mit  unserem 
begriffe  der  *tugend'  nichts  zu  thun;  experiens  mr  ist  der  mann  der 
CS  versucht  (die  freundschaft  und  gunst  der  groszen  zu  gewinnen)  und 


290  F.  Pahle:  zur  erklärung  des  ersten  boches  der  Borazischen  episteln. 

durchsetzt  (?gl.  ep.  I  18,  86  f.);  decus  et  prelium  endlich  ist  die  aner- 
kennong ,  dasz  seine  Stellung  eine  ehrenhafte  sei ,  eine  anerkennung  auf 
die  er,  da  er  ja  virüUer  gehandelt,  mit  recht  anspruch  machen  darf 
(rede  petii).  demnach  übersetze  und  umschreibe  ich  den  letztern  gedan- 
ken  so:  'entweder  ist  «mannhafUgkeit»  ein  leerer  schall,  oder  der  manu, 
der  es  versucht  und  durchsetzt,  verdient  das  prädicat  der  mannhaftigkeil 
und  macht  also  mit  recht  anspruch  auf  ehre  und  lohn.' 

Mit  dem  znsatz  ei  pretium ,  ivofär  man  eigentlich  nur  preiium  als 
apposilion  zu  dectu  erwartete,  bahnt  sich  der  diditer  den  weg  zu  der 
folgenden  launigen  und  scherzhaften  anweisung,  wie  man  nach  errunge- 
ner gunst  bei  dem  rex  am  meisten  herausschlagen  könne,  nemlich  durch 
beschekienheit:  *um  nun  aber  schlieszlich  möglichst  viel  pretium  heraus 
zu  bekommen  für  die  gehabten  anstrengungen,  musz  man  nur  ja  recht 
l)escheiden  thun:  denn  ein  solcher  bekommt  in  der  regel  am  meisten, 
und  unverschämte  forderer  und  bettler  können  es  sogar  dahin  bringen 
dasz  sie  gar  nichts  bekommen'  —  das  ist  der  Inhalt  von  v.  43 — 62,  and 
mit  diesem  gedanken  weist  der  dichter  zurück  auf  v.  12,  in  welchem  er 
schon  aussprach,  dasz  der  materielle  vorteil  allerdings  vorzugsweise  es 
für  einen  mann  ohne  vermögen  wünschenswerth  und  rathsam  erscheinen 
lasse  die  gunst  eines  vornehmen  zu  suchen,  so  erscheinen  die  v.  13-— 42 
für  das  eingehen  eines  solchen  Verhältnisses  vorgebrachten  gründe  mehr 
in  zweiter  llnie  oder  eigentlich  mehr  nur  die  vorwürfe  als  ungerecht- 
fertigt abwehrend,  die  man  einem  hausfreunde  wol  macht,  nemlich  er  sei 
1)  ein  hofscbranze  (*das  ist'  entgegnet  Hör.  *in  gewisser  weise  ein  jeder'} 
oder  2]  ein  zierbengel  (*es  ist  immerhin  gut  sich  auch  fein  benehmen  zu 
können,  das  schlichte  und  einfache  benehmen  verlernt  man  darum  noch 
nicht')  oder  3)  ein  sich  selbst  erniedrigender  ehrloser  (*als  wenn  es  nicht 
eine  mannesarbeil  wäre,  die  gunst  eines  vornehmen  zu  erlangen,  und  im 
gegensatz  gegen  solche,  die  den  versuch  nicht  einmal  wagten,  der  wel- 
cher es  versuchte  und  erreichte  dafür  eine  ehrenhafte  anerkennung  ver- 
diente') ;  als  wesentlichen  grund  dagegen  stellt  Hör.  scherzhaft  die  ein- 
trdgliciikeit  einer  solchen  Stellung  hin,  wenn  man  es  nur  recht  anzufangen 
wisse,  and  eine  eigentliche  Instruction  hat  der  dichter  mit  v.  43  ff.  gewis 
nicht  geben  wollen. 

Aber,  so  fragen  wir  nun,  wo  bleiben  die  in  v.  2  versprochenen  ver- 
haltungsmaszregeln  im  umgange  mit  den  vornehmen?  —  denn  so  werden 
die  Worte  quo  tandem  {tenuem  Horkel)  pacto  deceat  maioribus  uti  ziem- 
lich allgemein  aufgefaszt  und  erklärt  können  wir  v.  43  AT.  auch  allen- 
falls dahin  rechnen,  so  sahen  wir  doch,  wie  diese  wesentlich  einen  launi- 
gen anstrich  haben  und  nur  in  rücksicht  auf  v.  12  scherzhaft  angeben, 
wie  man  bei  emer  solchen  gönnerschaft  am  meisten  herausschlagen  könne; 
und  doch  nach  dem  eingauge  v.  2  müsten  wir  ähnliche  lehren  und  er- 
luahnungen  erwarten,  wie  Hör.  sie  in  der  folgenden  epistel  (I  18}  an 
den  jungen  Lollius  richtet,  offenbar  haben  die  worte  quo  . .  pacio  de- 
ceat maioribus  uti  nicht  die  bedeutung  ^wie  man  sich  gegen  die  vor- 
nehmen zu  benehmen  habe',  sondern  *wie  man  sich  zu  den  vornehmen 
zu  stellen  habe'  d.  h.  ob  man  eben  ihre  gönnerschaft  suchen  oder  sich 


F.  Pahle:  zur  erklSrung  des  ersten  buches  der  Horazischen  epislelb.  291 

fern  von  Ihnen  hallen  solle,  so  ist  uior  ähnlich  gebraucht,  als  wenn 
maioribus  noch  eine  prädicallve  umkleidung  bei  sich  hatte  {ulor  äliquo 
amico)^  als  wenn  also  stall  quo  pacto  die  frage  lautete  qtdbus  {s=  als 
welchen)  deceai  maioribus  uii;  zugleich  sieht  man  hier  den  unterschied 
zwischen  modo  und  pacio :  denn  quo  pacto  heiszt  'in  welchem  vertrags- 
verhaltnis'  oder  kflrzer  Hn  welchem  ▼erhältnis',  und  ich  (Iberselze  dem* 
nach  wörtlich:  'in  welchem  Verhältnis  man  zu  den  vornehmen  (im  Um- 
gänge) stehen  soll.'  dies  ist  also  des  dichters  eigentliches  thema:  so 
erhellt,  wie  die  ganze  epistel  wesentlich  als  apologie  und  eropfehlung 
der  clienlel  angesehen  werden  mnst, 

18.  Im  allgemeinen  ist  der  gedankengang  dieses  briefes  klar  genug 
und  von  den  meisten  herausgebern  auch  richtig  angedeutet;  etwas,  wie 
ich  glaube,  wesentlich  neues  habe  ich  nur  über  die  stelle  v.  86 — 95  hin- 
zuzufügen,  bekanntlich  hat  Ddderlein  vorgeschlagen  die  verse  89 — 93 
nach  v.  66  zu  versetzen,  weil  sie  gerade  wie  v.  39 — 66  den  hausfreund 
warnen  vor  disharmonie  mit  dem  gönner,  und  zwar  nur  a)  in  dessen 
einzelnen  wünschen  (v.  39 — 66),  b)  im  ganzen  Charakter  (v.  89—93), 
während  (v.  86 — 88)  die  betrachtung ,  dasz  das  Verhältnis  eines  solchen 
hausfreundes  nur  ein  glänzendes  elend  sei  und  derselbe  stets  in  gefahr 
schwebe,  die  so  mühsam  erworbene  gunst  seines  patrons  mit  Einern 
schlage  zu  verlieren,  nicht  nur  die  instruction  über  das  einzuhaltende 
benehmen  passend  abzuschlieszen ,  sondern  auch  einen  trefflichen  Über- 
gang zu  V.  96  AT.  zu  bilden  scheint,  die  da  andeuten,  woran  und  womit 
der  hausfreund  bei  allen  den  Widerwärtigkeiten  sich  aufzurichten  und  zu 
trösten  habe,  und  in  der  that  gibt  eine  scharfe  analyse  der  gedanken 
und  ihrer  reihenfolge  scheinbar  stets  gegen  Hör.  oder  gegen  die  hand- 
schriften  den  verdacht  der  confusion ,  so  lange  man  eben ,  wie  es  bisher 
meines  wjssens  von  allen  erklärem  geschehen,  unterläszt  die  v.  88 — 95 
dem  Lollius  erteilten  lehren  und  Warnungen  ihrer  besondern  art  halber 
von  den  früheren  (v.  15—85)  zu  sondern,  und  sie  vielmehr  als  gleich- 
artig betrachtet,  aber  wenn  Hör.  seinen  jungen  freund  warnt  vor  rechl- 
haberei  (v.  15 — 20),  vor  groszthuerei  (v.  21 — 36),  vor  neugierde  (v.  37), 
vor  plauderhafligkeit  (v.  38) ,  vor  disharmonie  mit  den  wünschen  des 
gönners  (v.  39—66),  vor  Unvorsichtigkeit  aller  art  (v.  67— -86)  —  sind 
das  nicht  regeln  die  sich  jeder  gebildete  mann  im  umgange  auch  mit 
seinesgleichen  wol  zu  merken  hat?  sind  das  nicht  eben  im  allgemeinen 
die  anstandsregeln,  wie  sie  der  feine  ton  und  die  gebildete  gesellschaft 
überhaupt  verlangen?  und  legt  also  nicht  deren  befolgung  dem  manne 
nur  denjenigen  zwang  auf,  den  jeder  gebildete,  also  der  gönner  selbst 
wenigstens  im  umgange  mit  andern  vornehmen  sich  aufzulegen  hat?  für 
das  in  rede  stehende  Verhältnis  ist  der  sichere  tact  in  diesen  dingen 
gleichsam  nur  die  Vorbedingung,  die  vorstudie,  um  die  gunst  des  gön- 
ners zu  gewinnen  und  sich  zu  erhalten;  diese  Schwierigkeit  ist  es ,  auf 
die  Hör.  In  der  vorigen  epistel  (1  17,  35—42)  gegen  Quintius  anspielte, 
dagegen  ist  es  etwas  ganz  anderes,  wenn,  wie  Hör.  gerade  v.  89  ff. 
andeutet,  der  gesellschafter  gezwungen  sein  soll  sich  in  den  Charakter, 


292  F.'Pahle:  zur  erkliniog  des  ersten  buches  der  Bonziscbeo  episleln. 

ja  in  die  launen  und  fehler  seines  gönners  zu  schicken  d.  h.  eiuseiüg  zu 
schicken,  so  dasz  er  seinen  eignen  charakler  und  sein  eignes  lempera- 
inent  (nicht  etwa  blosz,  wie  v.  39  ff.,  einen  augenblicklichen  wünsch) 
anfgibu  wenn  zwei  gebildete  gleiches  ranges  in  ihrem  (emperament  und 
Charakter  nicht  harmonieren,  so  meiden  sie  sich  entweder,  wo  es  ohne 
anstosz  geschehen  kann ,  oder  wenn  sie  mit  einander  zu  verkehren  ge- 
zwungen sind,  liszt  jeder  etwas  von  seiner  eigentOmlichkeit  nach  und 
jeder  kommt  dem  andern  etwas  entgegen ,  damit  die  dishannonie  mög- 
liehst  ausgeglichen  werde;  will  dagegen  ein  armer  schlncker  die  gunst 
eines  vornehmen  gewinnen  und  sich  bewahren,  so  musz  er  sich  jedesmal 
in  dessen  augenblickliebe  Stimmung  selber  hineinversetzen  (v.  89  f.),  ja 
seinen  augenblicklichen  lasterhaften  neigungen  mit  fröhnen  (v.  91*~93} 
und  dann  noch  sogar  gute  miene  zu  diesem  bdsen  spiele  machen  {dewte 
superciUo  nubem  v.  94),  wenn  er  nicht  in  den  verdacht  der  verschlosse- 
nen Zurückhaltung  oder  des  herben,  wenn  auch  schweigenden  tadlers 
gerathen  will  (v.  95). 

So  stehen,  meine  ich,  die  verse  89 — 95  ganz  an  ihrer  stelle;  sie 
schildern  eben  die  grösle  und  peinlichste  Schwierigkeit,  die  mit  der  Stel- 
lung eines  gesellschaflers  verbunden  ist,  und  passend  schlieszen  sich  ge- 
rade daran  v.  96  ff.  fragt  man  nun  aber,  ob  die  werte  v.  85—88  das 
vorhergehende  (die  eigentlichen  anstandsregeln)  abschlieszen  oder  das 
folgende  einleiten,  so  antworte  ich:  beides,  denn  schon  die  befolgung 
der  vorhergehenden  regeln  und  die  Vermeidung  jegliches,  auch  des  ge- 
ringsten verstoszes  gegen  den  feinen  tact,  wie  sie  der  hohe  gönner  ver- 
langt und  verlangen  kann,  ist  eine  grosse  Schwierigkeit,  während  man 
im  verkehr  mit  seinesgleichen  doch  wenigstens  nicht  so  Ängstlich  genau 
zu  sein  braucht:  so  passt  schon  für  das  vorhergehende  das  dulds  inex- 
periis  cultura  poientis  amiciy  experius  fneiuii;  noch  schwieriger  aber 
wird  der  Umgang  mit  den  vornehmen  dadurch,  dasz  man  siel)  sogar  in 
iiu*  iemperament  und  in  ihre  jedesmalige  Stimmung  mit  hineinversetzen 
soll ,  und  für  das  folgende  passen  also  jene  worle  erst  recht  absichtlich 
aber  bat,  glaube  ich,  der  dichter  dieselben  hier  eingeschoben,  um  dadurch 
den  unterschied  in  der  art  der  beiden  Schwierigkeiten  anzudeuten,  den 
er  sonst  vielleicht  trocken-logisch  hfitte  angeben  massen. 

Zum  schlusz  nur  noch  eine  bemerkung  über  pauperias  v.  24. 
sicherlich  ist  hier  argenii  für  'silbergerit'  zu  nehmen:  denn  so  allein 
ist  fames  argenti  ein  ahnlicher  fehler  wie  der  v.  23  gerügte,  und  so 
aliein  passen  auf  denselben  die  worte  des  gönners  v.  28-— 31.  dann  aber 
ist  auch  pauperias  nicht  die  armut  an  sich  d.  h.  nicht  der  mangei  an 
geld  und  gut,  weil  dann  fuga  pauperiaHs  etwas  ahnliches  wie  habsucht, 
gewinnsucht  wftre  und  ein  solcher  fehler  von  dem  tadel  des  gönners 
V.  28—31  nicht  getroffen  würde,  vielmehr  isi paupertae  die  ärmliche 
oder  einfache  lebensweise;  dann  ist  pauperiaiis  pudor  der  fehler  dessen, 
der  einfach -bürgerlich  zu  leben  unter  seiner  würde  und  unter  seinem 
Stande  hält  und  deshalb  mehr  mitmacht,  als  sein  geldbeutel  vertragen 
kann,  und  pauperiatis  fuga  ist  der  fehler  dessen,  der  aus  eigentlichem 
gefallen  am  wolleben  d.  i.  also  aus  abacheu  vor  einscbränkungen  und 


hie:  ^Perl 


F.  Pahle:  ^PerklSruDg  des  ersten  buelies  der  Horazischen  episteln.  293 

eDtbehningen  viel  darauf  gehen  Iftszl  (also  fuga  fast  synonym  mit  oiffum 
oder  dgl.). 

19.  Dieser  brief  bezieht  sich  wesentlich  auf  tusUlnde  und  verhSIt- 
nisse,  die  uns  nur  zum  teil  und  nur  im  allgemeinen  bekannt  sind,  so  dasz 
es  sehr  schwer  ist  jede  pointe  recht  zu  verstehen  und  zu  würdigen,  da- 
her die  eigentünüichkeit  dasz,  so  nahe  sich  im  allgemeinen  die  ausleger 
stehen,  doch  wieder  jeder  ehie  eigenlflmlich  gefärbte  auffassung  des  gan- 
zen vorbringt,  ich  n&here  mich  am  meisten  Obharius  und  Krflger,  habe 
aber  doch  auch  wieder  kleine  abweichnngen  vorzubringen. 

V.  10.  11  spricht  Hör.  aus,  dasz  in  folge  eines  weinlaunigen  ge- 
dichtes  von  ihm  die  dichterltnge  geglaubt  hUtten  brav  zechen  zu  mflssen, 
um  dichter  zu  werden,  nun  kann  es  immerhin  angehen,  dasz  der  dichter 
diesen  gedanken  einleitete  mit  der  andeutung,  dasz  ja  allerdings  alle 
dichter  Uebhaber  des  welns  gewesen  seien,  so  dasz  also  v.  1-— 8  direct 
in  unsere  epistel  und  nicht  (wie  v.  8  f.  finrum  .  .  severis)  zunächst  in 
jenes  weiniaunige  gedieht  gehören  (also  etwa  so:  ^das  steht  freilich  fest, 
lieber  Mäcenas,  dasz  die  dichter  alle  gern  gezecht  haben  [v.  1 — 8];  aber 
was  soll  man  dazu  sagen,  dasz  die  dichterlinge  unserer  zeit,  sobald  ich 
die  Worte  sang  forum  .  .  severis^  sofort  sich  aufs  zechen  legten  [um  da- 
durch dichter  zu  werden,  wie  sie  meinten]?'),  indessen  sind  die  dem 
Kratinos  zugeschriebenen  worte  schon  so  sehr  ein  edictum  und  stimmen 
ihrem  Inhalte  nach  mit  den  Worten  ftn^m  • .  severis  so  sehr  überein, 
dasz  es  doch  gerathenei:  erscheint  die  ganze  stelle  v.  1 — ^9  als  brach- 
stdck  eines  früheren  gedichtes  anzusehen. 

Aber  dasz  nun  im  folgenden  Hör.  sein  bedauern  ausspreche,  dasz  er 
und  seine  dichterischen  bestrebungen  eine  solche  dasse  von  dichlerlingen 
hervorgerufen  habe,  kann  ich  nicht  finden,  er  sagt  ja  v.  10,  dasz  die 
poetae  sich  aufs  zechen  gelegt  haben,  d.  h.  also  dasz  die  leute,  die  [da- 
mals schon]  verse  machten  und  sich  ffir  dichter  hielten  und  ausgaben, 
geglaubt  hätten  durch  zechen  es  dem  Hör.  als  dichter  gleich  thun  zu 
können,  nicht  also  hat  Hör.  Überhaupt  erst  das  dichten  zur  mode  ge- 
macht, sondern  es  ist  dies  mode  geworden  schon  ehe  sein  dichterruhm 
begrflndet  war.  nur  macht  er  diesen  dichlerUngen  vorwürfe  darüber, 
dasz  sie  —  in  einer  gewissen  anerkennung  seiner  superiorität  —  ihn 
zum  muster  und  vorbild  genommen,  aber  dabei  geglaubt  hätten,  es  sei 
genug,  wenn  sie  ihn  in  einzelnen  äuszerlichkeiten ,  ja  geradezu  fehler- 
haften äuszerlichkeiten  nachahmten.  —  In  der  stelle  v.  15  —  die  wol 
nie  ganz  klar  werden  wird  —  mag  man  immerhin  rupii  für  corrupit 
nehmen;  aber  dann  erkläre  man  larbiiam  durch  larbitae  vocem^  nicht 
durch  larbUae  ariem :  denn  die  nachäffer  des  Galo  wie  die  nachäffer  des 
Horatius  (die  sich  bleichsucht  anzutrinken  suchen),  werden  damit  ver- 
höhnt, dasz  sie  fehlerhafte  äuszerlichkeiten  nachahmen,  aber  nicht,  dasz 
sie  gerade  durch  die  nachahmung  ihre  sonst  guten  anlagen  verderben 
('die  einen  wollen  die  mannhaftigkeit  und  sittenstrenge  des  Cato  nach- 
ahmen und  äffen  nur  seine  barocke  Iracht  nach;  ebenso  wollte  larbila 
den  Witz  und  die  Zungenfertigkeit  des  Timagenes  nachahmen,  äffle  abe» 


29i  f.  PaUe:  zw  crUlnuig  dcf  enteo  Inidbes  der  OoraBHdT^istelB 


■■r  des  fckarfai  toB  uiaet  spräche  «ach  nmd  ward  dadordi  beiser').  — 
Uad  tum  fdüasz  dieser  diatribe  gegea  die  aabemfeBea  dicfalerliage  und 
■acteüpr  bricht  Hör.  daui  in  die  worte  aus:  *wahrlich,  ihr  treüK  es  so 
toll,  dasx  ich  oft  Dicht  weiss,  ob  Ich  mich  dardber  Argen  oder  darfiber 
lacfaeasolL» 

Solcheni  geliebter  gegesOber  fühlt  Hör.  sich  selbst  im  seiaer  würde 
als  wahrer  dichter,  freilich  werfea  jene  Um  vor,  aaeh  er  sei  eia  nach- 
ahmer,  weao  anch  der  GriecheD;  aber  Hör.  vervrahrt  sich  eatschiediai 
dagegea,  oiit  ilmea  la  äaea  lopf  geworfea  xa  werdea:  dean  1)  er  sei 
der  erste  gewesea,  der  eiae  gewisse  dasse  voa  griechischea  mosten  auf 
ilallsehea  bodea  Ferpflaast  habe,  habe  also  vor  ihaea  so  viel  voraus,  wie 
die  bieaeaktaigio  vor  deo  fihrigeo  bieoea;  2)  er  habe  von  selaea  vor- 
bilden aar  die  versmasze  oad  den  Charakter  des  ansdncks  eatlehat,  sei 
aber  soast  durcfaaas  selbstiadig  Terfahrea.  diesea  gedaakea  schliessen 
die  Worte  iuvai  immemaraia  •  .  ieneri  (▼.  33  f.)  suaichst  ab,  iodem 
hier  der  dichter  ausspricht,  dass  er  für  dieses  ongiaale  strebea  belobni 
werde  nad  sich  belohat  fühle  durch  die  mgernd  hammes^  die  ebea  gera 
seine  werke  lesen,  zugleich  freilich  bildea  dieselben  worte  per  ooatra- 
rium  den  fibergaag  su  der  r,  35  fll  gegebeaea  erkUrang,  warum  er 
nicht  so  allgemeine  aaerkeannng  finde  wie  mancher  von  jeaea  dichter- 
lingen.  er  unterscheidet  da  erstens  die  meage,  das  grosse  publicum  fiber- 
haupt,  aus  dem  die  dichterlinge  sich  daqueurs  eiiiaufen,  wozu  er  sich 
nicht  verstehen  kdnne,  und  zweitens  die  sein  wollenden  kuastriditer,  die 
litt^raten  (im  modenen  sinne  des  Wortes),  die,  weil  er  sich  um  ihre 
zfinfte  und  cliquen  nicht  kfimmere,ihn  überall  und  namentlich  auch  damit 
zu  verkleinern  suchen,  dasz  sie  ihn  als  eingebildeten  hofpoeten  hinstellen. 

Jevbb.  Fbdsdbioh  Pahlb. 


4L 

DEB  NAHE  VIBOILIUS. ''} 


Zu  den  in  diesen  jahrbflchen  1867  s.  608  von  H.  Hagen  gegid)enen 
andeutungen  über  die  Schreibart  Virgühis  dürfte  noch  folgendes  beizu- 
bringen sein,  die  Übertragung  in  Parthenlas,  von  welcher  Hagen  be- 
richtet, mag  sich  zunächst  allerdings  auf  das  mftdchenhafle  aussehen  oder 
das  schüchterne ,  zurückgezogene  benehmen  6ßn  dichters  bezogen  haben, 
bald  aber,  als  die  Verehrung  für  ihn  und  sein  werk  sich  zum  sagenhaften 
erhob,  wurde  sie  als  zeugnis  für  die  Sittlichkeit  seines  wandeis  aofge- 


*)  [die  materielle  seite  der  frage 'nach  der  Schreibung  dieses  namens 

hat  jetzt  durch  die  sprachgeschichtliche  erörterang  in  Ritsohk  kleinen 

philol.  Schriften  II  s.  779  ff.  ihre  erledignng  gefanden,  und  swar,  wie 

«,^..n..,,.i,|igii  ^nf^  £12  ffunsten  der  schreibang  Vergüius,    dennoch  wird 

^  folgenden  historischen  notizen,  deren  Verfasser  von  Ritschis 

'er  frage  noch  keine  kenntnis  haben  konnte,  ohne  sweifel 

lesen.        A.  F.] 


Th.  Creizenach :  der  name  Virgilins.  295 

faszl.  über  diesen  punct  ist  viel  gestritten  worden ,  so  noch  von  Ch.  A. 
Klotz  (opuscula  varil  argumenti  s.  242)  und  von  Herder  (Icritische  walder  11 
s.  188  der  Originalausgabe);  doch  überwog  die  meinung  des  Servius,  der 
den  gräcisierten  namen  mit  omni  vita  probatus  umschreibt. 

Aber  das  miltelalter  brachte  den  dichter  geradezu  mit  mrgoj  der 
heiligen  Jungfrau,  in  Verbindung.  Virgil  galt  bel[annth'ch  als  christlicher 
vates,  als  verkflndiger  der  geburt  Christi ;  hi  kirchlichen  komödien  trat 
er  persönlich  auf,  wobei  man  ihm  die  worte  tarn  redit  ei  Virgo  {ecL 
4,  6)  bald  im  lateinischen  texte,  bald  in  niederdeutscher  Übersetzung  in 
den  mund  legte,  auf  alten  bild werken  (so  z.  b.  an  einem  chorstuhle  zu 
Ulm)  erscheint  dem  Augustus  die  Madonna  von  Ära  Cell ,  mit  einer  Um- 
schrift aus  der  vierten  ecloge.  das  wort  virgo  aber  wird  in  legenden 
und  kirchlichen  gesängen  mit  virga^  der  gerte  vom  stamme  Josse,  in  Ver- 
bindung gebracht;  und  bei  virga  dachte  mati  wiederum  an  den  zweig  den 
Aeneas  beim  hinabsteigen  in  die  unterweit  zu  brechen  hat,  venerabüe 
donutn  faialis  virgae  {Jen,  6, 409).  die  worte  [auro']  frondescH  virga 
wurden  allegorisch  gedeutet  Servius  stellt  diesen  stab  mit  dem  buch- 
staben  Y  zusammen,  der  einem  gabelzweig  ähnlich  sehe  und  der  bei 
Pythagoras  die  jugendwege  des  menschen  bezeichnen  sollte,  nemlich  die 
einfalt  der  kinderjahre  und  die  spätere  teilung  in  zweifei,  in  gut  oder 
böse,  es  ist  erstaunlich ,  wie  verbreitet  diese  anspielung  unter  den  ge- 
lehrten Ae»  miltelalters  war.  ein  kleines  gedieht,  in  welchem  sie  genauer 
durchgeführt  ist  und  das  mit  den  Worten  beginnt:  Uttera  Pyihagorae^ 
diserimme  seela  hicomi,  wird  bald  dem  Martialis  bald  dem  Virgil 
selbst  zugeschrieben,  noch  Bruno  sagt  im  Sachsenkrieg,  kaiser  Hein- 
rich IV  habe  in  seiner  knabenzeit  am  Scheideweg  des  samischen,  d.  h. 
pythagoreischen  buchstaben  gestanden,  wenn  man  erwSgt,  wie  leicht- 
gläubig und  emsig  das  mittelalter  solche  arabesken  zusammenflocht,  wird 
man  kaum  bezweifeln,  dasz  auch  zwischen  den  Wörtern  Virgilius^  virgo^ 
virga  eine  Verbindung  bestand. 

Um  so  eigentümlicher  ist  die  thatsache,  dasz  mit  dem  aufkommen 
der  buchdruckerkunst  die  form  Vergilius  nicht  nur  wieder  hervortrat, 
sondern  In  djautschen  drucken  des  sechzehnten  jh.  ganz  entschieden 
vorherseht.  Thomas  Murner  kennt  keine  andere  form;  so  heiszt  es  in 
der  Originalausgabe  der  Geuchmalt  (1519  bei  Adam  Petri  von  Langen- 
dorf in  Basel):  ^Vergilius  grosz  schand  entp6eng,  als  er  im  korb  hodi 
oben  hieng.'  dieselbe  Schreibung  hat  Fiscbarl  regelmtaig;  so  in  der 
Schrift  'emblematum  tyrocinia' :  'Vergilius,  da  er  der  Völker  kriegsrüstung 
gedenkL'  der  mit  unserem  dichter  gleichnamige  Salzburger  biscbof  aus 
dem  achten  jh.  wird  in  älteren  druckwerken  meist  Vergilius  genannt, 
ebenso  der  humanist  und  Vielschreiber  Polydorus  Vergilius. 

Die  älteste  deutsche  Übersetzung  der  Aeneis  in  versen,  eine  gar 
nicht  verdienstlose  arbeit,  hat  den  titel  'Vergilii  Maronis  dreyzehn  bücher 
von  dem  tewren  beiden  Enea';  sie  erschien  1562  zu  Frankfurt  das 
sogenannte  dreizehnte  buch  enthält  den  von  Maphäus  Vegius  von  Lodi 
hinzugedichteten  gesang.  auf  dem  einleitenden  holzschnitt  befindet  si^i^ 
des  dichters  bildnis  mit  der  Umschrift  ^Vergilius  Maro';  dieselbe  sehr 


296  Philologlsdie  gdegenheiUschriftoi. 

tri  Ul  dnrch  das  ganze  werk  beibehallen.  erst  im  17a  jfa.  begann  die 
fonn  VirgiÜM»  xu  überwiegen. 

We  einiige  vbs  fiberiieferte  inschrift  in  griechiscber  spracbe, 
die  unseres  dicbters  namen  eniblk,  sUmnit  von  dem  denbnal  drä  Glau- 
dianns,  das  eu  anfang  des  Ifinften  jh.  auf  dem  forum  Traiani  errichtet 
wurde;  in  derselben  wird  dem  Glandianus  nacbgerttmt,  er  habe  dv  hü 
BipTiXkno  vöov  Kai  ^oficav  'O^pou  vereinigt,  die  Schreibung  mit  i 
ist  liier  unbezweifelL 

Fraskfiirt  am  Mjjh.  Thbodob  Obbbuacb. 


(3L) 

PHILOLOGISCHE  0ELE6ENHEITSSCHKIFTEN. 

(fortsetsnng  yod  b.  215  f.) 


Moers  (progjinii.)  A.  Bbode:  über  den  gebrancb  der  parükel  dpa 
bei  Homer,    dntck  von  J.  W.  Spaarmaim.   1867.   34  s.   gr.  4. 

N&rnberg  (Stadienanstalt)  H.  W.  Heerwagen:  snr  gesehiehte 
der  Nümbexg«r  gelebrlenscbnlen  in  dem  seitranme  Ton  16126—1636. 
erste  hilite.    dmck  von  F.  Caaspe  n.  söhn.   1867.  28  s.  gr.  4. 

Pisa  (oniv.)  I>.  Comparetti:  Edijpo  e  la  «litologia  comparata« 
saggio  critico.    tipografia  Kistri.    1867.  dO  s.  gr.  8. 

Bastenbarg  (gymn.)  Job.  Siebter:  de  prosopog^pbia  Aristo- 
pbanea  pait.  11.  dmck  ¥on  A.  Haberland.  1867.  88  s.  4.  [part.  I  er- 
sohicn  omI*  1864.1 

Rinteln  (sam  60jahrigen  jubilänm  des  gymn.  31  octbr.  1867)  F. 
Franke  (in  Meiszen):  lectionom  Aeschinearom  particala  H.  druck 
von  C.  E.  Kliokieht  a.  solm  in  Keissen.   24  s.   gr.  8. 

Sondershansen  (gymn.)  Ph.  Spitta:  qaaestiones  Tergilianae. 
dmek  von  F.  A«  Enpei  (verleg  von  Deaerliah  in  Göttingen).  1867.  47  s.  4. 

Tübingen  (oniv.)  £.  Hersog:  das  recht  der  traditionellen  schul- 
Grammatik  ffcgenüber  den  resoltaten  der  vergleichenden  Sprachforschung, 
inaufforalreae  gehalten  am  18  jnü  1867.  ahdruek  aus  dem  correspon- 
denshlatt  für  die  gelehrten-  und  realschalen  Württembergs,  drmok  von 
J.  Kleeblalit  n.  comp,  in  Stattgart.  19  s.  gr.  8.  —  A.  M(iGhaeliB): 
Edaard  Gerhard,  abdruck  aus  den  grenzboten  1867  II  s.  446—463.  gr.  8. 

Wertheim  (lyceum)  H.  Schiller:  die  stoische  Opposition  unter 
Nero,  ein  beitrag  zur  gesehiehte  der  Julischen  kaiser.  ersten  teiles 
erste  ahtmlnng.    druck  von  E.  Beckstein.   1867.   38  s.  gr.  8. 

Wese4  (^rnm.,  smn  60jährigen  amtsjubilttum  des  directors  domherm 
dr.  W.  H.  Blume  1  juni  1867)  *luidwou  Tpa^uuiTiKoO  *AXeHav6p^U}c  toO 
<t>tXoTTÖvou  eic  t6  6eOTCpoy  t^c  Nikojuu&xou  dpiOjunrnKffc  ekaruiTflc.    pri- 
mus  edidit  Rio.  Ho  che.    vorlag  von  S.  Calvary  n.  comp,  in  Berlin.. 
Vm  u.  M  s.   gr.  4. 

Wien  (akad.  d.  wiss.)  J.  Vahlen:  beitrage  au  Aristoteles  poetik. 
UI  u.  IV.  aus  den  Sitzungsberichten  hd.  LVI  s.  213—343.  361—439. 
k.  k.  hof-  und  Staatsdruckerei  (verlag  von  K.  Gerolds  söhn).  1867.  gr.  8. 
[vgl.  Jahrg.  1867  s.  827  ff.] 

WÜrs^urg  (stndtenanstalt)  M.  Zink:  der  mytholog  Fnlgentius. 
ein  beiSrag  av  römischen  litteratargeschichte  und  zur  grammatik  des 
africanisohen  lateins«  •druck  von  F.  £.  Thein  (verlag  von  A.  Stuber). 
1867.   94  s.   gr.  4. 

Zwickau  (gymn.)  H.  Vetter:  additamenta  ad  Henrici  Stephani 
thesavnim  graecae  linguae  ex  musiois  graecis  ezcerpta.  dmck  von 
R.  Zückler.    1867.   26  s.   gr.  4. 


ERSTE  ABTEILrae 
FÜR  CLASSISCHE  PHILOLOGIE 

HRBAUSGBGEBBN  VON  ALFBED  FlECKBISKN« 


42. 

DIE   SCHAABSGHMIDTSCHE   EEITIK  DES  PHILEBOS. 


Es  gibt  kaum  eine  schrilt  des  altertums,  in  deren  beurteilung  und 
Würdigung  die  ansicliten  der  kritiker  so  sctiroiT  und  gegensätzlich  ausein- 
andergelien,  als  dieses  in  neuester  zeit  dem  Philebos  widerfahren  ist. 
während  die  meisten  und  bedeutendsten  kritiker  und  ausleger  sich  in 
ausdrficken  der  hohen  bewunderung  flberbieten,  welche  sie  diesem  Pla- 
tonischen dialog  zollen  und  deren  gegenständ  derselbe  von  jeher  gewesen 
ist;  während  sie  in  demselben  ein  des  groszen  philosophen  durchaus 
würdiges,  ja  eines  der  tiefsten  und  inhaltreichsten  werke  Piatons  er- 
kennen, in  welchem  sich,  mit  K.  F.  Hermann^]  schwülstig  zu  reden, 
*jene  Vereinigung  aller  resultate  der  älteren  speculation  im  lichte  der  Idee, 
die  den  geschichtlichen  Charakter  des  Platonischen  Systems  ausmacht,  bis 
zur  lichtvollsten  darlegung  der  obersten  kategorien  dieses  Systems  selbst 
erweitert' ;  in  welchem  nach  Steinharts ')  Versicherung  Sokrates  philoso- 
phiert *wie  Piaton  selbst  in  den  gärten  seiner  Akademie  gelehrt  haben 
mag':  hat  die  kritik  von  C.  Schaarschmidt')  demselben  eine  bespre- 
cbung  angedeihen  lassen ,  deren  wegwerfender  ton  einem  bisher  so  hoch 
gehaltenen  litterarischen  erzeugnfs  des  altertums  gegenüber  wol  ohne 
alle  analogie  erscheint,  in  der  that ,  wie  dieselbe  in  diesem  werke  nichts 
findet  als  trübe  compilation,  verzerrende  Übertreibung,  Verschiebungen, 
Schiefheiten ,  Unklarheiten ,  gedankenlosigkeiten ,  mischmasch  von  Piaton 
und  Aristoteles,  schwächliches,  sich  selbst  mistrauendes  denken,  teu- 
schungen  aller  art,  erschleichungen,  Verstümmelung  Platonischer  ge- 
danken,  unnütze  dehnungen,  leerheiten,  selbst  albernheiten ,  insipide 
äuszerungen,  abgeschmacktheiten  usw.,  setzt  sie  nicht  nur  die  achtung, 
die  auch  die  schärfste  kritik  einem ,  wenn  auch  vielfältig  über  das  masz 


1)  geschichte  u.  System  d.  Plat.  philos.  s.  632.  2)  Piatons  samt- 
liehe  werke  übersetzt  von  H.  Müller  IV  s.  605.  3)  die  samlong  der 
Platonischen  sobriften  sor  scheidong  der  echten  von  den  unechten  (Bonn 
1866)  s.  277  ff. 

JahrbOcher  für  cIms.  phUol.  1868  hft  6.  20 


298        L.  Georgü:  die  SchaarschmidUche  kritik  des  Philebos. 

bewanderten  monumente  des  allertums  Fon  der  bedeotung  des  Philebos 
schuldet,  ganz  auszer  aagen,  sondern  was  musz  man  auch  von  dem  nr- 
leil,  dem  tact  and  geschmack,  dem  Scharfsinn,  Oberhaupt  der  kritischen 
befähigung  der  grossen,  die  berühmtesten  namen  in  sich  befassenden 
reihe  von  kritikem,  philoIogen  und  pliilosophen  denken,  welche  die  sel- 
tene musterkarte  von  Verdiensten  und  vorzfigen,  die  sie  in  diesem  diaioge 
fanden ,  mit  ^inem  mal  in  ein  endloses  Sundenregister  verwandelt  sehen 
müssen! 

Der  zweck  nun,  man  kann  wol  sagen,  die  Intention  dieser  krillk  ist 
nichts  geringeres  als  die  begrändung  des  zweifeis  an  der  echtheit  oder 
vielmehr  der  beweis  der  unechtheit  des  Philebos,  oder  wie  man  sicli 
lieber  unnötig  undeutsch  ausdrückt,  der  'athetese',  der  ^notheuse'  des- 
selben, nichts  geringeres  —  denn  die  echtheit  des  Philebos  hat  bisher 
so  fest  gestanden,  dasz  sie  nicht  nur  nicht  angezweifelt,  sondern  der- 
selben von  den  meisten  kritikem  und  erklürem  nicht  einmal  eine  be- 
spreeboBg  gewidmet  worden  ist  ist  es  ein  im  ganzen  nichtssageider 
satz  Sochers^),  dasz  *ffir  die  echtheit  dieses  dialogs  sowol  sein  überall 
mit  den  fruhereq  und  späteren  philosophemen  Piatons  übereinstimmen- 
der Inhalt,  als  seine  mit  allen  Platonfschen  grazien  gezierte  form  bürge', 
sofern  jene  Übereinstimmung  im  sachlichen  ja  auch  etwa  ein  nacbahmer 
uiid  falscher  erreichei{i  konnte,  während  es  mit  den  grazien  des  Philebos 
seine  bedenken  haben  dürfte:  so  schien  dagegen  die  authentie  desselben 
in  anderer  hinsieht  bisher  auf  einer  unerschütterlichen  gmndlage  zu 
ruhen,  nemlicb  dem  dassischen  zeqgnis  des  Aristoteles,  indessen  der 
gedanke  trotzdem  auch  diesem  diaioge  das  recht  den  Platonischen  namen 
zu  tragen  abzusprechen  liegt  im  zuge  der  zeit,  auch  die  atmosphäre  der 
Wissenschaft  hat  ihre  miasmen,  von  welchen  die  leb^nsfimctionen  ihrer 
träger  und  Vertreter  ergriffen  und  beherscht  werden,  ein  solches  miasma 
ist  gegenwärtig  die  skepsis,  welche  die  kritik  des  Platonischen  schriften- 
tums  durchzieht  und  nicht  nur  mit  dem  Proletariat  der  kleineren  piecen 
so  ziemlich  aufgeräumt,  sondern  sich  auch  auf  sehr  bedeutende  diaioge, 
wie  den  sophistes,  Parmenides  u.  a.  mit  selbstgewissem  erfolge  geworfen 
hat  warum  die  reihe  nicht  auch  einmal  an  den  Philebos  kommen  sollte, 
nachdem  sich  die  kritische  kraft  und  kunst  an  den  anderen  werken  seiner 
gattung  erschöpft  und  mit  sieg  und  beute  beladen  hatte,  wäre  in  der 
that  nicht  einzusehen,  ja  kaum  zu  begreifen,  denn  unleijgbar  trägt  dieser 
dialog ,  nicht  nur  was  die  formseite  seiner  composition,  die  in  demselben 
verwendeten  scenischen  und  dramatischen  kunstmittel,  die  eharakleristik 
der  auftretenden  personen,  die  behandlung  des  dialogs  betrifft,  sondern 
nicht  minder  nach  der  ihm  eigentümlichen  abgerissenen  und  voraussetzen- 
den art  die  Platonischen  philosopheme  einzuführen  und  zu  entwickeln, 
und  besonders  nach  der  in  den  bedeutsamsten  puncten  gauz  eigentüm- 
lichen nüancferung  derselben  ein  gepräge  an  sich,  das  ihn  von  den  anderen 
groszen  werken  des  philosophen,  einem  Protagoras,  Gorgias,  Pbädros, 
Symposion,  Phädon  in  ausdrucksvollster  weise  unterscheidet  damit  ist 


4)  Platons  leben  and  Schriften  s.  297. 


L.  Georgii:  die  Scbaarschmidtsche  kritik  des  Philebos.         299 

aber  nun  das  material  in  vollem  masze  gegeben,  dessen  die  skepUscIie 
kriUk  von  heule  bedarf,  uro  an  dem  Philebos  zu  operieren  und  denselben 
als  eine  neubiidung  an  dem  körper  der  Platonischen 'Schriften  zu  ampu- 
tieren, das  verfahren  dieser  sog.  innem ,  auch  bdhern  kritik  besteht  ja 
einfach  in  folgender  manipulation.  aus  einer  anzahl  Platonischer  Schrif- 
ten, deren  echtheit  ihm  festzustehen  scheint,  bildet  sich  der  kritiker, 
wepn  er  einigermaszen  correct  verfahren  will ,  ein  gewisses  Platonisches 
form-  und  gedankenideal,  das  nun  als  maszstab  an  die  schrift,  auf  welche 
er  es  abgeselien  iiat,  angelegt  wird,  so  zwar  dasz  nun  geschlossen  wird: 
ein  diaiog,  der  diesem  ideal  nicht  entspricht  oder  gar  im  Widerspruch 
mit  demselben  steht,  kann  nicht  von  Piaton  verfaszt  sein. 

Eine  besprechung  des  kritischen  Verfahrens,  durch  welches  das 
jedenfalls  höchst  interessante  Scbaarschmidtsche  buch  dieses  resultat  in 
betreif  des  Philebos  festzustellen  sucht,  dürfte  nun  wol  von  selbst  sich 
in  die  dreifache  Untersuchung  zerlegen: 

I  der  Operation  durch  welche  der  traditionelle  anspruch  des  dialogs 
auf  Plalons  nnmen  entkräftet  werden  soll ; 

II  der  Widersprüche  welche  derselbe  anderen  echten  Platonischen  wer- 
ken  gegenüber  enthält; 

III  der  berechtigung  auf  diese  Widersprüche  den  schlusz  der  unechthelt 
zu  gründen, 

I:  KRITISCHE  BELEUCHTUNG  DES  TRADITIONELLEN 
ANSPRUCHS  DES  PHILEBOS  AUF  PLATONISCHE  AUTORSCHAFT. 

Auf  Asts,  Sochers,  Ueberwegs  vorarbeiten  gestützt  hat  Sehaar* 
Schmidt  den  beweis  zu  liefern  versucht,  dasz  die  ganze  gruppe  der  sog. 
megarischep  gesprflche  und  mit  dieser  zusammenhängend  auch  der  bis- 
her nicht  angefochtene  Philebos  compilationen  späterer,  durch  den  er- 
schlichenen titel  Platonischer  aulorschaft  sich  deckender  bände  seien, 
gewis  kann  auch  nicht  in  abrede  gezogen  werden ,  dasz  der  Philebos  mit 
einem  gewissen  rechte  an  die  megarische  gesprächsgruppe  angereiht 
wird,  sofern  derselbe  allerdings  besonders  mit  dem  sophistes  und  Par- 
menides  in  einem  Verhältnis  der  Solidarität  zu  stehen  scheint  ohne  in- 
dessen auf  die  frage  über  die  echtheit  dieser  gespräche  hier  weiter  ein- 
zugeben ,  kann  man  im  allgemeinen  nicht  bestreiten ,  dasz  der  scharfe, 
von  treffenden  Schlaglichtern  begleitete  luftstrom,  welchen  das  Scbaar- 
schmidtsche buch  in  die  kritische  Untersuchung  des  Platonischen  schriften- 
tnms  überhaupt  gebracht  hat,  für  den  etwas  wolthuendes  und  erfrischen- 
des hat,  der  sich  durch  den  Schwindel  betäubt  fühlt,  welcher  hin  und 
wieder  über  das  gebiet  dieser  frage  sich  verbreitet  hat.  die  imaginären 
von  Hermann  ausgehenden  versuche,  den  entwicklungsgang  des  Platoni- 
schen philosophierens  aus  dem  gedankengehalt  der  einzelnen  Schriften 
Piatons  heraus  chronologisch  zu  messen  und  danach  die  Zeitfolge  der 
letzteren  zu  bestimmen,  werden  mehr  und  mehr  zurücktreten  müssen, 
sowie  nicht  minder  die  damit  zusammenhängende  sucht  auch  das  schwache, 
mittelmäszige,  das  sich  in  denselben  unleugbar  findet,  als  des  göttlichen 

20* 


300        L.  Georgii:  die  SchaarschmidUche  kritik  des  Phllebos. 

Piaton  würdig  aufzuschmOcken,  zu  verhallen,  zu  bewundern,  man  fuhll 
sich  erleichtert ,  das  pbaotom  einer  periode  reiner  Sokratik  in  der  Plato- 
nischen schriflstellerei ,  die  melnung,  Plalon  habe  erst  nach  Megara,  Ita- 
lien, Aegypten  reisen  mfissen,  um  die  Eleaten,  die  Pythagoriscbe  Philo- 
sophie kennen  zu  lernen  und  vom  gölte  Theolli  reden  zu  können,  die 
monströse  aufTassung  des  Phädros  als  des  programms  zu  eröffnung  der 
Akademie  u.  a«  m.  als  hindernden  balast  Aber  bord  geworfen  zu  sehen.  ^) 
Klar  und  fiberzeugend  hat  Schaarschmidt  die  geschAftlgkelt  der  pseude- 
pigraphie  im  Platonischen  schriflentum  nachgewiesen  und  Ober  die  vennul- 
liehen  manlpulationen  derselben,  z.  b.  bei  grQndong  der  bibliotheken,  an- 
nehmbare ansichteo  aufgestellt/)  dennoch  dfirfte  das  fundament,  das  er 
damit  fOr  seine  kritik  gewonnen,  zu  schwach  sein  ffir  das  was  er  darauf 
baut«  die  Zeugnisse  der  alten,  auf  denen  dieser  nachweis  beruht,  zeigen 
ja  selbst,  dasz  diese  denn  doch  nicht  so  gar  unkritisch  verfuhren,  dasz  sie 
allerdings  eine  kritik  Obten ,  der  eine  so  enorme  fSJschung  gewis  nicht 
entgangen  wäre,  durch  die  wenige  Jahrzehnte  nach  Piatons  tod  eine  reihe 
der  bedeutendsten  schriflen,  die  sie  unbedenklich  als  echt  aufführen,  wie 
die  megarischen  dialoge,  falschlich  unter  Plalons  namen  in  Umlauf  ge- 
setzt worden  wären,  wie  man  den  gang  der  Veröffentlichung  der  grösze- 
ren  Platonischen  Schriften  ansehen  musz,  fand  dieselbe  noch  zu  Platous 
lebzeiten  statt,  hatte  also  an  seiner  eignen  Wachsamkeit,  nach  seinem 
tode  an  der  Wachsamkeit  und  tradilion  der  Akademie,  an  der  peripateli- 
sehen  kritik  dieser  schrlAen ,  die  solche  fSIschungen  gewis  nicht  Ober- 
sehen hätte,  eine  so  entschiedene  controle,  dasz  man  wol  etwa  die  fl&lscii- 
liche  bezeichnung  kleinerer,  anonymer  aufsätze  mit  Piatons  namen  ver- 
stehen könnte,  gewis  aber  nicht  die  von  dialogen,  welche  mit  dem  umfang, 
gewicht  und  anspruch  der  megarischen  gespräche  auftreten. 

Dasz  der  Megarismus,  den  man  aus  diesen  Schriften  dem  Matoo 
als  eine  phase  seines  eigenen  philosophierens  andemonstrieren  will ,  viel 
nebelhaftes  hat,  ist  nicht  zu  leugnen,  immerhin  ist  die  figur,  welche  die 
Megariker  unter  den  an  Sokrates  anschlieszendeu  disciplinen  spielten, 
schon  von  Aristoteles  so  bezeugt,  dasz  es  eine  unbegreifliche  lücke  wäre, 
wenn  der  sonst  alle  Zeiterscheinungen  so  emsig  in  den  bunten  rock 
seiner  Weisheit  verwebende  Stifter  der  Akademie  nur  diese  schule  Igno- 
riert hätte,  doch  ist  es  schon  an  sich  weder  richtig  noch  nötig,  Platoo, 
um  sein  recht  an  jene  gespräche  zu  retten,  selbst  ffir  einige  zeit  zum 
Megariker  zu  stempeln  oder  gar  auf  grund  seines  aufenthalts  in  Megara 
ihm  ffir  diese  zeit  eine  solche  modification  seiner  denk*  und  Schreibweise 
zuzumuten,  den  Phllebos  aber,  der  hier  allein  in  betracht  kommt,  trifft 
dieses  bedenken  nicht  einmal ,  da  ja  In  demselben  das  moralprmcip  der 
Megariker  nicht  blosz  und  fiber  allen  zweifei  klar  aufgefaszt  und  ausge- 
ffllirt,  sondern  zugleich  die  Stellung  des  dialogs  zu  demselben  ebenso 
entschieden  polemisch  gehalten  ist  als  zu  dem  der  hedoniker. 

Indessen  hat  die  traditlon,  welche  das  Platonische  recht  des  Phlle- 
bos gewährleistet ,  ein  unerschütterliches  fundament  an  dem  zeugnis  des 

5}  Schaarschmidt  a.  o.  s.  78  f.  66  f.  76  f.        6)  ebd.  s.  84  f. 


L.  Georgii:  die  Schaarschmidtsche  kritik  des  Philebos.         301 

Aristoteles,  in  der  Nikomachischen  ethik^  findet  sicli  eine  stelle,  welche 
die  Platonische  lehre  von  der  lust,  vom  guten  und  vom  gemischten 
leben  in  worlen  bespricht ,  die  so  direct  auf  den  Philebos  sich  beziehen, 
dasz  kein  anderer  dialog  Piatons  nächst  der  republik,  dem  Timäos,  den 
geselzen ,  die  Aristoteles  auch  noch  mit  ihren  eigenen '  namen  aufführt, 
sich  mit  gröszerem  recht  der  Aristotelischen  garantie  för  seinen  anspruch 
an  den  Platonischen  namen  rflhmen  kann,  daselbst  lieiszt  es:  ^von  glei- 
cher art  ist  der  beweis,  durch  welchen  Piaton  den  satz,  dasz  die  lust  das 
gute  sei,  widerlegt;  das  leben  der  lust  nemlich  sei  begehrenswerther 
mit  Vernunft  als  ohne  Vernunft;  wenn  aber  nun  das  gemischte  das 
bessere,  so  sei  die  lust  nicht  das  gute :  denn  das  gute  selbst  werde  durch 
keinen  zusatz  noch  begehrenswerther.'  dieses  zeugnis  ist  durchaus  un- 
zweideutig. Piaton  Ist  selbst  genannt;  das  präsens  ävaip€i")  kann  nur 
von  einer  Platonischen  schrift  verstanden  werden;  In  keinem  andern 
dialog  findet  sich  dieser  Platonische  beweis  als  im  Philebos;  hier  findet 
er  sich  mit  der  wörtlich  gleichen  terroinologie.  und  ist  nun  diese  von 
Aristoteles  als  Platonisch  bezeugte  argumentation  zugleich  das  dem  Phi- 
lebos eigentümliche  theorem,  mit  dem  er  der  sonstigen  lustlehre  Piatons 
im  Protagoras  und  Gorgias  scharf  gegenüber  tritt,  so  finden  sich  in  dem- 
selben buche  der  ethik  (die  anklänge  im  7n  buch  bleiben  aus  kritischen 
gründen  bei  seite)  noch  weitere  ansichten  besprochen ,  welche  gleichfalls 
im  Philebos  sich  finden  und  in  der  Verbindung  mit  jener  stelle  die  bc- 
zichung  derselben  auf  diesen  dialog  entschieden  unterstützen. 

Fast  sollte  es  undenkbar  scheinen  gegen  ein  solches  classisches 
zeugnis  anzukümpfen.  man  musz  die  Selbstverleugnung  sehr  anerkennen, 
mit  welcher  die  Schaarschmidtsche  kritik  die  subjectlven  meinnngen, 
durch  welche  sich  ihr  der  Phadros  als  ein  werk  der  späteren  und  reife- 
ren zeit  Platonischer  schriftstellerei  aufdrängen  wollte,  dem  objectiven 
beweisverfahren  Spengels  für  die  verhältnismäszig  sehr  frühe  abfassung 
dieses  dialogs  unterordnet.*)  aber  wie  viel  Imposanter  ist  doch  noch  die 
objectivität  des  bündigen  Zeugnisses ,  das  Aristoteles  für  die  echtheit  des 
Philebos  ablegt!  dennoch  hat  sich  der  wahrhaft  titanische  mut  gefunden 
dasselbe  anzufechten. 

Ja  dieser  mut  steigert  sich  noch  bis  zur  kühnheit  der  souveränsten 
inconsequenz ,  wenn  er  an  dem  kanon  gemessen  wird ,  den  der  kritiker 
selirat  zur  werthschätzung  und  Classification  der  Aristotelischen  Zeug- 
nisse für  die  echtheit  Platonischer  Schriften  aufstellt,  nach  diesem  etwas 
wunderlich  gefaszten,  vier  rangdassen  festsetzenden  kanon  *^  handelt  es 
sich  in  der  Nikomachischen  ethik  um  ein  zeugnis  ersten  rangs  zwei- 
ter abteilung,  der  nur  diejenigen  Zeugnisse  noch  vorgehen,  in  welchen 
Aristoteles  mit  Piatons  namen  auch  den  namen  der  schrift  citiert. 
gilt  nun  für  jene  abteilung  der  gruudsatz,  dasz  *als  echt  in  folge 
Aristotelischen  Zeugnisses  diejenigen  Piatons  namen  tragenden 


7)  X  c.  2  8.  1172  B.  8)  vgl.  Ueberweg  echtheit  und  Zeitfolge 

Fiat.  sehr.  s.  140.    Schaarschmidt  a.  o.  s.  279.  9)  Schaarschmidt 

a.  o.  8.  72  f.  77.        10)  ebd.  8.  93. 


d02        L.  Georgu:  die  Schaanctaidtscfac  kriUk  des  Phüebos. 

dialoge  aagesehen  werden  dfirfea,  ans  denen  mit  Piatons  namen  an- 
fiOlnngen  gemacht  werden,  die  sich  onzweifeibaft  anf  sie  be- 
ziehen', so  kann  dem  Pliileiios  der  ansprach  auf  diesen  zweilen  preis 
nicht  woi  bestritten  werden  —  es  mfiste  denn  sein  dass  die  bcuehnag 
der  sldle  der  Nikomacfaischen  ethik  aof  denselben  zweifelhaft  wSre. 
bidier  galt  sie  ffir  anzweifelhaft  die  Schaarschmidlsche  kritik  bestreitet 
sie,  aber  mit  welchen  gründen?  vorerst  wird  gesagt,  dass  Aristoteles  n 
in  dem  sehnten  bache  seiner  ethik  nach  Spengels  ansieht  vonfigficfa  mit 
Spensippos  and  noch  mit  einem  andern,  Eodoxos  nemlich,  zo  thun  habe, 
nicht  aber  mit  Platon.  man  kann  dieses  zageben,  man  mag  sogar  eis- 
rSnmen,  dasz  In  den  an  den  Philebos  erinnernden  Qbrigen  steUen  nichi 
Platon,  sondern  jene  beiden  gemeint  seien;  an  der  bestimmten  fra^efaeo 
stelle  dagegen  ist  nicht  Spensippos  oder  Eodoxos,  sondern  Platon  aus- 
dHIcklich  genannt,  aosdrücklich  eine  Platonische  schrift  dtiert,  wie  das 
prisens  dvmpet  beweist  anter  sämtlichen  schriften  aber,  wdche  Pia- 
tons namen  tragen,  gibt  es  keine,  auf  welche  das  Aristotdische  dtat  so 
vollständig  passt  wie  anf  den  Philebos.  warum  ist  doch  also  die  besiehuDg 
aaf  diesen  zweifelhaft?  ist  etwa  in  der  aasdnicksweise  des  Philebos 
etwas  was  dieselbe  bindert?  darchaas  nicht  oder  in  der  des  Aristote- 
lischen citats  etwas  widerstrebendes?  nein;  denn  dasz  Aristoteles,  wie 
später")  gesagt  wird,  *nicbt  von  einem  gemischten  leben'  rede,  ist 
unrichtig,  eine  leere  aasflacht,  da  er  ja  ausdrücklich  von  dem  'leben 
der  last  mit  Vernunft'  redet,  also  allerdings  das  gemischte  leben 
des  Philebos  meint  warum  also  die  beziehung  bestreiten?  es  gibt  dar- 
auf keine  anlwort  als  die:  weil  die  Unechterklärung  des  Philebos  eine 
zum  voraus  beschlossene  sache  ist,  und  es  entsteht  da  der  hQbsche  logi- 
sche Zirkel,  dasz  der  Philebos  unecht  ist,  weil  Aristoteles  ihn  nicht  citiert, 
und  Aristoteles  den  Philebos  nicht  citiert,  weil  er  unecht  ist.  natfirlich 
hat  es  *nun  dabei  keine  Schwierigkeit  anzunehmen,  dasz  Aristoteles  mit 
jener  äuszening  eine  in  einem  echten  (!)  dialoge  Piatons  vorgetragene 
ansieht  desselben  bezeichnet  und  nach  seiner  weise  in  kurzer  formel  aus- 
gedrückt  hat,  dasz  sich  dann  ein  anderer,  dritter  deren  hinterher  be- 
mächtigte, um  sie  in  seiner  schrift,  dem  Philebos,  nun  nach  Aristoteles 
Worten,  die  er  benutzte,  als  Platonisch  wiederzugeben.' '*)  dies  also  ist 
das  kritische  kunststQck ,  durch  welches  das  zeagnis  des  Aristoteles  för 
den  Philebos  entkräftet  oder  vielmehr  in  abgang  decretierl  wird«  es  be- 
darf keiner  ausführung,  wie  durch  anwendung  dieser  Operation  jedes 
Aristotelische  ciut  Platons  illudiert  und  über  den  häufen  geworfen  wer- 
den kann,  man  braucht  für  ein  solches  citat  nur  zwei  Platonische 
paralldstellen  in  verschiedenen  dialogen,  nimt  die  minder  ähnliche  für 
die  von  Aristoteles  ad  sensum  citierte,  aus  dessen  citat  dann  ein  ßbcher 
den  dialog  fabriciert  hat,  der  die  andere  enthält  ein  herliches  reoept,  Mil 
dessen  hülfe  z*  b.  auch  der  beweis  nicht  schwer  wäre,  dasz  tefn  ßlsther 
den  Timäos  aus  dem  ersten  buch  Mose  compilicrt  habe  u.  a.  m. 

Welches  aber  ist  nun  die  echte  schrift  Platons ,  die  Aristoteles  in 


11)  obd.  8.  319.        12)  ebd.  s.  279. 


L»  Georgii:  di«  SchaarschmidUche  kriük  des  PhileLos.        803 

der  etliik  citiert?  derProtagoras  suU  es  sein,  eiae  nicht  unbedeiik- 
lldi«  kistanz:  denn  so  treffend  und  beredt  aoeh  der  forraelk  gehalt  dieses 
dialogs  von  Sdiaarschmidt  geschildert  und  fflr  seine  Platonische  abslam- 
nnuig  verwerthet  ist"),  so  treten  diesem  arguaente  doch  momente  gegen- 
über ^  welche  der  heutigen  slieptischen  liritilc,  wenn  sie  sieh  einmal 
darauf  besinnen  sollte^  die  gewichtigste  anhaltspuncte  darbieten  wArden, 
Ihm  den  process  zu  machen,  und  von  Schaarschmidt  er^dieint  die  eweifel'- 
lose  anerknsuBg  desselben  in  der  that  als  eine  halbe  inoonsequenz. 
Aristoteles  weiss  nichts  von  diesem  dtalog:  denn  die  steile  der  Nikoma- 
chischen  ethik  kann  doch  eigentlich  nicht  auf  diesen  dialog  bezogen  wer* 
den.  von  der  ideenlehre  Piatons,  überhaupt  von  eigentlich  Platonischer 
speculation  keine  ahnung;  sogar  von  den  lehrsfltzen  des  Protagoras  selbst, 
die  Piaton  im  TheStetos  bespricht,  keine  spur;  die  lustlehre  in  entsdiie- 
denem  Widerspruch  mit  der  der  republik;  und  dazu  noch  die  eigentfim- 
lich  schwierige  frage  Aber  die  abfassungszeit  des  dialogs.  lauter  'schwie- 
rigkeiten'  oder  'discrepanzen',  welche  die  Schaarschmidteche  kritik  ent- 
weder 'mit  respectvoUem  schweigen  flbergeht'  oder,  um  ihre  spräche  zu 
reden  ^^),  *durch  allerlei  klflgeleien  zu  bemänteln  sucht',  sogar  von  dem 
sonst  glflcklich  beschworenen  phaniom  der  *reinen  Sokratik'  Piatons 
blickt  bei  besprechong  dieses  dialogs  etwas  durch  die  Iflcke.  die  einsige 
iustans  für  die  echtheit  des  Protagoras,  die  dieser  kritik  übrig  bleibt,  ist 
die  'innere  vorzQglichkeit'  des  dialogs.  aber  der  schlusz  von  diesem 
moment  auf  die  Platonische  autorschaft  ist  doch  etwas  logisch  unge- 
heuerliches, diese  wird  wol  auf  eine  andere  grundlage  zu  stellen  sein, 
man  bedarf  dazu  etwas  greifbareres,  wie  es  z.  b.  der  Philebos  in  dem 
citat  der  Aristotelischen  ethik  aufzuweisen  hat.  Indessen  das  anrocht 
an  dieses  citat  Ist  ja  eben  das  object,  Ober  welches  der  Protagoras  mit 
dem  PbUebos  processiert.  wie  passt  nun  das  Aristotelische  citat  auf  die 
stelle  des  Protagoras,  die  es  im  sinne  haben  soll?  etwa  wie  eine  faust 
auf  ein  äuge. 

Die  stelle  des  Protagoras ,  auf  welche  die  Nikomachische  ethik  sich 
beziehen  soll,  ist  der  abschnitt,  in  welchem  Sokrates  beweist,  dasz  auch 
die  tapferfcelt ,  wie  die  anderen  teile  der  tugend ,  auf  erkenntnis  beruhe, 
in  diesem  abschnitt,  welchen  also  Aristoteles  In  kurzer  formel  citiert 
haben  soll,  wird  nun  gesagt,  ^stellt  sich  Sokrates  dem  Sophisten  gegen- 
Ober  auf  den  standpunct,  zunächst  das  diTCl66v  mit  dem  f|bu  zu  iden- 
tifieieren;  und  um  dieses  zu  können,  teilt  er  dem  f|bii  die  zugäbe  (!) 
der  toiCT^fir)  zu,  was  eben,  wie  Aristoteles  sich  ausdräckt,  ein  «ge^ 
mischtes»  ergibt'.  ^^)  diese  aufTassung  der  stelle  ist  eine  durchaus  ver- 
fehlte zu  nennen,  gegen  den  satz,  dasz  die  tapferkeit  auch  Weisheit 
sei,  wie  die  anderen  vier  tugenden^  und  daher  darin  eins  mit  diesMi, 
hatte  Protagoras  auf  die  thatsach«  hingewiesen,  dass  die  ungerechtesten 
und  sfigellofiesten  menschen  oft  am  tapfersten  seien,  'am  verwegensten,' 
berichtigt  Sokrates  HoUkfihn.'  worauf  er  den  beweis  führt,  dasz  die 
tapferkeil  eine  tugend  sei  nur  wenn  sie  mit  weisheil,  nemlich  mit  der 


13)  ebd.  6.  156.        14)  ebd.  s.  289.        15)  ebd.  «.  280. 


304        L.  Gcorgii:  die  Schaarschmidtscho  kritik  des  Pbilebos. 

erkenntnis  des  geHihrlichen  und  gefahrlosen  verbunden  sei.  wo  diese 
fehle,  trete  teils  Verwegenheit  teils  felgheit  ein.  den  beweis  dafür  ffihrl 
er  dadurch,  dasz  er  den  begriff  des  f|bu  im  sinne  des  Sophisten  als  dfa- 
6ÖV  zu  hülfe  nimt  und  nun  zeigt,  wie  die  Unfähigkeit  selbst  bei  besserem 
wissen  den  lusten,  leidenschaften ,  dem  zom,  der  liebe  usw.  zu  wider- 
stehen doch,  da  niemand  mit  wissen  das  übel  vorziehe,  nur  auf  verkehr- 
ter ansieht,  auf  Unwissenheit  beruhe,  auf  der  unf9higkeit  lust  gegen 
Unlust,  Unlust  gegen  lust,  lust  gegen  lust,  die  gröszere  gegen  die  klei- 
nere, die  ferne  gegen  die  nahe,  die  zukünftige  gegen  die  augenblickliche 
abzuwSgen,  während  auf  dem  gebiet  der  frage  über  die  tapferkeit  gerade 
in  dieser  kunst  die  lust  zu  berechnen  und  abzuwägen  die  tugend  bestehe, 
von  einer  vergleichung  zwischen  der  lust  mit  einsieht  und  der  lust  ohne 
einsieht  ist  hier  auch  keine  spur,  so  wenig  als  von  der  ansieht,  dasz  die 
lust  dadurch  ein  gröszeres  gut  werde,  wenn  sich  erkenntnis  mitibr 
verbinde,  das  f|bi}  ist  nicht  einmal  in  dem  allgemeinen  begriff  des  f)buc 
ßtoc  des  Arisloteles  gemeint,  sondern  lediglich  sofern  es  objecl  der 
tapferkeit  ist.  die  erkenntnis  steht  durchaus  nicht  in  dem  Verhältnis  eines 
coefficienten  des  guten  zur  lust,  sie  steht  zu  derselben  in  gar  keinem  Ver- 
hältnis als  so  weit  sie  für  die  tapferkeit  das  medium  ist,  die  wahre  lost 
von  der  schlechten  zu  unterscheiden,  völlig  unrichtig  ist  es  zu  sagen, 
die  erkenntnis  sei  zugäbe  zum  f|{>u,  da  nichts  klarer  ist  als  dasz  die 
dirtcnfjfiT)  vielmehr  zugäbe  zur  tapferkeit  ist.  von  einer  mischuog 
der  lust  und  erkenntnis  ist  im  Protagoras  so  wenig  die  rede,  dasz  der 
kritiker  selbst  sonst  zwar  richtig  aber  nicht  consequent  an  anderen  stel- 
len das  charakteristische  der  lustlehre  dieses  dialogs  gerade  darin  findet, 
dasz  der  gegensatz^'}  beider  begriffe  in  demselben  ausgesprochen  und 
premiert  werde,  kann  man  aber  bei  so  bewandten  umständen  gewis  dem 
Aristoteles  eine  solche  Verdrehung  der  lehre  des  Protagoras  nicht  zu- 
muten, hätte  Aristoteles  die  stelle  des  Protagoras,  in  welcher  Sokrales 
geradezu  zugibt ,  dasz  das  f|t>u  das  gute  sei ,  gewis  unmöglich  als  eine 
solche  anführen  können ,  In  der  Piaton  den  satz ,  dasz  die  lust  das  gute 
sei,  widerlege ;  so  ist  aucli  ganz  und  gar  nicht  denkbar,  dasz  dieser  einen 
satz,  den  Sokrates  nur  aus  accommodation  an  den  stand punct  des 
Sophisten  ausspricht,  dem  Sokrales,  oder  dasz  er  ihn  gar  dem  Fl«' 
ton  als  eigenen  lehrsaiz  beilegte,  was  müste  man  doch  von  dem  Ver- 
ständnis oder  der  gewissenhaftigkeit  der  Aristotelischen  citate  überhaupt 
denken,  wenn  die  worte  der  Nikomachischen  ethik  ein  citat  jener  stelle 
des  Protagoras  sein  wollten?  von  dem  Opuntier  Philippos  wird  erzählt, 
er  habe  die  gesetze  £v  Kr\Q(b  övrac  ediert;  es  legt  sich  bei  jener  aus- 
legung  der  stelle  des  Protagoras  unwillkürlich  die  scherzhafte  Vermutung 
nahe ,  der  Urheber  derselben  besitze  einen  Protagoras  övra  ty  KTiptp* 

Dieser  versuch  dem  Pbilebos  die  gewährschaft  des  Aristoteles  zu 
entziehen,  wie  er  von  vorn  herein  nur  das  tendenziöse,  verzwangeoe 
mittel  zur  begründung  einer  vorgefaszten  meinung  ist,  kann  in  der  Üiat 
nur  eine  sehr  unglückliche  Operation  genannt  werden,    derselbe  hat  aber 


16)  ebd.  8.  808.  814. 


L.  Georgii:  die  Schaarschmidtsche  kritik  des  PbUebos.         305 

aaszordem  auch  etwas  schwankendes  dadurch,  dasz  netten  der  stelle  der 
Aristotelischen  ethik  der  Philebosautor  auch  noch  eine  Platonische 
Schrift  benutzt  haben  soll,  um  das  material  für  sein  werk  zu  sammeln,  das 
theroa  desPhtlebos  nemlich  soll  auch  wieder  aus  der  PLitonischen  repu- 
lilik  (VI  505^  f.)  entlehnt  sein,  nur  so  dasz  der  Verfasser  desselben  Piatons 
gedankengange  nicht  recht  zu  folgen  im  stände  oder  willens  gewesen  zu 
sein  scheine.  ^^  und  dasz  ein  Zusammenhang  zwischen  der  exposition  des 
Philebos  und  der  republik  stattfindet,  unterliegt  auch  keinem  zwelfel,  nur 
dasz  jener  denselben  gedanken  zur  ent Wicklung  des  höchsten  mensch - 
liehen  lebensgutes  verwendet,  welchen  die  republik  zum  ausgangspunct 
nimt  fiir  die  construction  der  objectiven  idee  des  guten,  wenn  aber  z.  b. 
Zeller")  mit  vollstem  rechte  die  directe  beziehung  der  republik  in  dieser 
stelle  wie  in  anderen  auf  den  Philebos  geltend  macht,  so  können  diese 
beziehungen  vieboaehr  selbst  nur  als  starke  stützen  fQr  die  authentie  des 
Philebos  genommen  werden. 

Es  mflssen  fürwahr  argumente  von  durchschlagender  kraft  sein, 
welche  die  sog.  innere  kritik  aufzubringen  hat,  um  das  historische  recht 
des  PhUebos  an  die  Platonische  Vaterschaft  zu  ersdiflttern.  die  Schaar- 
schmidtsche kritik  ist  denn  auch  vorzugsweise  darauf  gerichtet,  die  wider- 
spräche oder  Miscrepanzeu',  welche  der  Philebos  nach  gehalt  und  com- 
position  gegenflber  von  Piatons  echten  Schriften  zur  schau  tragen  soll,  und 
auf  deren  basis  ^das  entscheidende  urteil'  gegründet  wird ,  dasz  der  Cha- 
rakter desselben  ein  durchaus  unplatonischer,  dasz  er  ein  Piatons  durch- 
aus unwürdiges  werk  sei,  eingehend,  freilich  in  ziemlich  desultorischer 
weise  zu  beleuchten. 


II:  WIDERSPRUCHE  DES  PHILEBOS  GEGENÜBER  DEN  ECHTEN 

SCHRIFTEN  PLATONS, 

Was  nun  zuvörderst  die  *discrepanzen  des  Philebos  von  Piatons  prin- 
cipiellen  bestimmungen'  betriUt,  so  ist  vor  allem  nicht  zu  übersehen, 
dasz  die  speculatlven  sHtze,  die  der  Philebos  entliSlt,  nur  lehnweise") 
lieigebracht  sind,  um  die  frage  tlber  den  höhern  werth  des  lebens  der 
lust  oder  des  lebens  der  erkenntnis  zum  austrag  zu  bringen,  eben  darum 
ist  auch  in  diesem  einer  rein  ethischen  zeitfrage  gewidmeten  dialog  der 
ort  zu  Untersuchung  und  begründung  dieser  sStze  nicht  gegeben,  dahin 
gehört  z.  b.  die  doctrin  von  dem  eins  und  vielen,  von  der  begrenzung  und 
dem  unbegrenzten,  von  den  vier  gattungen,  von  den  momenten  des  höch- 
sten gutes,  es  ist.  ganz  richtig ,  dasz  die  ideeulehre  in  dem  dialog  *kurz 
wegkommt'*^,  obgleich  immerhin  nicht  so  kurz  wie  im  Protagoras;  aber 
sehr  unrichtig  ist  es  zu  verlangen,  dasz  in  einer  abhandlung  über  die 
superiorität  der  lust  oder  der  einsieht  eine  lösung  der  aporien  der  ideeu- 
lehre gegeben  werde ,  die  der  Verfasser  ausdrücklich  nur  subsidiär  ein- 
führt") 

17)  ebd.  8.  161.  31Ö.  18)  Zeller  philosophie  der  Griechen  n  1 

8.  381.  449.         19)  Scbaorschmidt  a.  o.  8.  288.         20)  ebd.  s.  297. 
21)  PhUebos  §  12  ff.  c.  6  f. 


906        L.  Ge^ii :  die  Sduiticlimidtjche  kriUk  des  PbüAo«. 

Um  a«f  sachlichet  eiocugeheD,  so  wird  mui  gegen  die  *ewigen 
wesenhelUa'  des  Phiiebos  gesagt,  sie  seien  'eben  nur  als  gegenstinde 
eines  höheren  Wissens,  nicht  in  ihrer  wahrhaft  Piatonlscfaen  ontölogi- 
scben  bedeutong  als  poienzen'  aafgeföhrt,  und  aneh  von  den  vier  gattim* 
gen  wird  gesagt,  sie  seien  im  Phiiebos  'keine  reaNUloi',  nicfai  'die 
kosmiscben  potensen  der  weltbUdong',  sondern  'abstracCe  kategorien, 
subjective  denkbilder*.**)  allein  einmal  ist  es  doch  ausser  frage,  dasi 
der  verfasMf  des  Phiiebos  die  idee,  das  eins  in  dem  seienden,  dessen  ent- 
wicklnng  aufgäbe  der  dialekük  isl**},  sehr  real,  ja  als  das  die  realiUi 
ües  seienden  constituierende  element  meint,  und  die  vier  gattongen  aiid 
geradezu  als  die  objecltiren  grundformen  des  seins  beschrieben,  was 
wire  doch  das  olnoV)  die  Zeusseele,  das  urfeuer,  der  arkdrper  usw. 
ein  seltsames  subjectlTes  denkbildt  nur  deduciert  und  consuttiert  er 
diese  formen  nicht  eingehend,  sondern  er  bringt  sie  ak  fertige,  ander 
wärts  begründete  begriffe  bei.  sodann,  dasz  aber  nun  jede  dieser  poten- 
zen  unbeschadet  Ihrer  vollen  objectivitit  zugleich  als  form  des  wissois, 
der  erkenntnis,  als  begriffsfonn  verwendet  werden  kann,  ist  ja  notwendig, 
oder  sind  die  Platonischen  ideen,  das  gieidie,  das  schöne,  wenn  sie 
Platott  als  formen  des  erkennens  verwendet,  dhrum  nicht  mehr  formen 
des  seins?  oder  ist  die  repuUik,  wenn  sie  das  viele,  betten«  tische  unter 
eine  idee  geftszt  wissen  will,  ein  uoplatonisches  buch?  liegt  Os  nicht  in 
der  natur  der  sache,  dasz  In  jeder  Wissenschaft  die  ontologischen ,  mate- 
riellen prindpien  fflr  die  erkenntnis  und  darstellung  zngleich  den  Cha- 
rakter von  formalen  begrUfen,  von  kalegorien  aimehmen? 

Aber  auch  die  bezeichnung  der  idee'')  als  grenze,  iT^pac,  soll 
unplatonisch  sein,  dieses  wird  aus  Aristoteles  zu  beweisen  gesucht  da 
nemlich  Plalon  nach  Aristoteles  die  ideenweit  aus  dem  eins  und  dem 
grenzlosen  (dieses  auch  als  zweiheit  gesetzt}  'hervorgehen'  (!)  ^^'^^ 
so  könne  es  ^nicht  Piaton  gewesen  sein,  der  die  Ideenwelt  tuter  dem  aus- 
druck  ntpac  (begrenzung)  f^szte'.*^)  die  folgerung  Ist  nicht  klar,  etwa: 
weil  das  eins  zusammen  mit  dem  grenzlosen  die  i  dee  eottstituiere,  könne 
diese,  die  idee  nicht  selbst  als  das  wieder  mit  dem  grenz  losen  das 
seiende  constituierende  it^pac  bezeichnet  werden«  d.  h.  die  Idee  könne 
nicht  als  gegensatz  von  einem  ihrer  eigenen  factoren  figurieren  und  nicht 
mit  demselben  ausdrudt  bezeichnet  werden,  der  dem  andefti  ihrer  facto- 
ren zukommt,  es  wIre  dann  wol  richtiger  zu  sagen,  die  idee,  aus  eins 
und  grenzlosem  constituiert,  könne  nicht  wieder  selbst  als  eins  neben 
dem  grenzlosen  als  factor  des  seienden  bezeichnet  vt^rden.  aber  wann 
Piaton  einmal  hf  und  TT^pac  eben  in  dieser  zwieAicben  Ordnung  braucht, 
wer  kann  ihm  das  recht  dazu  verkfimmern?  'die  naohricht  des  Aristote- 
les' heiszt  es  nun  weiter  'dasz  Piaton  aus  dem  eins  und  der  zweiheit  die 
ideen  entstehen  (!  die  ideen  sind  doch  nicht  ein  entstandenes?) 


22)  Schaarschmidt  a.  o.  s.  297.  295.        23)  Phiiebos  §  12  f.  ^  1^  ^• 

24)  die  Irtreitfrage  ob  das  Htipac  die  idee  oder  die  Weltseele  sdi  n^ird 

anderwälrtB  (in  der  einleitung  zur  ttbersetsung  des  Phiiebos)  ^eaproehen 

werden.        25}  Schaarschmidt  a.  o.  s.  297.    Aristot.  metaph.  1 6  S.  98t  ^'* 


i 


L«  Georgii:  die  Schaarschmfdlflche  kritik  des  Philebos.        307 

liesz,  hat  der  Philebosautor  gekannt;  er  hat  sie  ab«r  Hilsch  benutzt,  in- 
dem er  iv  und  äireipov  nicht  wie  Piaton  zu  elementen  der  ideen ,  sou- 
deili  der  materiellen  dinge  (!)  macht/**)  wo  steht  denn  aber,  dasz 
nicht  auch  die  idee  sich  nach  dem  Philebos  aus  dem  €v  und  änet* 
pov  constitulert?  findet  ja  d«ch  der  kritiker  diese  ansieht  nachher  selbst 
im  Philebos  ausgesprochen.*^^  sodann,  ist  es  denn  wirklich  unplatotiich, 
dasz  auch  ffir  das  sehende,  für  das  wovon  man  das  prädicat  des  scins 
braucht,  das  eins  und  das  grenzlose  gleichfalls  als  die  constitoierenden 
factoren  bestimmt  sind?  nach  Aristoteles  gewis  nicht,  wenn  er  sagt, 
Piaton  habe  die  ideen  als  täntz  TOk  AXKoiC  angesehen  und  daher  ange- 
nommen dasz  die  elemente,  t&  CTOtxcioi,  der  idee  auch  die  elemente 
alles  seienden  seien,  was  sind  aber  diese  selbigen  elemente  der  Ideen 
und  des  seienden  anderes  als  eben,  dort  und  hier,  das  eins,  d.  h«  die 
grenze,  das  kleine  und  grosze,  die  zweiheit,  das  viele,  d.  h.  das 
grenzlose?  wobei  er  dann  noch  wdter  sagt  *ans  diesem,  dem  vielen 
heraus  gemSsz  der  teilnähme  am  eins  seien  die  ideen  dann  die  zahlen"*), 
d.  h.  in  dem  durch  teilnähme  des  tieien  am  eins  gesetzten  tritt  die  an 
sich  einzige  idee  als  die  zahl,  als  das  mathematische,  das  vieliSUige 
gleiche  auf.  in  primitiver  Verbindung  constituiert  aUo  das  eine  ond 
das  grenzlose  die  idee;  in  secundSrer  Verbindung  constituiert  die  idee 
als  begrenzendes  eins  wieder  mit  dem  grenziosen  oder  vielen  das  seiende, 
indem  durch  teilnähme  an  dem  eins  der  idee  dem  vielen  die  zahl  beige- 
setzt wird.**)  bildet  nun  allerdings  diese  einfQhrung  des  (v  und  äirei- 
pov in  beiden  Verbindungen,  wie  die  frage  welche  modlflcatlon  die 
begriffe  dabei  annehmen,  nech  ein  ungel^tes  rSthsel,  so  hat  eben  Piaton 
damit  ein  rithsel  aufgegeben,  das  Wol  umsonst  der  lösung  harrt,  ein 
tmpltttonischer  Widerspruch  des  Philebos  aber  mit  der  darstellung  des 
Aristoteles  darf  nicht  angenommen  noch  gesagt  werden ,  Piaton  habe  das 
iv  in  metaphysischem  sinn  den  dingen  (richtiger  dem  seienden)  abspre- 
chen müssen.^)  dasz  der  Verfasser  des  Philebos  nicht  auf  nähere  er- 
örterung  des  Verhältnisses  eingeht,  liegt  in  der  begrenzdng  seiner  auf- 
gäbe, eine  deductlon  der  Idee  aus  dem  eins  und  dem  grenzlosen  hat  mit 
dem  rangstreit  des  lebens  der  lust  und  der  einsieht  nichts  zu  thun.  wol 
aber  scheint  in  dem  dunkel  der  Aristotelischen  sitze  eben  das  aphoristi- 
sche dunkel  des  Philebos  sich  zu  reflectieren.  unmöglich  aber  kann  man 
CS  auch  hiemach  unplatonisch  finden,  dasz  der  Philebos  die  ideen  hena- 
den  oder  monaden  nennt,  wenn  ihm  die  idee  ctÖTÖ  Iv  6caCT0v")  war, 
wie  sie  Piaton  nach  Aristoteles  faszte. 

Kaum  glacklicher  dörfte  der  einwend  «ein,  im  Philebos  sei  der 
gegensatz  zwischen  der  grenze  und  dem  unbegrenzten  so  absolut  be- 
stimmt, dasz  er  eine  vei4)indung  oder  mischung  beider  begriflb  aus- 

-  - 

2B)  tSchaarschmidta.  o.  s.  298.  der  äusdruek  ^materielle  dinge'  ist 
einfach  unrichtig  (s.  nachher).  27)  Schaarschmidt  a.  o,  s.  804.  vgl. 
Philebos  §  12  ff.  28)  über  diese  vielbesprochene  stelle  vgl.  Schwegler 
metüphysik  d.  Arist.  III  s.  62  f.  Zeller  Plat.  Studien  s.  216.  262.  2^1  ff. 
und  pfail.  der  Gr.  II  1  s.  4t5.  29)  Arist.  a.  o.  irapd  täi  updriMtra 

irotf(cat.        30)  Schaarschmidt  a.  o.  s.  304.        31)  ebd.  s.  2M. 


306         L  Georgii:  die  Schaarschmidtsche  kriUk  des  Philebos. 

schliesze.^  es  ist  richtig,  dasz  der  Philebos  bei  allem  seienden,  so  weil 
das  nipac  einUitl,  das  fitrcipov  entweichen  l&szt  und  dasz  er  beide  be- 
griffe als  dvovTia  faszt.")  nur  musz  man  dieses  d^1rol€Tv,  dqxtvKciv, 
b^X^cOat  usw.  ja  nicht  als  ein  jeden  moment  eintretendes  ge- 
schehen nehmen,  sondern  als  den  au^ruck  fär  das  logisdie  Te^ 
halten  des  denkens  zu  den  verschiedenen  relationen  des  seienden,  so 
gehört  die  iust  nach  einer  seite  zu  der  gattung  des  grenzlosen,  nach  der 
andern  zu  der  des  gemischten.*^}  als  Platonisch  aber  ist  diese  redeweise 
vollständig  z.  b.  durch  den  gebrauch  legitimiert,  den  der  Pliädon  bei 
besprechung  des  Verhaltens  der  entgegengesetzten  ideen  von  derselben 
macht.*)  ebenso  kann  auch  die  Spannung  des  gegensatzes  zwischen 
ir^pac  und  äiT€tpov  als  Pktonisch  nicht  angefochten  werden,  wie 
Schaarschmidt  selbst  zugibt,  nur  wenn  nun  gesagt  wird  dasz  'der 
Platonische  gegensatz  beider  begriffe,  welcher  ein  in  keine  höhere  eio- 
heit  auflösbarer,  weil  contradictorischer  sei,  eine  misch ung  beider 
elemente  ausschllesze'*'),  so  ist  doch  die  erste  frage,  ob  auch  Platoo 
die  Sache  so  angesehen,  ob  er  eine  Verbindung  solcher  gegensStze  fär 
unmöglich  gehalten  habe,  dieses  ist  aber  keineswegs  der  fall,  ausdrück- 
lich hat  ja  Piaton  aus  der  Verbindung  des  eins  und  der  dyas,  des  inei- 
pov  schon  die  Idee,  und  sofort  aus  der  Verbindung  dieser  als  des  eins 
und  des  äiretpov  das  seiende  sich  constituieren  lassen ,  wie  Aristoteles 
bezeugt,  und  im  Phädon  sind  die  sogar  conträr  entgegengesetzten  ideen 
des  kleinen  und  groszen  zu  gleicher  zeit  in  dem  öinen  Simmias  vorhanden, 
und  ist  derselbe,  je  nachdem  er  neben  Sokrates  oder  Phädon  sich  stellt, 
vermöge  des  hinzutretens  der  einen  oder  der  andern  idee  baM  grosz 
bald  klein.  Platonisch  ist  die  Verbindung  und  mischung  der  gegen- 
sätze  durchaus,  eine  andere  frage  ist  es,  ob  der  begriff  derselben  auf 
dieser  basis  rationell,  ob  er  logisch  vollziehbar  ist.  das  aber  hat  der 
Philebos  den  Piaton  verantworten  zu  lassen,  ist  eine  Inconsequenz  dabei« 
so  könnte  sie  dem  dialog  nicht  gegen,  sondern  nur  fflr  seine  legitimiUil 
angerechnet  werden,  in  der  that  handelt  es  sich  bei  dieser  frage  uro  das 
bekanntermaszen  schwierigste  problem  der  Platonischen  philosophie ,  qid 
das  Verhältnis  der  idealweit  zur  sinnlichen  erscheinung,  besonders  des 
äireipov  jener  zum  äireipov  dieser,  fflr  dessen  durchsichtige  darstelluDg 
dieselbe  überhaupt  keinen  typus  darbietet,  der  nicht  widerspräche  in 
sich  trüge,  gewis  aber  ist  *der  dnalismus  von  idealer  wirkiiciikeit  und 
materieller  weit,  auf  welchem  Piaton  immer  bestanden',  nicht  so  scharf 
und  absolut  zu  fassen ,  dasz  nicht  die  doctrin  des  Philebos  von  den  vier 
gattungen  so  gut  wie  jeder  andere  versuch  der  lösung  jenes  problenos 
nahe  zu  kommen  sich  demselben  eingliedern  liesze. 

Doch  nicht  genug:  auch  gegen  den  allherscher  des  Philebos,  den 
königlichen  verstand  und  die  seele  des  Zeus  erhebt  sich  die  frevle  band 
des  kritischen  Titan,  um  ihn  aus  dem  olympischen  familienkreise  des 


32)  ebd.  8.  298  ff.  33)  Philebos  §  39  ff.  s.  24<»  f.  34)  Philebos 
§  58.  59  s.  81.  35)  Phädon  s.  100  f.  §  114  ff.  36)  Schaarschmidt 
a.  0.  8.  300. 


L.  Georgii :  die  Schaarschmldtsche  kritik  des  Philebos.         309 

göttlichen  Piaton  in  die  dankelheit  namenloser  unechtheit  zu  stflnen. 
^onter  der  alria  des  Philebos'  heiszt  es  ^steckt  der  voCc  iTOir|nKÖc  des 
Aristoteles;  nun  welsz  der  Verfasser  aus  seinem  Piaton,  dasz  es  keinen 
voöc  ohne  seele  gibt;  er  gibt  daher  auch  dem  6€foc  VoCc  des  Zeus  eine 
königliche  seele  und  nimt  eine  wellseele  an.  nehmen  wir  Hin  beim  wort, 
so  musz,  da  nach  Piaton  (in  den  gesetzen)  die  seele  das  llteste  und  ur- 
sprünglichste ist,  diese  dem  voOc  vorhergehen  und  kann  ihn  nicht,  wie  im 
Philebos  doch  behauptet  wird,  als  aiiia  vor  sich  haben;  oder  umgekehrt, 
da  nach  seiner  theorie  die  seelenbildung  erst  auf  der  Wirkung  der  alria 
beruht  und  die  seele  dem  gewordenen,  fiiKTÖv  T^oc,  angehört,  hat  er 
sich  in  Widerspruch  mit  jenem  satze  Piatons  gestellt  und  kann  er  nicht 
derselbe  wie  Piaton  sein,  da  dieser  die  seele  für  ein  ursprüngliches 
hält."']  ein  tiUnischer  stosz.  wo  ist  der  XÖTOC  &aTÖirX€ip  ihn  zu 
parieren? 

Vor  allem  ist  zu  sagen ,  dasz  das  ganze  argument  wörtlich  auf  den 
Timft OS  passt  hier  ist  es  der  weltbildende  gott,  der  um  das  beste  zu 
schaffen,  seinem  geschöpfe  vemunfl  zu  geben  beschlieszt  und  nun,  da 
unmöglich  etwas  ohne  seele  vemunft  haben  kann,  vemunfl  in  einer  seele 
schaiTt  und  eine  seele  in  einem  körper  und  so  das  Universum  bildet;  die 
seele  der  weit  aber  schuf  er  durch  mischung  des  unteilbaren  sichselbst- 
gleichen  imd  des  teilbaren  werdenden  als  mittleres  drittes.*^  die  seele 
ist  also  hier  ein  gewordenes,  zusammengefügtes,  gemischtes'*),  dem 
nicht  nur  der  gott  und  seine  vemunft,  sondern  auch  jene  zwei  elemente 
vorangehen;  und  da  nun  nach  den  gesetzen  die  seele  das  älteste  untl 
ursprünglichste  Ist,  so  hat  sich  der  Verfasser  des  Timftos  in  Widerspruch 
mit  Piaton  gesetzt  und  kann  er  nicht  derselbe  wie  Piaton  sein;  folglich 
ist  der  Timäos  —  *halt,  der  Philebos,  nicht  der  TimAos.  dieser  ist 
eclit/  —  gut,  wagen  wir  den  6e<}T€poc  irXoOc! 

Dem  Philebosautor  ist  aus  seinem  Pia  ton,  dem  Timftos  bekannt, 
dasz  es  keinen  voOc  ohne  seele  gibt,  gesetzt  der  Timlos  sagte 
dies  und  d^r  Philebos  hätte  ihn  auch  so  verstanden,  was  folgt  daraus  für 
den  gott  des  Timäos?  notwendig,  dasz  er  entweder  vernunfüos  wäre 
oder  auch  schon  eine  seele  hätte;  und  dasselbe  ist  von  der  airia  des 
Philebos  zu  sagen,  beides  ist  nach  beiden  dialogen  unstatthaft,  beiden 
die  seele  erst  ein  gewordenes,  gemischtes;  also  beide  widersprechen  sich 
selbst  und  dem  Piaton  der  gesetze;  also  wie  der  Philebos,  ist  auch  der 
Timäos  — Mialt,  eöcTOfl*  l%€\  der  Philebos  ist  unecht,  nicht  der  Timäos.' 

Abo  die  dritte  band !  steht  denn  im  Timäos  und  Philebos,  es  g  e  b  e 
keinen  voOc  ohne  seele?  jener  sagt,  dasz  vemunfl  in  etwas,  einem  Tt 
unmöglich  vorhanden,  damit  verbunden  sei  (iraporev^cOat  Tt|i)  ohne  eine 
seele ;  der  Philebos,  Weisheit  und  Vernunft  werdenniejemals  (oÖK  fiv 
7rOT€  T^oicOnv)  ohne  seele.  es  handelt  sich  also  hier  nur  um  die  Ver- 
nunft, wie  sie  dem  weltganzen  innewohnt^),  nicht  um  die  absolute  ver- 


S7}  Scbaarschmidt  a.  o.  s.  800,  vgl.  Philebos  §  ÖO  ff.  s.  28«  f.  Timäoe 
8.  90K  gesetse  IX  s.  892«  ff.       88)  Timäos  s.  28  ff.       89)  Timttoa  s.  85.  86. 
40)  vgl.  ZeUer  phiL  der  Or.  II  1  s.  464,  2. 


910      '  L.  Gaorgu :  die  S^aarscbmidtsche  kritik  des  PhUebos. 

niuift,  die  cdfria  beider  dialoge,  sondern  iubd  die  veraonCt  im  complex 
des  geworde«eo,  ip  dem  sie  olme  das  gemisdite  wese«  einer  seele  ud- 
deakiiar  ist,  die  aiisoiate  vemunfl  ist  durcii  jenen  saU  niclil  gehindert 
im  Piiilebos  als  ureaote«  im  TiiMos  als  d^r  gott  vor  allem  werden,  aller 
sealenbilduDg,  aller  erseheinuikg,  selbst  ohne  seele«  voranzugehee«  beide 
widerapreohen  sich  also  nicht, 

Aber  die  gesetzel  aie  erklären  die  seele  für  das  älteste  mid  ur« 
sprfinglichste  ^  und  setsen  wir  bin^u^  aoch  der  Timäos,  der  i^iner 
sedenbUdung  aosdrtleklicb  die  Verwahrung  der  prioritlt  der  seele,  ibrcs 
alterrecbts  yoransebiek^  gewia,  der  prioriut.  aber  nur  vor  dem  —  ur- 
kArper  und  allem  körperliclieQ,  und  in  den  gesetzen?  niehts  anderes 
als  daas  die  seele  und  was  zur  aeele  gebort,  vors^f^Uung,  dberlegung, 
verstand^  kiuisl«  geseta  Alter  ist  als  der  —  kör  per  und  was  zum  kör- 
per  gehört,  als  die  natur,  die  elemente  usw.  dafür  dasz  die  si^e  4^ 
absolut  ursprüngliche,  erste,  älleste  sei,  dasz  sie  Piaton  amcb  vorder 
ursSehlicben  Vernunft  oder  dem  nach  vernünftigen,  besten  zwecken  schif- 
fenden gott,  der  in  der  aMa  des  Pbilebos  vor  allem  steckt,  voran- 
gehen lasse,  enthält  die  stelle  auch  nicht  den  mindesten  anhaltspuDcU 
und  so  wäre  auch  dieser  einwand  in  der  Uiat  unbegröndeL 

Doch  lassen  wir  uns  aus  dieser  olympischen  höhe  auf  den  bodeo  der 
Wirklichkeit,  des  realen  «eins  hernieder:  wie  steht  es  da  mit  deni  Phü^' 
hos?  natOrlich  alles  schief,  ungesund,  falsch.  *wo  von  den  metaphysi- 
schen Potenzen  die  rede  ist,  wird  das  sein  und  das  seiende  vom  PhÜehos- 
autor  stets  im  gewöhnlichen  realistischen  und  onplatenischen 
sfaine  genommen,  wie  wenn  von  Td  del  Xerö^ieva  elvai  und  t&vOv 
dvra  die  rede  ist,  nicht  aber  als  idee-'^O  ^^^  damit  gemeint  ist,  ist  nicht 
recht  klar;  Platonisch  wird  man  sich  wol  so  nicht  auadrCIck^n  können: 
'das  seiende  als  idee  betrachten',  auaier  so  weit  es  der  Phüebos  thui, 
der  gar  sehr  auf  die  ermiltlung  des  ideellen  momenls  im  seienden  dringt. 
ebenso  ist  nicht  verständlich ,  was  es  mit  dem  gemeinen  realismus  da 
Philebos  im  unterschied  von  dem  realismus  Piatons  für  eine  bewandtnis 
haben  soll,  nach  der  art,  wie  dabei  Aristotelische  formein  angefülirt 
werden  f  das  Tr^pac  sei  das  elboc  oder  tö  ti  f^v  elvai,  das  gemischK^ 
sein  die  cüvoXoc  oiiicta,  ebenso  das  Td  Xetöf^eva  cTvai^),  ist  wol  die 
meinung,  der  Philebos  stehe  nicht  so  wol  auf  Platonischem  als  auf  Aristo- 
telischem standpunct,  nach  welchem  die  oöcia  nicht  irgend  allgemeines, 
sondern  das  einzelwesen,  das  idbe  Tl  ist,  und  eine  stütze  derselben 
scheint  darin  gefunden  zu  werden 9  dasz  die  idee  im  Philebos  als  im 
seienden  enthalten^}  dargestellt  werde,  allein  wenn  auch  nach  sei- 
nem umfang  das  Philebiscbe  jüitKTÖV  T^VOC  immerbin  dem  durch  die 
oöda  und  das  eTboc,  die  form,  sich  constituierenden  cuvoXov  d?s  Aris- 
toteles entspricht,  gehen  doch  beide  begriffe  völlig  aus  einander,  das 
wesen,  die  oöda  des  seienden  ist  aucli  im  Philebos  durchaus  allgemei- 
nes, die  idee,  die  ochsheit,  das  schöne  an  sich,  das  diretpov  hier  ebenso 


41)  Schaarschmidt  o.  o.  s.  297.  42)  Philebos  g  18  s.  16. 

43)  Schaarschmidt  a.  o.  s.  808:  £Opr|^€iv  t^P  ^oOcav. 


h.  Georgit:  diQ^Seha^raohiaMlUciie  MÜk  des  niiM)o&        311 

negaliv  als  düe  {jXt|  bei  Aristoteles  positiv,  das  den  ideeogehall,  die  otjda 
herhelbringeade  f  diei  genieinachaft  der  Idee  bedingende  n^poc  des  Phile- 
bos  ebenso  ni«(eriak3  princip,  als  das  cTboc  des  Aristoteles  rein  formales, 
von  ^materiellen  dingen'  aber  konnte  weder  Platon  eigentiieb  »oeb 
aueb  der  PbüebossatQr  non  den  besAglen  grundbegrifito  ans  reden,  jeden- 
falls ktno  da»  *von  dem  immer  gesagt  wird  dasi  es  sei',  was  als  Td 
vOv  dvra  beEeiobnet  wird,  nicbi  mit  ^materiellen  dingen'  Identificlert 
werden»  dennocb  ist  in  der  beatimmung  d^s  verblltniasea  awtschen  dem 
seienden  und  den  ideen  einiger  unterschied  awisohen  dem  Philebua  und 
anderen  dlaiogen,  sofern  das  dvcTvoi  der  allgemeinen  begriffe  als  ein 
eins,  swei  dns,  drei  eins,  als  itröco,  bestimmte  zabl^)  ein  auadmck  ist 
fi&r  die  paruate  oder  geweinsobaft  der  I4ee,  wdcher  eine  Innigkeit  der 
Verbindung  ausspficht,  wie  sie  sonst  nicht  wol  voUsogen  ist,  und  man 
k&BAte  fragen,  ob  niciit  hier  eine  spur  der  von  Platon  spAter  versuebten 
einaehiebung  des  mathemaljsehen  als  eines  mittleren  zwischen  idee  und 
erseheinung  vorliege,  daa  sonst  der  idee  gidch  niobt  wie  diese  ein  einzi- 
ges, aondern  ehi  mehrAltiges  gleiches  ist,  eines  veraucbs  Platona  aelhit, 
dem  von  Aristoteles  sUts  gerügten,  in  der  beatimmung  der  ideen  als 
odciai  x*tiptCTa{  gelegenen  maagel  seiner  lehre  abzuhelfen  und  mittels 
der  aaU  die  idee  ak  Iv  im  iroXXtÜhi  darstellbar  zu  machen,  eine  an* 
naherung  an  die  doctrin  des  Aristoteles  ist  dieses  nur  scheinbar:  prio- 
G^iell  sind  beide  lehren  doch  verschieden,  dasz  auch  dieae  einsetsHng 
der  zahl  urrationell  ist  und  die  aporie  der  ideenlebre  nur  hinausschiebt; 
nicht  beseitigt,  dasz  nach  dieser  lehre  Platon  nur  ein  wQiterea  prineip, 
neben  den  ideen  die  idealzahlen  einführen  muste,  thutdem  Platoniaoben 
Charakter  des  philoaophems  keinen  eintrag*  jedeofalls  wie  die  sahl  im 
seienden  mit  dem  iripoc  gesetzt  ist,  ist  dieselbe  kein  *nacb  der  band' 
erzeugtes^}  des  if^pc^c,  wie  Aristoteles  wieder  bündig  sagt,  Platon  habe 
wie  die  Pytbagoreer  die  zahlen  als  wesensgrund  ffir  das  ftbrige  (airiouc 
TOtc  dXXotc  Tfic  oöciac)  bestimmt^),  also  derselben  sieb  keineswegs  nur 
als  erklArungsmittel  der  höchsten  metapbyslioheo  prineipien  bedient.^} 

Natürlich  wird  auch  der  dialektik^  des  Philehos  ^lerbung  de- 
cretierL  sie  sei  nichts  als  eine  auf  geoiein  realistischer  grundlage 
vor  sich  gehende  analyse  der  ^materiellen  dinge',  das  objeei  der  dlalek- 
tiacben  unteraudtung  ist  ja  aber  ausdrücklich  daa  eins,  die  gattunga-  und 
artbegriffe,  der  ideale  gehalt  des  seienden,  das  empirische  seiende  bildet 
allerdings  das  material  hier  wie  im  Pbädros^^},  wo  diQ  dialektissbe  arbeit, 
sofern  sie  analyse  ist,  es  keineswegs  mit  ^bereits  verarbeitetem  gedanken- 
gehali',  sondern  mit  dem  empirischen  material  der  rede,  den  reden,  den 
seelenbeschaffenbeiten  zu  thun  hat,  wie  hinwiederum  im  Phllebos  das 
synthetische  verfahren  durchaus  nicht  vergessen  ist.^) 

Doch,  wie  gesagt,  alle  dieae  unteravcbungfu  betreffen  nur  Vorfragen 


I II     !■      I  I 


"  44)  Pbilebos  a.  c;  vgl.  ferner  die  behandlang  der  beispiele  der 
mneik,  grammatik  nsw.  46)  Schaarschmidt  s.  o.  a.  801  n.  ö,  Pbilebos 
§  40  8.  t4  f,  4Ü)  Arist.  met.  I  6.  47)  Bcbaarsobmidt  a.  o.  a.  298. 
aOl.  48)  ebd.  s.  801.  303  f.  49)  Pb^droe  §  106  f.  a.  264  f. 

60)  PhUeboa  §  la«  ^.  49  s.  16.  18.  26. 


312        L.  Gcorgü:  die  SciiaarachmidUrfac  krilü  des  Pfaild>os. 

des  Phflebos,  docihneo  die  in  diesem  dialog  nicht  sweck  sind,  sondern 
mehr  oder  weniger  als  fertige  beweismittd  sohaidiir  beigdimdit  werdes. 
treten  wir  Oher  auf  das  gebiet  da*  praktischen  fragen,  deren  lösnng  das 
eigentliche  proldem  des  dialogs  ausmacht 

Dasz  der  kritiker  seine  kritische  lost  auch  an  dar  lostlehre  des 
Pfaildios  bfiszen  werde,  ist  som  Toraus  anmnehmen.  findet  er  es  doch 
sogleich  Terwondersaffl**),  wie  Piaton  nach  den  erortemngen  des  Gor- 
gias  and  Protagoras  diesen  gegenständ  noch  einmal  in  einem  besondero 
dialog  behandelt  haben  sollte,  aber  wie,  dasz  er  in  der  repnblik  gar 
noch  einmal  daraof  zurückkommt?  —  Um  aus  dem  gedränge  der  ^ 
machten  aussteUnngen  einzelnes  herauszunehmen,  so  soll  die  Phllebische 
lostlehre  onplatonisch  sein,  weil  sie  nicht  über  den  begriff  der  sinn- 
lichen lost,  sowie  fiber  den  gegensatz  der  lost  und  Weisheit'*)  hin- 
auskomme, wahrend  Piaton  im  Staat  den  gegensatz  in  dem  begriff  einer 
die  Weisheit  stets  begleitenden  intellectuellen  lost  aufhebe,  deren  hohe 
der  Philebos  nicht  zu  erreichen  vermöge.^  allein  den  gegensatz  bitte  ja 
der  Philebos  mit  dem  Gorgias  und  Protagoras  gemein,  und  es  wären  auch 
diese  folgerichtig  darauf  anzusehen^),  wie  sie  in  unplatonischem  Wider- 
spruch mit  der  lehre  der  republik  stehen,  ja  noch  viel  strenger,  da  der 
Philebos  recht  eigentlich  die  aufhebung  des  gegensatzes  zum  zweck 
hat,  die  doch  nur  indirect  in  jener  stelle  des  Staats  gefunden  werden 
kann,  es  werden  nemlich  daselbst  die  lustgefühle,  welche  die  befriedi- 
^ung  der  gewinnsuch t,  ehrsuch t  gewährt,  mit  der  Inst  des  philosopben 
verglichen,  um  diese  als  die  grössere,  reinere,  wahrere  zu  erweisen. 
Im  Philebos  aber  ist  die  ganze  struclur  der  Untersuchung  daraufgerichtet, 
jenen  gegensalz  aufzuheben  in  der  darstellung  des  höchsten  mensch- 
iichen  lebensgutes,  des  gemischten  lebens.  und  wie  er  nun  redet  von 
einer  mit  dem  weisesem  selbst  verbundenen  lust,  von  der  ideotit&tder 
wahren  und  frommen  lust,  von  den  nicht  relativ  sondern  an  sicli  schönen 
formen,  den  mit  denselben  zusammengewachsenen  eigenen  lustgeffihien, 
dann  von  den  mit  den  kenntnissen  naturgemäsz  verknöpften,  nur  wenigen 
errelclibaren ,  wie  er  redet  von  der  Verwandtschaft,  in  der  die  wah- 
ren und  reinen,  an  gesundheit,  besonnenheit  haftenden,  die  der  lugend 
wie  einer  gotlheil  stets  folgenden  lustgefühle  mit  der  Vernunft  und 
einsieht  stehen  —  kann  man  doch  billiger  weise  nicht  sagen,  der  Philebos 
kenne  die  intellectuelle  lust  nicht,  'andere  als  sinnliche  löste  kenne  er  loa 
gründe  nicht',  ja,  hat  nicht  die  misch ung  der  sämtlichen  Wissens- 
zweige mit  den  reinen  und  wahren  luslgeföhlen  gerade  den  sinn,  dasz 
das  geföhl  der  lust  als  natörliche  'consequenz  oder  integrierender  he- 
standleil  der  vernönftigkeil  selbsl'  bezeichnet,  ^werden  soU?^)  und  dasi 
nun  diese  sittliche  und  geistige  lust  nkhi  als  besonderes  gut  in  der  göter 
lafel  aufgeführt  ist,  erklärt  sich  ja  ganz  natürlich  daraus,  dasz  dieselbe 
mit  der  q>pöviictc,  der  lugend,  den  erkenntnissen  zusammengewachsen 


51)  Bchaarsohmidt  a.  o.  s.  807.  52)  ebd.  s.  813.  314.  817. 

58)  ebd.  s.  808.  814.    Plat.  rep.  IX  586  f.  54)  Schaarsohmidt  ft.  »• 

814.        55)  Tgl.  FhUebos  §  5.  84.  115  f.  118.  152.  146  ff. 


L.  Georgil :  die  Schaarschmidtsclie  kritik  des  Phflebos.         313 

(gii|LiqpUTOi,  olKeiat),  also  in  den  vier  ersten  gütern  einbegriffen  ist, 
während  die  den  Wahrnehmungen  folgenden  ungemischten  gefQhle  der 
seele  als  besondere*  psychische  momente  das  fflnfle ,  weniger  werlhe  gut 
bilden,  d.  h.  denjenigen  teil  des  lustgebietes  der  hedoniker,  der  noch 
relativ  als  gut  gelten  kann. 

Mit  unrecht  wird  dem  Philebos  auch  als  unplatonisch  angerechnet, 
dasz  er  die  einteilung  der  lust,  die  der  Staat  für  seine  Staatstheorie  zu 
gründe  legt,  nicht  anwende.^}  für  die  allgemeine  Untersuchung  des 
Philebos  war  sie  nicht  geboten,  obgleich  nicht  zu  leugnen  ist,  dasz  der- 
selben im  einzelnen  mehr  schärfe  zu  wünschen  wäre,  nur  unplatonisch 
ist  seine  lustlehre  darum  nicht,  weil  sie  nicht  in  allem  die  des  Staats  aus- 
schreibt, so  wenig  als  die  des  Protagoras  oder  Gorgias.  die  art  z.  b. 
wie  der  unterschied  der  wahren  und  unwahren  lust  zu  tode  gequält  wird 
u.  a.  m.  läszt  vieles  vermissen,  aber  unplatonisch  ist  sie  nicht,  und  für 
die  einzelnen  formen  der  lust,  die  unterschieden  werden,  fehlt  es  nicht  an 
parallelen,  selbst  z.  b.  die  gerüche  betreffend.")  seltsam  ist  die  annähme, 
der  Philebos  bezeichne  die  lust  nicht  als  K{vrictc,  sondern  als  Y^vecic, 
weil  dieser  ausdruck  'weniger  materialistisch  sei  und  gegen  jenen  Aristo- 
teles sich  so  ausdrücklich  erklärt  habe'.  Aristoteles  aber  erklärt  sich  auch 
gegen  diesen*^),  und  zudem  sind  beide  ausdrücke  nicht  synonym,  be- 
wegung  ist  die  lust  der  hedoniker;  die  welche  sie  als  t^vecic  bezeich- 
nen ,  ihr  das  sein  absprechen,  sind  im  Philebos  nicht  die  hedoniker.  end- 
lich, wenn  der  Philebos  von  gewissen  formen,  figuren,  tonen  sagt,  sie 
seien  nicht  relativ,  sondern  an  sich  schön,  so  kann  doch  mit  recht  darin 
niemand  den  sinn  finden,  er  lasse  das  *an  sich  schöne',  die  wesent- 
liche idee  des  schönen  damit  in  die  sinnliche  erscheinung  treten.  **) 

Sofort  läszt  aber  auch  die  erkenntnis  des  Philebos  manches  zu 
wünschen  übrig,  schon  die  definition  der  q>p6vricic,  nach  der  dieselbe 
das  gesamte  geistesleben  und  erkennen  in  sich  befaszt,  kenne  der  histo- 
rische Sokrates  nicht. ^)  aber  hat  es  denn  der  Philebos  mit  dem  histo- 
rischen Sokrates  zu  thun?  richtiger  ist  der  tadel  der  confusen  art, 
wie  der  Philebos  die  }ivimr\  und  die  ävdjLiVTicic  behandelt.*')  dagegen 
wie  er  die  9p6vTiac  später  zerlegt  und  den  einzelnen  disciplinen  je  das 
ihnen  zugehörige  gebiet  der  arbeit,  der  geistesbildung  usw.  zuteilt,  dürfte 
der  Vorwurf  nicht  begründet  sein,  es  werde  nicht  gezeigt,  worin  und 
wie  die  erkenntnis  zur  erscheinung  komme.*) 

Schwerer  als  diese  kleinen  puncto  aber  wiegt  die  anklage,  dasz  der 
anzügliche  ansprach  der  qppövr|CtC,  das  gute  zu  sein,  nicht  widerlegt, 
der  ^lKTÖC  ß(oc  also  ohne  beweis  eingeführt  werde,  und  in  der  that 
blickt  aus  mehreren  stellen  des  dialogs  immer  wieder  die  ansieht  durch, 
dasz  das  eigentlich  beste,  ja  göttliche  leben  doch  das  der  reinen  einsieht 


56)  Schaarschmidt  a.  o.  s.  814  vgl.  808.         67)  ebd.  8.  810  f.;  vgl. 
Plat.  rep.  IX  s.  583  ff.  68)  Schaarschmidt  a.  o.  s.  810.    vgl.  Arist. 

Nik.  ethik  YH  13.  X  2.  Philebos  §  122  f.  s.  63  f.        69)  Schaarschmidt 
a.  o.  B.  318  f.   Philebos  §  116  ff.  s.  61  f.  60)  Schaarschmidt  a.  o. 

0.  316.    vgl.  Philebos  §  16.  162.  61)  Schaarschmidt  a.  o.  s.  293  f. 

vgl.  Philebos  §  66.         62)  Schaarschmidt  a.  o.  s.  287. 

J«hrbach«r  ftkr  eUif.  phUoI.  1S6S  hft.  6.  '21 


314        L.  G€orgii:  die  Schaarschmidlsche  kritik  des  Philebos. 

sei.**)  alieio  ist  hier  wirklich  ein  mangel  vorbanden,  so  isl  das  Plato- 
nische recht  desselben  artig  legitimiert  durch  eine  gerade  in  dieser  frage 
sprechende  parallele  des  —  Protagons,  die  negation  des  anspruchs  der 
q>pöVT]Cic  auf  den  ersten  rang  wird  im  Phüebos  dem  Protarchos  aus- 
drücklich nur  als  concession  zugestanden,  um  die  Untersuchung  weiter 
zu  fflhren  und  im  gemischten  leben  der  vemunft  ihr  Vorzugsrecht  desto 
gewisser  zu  sichern,  ganz  wie  im  Protagoras  Sokrates  dem  sopbisten 
sogar  so  weit  sich  anbequemt,  dasz  er  die  lust  selbst  als  das  gute  sich 
gefallen  iSszt,  ohne  den  mindesten  beweis  dafür  zu  geben,  und  zwar  zu 
welchem  zwecke?  nun,  nach  der  oben  besprochenen  auffassung  zu  kei- 
nem andern  zwecke,  als  um  —  das  gemischte  leben  des  Aristoteles 
zu  deducieren.  gewis  ewe  parallele,  die  den  Philebos  in  den  äugen  des 
kritikers  vollständig  justificiert.  indessen  dasz  der  auf  die  basis  der 
groszen  Untersuchung  Aber  die  vier  gattungen  gegründete 
und  an  den  drei  merkmalen  des  guten  eingehend  nachge- 
messene höhere  werth  des  gemischten  lebens  der  begrfindung  ent- 
behre, kann  unbefangen  nicht  gesagt  werden,  auch  in  der  republik 
übrigens  ist  die  Verneinung  des  anspruchs  der  q>pöviictc,  allein  das  gute 
zu  sein ,  ohne  weiteren  beweis  ausgesprochen,  denn  die  hinweisung  auf 
den  abstract  formalen  Charakter  der  (pp6vr)Ctc,  wie  sie  die  republik  for- 
muliert, ist  kaum  mehr  ein  beweis  zu  nennen,  als  wie  sie  im  Philebos 
gehalten  ist.**) 

Dieses  führt  auf  die  vielbesprochene  frage  über  den  begrilT  und  das 
wesen  des  guten  im  Philebos ,  und  die  Schwierigkeit  weiche  man  in  der 
scheinbaren  confusion  der  frage  über  das  absolut  höchste  gut  und  der 
über  das  höchste  menschliche  lebensgut,  die  der  schlusz  des  dialogs  ent- 
halten soll,  findet,  kann  nicht  verfehlen  den  schlusz  zu  unterbreiten 
Masz  der  Verfasser  des  dialogs  eben  nicht  Piaton  sei,  sondern  ein  anderer, 
der  auch  hierbei  dinge  zusammen  wirrt,  die  Piaton  sehr  wol  aus  einander 
zu  halten  weisz'.**)  dasz  sich  der  Philebos  einer  solchen  confusion  nicht 
schuldig  gemacht  hat,  ergibt  sich,  wie  anderwärts  zu  zeigen  ist,  aus 
einer  folgerichtigen  auffassung  der  schluszverhandlung  des  dialogs,  welche 
die  Identität  der  beiden  bauptdarstellungen  der  bestandteile  des  mensch- 
lichen lebensguts,  nach  welchen  in  ganz  gleicher  terminologie  dieselben 
zuerst  als  kriterien  der  mischung,  dann  als  besitztümer  der  seele 
auftreten,  anzuerkennen  kaum  sich  weigern  dürfte,  die  darstellnngen  des 
Staats  und  des  Philebos  bilden ,  wie  in  noch  manch  anderer  frage ,  so  in 
der  über  das  wesen  des  guten,  parallelen  die  sich  ergänzen,  nicht  wider- 
sprechen, beide  gehen  von  der  ablehnung  der  doctrinen,  welche  das  gute 
in  die  abstracto  Tust  oder  In  die  abstracto  (ppövricic  setzen,  d.  h.  der 
moralprincipien  der  kyrenaischen  und  der  megarischen  schule  aus.  die 
viel  bewunderte.  Platonisch  schwülstige  und  überschwängliche  exposition 
des  Staats  entwickelt  sofort  die  objective,  substantielle  idee  des  höchsten 
gutes ,  eine  exposition  deren  zweck  in  dem  bloszen  nach  weis  der  einzig 


63)  ebd.  8.  286.  64)  Plat.  rep.  VI  s.  605  ff.    vgl.  Philebos  §  33. 

'^i.        66)  Schaaraohmidt  a,  o.  s.  806. 


L.  Georgii:  die  Schaarschmidtsche  krilik  des  Philebos.        315 

wahren,  der  intellectuellen  lust  zu  suchen^)  doch  eine  zu  beschrAnkle 
auffassung  ist.  wollte  man  an  dieselbe  die  frage  stellen ,  wie  sich  von 
dieser  ndiulosen  Idee  ans  das  höchste  menschliche  lebensgut  constituie- 
ren  würde,  so  könnte  dasselbe  sicher  nur,  wie  Schaarschmidt  schön  und 
bündig  es  ausdrückt*^,  in  der  ^persönlich  gewordenen  Wissenschaft,  der 
q)pövT)Cic'  gefunden  werden,  welche  den  Zusammenhang  mit  der  ideal- 
weit, innere  Übereinstimmung  und  schöne  Vollendung  des  lebens,  und 
die  durch  keinen  schein  getrübte  dialektische  kraft  bedingt,  d.  h.  die  drei 
ersten  momente  der  güterscala  des  Philebos,  masz,  Symmetrie  und  Wahr- 
heit in  sich  trägt,  dasz  der  Philebos  das  gute  zwar  nicht  im  sinne  der 
späteren  etliik,  sondern  im  sinne  und  geiste  Piatons  durchaus  als  moral- 
princip,  als  die  subjective  auf  der  gemeinschafl  (xoivwvia)  jener  objec- 
liven  idee  beruhende,  in  jenen  drei  momenten  oder  besitztümem  sub- 
jectiv  sich  manifestierende  disposition  (biäOecic,  £Sic)  der  seele  faszt 
und  die  entwicklung  dieses  gutes  die  alleinige  aufgäbe  des  dialogs  ist, 
ist  ebenso  unumslöszlich,  als  die  substantielle  idee  des  guten,  wie  sie  die 
republik  exponiert,  nie  und  nimmer  ein  besitztum  der  seele  genannt  wer- 
den kann. 

Anders  verhält  es  sich  nun  allerdings  mit  den  *discrepanzen'  des 
Philebos ,  welche  die  formseite  des  dialogs ,  die  composition  des  ganzen, 
die  Charakteristik  der  personen,  die  scenische  ausstattung,  die  führung 
uud  handhabung  der  gesprächsform ,  manche  weise  des  sprachlichen  aus- 
drucks  betreffen,  es  ist  nicht  in  abrede  zu  ziehen,  dasz  die  innere  con- 
struction  nach  ihrer  folgerichtig keit  zwar,  mit  Schleiermacher  zu  reden, 
den  dialog  den  kemgesprächen  Piatons  nahe  genug  stellt,  aber  ebenso 
wenig,  dasz  die  disposition,  das  skelett  der  Untersuchung,  auf  eine  allzu 
dürre  und  nackte  weise  sich  blosz  legt,  des  dramatischen  und  scenischen 
apparats,  wie  ihn  andere  gröszere  dialoge  Piatons  aufzuweisen  haben, 
gar  zu  sehr  entkleidet  ist,  dasz  die  Zeichnung  des  Sokrates  wie  der  beiden 
mitredenden  personen  farblos  und  einförmig  erscheint,  dasz  der  dialog 
durch  künstliches  dehnen  und  spreizen  hin  und  wieder  sich  nur  verzwun- 
gen  zu  beleben  sucht,  so  dasz  Schleiermacher  mit  vollem  rechte  die 
äuszere  behandlung  etwas  vernachlässigt  nennt  und  bemerkt,  der  Philebos 
gewähre  von  dieser  seite  keinen  so  reinen  genusz  als  die  meisten  Plato- 
nischen werke,  die  versuche  Steinharts  und  anderer,  diese  schwächen 
und  blöszen  des  Philebos  durch  ausmalen  der  Charaktere  der  drei  perso- 
nen möglichst  zu  vertuschen,  die  magere  und  schmucklose  form  teils 
als  für  den  speculativen  und  dialektischen  Inhalt  notwendig  darzustellen, 
teils  durch  auffinden  besonderer  zfige  künstlerischer  Schönheit  in  abrede 
zu  ziehen,  oder  gar  dem  dialog  mit  Socher  den  schmuck  aller  Platoni- 
schen grazien  zuzuerkennen,  sind  gewis  ebenso  unrichtig  und  in  ihrer 
art  ebenso  tendentiös  wie  die  bemühungen  Schaarschmidts  denselben 
im  Interesse  seiner  unechterklärung  auch  in  dieser  beziehung  noch  recht 
schlecht  zu  machen,  man  kann  nichts  dagegen  sagen,  wenn  der  Sokrates 
des  Philebos  ein  dooent  genannt  wird,  in  dessen  haupte  nach  Schleier- 


66)  ebd.  s.  809.        67)  ebd.  s.  308. 

21  • 


316        L.  Georgü:  die  Schaarschmidtsche  kritik  des  Pbilebos. 

macbers  ausdruck  das  ganze  fertig  liege  und  mil  der  ganzen  Persönlich- 
keit und  Willkür  einer  zusammenhängenden  rede  heraustrete ,  und  wenn 
versichert  wird,  dasz  dieser  Sokrales  aus  einer  fremden,  kaileu  höhe 
herab  das  ethische  problem  theoretisch  erdrlere,  und  bei  ihm  die  ab- 
Wesenheit  all  und  jeder  ethischen  wärme  befremde ,  so  wird  es  eben  auf 
das  thermometer  ankommen,  das  man  anlegt,  mit  unrecht  dagegen  wird 
derselbe  beschuldigt ,  dasz  er  sich  selbst  als  Vertreter  des  echt  Sokratl- 
sehen  satzes,  das  wissen  oder  besser  die  Weisheit  sei  das  höchste  gut, 
einfahre ,  nur  um  alsbald  selbst  diese  einseitige  parteiansicht  zu  wide^ 
legen,  während  der  Platonische  Sokrates  zwar  vielfach  ein  anderer  als 
der  historische,  aber  aus  diesem  gleichsam  hervor  und  emporgewachsen 
sei,  niemals  aber  mit  ihm  in  Widerspruch  als  widerleger  erscheine,  allein 
darf  man  es  mit  dem  Oblichen  satze  von  dem  gleichsam  hervorgewachsen- 
sein  des  Platonischen  aus  dem  hbtorischen  Sokrates  doch  nicht  zu  wört- 
lich nehmen ,  wenn  man  an  die  ideen ,  die  weltseele ,  den  Eros  u.  a.  m. 
hei  Piaton  denkt,  so  hat  es  auch  mit  dem  widerlegen  und  widersprechen 
desselben  im  Pbilebos  nicht  allzu  viel  auf  sich,  dasz  er  jenen  satz  nicht 
widerlege,  wird  gleich  nachher  ihm  zum  Vorwurf  gemacht,  und  dann  ist 
derselbe  ja  doch  nicht  eigentlich  ein  satz  des  historischen  Sokra- 
tes, sondern  des  Megarikers  Eukleides,  und  unter  die  kO|1h;6t€P01i 
welche  der  Staat  als  Vertreter  desselben  auffuhrt,  zählt  Sokrates  gewis 
sich  selbst  nicht  mit.  auch  die  deGnition  der  <ppovTlcic  im  Pbilebos  ist 
gar  nicht  Sokratisch.  endlich  tritt  Sokrates  gegen  die  lust  auch  eigent- 
lich nicht  mit  dem  satze  auf,  die  q>p6vTictc  sei  das  gute,  sondern  sie 
sei  nur  ein  höheres  gut,  ohne  von  anfang  an  die  möglichkeit  auszu- 
schlieszen ,  dasz  es  ein  drittes  noch  höheres  gut  gebe,  ein  Widerspruch 
ist  also  nicht  vorhanden,  und  wenigstens  auf  diese  Instanz  hin,  so  groszes 
geviicht  darauf  gelegt  wird,  kann  der  Sokrates  des  Philebos  nicht  als  eid- 
zeuge gegen  dessen  ehrliche  geburt  aufgerufen  werden. 

Und  was  dem  docenten  Sokrates  nicht  gelingt,  dürfte  dem  kraft- 
und  saftlosen  Protarchos  schwerlich  zuzutrauen  sein,  derselbe  ist  zwar 
allerdings  als  ziemlich  borniert  gezeichnet  und  hat  durchaus  nichts  von 
der  schroffen  consequenz,  in  welcher  der  Kallikles  des  Gorgias  den  bedo- 
nismus  repräsentiert,  aliein  weit  gefehlt  dasz  darauf  ein  zweifei  an  der 
echlhelt  des  dialogs,  des  ganzen  Philebos  gegründet  werden  könnte,  ist 
man  nicht  einmal  berechtigt  die  figur  dieses  hedonikers  mit  seinen  coo- 
cessionen  als  eine  verzeichnete  zu  verurteilen,  die  darstellung  der  kyre- 
naischen  doctrin,  welche  Laertios  Diogenes  gibt,  besonders  zusammen- 
genommen mit  den  Philebischen  notizen,  weist  unzweideutig  darauf  hin, 
dasz  diese  schule  wol  schon  damals  in  formen  von  ungleicher  Straffheit 
entwickelt  wurde ,  und  wenn  denn  doch  selbst  in  der  Zeichnung  des  ein- 
silbigen Philebos  sich  züge  darbieten,  in  welchen  etwas  von  dem 
schroffen  Kallikles  zu  spüren  ist,  so  hatte  Piaton  oder  der  Verfasser  des 
Philebos  eben  wol  seine  gründe,  warum  er  diese  species  von  hedonikem 
dieses  mal  in  ruhe  lassen  und  seine  gedanken  lieber  an  der  andern,  mil- 
dern art  auszufahren  beschlosz.  die  differeuz  der  charakterzeichnung 
könnte  höchstens  als  eine  gewährschaft  der  Selbständigkeit  der  concep- 


L.  Georgii:  die  Schaarschmidtsche  kritik  des  Phllebos.         317 

lion  beider  figuren  aufgefaszt  werden,  und  ein  nacbahmer,  ein  epigone 
hätte  dieselbe  gewis  gerade  zu  vermeiden  gesucht. 

lu  der  that  aber  überschreitet  das  masz  des  erlaubten  die  art,  wie 
die  kritik  an  die  darstellung  der  innern  construction  und  des  gedankenzu- 
sammenhangs  eines  von  vielen  bewanderten  denkmals  der  allen  lilteratur 
herantritt,  das  ein  competenter  kriliker  gerade  in  dieser  beziehung  den 
kemgesprSchen  Piatons  beizAhlt,  ein  anderer  wegen  der  strengen,  conse- 
quenten  gedankenentwicklung  hoch  rühmt,  es  ist  doch  gar  zu  viel  tendenz 
in  der  art,  wie  die  Charakterisierung  des  in  seinen  hauplzügen  geordne- 
ten gedankenlaufs  des  Pbilebos  mit  dem  prfljudiz  baarer  gedankenlosigkeit, 
Unklarheit,  Planlosigkeit  aufgenommen  wird,  wie  sie  denselben  als  ein 
zerstückeltes  couvolut  von  aus  einander  fallenden  sfttzen  und  aufslellun- 
gen  verschüttet,  wie  sie  demgemSsz  schildert,  zuerst  werde  über  das 
eins  und  das  viele  geredet,  dann  werde  die  dialektik  als  ein  himmlisches 
geschenk  gepriesen,  dann  werde  dieser  billigen  Weisheit  doch  wieder 
nicht  nachgegangen,  dann  werde  dieses  behauptet,  dann  heisze  es  trotz- 
dem wieder  ganz  anders ,  dann  werden  am  ende  noch  ganz  andere  dinge 
beigebracht  usw.  es  wäre  fürwahr  nicht  schwer,  durch  diese  sehr  ^bil- 
lige' art  der  darstellung  selbst  das  berlichste  Platonische  Schriftwerk,  das 
Symposion  oder  die  republik,  zum  elendesten,  planlosesten  machwerk 
herunterzureiszen.  keine  frage  ist  es,  auf  welcher  seite  das  gröszere 
verdienst  der  arbeit  liegt,  ob  auf  seite  der  redlichen  bemühungen  der 
Interpreten,  dem  Schriftsteller  durch  den  versuch  die  ^Schwierigkeiten' 
zu  lösen  gerecht  zu  werden ,  oder  auf  seite  dieser  desultorischen  manier 
der  darstellung ,  welche  die  vorhandenen  Schwierigkeiten  nur  zu  schrau* 
ben,  überall  nicht  vorhandene  aufzustören  und  die  erklärungsversuche 
als  ^bemäntelnde  klügeleien'  zu  behandeln  sucht. 

Durchaus  ohne  boden  und  ganz  nur  subjective  geschmackssacbe  ist 
eine  reihe  von  kleinlichen  ausstellungen,  wie  sie  besonders  am  Schlüsse 
der  kritik  aufgeführt  werden,  nur  als  belege  dieser  die  ironische  art  Pla- 
tonischer Sprechweise  ganz  verkennenden  bemerkungen  sei  hier  auf  die 
gewis  ^billige'  entdeckung  verwiesen,  dasz  der  Pbilebos  in  der  klimax, 
nach  welcher  ein  leben  ohne  alle  lust  oder  ohne  alle  einsieht  erst  für 
niemand,  dann  weder  irgend  für  menschen  noch  für  tbiere,  endlich 
sogar  weder  für  alle  pflanzen  noch  für  lebende  wesen  wähleuswerth  sei, 
*auch  den  pflanzen  die  wähl  ihrer  lebensweise  anheimstell6\  hierher 
gehört  ferner  der  anstosz ,  der  an  der  bezeichnung  der  mit  unlust  nicht 
verbundeneu  gerüche  als  einer  ^minder  göttlichen  art'  von  lustgefühlen, 
an  dem  auftreten  der  ochsen,  pferde  und  übrigen  tbiere  für  das  recht 
der  lust,  an  dem  werte  des  Sokrates,  er  wolle  die  lust  beruhen  lassen, 
um  ihr  nicht  unlust  zu  bereiten  u.  a.  m.  genommen  wird.*^)  es  läszt  sich 
hier  nur  sagen,  dasz  andere  die  bezeichneten  steUen  anders  ansehen. 

Nimt  man  das  ganze  material  dieser  kritik  zusammen  und  bedenkt 
man  noch  dazu,  dasz  der  Philebosautor  dabei  den  Piaton  erst  noch  gründ- 


68)  Scbaarschmidt  a.  o.  s.  285.  307  anm.  803.  282.  320  ff.  vgl.  Pbi- 
lebos §  83  f.  22.  §  35  8.  23.  §  117  s.  51.  §  162  0.  67. 


318        L.  Georgii:  die  Schaarschmidtsche  kriük  des  Phflebos. 

lieh  studiert,  alle  Schriften  desselben  vom  Protagoras  bis  zu  den  gesetzen 
und  auszerdem  des  Aristoteles  abhandlung  über  die  lust  im  zehnten  buche 
der  Niliomachischen  ethilL  vor  sich  gehabt,  überhaupt  den  Aristoteles  wol 
gei£annt  und,  wenn  auch  recht  ungeschiclct,  benützt  hat,  so  Icann  man 
jedenfalls  die  geschicklichkeit  nicht  genug  bewundern,  mit  welcher  der- 
selbe es  angriff,  seine  beispiellose  ungeschickiichlieit  im  fälschen  so  ofTca 
und  doch  zugleich  so  darzulegen,  dasz  sie  zweitausend  jähre  lang  nie- 
mand bemerkt  hat,  

ni:  DIE  BERECHTIGUNO  AUF  SOLCHE  WIDERSPRÜCHE  DEN 
SCHLUSZ  DER  UNECHTHEIT  ZU  GRÜNDEN. 

Der  werth  und  nutzen  solcher  kritischen  Untersuchungen,  die,  so 
zu  sagen,  die  vergleichende  anatomie  des  corpus  Platonicum  zur  auf- 
gäbe haben,  ist  keineswegs  zu  unterschätzen,  auch  sind  dieselben,  in 
negativer  richtung  angestellt,  wobei  es  auf  möglichst  scharfe  hervor- 
hebung  der  differenzen  abgesehen  ist,  ungleich  höher  anzuschlagen  als 
jene  nivellierenden  darstellungen ,  welche  die  vorhandenen  ecken  und 
kanten  wenn  auch  noch  so  geistreich  auszupolstern,  die  Ificken  und 
schwächen  zu  verkleistern  versuchen,  die  Steinhartsche  kritik,  wie  sie 
die  differenzen,  welche  die  vergleichung  darbietet,  nur  immer  zu  höheren 
Offenbarungen  des  Platonischen  geistes  ausglättet,  erinnert  zumal  in  ihrer 
edlen  spräche  sehr  an  jenen  jLieXiTilpuc  ''AbpacTOC  des  Phädros,  der 
nur  die  fruchtbare  bemerkung  des  sophistes  nicht  genug  beachtet,  TÖv 
dc9aXfi  b€i  TtdvTUJV  iJiäXiCTa  TT€p\  xac  öjuoiöniTac  del  noieicOai  ttiv 
9uXaKfiV.  man  könnte  sagen ,  ihre  schönen,  mit  lust  zu  lesenden,  geist- 
vollen ergieszungen  seien  aus  jener  honigquelle  des  Philebos  geschöpft, 
während  die  negativen  auslassungen  der  Schaarschmidtschen  kritik  etwas 
von  dem  herben ,  frischen  bitterwasser  der  zweiten  quelle  in  sich  haben, 
das  jedenfalls  eine  gewisse  purgierende  Wirkung  nicht  verfehlen  kann. 

Was  aber  nun  die  frage  betrifft,  ob  und  wie  weit  diese  innere  kritik 
die  mittel  besitze  oder  beschaffen  könne,  das  probiere  der  auüienlie  Pla- 
tonischer Schriften  endgültig  von  sich  aus  zu  lösen,  so  musz  dieselbe 
entschieden  verneint  werden,  die  echtheitsfrage  ist  durchaus  sache  der 
historischen  kritik.  es  handelt  sich  dabei  um  ein  factum,  um  die  ge- 
schichtliche Ihatsache,  dasz  dieses  schriftstellerische  individuum  Plalon 
diese  schrift  verfaszt  oder  nicht  verfaszt  habe,  eine  thatsache  die  nur  auf 
der  unterläge  einer  sichern  historischen  tradition  mit  Sicherheit  festge- 
stellt werden  kann,  entscheidend  können  hier  nur  objective  beweis- 
gründe  sein,  wie  sie  sich  ergeben  teils  aus  unzweifelhaften  directen 
beziehungen  der  Platonischen  schriflen  auf  einander,  welche  die  annähme 
der  identität  des  Verfassers  involvieren,  wie  sich  z.  b.  in  der  republiit 
stellen  finden,  die  sichtbar  auf  den  Philebos  zurückweisen,  teils  und  be- 
sonders aus  den  Zeugnissen  anderer  Schriftsteller,  deren  competenz  um 
so  fester  steht,  je  näher  sie  dem  kreise  des  lebens  und  schriftstellerischen 
Wirkens  Piatons  stehen ,  und  je  mehr  die  auf  denselben  beruhende  tradi- 
tion den  Charakter  der  übereinstiounung  behauptet,    in  dieser  liinsicht 


L.  Georgii:  die  Schaarschmidtsche  kriük  des  Philebos.         S19 

stellt  das  zeugnis  des  Aristoteles  in  dem  citat  der  Nikomachfschen  etbik, 
das  nur  im  Philebos  sich  findet,  und  das  ohne  zweifei  der  übereinstim- 
menden tradition  der  dlten  litteratur  zu  gründe  liegt ,  die  authentie  des 
Philebos  nicht  nur  über  alle  anfechtung  fest,  sondern  auch  die  übrigen 
stellen  jener  schrift,  in  welchen  Philebische  sStze  und  ansichtcn  kritisch 
besprochen  werden,  wie  über  die  lust  als  werden  und  bewegung,  über 
die  unlustfreieu  gefühle,  die  mathematische  lust,  die  gerüche,  über  das 
mehr  und  minder  der  lust  usw.  gewinnen  erst  dadurch  ihre  Beziehung, 
sind  teile  einer  kritik ,  in  der  Aristoteles  die  lustlehre  des  Philebos  mit 
berücksichtigt,  dieses  objective  fundament ,  auf  welchem  die  Platonische 
abfassung  des  Philebos  beruht,  könnte  nur  erschüttert  werden,  wenn 
das  zehnte  buch  der  Aristotelischen  ethik  als  unecht  erwiesen  werden 
könnte,   den  experimenten  der  Innern  kritik  kann  dieses  nicht  gelingen, 

einmal  weil  ihnen  die  logische  kraft  abgeht,  das  objective  factum 
der  Verfasserschaft  eines  buchs  zu  constatieren , 

sodann  weil  sie  zumeist  dem  gebiete  der  unberechenbaren  sub- 
jectivität  angehören. 

In  ersterer  hinsieht  ist  die  arbeit  dieser  art  von  kritik  in  der  that  dem 
thun  des  haruspex  zu  vergleichen ,  welcher  nach  gewissen  kanonischen 
regeln  aus  den  eingeweiden  der  thiere  ein  factum  divlnieren  will,  das  mit 
seinen  Wahrnehmungen  in  keinerlei  beziehung  steht,  den  kanon ,  nacli 
welchem  die  einge weide  einer  schrift  besiehen  werden,  bildet,  wenn  es 
correct  ist,  das  Platonische  form-  und  gedankenideal,  das  aus  einer  ge- 
wissen, als  unzweifelhaft  echt  anerkannten  anzahl  Platonischer  Schriften 
construiert  und  nach  allen  in  betracht  kommenden  fragepunclen  fest 
normiert  sein  müste,  um  es  als  kritisches  masz  zu  gebrauchen,  meistens 
wird  freilich  dieses  correcte  verfahren  nicht  eingehalten,  und  auch  die 
Schaarschmidtsche  kritik  des  Philebos  geht  weil  mehr  so  zu  werke ,  dasz 
ein  aggregal  verschiedener  stellen  und  züge  des  Philebos  aufgegrilfeu 
und  sofort  gezeigt  wird,  wie  hier  ein  dictum,  ein  charakterzug,  eine 
doclrin  mit  einer  stelle  des  Protagoras,  dort  mit  einer  des  Gorgias,  hier 
mit  einer  der  republik,  dort  mit  einer  der  gesetze  nicht  harmoniere,  und 
nun  wird  geschlossen:  die  lusllehre  des  Protagoras  ist  eine  andere  als 
die  des  Philebos,  also  ist  der  Philebos  unecht,  oder:  der  hedonismus  des 
Kallikles  im  Gorgias  ist  ein  anderer  als  der  des  Protarchos  im  Philebos, 
also  ist  der  Philebos  unecht ;  oder:  der  aufwand  des  dramatischen,  mimi- 
schen, scenischen  im  Phädros,  Symposion  usw.  ist  im  Philebos  nicht  vor- 
handen ,  also  ist  der  Philebos  unecht,  das  ungeheuerliche  dieser  schlusz- 
folgerung  fällt  auf  den  ersten  blick  ins  äuge,  ein  logisches  denken  kann 
aus  den  zwei  Sätzen  ^der  Philebos  ist  eine  formell  sehr  mittelmäszigo 
composition'  und  *das  formell  sehr  vollendete  gastmahl  ist  ein  werk  Pia- 
tons' unmöglich  den  schluszsatz  herausbringen  ^also  ist  der  Philebos 
kein  werk  Piatons',  was  hat  denn  die  mittelmäszigkeit  des  Philebos  mit 
der  Ihatsache,  dasz  das  gastmahl  ein  werk  Piatons  ist,  für  einen  causal- 
zusammenhang?  zum  mindesten  wird  man  als  Untersatz  einschieben  oder 
vielmehr  denselben  überhaupt  etwa  als  den  satz  formulieren  müssen: 
^nun  aber  ist  es  undenkbar  und  unmöglich,  dasz  Piaton  etwas  mittel- 


320        L.  Georgii :  die  Schaarschmidtsche  kritik  des  Philebos. 

mäsziges  geschrieben ,  dasz  er  ein  werk  verfaszt  habe ,  das  nicht  formell 
ein  vollendetes  kunstwerk  wäre,  oder  gar  ein  werk,  In  welchem  er  sich 
«discrepanzen»  mit  sich  selbst  hätte  beigehen  lassen/  freilich  ein  Unter- 
satz, dem  die  schon  bei  den  alten  sprichwörtlich  gewordene  inconstantia 
Piatonis j  dem  die  mehr  als  mittelmäszige  form,  die  absolute  formarmut 
der  gesetze,  dem  geradezu  alle  analogle  widerspricht,  der  anspruch 
düTerenzen  oder  discrepanzen  eines  dialogs  gegen  den  andern  als  prSju- 
dicien  in  der  echtheitsfrage  zu  verwenden ,  musz  als  eine  schreiende  pe- 
titio  principii,  als  ein  peccatum  clamans  gegen  den  heiligen  geist  der 
logik  bezeichnet  werden. 

Nicht  besser  steht  es  mit  der  logik  dieses  kritischen  Verfahrens  in 
der  art,  wie  die  ähnlichkeiten ,  welche  die  eingeweideschau  des  Philebos 
ergibt,  behandelt  werden,  man  findet  stellen  In  der  republik,  im  Timäos, 
bei  Aristoteles,  welche  ein  Verhältnis  gegenseitiger  beziehung  zwischen 
diesen  und  dem  Philebos  nicht  leugnen  lassen,  wie  ist  dieses  Verhältnis 
nun  aufzufassen?  ^ganz  einfach,'  ist  die  antwort  *der  Philebosautor 
kennt  seinen  Piaton,  greift  aus  dem  Timäos  ein  stüek  heraus^  nimt  sein 
thema  aus  der  republik,  schreibt  den  Aristoteles  ab  und  aus.'  aber,  musz 
man  einwenden ,  die  citate  klappen  nicht  ganz ,  die  Philebischen  katego- 
rien  sind  doch  nicht  ganz  die  Aristotelischen,  es  ist  eine  gewisse  Selb- 
ständigkeit der  behandlung,  der  Verwendung  im  Philebos  nicht  zu  ver- 
kennen neben  der  ähnlichkeit.  ^natürlich,'  ist  die  antwort  'weil  der 
Philebosautor  seinen  Piaton  schlecht  kennt,  misversteht,  den  Aristoteles 
schief  und  verkehrt  anwendet.'  und  nun  wird  noch  ein  wenig  am  Phile- 
bos, etwas  an  Piaton,  etwas  an  Aristoteles  gedreht  und  geschnitten,  bis 
das  anatomische  präparat  des  anomalen  falls,  den  man  haben  will,  augen- 
fällig fertig  ist.  in  der  that  erinnert  die  Operation  der  kritik  an  der  könig- 
lichen Zeusseele,  an  der  Platonischen  gesetzessteile,  an  der  Aristotelischen 
darslellung  der  Platonischen  lehre  von  den  factoren  der  idee  und  des 
seienden  au  das  verfahren  jenes  Chirurgen,  der  den  leuten,  die  sich  ihm 
anvertrauen,  die  arme  und  beine  verdreht  oder  zerbricht,  nicht  um  sie  dann 
zu  heilen,  sondern  um  seine  amputationskunst  an  denselben  zu  zeigen. 

Endlich  drängt  sich  noch  die  frage  auf,  mit  welchem  logischen 
recht  wird  denp  geschlossen:  der  Philebos  steht  in  formellem  und  mate- 
riellem Widerspruch  mit  dem  Phädon  und  der  republik,  also  ist  er  un- 
platonisch, unecht,  warum  schlieszt  man  denn  nicht  vielmehr,  dasz  der 
Phädon  und  die  republik  unecht  sind ,  weil  sie  mit  dem  Philebos  differie- 
ren oder  discrepieren?  worauf  beruht  überhaupt  das  authentische  recht 
derjenigen  dialoge,  welche  die  jury  über  den  Philebos  bilden  sollen? 
'auf  den  äuszeren  Zeugnissen  für  ihre  echtheit,  besonders  dem  des  Aris- 
toteles.' aber  die  beweiskraft  dieses  Zeugnisses  ist  ja  in  der  Philebos- 
frage  suspendiert  worden,  'natürlich,  den  hat  erst  ein  ßlscher  aus  dem 
Aristotelischen  Zeugnisse  heraus  fabricierU'  aber  wer  bürgt  denn  dafür, 
dasz  nicht  ein  anderer  falscher  den  Phädon,  das  Symposion  auch  aus  den 
Zeugnissen  des  Aristoteles  erst  compiliert  habe?  und  die  gesetze,  deren 
trockene,  magere,  alles  dramatischen  entbehrende  form  doch  ebenso  un- 
platonisch ist?    und  der  Protagoras,  den  Aristoteles  gar  nicht  kennt? 


L.  Georgii:  die  Schaarschmidlsche  kritik  des  Philebos.         321 

(freilich  konnte  er  dann  auch  nicht  aus  dem  Aristoteles  fabriciert  werden, 
und  das  schweigen  des  letzteren  von  ihm  gereicht  ilmi  wol  gar  noch  zur 
legitimation.}  was  bleibt  da  noch  übrig?  ^ihre  innere  vorzüglichkeit.' 
nalärlich  ist  hiermit  nur  eine  vorzflgiichkeit  gemeint,  wie  sie  durch  for- 
melle und  materielle  eigenschaften  Platonischer  schriftstellerei  bedingt 
ist,  eine  Piatonische  innere  vorzüglichkeit,  denn  es  wAre  doch  gar  zu 
bunt  das  logische  monstrum  zu  vollziehen :  eine  schrift  ist  innerlich  vor- 
züglich, etwa  noch  limitiert  innerlich  vorzüglicher  als  der  Philebos,  der 
Kratylos,  der  sophistes,  also  ist  sie  Platonischer  abkunft.  und  doch 
ßndet  sich  dieser  ungeheuerliche  Syllogismus  fast  wörtlich  in  dem  Schaar- 
schmidtschen  buche  ausgesprochen,  wenn  die  Platonische  vatersdiaft  des 
Protagoras  und  Gorgias  darauf  gegründet  wird ,  dasz  ^beide  ebenso  sehr 
ausgezeichnet  sind  durch  die  dramatische  Vollendung  der  composition  als  , 
durch  die  philosophische  behandlung  der  in  ihnen  zur  spräche  kommen- 
den gegenstände/ 

Wenn  diese  bemerkungen  über  die  arbeit  der  inneren,  auch  soge- 
nannten höheren  kritik  .das  gebiet  beleuchten ,  in  welchem  dieselbe  vor 
sich  geht,  oder  Philebisch  zu  reden,  dv  \fy  dcTiv,  nemlich  in  den  einge- 
weiden  einer  schrift,  so  dürfte  noch  einiges  Über  diese  eingeweideschau 
zu  sagen  sein  hinsichtlich  des  rrdOoc  bid  Ti  ytTVCTat.  dasselbe  gehört 
ganz  jener  schillernden  gattung  an ,  die  in  den  höhlen  der  unberechen- 
baren, grenzlosen  subjectivitSt  haust,  der  jede  objective  disciplin  abgehl, 
geschmack,  meinung,  subjectives  belieben  beherschen  urteil  und  spräche ; 
ansieht  steht  gegen  ansieht,  Schilderung  gegen  Schilderung,  der  eine  mög- 
lichst gesteigerte  diclion  noch  cumulierende  und  auftreibende  wucht  zu 
verleihen  sucht,  zum  beleg  hierfür  dürfte  es  von  interesse  sein,  die  gegen- 
satzlichen ergüsse  eines  höchst  competenten  Platonikers  neben  die  Schaar- 
schmidtschen  urleile  zu  stellen,  das  zurücktreten  des  dramatisch-sceni- 
schen  Clements,  die  schmucklose  form  des  Philebos  ist,  wie  Steinhart 
versichert,  absieht,  um  die  Wahrheit  ohne  verschönernde  zuthaten  in 
ihrer  ganzen  würde  und  strenge  hervortreten  zu  lassen,  während  nach 
Schaarschmidt  die  composition  Piatons  unwürdig  ist,  weder  eine  wissen- 
schaftliche noch  eine  dramatische  einbeit  enthält  dem  dialog  fehlt  es 
nach  Steinhart  nicht  an  einzelnen  zügen  einer  strengen  und  erhabenen 
Schönheit,  ja  er  bewegt  sich  ganz  den  gesetzen  der  Schönheit  gemäsz  in 
einer  Schlangenlinie,  repräsentiert  im  groszen  und  ganzen  Platons  eigenen 
entwicklungsgang  in  seiner  gedankenfolge  usw. ,  während  nach  Sdiaar- 
schmidt  der  lehrvortrag  absichtlich  zerstückelt  ist,  um  die  gesprächs- 
form  hervorzubringen,  welche,  wer  nur  einigen  sinn  für  Piatonische 
dialogform  habe,  abgeschmackt  und  des  groszen  Sokratikers  unwürdig 
finden  müsse,  in  der  Charakteristik  der  personen  findet  Steinhart  viel- 
fache spuren  des  künstlerischen  geistes  Platons ,  feine  charakterzüge ,  in 
denen  sie  als  Vertreter  der  drei  sittlichen  hauptstandpuncte  wenigstens 
skizziert  sind;  nach  Schaarschmidt  ist  die  haltung  derselben  durchaus 
unbefriedigend,  Platons  unwürdig:  Philebos,  für  dessen  Zeichnung  Stein- 
hart ein  reiches  material  findet,  spricht  wenig,  erhebt  sich  dann  etwa  zu 
einer  ganz  insipiden  äuszerung,  während  Protarchos,  der  wiszbegierige 


322        L.  Georgii:  die  Schaarschmidlsche  kritik  des  Philebos. 

jüogling  Steinharts,  der  vor  den  dornenvollsten  fragen  nicht  zurück- 
schreckt, als  neuling  sich  manchmal  verwirrt,  aber  vermöge  natürlichen 
Scharfsinns  zusehends  wächst  und  erstarkt,  nach  Schaarschmidt  eine 
mislungene  nachbildung  des  Kalllkles  ist,  charakterlos,  unfähig  sein 
princip  zu  vertheidigen ,  den  gedankenlosigkeiten  des  Sokrales  in  unbe- 
greiflicher Selbstverleugnung  zustimmt,  und  Sokrates  —  ist  er  auch 
nicht  so  ironisch  und  dämonisch  gehalten  wie  sonst ,  philosophiert  nach 
Steinhart  wie  Piaton  selbst  in  den  gärten  der  Akademie ,  mit  der  in  der 
spliäre  des  reinen  begrifls  sich  bewegenden  schärfe  manchmal  geheim- 
nisvoll prophetische  feierlichkeit  des  Ions  verbindend,  wobei  mitten. durch 
die  trockenheit  seiner  rede  wol  ein  verborgenes,  absichtlich  zurückge- 
haltenes poetisches  feuer  erwärmend  und  belebend  durchbricht  usw., 
während  er  nach  Schaarschmidt  ein  docent  ist,  der  kindische  argumenle 
vorbringt,  in  gedankenlosigkeiten,  Unklarheiten,  abgeschmacktheiten  sich 
ergeht,  aller  ethischen  wärme  entbehrt,  auf  eine  herzlose,  fremde,  kalte 
höhe  sich  erhebt,  eine  art  schulmäsziger  kritik  übt,  der  doch  wieder  jede 
Sicherheit  schulmäsziger  methode  fehlt  usw.  eine  ganze  weit  neuer  und 
liefer  gedanken  zu  einem  kunsl-  und  lebensvollen  ganzen  schön  verbun- 
den findet  Steinhart,  wo  Schaarschmidt  nur  schülerhaftes,  unverständiges 
ausschreiben,  confuses  breittreten  Aristotelischer  und  echt  Platonischer 
ausspräche  und  ansichten  sieht  usw.  in  strengem ,  unverrückt  das  letzte 
ziel  im  äuge  behaltendem  gange,  lückenlosem  fortschrilt  bewegt  sidi, 
wie  Steinhart  versichert,  das  gespräch,  dessen  speculativer  Charakter 
ganz  besonders  in  seinem  regelmäszigen  bau  hervortritt,  während  nach 
Schaarschmidt  die  rede  bei  schwachem  Zusammenhang  der  teile  der  inne- 
ren notwendigkeit  des  fortschritts  entbehrt,  die  sonst  in  Piatons  werken 
mit  sich  fortreiszt,  der  Philebosautor  es  nur  zu  einer  trüben  compilation 
und  verzerrender  Übertreibung  der  einfachen,  groszen  und  wahren  ge- 
danken des  Philosophen  bringt,  durch  erschleichungen,  ganz  unwürdige 
Schleichwege  erstaunliche  resultate  gewinnt  usw. 

Es  bedarf  wol  keiner  weitern  begründung  für  die  behauptung ,  dasz 
eine  kritik,  die  mit  ihren  mittein  so  ganz  entgegengesetzte  ergebnisse  lie- 
fert ,  unmöglich  in  der  läge  sein  kann,  ein  objectives  factum  wie  die  Pla- 
tonische autorschafl  einer  schrift  festzustellen,  oder  ein  solches,  wenn  es 
auf  objectiven  stützen  ruht,  wie  die  autorschaft  des^Philebos,  umzustoszen. 
wollte  man  sie  Platonisch  rubricieren,  so  dürfte  diese  kritische  kunst  in 
der  form,  in  welcher  sie  Steinhart  übt,  zu  jenen  schmeichlerischen  kflnsten 
gehören,  zu  welchen  im  Gorgias  auch  die  kochkunst  und  die  schmink- 
kunst  gerechnet  ist,  wobei  indessen  nicht  zu  übersehen  ist,  dasz  Stein- 
hart selbst  die  enlscheidung  über  echthcit  oder  unechtheit  des  Philebos 
schwerlich  auf  die  ergebnisse  derselben  basiert,  sondern  diese  nur  sub- 
sidiär dafür  verwenden  würde,  und  dies  ist  gewis  das  richtige,  denn  eine 
Wissenschaft  ist  diese  kritik,  um  Philebisch  zu  reden,  überhaupt  nicht, 
sondern  sie  gehört  ganz  in  den  bereich  jener  niederen  künste,  deren 
arbeit  in  bloszem  vermuten,  tasten,  abschätzen  nach  gutdünken,  dem 
glücklichen  treffen  beruht,  und  nur  so  weit  eine  zuverlässige  ist,  als  sie 
sich  siclierer,  reeller  masze  und  Werkzeuge  bedient,  wie  die  kunst  des 


L.  Georgii:  die  SchaarschmidUche  kritik  des  Philebos.        323 

bau-  und  zimmermelsters.   ein  solches  masz  oder  richtscbeit  ist  z.  b.  ein 
citat  des  Aristoteles,  wenn  es  richtig  gehandhabl  wird. 

In  föllen  nun,  in  welchen  ein  solches  objectives  rieht-  oder  winkel- 
masz  nicht  vorhanden  ist,  hat  jene  kritische  treffkunst  natürlich  auch 
grösseren  splelraum.  handelt  es  sich  um  eine  In  das  corpus  Piatonicum 
recipierte  schrlft,  für  deren  Platonisches  recht  gar  keine  oder  eine  nur 
unsichere  und  ganz  vage  tradition  vorhanden  ist,  bei  der  sich  die  kritik 
also  vorzugsweise  auf  eingeweideschau  und  vergleichende  anatoxnie  ange- 
wiesen sieht,  so  mag  es  immerhin  ein  gewisser  grad  von  Wahrscheinlich- 
keit sein ,  aber  auch  nicht  mehr,  was  sie  erzielt,  für  oder  wider,  je  nach- 
dem die  vergleichende  Untersuchung  ausfällt,  ein  um  so  höherer  grad, 
je  gewissenhafter  sie  dabei  die  besitztümer  der  Philebischen  gütertafel, 
besonders  des  )ji€Tpov  und  der  äX^Oeia  zu  bewahren  weisz.  ohne  be- 
denken kann  man  sagen  dasz,  wSre  der  Philebos,  oder  auch  wären  die 
gesetze  in  die  classe  solcher  unbezeugten'und  so  zu  sagen  anonymen 
scliriften  gestellt  auf  uns  gekommen,  so  wurden  wegen  ihrer  den  übrigen 
bezeugten  schriflen  Piatons  ganz  heterogenen  formseite,  wie  auch  man- 
cher materieller  schwächen  wegen  ihre  anspräche  auf  Platonische  Vater- 
schaft mehr  als  zweifelhaft  sein,  ja  es  käme  wol  niemand  darauf,  den 
namenlosen  Piatons  namen  zu  geben,  und  gesetzt  der  Protagoras  wäre 
ein  solch  anonymes  Waisenkind ,  würde  es  wol  befremden ,  wenn  irgend 
ein  kritischer  heiszsporn  da  käme  und  in  Schaarschmidtscher  spradie 
sich  also  Über  denselben  vernehmen  liesze:  ^was  ist  doch  das  für  ein 
abgeschmacktes  mach  werk,  dieser  Protagoras!  kann  man  sich  etwas 
läppischeres  denken  als  die  Schilderung  dieses  sophistenconvents?  etwas 
widrigeres  als  diesen  in  seine  pelze  vermummten  faulpelz  Prodikos? 
etwas  alberneres  als  diesen  thronenden  Hippias?  etwas  lädierlicheres  als 
diesen  wandelnden  pedanten  Protagoras  mit  dem  schweif  von  spalier 
machenden  schfilern?  das  soll  humor,  satire,  Ironie  sein,  ein  humor 
der  sich  auf  zwei  Homerische  citate  reducierl!  schaut  nicht  aus  allen 
ritzen  dieser  übermäszigen  dramatik  und  scenerie  der  epigone  heraus, 
der  um  Piaton  nachzuahmen  übertreibt?  und  nun  diese  durch  und  durch 
insipide  Verhandlung  über  den  vers  des  Simonides!  dazu  ein  Sokrates, 
der  die  lust  für  das  gute  erklärt!  ein  Platonischer  dialog,  der  von  der 
ideenlehre  nichts,  gar  nichts  weisz!  und  wie  ungeschickt  borniert  dieser 
Protagoras  gezeichnet  ist,  wie  lächerlich  er  sich  ziert,  wie  schief  er  mit 
seinem  my thos  von  Epimetheus  aufzieht !  wer  nur  einigen  sinn  für  das 
wesen  Platonischer  schriftstellerci  hat'  usw.  gar  wol  möchte  einer  im 
kritischen  eifer  so  weit  sich  forlreiszen  lassen,  wenn  der  Protagoras 
namenlos,  ein  litterarischer  Kaspar  Hauser  etwa  jetzt  erst  zur  weit  käme. 
vor  allem  sicher  aber  ist  nun  dasz  der  Philebos  als  ein  echter  söhn  Piatons 
von  Aristoteles  garantiert  ist.  dann  hat  aber  auch  die  Platonische  Vater- 
schaft des  Protagoras  nicht  nur  die  constaute  historische  tradition ,  son- 
dern auch  die  bestimmte  Versicherung  Schaarscbmidts  für  sich,  und  wo 
nun  der  fall  so  bestimmt  durch  objective  rieht-  und  winkelmasze  nor- 
miert ist,  wird  die  kritische  treflkunst  doch  wol  nicht  so  dareinfahren 
dürfen,   das  geselz  des  ^^Tpov  und  der  äXi^Seia  wird  wol  die  echthcit 


324         L.  Georgii:  die  Schaarschmidtsche  krilik  des  Philebos. 

des  Philebos ,  so  lange  das  Aristotelische  zeugnis  nicht  wirklich  beseitigt 
oder  entkräftet  ist,  zum  axiom  der  kritischen  eingeweideschau  stempeln, 
sodann  aber  wird  man  diese  beschauung  möglichst  exact  vornehmen 
müssen :  die  dXrjOeta  wird  nicht  gestatten ,  dasz  man  aus  dem  Philebos 
mehr  und  etwas  groszartigeres  mache  als  er  ist;  sie  wird  vielmehr  gegen 
die  äberliimmeiung  der  aufgäbe  und  des  zwecks  der  scbrift,  wie  sie  die 
Steinhartsche  einleilung  projiciert,  entschieden  protest  einlegen,  geslöizt 
auf  des  Verfassers  unzweideutige,  stets  sich  wiederholende  erklärungen 
wird  sie  im  Philebos  eben  nur  eine  Untersuchung  über  die  superiorität 
des  lebens  der  lust  oder  des  lebens  der  einsieht ,  über  das  menschliche 
lebensgut  finden**),  den  versuch  Piatons,  eine  untergeordnete  aber  damals 
viel  ventilierte  frage  der  praktischen  philosophie  einmal  Platonisch ,  d.  h. 
auf  der  basis  der  fertigen  speculativen  lebrsätze  seines  Systems  dialogisch 
zu  erörtern,  sofort  wird  die  dXrjOeia  auch  darauf  dringen,  die  ergeb- 
nisse  der  vergleichung  des  Philebos  mit  anderen  Platonischen  dialogen 
rein  und  ganz  unverkürzt  zu  ziehen ,  und  mit  lauter  stimme  gegen  jede 
beschönigung  oder  Vertuschung  seiner  blöszen  und  schwächen  einspräche 
thun,  und  wären  es  der  discrepanzen  noch  so  viele,  würde  der  diaiog  ?on 
Schiefheiten ,  erschleichungen ,  abgeschmacktheiten  wimmeln  —  sind  sie 
wirklich  vorhanden  und  können  sie  schlagend  erwiesen  werden ,  so  sind 
sie  anzuerkennen,  dann  aber  wird  die  äXf|6€ta  das  \xix^v  zu  hülfe 
nehmen,  um  diese  auffallenden  erscheinungen  —  nicht  mit  allerlei  Uüge- 
leien  zu  bemänteln ,  sondern  billig  zu  messen  und  zurecht  zu  legen,  sie 
wird  nicht  veil^ennen ,  dasz  etwas  seniles  durch  den  Philebos  nach  form 
und  behandlung  des  Inhalts  geht,  und  etwa  mit  Schleiermacher  maszvoU 
vermuten ,  dasz  hier  beim  Übergang  zu  den  eigentlich  darstellenden  wer- 
ken das  dialogische  dem  Piaton  anfange  nur  eine  äuszere  form  zu  sein, 
von  der  er  sich  nicht  losmachen  kann  teils  aus  gewöhnung,  teils  weil  er 
den  Sokrates  nicht  entbehren  will,  oder  mit  anderen  noch  weiter  gehen, 
und  den  Philebos  für  ein  product  des  schwachen  alters  seines  Verfassers, 
vielleicht  auch  dasz  ihm  die  letzte  Überarbeitung  noch  fehle,  erklären, 
und  hier  wird  die  kritische  Ireffkunst  noch  die  notiz  des  Aristoteles  ver- 
werthen  können ,  dasz  die  einführung  der  zahlen  in  die  ideenlehre  erst 
der  spätem  gestaltung  der  letzteren  augehört,  und  mit  dieser  wieder 
die  Verwendung  der  CTOiXcTa  zusammenhängt,  von  der  die  bestimmte- 
sten anklänge  im  Philebos  gefunden  werden^,  so  dasz  man  damit  zu- 
gleich ein  allgemeines  datum  für  die  abfassungszeit  des  dialogs  gewinnt, 
vielleicht  war  es  auch  gerade  die  geringere  bedeutsamkeit  des  tbeoias 
und  das  misverhältnis,  in  welches  zu  derselben  der  aufgewendete  beweis- 
apparat  sich  expandierte,  was  der  von  Schleiermacher  bemerkten  Über- 
sättigung Piatons  an  seinem  werke  zu  gründe  liegt ,  und  was  für  viel- 
leicht sonst  noch  die  kritische  trefikunst  aufstellen  mag,  die  es  ja  nie 
über  ein  vielleicht  hinausbringt,  und  zudem  hat  jedes  dieser  vielleiclit 
genau  gleiche  berechtigung. 


69)  hierüber  näheres  in  der  einleituni^  zur  Übersetzung.        *70)  vRl* 
Herweg  unters,  über  die  echtheit  und  Zeitfolge  d.  Plat.  Boht.  s*  203  »> 


L.  Georgii :  die  Schaarsdunidtsche  kritik  des  Philebos.         325 

HU  grdster  erophase  aber  wird  die  dXrjGeia  und  das  p^TpOV  zu- 
sammen im  namen  aller  heiligen  reciile  der  logik  protest  erheben  gegen 
den  schlusz,  dasz  wegen  der  Schiefheiten,  abgeschmacklheiten  und  albern- 
heiten,  die  man  im  Philebos  findet,  derselbe  als  ein  spurius  anzusehen  sei. 
vielmehr,  da  die  Platonische  autorschaft  des  dialogs  noch  unerschütterlich 
besieht,  wird  man  sagen  mässen  dasz,  wenn  derselbe  formell  verwahrlost 
und  stümperhaft  gearbeitet  ist,  Piaton  eben  auch  einmal  als  stümper  in 
der  form  sich  gezeigt  hat.  man  wird  fragen  müssen,  warum  es  doch  un- 
denkbar sein  solle ,  dasz  Piaton ,  dessen  darstellung  in  spräche  und  form 
kunst,  nicht  selten  vielartige,  gesuchte  manier,  oft  schwulst  ist,  dasz 
dieser  autor  polytropos  auch  einmal  der  absieht,  oder  vielleicht  auch  ein- 
mal der  productivitüt  ermangelt  habe,  in  dem  bunten  apparal  des  Prola- 
goras  oder  in  der  würdigen  plastik  des  Gorgias,  des  Symposion  aufzu- 
treten? ebenso  was  die  doctrinellen  discrepanzen  betrifft,  welche  im 
Philebos  gegen  andere  Platonische  werke  gefunden  werden,  wird  man, 
dieselben  zugegeben,  durchaus  nicht  schlieszen  dürfen  ^also  ist  er  unecht', 
sondern  man  wird  sagen  müssen,  Piaton  habe  hier,  man  kann  hinzusetzen 
beider',  eben  auch  wie  andere  von  ihm  oft  beklagte  berühmte  vflter  und 
grosze  mSnner  einen  schlechten  söhn  gezeugt ,  er  habe  da  einen  dialog 
geschrieben ,  in  welchem  er  tief  unter  das  niveau  seiner  sonstigen  grösze 
hinabgesunken  sei,  ein  werk  voll  albernheiten ,  gedankenlosigkeiten ,  ab- 
geschmacktheiten.  ein  anderer  aber  sieht  es  doch  vielleicht  nicht  so 
scidimm  an,  und  ohne  deshalb  in  die  entgegengesetzte  maszlosiglceit  zu 
verfallen,  dünkt  es  ihn  vielleicht,  wie  er  die  vergleichende  treflfkunst 
handhabt,  dasz  die.  im  Philebos  wirkhch  vorhandenen  doctrinellen  Uneben- 
heiten oder  discrepanzen  doch  die  linie  derjenigen  licenz  nicht  allzu  sehr 
überschreiten ,  welche  Piaton,  welche  jeder  philosoph,  jeder  schriftsteiler 
für  sich  in  ansprach  nehmen  kann,  der  Piaionische  dialog  ist  noch  nicht 
aufgefunden,  der  nicht  Widersprüche  mit  sich  selbst  und  sonstigen  form- 
und  lehrtypen  Piatons  zur  schau  trüge,  es  ist  dies  auch  nicht  einmal  zu 
verwundern  bei  einem  system,  das  in  unaufliörlicher  gShrang  der  pro- 
ductivitat  liefangen  war,  dessen  philosophisches  mittel  hauptsachlich  phan- 
tastische speculation  gewesen,  statt  aus  einigen  willkürlich  ausgewählten 
dialogen  ein  Platonisches  gedankenideal  zu  formieren,  das  als  zwangs- 
mantel  dem  Philebos  angelegt  wird,  statt  die  inconvenienzen  und  discre- 
panzen desselben  durch  ein  gewisses  pathos  der  kritischen  diction  zu 
cumuiieren  und  aufzubauschen,  ist  es  gewis  richtiger,  teils  dem  Cicero- 
nischen dictum  longum  est  dicere  de  Piatonis  inconsianiia ,  teils  der 
Constanten  analogie  einige  rechnung  zu  tragen,  denn  sogar  der  philo- 
soph ist  noch  nicht  geboren,  der  sich  nicht  einzelner  Widersprüche  mit 
sich  selber  schuldig  gemacht  hatte,  man  mag  an  Schelling,  Fichte,  selbst 
Spinoza  erinnern;  und  Goethe  —  wie  viel  seniles  zeug  hat  er  geschrieben! 
musle  er  es  sich  doch  gefallen  lassen ,  dasz  ihm  selbst  steif  und  fest  ins 
gesiebt  behauptet  wurde,  die  natürliche  lochter  sei  nicht  Won  Goethe, 
sondern  von  dem  romanschriftsteller  Vulpius*. 

TtTBIMGEN.  LUDWia   ObOBQII. 


326  H•Schweize^Sidle^:  anz.T.W.Wackeniagelsvocesvaria6aiiimantram. 

43. 

VOCES  YARIAE  ARIKAHTIUM.     PROGRAMM  FÜR  DIB   RECTORATSFBICR 
DER    UNIVERSITÄT    (BaSSL)    VON    PROFESSOR   DR.   W  I  L  H  E  L  M 

Wagkerhaqel.    Basel   MDCCCLXYII.    nniversitäts- 
bachdmckerei  von  C.  Schnitze.    54  s.   gr.  4. 

Wie  jede  arbeit  von  W.  Wackernagel,  so  behandelt  auch  die  vor- 
liegende ihren  wolgewählten  gegenständ  auf  gnuid  eines  auszerordenüich 
reichen  materials  mit  tiefen  bliciten  in  das  zusammenleben  des  menschen 
mit  der  ihn  umgebenden  natur  und  in  das  werden  und  gestalten  eines 
teiles  unserer  spräche.  W.  führt  uns  in  medias  res  mit  einem  im  Aargan 
heimischen  kindermärchen  vom  ^güggel  und  sine  hüendlene%  um  dann  in 
einer  menge  ansprechender  beispiele  aus  der  kinderweit  und  aus  älterm 
und  neuerm  Volksleben  zu  zeigen ,  wie  die  laute  der  thierwelt,  aber  auch 
lebloser  gegenstände,  zumal  der  glocke  und  mfihle,  in  inhaltreichen 
menschlichen  spnich  umgesetzt  wurden,  voraus  im  deutschen  glauben 
ist  es  begründet,  dasz  des  vogels  geschrei  und  gesang  am  bedeutsamsten 
ist.  auszer  andern,  auszer  Wackernagel  selbst  hat  Müllenhoff  zur  runen- 
lehre  s.  28  darauf  auftnerksam  gemacht,  dasz  die  Germanen  nicht  sowol 
aus  der  richtung  des  vogelfluges  als  aus  dem  vogelschrei  das  Orakel  ent- 
nahmen, daher  ahd.  fogüraridd,  eigentlich  *  vogelrede,  vogelstimme' 
gleich  auspicium,  aber  die  vögel  reden  barbarisch  oder  wälsch  und  man 
musz  es  verstehen  zu  dolmetschen,  dem  oben  angedeuteten  verfahren 
mit  lauten  von  thieren  und  andern  tönenden  gegenständen  stellt  der  vf. 
s.  10  zwei  andere  weisen  gegenüber,  nach  deren  einer  das  wirkliche  ge- 
schrei der  thiere ,  der  gesang  der  vögel  nur  in  articulierte  töne  umge- 
staltet, nicht  aber  in  verständige  und  verständliche  menschenspradie 
übersetzt  wird,  in  der  zweiten  der  dichter  durch  kunstvolle,  leicht  künst- 
lich werdende  Zusammenstellung  von  Worten  malerisch  nachahmt  unter 
den  beispielen  für  das  erstere  steht  obenan  das  Aristophanische  ßp€K€K^ 
Koä£  KodE,  für  die  letztere  das  Ovidische  quamvis  sint  sub  aqua^  $ub 
aqua  maledicere  iemptant.  nur  das  erstere  wird  aber  hier  weiter  ver- 
folgt, in  einzelbcispielen  vielfach  belegt,  gezeigt,  wie  auch  hieran  sich 
Worte  und  gedanken  anreihen ,  und  endlich  übergeleitet  zur  aufdeckung 
einer  quelle  unserer  spräche,  zu  dem  teile  unserer  spräche,  welcher  im 
eigentlichen  sinne  der  onomatopoetische  heiszen  darf,  aber  man  fürdite 
nicht  hier  jene  oberflächliche  theorie  zu  finden,  nach  welcher  alle  spräche 
so  onomatopoetisch  wäre,  ^allerdings'  sagt  W.  s.  15  ^mit  ihrem  haopt- 
grunde,  mit  dem  boden  welcher  die  endlos  wachsenden  und  trdbenden 
wurzeln  hegt,  ruht  die  spräche  nirgend  auf  dem  was  der  mensch  nur 
hört:  sondern  was  er  wirklich  oder  gleichsam  sieht,  das  macht  sie  hör- 
bar ,  hörbar  nemlich  für  den  äuszern  sinn ,  für  den  innem  auch  nur  wie- 
der sichtbar.'  wiewol  nun  solche  nachahmungen  keine  wurzeln  in  jenem 
sinne  hergeben,  so  können  sie  doch  eine  behandlung  Ihrer  laute  erfahren, 
als  ob  sie  wurzeln  wären,  und  da  macbt  nun  W.  auf  formeia  wie  ffigay 
gicks  und  gacks ^  kliff  klaff  usw.  aufmerksam:  vgl.  Pott  doppelung 
'^  65  IT.   darin  möchte  sich  der  vf.  irren,  dasz  er  diesen  vocal Wechsel 


n.  Schweizer-Sidler :  anz.  y.  W.  Wackernagels  voces  variae  aniiDantium.  327 

mit  reduplication  als  dem  deutschen  eigentümlich  betrachtet:  führt  doch 
schon  Pott  manches  der  art  nicht  einmal  nur  aus  indogermanischen  spra- 
chen an,  und  eben  darum  darf  man  hier  vielleicht  kaum  von  analogie  mit 
dem  fälschlich  sogenannten  ablaute  sprechen,  aber  indem  man  den  natur* 
laut  decltnabel  macht,  hat  man  auch  gleich  ein  snbstantivum.  das  ist  das 
eine  und  andere  mal  so,  aber  nicht  gut  ist  das  pelasgische  ßoOc,  bös  zum 
beweise  gewählt,  nicht  bov  ist  ja  die  ursprüngliche  form,  sondern  gov^ 
und  das  wort  schon  eine  form  mit  gesteigertem  vocale  von  w.  gu^  die 
viel  allgemeiner  als  vom  gebrüll  des  rindviehes  gilt,  die  im  sanskrit  und 
lateinischen  ein  starkes  verbum  bildet ;  und  im  ags.  cü ,  ndd.  kau ,  ahd. 
chua  erscheint  das  lautverschiebungsgesetz  vollkommen  klar,  und  wie- 
derum grüs^  was  gar  nicht  unvermitteltes  wort  ist,  wenn  wir  litauisch 
ger-ve^  griech.  f^pavoc,  ags.  cran  usw.  vergleichen,  sondern  wol  mit 
bestem  rechte  auf  eine  an  weiteren  erzeognissen  ^ntcht  arme  w.  gar  (fr]- 
pu€iv,  garrire)  zurückgeführt  wird,  auch  in  i|iäp,  t|iap6c  hat  W.  die 
formen  der  verwandten  sprachen,  das  thessal.  dcTpaXöc,  lat.  siur-nus^ 
ahd.  stara^  böhm.  skor-ec  nicht  beachtet,  also  nicht  beachtet  den  in  den 
indogermanisdien  sprachen  so  häufigen  Wechsel  der  anlautsgruppen  sAr, 
sp  (pj),  «/,  wonach  sich  die  etymologie  dieses  namens  ganz  anders  ge- 
stalten möchte,  nichts  verschlagt  raiAc  oder  raJic,  ein  fremdwort  wel- 
ches seine  eigentümlichen,  aber  durch  bestimmte  analogien  erklärbaren 
phasen  durchgemacht  hat  ebenso  wenig  ist  für  die  reduplication  in  sol- 
chen aus  nachahmung  hervorgegangenen  namen  xöpoS  ein  einleuchtendes 
beispiel.  woher  beweisen  wir  denn,  dasz  dieses  für  xpoS  stehe?  dagegen 
zuerst  corvus,  es  liegt  auch  hier  eine  w.  kar  zu  gründe,  die  oftmals 
erscheint,  auch  im  ahd.  harin,  es  verfolgt  dann  der  vf.  förmliche 
nominal  b  i  1  d  u  n  g  e  n ,  welche  sich  an  solche  naturlaute  ansetzen ,  wobei 
sich  vorzugsweise  liquidae  verwendet  finden ,  bei  welcher  gelegenheit  er 
auch  eine  deutung  von  cotumix  versucht,  welche  aber  sehr  unbestimmt 
bleibt.  *)  -  dann  die  Zusammensetzung  von  naturlauten  mit  schon  geschaife- 
nen  thiernamen,  wie  wauwauhund^  hüross  usw.,  die  Zusammensetzung 
von  geläufigen  und  minder  geläufigen,  wie  in  gogelhahn,  der  Imperativi- 
schen, surrimutz^  endlich  subst.  agentis,  wie  mumern.  ä.  jetzt  fol- 
gen die  verba  der  eigentümlichen  thtersprache ,  für  welche,  so  weit  es 
griechische  und  lateinische**)  betrifTl,  die  vorarbeiten  reichlich  flieszen, 
nicht  so  für  die  deutschen,  dasz  da  unter  dem  reichen  stoiTe  in  text  und 
anmerkungen  auch  manches  minder  sprechende  unterläuft,  wie  könnte  es 
anders  sein?  wie  z.  b.  anm.  90  gewis  unncbtig  rugire^  {ivltxv  mit 
ruga  (für  vruga)  und  (SuTXOC  verbunden  werden,  schlieszlich  spricht 
W.  ausführlich  über  die  bildung  solcher  verba  und  weisz  auch  da  das 
charakteristische  fein  hervorzuheben,   etwas  verwunderlich  ist  was  s.  32 


*)  [hierfür  hat  man  ohne  zweifei  auszugehen  von  der  doch  wol  altern 
nebenform  coctumixt  über  welche  s.  Lachmann  zu  Lucretius  a.  251. 

A.  F.] 
^  [für  diese  bat  sich  der  hr.  vf.  s.  21  ff.  leider  die  treffliche  Vor- 
arbeit in  Beifferscheids  bearbeitong  von  Suetoni  reliquiae  s.  247 — 264 
entgehen  lassen.  A.  F.] 


328  H.  Seh weizer-Sidler :  anz. v.  W.  Wackernagels  voces  variae  animantiuin. 

anm.  98  steht,  nachdem  W.  im  texte  von  canere  gesprochen  und  gesagt 
hat,  das  deutsche  hahn  und  kühn  gehen  auf  die  w.  canere  zurück, 
auszert  er  in  der  anmerkung:  ^oder  ist  vielmehr  umgekehrt  hahn  das 
altere,  und  hat  canere  zuerst  nur  den  ruf  dieses  ^inen  vogels  bezeichnet  ? 
hahn,  hund  und  katze  sind  nach  altertümlicher  anschauung  die  drei  liflter 
des  hauses,  der  hahn  heiszt  deshalb  auch  dX^KTUip  vonäX^xetv,  und 
ebenso  nun  scheinen  die  namen  der  dreier,  got.  hana  nebst  hd.  huon, 
lat.  canis^  griech.  kuujv  kuvÖC,  got.  hund  und  lat.  catus  nebst  catulus 
sieh  in  der  w.  von  cavere^  ahd.  huoia  zu  vereinigen,  derselben  aus  der 
zugleich  das  lat.  adj.  catus  stammt'  aber  can  ist  eine  allgemeinere 
Wurzel  rar  Uönen',  griech.  Kavax/jc,  KÖvaßoc,  KavdZu),  skr.  kankani 
glocke,  känüka  tönend,  käna^  känüka  krdhe,  hahn,  persisch  kanak, 
kanh  hahn.  die  deutung  von  dX^KTiup  ist  sinnig,  aber  sehr  unsicher, 
und  nicht  die  geringste  Wahrscheinlichkeit  haben  die  fibrigen  erklArungen. 
cavere  ist  entschieden  ein  spröszling  der  w.  scav^  wie  sie  in  got.  skavs 
vorliegt  und  sich  in  mehrfachen  ableitungen  in  den  classischen  sprachen 
und  im  deutschen  bemerkbar  macht:  der  hund  heiszt  im  sanskrit  fvan^ 
griech.  kuujv,  und  das  lateinische  canis  scheint  fGr  cvanis  zu  stehen, 
ganz  sicher  ist  die  etymologle  nicht ,  d.  h.  definitiv  iSszt  sich  nicht  be- 
stimmen, ob  die  w.  fu  ist  und  fvan  eig.  Mer  relszende'  bedeutet,  oder 
ob  fvi,  KUUJ  zu  gründe  liegt,  oder  ob  schlieszlich  hahn  und  hund  beide 
von  w.  canere  ausgehen,  catus  und  catulus  machen  die  deutung  aus  fu 
am  annehmbarsten ,  sicher  aber  stehen  sie  so  wenig  als  catus  weise  für 
cautuSy  cautulus.  das  letztere  catus  bedeutet  eig.  ^scharf  und  geht 
dann,  wie  skr.  fätas,  in  den  begriff  von  ^geschickt'  über. 

So  liesze  sich  noch  über  manches  streiten  und  wolbegründete  ab- 
weichende ansieht  aufstellen,  wie  z.  b.  s.  39  über  fremere^  skr.  bhram. 
ebenda  wird  der  volksname  der  Chattet  auf  gouh  zurückgeführt  und  als 
Spottname  ausgelegt,  wie  denn  W.  diese  sinnige  namengebung  gern  an- 
nimt  und  einmal  ausführlich  zu  begründen  versucht  hat.  da  cfer  name 
auch  KaOxoi,  Cauchi  heiszt,  so  ist  es  sehr  wahrscheinlich,  dasz  beide  c 
hier  für  ch  stehen,  und  Grimms  deutung  ==  häuhai  ^die  hohen'  ist  wo! 
der  Wahrheit  näher,  die  alten  völkernamen  haben  bald  geographischen 
bald  ethischen  sinn,  und  dann  am  seltensten  schlimmen,  doch  abgesehen 
von  einigen  ausstellungen ,  welche  sich  vermehren  lieszen,  ist  die  vorlie- 
gende abhandlung  nicht  nur  eine  sehr  reiche :  sie  ordnet  auch  den  reich- 
tum  unter  groszen  gesichtspuncten  und  klSrt  die  anschauungen  Über  den 
onomatopoetischen  teil  der  spräche  und  dessen  Ursprung  aufs  schönste 
und  schärfste  auf.  als  beilagen  folgen  eine  lateinische  frühlingsdicfatung, 
ein  lateinisches  stück  aus  einer  Baseler  handschrift  mit  angäbe  des  ge- 
schreis  verschiedener  thiere  und  eine  kritische  bearbeitung  des  geist- 
lichen vogelgesanges. 

ZObigh.  Heinbioh  Sohweizsr-Sidler. 


Ch.  Ziegler:  milteilungen  aus  handscliriften.  329 

44. 

MITTEILUNGEN  AUS  HANDSCHKIFTEN. 


1. 

lieber  die  handschriflen  des  Theognis  haben  7h.  Bergic  und 
P.  Nietzsche  im  rheinischen  museum  III  (1845)  s.  206  ff.  und  396  ff. 
XXII  (1867)  s.  161  ff.  ganz  richtig  genrteilt.  an  der  spitze  steht  der 
Mutineosis  (A)^),  dann  kommen  Venetus  522  (K)  und  Vaticanus  915  (0), 
das  fil)rige  gehört  zum  mitlelschlag ,  unter  dem  Nietzsche  wieder  drei 
gruppen  unterscheidet.')  darauf  hat  indes  noch  niemand  aufmerksam  ge- 
macht, dasz  der  Venetus  nur  eine  ahschrift  des  Vaticanus  ist.')  es  er- 
hellt dies  aus  den  Iflcicen ,  die  in  dem  erstem  an  »llen  denjenigen  stellen 
eintreten,  wo  der  letztere  durch  fenchtigkeit  gelitten  hat,  somit  entweder 
gar  nicht  oder  nur  zum  teil  ond  schwer  lesbar  ist.  nach  Bekker  beginnen 
sie  V.  109;  sie  nehmen  aber  ihren  aifang  schon  v.  34  und  zwar,  da  In 
dem  Vat.  auf  jeder  seite  zwei  columnen  stehen ,  in  der  art  dasz  bald  die 
hexameter,  bald  die  pentameter  mehr  oder  weniger  Terstflmmelt  sind, 
eine  probe  wini  die  sache  veranschanlichen.   ▼.  37  ff. : 

(pftceic 

€Ö  cufüißouXcticiv  TOict  cplXotciv  Itii. 
b^botKa  bi  iii\  T^iqj  ävbpa 

€{»0UVTflpa  KttKf^C  ößpioc  fifiCT^pric. 

frT€flÖV€C  hi 

T€Tpd9aTai  ttoXX#|v  ic  KaKdurro  trcccTv. 

dtaOol  iTÖXtv  uiXecov  £vbp€€, 

dXX*  ÖTOV  ößpiletv  Toki  xaKoTciv  6bf\  * 

bkac  t'  dbiKOtct  bibaiciv 

okeituv  K^pbcuiv  elvcxa  . .  Kpdreoc. 
....    bripöv  TTÖXiv  KctvTiv  drpcjLi^ecGai , 
lüiilb'  d  vOv  Kctxai  TToXX^  ^v  f|cuxtij- 
▼.  49  f^lt  noch  €ut'  fiv,  v.  51  ix  vSfV.    die  nächsten  Ificken  v.  106  ff. 
treffen  die  pentameter,  und  so  geht  es  fort  bis  t.  832.^)   von  hier  an  ist 

1)  was  Bergk  von  A  rühmt,  dasz  er  aach  in  dialektformen  und 
Orthographie  das  richtige  bewahrt  habe,  findet,  wenigstens  In  bezug  anf 
Xivo^at  nnd  Yivt6cKU),  seine  anwendung  auch  auf  K  und  O.  noten  wie 
zu  ▼.  1118:  Ttverai,  y^tvctoi  A  K  O,  bedürfen  der  beriohtigting.  9)  der 
von  Nietzsobe  znr  ersten  gmppe  gereobnete  Vat  68  (N)  gibt,  was  viel- 
leicht schon  manchem  aufgefallen  ist,  bei  Bekker  v.  894  allein  die- 
selhe  lesart  wie  A.  Bekkers  angäbe  ist  aber  unrichtig,  der  Vat.  hat 
nicht  iJ5c  bf\  xuii/cXiZuiv,  sondern  \bc  KUt|;€XX(Zu)V.  ebenso  hat  er  v.  967 
nicht  irdvrmc,  sondern  wie  die  anderen  alle  irdvruiv.  3)  fiergk  spricht 
nur  von  einer  Übereinstimmung  beider,  Nietzsche  von  ^ioier  abstamnoDg 
aus  gemeinsamer  quelle,  in  den  poetae  lyrici  s.  482  ed.  III  heiszt  es: 
'Venetus  Marc.  522  (K)  codex  praestans,  nee  tarnen  interpolationis  im- 
munis  — .  Vaticanus  915  (O)  codex  non  minus  quam  A  et  R  praestantia 
insignis.'  4)  nach  Bekker  bis  v.  1106.    dies  ist  zuviel,    nur  einige 

aial  fehlt  noch  einzelnes,  wie  ci»  M^v,  Miv,  va(,  b^,  v.  897  KVipv*,  1049 
irar/u),  1052  vöip,  1098  öv  irp09UT^v,  1100  die  zweite  häifte  des  penta- 
meters. 

Jahrbacher  filr  dasi .  philol.  1868  hft  6,  23 


332  A.  Hart:  die  Pseadophokylideia  undTheognis  rm  cod. Yen. Marc.  522. 

IMe  nachstehenden  lesarten  des  Marc,  waren  bisher  ansschlieszlich 
aus  deni  Vat.  915  bekannt:  zur  Oberschrifl  s.  o.         6  trap€Oict  vibvb' 
(9.  55  und  immer  yif\  ht)  29  8v  cot  trXoCrov  35  öv 

37  s.  0.  48  pi^e*  KpaMn  KeuOoic  (Va  -One)  52  ßouXf|v 
cflOuvov  61  äfi^Tpouc  ?pxeT*  65  bk  troviipöc  66  idSka 
irotcOvra  (tTOcOvra  allein  Va)  80  Jpbovxa  (Va  ?pft-)  82  ßpa- 
biivoucatc  bouXefaic  (ßpabirvoti  In  rasur)        85  dicrrpoVitrot  Tv*  ixQ 

aÖTOuc  Ö€         114  ^TriiCTipov  (Va  T)         119  OapcäXe'  elciv  ämcra 

OU  Ol 

125  \€pöq)\iTOV  (Va,  vgl.  AI)        127  raupoic  h'  auTOxOrouc 

K^para  xat  K^VTpa  (Va  K^VTpoi)         132  £vbp'  dvdbeicTOV  (Va  B) 
133  diroTpOTtdcacGat  140  xfjv  —  cuv^T^ipai         141  T€ 

—  hex  troT*  dXeSeiv  157  toO  Ibiou  ßiöroto  9dT0tc  dviißpicra 

irovoc 
171  dptCTÖ<povöc  179  4i€ub€  t^  (am  rande  ^  i|faGe) 

181  noXXoidJa  (Va  VI)       190  cuveuvabev  (das  zweite  v  fehlt  im  Va) 
196  9pov€€t  (M  Va)  198  d|xviicT€irradii  Koüpaici  ^tTi1vat 

irXoKd^ouc  ^iri 
200  XoTpeuetv  (Va  und  Bruncks  codd.)  210  TrXoicafiiiiba 

Xatnic 

T^Xvnv        215  TroXuxXefcTOict  OoXdjLiotc         219.  224  v^fictv 
228  ^ctt  KOOapiLiöc  (Va  und  zwei  codd.  Bruncks). 

Wo  der  VaL  915  eine  dittographie  hat,  gibt  unser  Marc  nur  eine 
Ton  beMen  lesarten ,  meist  die  der  vulgata ;  nur  v.  55  hat  er  eine  dritte 
fJTOp,  dagegen  folgt  er  v.  65  und  66  (s.  o.)  der  dem  Va  eigentümlichen 
lesart.  anderseits  hat  der  Venetus,  wie  schon  oben  zu  v.  85,  127,  179, 
210  angegeben,  eine  zweite  lesart  Ober-  oder  nebengeschrieben: 

5f"  ö^cXXoc  j|-  e(i6i)v€t  '^  iirfiv 

78  oveiop  88  lOuvei  93  ottujc    ;  eine  lesart  ist  immer  die 

des  Vau,  die  andere  die  der  vulgata  oder  neu  (vgl.  v.  85  aörfic  f€.  fast  wie 
Schafer  besserte,  und  93). 

Steht  man  von  geringeren  abwelchungen  des  VeiL  im  accent,  in  der 
Schreibweise,  den  endnngen  ab,  die  der  abschreiber  verschuldet  hat*), 
oder  von  den  stellen  wo  offenbare  Schreibfehler  im  Vat.  berichtigt  wer- 
den (13,  69  ende,  83,  108,  122,  139, 151,  162,  175,  192  anf.),  so 
stimmen  beide  hss.  auch  an  allen  nicht  erw&huten  stellen  in  reibenfolge 
der  verse  and  lesarten  aberein ,  auszer  in  folgenden  erheblicheren  HÜlen : 
V.  32  fehlt  (Va  hat  ihn  allein;  wie  die  buclistaben  a  T  ß  über  v.  30,  31, 
32  anzeigen,  vor  31,  in  übereinstimmender  refhcnfolge  mit  den  Sibyllini- 
sehen  orakeln,  die  diese  verse  entlehnt  haben);  v.  112  folgt  auf  111  wie 


2)  es  genüge  snr  Charakteristik  der  hs.  u.  a.  berrorzabeben:  23 
irXripuicuiv  83  fehlt  fii^,  sonst  gleich  der  in  Va  ubergeschriebeneB 
vulgata        44  <p  o^pOöpc        50  äirXoOc  (d-  Va)        69  ^^pu>  |a^v  «payetv 

71  dq>6ovot  b*  73  <n|i(b^aciv  ^vcpOev  99  ^mfiicipaceat  113 
Huvöc  142  £x6poto  Tuxelv  147  Onpoßöpov  149  ßißXuiv  186 
}ii\hi  TIC  fj  (Vat.  fi)  204  diravaWer'  d(pv€i6v  iöwra  206  ApupX . .  t^ 
CuvaC^oiciv  .  .  1  CXOtjc        212  k6\xy\  .  .  .  xXiöalc        225  OcpdiTOVTa. 


A.Hart:  die  Pseudophokylideia  und  TbeogDis  iiu  cod.  Yen. Marc. 522.  333 

io  der  vulg.  129  fehlt  niclil  wie  im  Val.  128  XÖTOC  b*  £pM ' 

60  evTiTOiciv  86  ävbpac  195  reriv  202  Tavarpai- 
ouc  208  äXiTTiCi,  Kptv^TUJ '  aber  an  allen  diesen  stellen  wich  der 
Yen.  nicht  ohne  gruod  von  seinem  original  ab,  um  der  vulg.  zu  folgen: 
bei  V.  32  herscht  im  Yat.  in  lesarten  und  anordnung  Unsicherheit  (s.  o.), 
111  ebd.  ist  ohne  rytbmus,  der  ausgang  von  129  ist  im  Yat  mit  dem 
anfang  von  128  zu  einem  verse  mit  hiatus  cusamraengezogen ;  ähnlich 
sind  die  übrigen  stellen,  an  denen  der  Marc,  abweicht,  im  Yat.  fehlerhaft. 

Die  Phokylideia  im  Yen.  Marc.  522  sind  mithin  aus  dem  Yat.  915 
copiert;  doch  ist  die  abschrift  nicht  frei  von  interpolationen  ans  einer 
andern  ha. ,  die  von  der  vulgata  nicht  wesentlich  verscliieden  war. 

In  demselben  codex  steht  vor  den  Phokylideia  foi.  181' — 198^  der 
von  Bekker  mit  K  bezeichnete  Theognis.  Bergk  stellt  ihn  (a.  o.  s.  482 
cd.  III)  mit  0  (Yat.  915)  auf  eine  linie :  'codex  praestans  nee  tarnen  inter- 
poialionis  immunis  et,  ut  Bekker  significavit,  a  v.  109  usque  ad  1106 
circa  sexagesirouro  quemque  lacunosus.'  richtiger  d.  h.  ungünstiger  bf- 
urteilt  seinen  werth  F.  Nietzsche  in  seinem  verdienstlichen  tuisatz  im 
rhein.  museum  XXII  s.  164:  *er  stamme  mit  Yat.  915  zusammen  aus  ge- 
meinsamer quelle ,  sei  aber  hier  und  da  von  grober  band  grob  nachcorri- 
giert.'  schon  eine  flQchtige  durciisicht  der  Varianten  lehrt  die  auffallende 
älmlicbkeit  beider  hss.;  ich  trage  an  übereinstimmenden  lesartea  aus 
meiner  nachvergleichung  des  K  folgende  nach : 

12  elcaO'  (Bekker  eic-)  21  bckiUi  aber  K  in  rasur,  wie  sie 
mehrfacli  an  schwierigen  stellen  vorkommt ,  sie  ist  hier  wie  immer  von 
erster  band  (vgl.  1063  bei  Bekker)  101  c'  fehlt  122  ^x^t,  Bergk 
lxr\\  durch  Schreibfehler         169  Tifiutic'  8v,  5v  in  rasur;  es  ist  unge- 

a 
wis  ob  TifidüCiv  dastand        197  XPHMonr  iL        256  ipß.  Ttorfe,  itot^ 

in  rasur  (o  schwer  lesbar)  368  ^pbujv  (b  in  rasur) ;  bei  Bergk  lies 
^PTOV  0  für  K  442  ^x^^  ^^^^  in  ^^^  Wiederholung  nach  1162 

^XtüV  =  OA  469  ävnva  fuLUÖv  ohne  fiv  475  jüt^rpov  a^  ?X"> 
(TOtp  fehlt  in  0)  506  ^XH  i"  rasur  618  ttoXXui,  643  xXrJTUüpi, 
659  toOtw,  alle  3  male  w  in  rasur  717  dXXd  XP^  (=  AO)  993 
d9/iHepov  (=  AO)  1006  npojidxotciv  1032  lxQr\,  t\  in 

rasur  1045  TÖvbe  (=  AO)  1052  dTaOtp  T€  (— ;  bei  Bergk  lies 
0  T^KVUJ  für  K)         auf  1104  folgen  571.  572         1217  KXcpiovTi. 

Um  das  Verhältnis  des  Marc,  zum  Yat.  in  besug  auf  Theognis  end- 
gültig fesUustellen,  ist  es  weiter  unerlftszlich  den  umfang  der  von  Bekker 
erwähnten  Ificken  zu  constatieren.  der  Yen.  (membr.  4,  saec.  XY)  ist 
von  sauberer  band  geschrieben ;  jede  seile  enthält  35  zeilen ;  fol.  181 ', 
der  anfang  des  Theognis,  deren  29.  auszer  den  erwähnten  rasuren  hat 
er  keinerlei  Verderbnis  erlitten,  die  Iflcken  kehren  in  gleichen  Zwischen- 
räumen wieder,  und  zwar  so  dasz  in  regelroäszigem  Wechsel  zuerst  34. 
36  die  pcntameter,  dann  37  IT.  die  hexameter,  jene  am  ausgang,  diese 
am  anfang  lückenhaft  sind,  diese  Wahrnehmung  fOiirt  auf  einen  beschä- 
digten Originalcodex,  der  auf  ^incr  doppelzeile  hexameter  und  pentameter 
zugleich  enthielt,  so  dasz  bei  Zerstörung  der  schrift  am  äuszern  rande 


334  A.  Hart :  die  Pseadophokylidela  and  Theognis  im  cod.  ?en.  Narc.  522. 

aaf  dem  folium  rectum  die  pentameteraosgiDge ,  aaf  dem  folhim  ▼ersuin 
die  beiameteranf^Bge  verioren  gieogeo. 

Das  för  die  Phol[ylidda  gewonnene  residlat  fahrt  auch  hier  auf  VaL 
915  als  original,  auszer  vereinzeUen  andeulungen  im  Bekkerschen  appa- 
rat  (*quid  0  habeat  incertum'  zu  122.  181.  185  usw.)  bestitigle  diese 
Vermutung  was  A.  Wflmanns  (bei  Nietzsche  a.  o.  s.  163)  vom  Vat.  915  sagt, 
dasz  die  obere  Suszere  ecke  der  hs.  durch  feuchtigkeit  stark  angegriffen 
sei.  mit  vollstAndiger  Sicherheit  festzustellen,  dasz  die  lAcken  in  K  mit 
defecten  steilen  in  0  zusammentreffen,  ist  mir  erst  möglich  gewonleo 
durch  die  geftlligen  mitteilungen  des  brn.  dr.  H.  Hinck  in  Rom  ilber  die 
betreffenden  stellen  des  Vat.  indem  ich  mich  auf  sie  im  folgenden  fori- 
während  beziehe,  sage  ich  auch  an  dieser  stelle  hm.  dr.  Blnck  meinen 
schuldigen  dank  för  die  bereitwilligkelt,  mit  der  er  meine  arbeit  unter- 
stfiut  hat. 

0  fol.  25 '  enthllt  die  Qberschrift  (dpxfj . . .)  und  18  doppdzeilen 
(1—36) :  34  buva( —  36  dövra  (— .  'vöov  ganz  verlöscht,  vö  glaobe 
ich  zu  sehen.'   dem  entsprechend  K:  34  ftef^iXi)  b( —        36  £dvTa(— 

0  fol.  25^:  37 — 104.  die  anlange  der  hexameter  37 — 51  sind 
wasserfleckig.  K:  37  — )  qnfjcetc  39  — jb^boiKa  41  — )  fjrc- 
fiövcc  43  — )  äraOol  45  — )  biKac  47  — )  bripdv  49 
— )  ToTct        51  — )  TÄp 

0  fol.  26':  105 — 172.  die  ausginge  der  pentameter  106—122 
schwer  lesbar.   K:  106  dXdc  (—  108  irdXiv  (—  110  ndv- 

Tuiv  (—         112  draOuiv  (—         114  fScrc  Ka(—         116  irpirr- 
^(m(—         118ir€pi(—        120  dvbpi  (—        122  ?x€»  («•  o.) 

0  fol.  26':  173—238.  die  anßoge  der  hex.  173—187  wasser- 
fleckig. 173  — )  fidXtCTQ  wasserfleckig  aber  lesbar  175  — )  KrJTea 
wasserfieckig ;  schwer  zu  entziffern  {)v  und  de  ßaOu  237  ||,  IIIJTtT^p' 
...  K:  173  — )  dyaeöv  ireviii  (  )  ndXicxa  175  vollsUndig  177 
— )  oÖT€  1 79  — )  Tfiv  181  — )  Kupve  183  — ) övouc  185  -) 
tilnat        187  oubeniii  (0  nach  Bekker  oubi  Tuvfi)       237  — )  irrdp' 

0  fol.  27':  239—308,  die  ausginge  der  pent.  240—254  wasser- 
fleckig. K:240dv(—  242  eÖKÖCMUic  (—  244  iroXu  kumcu- 
Touc  (—         246  altv  (—         248  ttövtov  (—         250  baipa  (- 

252  T€  Kai  (-         254  XÖTOlc  m'  d(— 

0  fol.  27 ^  309—376.  die  anftnge  der  hex.  309—317  und  der 
pent.  318,  320  wasserfleckig;  «v.  320  ist  nemlich  nach  317  einge- 
schoben, wird  aber  auch  an  seiner  stelle  gelesen,  die  bisherige  Ordnung, 
dasz  die  hex.  links,  die  pent.  rechts  stehen,  ist  von  318  an  bis  zum 
schlusz  von  fol.  27'  umgekehrt,  wird  aber  durch  den  quer  darunter 
geschriebenen  v.  376  wieder  hergestellt.*  K :  309  — )  ircirvufidvoc 
311  — )  Kparcpöv        313  — )  juaivoMm        315  — )  nXcirroOci 

0  fol.  28':  377 — 450.   die  ausginge  der  pent.  378—394  wasser- 
fleckig.   392  d^nxavl||i|         394  KaTdxl|[|.    K:380?pTaa(— 
382  lOiv  (—         384*)  Icxovra  (—         386  Ou^dv  (—         388 

*)  dftnaeb  ist  384.  528.  761  bei  Bekker  und  Bergk  zu  berichtigen. 


A.Hart:  die  Pseadophokylideia  und  TLeognU  im  cod.  Yen.  Marc.  522.  335 

aicxiov  ( —         390  ouXofi^vac  ( —  394  xpY1M0<^uvr|  (— 

0  fol.  28*:  451—520.   die  anfinge  der  hex.  461—465  wasser- 
Heckig.  495  fehlt  öfiuK  (eic  to  fi^cov  q>ov€uvT€C  ^vi  Kcn  cuv  &ira- 
civ).   K:  451  — )  oux       453  — )  die  irap*       455  — )  dqxitvco 
457  — )  TWTJ        459  — )  dnopfinSaca        461  — )  dirpnitroia 
463  — )  XPnM<K        495  qHuvcOvTCC  ( — )  Kai  cuv 

0  fol.  29':  521—596.  die  aiuglDge  der  peot  522 — 534  waiier- 
fleckig.  K:  526  ävbpi  (—  528*}  Tfic  b*  d(—  530  boüXiov 
(—        532  «pOrrroM^vuiv  (—        534  XOpifv  { — 

0  fol.  29  ^  597 — 668.  die  anOoge  der  hex.  597—609  wasser- 
fleckig, insbesondere  von  605  (noXXüi  ^ot  ir),  607  (dpxvi  ^1^0^  ^^ 
(xiv)  fleckig,  aber  leicbl  erkennbar.  K:  597  — )  brj  599  — )  qioi- 
Tiüv        601  — )  ixöp^       Ö03  — )  diruiXec€v       607  — )  iiieuteuc 

609  — )  ovU 

0  fol.  30':  669—742.   die  aasginge  der  pent  670—682  wasser- 
fleckig.    670  Tvouc  fifxeivov  It\\{.    K:  670  tvövti  fipetvov  ( — 
678  Tiverai  (—        680  Kord  (— 

0  fol.  30^  743—816.   die  anßnge  der  hex.  743 — 757  wasser- 
fleckig.   743— )tout'       745  ganx  lesbar.   K:  743  — )  tout'       747 
— )  Ktti        749  — )  dvfip        751  ♦)  — )  ttXoutiii       753  — )  Oibv 
755  — )  TUiv  b* 

0  fol.  31 ':  817—888.  die  ausginge  der  penl.  818—832  wasser- 
fleckig, 818  ganz  ausgelöscht  und  von  UTToXuEai,  das  in  die  pentameter- 
colonne  hinübergezogen  ist,  £ai  völlig,  auch  die  hexameleranf&nge  haben 
durch  einen  kalkarligen  niederschlag  gelitten,  von  825  ist  ir,  von  829  d 
durch  cruste  bedeckt.  K:  817.  18  ouk  &6'  (—  820  Kupve  ( — 
822  dXiT  (—  824  Q^Cjv  (—  hex.  825  — )  f|>iiv  penl.  826 
q>aiv€Tai  (—  828  TTop9up^  (—  hex.  829  bf|  (  )  KcTpc  (  ) 
dirÖTraue        pent.  830  drroXXu  (—        832  dfAq>OT^p  (— 

0  foJ.  31  ^  889—960.  897  ganz  deutlich  Kiipve  ftfl  .  .  901 
-Siv  6  fifev  X€»pov.  K:  897  — )  nf|  irdvr'        901  — )  6  \xiy 

0  fol.  32':  961-1034.  968  £ktöc  fi||{|  974  Tr€pc€q)o||||| 
K :  968  fehlt  f ßfiv  am  schlusz 

0  fol.  32':  1035-1094.  1039*  (=  863):  mit  einiger  mOhe 
enlzifl<erl  man  als  unbedingt  sicher  f|b€Ta  1045  vai  ausgewissert, 
aber  erkennbar;  1052  ganz  lesbar.  K:  1039*  — )  irpöcOev  1045 
— )  jLiä        1052  dTaOu)  xe  (- 

0  fol.  33':  1095—1160.  1096  Tie€i||  1098  iTpocq)u(-TOV 
verwischt,  aber  erkennbar  1100  £iTiq>pOGJV||{  1104  fi^ftac 

dX(ei)       1106?  K;  1106  äiraci  (— 

Nachdem  so  Marc.  Yen.  522  auch  för  Theognis  als  eine  directe  copie 
aus  Vat.  915  erwiesen  ist,  die  überdies  aus  anderen  hss.  interpoliert 
wurde,  wird  der  werth  derjenigen  lesarten,  die  K  allein  hat,  dem  ent- 
sprechend zu  beurteilen  sein.  Bergk  hat  auf  die  alleinige  aulorilät  von  K 
hin  folgende  lesarten  in  den  texl  aufgenommen :  72  dKTcX^cai,  sonst  ^k- 
TcX^cac  169  5v  bi  Oeoi  timuic*  öv  xal  (s.  o.).  hier  wie  800  dXX' 
Sc  XÜJioc  8c  .  • .  das  zweite  relalivum  mit  demuuslrativer  bedeutung 


336  H.  Hinck:  beschreibuog  des  codex  Valicanus  915. 

330  iOem       618  TToXXifi  (aucii  Slobäos)       806  die  form  XPHM^v! 
899  iwoc         1063  insofern  koX  Xi6*  sich  zumeist  auf  die  Jesari  in  K 
KoXXicS'  sUitzl      1173  uj     endlich  auch  isl  er  geneigt  576  eivaXiouc, 
1181  dOälqc  aus  K  den  vorzug  zu  geben;  ich  habe  übrigens  ni  576 
eivaXtoic  notiert. 

Schlieszlich  mag  es  gestattet  sein  mit  besug  auf  das  für  Phokylides 
und  Theognis  gewonnene  ergebnis  auch  auf  die  übrigen  schriftsteUer  hin- 
zuweisen,  die  im  Vat.  915  and  Yen.  Marc.  522  gemeinsam  enthalten  siod. 
im  cod.  Ven.  beginnt  fol.  181'  mit  Theognis  ein  neuer  quatemio,  der 
bis  fol.  210^  reicht,  derselbe  enthält  nach  Theognis  und  Phokylides  fol. 
202'  med.  nuGctTopucä  iitT\  rd  KoXou^cva  XP^^ia  (1 — 71)  vollständig. 
203'  inf.  Mdcxou  Cik€Xiuitou  €\ipibm\  (hier  und  da  fehlen  halbe  verse). 
205^  nicd.  Moucttiou  TfX^MH'OtnKOÖ  t6  xaO*  i^pui  Kai  X^ocvbpov  (1— 
341)  ▼oilständig  (auch  hier  fehlen  halbe  verse).  210^  med.  f{Xrpa  fJiou- 
cttfv  f|  BcoKpiTOU  cupiYE  Tdi  TravL  Cvpvfi  ofivoft'  ^x^tc  bis  zu  ende, 
mit  schölten  (vgl.  Bergk  anth.  lyr.  s.  LXXK  und  510  ed.  II).  damit  schlieszl 
der  quaternio.  eine  vergleichung  mit  dem  unten  (s.  anhang)  abgedruckten 
inveniarium  des  Vat  916  ergibt,  dasz  der  ganze  quatemio  nach  anord- 
nung  und  umfang  entspricht  den  folien  34—38,  22,  39  (uach  jeUiger 
fehlerhafter  seitenzälU«ng)  fm  Vat.  als  der  schreiber  des  Ven.  sein  ori- 
ginal benutzte,  hatte  in  demselben  die  Versetzung  der  blStler  noch  niclit 
stattgefunden,  durch  die  nochher  zusammengeliörlge  stücke  gelrennt 
wurden. 

BsBLUf.  Adolf  Habt. 

ANHANG. 
BESCHKEIBUNO  DES  CODEX  VATIGANUS  915. 

Vorgeheftet  3  blatter.  das  erste  enthält  christliches,  in  zwei 
columnen  geschrieben,  ine.  y^  irövwv  T^pa  T^  xal  dcO€V€(a  fm  xa^- 
jtr6\i£yoc  dppuicr^cac  iiri  toO  CKifiiroöoc  des.  t^iv  Ka6^6pav  it^^i&cctro 
00  imoi  boKelTC  toOto  6p6uic.  —  Fol.  1 — 2  von  einer  hand,  welche  «owol 
von  der  welche  das  voraufgehende  biatt,  als  derjenigen  die  den  codex 
geschrieben,  verschieden  ist.  Cento  Homericns.  vom  ersten  blatt 
fehlt  die  obere  hälfte  und  ein  stück  der  nntern;  der  erste  lesbare  vers 
(hfioc  dvdxecdc  X^xrpa  xal  €Öxö)Li€voc  firoc  ri06a  des.  f\\de  b*diriirrujx6c 
iravbfuiioc  öc  xaTd  dcru  |  (potTa  fxaxpd  ßißdc  q>uJvfT  hi  ot  alOdpa  txavev. 
in  zwei  columnen  geschrieben:  in  der  einen  fortlaufende  verse,  und 
gegenüberstehend  eine  paraphrase  derselben. 

Fol.  3 — 20  unter  dem  titel  icTop(ai  ToO  a,  toO  ß  usw.  scho- 
lieii  aur  Ilias,  beginnend  in  A  (fol.  3.  4  sind  die  letzten,  sich  an 
einander  anschlieszenden  biätter  eines  ternio)  und  endigend  im  anfange 
von  X.  —  Probe  ans  fol.  3*  med.:  *0  bi  ibxeavöc  iroTa^dc  IcTi  xa8* 
ö)üir|pov  Sujecv  ircpUxu)v  xuxXorcpOic  töv  ÖXov  xöcjuov  Aiccol  clclv  alGto- 
ircc  ön6  v€1Xov  öpi2:öM€voi  ibc  i'i  ledxri  xal  al  Xoiiral  vf\coi  'Ex  6*  eOvdc 
Tdc  dTKiipoc  Xtf€\  Td  ctbripia  iropd  t6  eövdZciv  xaX<JüfX€va  ctc  rd  übuip 
xal  7ioi€lv  tcTocOar  xpia  bi  crmaCvct  i\  kihc  napä  tui  ttoitit^  ti?|v  xoi- 
Trjv  ibc  örav  X^  €Övi?|  ^vl  fuxXaxf)  Tf|v  dxxupav  ibc  vOv  ix  6*  €Övdc 
{ßaXXov  xal  Tf|v  biaTpißJ|v  ibc  tö  661  <pacl  Tucpw^uic  ^^ficvai  cövdc  noX- 
Xfjv  ^€1  Tf|v  y|boyi?|v  1^  Tftc  Ttpoe^ccuic  iirarwr^  ||l||||||||^fxa  diraXXfiXriac. 

Auf  fol.  20  folgt  22. 
(Fol.  37 ''—38''  Musüos  Hero  und  Leander  v.  1—222} 


H.  Hinck;  bescfareibuiig  des  codex  Vaticanus  915. 


337 


Fol.  22'-'' 
22 '^ 


23' 
23'— 26' 

26'-34' 

Fol.  34'— >36' 
36' 

36'— 36' 
36'— 37' 
37'— 38' 
39' 
39'— 46' 

45' 

46'— 47' 
47' 

47* 


48'— 49' 


Masttoi  Hero  nod  Leander  v.  223 — ende 

aCviTMCt  cic  TÖv  ui6v  toO  OcoO  Tf)c  cißOXXric 

i\xr]W».  fjioucuiv  r\  OeoKpiTOU  cupiT^  xi  tiXi  iravl  t  (s. 

fol.  39') 

tlipala  Tvui|üUK&  tv)c  öptp  (einzelne  ans  den  lithika  excer- 

pierte  veree} 

zablenphilosophie  (ohne  titel).    ine.  irepl  Tfjc  X  öri 

H^v  €lc  t6  iironTcOciv  tä  €pYa  xpi^cifAoc,  ^k  toütoü  J^ftXov 

des.  Kai  dpiO^di  X^ovrec  irdvr*  ^ir^oiKCv 

Theognie  v.  1 — 1220.    su  anfanfa^  meirisches  am  rande; 

auf  29'  ff^rammatiMhee  und  metruchea  am  rande. 
q>ujKuXX(6ou  Tvui^iKd  üjpala  vollständig 
grAmmAtisches  (ohne  titel) 
iru6aTuipiK&  ^itt)  rd  KoXcO^eva  xpiKä  Yollständig 
Möcxov  cticeXiUiTOu  cupUim) 

Mnsäos  Uero  und  Leander  v.  1  —222  (s.  oben  vor  fol.  22) 
scbolien  zur  syrinx  des  Theokrit 

ToO  OcccaXovdoic  KuptoO  cOcraOCou  Ik  tüjv  elc  röy 
ireptriipi'^^v  '^d  ^KKpiTa*  ein  dürftiger  und  willkürlicher 
auszug  aus  dem  commentar  zur  periegese  des  Dionysios. 
CTixoi  ToO  ^otvaccff  de  tV|v  toO  bapeiou  öitöecciv  ktX. 
(die  geschichte  vom  pferd  des  Dareios) 
Tvui^ai  fiovöcTixoi  ficvdvbpou 

TvuijUiKd  ToO  irivbdpou  (aus  Ol.,  Pyth.  und  Nem.  endigt 
mit  Nem.  V  16) 

in  zwei  colttmnen.  auf  der  obem  h&lfte  der  seite  links 
dreimal  sechs  iambische  trimeter  (Spielereien  der  Ab- 
schreiber); rechts  ein  griechisches  kreuz  mit  beige- 
schriebenen zahlen  und  Inschrift ;  darunter  einige  Zeilen 
werthlosen  Inhalts,  auf  der  untern  h&lfte  der  seite  links 
eine  geographische  Zeichnung;  rechts:  dpxi^  cOv  Ocili  Tf)c 
öjüiTipciac  ßißXou.  weiter  unten  (von  jüngerer  band):  ß(- 
ßXoc  6^^poio  )uioucoitX6kou  16^  ^aMiwbia.  dann  von  erster 
band:  *'Ofif)poc  6  irDiirrVic  ulöc  f|v  ^iv  Korea  iibf  nvac 
inaiujvoc  Kai  6pvi6o0c  ktX.  (Westermann  ßt0Tpd90i  s.  27  6'). 
in  der  letzten  seile  noch  die  werte:  "O^i^poc  6  irotr|Tf)C 
iratpöc  }itv  fjv  fx^XriTOC  ftrirpöc  be  Kpt6r){6oc  (Westermann 
a.  o.  s.  28  c').  —  Die  Ordnung  der  folgenden  blütter, 
welche  die  Ilias  enthalten,  ist  sehr  verwirrt;  einzelne 
sind  verloren  gegangen. 

A  '29  —156 


60 

A  234  —  313 

69 

A  314  —  449 

61'— 66' 

A  658  —  B  667 

80 

B  668  —  789 

101 

B  790  —  r  50 

60'— 73' 

r  61  —  Z  261 

68 

Z  262  ^  431 

76' 

Z  432  —  516 

76' 

Z  616  —  H  64 

74 

H  66  —  226 

76'— 79' 

H  227  —  e  416 

81 

e  416  —  1  18 

82'— 100' 

1  178  —  N  623 

102'— 107' 

N  624  —  0  98 

116'-121' 

0  99  —  n  307 

in  zwei  columnen  geschrieben,  auf  fol. 
48 — 60  links  text,  rechts  schollen;  dann 
'  in  beiden  columnen  text;  darüber  glos- 
sen  mit  rother  tinte;  auch  einzelne  mar- 
ginalscholien 


108  —  116  TT  489  —  C  311 
122'-*142'  C  812  —  Qende 


338 


H.  Hinck:  bescbreflHuig  des  codei  Taücaous  915. 


Fol.  142' 


clc  Töv  iKTopa  ^mTi&Mßioc  (Branek  anftl.  m  8.882DCXX) 

dcTpa  jitv  ^luiüpufce  icTX.'(ebd.  I  s.  233  XLIX) 

^irrd  iröXcic  rrX.  (ebd.  II  9.  Id  XLIV) 

T€i>X€a  }xiy  1roX^^•lo  drdXXcrm  dXmMOC  dvf|p 

icOM<rra  t*  dfuptrpiTiic  ^^«opir|C  6€pdiraiv  rrX. 
142^—197'  Odjseee  mit  nicht  reichlichen  interlinear-  und  margi- 

nalecholien 
197'  *Apx^  CUV  ecup  6t<ui ttJc  ßipXou  xoO  i^ctöbou  f)  ircptix^t 

{pra  Tc  Kai  i\\ifyac 
197'— 199'  vorauf  rehen  crixoi  des  Tietxes  gegen  Proklos  und  iüin- 

liehes;  (197'eztr.)  y^voc  i^€t66ou'  seholien 
199' — ^206'  ifTfa  wai  ^}Upa\  mit  vielen  marginal-  und  interlinesr- 

schollen 
206*^—213*  6€0T0via.    von  fol.  207^  an  keine  schoUen  mehr 
213*— 216^  Lykophrons  Alexandra  v.  1—143  mit  einer)  ^S.9  B 

einleiiung  fiber  die  dichtnngsarten  usw. 

236—237 

66-67 
238—239 

218-220 


V.  200—  318 
V.  319—  469 
V.  470—  629 

V.  919—1211 


(fol.   219   enthält   schollen 
V.  1034  ff.) 


SU 


H   9  *  ST 

*^  m  H 

2  D  0  0- 
\S  •  •  ST 

-5'  s; 

•-••j-  e  er 
2  2  o  <» 


240 

241 

243—246 

230 

229 

247—248 

246 


242 
217 
217 
249 
249 
261 
261 
262 
263 
266 
260 
260 
268 
268 


Theokrit  id.  U  6  —  m  6 

V69  — VII8 
yn9  — XI66 
XI  67  —  Xm  68 
▼Y  "Ti XVI  68 

XVI  69  —  ende.  XVn.  XXII 1—161 
XXn  162  —  ende.  XXV  1—96 

XXV  96  —  261 
XXV  262  —  ende 
— 217'  batraehomvomachie  v.  1 — 166 
—249' 


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II 
II 
tt 
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91 


6g. 

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—263' 
—265' 
—267' 


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I» 
I» 
II 


II 
I» 

II 


II 


mit  wenigen  mar- 
>  ginal-  und  inter- 
Hnearscholien 


„  V.  166— ende 

Tsetses  Antehomerica    v.  1 — 34 

V.  36—110 
V.  111—182 
V.  183— ende 
Homerica  v.  1— ende 

PoBthomerica     v.  1—467 
V.  468—676 
V.  676—676 
V.  676—772 
die   Bchlnszverse   verklebt   bis   auf  den   lotsten  (780). 
folgt  prosa  verschiedenen  werthlosen  Inhalts 
223'— 228'  DionjsioB  Periegetes  v.  183  —  a^rru^v  ^K  paicdpuiv 

dvTdStoc  cTt)  d^oiß^  (ohne  schollen) 
228'  crixot  f^puiiKol  xal  ^XcTctot  elc  X^ovra  q>tXöco<pov  kuw- 

CTavrivou  fiaOrfroO.  aOtoO  (hiemach  ediert  von  P.  Ma- 
tranga  anecdota  graeea  pars  11  s.  656  f.    vgl.  pars  I 
8.  26  ff.) 
233      Pindar  01.11  43— VII  30  mit  vielen  marginalscholien 
Schmierereien 

234' — 235'  prosa  christlichen  Inhalts  (sar  genealogie  der  Jung- 
frau Maria  und  ähnliches) 
236'.  222'  al  X^Scic  tOliv  vo|ui(^uiv  t6  a  ktX.  griechische  Über- 
setzung lateinischer  juristlBcher  aosdrdcke,  nach  an- 
fengsbuehstaben  geordnet 
222'  (v.  21).  222'.  221'  [£]incToXt|ialot  xopaKTf^pcc,  die  in  andern 
handschriften  dem  Libanios  beigelegt  werden,     be- 


231- 
2.34' 


L.  V.  Jan:  nochmals  zu  Piatons  Phaedon  62*.  339 

ginnen  mitten  in  der  seile  (s.  21)  in  unmittelbarem  an- 
Bchlnsz  an  das  vorhergehende.    yoIU tändig. 
Fol.  221^— 221»  MöOoi  alci^ircioi  (afißuol  TCTpdcnxoi  ßpaß(ou  toO  co- 

q)iCToO.  66  fabeln,  prebe  (vgl.  Bahr.  44):  [<t>]uXdTT€- 
c0ai  Toiic  6MO<ppovo0vTac  [*0]|Li6q)pov€c  v^fiovro  rp^lc 
ö|LtoO  ß6(€c)  OOc  oöb^  6V)p  £ßXairT€  iroXXdxtc  X^uiv 
'exOpac  bi  |Liic€i  Kai  Xöfoic  ftmcx^cac  '*€KacTov  olov  ^k- 
ß^ßpujKCv  d6X(uic. 

Bombycinhandschrift  in  octav,  ans  dem  anfang  des  vierzehnten  jh., 
bis  anf  einzelne  kleine  abschnitte  ganz  von  ^iner  band  geschrieben, 
die  ursprüngliche  Ordnung  der  258  bll&tter  (nach  der  gegenwärtigen 
fehlerhaften  Zählung)  ist  gänzlich  verwirrt:  i(^  habe  in  der  obigen  In- 
haltsangabe das  zusammengehörige  zusammengestellt,  die  ersten  60— 
70  blätter  sind  an  der  obem  änszem  ecke  durch  eingedrungenes  wasser 
beschädigt,  und  in  gleicher  weise  hat  eine  anzahl  anderer  blätter  gelitten, 
die  jetzt  mehr  nach  hinten  stehen,  überdies  ist  die  handsohrift  an  vielen 
stellen  von  würmem  zernagt  und  am  rande  vielfach  abgegriffen. 

Bgm.  Huqo  Hingk. 


46. 

NOCHMALS  ZU  PLATONS  PHAEDON  62\ 


Als  ich  vor  kurzem  meinen  schfliern  die  stelle  zu  erklären  hatte: 
Katd  Ti  hi\  GÖv  TTGTi  GÖ  qKXci  6€|LiiTÖv  eTvtti  aÖTÖv  iaxnöv  diroKTiv- 
vuvai,  \b  CuiKpaT€C ; . . .  'AXXd  rrpoeupcTcOei  X9^i  ^<Pn  *  tax«  T^P  fiv 
xai  &KGucaic.  icujc  }iivTO\  eaujuacTÖv  cgi  q)av€iTai,  €i  tgOtg  fAÖvov 
Tujv  fiXXuiv  dndvTUJV  dTiXoCv  ^ct\  xai  GÜb^uGTe  Tirfxdvei  t&  dv- 
epuiTTui ,  diiCTrep  xai  rdXXa ,  ?ctiv  8t€  koX  gIc  ß Atigv  TcOvdvai  f\ 
lf]v.  oTc  bi  ßAiiGV  TcGvdvai,  Bau^acröv  Tciuc  cgi  (paivexai,  et 

TGUTGic  tgTc  dvOpuiirGic  lii\  ÖCIÖV  ^CTIV  aUTGUC  ^aUTGUC  €U  TTGieiV, 
dXX'  fiXXGV  bei  iT€pi)Liev€tv  €U€pT^Tiiv,  schlosz  ich  mich  ohne  be- 
denken der  Slallbaumschen  erklSruug  des  tgOtg  *sc.  non  licere  se  inler- 
ficere'  an:  denn  es  ist  doch  nichts  natilrlicher  als  unter  tgOtg  den  haupt- 
gedanken  zu  verstehen,  der  im  vorhergehenden  ausgesprochen  ist  und 
hier  näher  erörtert  werden  soll ;  allein  die  erklärung  der  stelle  schien 
mir  damit  keineswegs  abgemacht  zu  sein,  ich  fand  im  folgenden  man- 
ches ,  was  sich  mit  dieser  erklärung  des  toOtg  nicht  recht  zusammmen- 
reimen  läszt  oder  sonst  widerspräche  enthält,  und  die  in  diesen  Jahr- 
büchern 1867  s.  567—576  abgedruckte  auseinandersetzung  meines 
freundes  Cr on  gab  mir  ebenso  wenig  als  andere  erörterungen  die  er- 
wünschte aufklärung. 

Wenn  in  den  beiden  von  dem  ersten  €l  abhängigen  Sätzen  Einmal 
davon  die  rede  ist,  dasz  es  nicht  recht  sei  sich  selbst  zu  töten,  und  dann 
dasz  es  manchmal  besser  sei  tot  zu  sein  als  zu  leben,  so  sind  doch  ofleu- 
bar  zwei  verschiedene  gedanken  mit  einander  vermischt,  es  kann  ein  für 
allemal  nicht  erlaubt  sein  sich  zu  töten  und  doch  in  gewissen  fällen  der 
tod  besser  sein  als  das  leben,  ferner  läszl  sich  GÖb^TTGTC  mit  dem  £cTiv 
öre  Kai  olc  ofTenbar  nicht  recht  vereinigen,  ebenso  iCb  dvOpiuntf)  mit 


340  L.  V.  JaB :  oocfamals  lu  Platons  Pbaedon  62 '. 

olc  dann  ist ,  wie  Aie  säUe  an  einander  angereibi  sind ,  nicht  recht  ein- 
zusehen ,  warum  auf  icioc  Oau^acTÖv  cot  qxzvcfTai  noch  Oauficecröv 
Tcuic  coi  qxxiveTOU  folgL  endlich  ist  es  doch  gar  nicht  recht  denkbar, 
dasz  an  das  durch  oubcnore  Tuirxav€t  negierte  £cnv  ot€  kqI  oIc  ßA- 
Tiov  Te^vdvai  f{  lf\y  sich  ein  satz  mit  oic  bt  ßeXnov  TcOvdvat  an- 
schlieszen  soll ,  wie  wenn  das  eben  negierte  als  wirklich  bestehend  hin- 
gestellt wäre. 

Das  erste  bedenken  veranlasztc  offenbar  Bonltz  (Hermes  II  s.  311) 
unter  touto  zu  verstehen  TO  TcOvdvai.  dasz  ich  mich  damit  nicht  be- 
freunden kann ,  ist  schon  Im  obigen  angedeutet;  was  dagegen  zu  sagen 
ist,  findet  sich  in  Crons  nachtrag  a.  o.  jedenfalls  werden  durch  diese 
erkiärung  die  übrigen  anstände  nicht  gehoben,  diese  bedürfen  aber 
keiner  so  gewaltsamen  Heilung,  wie  sie  Tb.  Kock  (Hermes  U  s.  128 — 
135)  versucht  hat  —  der  freilich  der  ansiclit  ist,  seine  Indernngen  seien 
gar  nicht  gewaltsam  — ;  es  ist  vielmehr  nur  eine  inderunf?  der  inter- 
punclion  nötig,  setzt  man,  mit  weglassung  des  komma  vor  uicircp,  vor 
IcTtv  ein  punctum  und  vor  olc  hk  ein  komma,  so  fallen  die  oben  ange- 
führten anstände  sämtlich  weg.  dem  ci  toOto  fiövov  Tiüv  fiXXuiv 
äirdvTUiv  äTrXoCv  den  Svenn  dies  allein  ein  iur  allemal  fest  steht'  tritt 
dann  nur  gegenüber  KQt  oubenoTC  TUTX<^€i  '^H'  övOpdmtii  i&arcp  kqi 
T&XXa,  was  nach  dem  zusammenhange  nichts  anderes  beiszen  kann  als 
^und  es  für  den  menschen  nie  so  damit  steht  wie  mit  den  andern  dingen' 
oder,  wenn  man  dem  TUTX<3tV€t  eine  prägnantere  bedeutnng  beilegen  will, 
'es  für  den  menschen  nie  so  von  den  umständen  abhängt  wie  die  übrigen 
Verhältnisse',  was  dann  im  folgenden  seine  nähere  erkiärung  indet. 
femer  ist  dann  nicht  mehr  ovbinore  mit  Icnv  öt€  xal  ok  in  einen 
satz  vereinigt;  die  letztgenannten  worte  werden  affirmativ,  so  dasz  sich 
olc  hk  ohne  anstand  anschlieszen  kann,  und  wenn  eine  stärkere  inter- 
punction  ohne  relalivische  aneinanderreihung  der  sätze  dazwischen  liegt, 
ist  die  Wiederholung  der  worte  Oau^oCTÖV  IciUC  COl  q>aiv€Tai  weit  we- 
niger auffallend,  es  läszt  sich  dagegen  wol  kaum  etwas  bedeutendes  einn 
wenden  auszer  dasz  vor  €cTiv  5t€  Kai  olc  ein  asyndeton  entsteht  dieses 
ist  aber  gerade  vor  diesen  Worten  nicht  so  auffallend,  da  eine  gegenüker- 
stellung  von  unerwartetem,  noch  dazu  mit  Wiederholung  desselben  haupt- 
verbums,  stattfindet,  bei  der  übrigens  noch  zu  beachten  ist,  dasz  auf  das 
weniger  scharf  hervortretende  futurum  q)av€iTat  das  bestimmlere  prä- 
sens  q>aiv€Tai  folgt,  dasz  im  ersten  salze  oub^irOT6,  im  zweiten  iki\ 
steht,  läszt  sich  daraus  erklären,  dasz  ouödiroTC  sich  nicht  unmiltdbar 
an  €1  anschlieszl,  sondern  erst  bei  der  angäbe  des  gegensatses  zu  änXoGv 
eintritt  und  etwas  als  wirklich  nicht  eintretend  gedacht  wird,  während 
das  et  fif|  öciov  als  schwankender  gefaszt  werden  kann:  *wean  es  nicht 
erlaubt  sein  sollte.'  die  von  Kock  beanstandeten  worte  TOUTOIC  TOic 
dvOpdiiroic  schlieszen  sich  aber  in  dieser  gegenüberstellung  so  an  das 
vorausgehende  olc  an ,  dasz  kein  grund  zu  einer  beseitigung  derselben 
vorliegt. 

Erlangen.'  Ludwig  von  Jan. 


F.  Ritschi:  zu  Plaulus  miles  gloriosus  [23.  24].  341 

47. 

ZU  PLAUTUS  MILES  GLORIOSUS. 


An  Professor  Fleckeisen. 

[>cine  frage,  I.  fr.,  was  ich  Aber  M.  Haupts  im  jüngsten  heft  des 
'Hermes'  [lU  s.  147  f.]  mitgeteilte  emcndalion  der  Plaulinischen  verse 
Hiles  glor.  23  f.  urleile,  kann  ich  dir,  so  wie  sie  gestellt  ist,  darum 
nicht  beantworten,  weil  mir  meine  hiesige  sorlimenlshuchhandlung  jenes 
heft  noch  gar  nicht  geliefert  hat.  was  ich  aber  kann,  das  ist,  dir  meine 
eigene  emendalion  jener  verse  mitzuteilen ,  wie  ich  sie  seit  jähren  nicht 
nur  für  mich  selbst  aufgezeichnet,  sondern  auch  wiederholt  in  Vorlesun- 
gen über  den  Miles  gloriosus  vorgetragen  habe,  nur  dasz  ich  sie  im  fol- 
genden ein  wenig  naher  Im  einzelnen  ausführe. 

Wir  sind  bei  diesen  vcrsen  in  der  günstigen  läge,  zwei  gleich 
respcctable  Oberlieferungen  vor  uns  zu  haben :  das  —  wenn  auch  nicht 
vollständige  —  zeugnis  des  palimpsests  neben  den  Palatini  einerseits, 
anderseits  das  cilat  des  Varro  de  l.  lat.  VII  86.  im  Velus  lauten  die  verse 
von  erster  band  also : 

Me  sibi  habelo  ego  me  mancupio  dabo 
Nisi  unum  epytir  aut  apud  lila  esturiensa  nebene. 
das  dem  Vetus  ziemlich  parallel  stehende  original ,  aus  dem  sowol  Decur- 
talus  als  Vaticanus  abgeschrieben  sind,  hatte  vermutlich  im  ersten  verse 
—  ungewis  wo  —  ein  et  übergeschrieben:  daher  also  im  Decurtalus 
habeto  et  ego'me^  im  Vaticanus  blosz  habeto  et  ego:  erst  von  zweiten 
handen  ward  sowol  im  Vetus  als  im  Vaticanus  et  ego  me  corrigiert.  im 
zweiten  verse  stimmen  alle  drei  handschriften ,  abgesehen  von  etwas  ver- 
schiedener silfoenverbindung ,  bis  auf  unwesentliche  kleinigkeiten  {aput 
statt  apudy  esturiens  ame  hene)  mit  einander  überein.  der  palimpsest 
gibt  Im  ersten  verse  ebenfalls  nur  habeto  ego  me  mancupio  dabo ;  im 
zweiten  war  im  anfange  Nisi  unum  zu  lesen ;  etwa  zehn  folgende  buch- 
slaben  blieben  mir  unlesbar ,  nach  denen  ich  pud  insanum  bene  zu  er- 
kennen glaubte,  vielleicht  ab^r  in  betreff  des  pud  mich  irrte  und  vielmehr 
tur  lesen  muste,  da  durch  epityrum  es\iur  ein  Zwischenraum  von  gerade 
zehn  buchstaben  genau  gefüllt  wird,  denn  wenn  das  estur  bei  richtiger 
silbenabteilung  schon  in  BC  D  deutlich  vorliegt,  so  wird  es  zugleich^mil 
dem  epityrum  unverkennbar  von  Varro  bezeugt.  Varros  worle  lauten 
(wie  man  mit  genauigkeit  zwar  nicht  aus  BIQIIers,  wol  aber  aus  Spengels 
angaben  ersieht)  in  der  Florentiner  handschrift  also:  apud  plautum  si 
unum  epytira  estuer  insane  bene.  epytirum  uocabulum  est 
cibi  quo  frequentius  sicilia  quam  italia  usa.  id  [id  edi  Müller]  uehe- 
menier  cum  ueUet  dicere^  dicit  [vielmehr  wol  diocit']  insane^  quod 
inSani  faciunt  omnia  ueJtementer.  so  befremdlich  es  auch  erscheinen 
mag,  dasz  gleichmSszig  in  der  Varronischen  wie  in  der  Plaulinischen 
Überlieferung  des  Plaulinischen  verses  auf  die  silben  epytir  ein  a  folgt, 
so  laszt  doch  Varros  nachfolgende  erkl9rung,  welche  ausdrücklich  die 
form  epityrum  an  die  spilze  stellt,  keinen  zweifei,  dasz  nur  ein  spiel 


342  F.  Ritschi :  zu  Plaulus  miles  gloriosus  [23. 24]. 

des  Zufalls  jene  übereinslimmuog  des  verderhnisses  hervorgebracht,  das 
sich  obnehiD  in  dem  aut  bei  Plautus  noch  weiter  forlgesetzt  liaL  ebenso 
gewis  aber,  wie  epytira  und  epytiraut  nur  corruptelen  von  epityrum 
sind ,  ist  auch  im  anfaug  des  verses  das  plautumii  des  Varro  nur  durch 
aberspringung  des  ni  nach  m  entstanden. 

Was  aber  bei  der  vergieichuug  der  beiderseitigen  Überlieferung  vor 
allem  ins  äuge  springt,  das  ist,  dasz  bei  Varro,  und  dieses  zwar  in  voll- 
ster Übereinstimmung  mit  dem  palimpsest,  vor  estur  Iceine  spur  erscheint 
von  dem  apud  iüa  der  andern  Plautushandschriften :  worin  übrigens  die 
italienischen  kritiker  ein  apud  illum  mit  demselben  rechte  erkannten, 
mit  dem  wir  ein  epityrum  in  dem  Varronischen  epytira.  jene  worte 
sind  also  giossem.  nihme  man  sie  aber  auch  nicht  dafür,  so  würde  doch 
eine  sich  alsdann  etwa  so  darbietende  versgestaltung:  ni  unum  epityrum 
apud  illum  ästur  insane  bene  ^  darum  durchaus  unstatthaft  sein,  weil 
in  dem  hiesigen  sinne  ein  ni  statt  nisi  nicht  nur  unplautinisch ,  sondern 
selbst  unlateinisch  wäre,  da  nun  im  palimpsest  ebenso  deutlich  insanum 
bene,  wie  in  den  übrigen  Plautushandschriften  und  bei  Varro  insane 
bene  geschrieben  steht,  so  verfiel  ich,  um  nichts  von  der  Überlieferung 
verloren  gehen  zu  lassen ,  ehedem  auf  den  gedanken  beides  zu  verbinden, 
das  nisi  zum  vorangehenden  verse  zu  ziehen  und  diesen,  der  ein  paar 
Silben  zu  wenig  hat,  dadurch  vollzählig  zu  machen,  den  unsrigen  aber 
zu  schreiben:  ftt^i  |  unum  epityrum  estur  insanum  insane  bene.  die 
conjunction  nisi^  zumal  in  der  hiesigen  freiem  anwendung  von  'wenn 
nur  nicht',  ^nur  freilich',  durfte  als  versschlusz  gerechtfertigt  erscheinen 
durch  Captivi  724 :  ibi  quom  dlii  octonos  Idpides  ecfodiünt ,  nisi  \  coti- 
diano  sisquiopus  confeceris^  \  Sescäntoplago  nömen  indetür  tibi,  und 
durch  Curcullo  51:  tam  a  mS  pudicast^  quasi  soror  mea  sit,  nisi  |  sisi 
ösculando  quipiam  inpudicior,  aber  die  Verbindung  insanum  insane,  ob- 
wol  unter  andern  umständen  als  besondere  pointe  dem  Plautus  wol  zuzu- 
trauen, blieb  ein  groszes  Wagestück  hei  noch  hinzutretendem  bene:  ein 
Wagestück  das  jedenfalls  durch  das  insanum  valde  der  Nervolaria  (bei 
Nonius  s.  127,  26}  nicht  ausreichend  geschützt  war.  überhaupt  wirkte 
wol  dabei  eine  allzuhohe  werthschälzung  des  Ambrosianischen  palimpsests 
mit,  während  sich  doch  bei  eingehender  und  unbefangener  betrachtuug 
mehr  nnd  mehr  die  Überzeugung  bahn  brechen  musz,  dasz  zwar  in  allem, 
was  sich  auf  den  natürlichen  vorzug  einer  sechshundertjAhrigen  alters- 
priorltat  zurückführen  Uszt,  der  palimpsest  unbedingt  über  den  Palatini- 
sehen  handschriften  steht ,  an  sich  dagegen  die  den  letztern  zu  gründe 
liegende  textesgestalt  nicht  etwa  nur  den  gleichen  rang  mit  der  des  pa- 
limpsests behauptet,  sondern  vielfältig  eine  entschieden  echtere,  weil  von 
recensierender,  namentlich  abglättender  und  das  altertümliche  verwischen- 
der thätigkeit  freier  gebliebene  Überlieferung  darbietet. 

Glosseme  können  ja  nun  allerdings  als  ganz  freie  erklärende  zuthaten 
einem  texte  beigefügt  werden;  aber  die  regel  ist  es  doch,  dasz  sie  statt 
eines  andern  stehen,  und  in  der  that  erwarten  wir  ja  auch  nicht  sowol 
den  allgemeinen  gedanken,  dasz  ein,  sondern  den  bestimmten,  dasz 
sein  (des  Pyrgopolinices)  epityrum  gar  zu  gut  schmecke,   wofür  kann 


F.  Ritsch] :  zu  Plaulus  miles  gloriosus  [23.  24].  343 

nun  das  apud  ilhitn  gesetzt  sein  ?  fGr  hie  schwerlich,  weil  dies  vielmehr 
mit  apud  hunc  erldart  sein  wQrde.  sehr  einleuchtend  dagegen  für  ülic 
oder  in  alter  form  Uli.  nichts  Idszt  wenigstens  an  gUtle  und  angemessen- 
heit diese,  wie  ich  glaube,  ursprOngliche  form  des  Plautinischen  verses 
vermissen  : 

nisi  ünum  epltyrum  illi  ^stur  insanö  bene. 
ob  sich  etwa  ein  rest  dieses  Uli  in  dem  ut  der  Plautoshandschriften  ver- 
stecke, bleibe  dahingestellt;  nötig  ist  eine  solche  annähme,  um  die  ent- 
stehung  des  ut  zu  erkllren ,  mit  nichten ,  da  gerade  im  Miles  gloriosus 
die  handschrifien  hunderte  der  crassesten  corruptelen  darbieten ,  die  vom 
standpuncte  des  sonst  flblichen  noch  viel  unverständlicher  sind.  —  Auf- 
fallend bleibt  freilich,  dasz  schon  in  Varros  citat  jenes  tili  nicht  mehr 
erscheint ;  indes  fehlt  es  nicht  an  beispielen ,  welche  zeigen ,  in  wie  hohe 
zeit  manche  teitesverderbnisse ,  namentlich  auslassungen ,  zurückgehen: 
wofdr  ich  mir  eine  lehrreiche  Zusammenstellung  fflr  eine  andere  gelegen- 
heit  vorbehalte. 

Die  ausfallung  des  vorangehenden  verses  wird  jetzt  nicht  gar  schwie- 
rig sein,  natürlich  werden  unsere  jüngsten  Plautiner  eine  ausfflilung  gar 
nicht  nötig  finden;  denn  sind  sie  auch  noch  nicht  ganz  zu  der  freiheit 
des  standpuncles  gelangt,  dasz  der  senar  manchmal  auch  nur  fünf  füsze 
zu  haben  brauche,  so  werden  sie  sich  doch  9uszerst  berechtigt  hallen 
zur  freien  wähl  zwischen  folgenden  gleich  anmutsvollen  messungen:  me 
sibi  habetö:  egö  me  mäncupiö  dabo^  oder  me  sibt  habeto:  egö  m.  m.  d.y 
oder  me  sibi  habeto:  ego  m.  m.  d.  für  die  verblendeten  indes,  die  sich 
zu  dieser  hübe  der  erkenntnis  noch  nicht  aufgeschwungen  haben ,  sei  zu- 
nächst erinnert,  dasz  vermöge  der  begrifflichen  Vollständigkeit,  die  der 
Plautinischen  Umgangssprache  eigen  ist ,  bei  ego  me  mancupio  dabo  ein 
dativ  ei  vermiszt  wird,  weiter  führt  sodann  die  vergleichung  einer  sehr 
verwandten  stelle  desselben  Stücks  v.  565  ff. :  ego  nunc  si  post  hunc 
diem  \  mutfivero^  etiam  quod  egomet  certo  sciam^  \  dato  excrudan- 
dum  me:  egomet  me  dedam  tibi,  wie  hier  das  nur  im  palimpsest  er- 
haltene egomet  me  in  den  Palalini  zu  ego  me  geworden  ist ,  so  werden 
wir  in  dem  uns  hier  beschäftigenden  verse  ein  ganz  analoges  Übersprin- 
gen des  auges  von  ähnlichem  zu  ahnlichem  annehmen  und  als  das  Plauti- 
nlsche  sehr  getrost  egome[t  ei  me']  mancupio  dabo  vermuten  dürfen, 
und  eine  spur  davon  wird  sich  wol  noch  in  dem  in  B  und  D  überge- 
schriebenen et  erhalten  haben,   also  das  ganze : 

me  sibi  habeto ,  egomet  ei  me  mancupio  dabo  : 
nisi  ünum  epltyrum  Uli  ^tur  insao^  bene. 

Damit  hast  du ,  I.  fr. ,  meine  jetzige  meinung  über  jene  verse.  sieh 
nun  selbst  zu,  wie  weit  Haupt  und  ich  übereinstimmen  oder  von  ein- 
ander abweichen,  und  lasz  mich  gelegentlich  dein  urleil  hören.*) 

Lbipzio.  Friedbich  Ritsohl. 


*)  [das  ist  sehr  bald  und  kurz  gegeben,  wenn  man  nichts  als  ja  zu 
sagen  hat,  und  dieses  wiederum  wird  einem  snr  wahren  freude,  wenn 
man  das  eigne  bereits  so  eut  wie  feststehende  urteil  durch  eine  neue 
beweisfUhrnng  bestätigt  sieht,     ich  wenigstens  bekenne  gern  Haupts 


544  Ch.  Zieglcr: 

behsodlmtf  dieser  stelle  in  nr.  LXVI  seiner  analectn  gleieh  beim  ernten 
lesen  so  puuisibel  gefunden  sn  haben,  dass  ich  g ewissetinnasen  nnr  cor 
hekrSftignng  der  eignen  aberxengnng  mir  das  nrtetl  meines  thenren 
frenndes  Ritsehl  erbat,  der  obige  brief ,  dessen  Teruffentliehnng  er  mir 
freigestellt,  enthält  die  antwort,  in  der  form  anders,  im  inhalt  genau 
so  wie  ich  sie  erwartet  hatte:  denn  dMS  Ton  Ritschi  nnabbingig  Ton 
Hanpt  gefdndene  resnhat  stimmt  mit  der  von  diesem  veroffenüichten 
emendation  so  ToUkommen  nberein  —  wenn  der  eine  tffomet  me  et,  der 
andere  egomtt  ei  wu  stellt,  so  ist  das  doch  in  Wahrheit  eine  sehr  indiffe- 
rente differens  —  dasz  die  hersteHong  der  beiden  verse  non  als  fnr 
alle  soknnft  gesichert  gelten  kann,  nnr  ^ine  Schwierigkeit  hat  mich 
etwas  länger  beschäftigt,  nnd  da  weder  Haiqit  noch  Ritsehl  fiber  die- 
selbe ein  wort  Terlieren,  so  sei  es  mir  gestattet  dabei  noch  einen  äugen- 
blick  zu  Tcrweilen.  das  unum  nemlich  im  letzten  verse  hatte  ich,  wie 
ich  mir  bisher  den  vers  zurechtgelegt:  nisi  \  waam  apud  iOvm  epUymm 
ettvr  huane  bene,  durch  die  Verbindung  mit  apttd  iiium  erklärt:  'nur 
freilich  bei  ihm  allein  speist  man  gar  zu  unsinnig  guten  olirensalat 
(und  deswegen  möchte  ich  die  bereitwilligkeit  mich  dem  ersten  besten 
zu  eigen  zu  verschreiben  gleich  wieder  zurücknehmen)'  —  denn  wenn 
es  auch  dem  parasiten  mit  jenem  peiuriorem  hoe  hominem  siguu  mderit . . 
egomet  ei  me  mantuph  dabo  natfirlicb  nicht  ernst  ist,  so  tfaut  er  doch 
so  — ;  jetzt  wird  diese  anffassnng  allerdings  in  folge  der  ersetsungdes 
apud  iüum  durch  ilU  unmöglich,  aber  daraas  folgt  noch  nicht  dass  nun 
maan  etwa  zu  beseitigen  wäre;  bei  genauerer  erwägung  wird  man  viel- 
mehr finden  dasz  es  auch  in  der  jetzigen  fassung  des  verses  einen  pas- 
senden sinn  gibt:  es  liegt  nemlich  eine  kurze  des  ansdmoks  vor,  die 
etwa  so  zu  ergänzen  sein  dürfte:  ''nur  freilich  der  eins  ige  grund  die- 
ses anerbieten  zurückzunehmen  nnd  es  überhaupt  noch  länger  bei  ihm 
ausznhalten  ist  der  umstand  dasz  man  dort  gar  zu  unsinnig  guten 
oUvensalat  speist.'  es  ist  das  eine  brachylogie,  für  die  man  genau 
entspreehende  belspiele  weder  finden  wird  noch  beizubringen  verpflich- 
tet ist,  da  dergleichen  ganz  individuell  zu  sein  pflegt.  A.  F.] 


48. 

BEEICHTIGUNGEN. 


Die  besilzer  meiner  ausgäbe  des  Bion  und  Moschos  (Tübingen 
1868)  bitte  icli  folgende  ergänzuogen  und  bericiiligungeD  vorzunehmen : 

Bion  I  84  jiiTipdv  Aou€v]  Buecheler.   ^Tipdv  dXouci  Herrn,  ad  Aeschyli 

Prom.  498. 
Mosch.  II  112  aXb'  m.  n. 

145  TkcXoc  n.  r.  Antt. 

155  elbofiat  eTpev  n.  cTbo^cv  i^fii^v  m.   €!bofxai  fjfACv  s. 

HI  5  dve^iäva  (ut  fort,  w.)  vulg. 

V  5  fXQKpa]  Reg.  ut  com*.  Steph.  in  ed.  IT,  om.  Medic.  Trine 
zugleich  bemerke  ich  für  diejenigen ,  die  sich  eingebender  mit  den  buko* 
likem  beschäftigen ,  dasz  ich  etwaige  anfragen  stets  mit  vergnügen  be- 
antworten werde,  manches  konnte  ich  im  drucke  gar  nicht  so  wieder- 
geben, wie  ich  es  in  meinen  papieren  habe,  und  doch  ist  es  für  den 
kriliker  nicht  ohne  bedeutung. 

Stuttgart.  Christoph  Zieglbr. 


W.  Christ:  über  den  werth  des  nammtts  bei  Plautus.  345 

49. 

[ÜBER  DEN  WERTH  DES  NUMMÜS  BEI  PLAUTUS. 

Die  stficke  des  Plautus  und  Terentius  gehören  zu  den  fabulae  pal- 
liatae :  die  dichter  arbeiteten  nicht  nur  im  stil  und  im  geist  ihrer  grie- 
chischen Vorbilder,  sie  behielten  auch  die  örtlichkeiten  und  die  sitten- 
schilderungen  der  einzelnen  originalstöcke  bei ;  und  da  nun  einmal  auch 
das  geld  zur  landesart  zAhlt,  so  mflssen  wir  von  vorn  herein  in  den  namen 
der  geldsorten  bezeichnungen  griechischer  geldverhiltnlsse  vermuten,  wir 
müssen  dieses  um  so  mehr ,  da  sich  nirgends ,  so  viel  ich  weisz ,  weder 
bei  Plautus  noch  bei  Terentius  das  eigentlich  römische  nationalgeld ,  der 
OS  und  denarius,  erwähnt  findet,  der  name  nummut  wird  aber  bei  ihnen 
vpn  zwei  wesentlich  verschiedenen  münzen,  von  einer  gold-  und  einer 
silbermünze,  gebraucht;  diese  werden  auch  ausdrücklich  als  nummi  au- 
rei  (asin.  153.  Bacch.  230.  590.  882.  rud,  1313.  Poen.  IH  4,  4.  22) 
und  nummi  argenti  (auL  1  2,  30.  mosi.  1080.  Pseud.  97)  einander  ent- 
gegengesetzt; daneben  wird  nur  scherzweise  zweimal  (Cos,  H  3,  40. 
mosU  892)  von  einem  nummtis  plumbeus  gesprochen ;  von  einem  num- 
mus  aereus  ist  nirgends  die  rede,  ganz  gewöhnlich  aber  konunt  der 
ausdruck  nummus  ohne  jeden  zusatz  bei  den  komikern  vor,  und  dann  ist 
darunter  das  geläufige  geldstück ,  der  silbernummus ,  verstanden,  sollte 
nemlich  das  goldstflck  gemeint  sein,  so  bedurfte  das  wort  eines  naher 
bezeichnenden  Zusatzes,  oder  es  muste  wenigstens  durch  den  Zusammen- 
hang der  stelle,  durch  die  vorausgehende  oder  nachfolgende  erwähnung 
von  aurum^  jede  Zweideutigkeit  ausgeschlossen  sein,  wie  z.  b.  Bacch, 
706.  zur  nähern  bezeicbnung  wählte  aber  der  dichter  nicht  blosz  das 
adjeclivum  aureus  ^  sondern  noch  gewöhnlicher  den  beisatz  Phüippeus 
aureus  {asin.  153.  Poen.  Hl  4,  22)  oder  Phüippeus  schlechthin  (Irin. 
152.  955).  von  den  goldmünzen  nemlich,  welche  zur  zeit  der  neuern 
komödie  cursierlen  —  und  jene  zeit  möchte  ich  hier  lieber  ins  äuge  fas- 
sen als  die  abfassungszeit  der  einzelnen  Plautinischen  stücke  —  waren  die 
meisten  von  Philippos  H,  könig  von  Makedonien,  und  seinen  nachfolgern 
geschlagen,  weshalb  damals  nummus  Phüippeus  etwas  ähnliches  be- 
sagen wollte  wie  heutzutage  Priedrichsd*or  und  Napoleonsd'or.  Plautus 
spricht  daher  nicht  blosz  von  Philippischen  münzen,  sondern  auch  von 
aurum  Philippeum  (Cure.  440.  glor.  1064),  und  bemerkt  geradezu 
Poen.  III  4,  4,  dasz  PMlippei  der  naroe  für  nummi  aurei  gewesen  sei. 
freilich  kennt  derselbe  rud.  1313  IT.  neben  dem  Philippischen  gold  auch 
noch  andere  goldmünzen;  aber  gerade  die  weise  in  der  Labrax  die  hun- 
dert minen  Philippischen  goldes  gesondert  verpackt  hat,  zeigt  deutlich, 
wie  der  Philippsd'or  die  gesuchteste  und  gangbarste  goldmünze  war. 
wenn  daher  Stratophanes  iruc.  V  60  zu  seiner  theuren  geliebten  sagt: 
im  tibi  talentum  argenti:  Philippeum  aes  esi^  iene  tibi:  so  weist  eben 
jenes  Philippeum  aes  darauf  hin,  dasz  das  talent  trotz  des  beisatzes  ar- 
genti nicht  in  silber-  sondern  in  goldstücken  bestanden  habe,  denn  der 
prahlhans  Stratophanes  verschmäht  ohnehin  das  gemeine  silber  und  wirft 

JthrlKlcb«r  für  claM.  phüoL  186S  hft.  5,  23 


34ß         W.  Ghritl:  fibcr  den  wertli  des  nwniiMis  bei  Mao(«s. 

nur  mit  90U  um  sich,  und  ein  Ulent  in  silber  war  nicht  so  leicht,  dasz 
man  den  heutel  so  einlach  aus  der  tasche  slehen  and  einem  andern  hin- 
reichen konnte,  in  dem  Persa  wenigstens  läszt  uch  Sagaristio  seine 
sechzig  minen  Silbers  fönnlich  aufladen,  und  der  alle  Simo  Im  Pseudolus 
(1323}  luüdixt  schon  unter  der  last  von  zwansig  minen.  es  ist  also  an 
der  stelle  des  Trucukutm  argenü  bloss  hinzugesetzt  um  aossudräcken, 
dasz  der  beutel  geld,  den  Stratophanes  seiner  geliebten  spendiert,  kein 
tilent  an  gewicht  sondern  nur  ein  talent  an  geldwerth  war. 

Attszer  dem  goMnummus  kommt  aber  bei  Plantns  auch  noch  ein 
silbemnmmns  vor,  der,  wie  bereits  bemerkt,  auch  nuwnuts  schlechthin 
gcDannl  wird,  nnd  es  fragt  sich,  was  ffir  ein  silberstAck  man  darunter 
zu  versieben  habe:  denn  bei  dem  nummus  aureus  warfen  wir  diese 
frage  gar  nicht  auf,  weil  es  in  jener  zeit  fast  nur  ein  goldslöck  gab, 
nemlich  das  von  den  königen  Makedoniens  und  den  diadochen  geprigte, 
welches  ein  gewicht  von  zwei  attischen  drachmen  und  einen  wnrth  von 
beiläufig  sechs  tbalem  hatte,  aber  der  silberstöcke  gab  es,  auch  wenn 
wir  Ton  den  römischen  ganz  absehen,  verschiedene,  und  von  vom  herein 
konnte  unter  nummus  argenii  ebenso  gut  ein  obolos  wie  ein  ein-,  zwei- 
und  vierdraclunenstack  verstanden  sein,  da  alle  diese  mfinzsorten  bei 
den  Griechen  cursierten.  es  ist  vor  allem  ^le  mmung  abzuweisen ,  als 
ob  bei  den  komikern  der  nummus  ein  silberslöck  im  allgemeinen  be- 
zeichne und  demnach  bald  als  eine  dracbme  bald  als  ein  tetradradimon 
erklärt  werden  dOrfe.  es  gibt  allerdings  stellen,  wie  Pstud.  1318  kirne 
numquam  eris  nummo  diUor^  capi.  331  eum  si  reddis  mihiy  prmeierea 
unum  nummum  ne  duis^  Epid,  III  1 ,  9  ts  nummum  nuUum  habet  und 
andere,  wo  das  wort  in  sprichwörtlichen  redensarten  gebraucht  ist,  wo 
man  also  an  ein  bestimmtes  geldstäck  gar  nicht  zu  denken  braucht,  doch 
schon  Pteud,  97  f. 

quoi  nie  paratus  nummus  argenii  siet , 

neque  libeUai  spes  est  usguam  gentium 
ist  die  Vorstellung  eines  bestimmten  geldwerthes  kaum  abzuweisen,  da 
der  dichter  in  absteigender  gradation  von  dem  nummus  zur  likella  öber- 
geht.   und  nun  vollends  weiter  unten  v.  808  f. 

iUi  drachumis  sunt  miseri^  me  nemo  potest 

mindris  quisquam  nummo  ut  Surgam  subigere 
reicht  man  doch  gewis  mit  der  vagen  Vorstellung  einer  beliebigen  silber- 
mfioze  nicht  aus :  hier,  wo  der  nummus  der  drachumm  gegenflbergtstellt 
wird,  muste  nicht  bloss  Plantus,  sondern  auch  sefaie  Zeitgenossen  sieli 
eine  gans  bestimmte  silbermftnze  vorstellen,  und  das  gleiche  gilt  von  den 
meisten  stellen  der  alten  komiker.  können  wir  also  aus  einer  stelle  den 
werth  des  nummus  ermitteln ,  so  gilt  dieser  iQr  alle  sUllen  wenigstens 
desselben  Schriftstellers  und  desselben  Stockes,  denn  um  dieses  gleich 
vorauszuschicken,  in  Terentius  zeit  hatte  fitiifimiis  bereits  eine  andere 
bedeutung  als  in  der  des  Plautus.  Terenz  nenlich  hat  unzweifelhaft 
nummus  mit  drachuma  gleichgestellt;  das  erhellt  aus  dem  hauton  timo- 
rumenos  III  3,  wo  das  müie  draehumarum  argenii  (v.  40}  spiter  als 
Hmmum  (v.  45}  wiederkehrt;  Plautus  aber  hat,  wie  wir  vorbin 


W.  Christ:  über  den  werth  des  nummus  bei  Plaulus.  347 

sahen ,  noch  in  einem  seiner  spatesten  stflcke ,  im  Pseudolus ,  ganz  be- 
stimmt den  nummus  als  ein  gröszeres  geldslQck  der  drachuma  entgegen- 
gesetzt; welchen  werth  er  demselben  beilegte,  das  ersieht  man,  wie 
längst  erkannt  worden  ist,  aus  truc.  II  7,  11.  dort  gesteht  Cyamus,  der 
saubere  diener  des  sanbem  herrn,  dasz  er  von  der  mine,  welche  sein  herr 
ihm  gegeben  um  prilsente  für  Phronesium  einzukaufen,  die  pars  Bereu- 
lanea  mit  fflnf  nummi  fQr  sich  auf  die  seite  geschafft  habe,  nun  betrug 
aber  der  Herculeszehnten ,  wofflr  belegstellen  beizubringen  bei  der  be- 
kanntheit der  Sache  unnütz  ist,  ein  zehntel  des  ganzen,  und  da  die  mine 
hundert  drachmen  hat,  so  musz  jeder  jener  fünf  ntimmt  ein  didrachmon 
gewesen  sein.  Plautus  stellte  sich  also  unter  nummus  ein  zweidrachmen- 
stück  und  zwar  speciell  ein  solches  der  9gin&ischen  Währung  vor.  das 
letztere  ersehen  wir  aus  dem  schlusz  des  Rudens:  Labrax,  der  schuft 
von  einem  leno ,  hatte  dem  Gripus  ein  talent  versprochen ,  wenn  er  ihm 
den  verlorenen  koflTer  zurückschaffe,  der  leno  bekommt  seinen  koff'er  und 
soll  nun  sein  versprechen  einlösen,  aber  betrügerisch,  wie  immer,  sucht 
er  auch  hier  sich  aus  der  schlinge  zu  ziehen,  da  entscheidet  Dflmones, 
der  herr  des  Gripus,  die  sache  so,  dasz  er  das  talent  in  zwei  teile  teilt, 
die  eine  hllfte  sich  zuspricht  um  dagegen  den  Gripus  frei  zu  geben ,  die 
andere  aber  dem  Labrax  läszt  zur  enlschädigung  für  die  tausend  nummi^ 
welche  derselbe  für  den  kauf  der  Ampelisca  ausgegeben  hatte,  also  tau- 
send nummi  oder  didrachmen  sind  hier  augenscheinlich  einem  halben 
talente  gleich  gerechnet;  nun  gehen  aber  bekanntlich  nicht  4000  son- 
dern 6000  drachmen  auf  ein  attisches  talent.  die  schwierigkeil  löst  sich, 
sobald  man  den  curs  heranzieht,  in  dem  nach  Aristoteles  bei  Pollux 
4,  174  und  9,  87  das  äginSische  geld  zu  dem  attischen  stand:  dort 
heiszt  es  nemlich  einmal,  dasz  der  korinthische  stater,  d.  i.  eben  ein 
sitberstück  von  zwei  drachmen,  bei  den  Siculern  bexdXiTpoc  genannt 
worden  sei,  und  dann  weiter,  dasz  eine  Xirpa  oder  ein  voOjül^oc  einen 
äglnäischen  obolos  oder  anderthalb  attische  drachmen  gegolten  habe; 
vgl.  Hultsch  metrologie  s.  135  und  Mommsen  gesch.  d.  röm.  münzwesens 
s.  78.  nach  einer  flreilich  nur  oberfllciilichen  Schätzung  waren  also  zwei 
äginäische  drachmen  gleich  drei  attischen,  und  es  konnte  somit  unser 
dichter  tausend  didrachmen,  welche  eben  fast  nur  in  der  Sginäischen 
Währung  vorzukommen  pflegten,  als  die  hSifte  eines  talenles  bezeichnen. 
Plautus  also  setzte  bei  seinen  landsleuten  voraus,  dasz  sie  sich  in 
griechischen  Verhältnissen  unter  nummus  einen  crarfip  bibpaxfxoc  vor- 
stellten ;  deshalb  bleibt  aber  doch  die  möglichkeit  offen ,  dasz  der  komi- 
ker,  dem  es  ja  auf  ein  paar  groschen  mehr  oder  minder  nicht  ankam, 
manchmal  das  bpax^i^  und  TCTpdbpaxMOV  seines  Originals  mit  nummus 
übertrug,  wenn  so  der  durchgebläute  koch  in  der  Aulularia  III  2 ,  34 
klagt,  dasz  der  nummus^  um  den  er  gedungen  worden  sei,  ihm  nun 
darauf  gehe,  um  den  arzt  für  die  heilung  seiner  beulen  zu  bezahlen,  so 
stand  wol  im  griechischen  original  bpaxM^l  und  nicht  b\JO  bpaXMOit,  da 
nach  Pseud.  848  ein  nummus  ein  ganz  ungewöhnlich  hoher  lohn  für 
einen  koch  war  und  in  der  regel  für  denselben  nur  eine  drachme  bezahlt 
wurde:  s.  Pseud.  808.  merc,  777.  das  gleiche  gilt  von  einer  stelle  ' 

23* 


34^^  W.  Chiisl:  über  des  wertli  des  Bammiis  bei  PboUs. 


dea  Meiiicbmeo  (542),  wo  die  gewurfelle  lore  skb  bei  des  gdidilen 
ihrer  berrin  noch  besooders  stalagwda  pondo  duom  ftumaiara  ansbitlel. 
jfi^M  bei  gewichtsangabeo  wurden  sie  didraduDea  oder  letndraduBeB 
sondera  but  dracfameB  angewandL 

Auf  der  andeni  seile  gebraucbte  Piaalos  im  Peru  des  a«adnick 
nmmmus,  wo  im  alüschea  original  gewis  aa  eia  telradraduBeostiick  ge- 
dacht war.  dort  bedarf  Toxilus,  am  seioe  geliebte  ioszukaufea,  sechs- 
hundert  mtmau;  anfangs  weisz  niemand  ralh  zu  schaffen,  später  koMBt 
Sagaristio  triumphierend  zu  Toxilus  und  bringt  ihm  die  sechshiindert 
nummd,  die  sein  herr  ihm  gegeben  hatte  um  in  Eretria  ochsen  au  kaufen; 
Toiilus  will  vorwiuig  in  den  beutel  hineingucken,  da  warnt  ihn  scher- 
zend sein  mitsklave,  quia  boves  bini  hie  sunt  in  crumma.  nun  über» 
steigen  sechshundert  nummi^  auch  wenn  man  nummus  im  sinn  einer 
drachme  nehmen  wollte,  jedenfalls  weit  den  werlh  von  zwei  ochsen  (s. 
Bdckh  staatsh.  I^s.  104  £),  und  dann  weist  auch  das  distributiTiahlwort 
bim  entschieden  auf  einen  andern  sinn  der  worte  hin.  da  nun  mwmmms 
bei  Plautus  specidl  ein  didracbmon  bedeutete,  so  scheint  der  dichter  dem 
römischen  publicum  zugemutet  zu  haben  so  ohne  weiteres  das  bim  boves 
von  je  zwei  drachmen  zu  verstehen,  aber  der  attische  dichter  seilte  ge- 
wis eine  feinere  beziehung  voraus:  bei  den  Griechen  war  nemlich  die 
Vorstellung  verbreitet,  dasz  das  alte  attische  didracbmon  von  seinem  ge- 
prige  den  namen  ßoöc  gehabt  habe,  und  bei  der  theorie  in  Mos  wurde 
das  geschenk  vom  herold  in  so  und  so  viel  ochsen  ausgesprochen,  aber 
in  der  art  ausbezahlt,  dasz  für  je  einen  ochsen  zwei  drachmen  gegeben 
wurden  (s.  Pollui  9,  60  f.  und  Bockh  metrol.  unt.  s.  121).  zwei  ochsen 
nahmen  also  die  Athener  nicht  schlechthin  für  zwei  drachmen,  sondern 
für  eine  witzige  Umschreibung  des  bei  ihnen  daouls  gebrftuchlichen  tetra- 
drachmon ,  das  den  doppelten  werth  von  dem  alten ,  nach  einer  verbreite- 
ten mSre  ßoOc  genannten  didracbmon  hatte. 

Nun  erübrigen  uns  aber  noch  zwei  stellen ,  an  denen  wir  mit  den 
bis  jetzt  entwickelten  geltungen  von  nummus  nicht  durchkommen,  der 
Trinummus  hat  bekanntlich  seinen  namen  von  dem  armen  teufei,  der  sich 
gegen  drei  nummi  dazu  hergibt  in  fremder  kleidung  einen  angeblichen 
brief  von  Charmides  an  dessen  söhn  zu  fiberbringen,  riskieren  konnte 
derselbe  bei  der  ganzen  geschichte  nichts,  nichtsdestoweniger  klagt  er 
dasz  er  aus  lauter  armut  sich  gegen  drei  nummi  zu  einem  solchen  streich 
hergegeben  habe,  v.  847  ff. 

viden  egetias  quid  negoti  dat  homini  misero  male  T 
quom  igo  nunc  tubigor  trium  nummorum  causa  ui  has  episiulas 
dicam  ab  eo  homine  me  accepissey  quem  ego  qui  sit  homo  nesdo 
n^que  novi  neque  natus  necne  fuerit  id  solide  scio. 
nun  sind  aber  drei  didrachmen  gar  keine  so  übergrosze  kleinigkdt :  um 
einen  einzigen  nummus  muste  ein  excellenter  koch  sich  den  ganzen  tag 
über  braten  lassen,  und  um  einen  einzigen  nummus  muste  sogar  eine 
höhere  künstlerin,  eine  fidicina,  ihre  kunst  und  was  sonst  noch  verkaufen 
{£pid,  III  2,  36).   In  unserer  zeit  stehen  die  leute,  die  sich  zum  spasz 
"Gefahr  maskieren  lassen,  gar  nicht  so  hoch  Im  preise,  dasz 


W.  Christ :  über  den  werth  des  immmas  bei  Plautos.  349 

man  fCir  die  bestellung  eines  einzigen  fingierten  briefes  mehr  als  drei 
gülden  auszugeben  brauchte,  kurz  aller  witz  gebt  verloren,  wenn  man 
unter  jenen  drei  nummi  drei  didrachmen  äginSischer  Währung  Terstehen 
wollte. 

An  noch  einer  andern  stelle  musz  unter  numtnus  etwas  anderes  als 
das  griechische  didrachmon  verstanden  werden,  in  der  Mostellaria  II  1 
ruft  der  verschmitzte  Tranio  in  seiner  angst  wegen  der  schlage,  die 
seiner  bei  der  rücitfcehr  des  alten  herm  warten,  verzweifelnd  aus,  wo 
einer  sei,  der  gegen  gutes  geld  heute  seine  stelle  einnehmen  wolle,  wo 
die  eisenfresser  oder  jene  qui  irium  nummorum  causa  svbeuni  stA 
fdlas,  schon  die  pointe  des  witzes  verlangt  hier  die  bezeichnung  einer 
bagatelle  geldes,  gegen  die  jene  ihre  haut  zu  markte  tragen,  und  schon 
deshalb  kann  nicht  leicht  an  drei  stateren  gedacht  werden ;  noch  wich- 
tiger ist  dasz  hier,  wie  bereits  die  alten  ausleger  erkannt  haben,  ein 
ganz  deutlicher  hinweis  auf  den  sold  der  Soldaten  vorliegt;  der  betrug 
aber  nie  sechs  drachraen ;  auch  an  drei  asse  mit  Lipsius  zu  denken  sind 
wir  durch  nichts  berechtigt;  selbst  Mommsen  gesch.  des  röm.  münz- 
wesens  s.  198  a.  83  trifft  noch  nicht  ganz  das  rechte,  wenn  er  hier 
nummus  mit  ößoXöc  schlechthin  identificiert.  auf  das  richtige  führen 
uns  die  angaben  Ober  die  höhe  des  soldes;  dieser  war  in  der  regel  auf 
drei  obole  des  Sginäischen  fuszes  festgesetzt,  worüber  man  Hultsch  me- 
trologie  s.  135  a.  24  nachsehen  möge,  nun  entsprach  aber  einem  flginäi- 
schen  obolos  nach  Aristoteles  bei  Pollux  4,  174  eine  sicilische  Xirpa; 
eine  solche  Xirpa  selbst  stand  einem  römlscheu  a$  des  schwerkupfers 
gleich,  das  hinwiederum  in  dem  sesiertius  sein  äquivalent  hatte,  der 
sesterz  hiesz  aber  bei  den  Römern  bekanntlich  nummus^  und  so  dürfen 
wir  ohne  zaudern  annehmen,  dasz  in  dem  Trinummus  und  in  der  Mostel- 
laria das  wort  nummus  in  dem  römischen  und  nicht  in  dem  griechischen 
sinne  genommen  ist.  dasz  dieses  in  der  fabula  palllata  vorkam ,  darf  uns 
nicht  allzu  sehr  befremden:  denn  Plautus  blieb  immer  ein  originaler 
römischer  dichter,  der,  wenn  er  auch  griechische  Stoffe  behandelte,  doch 
mit  seinem  sprudelnden  witz  manchmal  in  die  gegenwart  und  in  seine 
Umgebung  einschlug,  und  so  gut  er  teruncius  und  libella  erwähnen 
konnte,  so  gut  konnte  er  auch  einmal  das  wort  nummus  im  römischen 
sinne  gebrauchen,  zumal  wenn  er  es  einem  gewöhnlichen  gemeinen  men- 
schen in  den  mund  legte. 

So  vereinigte  denn  der  römische  dichter  jene  beiden  bedeutungen, 
welchg  das  wort  nummus  bei  denjenigen  griechischen  Völkerschaften 
hatte,  von  denen  die  Römer  dasselbe  entlehnten,  denn  bei  den  Sicuiern 
bedeutete  bekanntlich  voOfiiiOC  nicht  das  ganzstück,  den  craT^lp  &€Kd- 
XiTpoc,  sondern  dessen  zehnten  teil,  ein  kleines  silberstflck,  welches 
dem  werthe  einer  Xirpa  kupfer  entsprechen  sollte,  wenn  nun  Varro  de 
L  lät.  V  173  sagt:  in  argenio  nummi ^  id  ab  SicuUs^  so  kann  diese  her- 
leitung sich  nur  auf  den  nummus  sesiertius  beziehen,  der  in  dem  ge- 
wicht von  einem  scrupel  der  ausdruck  eines  pfundigen  kupferas  in  silber 
war.  die  Römer  lernten  aber  das  wort  nummus  noch  in  einem  andern 
sinne  bei  den  Tarentinern  kennen  und  in  denjenigen  griechischen  colonien 


350 


H.  Dfintzec:  zu  Boratius  [cami.  10  7,  211. 


LnleriuheM,  die  wie  HeraUeü  demwlben  spncbgebnneh  McteiL  den 
oacfa  Aristoteles  bei  PoIIui  9,  80  oanntai  die  Taratiner  voftiiioc  tmt 
muDze  iq,  ou  iyreTxmwcßax  Tiipovro  jöv  noccibtüvoc  bdkam 
^noxoujicvov.  dieaea  geprJge  trigt  aber  bei  den  TaivoÜDem  ni^idit 
kleiae,  der  «aliachen  litra  enUprechende  silbersUick,  sondera  die  grasu 
8,23  gr.  wiegende  mOnze  (».  Mommsen  a.  o.  ».  101  f.),  wdciw  olenbar 
e.n  cTomp  biöpawioc  war  und  unprOngKch  xur  igUaiKha,  wibning 
gehörte.  In  folge  der  unUrwerfung  TarenU  und  des  «erkehn  mit  den 
griechischen  sUdteu  Italiens  kamen  auch  dieae  geUstacke  nach  Rem 
und  mit  Ihnen  zugleich  ihr  name  nummus.  zur  zeit  de.  Piautas  warai 
wol  beide  bedeulungen  von  nummut  den  R&nern  ganz  geliu6g:  spiler 

lUhschen  didrachmen  verdrängte,  blieb  in  dem  volksmond«  nm  noch  der 
nummut  testertiut.  die  gelehrten  mdessen  behielten  noch  dieerinner«« 
an  einen  schwereren  nummut  und  fingierten  nun  einen  nummut  Servia- 

W«  LTkT  »'™P«i  ,«*»««••  «ew«en  »ei  als  der  denar.  scho. 
Varro  bei  Charis.us  s  81  P.  legu  dieser  ficüon  kein  gewicht  beL 
Mommsen  hat  ihre  voliigc  haklosigkeit  gegen  Bdckh  erw^n,  durch 
vorstehende  darlegung  des  Plauüni«Aen  sprlchgebrauchs  wirf  nu  ..eii 
Ihr  Ursprung  ins  bchl  gesetzt  sein.  «^       »  "»» 

60. 

ZU  HORAHUS. 

s 

In  den  Oden  lü  7,  21  ist  fruttra:  nam  tcopulü  turdior  Icarit 
stau  des  überlieferten  IcaH  zu  schreiben,  denn  die  felsen  des  learisehen 
meeres    felsen  des  Icarus'  zu  nennen,  weil  Icarus  fai  du  meer  gefallen 

und  Jean  für  Icam  tu  nehmen  geht  schon  deshalb  nicht,  weil  der  g«i 
eines  adjeclivums  auf  -««  immer  auf  -«,  nie  auf  -•  auslautet,  abgeaeh«. 
iCJ^mr  sX n  '""  '"'"*\^^««"«  -•«"«'  vorkommt  und  ÄS 

patenUAegaeo).  Icant  kömite  fflr  Jean«  stehen,  wie  bei  Eutins  n«U 
/««.,,  bei  Properlius  Luvinit  litoribut,  bei  Marüali.  Fi>,««,  «rf„JS 
(Lachmann  zu  Lucr.  s.  279),  oder  Hör.  bildete  von  Icarut  L  gleicZJeT 

selbst  .r.«^«j^«.^(W^^^^^^^    e':Äwrrrxr(SS 

d«z  ,cop«/«  W  auch  zu  dem  stehenden  gebrauche  de.  dichte»  stlim^ 

i;,rr,rst»'^Jl!?^''-«:?  n  •"^""^  '-  entsprechen! 
verssi  setzen    bedarf  Uosz  der  andeutung:  vgl.  in  unMrm  g». 

^v  ^Piiae  {9),  querulaetibiae  (30). 

HBIMEUm   D6NT2EB. 


H.  Probst:  lu  Ciceros  Sestiaoa.  351 

51. 
Zu  CICEB08  SE8TIANA. 


$12  neque  umquam  Catäina^  cum  e  pruina  Appennini  atque 
nivibus  Ulh  emersisset  atque  aesiaiem  integram  nanctus  liaUae  caUet 
ei  pastürum  siabula  .  .  cepisiei^  sine  muUo  sanguine  ae  tine  totius 
Italiae  vasiiiate  tniserrima  concidisset  in  dieser  stelle  handdt  es  sich 
am  eine  richtige  erglnxang  zu  pastorutn  siabula^  da  mit  dem  praeclare^ 
praeclari^  praeelara^  welches  die  besten  hss.  bieten,  nichts  zu  machen 
ist.  Tittler  in  diesen  jahrb.  1865  s.  394  will  zwar  das  wort  beibehalten 
und  praeclara  praedonum  Uta  praesidia  im  sinne  fester,  schütz  ge- 
wahrender öillichkeiten  einschieben,  praeciara  soll  dann  'Übel  berflch- 
tigt'  heiszen,  wie  m  Cat,  II  11,  24;  dort  steht  das  wort  aber  offenbar 
ironisch;  jener  zusatz  würde  die  siabula  als  bekannte  Schlupfwinkel  von 
straszenrSubem  bezeichnen  und  wire  dann  höchst  müszig.  ebenso  wenig 
passt  Ißhlys  praediaque  cep%ssei\  dort  oben  gab  und  gibt  es  keine 
praedia^  am  allerwenigsten  besaszen  und  besitzen  pasiores  solche,  tiber 
die  übrigen  conjecturen,  Hadvigs  peragrare  coepissei^  Wesenbergs  per* 
vagari^  Orellis  peneirare^  Röchlys  perlustrare^  Halms  praeoccupare 
oder  gar  Bakes  praedari  coepissei  (als  wenn  in  jenen  roh  aus  steinen 
oder  unbehauenen  starken  bohlen  zusammengefügten  sennfaütten  oder 
heuschobem  etwas  zu  plAndem  gewesen  wire)  können  wir  hinweggehen, 
da  dieselben  alle  in  der  Torzweilhing  in  dem  attribut  praeciara  einen 
passenden  sinn  zu  finden  ihren  grund  haben,  wenn  man  sich  an  prae- 
ciara ^trefflich  in  seiner  art'  als  zu  farblos,  zu  allgemein  stüszt  und,  wie 
auch  ich  glaube,  mit  vollem  rechte,  so  schreibe  man  praealta  ^hoch- 
gefegen'  und  also  schwer  zugXnglich,  schwer  erreichbar,  was  sehr  gu( 
zu  der  hier  geschilderten  Situation  passt.  und  jedenfalls  verlangt  pasio* 
rum  stdhvHa  ein  derartiges  attrtbut:  denn  an  und  für  sich  waren  die- 
selben nicht  gefthrlich ,  es  kam  alles  auf  die  läge  an ,  und  durch  diese 
läge  beherschten  sie  eben  die  über  das  gebirge  führenden  pfade  und 
konnten  als  stülzpuncte  für  einen  gueriilakrieg  (s.  p,  Mur,  89,  84  f.  und 
wegen  der  Shnlichkeit  der  Situation  epist.  ad  fam,  Xf  10,  4),  wie  ihn 
Catilina  beabsichtigte ,  dienen. 

S  18  n^  in  Scyllaeo  üh  aeris  dlieni  iamquam  in  freiu  ad  cofum- 
natn  (schreib  Columnam)  adhaeresceret.  hier  ist  nichts  zu  indem, 
nicht  an  ein  promunfurktm  oder  fretum  Scpttaeum  zu  denken  (Roch) ; 
was  wire  das  für  ein  salz  ne  in  Scyllaeo  sc.  fretu  iamquam  in  freiu 
(doch  wol  Siculo)  adhaeresceret^  das  gewöhnliche  büd  wire  gewesen 
ne  aere  alieno  obrueretur  {episi.  ad  Mi,  II  1,  11)  oder  opprimereiur.  . 
da  fiel  dem  redner  im  gedanken  an  die'  columna  Maenia  der  noch  viel 
bezeichnendere  ausdmek  adhaerescere  (scheilerd)  ein,  und  zugleich  jene 
columna  im  fretum  Siculum  (s.  die  erkläret  z.  d.  st.),  und  um  mm  noch 
weiter  zu  individualisieren,  nalmi  er,  dem  die  örtlichkeüen  von  seinem 
anfenthalt  in  Sicilien  her  wol  bekannt  waren,  stau  des  aUgemeinen  M 
vortice  Hlo  aeris  alieni  den  speciellen  ScgUaeus  voriex  sr 
voriex  und  fügte  noch  zur  Verdeutlichung  für  seine  zuhöre 


i.. 


352  H.  Probst:  zu  Ciceros  Sestiana. 

in  freiu  (natürlich  Sicülo)  ad  Columnam  hinzu ,  so  dasz  also  dieses  letz- 
lere worl  eine  doppelte  beziehung  hat. 

S  19  nostra  hoc  purpura  plebeia  ac  paene  fusca.  diese  worte 
sind  keineswegs  ^unverständlich',  wie  Koch  in  seiner  ausgäbe  meint,  der 
deshalb  non  nostra  hac  purpura^  sed  plebeia  ac  paene  fusca  schrei- 
ben will.  Gabinius  erschien  täglich,  sagt  Cicero,  in  der  unansehnlichen, 
dunlLelfarbigen,  beinah  schwarzen  oder  schwärzlichen  loga,  wie  sie  der 
reus  und  die  anverwandten  desselben  samt  allen  seinen  patroni  und  oJ- 
vocaii  anzulegen  pflegten,  wie  sie  auch  Cicero  in  diesem  falle,  sowie 
sämtliche  beistände  des  Seslius  (vgl.  %  144  ff.)  trugen,  daher  nostra  hac^ 
wie  sie  sich  aber  keineswegs  für  einen  consul  im  amte  ziemte,  doch 
trefflich  zu  dem  ganzen  aufzug  des  Gabinius  passte,  der  sich  äuszeriich 
ja  als  ein  exemplum  imperii  veteris ,  imago  antiquitatis  usw.  hinstellen 
wollte. 

S  21  et  ad  integritatem  maiorutn  spe  sua  hominem  vocabant. 
vocare  spe  aüquem  ad  aliquid  hat  für  mich  keinen  sinn,  wenigstens 
kann  es  das  was  Koch  will  *sie  bestimmten  ihn  in  ihrer  hoffnung  zu  der 
. .,  hofften  von  ihm  die  . .'  nicht  heiszen :  vocare  ist  da  ganz  unmotivierl. 
es  wird  zu  schreiben  sein  hominem  revoeabant  d.  h.  sie  maszen  den 
mann  nach  der  integritas  maiorum^  beurteilten  ihn  danach,  setzten  in 
ihren  erwartungen  diese  integritas  bei  ihm  voraus,  diese  erklärung 
kommt  also  im  ganzen  auf  dasselbe  hinaus  wie  jene  obige,  ich  behaupte 
nur  dasz  vocare  jenen  sinn  nicht  haben  kann,  wol  aber  revocare:  vgL 
Nägelsbach  Stilistik  S  107,  2. 

$24:  ex  his  assiduis  eins  cotidianisque  sermonibus  ei  quod  vide- 
bam ,  quibuscum  hominibus  in  interiore  parte  aedium  viveret ,  ei  quod 
ita  domus  ipsa  fumabat^  ut  mtäia  eius  sermonis  indicia  redolerent, 
hier  halte  ich  sermonis  für  corrupt,  aus  dem  vorausgehenden  sermo- 
nibus entstanden.  Cicero  sagt,  er  habe  allmählich  die  Überzeugung  ge- 
wonnen ,  dasz  man  von  jenen  *schwätzern'  —  denn  nugae  ist  hier  con- 
cret  zu  nehmen,  wie  ad  Att,  VI  3,  2.  aef  iß.  /r.  I  2,  4  :=:  scurrae  und 
mit  demselben  nebensinne  des  schlemmens  und  schmarotzens  —  nichts 
gutes  habe  erwarten  dürfen,  ebenso  wenig  aber  etwas  schlimmes  be- 
fürchten, das  habe  er  geschlossen  erstens  aus  den  reden  die  er  fort- 
während und  tagtäglich  im  munde  geführt  (s.  den  vorhergehenden  S)« 
zweitens  weil  er  teils  gesehen,  mit  was  für  leuten  er  intra  parieies 
verkehrte,  teils  gerochen  habe  [et  quod  .  .  et  quod)^  was  da  drinnen 
für  ein  leben  geführt  werde,  das  ist  der  sinn  welchen  der  Zusammen- 
hang verlangt,  und  der  auch  in  den  Worten  liegt,  nur  dasz  Cicero,  statt 
dem  videbam  etwa  olfaciebam  gegenüberzustellen,  vor  uns  den  dampf 
der  küche  aufsteigen  läszt,  an  dem  man  die  indicia  .  .  .  roch,  aber 
wessen  indiciat  etwa  eius  sermonis^  von  seiner  Unterhaltung?  vielmehr 
von  seiner  ^gesellschafl',  seiner  ^zechbruderschaft'.  man  schreibe  also  ut 
multa  eius  sodaJicii  oder  sodaliiatis  indicia  redolereni:  ^das  haus 
dampfte  schon  so,  dasz  vielfach  d.  i.  weit  und  breit  die  beweise  seiner 
gesellschaft  d.  1.  die  beweise  oder  anzeigen ,  wer  seine  geseUschaft  bil- 
dete, ihren  geruch  verbreiteten.' 


H.  Probst:  zu  Ciceros  Sestiana.  353 

S  39  sed  me  illa  moverunt.  obgleich  üJa  auf  das  folgende  be- 
logen nicht  gerade  selten  ist ,  so  scheint  mir  hier  doch  der  gegensatz 
zu  dem  vorhergehenden  alia  zu  verlangen,  was  auf  den  schtusz  von 
S  35  sed  me  aUi  metus  aique  äUae  curae  suspiUonesque  moverunt  zu- 
rflckweist 

S  46  cum  alii  me  suspitione  periculi  sui  non  defendereniy  aUi 
vetere  adio  bonorum  meitareniur^  alii  invidereni,  alH  obsiare  sibi  me 
arbiirareniur,  so  die  bisherige  lesart,  in  welcher  ich  den  erforderlichen 
gegensatz  der  einzelnen  glieder  und  die  Steigerung  vermisse,  im  zweiten 
gliede  auch  die  persönliclie  beziehung  auf  den  redner.  man  schreibe  also 
statt  tnciiarentur  vielmehr  insectareniur^  statt  inviderent^  was  viel 
zu  kurz  ist  um  ein  selbständiges  glied  zu  bilden,  invidere^  so  dasz 
obsiare  sibi  me  dazu  gesteigerter  gegensatz  ist  (^einige  glaubten,  ich 
roisgönnte  ihnen  ihre  Stellung,  andere,  ich  stände  ihnen  im  wege'}.  daran 
schlieszt  sich  denn  gut  die  letzte  classe  seiner  persönlichen  Widersacher, 
die  sich  nicht  mit  feindseligen  gedanken  begnflgen,  sondern  zur  that 
übergehen  wollten  (ulcisci  dolorem  aiiquem  suum) ,  und  die  ganze  stelle 
enthält  eine  feine  Charakteristik  der  gegenpartei  und  ihres  fflhrers  Cäsar. 

S  50  ego  qui  .  .  periculo  rei  puhlicae  vivebam.  können  diese 
Worte  heiszen,  was  sie  heiszen  sollen:  *cuius  vita  servata  contlnebat 
salutem  rei  puhlicae'  (Koch),  oder  'die  gefihrdung  meines  lebens  hätte 
auch  dem  Staate  gefahr  gebracht'  (Halm)?  schwerlich:  periculo  alicuius 
vivere  kann  nur  heiszen  *unter  gefahr  fdr  jemanden  leben';  Cicero  würde 
also  sagen,  sein  leben  hätte  dem  Staate  gefahr  gebracht,  während  er  das 
gerade  gegenteil  sagen  wollte,  nemlich  dasz  sein  tod  (die  gefilhrdung 
seines  lebens)  dem  Staate  gefahr  gebracht  hätte,  wenn  man  freilich  letz* 
tem  sinn  in  die  worte  hineinzwängt ,  so  ist  jede  Schwierigkeit  gehoben, 
vielleicht  steckt  der  fehler  in  periculo^  und  ich  habe  einmal  daran  ge- 
dacht dafür  perpetuo  zu  schreiben;  A.  Weidner  (in  Merseburg)  schlägt 
in  einem  briefe  an  mich  jot  periculo  meo  reipublicae  causa  vivebam. 
sollte  es  nicht  gestattet  sein  rei  publicae  als  dativ  zu  nehmen  gleichsam 
persönlich  und  ganz  in  dem  modernen  sinne  'fflr  den  Staat,  fflr  das 
öflTentliche  wohl  leben',  da  man  doch  sagt  alicui  vivere ,  alicui  naium 
essel  dann  wäre  blosz  meo  einzuschieben,  das  wegen  des  folgenden  rei 
leicht  Obersehen  werden  konnte. 

S  55  sed  ui  a  mea  causa  iam  recedam^  reliquas  illius  atmi  pesies 
recordamini.  sowol  reUquae  als  pestes  scheint  mir  ein  bezeichnenderes 
wort  zu  verlangen,  und  ich  denke,  statt  mea  causa  ist  zu  schreiben 
meo  casu  im  hinblick  auf  S  53  cum  meum  illum  casum  iam  horri- 
bUem  . .  Jugereni, 

S  72  veniuni  kälendae  lanuariae:  vos  haec  melius  scire  poiesiis^ 
equidem  audita  dico:  quae  tum  frequeniia  senaius  .  .  fuerit,  hier 
halte  ich  die  worte  vos  haec  .  .  audiia  dico  fflr  eine  vorgeschobene 
parenthese  und  schreibe  fuii^  als  modus  des  ausrufsatzes,  dem  pathos 
der  ganzen  stelle  entsprechend. 

S  73  vim  fuisse  illam^  flamm  am  quassaiae  rei  publicae  per- 
iurbtdorumque  iemporum  iure  iudicnsque  sublaOs.  merkwürdigerweise 


354  H.  Probst:  zu  Gkeros  Sestiana. 

hat  noch  kein  herausgeber  an  dieser  stelle,  im  welclier  Gieere  des  inliah 
des  Tortrags  des  L.  Cotta  referiert,  ansloss  geoomnien  trots  des  auflaHen- 
den  flammam  mit  zwei  geDetSven  als  epeiegetiscfaer  apposilioa  zu  mm; 
man  hltte  wenigstens  imtedam  oder  etwas  Ihnfiches  erwarten  mAssen, 
zudem  ist  die  metapber  hier  ganz  unmotiviert  Cicero  wird  geschrieben 
haben  vim  fuisse  iliatam  quassaiae  rei  pubUeae,  ans  ükHam  ist 
durch  dittographie  illam  flammam  geworden,  ebenso  wird  periarkaUh 
rumque  tempörum  Terschrieben  sein  aus  periurbaiione  temparrnm^ 
die  ganze  stelle  also  lauten:  vim  fuisse  iBaiam  quassatae  rei  pMicae 
periurbaiUme  lemporum. 

S  78  forum  purgesf  sollte  hier  nicht  ferro  aasgefallen,  abn  forum 
ferro  purgesf  zu  schreiben  sein?  purgare  ohne  einen  solchen  susatz 
durfte  zu  wenig  sagen. 

$137  huius  ordinis  auciorHate  uii  wuigistraius  ei  quasi  mtntMrof 
gravissimi  consüH  esse  voluerunt  uH  erscheint  zn  firbioe,  ich  sdnelbe 
niii^  zumal  wegen  des  folgenden  minisiros. 

S  141  primum  in  ea  civitate  naü, .  tum  in  tamia  glona  imsisteHtes 
.  .  deinde  ad  eam  rem  pubüeam  iuendam  adgressi.  die  gcwdhnliehe 
form  der  aufzähiung  ist  bekanntlich  primum  deinde  ftim,  hier  steht 
deinde  an  dritter  stelle,  und  es  folgt  nichts  weiteres:  ich  schreibe  daher 
denique.  beiliufig  gesagt,  ist  insistentes  nicht  'die  wir  einhengehen 
d.  h.  bei  Verdiensten  am  die  repnbhk  zu  gewlrtigen  haben*  (U^Ib)^  son- 
dern Mie  wir  auf  einem  so  groszen  felde  des  ruhmes  fassen'. 

S  147  vos  hoc  iudicio  omnium  bonorum  menies  comfinnare^  ön- 
proborum  reprimere  potesHs.  reprimere  menies  gibt  keinen  passenden 
sinn  und  die  concinnitit  der  beiden  gUeder  erfordert  ein  objcct  za  rr* 
primere.   es  wird  nach  improborum  ausgefallen  sein  im  peius. 

Clbve.  HsRiiAinff  Probst. 


52. 

VERBESSEEUNGSVORSCHLlGE  ZU  CICaEBOS  BRIEFEN. 


I  2,1  lesen  wir:  eo  die  nos  quoque  muOa  vet^a  feeimus 
que  visi  sumus  senatum  commemoraOone  luae  voluniaHs  erga  iiium 
ordinem  permovere.  itaque  postridie  plaeuii  ut  brevher  senienHas 
diceremus:  videhatur  enim  reconciHaia  nobis  voluntas  esse  senaims^ 
quod  cum  dicendo  tum  singuHs  appeilandis  rogandisque  perspeeeeram, 
keiner  von  allen  herausgebem  hat  wahrgenommen ,  dass  das  letzte  wert 
penpexeram  verdorben  sei.  es  könnte  allenfalls  gesagt  werden  appei- 
landis rogandisque  hominibus  perspexeram ,  aHem  wie  jemanl  dieendo 
perspexeram  habe  sagen  können,  leuchtet  nicht  ein.  dazu  ist  diese  ganxe 
angäbe ,  auf  welche  weise  der  schreibende  die  stininrang  im  senate  wahr^ 
genommen  haben  wolle,  hier  eine  ganz  unnfltze;  deshalb  zwviie  kh 
nicht  dasz  Cicero  geschrieben  habe:  quod  cum  dicendo  tum  singulis 
appeilandis  rogandisque  perfeceram.   denn  nur  dartn  kann  vnraiDf^ 


R.  Klotz :  Yerbessenuigsvorschläge  zu  Giceros  bricfen.         355 

tig€r  weise  hier  die  rede  sein ,  wie  Cicero  jene  veränderte  Stimmung  im 
senal  erreicht  haben  wolle. 

1 10  a.  e.  will  Cicero  den  rechlsgelehrten  L.  Valerius  abschrecken 
in  seine  heimat  Apulien  sich  zu  begeben,  vielmehr  ihn  bei  sich  haben 
und  schliesst  seinen  brief  mit  den  werten:  nam  i7/o(nemlich  inJpuKam) 
si  weneriiy  iamquam  ülixea  eognosces  iuorum  neminem,  dasz  die  letz- 
ten Worte  einen  falschen  sinn  geben,  sah  schon  Orelli  sehr  richtig,  wenn 
er  zu  lesen  vorschlug:  tomquam  ühxes  cognoscere  a  tuorum  nemine; 
nur  fehlte  er  in  formeller  hinsieht  wegen  des  in  Ciceros  stll  ungebrtuch* 
liehen  nemine.  jedenfalls  hatte  Cicero  geschrieben:  tamquam  ÜHxes 
cogneseere  (oder  auch  cognosceris)  iuorum  nemim,  der  dativ  mdchte 
hier  auch  dem  sinne  nach  besser  entsprechen  als  a  und  ablativ.  war 
einmal  cognoscere  oder  cognotceris  in  cognoeces  übergegangen,  so 
muste  neminem  unausbleiblich  folgen. 

II 12,  2  ist  in  einer  offenbar  verdorbenen  stelle  die  Überlieferung 
die  folgende:  Diogenes  tuus^  hämo  modesius^  a  me  cum  PMone  Pessi* 
nunte  dtscessH:  iter  habehani  adiaioregem  (so  Med.  an  dieser  stdie,  in 
buch  Vin,  wo  der  brief  zwischen  9  und  10  noch  einmal  steht,  ab  Iorigge\ 
guamquam  omnia  nee  benigna  nee  copiosa  (so  Med.  hier,  an  zweiter 
stelle  qua  nee  benignam  nee  eopiosam)  cognorant  hier  hatte  man  sich 
früher  mit  der  lesart  iter  habebant  ad  Adiatorigem  begnügt,  was  man 
nicht  hAtte  thun  sollen,  allein  auch  der  weg,  den  in  der  neuesten  ausgäbe 
Baiter  eingeschlagen ,  ist  ein  falscher,  er  schreibt  im  wesentlfchen  nach 
Marlyni-Lagunas  Vorgang:  Diogenes  iuus ,  *ame cum Philone Ptssinun- 
fem  discessit:  iter  habebant  ab  AdiaUn^e^  quem  nee  benignum  nee  co* 
jriosum  cognorant,  diese  lesart  verstöszt  gegen  Sprachgebrauch  und  sinn 
wie  gegen  die  Oberlieferung.  ich  will  nicht  erwähnen,  dasz  der  ablativ/Vt- 
MfitiMle,  nicht  Pessinuniem  oder  wie  Martyni-Laguna  wollte  PessinuntOy 
handschriftlich  an  beiden  stellen  beglaubigt  ist;  denn  die  abweichung  ist 
ist  eine  sehr  geringe;  ich  erwähne  nur  dasz  adioioregem  im  Med.  an 
erster  stelle  ziemlich  entschieden  auf  ad  Adiotorigem ,  weniger  auf  ab 
Adiotorige  hinweist,  obschon  an  zweiter  stelle  im  Med.  ab  lorigge  steht, 
und  vor  allem  bemerke  ich  dasz  man  im  Med.  an  keiner  stelle  etwas  fin- 
det, was  die  änderung  quem  nee  benignum  nee  copiosum  cognorant 
rechtfertigen  könnte ;  vielmehr  scheint  das,  wu  im  archetypus  gestanden, 
am  treuesten  im  Med.  an  erster  stelle  mit  den  Worten  quamquam  omnia 
nee  benigna  nee  copiosa  cognorant  wiedergegeben  zu  sein,  denn  auch 
das,  was  an  zweiter  steile  sieht,  führt  mit  qua  auf  quäquä  hin,  und 
selbst  die  Verderbnisse  benignam  und  coptosum  halten  wenigstens  den 
a«laut  fest,  was  nun  aber  den  sinn  der  stelle  selbst  und  den  sprachge* 
brauch  betrifft,  so  lesen  wir  sehr  oft  die  wendung  iter  habere  ad  alt- 
quem,  nirgends  aber  iter  habere  ab  aliqvo^  ja  die  bezeichnung  des  ortes, 
von  wo  aus  man  eiile  reise  vorhat ,  wird  überhaupt  nur  dann  im  lateini« 
sehen  bei  der  formel  iter  habere  angegeben,  wenn  zugleich  der  zielpunct, 
wohin  die  reise  gehen  soll,  angegeben  wird,  so  heiszt  es  bei  Cicero  ad 
Att.  VHl  11  D  S  2  Caesarem  Her  habere  Capuam.  ad  Q.  fr,  II  6,  2 
quod  ilie  in  Sardiniam  Her  habebat.    in  einem  briefe  des  Cn.  Pompeju^ 


356         R.  Klotz:  verbesseruogsvorschläge  zu  Ciceros  briefen. 

bei  Cicero  ad  AU.  VUI  HD  is  nuntiat  L,  Domitium  cum  suis  cohorti- 
bus  XI ,  .  iter  ad  me  habere^  und  ebd.  12  A  S  1  ut  cohortes  XIX ^ 
quae  ex  Piceno  ad  me  iter  hahehant^  ad  nos  mitterei,  bei  Cüsar  6. 
du,  1 14,  3  Cn.  Pompeius  .  .  iier  ad  legiones  habebai^  quas  .  .  in  Apu- 
lia  hibernorum  causa  disposuerai  und  ebd.  111  11,  2  Pompeius  erat  eo 
tempore  in  Candavia  iterque  ex  Macedonia  in  hibema  ApoUomam 
Lyrrachiumque  habebai.  ebd.  III  106,  1  coniectans  eum  Aegyptum 
iter  habere,  so  der  stehende  Sprachgebrauch  der  Lateiner,  welche  bei 
iier  habere^  was  seltner  absolut  steht  (s.  Nepos  Eum.  8,  7),  den  ort  von 
wo  die  reise  ausgieng,  wie  angegeben,  nur  dann  hinzufügten,  wenn  zu- 
gleich der  zielpunct  angegeben  wurde,  sehr  hSufig  aber,  wie  wir  sehen, 
blosz  den  letztern  ins  äuge  faszten.  danach  würde  es  schon  durch  den 
feststehenden  Sprachgebrauch  geboten  erscheinen  hier  Tielmehr  zu  lesen 
iter  habebant  ad  Adiatorigem  als  ab  Adiaiorige^  was  ich  in  so  absoluter 
fassung  geradezu  für  unlateinisch  erklären  musz.  wir  dürfen  also  zu- 
nächst an  der  überlieferten  lesart  Diogenes  iuus  .  ,  a  me  cum  Phüone 
Pessinunte  discessit:  iter  habebant  ad  Adiatorigem  keinen  an- 
stosz  nehmen,  nun  würde  freilich  .weniger  passen,  was  Martyni*Laguna 
zu  lesen  vorgeschlagen  hatte :  quem  nee  benignum  nee  copiosum  eogno- 
rant;  sehr  wol  aber  passt,  was  Cicero  zweifelsöhne  geschrieben  hat  und 
wodurch  auch  die  handschriftliche  Überlieferung  ToIIkommen  gedeckt 
wird:  quamquam  Com  an  a  nee  benigna  nee  copiosa  cognoranii 
denn  der  von  Antonius  begünstigte,  von  Octavian  hingerichtete  priester- 
ffirst  Adiatorix  hatte  seinen  sitz  zu  Comana,  vgl.  Strabon  XII  542.  543. 
558.  wie  leicht  aber  unkundige  abschreiber  comana  in  omnia^  die  ein- 
zige wesentliche  änderung  welche  ich  vornehme,  verwandeln  konnten, 
bedarf  keines  weitern  nach  weises. 

in  5,  4  lesen  wir  in  einer  mitteilung  Ciceros  an  Appius  Pulcher: 
sed  si  quid  nunc  me  fallit  in  scribendo  .  .  simul  ac  progredi  coepero^ 
quam  celerrime  potero  et  quam  creberrimis  litteris  faciam^  ut  tibi 
noia  Sit  omnis  ratio  dierum  atque  iOnerum  meoriim.  doch  hat  der  Med. 
nicht  celerrime^  sondern  ceJerrimis ,  und  wer  die  formen  derartiger  roit- 
teilungen  zwischen  den  römischen  aristokraten  und  die  beschaffenheit 
des  Med.  kennt,  wird  keinen  zweifei  hegen  dasz  hier  nach  celerrimis 
einige  m-striche  {nuntüs)  ausgefallen  seien:  quam  celerrimis  nuniiis 
potero  et  quam  creberrimis  litteris.  man  vergleiche  11,  1  die  qua  {ab- 
solutione)  etsi  permultum  ante  certior  facius  eram  litteris^  nuniiis^ 
fama  denique  ipsa  . .  tamen  eadem  iUa  laetiora  fecerunt  mihi  tuae 
litterae.  VI  8 ,  2  propinquiias  locorum  vel  ad  impeirandum  adiupai 
crebris  litteris  et  nuniiis  vel  ad  rediius  celeritaiem  usw.  XIII 
57,  1  quo  magis  cotidie  ex  litteris  nuntiisque  bellum  magnum 
esse  in  Syria  cognosco  usw.  XV  1 ,  1  postea  vero  quam  certissimis 
auctoribus^  legatis^  nuniiis^  litteris  sum  certior  facius  usw.  XV 
2,  1  quae  cum  essent  a  me  cura  magis  ei  diligentia  quam  facvMate  ei 
copia  constituta^  nuntiique  et  litterae  de  bello  a  Parihis  in  pro- 
vinciam  Syriam  illato  cotidie  fere  adferrentur  nsw.  XV  3,  2  quod  ei 
ipsum  Commagenum  legaU  dicebant  ad  senatum  statim  nuniios  Ut- 


R.  Klotz :  verbesseruogsvorschiage  zu  Giceros  brlefen.         357 

terasque  misisse,    XV  4,  7  meque  ad  eutn^  si  quid  novi  forte  äcci* 
dissetj  siaiim  litt  er  as  nuniiosque  mssurum  esse, 

VI  4,  3  las  maa  bisher:  equidem,  nos  quod  Bamae  sumus^  tniser- 
rimum  esse  duco^  non  soium  quod  in  malis  omnibus  acerbius  est  videre 
quam  audire ,  sed  etiam  quod  ad  omnes  casus  subitorum  periculorum 
magis  obiecii  sumus^  quam  si  dbessemus^  und  auch  fiailer,  obschon  ihn 
eine  genauere  collalion  des  Med.  auf  einen  bessern  weg  leiten  konnte, 
behielt  diese  lesart  bei,  in  welcher  einmal  die  Wortstellung  nos  quod 
Bomae  sumus  stört,  sodann  auch  das  persönliche  verhftltnis  nicht  genug- 
sam hervortritt,  wenn  wir  aus  dem  folgenden  vergleichen  quod  ad  omnes 
casus . .  magis  obiecii  sumus,  es  hat  aber  der  Med.  nicht  nos  quod,  son- 
dern nos  qui^  femer  nicht  miserrimum ,  sondern  von  erster  band  miser- 
nmo.  deshalb  kann  es  wol  keinem  zweifei  unterliegen  dasz  Cicero  ge- 
schrieben habe:  equidem  nos^  qui  Bomae  sumus ^  miserrimos  esse 
duco. 

VII  1,  1  neque  iamen  dubiio  quin  tu  ex  illo  cubiculo  tuo^  ex  quo 
tibi  Stabianum  perforasti  et  paiefecisti  Misenum ,  per  eos  dies  matu- 
iina  tempora  Jectiuncuiis  consumpseris ,  cum  Uli  interea^  qui  te  islic 
retiquerunt^  spectarent  communes  mimos  semisomni.  hier  hatte  mit 
recht  schon  Lallemand  an  dem  satze  ex  iüo  cubiculo  tuo  .  .  consumpse- 
ris  anstosz  genommen,  doch  möchte  es  mit  seinem  vorschlage  statt  ex 
iUo  zu  lesen  in  illo ,  obschon  denselben  jängst  fiaiier  mit  Wesenberg  auf- 
genommen hat,  nicht  abgethan  sein,  denn  warum  soll  denn  gerade  in 
dem  zimmer,  von  welchem  aus  sich  M.  Marius  vermittelst  durchbruch 
seiner  besitzung  bei  Stabil  die  aussieht  auf  den  hafen  von  Misenum  er- 
öffnet hat,  jene  abgerissene  lectöre  statt  Gnden?  warum  wird  jene  lec« 
tflre  der  anwesenheit  und  dem  zuschauen  bei  aufführung  von  mimen« 
stücken  contrastlich  entgegengestellt?  ich  bin  fest  überzeugt  dasz  die 
lesart  ex  illo  cubiculo  tuo  ganz  richtig  ist  und  dasz  im  folgenden  ein 
fehler  anderer  art  steckt,  ich  lese  die  stelle  also :  neque  tamen  dubito 
quin  tu  ex  illo  cubictdo  tuo  . .  per  eos  dies  matutina  tempora  specti' 
un cutis  consumpseris  usw.  wie  sehr  sich  die  Römer  an  solchen  fern- 
sicbien  auf  die  belebte  see  ergötzten,  ist  bekannt:  s.  Cicero  ad  Att.  XII  9 
cetera  noli  putare  amabiliora  fieri  posse  pilla^  litore^  prospectu  maris^ 
tum  kis  rebus  omnibus.  ebd.  IX  12,  1  quibus  {litteris)  quaeris  atque 
etiam  me  ipsum  scire  arbttraris^  utrum  magis  tumulis  prospectuque 
an  ambulaiione  ikixsvü  delecter,  est  mehercule^  ut  dicis,  utriusque 
loci  tanta  amoenitas^  ut  dubitem  utra  anteponenda  sit.  man  vgl.  noch 
acad.  pr.  II  25,  80  und  erinnere  sich  der  wandgemftide  zu  Pompeji, 
wollte  man  einwerfen  dasz  spectiunculis  ein  &7ra£  €ipr]fi^vov  sei,  so 
frage  ich  einfach,  wo  sich  sonst  auszer  an  dieser  verderbten  stelle  lecti- 
unculis  finde,  übrigens  ist  die  deminutivform  offenbar  geeigneter  zu 
spectiunculis  als  zu  lectiunculis.  denn  diese  fernsichten  sind  abgerissene 
und  wechselnde  hinblicke,  was  will  aber  hier  die  abgerissene  und  wech- 
selnde lectüre? 

Doch  ich  breche  hier  ab ,  um  noch  zwei  stellen  aus  den  briefen  an 
Q.  Cicero  zu  besprechen,  zugleich  schon  hier  constatierend ,  dasz  die 


358         R«  Klotz :  rerbessernngsTorsehlSge  zu  Giceros  briefen. 

überliefemng  im  Mediceas  im  weientiicheo  frei  ist  voo  dem  rerdacht  eigent- 
licher interpoialioneD.  I  2, 5  S  16  steht  in  der  genaonten  hs.  folgeades: 
equidem  cum  spe  summa  maximu  tum  maiore  etiam  anima  spereni 
superiores  fare  nos  canfidant  animo  ut  in  hae  re  pubtiea  ne  casum 
quidem  üUunt  periimescant.  hier  hatte  bereits  Ursinus  eine  Interpola- 
tion angenommen  und  folgende  iesart  vorgeschlagen :  equidem  cum  spe 
sum  maxima  tum  maiore  etiam  animo  ^  \spero'\  superiores  fore  nos^ 
[confido  amm6\  ut  in  hoc  re  publica  ne  casum  quidem  uüum  pertt- 
mescam.  in  ermangelung  Ton  etwas  besserem  hatte  auch  Orelli  und  ich 
selbst  diese  Iesart  aufgenommen.  Bauer  schlug  In  der  neuesten  ausgäbe 
einen  andern  weg  ein  und  schrieb  mit  Madvig :  equidem  cum  spe  sum 
maxima^  tum  maiore  etiam  animo,  spe,  superiores  fore  noSy  animo^ 
ut  in  kac  re  pubUca  ne  casum  quidem  ullum  pertimescam,  wobei  na- 
türlich die  aberiieferung  im  Med.  als  aus  Interpolation  entstanden  er- 
scheint, ich  glaube  nur  gewöhnliche  verschreibungen  und  auslassungen 
ans  nachlässiglLeit  der  abschreiber  hervorgegangen  auch  hier  im  Med. 
annehmen  zu  dflrfen  und  lese  in  ganz  engem  anschlusz  an  den  Med.: 
equidem  cum  spe  sum  maxima  tum  maiore  etiam  animo,  ut  spe  rem 
superiores  fore  nos,  ut  confidam  animo,  ut  m  hae  re  pubtiea  ne 
casum  quidem  ullum  pertimescam,  wobei  ich  nur  ut  zweimal  ein- 
setze, obschon  es  sich  nur  im  dritten  satzgliede  erhalten  hat,  sonst  aber 
nur  die  leichten  Snderungen  von  sperent  in  sperem ,  von  confidant  in 
confidam ,  von  pertimescant  in  pertimescam  vornehme,  die  Verwechse- 
lung kommt  sehr  hSufig  vor,  ist  auch  hier  im  dritten  gliede  von  allen 
willig  angenommen  worden,  umgekehrt  steht  Im  Med.  epist.  VI  5,  3 
uiuum  statt  uiuunt,  —  Eine  Interpolation  anderer  art  hat  man  angenom- 
men ad  Q.  fr.  II 15  (16),  4.  dort  steht  im  Med.:  ego  te  latenter  ut 
rogas  quibus  rebus  vis  adiuvabo  et  tibi  versus  quos  rogas  koc  est 
Athenas  noctuam  mittam,  und  wer  möchte  an  den  Worten  anstosz  neh- 
men, wenn  man  sie  also  interpungiert :  ego  te  libenter,  ut  rogas,  quibus 
rebus  vis  adiuvabo  et  tibi  versus,  quos  rogas,  hoc  est  Athenas  noetuam, 
mittam.  denn  mit  demselben  rechte,  mit  welchem  Q.  Cicero  de  pet.  cons. 
10,  39  quam  ob  rem  ^Eat^xa^fisiov  iüud  teneto,  nervös  atque  artus 
esse  sapientiae  non  temere  credere,  die  worte  Epicharms  lateinisch, 
nicht  griechisch,  hinsetzt,  konnte  sich  ja  auch  M.  Cicero  im  engsten  an- 
schlusz an  seine  eigne  rede  des  griechischen  Sprichworts  in  lateüiiscber 
spräche  bedienen,  freilich  haben  bereits  Sltere  herausgeber  das  sprich* 
wort,  das  ihnen  aus  Giceros  briefen  VI  3,  4  sed  rursus  yka&n  tlg 
^A^vag,  qui  ad  te  haec  erinnerlich  war,  vermeint  mit  griediisehen 
Worten  einsetzen  zu  mOssen,  und  indem  sie  demgemSsz  schrieben:  et  Hbi 
versus  quos  rogas,  yXaifx*  elg*A&i^vag,  mittam,  nalirMch  die  worte 
der  Überlieferung  hoc  est  Athenas  noctuam  för  interpoliert  erklärt  Ich 
meine  die  Interpolation  gehöre  nicht  in  die  iltere ,  sondern  in  die  neuere 
zeit,  denn  dasz  die  formel  hoc  est  gerade  in  solchen  Wendungen  echt 
Ciceronisch  sei,  habe  ich  gezeigt  in  der  ^adnotationum  criticarum  ad 
Ciceronis  orationem  Caecinianam  pars  prior*  s.  12. 

Lbipziq.  REnmoLD  Klotz. 


Philologische  gelegenheitsschriften.  359 

(31-) 

PHILOLOGISCHE  GELEGENHEITSSCHRIFTEN. 

(fortsetzang  von  s.  296.) 


Bftsel  (pädago^iam)  A^Kiessling:  sar  kritik  der  römischen  archäo< 
logia  des  Dionysius  von  Halikamass.  C.  Sehaltses  miiv.-haohdrackorei, 
1868.    20  8.    er.  4. 

Berlin  (akad.  d.  wiss.)  £.  Hübner:  über  eine  in  der  portugieBi- 
Bcben  provinz  Beira  Baixa  vorhandene  inschrift  [in  lositanischer  spräche 
mit  lateinischer  schrift].  aus  dem  monatabericht  1868  s.  6—11.  gr.  8.  — 
(univ.,  lectionsk atalog  8.  1868]  M.  Haupt:  specimen  emendationis  Am- 
mianeae.  formis  academicis.  20  8.  gr.  4.  —  (doctordissertationen)  Ju- 
lias Czwalina:  de  £uripidiB  studio  aequabilitatis.  verlag  von  Calvary 
u.  comp.  1868.  60  b.  8.  —  £.  Wilken:  de  Alcestide  Euripidea.  prae- 
missa  est  de  arte  Graecorum  scaenica  brevis  expositio.  ebd.  1868.  30  8.  8. 
—  Gustav  Wilmanns:  de  sacerdotiorum  publicomm  populi  Bomani 
quodam  genere.  praecedit  quaestio  de  Lanrento  et  Lavinio  oppidis. 
ebd.  1868.  58  8.  8.  —  (Sopbiengymn.)  W.  Küster:  Piatons  ansieht 
vom  Wesen  und  werthe  der  lust.  Berliner  asBociations-bnchdruckerei. 
1868.    82  B.   gr.  4. 

Bern  (univ.,  lectionskatalog  8.  1868}  G.  F.  Bettig:  CatuUiana.  I. 
druck  von  Fischer.   12  s.    gr.  4. 

Bonn  (verein  rheinl&ncUscher  altertumsfreunde,  aum  Winckelmanns- 
feste  9  decbr.  1867)  L.  Urlichs  (in  Wünburg):  über  die  gruppe  des 
Pasquino.  nebst  einem  anhange  über  den  Achilles  Borghese.  hierzu 
eine  restanration  der  gruppe  und  deren  begründung  von  Ed.  von  der 
Launitz  (in  Frankfurt  a.  M.).  druck  von  C.  Qeorgi  (verlag  von  A. 
Marcus).   41  b.   gr.  4.   mit  4  steindrucktafeln  und  2  holzschnitten. 

Braunschweig  (gymn.  Martine -Catharineum)  L.  Drewes:  ein 
roman  aus  dem  altertum.  nachbildung  und  Würdigung  der  Aethiopika 
HeUodors.    druck  von  J.  H.  Meyer.    1868.    25  s.   gr.  4. 

Breslau  (univ.,  doctordiss.)  Emil  Völkerling:  de  rebus  Siculis 
ab  Atheniensium  expeditione  usque  ad  prioris  belli  Punici  finem  gestis. 
druck  von  F.  W.  Jungfer.    1868.    102  s.   gr.  8. 

Eisenach  (Karl- Friedrichs -gynm.)  A.  Wittich:  zur  gesohichte 
und  Charakteristik  Franz  I  von  Frankreich,  hofbuchdruckerei.  1868. 
11  8.   gr.  4. 

Frankfurt  am  Main  (gymn.)  H.  Bumpf:  tres  commentationes : 
I  de  foliis  quibusdam  m.  scriptis  quae  in  bibliotheca  gymnasii  Franco- 
fnrtensis  servantur.  II  quaestio  critica  de  locis  quibusdam  Giceronia- 
nis.  in  utmm  verborum  deponentiom  participia  perfecti  temporis  in 
ablativia  absolntis  sint  vitanda  an  admittenda.  druck  von  Mahlau  und 
Waldschmidt.   1868.   40  s.   4. 

Frankfurt  an  der  Oder  (gymn.)  M.  Claudi  Quadrigari  annalium 
relliquiae.  disposuit  recensuit  praefatus  est  Her  mann  us  Peter,  spe- 
cimen novae  editionis  relliquiarum  quae  ex  annalibus  historiisque  Bo- 
mattia  supersuat.    .druck  von  Trowitzsch.   1868.  33  s.   4. 

Gieszen  (gymn.)  L.  Wittmann:  erziehung  und  Unterricht  bei 
Piaton.    erster  teil,    druck  von  W.  Keller.   1868.   24  s.    gr.  4. 

Glück  Stadt  (gelehrtensehule)  D.  Detlefsen:  de  arte  Bomanorum 
antiquissima.  particula  II.  druck  von  W.  Augustin.  1868;  26  s.  4. 
[part  I  erschien  ebd.  1867.] 

Göttingen  (univ.,  lecUonskatalog  s.  1868)  £.  von  Leutsch: 
additamentorum  ad  Lud.  Disseni  in  Pindari  carmina  commentarium 
specimen  tertium.  Dieterichsche  univ.-buehdruckerei.  8  s.  gr.  4.  [spec. 
I  und  II  erschienen  ebd.  1865.]  —  (gekrönte  preisschrift)  Wilhelm 
0€tling:  libromm  manuscriptorum  qui  CiceroniB  orationem  pro  Caelio 


360  Philologische  gelegenheilsschrifled. 

continent  qualis  Sit  condicio  ezaminatur,  deinde  eiosdem  Caelianse  rir- 
tates  et  vltia  ex  veterom  rhetomm  praeceptis  investigantar  et  alianim 
Ciceronis  orationiim  comparatione  illastrantar.  1868.  65  a.  g^.  4.  ~ 
(doctordiss.)  Hermann  Wrampelmeyer:  librorom  manascriptorum 
qoi  Ciceronis  orationes  pro  Sestio  et  pro  Caelio  continent  ratio  qiulls 
Bit  demonstratnr.    druck  von  Meyer  in  Detmold.    1868.   32  b.    gt.  4. 

Oreifswald  (oniy.,  lectionskatalog  s.  1868}  G.  F.  SchÖmann: 
animadverBiones  ad  Aristophanis  Achamenses.  druck  von  F.  W.  Kunike, 
17  B.    gr.  4. 

Halle  (univ.,  lectionskatalog  s.  1868)  Th.  Bergk:  emendationes 
Epicharmeae.  druck  von  HendeL  8  s.  gr.  4.  —  (dectordisa.)  Edmund 
Yeckenstedt:  regia  potestas  quae  fuerit  secundnm  Homemm.  verUg 
von  £.  Barthel.    1867.   43  s.    lex.  8. 

Hamburg  (gelehrtenschnle  des  Johanneum)  F.  W.  Ullrich:  die 
hellenischen  l^iege.  mit  einem  anhang  über  den  Wiederaufbau  Atbem 
nach  der  Schlacht  bei  Platää.  druck  von  Th.  O.  Meissner  (vorlag  von 
W.  Mauke  söhne).    1868.   60  s.    gr.  4. 

Hanau  (gymn.)  A.  Duncker:  Claudius  Qothicus.  ein  beitrag  cur 
römischen  kaisergeschichte.  waisenhaus-buchdruckerei.  1868.  46  s.  gr.  4. 

Jena  (univ.»  lectionskatalog  s.  1868)  K.  Nipperdey:  spicilegü 
alterius  in  Cornelio  Nepote  pars  I.  Bransche  buchhandlung.  12  s.  gr.  4. 
—  (doctordiss.)  Rudolph  Menge:  de  Marci  Musnri  Cretensis  vlta  sto- 
diis  ingenio  narratio.    vertag  von  H.  Dufft.    1868.    88  s.    hoch  4. 

Kiel  (univ.,  lectionskatalog  s.  1868)  A.  von  Gutschmid:  de  tem- 
porum  notis  quibus  Eusebius  utitur  in  chronicis  canonibns.  Schwen- 
sche  buchhandlung.   28  s.   gr.  4. 

Königsberg  (Kneiphöfisches  gymn.)  O.  Pfund  tue  r:  des  reisebe- 
Schreibers  Pausanias  lebens-  und  glaubensanschauungen.  druck  von 
E.  J.  Dalkowski.    1868.    31  s.    gr.  4. 

Leipsig  (univ.,  doctordissertationen)  Theodor  Hasper:  de  Poe- 
null  Plautinae  duplici  exitu.  druck  von  B.  G.  Teubner.  1868.  89  >• 
gr.  8.  —  Otto  Meltzer:  de  L.  Coelio  Antipatro  belli  Punici  secundi 
scriptore,  druck  von  A.  Dennhardt.  1868.  60  s.  8.  —  (Nicolaigymn.) 
R.  Naumann:  narratio  de  Adamo  Oleario,  conrectore  quondam  scholse 
Nicolaitanae  Lipsiensis,  celeberrimo  saeculi  XYII  peregrinatore.  druck 
von  A.  Edelmann.  1868.  22  s.  gr.  4.  —  (Thomasschule)  A.  Ch.A.  Zester- 
mann:  die  bildliehe  darstellung  des  kreuzes  und  der  kreuzigung  Jesu 
Christi  historisch  entwickelt.  II  abt.  die  kreuzigung  bei  den  alten, 
druck  von  A.  Edelmann.  1868.  62  s.  4.  [die  le  abt.  ^das  kreuz  vor 
Christus'  erschien  1867.] 

Liegnitz  (gymn.)  J.  Brix:  epistula  ad  Andream  Spengelium  [de 
Truculento  Plautina].    druck  von  H.  Krumbhaar.   1868.   16  s.   4. 

Lüneburg  (Johanneum)  W.  Junghans:  zur  methodik.  das  vierte 
Pythische  epinlkion  des  Pindaros.  Stemsche  buchdruckerei.  1868.  16  s.  4. 

Magdeburg  (domgymn.)  B.  Born:  de  diverbii  apud  Terentiom 
versibus.    druck  von  E.  Baensch.    1868.    22  s.    gr.  4. 

Marburg  (univ.,  lectionskatalog  s.  1867)  J.  Cftsar:  commentatio 
de  nonnullis  artis  metricae  apud  veteres  vocabulis.  druck  von  N.  6. 
Elwert.  17  s.  gr.  4.  —  (zum  gebnrtstag  des  königs  22  märz  1867)  J. 
Cäsar:  academiae  Marburgensis  privilegia  et  leges  generales.  81  >• 
gr.  4.  —  (zum  22  märz  1868)  J.  Cäsar:  statuta  facultatnm  speeialia 
anno  MDCLIII  promulgata.  37  s.  gr.  4.  —  (gymn.)  Ch.  Koch:  ge- 
schichte  des  akademischen  pädagogiums  in  Marburg  —  F.  MÜnscher: 
geschichte  des  gymnasiums  in  Marburg,  druck  von  N.  G.  Elwert.  1868. 
64  s.    gr.  4. 

Meiningen  (gymn.  Bemhardinum)  F.  Motz:  über  die  metsll- 
arbeiter  der  heroischen  zeit  Keysznersche  hofbuchdruckerei.  1868. 
28  s.   gr.  4. 


ERSTE  ABTEILUNa 
FÜR  CLASSISCHE   PHILOLOGIE 

HEBAUSGEGEBEN  VON  ALFRED  FlECKEISEK. 


53. 

SOPHOCLIS   TBAGOEDIAE.     EDIDIT   AuOUSTDS  Nau  OK.     BeroUni 

apnd  Weidmannos.    MDCCCLXVU.    XH  u.  387  s.   8. 

Halte  ich  eine  neue  ausgäbe  des  Sophokles  besorgt  und  hr.  Naucli 
-wäre  der  recensent,  so  würde  er  wahrscheinlich  sein  urteil  kurz  in  die 
Worte  zusammenfassen:  'er  habe  nichts  daraus  gelernt'  (s.  Euripideische 
Studien  II  s.  92).  ich  bin  bescheidener  und  zugleich  gerechter  als  der 
Petersburger  akademiker:  abgesehen  davon  dasz  wir  in  einer  zeit  leben, 
welche  der  warnung  des  Seneca  in  summa  penuria  quis  ferai  fastidium? 
eingedenk  sein  sollte,  musz  ich  bekennen  selbst  aus  schlechten  büchern 
manches  gelernt  zu  haben  und  oft  wenigstens  negativ  gefördert  worden 
zu  sein;  und  diese  ausgäbe  des  Sophokles  gebort  unbestritten  zu  den 
besseren  arbeiten  der  neuen  Weidmannseben  samlung.  wenn  diese  textes- 
reccnsion  auch  nicht  gerade  viel  neues  darbietet,  da  hr.  N.  das  meiste 
schon  früher  in  seinen  bearbeitungen  des  Schneidewinschen  commentars 
veruffentlicht  hat ,  so  ist  doch  schon  die  übersichtliche  Zusammenstellung 
brauchbar,  ebenso  verdient  die  mSszigung  mit  welcher  hr.  N.  die  Über- 
lieferung bebandelt,  wenigstens  im  vergleich  mit  anderen  kritischen  arbei- 
ten, alle  anerkennung. 

Nur  darf  man  von  hrn.  N.  nicht  zu  viel  Schonung  der  eigentflmlich- 
keit  des  Schriftstellers  erwarten,  man  erkennt  dies  gleich  in  der  beband- 
lung  des  formalen  teils :  auch  hr.  N.  geht  darauf  aus  das  was  man  den 
reinen  Atticismus  nennt  herzustellen,  hauptvertreter  dieser  richtung  ist 
W.  Dindorf,  der  die  texte  der  tragiker  corrigiert  wie  ein  Schulmeister  die 
Stilübungen  eines  tertianers,  und  da  er  immer  noch  hier  und  dort  ein 
oicTÖc  oder  xXaiu)  oder  Ka(u)  übersehen  hat,  passenden  anlasz  findet 
England  oder  Deutschland  durch  eine  neue  gereinigte  ausgäbe  der  tragi- 
ker zu  erfreuen,  zu  diesen  purlputanem  von  der  strictesten  Observanz 
gehört  nun  zwar  hr.  N.  nicht,  aber  er  schlieszt  sich  doch  in  sehr  wesent- 
lichen puncten  der  berschenden  mode  an  und  bemüht  sich  das  was  man 
einen  reinlichen  text  nennt  zu  liefern. 

Die  regeln  der  Atticisten  sind  von  den  neueren  vielfach  misverstanden 
und  in  irriger  weise  angewandt  worden :  man  bedenkt  nicht ,  dasz  alle 
diese  Vorschriften  vorzugsweise  auf  beobachtung  des  Sprachgebrauchs 

Jahrbücher  fSr  class.  philol.  1868  hfU  6.  24 


362         Tb.  Bei^k:  asz.  v.  Sophodis  tragoediae  ed.  A.  !(aiick. 

der  attischen  prosaiker  sich  grändcD,  da  sie  ja  znoSchst  den  praktische» 
zweck  hatten  als  norm  für  einen  correcten  prosastil  zu  dienen,  auf  die 
dichter  sind  jene  regeln  nur  mit  vielfachen  modificationen  anwendiiar, 
Tor  allen  die  tragiker  haben  in  vielen  puncten  mit  vollem  hewustsdn  die 
altere  sprachform  festgdialten. 

Bronck  hat  zuerst  in  den  tragikem  in  der  zweiten  singnlarpersoo 
des  luturums  im  passivum  und  medium  die  Schreibart  -€t  eingeführt: 
Porson  gieng  weiter,  indem  er  überall  im  passivum  und  medium  conse- 
quent  diese  Schreibart  billigt,  ja  sogar  die  formen  auf  -i)  als  einer  ao- 
geblichen  analogie  widerstrebend  fät  ginziich  unstatthaft  erkUrL  Cobet 
var.  lect.  s.  40')  behauptet  -et  sei  die  echt  attische  form,  -q  nennt  er 
makedonisch;  worauf  diese  zuversichtliche  behanptnng  sich  stutzt,  weisz 
ich  nicht:  vielleicht  versteht  Cobet  unter  makedonisch  nichts  weiter  als 
die  KOivfi,  von  deren  entstehung  Cobet  überhaupt  keine  richtige  Vor- 
stellung zu  haben  scheint,  und  so  schreiben  nun  die  neueren  *  heraus- 
geber  der  tragiker  regehnäszig  überall  -et,  und  auch  hr.  N.  ist  diesem 
herkommen  treulich  gefolgt;  ich  bin  in  meiner  ausgäbe  des  Sophokles 
aus  guten  gründen  zu  der  Schreibart  -g  zurückgekehrt,  was  denn  frei- 
lich bei  den  kritikem  anstosz  erregt  hat;  nur  Kirchhoff  im  Euripides 
schreibt  •!)  mit  den  handschriften ,  ob  aus  gründen  oder  bloszem  respect 
vor  der  Überlieferung  weisz  ich  nicht,  da  sein  text  den  handschriftlicheD 
zustand  oft  bis  zum  eitrem  wahrt.'}  man  scheint  zu  glauben,  die  ent- 
wicklnng  der  spräche  sei  die,  dasz  aus  -em  zunächst  im  attischen  dialekt 
-et,  dann  später  in  der  KOivrj  -i)  geworden  sei;  aber  dies  ist  ganz  un* 
denkbar,  notwendig  musz  hier  wie  überall  -i)  als  die  iltere,  -et  als  die  jün- 
gere form  gelten,  und  dies  hat  auch  historische  begründung:  denn  bereits 
in  dem  ältesten  denkmale  der  griechischen  spräche,  in  den  Homerischen 
gedichten  finden  wir  neben  der  offenen  form  -eai  die  contrahierte  -r) :  diese 
gieng  bei  den  Attikern  in  -et  über,  die  KOivfi  dagegen  hielt  -q  fest,  wie 
sie  auch  sonst  vielfach  die  alteren  sprachformen  bewahrt  hat;  und  dies 
ist  im  vorliegenden  falle  leicht  erklärlich :  denn  die  lonier  schrieben  zwar 
auch  spater  noch  gewühnlich  -eai,  wie  Herodot,  sprachen  aber  sicherUch 
-r|,  bei  den  Aeoliem  finden  wir  -eai  und  -r),  bei  den  Doriem  durch- 
gehends  -i].  indem  also  zu  der  zeit,  wo  die  KOivii  sicli  bildete,  im  gan- 
zen gebiet  der  griechischen  spräche  mit  ausnähme  der  Attiker  -i]  die  her- 
schende  form  war,  ward  sie  jetzt  auch  allgemein  festgehalten;  nur  ein 
paar  verba  wie  ßotiXei  oTei  dipei  öXei  usw.  zeigen  die  jüngere  den  Atti- 
kern angehörende  form  -et,  weil  eben  diese  verba  vorzugsweise  üblich, 
daher  auch  der  Schwächung  am  meisten  ausgesetzt  waren,  bei  den  atti- 
schen tragikem  nun ,  wenn  man  sieht  wie  sie  vielfach  von  dem  damals 
gültigen  Atticismus  abweichen  und  altere  sprachformen  festhalten,  darf 
man  schon  deshalb  eher  -r)  als  -et  erwarten:  und  dies  wird  bestätigt 
durch  das  zeugnis  der  grammatiker,  welche  ausdrücklich,  wo  sie  von 


1)  die  stellen  des  Lucian,  auf  welche  sich  Cobet  beruft,  können 
«ben  nur  für  die  orthomphie  dieses  Schriftstellers  zeugen.  2)  s.  b» 
wenn  wir  Medeia  892  o^iv  T€p€{v7)v  rf\yb*  lirXiica  öaxpOuiv  lesen. 


Th.  Bergk:  anz.  v.  Sophodis  tragoediae  eil.  A.  Nauck.         363 

der  attischen  form  auf  -€i  handeln ,  die  tragiker  ausnehmen :  s.  Choero- 
boscus  in  Bekkers  anecd.  III  1290  oder  U  671  Gaisf.;  Gramer  aneod. 
Oxon.  IV  351,  nachdem  eine  stelle  aus  Menander  angefahrt  ist,  dXX' 
&KoXouOoCci  Kai  o\  neZoXÖTOi,  itieX  o\  TpaytKol  toCto  od  irotoCcrv, 
&XX'  dKoXöuOoOci  TOic  koivoic  und  die  hss.  der  tragiker  besUtigen 
dies:  gerade  die  ältesten  und  besten  haben  fast  durchgehends  die  Schreib- 
art -i}*);  dies  ist  nicht  zufall,  denn  anderwärts  wird  keineswegs  fiberall 
der  unterschied  zwischen  -r)  und  -et  beobachtet,  sondern  sie  sind  hier 
alter  Überlieferung  treulich  gefolgt,  nur  die  formen  ßoüXet  und  di|;€i 
finden  sich  auch  hier  bereits  vor,  eine  ausnähme  die  nach  dem  eben  be* 
merkten  wol  gerechtfertigt  ist.  natürlich  war  in  den  hss.  der  älteren 
tragiker,  des  Aeschylos  und  wol  auch  noch  des  Sophokles,  EI  geschrie- 
ben ,  während  Eurijpides  oflTenbar  bereits  sich  des  jungem  alphabets  be- 
diente: aber  es  ward  in  Hl  umgesetzt,  weil  die  Schauspieler  in  der  tra- 
gödie  nach  aller  Überlieferung  so  sprachen,  auch  wissen  wir  gar  nicht, 
wann  eigentlich  die  form  El  in  Altika  aufkam  und  zu  allgemeiner  gellung  ge- 
langle; es  können  neben  den  tragikern  noch  manche  andere  sich  der  altern 
form  bedient  haben.  Phrynichos  bei  Bekker  anecd.  I  10,  28  sagt:  äno- 
qp^pi]  ttX^uiv  olov  napaqp^pi}  xai  irapacupij,  bid  toO  r\.  aus  der 
tragödle  ist  dieses  beispiel  sicher  nicht  entlehnt ,  eher  aus  Kratinos  oder 
einem  andern  dichter  der  alten  komddie.  und  Suidas  sagt  ausdrücklich : 
fiTTTCi  Kai  Td  dXXa  id  in\  toö  dvccrujTOC  xpövou  bid  toO  €i  Xctö- 
jieva  TUJV  veujTdpuiv  fidXXov  'AmKUiv  dcriv.  und  so  zeigen  nament- 
lich bei  Piaton  die  hss.  groszes  schwanken :  zahlreiche  correcluren  deuten 
darauf  hin,  dasz  die  grammatiker  und  abschreiber  in  ihren  ansichten  hier 
geteilt  waren :  vgl.  Schneider  zu  Piatons  Staat  bd.  I  von*,  s.  XLIX  ff.  dem 
ganzen  Charakter  der  Platonischen  spräche  scheint  die  ältere  form  -q 
angemessener,  doch  wage  ich  hierüber  kein  entscheidendes!  urteil  auszu- 
sprechen. 

Es  ist  schulmeisterliche  pedanterie,  wenn  man  alles  zu  nivellieren 
sucht  und  die  reiche  fülle  und  manigfaltigkeit  einer  abstracten  gleich- 
mäszigkeit  aufopfert,  bei  Sophokles  erfordern  einige  verse  die  form 
böpei,  aber  wir  sind  deshalb  nicht  berechtigt  die  form  bopi  ganz  zu 
tilgen,  weil  sie  nirgends  vom  geselz  des  verses  verlangt  wird  ujid  daher 
mit  der  andern  vertauscht  werden  kann,  die  allgemein  übliche  form  bopi 
finden  wir  sowol  bei  Aeschylos  als  auch  bei  Euripides  in  versen  wo  sie 
durch  das  melrum  geschützt  ist :  nichts  berechtigt  zu  der  annähme ,  dasz 
Sophokles  diese  form  gänzlich  vermieden  und  nur  böpei  gekannt  habe: 
gerade  Sophokles  besitzt  keine  ausschlieszliche  verliebe  für  das  ungewöhn- 
liche, aber  er  verschmäht  es  auch  nicht  unter  umständen:  der  Charakter 


3)  80  z.  b.  in  den  fragmenten  des  Phaethon  von  Enripides  hat  der 
codex  ClaromontanuB  (der  allerdings  von  einem  sehr  unwissenden  ab- 
schreiber herrührt,  bei  dem  man  aber  um  so  weniger  willkürliche  ände- 
mngen  voraussetsen  darf,  da  er  nur  gedankenlos  copierte,  was  er  sn 
lesen  glaubte)  I  8  ireOcr),  II  13  xaXf),  31  wird  {)^vf)C€Tai  oder  {ijLivif)Cwv 
angeführt,  vielleicht  war  Ofivr)C€ai  geschrieben,  auf  keinen  fall  öjLiW|C€t, 
40  l\i>cr]  (d.  h.  cMrji), 

24* 


364  Th«  Bergk:  aoz.  t.  Sophodis  Iragoediae  ed.  A.  Kaack. 

seiner  spräche  ist  manigfalUgkeit  weoii  daher  in  den  eriialtenen  tragd- 
dien  der  ven  nn-gends  isiopt  erheischt,  so  lunn  dies  nur  als  zniall  gelten, 
und  wir  sind  nicht  l>erechtigt  diese  form  fiJberall  xu  tilgen,  wie  dies  auch 
hr.  N.  thuU 

Eiienso  schlieszt  sich  der  nenesle  herausgeber  in  einem  andern 
puncte  an  Elmsley  an :  dieser  will  hei  den  tragikem  in  der  ersten  person 
fiberall  1\  schreiben^),  so  dasz  die  form  f^v  lediglich  der  jflngem  Althis 
verbleiben  wuide.  nun  ist  aber  diese  form  nicht  etwa  in  der  zeit  nach 
dem  peloponnesischen  kriege  aufgekommen,  sondern  vielmehr  die  echte 
und  ursprfingliche ;  sie  wird  daher  auch  der  §ltem  Atthis  nicht  fremd 
gewesen  sein,  und  dies  beweisen  verse  der  tragiker,  wo  das  metrum  f^v 
erfordert,  die  bis  auf  die  neueste  zeit  niemand  abzuändern  gewagt  hat.^j 
die  ältere  Atthis  kennt  also  beide  formen ,  und  Porphyrios  (schol.  D.  E 
533.  Od.  6  186),  von  dessen  zeugnis  doch  Elmsley  hanptsächlidi  aus- 
geht, sagt  verständig,  dasz  fjv  auch  bei  den  älteren  sich  finde:  KOeOdTTcp 
(Kai)  Ttuv  TTpecßuT^puiv  Tiv^c  die  jOngere  Atthis  dagegen  kennt  nur 
^V ,  wie  ja  im  verlaufe  der  zeit  der  formenreichtum  einer  spräche  mehr 
und  mehr  beschränkt  zu  werden  pflegt,  die  ältere  Atlhis  steht  der  las 
ganz  nahe:  wie  hier  fo  die  übliche  form  war*),  so  sagten  die  Atliker  ge- 
wöhnlich f),  hal>en  aber  niemals  die  andere  form  f)v  ganz  aufgegeben, 
bis  diese  etwa  seit  dem  ende  des  peloponnesischen  krieges  zu  aus- 
schliesziicher  gellnng  gelangt  und  fj  ganz  verdrängt.')  dieser  zeit  ge- 
hören die  anfange  des  grammatischen  Studiums  an,  die  ütterariscbe 
thätigkeit  und  production  war  ungemein  grosz:  die  Schriftsteller  selbst 


4)  man  ist  sogar  so  weit  gegangen  Soph.  Trach.  564  rjvix  *  i\y  pLicw 
iröpip  zu  corriffiereD ,  wo  Dindorf  f\ ,  Cobet  H  *v  schreibt;  aber  d«r  ge- 
danlce  zeigt,  daiz  ^v  vielmehr  die  dritte  person  ist;  der  kentanr  ist 
das  snbject  des  satzes,  nicht  Deianeira.  an  dem  dativ  ohne  präpo- 
sition  nahm  Cobet  ohne  gmnd  anstosz.  5)  freilich  hr.  N.  thut  diiea 

Eurip.  stndien  II  s.  67.  obwol  die  hss.  dieses  dichters  fast  nirgends  die 
form  f\  darbieten,  will  derselbe  doch  überall  diese  form  einführen,  vor 
consonanten,  weil  hier  die  form  f^v  unnötig  ist,  aber  eben  so  auch  vor 
vocalen,  indem  er  es  'seltsam  findet,  dasz  Euripidos  lediglich  zu  gnn^ 
sten  des  metrischen  bedürfnisses  sich  gestattet  haben  sollte  i^v  statt  r{ 
zu  gebrauchen',  und  so  werden  denn  sechs  stellen,  wo  der  vers  f\y  schützt, 
corrigiert.    das  nennt  man  in  der  schulsprache  methode.  6)  die 

form  fav  ist  nicht  zu  belegen,  obwol  sie  für  Homer  sehr  gut  passen 
würde,  £r]V  ist  problematisch,  s.  IL  A  762.  der  Dorier  Epicharmos  sagt 
9\v.  die  formationen  des  verbnms  cljui  verdienten  überhaupt  einmal  eine 
specielle  imtersachting ;  jüngere  philologen,  die  so  oft  am  einen  ge- 
eigneten Stoff  in  Verlegenheit  sind,  hätten  hier  eine  dankbare  aufgäbe: 
nur  müste  das  wüste  verfahren  fem  gehalten  werden,  welches  in  der 
comparativen  grammatik  herschend  za  werden  anfängt,  wo  man  die 
dinge  auf  den  köpf  stellt  und  mit  maszloser  leichtfertigkeit  das  über- 
lieferte abändert  und  barbarische  unformen  einführt.  7)  nur  Platon, 
der  überhaupt  mit  vosliebe  die  ältere  sprachform  festhält,  gebraucht 
noch  f{,  doch  findet  sich  daneben  häufig  ffv,  und  das  schwanken  der 
hss.  ist  so  grosz,  dasz  es  schwer  ist  zu  einem  bestimmten  resultate  so 
gelangen:  vffl.  Schneider  zu  Piatons  Staat  bd.  I  vorr.  s.  IrXIV  ff.  wenn 
Cobet  H  auch  bei  Xenophon  herstellen  will,  so  entbehrt  dies,  so  viel 
ich  sehe,  jeder  handschriftlichen  autorität. 


Tli.  Bergk:  auz.  ▼.  Sophociis  iragoediae  ed.  A.  NaucL         366 

fühllen  das  bedflrfais  den  schwankenden  Sprachgebrauch  zu  fixieren^  noch 
mehr  aber  verlangten  die  Schulmeister  feste  regeln,  nun  sollte  man  er- 
warten dasz  man,  wie  es  anderwärts  geschehen  ist,  von  zwei  gleich- 
berechtigten formen  diejenige  auswählen  wfirde,  welche  deutlich  von 
andern  sich  schied  und  keinem  misverständnls  ausgesetzt  war,  also  dasz 
man  fj  für  die  erste  person  beibehielt,  dagegen  fjv  auf  die  dritte  be- 
schränkte, aber  dies  ist  nicht  geschehen,  sondern  man  zog  auch  für  die 
erste  person  die  vollere  form  f\V  vor:  daraus  schliesze  ich  (und  ich  lege 
auf  diese  folgerung  ein  besonderes  gewicht)  dasz  bereits  im  leben 
selbst  diese  form  die  herschende  war^);  es  zeigt  sich  ebensicht' 
lieh  das  streben  die  endungen  der  worte  zu  befestigen  und  zugleich, 
wenn  es  galt,  den  biatus  zu  beseitigen:  so  hatte  man  zwar  schon  früher 
^boSev,  aber  elTre,  4iTpUTäveu€,  iTPCt|yiM<iT€U€  gesagt,  während  jetzt 
das  N  regelmäszig  hinzutritt. 

Wenn  man  jetzt  bei  Sophokles  und  den  tragikern  Qberail,  wo  es 
das  versmasz  gestattet,  also  vor  consonanten  fj  herstellt,  so  scheint  mir 
dieses  verfahren  ziemlich  willkürlich:  die  hss.  wenigstens  unterstützen 
dasselbe  durchaus  nicht,  indem  sie  In  der  regel  fjv  darbieten,  während 
bei  Aristophanes  f{  sich  besser  erhalten  hat.  auf  die  abschreiber  ist  aller- 
dings kein  rechter  verlasz ,  sie  mögen  oft  genug  die  form  fiv ,  an  die  sie 
gewöhnt  waren,  willkürlich  substituiert  haben. ^)  Hermanns  versuch  die 
beiden  formen  als  aorist  und  imperfectum  zu  sondern  bewährt  sich  nidit, 
vielmehr  mögen  rücksichten  auf  den  wollaut  bei  der  wähl  zwischen  ?)V 
und  f\  eingewirkt  haben,  z.  b.  f\  empfahl  sich  vor  N,  selbst  wenn  inter- 
punction  stattfand,  wie  fvyr\  h*  ^KCtvou  npÖTcpov  fj,  vGv  ö'ouk^ti, 
ebenso  vor  r  und  gutturalen,  wo  bei  f)V  assimilation  eintreten  muste, 
also  fj  fäg  q>\Kr\  ^f\i),  Aesch.  cho.  521  irapf)  Toip,  Arist.  vögel  97  fj 
Tap  (Jj  Sevoi,  und  so  würde  sich  allerdings  OT.  801  f\  KeXeOdou  und 
1393  f)  Y^TUiC  empfehlen;  auch  vor  C  wäre  f)  angemessen,  obwol 
Phil.  1219  fjv  cot  steht,  vor  den  übrigen  consonanten  wird  man  f\V 
nicht  antasten,  wie  OT.  1355  fjv  9iXotci,  El.  1023  f)V  (puciv,  Trach. 
414  fjv  irdXai ,  OK.  768  fjv  Ou^oujiicvoc '  naturlich  kann  hier  auch  fj 
stehen,  wie  OT.  1123  f\  öoOXoc  durcli  Porphyrios  bezeugt  ist,  und  ebd. 
1389  f)  TUcpXöc  einige  gewähr  hat.^°)  am  scblusz  eines  satz^s  oder 
Satzgliedes  erscheint  fjv  angemessener,  nichtsdestoweniger  steht  in  die- 
sem falle  auch  fj  bei  Arist.  ritter  1338  und  vögel  1363,  wenn  schon  mit 
der  Variante  f)v.    bei  Platon  ist  es  schwer  zu  einer  sichern  entscheidung 

8)  wenn  wirklich,  wie  unsere  kritiker  annehmen,  f)  bei  den  tragi- 
kern fast  ausschlieszlicbe  geltong  gehabt  hätte,  so  wäre  auch  dies  nur 
ein  beweis  für  den  arcbaismus  des  tragischen  stiles.  9]  es  ist  dies 

sogar  in  dem  scholion  des  Porphyrios  geschehen,  wo  er  von  der  form  ff 
handelt,  es  wäre  übrigens  möglich  dasz  Porphyrios  beispiele  beider 
formen  aus  der  alten  Atthis  beibrachte,  und  dies  zu  dem  irtum  anlasz 
gab,  wie  ja  auch  der  Oedipas  anf  Kolonos  irtümlich  statt  des  Oedipas 
Tyrannos  genannt  wird.  10)  gieichmäszipfkeit  darf  man  in  solchen 

dingen  nicht  verlangen:  in  der  Inschrift  CIG.  I  76  aus  ol.  90,  2 — 3 
steht  kTi  und  IcTiv  beidemal  vor  t,  beidemal  ohne  dasz  interpunction 
stattfindet. 


366         Tb.  Eergk:  anz.  ▼.  Sophodis  tragoediae  ed.  A.  Naack. 

zu  gelangen ,  da  die  hss.  bestlndig  abweichen  (vgL  Schneider  za  Piaton 
a.  u.))  und  zwar  findet  sich  hier  f(  nicht  selten  aach  vor  Tocalen. 

Hr.  N.  ist  eigentlich  Vertreter  der  strengen  analogie:  man  sollte 
daher  erwarten,  dasz  Aristarch  vor  seinen  äugen  gnade  finden  würde; 
aber  das  berühmte  mitglied  des  Alezandrinischen  museums  ist  in  den  äugen 
seines  Petersburger  collegen  nur  ein  bemitleidenswerther  anfänger  *  des- 
sen  kritik  auf  der  stufe  frühester  kindheit  stand',  und  wenn  hr.  N.  den 
alten  Alexandriner  nicht  ganz  so  unglimpflidi  behandelt  wie  die  meisten 
jetzt  lebenden  deutschen  und  holländischen  philoIogen ,  so  geschieht  dies 
nur  aus  einem  gründe,  der  den  edlen  gesmnungen  hm.  N.s  alle  ehre 
macht:  *weil  es  widersinnig  wäre  zu  fordern,  dasz  der  einzelne  um  eine 
reihe  von  ungefähr  fünfzehn  Jahrhunderten  seiner  zeit  vorausgeeilt  sein 
sollte.'  ich  erlaube  mir  übrigens  hier  an  den  Worten  hrn.  N.s  mich  mit 
einer  conjeclur  zu  versuchen:  wenn  derselbe  von  ungefähr  fünfzehn 
Jahrhunderten  redet,  so  hat  er  sich  wol  versduieben:  denn  einen  rechen- 
fehler  wage  ich  bei  einem  so  exacten  gelehrten  nicht  vorauszusetzen, 
nemlich  wenn  wir  jene  zahl  festhalten,  dann  vriirden  wir  auf  das  14e 
Jahrhundert  geführt,  und  der  sinn  jener  bemerkung  wSjre,  man  dürfe 
nicht  verlangen,  dasz  Aristarch  auf  der  wissenschaftlichen  hohe  des 
Jahrhunderts  stehe,  dessen  Zierden  Thomas  Magister,  Manuel  Ho- 
lobolus (der  an  Aristarch  wenigstens  hinsichtlich  seiner  iuszem  lebens- 
schicksale  erinnert,  indem  auch  ihn  fürstliche  ungnade  hart  traf),  Maxi- 
mus  Planudes,  Noschopulus,  Triclinius  und  andere  koryphäen 
der  byzantinischen  erudition  waren:  denn  dasz  hr.  N.  diese  minner  als 
ideale  philologischer  wissenschaftlichkeit  verehren  sollte,  kann  ich  mir 
kaum  vorstellen,  wäre  das  12e  Jahrhundert  gemeint,  so  würde  mich  dies 
weniger  befremden:  denn  mit  den  ehrenwerUien  gebrüdem  Tzetzes  zeigt 
die  manier  des  hrn.  N.  öfter  eine  merkwürdige  familienähnlichkeit.  alleio 
sicherlich  hatte  hr.  N.  eigentlich  das  neunzehnte  Jahrhundert  im  sinne, 
und  nur  seine  angeborene  bescheidenheit  hielt  ihn  ab  mit  klaren  worten 
zusagen,  Aristarch  wäre,  wenn  er,  statt  die  schule  des  pedantischen 
Aristophanes  durchzumachen,  die  Unterweisung  des  berühmten  Verfassers 
der  biographie  des  Aristophanes  genossen  hätte,  ein  ganz  anderer  mann 
geworden:  wenigstens  ist  so  viel  gewis,  dasz  wir  dann  in  unserm  Homer 
nicht  mehr  die  unglückliche  conjectur  des  alezandrinischen  kritikers  ttoX- 
Xujv  b*  dvOpuiTTUJV  Tbev  äcrea  kqi  vöov  ^tvuü,  sondern  vielmehr  die 
glänzende  emendation  xai  vofiöv  IfVUJ  lesen  würden:  und  ich  glaube 
nicht ,  dasz  irgend  einer  der  modernen  Homeriker  diese  geniale  Charakte- 
ristik des  Odysseus,  der  die  weide  der  menschen  kennen  lernte, 
beanstanden  und  sich  der  gefahr  aussetzen  wird ,  dasz  man  ihm  ins  ge- 
steht sagt,  er  sei  unwürdig  ein  söhn  des  neunzehnten  Jahrhunderts  zu 
heiszen;  sondern  ich  hoffe  dasz  man  durch  neue  argumente  (man  könnte 
z.  b.  hier  recht  passend  an  das  abenteuer  bei  den  lotophagen  erinnern, 
auch  wenn  man  den  kyklopen  nicht  zu  den  menschen  zählen  wollte) 
sowie  durch  ähnliche  Verbesserungen  sei  es  im  Homer  sei  es  in  andern 
dichtem  diese  geniale  erfindung  unterstützen  wird. 

Diesem  streben  den  text  des  dichters  möglichst  uniform  zu  gestalten 


Th.  Bergk:  anz.  v.  Sophoclis  tragoediae  ed.  A.  Nauck.  367 

^ird  hr.  N.  in  auffallender  weise  untreu,  indem  er  an  mehreren  stellen 
in  versen  des  dialogs  aus  conjectur  ein  dreisilbiges  fJXuOov  herstellt,  z.  b. 
OT.  532.  Phil.  256.  nun  kommt  aber  diese  form  im  trimeter  zwar  bei 
Euripides,  dagegen  weder  bei  Sophokles  noch  bei  Aeschylos  vor:  auszer- 
dem  aber  sind  nirgends  die  Nauckschen  Änderungen  an  sich  wahrschein- 
lich, vielleicht  aber  kommt  bald  ein  anderer  kritlker,  der  fjXGov  ganz 
aus  dem  tragiker  entfernt.  —  In  der  Elektra  v.  732  schreibt  hr.  N.  mit 
berufuug  auf  Cobet  (novae  lect.  s.  168  f.)  ävoKU)X€U€i  statt  ävaKiuxcOet. 
dasz  dies  die  der  analogie  entsprechende  form  ist  haben  wir  längst  gewust; 
ich  habe  aber  immer  darüber  gerade  so  geurteilt  wie  Lobeck  pathol.  I 
s.  82:  ^his  omnibus  facile  est  litteram  o  restituere,  sed  non  faciendum 
videtur.'  die  Zeugnisse  und  beispiele  der  verkürzten  formen  sind  so  zahl- 
reich, dasz  man  unmöglich  darin  blosze  irtümer  unwissender  abschreiber 
erkennen  kann :  in  unserer  stelle  las  auch  Didymos  so ;  aus  seiner  TpaTiKri 
X&\c  stammt  der  artikel  des  Uesychios  dvaKu^x^ueiv,  der  mit  den  scho- 
llen zu  unserer  stelle,  die  ja  eben  aus  dem  commentar  des  Didymos  excer- 
piert  sind,  wörtlich  stimmt:  und  ebenfalls  aus  der  TpaTtKf)  \iixQ  des 
Didymos  ist  ein  anderer  artikel  des  Hesychios  entlehnt:  kujxcuouci,  eine 
form  die  gleichfalls  durch  die  autoritSt  des  Sophokles  belegt  wird,  der 
-in  den  Kafilxtoi  sagte  mcToi  fie  kujx€UOUCIV  Iv  cpop^  hiiiac. "]  redu- 
plicierte  bildungen  haben  hflufig  einbusze  erlitten,  manchmal  ist  die  redu- 
plication  vollständig  wieder  unterdrückt,  so  |LivrjcKiu  statt  jUtMVrjCKU), 
OUTT)  statt  dtoiUTt^,  was  Hecker  unrichtig  in  dirauini  verwandeln  wollte, 
ungemein  häufig  ist  ein  anlautender  consonant  abgestreift ;  auch  das  soge- 
nannte augroent  des  perfects  ist  nichts  anderes  als  verkürzte  reduplica- 
tion,  daher  auf  Inschriften  sich  öfter  noch  die  aspiration  erhalten  hat, 
wie  ä9^CTaXKa,  £i|in<ptC)yi^voc  usw.  beweisen,  seltener  ist  ein  anlauten- 
der vocal  getilgt:  völlig  gesiclierte  beispiele  sind  TpriTop€tV,  TPHTOpcic, 
YpnT<ipil<^i<^ 9  freilich  der  classischen  periode  fremd;  aber  mirui  fülirt 
neben  ÖTTtirui  Arkadios  (Herodian)  an,  und  so  erscheint  auch  das  nomen 
Trirrac  bei  Hesychios  gesichert,  auch  bwTUOC  (d.  i.  db^TOoc)  bei  Zona- 
ras  und  Suidas  sieht  unverdächtig  aus,  während  TfJTUMa  statt  dTf^TUjia 
wenigstens  durch  das  alleinige  zeugnis  des  Hesychios  nicht  genügend 
geschützt  istJ'}  so  konnte  man  also  statt  ÖKUJXCviuj  auch  kujX€UU),  und 
statt  dvoKWXil?  KaTOKUJXi^)  2)iOKU)xri  auch  ävaKUJXH)  KaraKiuxi^?  bta- 
Kwxn  sagen ;  denn  das  simpIex  ökujxii  (kiuxi^)  ist  nicht  üblich,  genau 
genommen  ist  übrigens  hier  consonant  und  vocal  unterdrückt,  da  ÖX€tv 
ursprünglich  mit  dem  digaroma  anlautete. 

Seltsam  ist  es,  dasz  hr.  N.  TrpocCT€lX€lV,  bucCTO|Li€tV  usw.  schreibt, 
während  doch  die  griecliische  spräche  die  gemination,  wenn  noch  ein 


11)  die  Xihc  Tpa^tKri  sowie  die  X^Eic  KW^lKl^  des  Didymos  enthiel- 
ten wesentlich  nur  die  rosultate  gelehrter  Studien,  welche  dieser  gram- 
matiker  in  seinen  umfassenden  cftmmentaren  zu  den  scenischen  dich- 
tem niedergelegt  hatte:  Didymos  mag  selbst  mit  rücksicht  auf  das 
f praktische  bedürfnis  diese  lezicalischen  arbeiten  redigiert  haben,  viel- 
eicht aber  sind  sie  erst  von  einem  schüler  zusammengestellt.  12}  ob 
xaox£lc6ai  redaplicierte  form  neben  a^x^v  ist,  steht  dahin. 


368         Th.  Bergk:  anz.  v.  Sophodis  iragoediae  ed.  A.  Kauck. 

coasonant  folgt,  in  der  regel  meidet,  weil  sie  nicht  gut  ohne  bSrte  h&rbar 
zu  machen  war.  ein  so  gründh'cher  -gelehrter  wie  der  Petersburger  aka- 
demiker  bat  gewis  gründe  für  diese  Orthographie,  aber  ich  möchte  dem 
Sophokles  kein  solches  *os  pingue'  zutrauen :  Dorier  und  Aeolier  schrie« 
hen  allerdings  sogar  'ApiccTOT€i'nuv,  TeX^ccrac,  ftcruicav  usw.,  aber 
lonier  und  Attiker  sprachen  und  schrieben  statt  toc  CTT]Xac  lieber  ra* 
CTTiXac,  ebenso  eicTTJXT)V,  if  Cdfiou  usw.  schauspielern  und  sSogern 
machte  ohnedies  das  C  zu  schaffen,  und  die  dichter  nahmen  darauf  ge- 
bührend rücksicht,  wenn  wir  den  Euripides  ausnehmen,  der  dafür  auch 
den  spott  der  komiker  erfuhr,  ich  benutze  diesen  anlasz,  um  auf  eine 
Variante  bei  Sophokles  Phil.  1391  aufmerksam  zu  machen:  ÖXX'  dxßa- 
XÖVT6C  ei  iraXiv  cdicouc'  5pa.  eine  form  wie  cuicouci,  wo  drei  silben 
hintereinander  mit  C  anlauten,  ist  nicht  gerade  euphonisch,  wenn  schon 
ähnliche  fälle  nicht  ganz  zu  Termeiden  waren,  wie  c^ceiCTOi,  Euccujca- 
cu)V  (vgl.  Lobeck  paralip.  s.  16  ff']-'')  nun  hat  aber  bei  Sophokles  der 
La  von  erster  band  cuiouc':  ich  halte  dies  nicht  für  einen  sdireibfehler, 
sondern  Sophokles  wird  mit  rücksicht  auf  den  wollaut  diese  form  vorge- 
zogen haben:  sie  ist  urkundlich  überliefert  in  der  eidesformel  einer 
aluttischen  Inschrift  CIG.  I  70  Ka\  rä  KOivd  TiZiv  CKOMßuivibiSJV  ahm 
KOt  dTTobuüCtu  irapa  tujv  €u6uvu)v  tö  KaOfiKOV.  ich  accentuiere  ctuw, 
denn  es  ist  nur.  das  C  getilgt;  Böckh  schreibt  cuiuü,  bemerkt  aber  tref- 
fend über  diese  form :  ^nempe  in  scriptoribus  grammatici  talia  deleveruot, 
sed  inscriptiones  hi  raro  attigerunt.' 

Da  ich  einmal  bei  diesem  formalen  teile  etwas  länger  verweilt  bin, 
so  will  ich  nur  noch  ein  paar  einzelheiten  herausheben. 

OK.  627  f{  firiTpöOcv  ibc  dKoOui  buciüvujia  X^crp*  inX^jcu) 
kann  das  letzte  wort  nicht  von  der  band  des  dichters  herrühren:  der 
ausdruck  X^KTpa  7r(|iTrXac6ai  läszt  sich  weder  sprachlich  rechtfertigen 
noch  mit  dem  feinen  gefühle  des  dichters  für  das  sittliche  und  schid^- 
liche  vereinigen,  ich  habe  daher  mit  leisester  änderung  lirXr)CO  zu 
schreiben  vorgeschlagen:  denn  dies  ist  der  übliche  ausdruck.  Sophokles 
selbst  nennt  den  Ixion  ireXärav  X^KTpuJV  Tuiiv  Aiöc,  und  die  Verbin- 
dung mit  dem  accusaliv  wird  durch  Eur.  Andr.  1140  fivoS  AeXqpibOC 
iK  TY^c  öuijua  TiekAZei  gerechtfertigt,  hr.  N.  schreibt  dagegen  ^ndcu), 
eine  änderung  die  gleichfalls  leicht  und  angemessen  ist,  wie  auch  Nei- 
neke  in  seiner  ausgäbe  dieser  tragddle  diese  correctur  aufgenommen  hat ; 
aber  was  hr.  N.  Eurip.  Studien  I  s.  113  gegen  meine  conjectur  erinnert, 
ist  nicht  begründet,    dasz  der  mediale  aorlst  sonst  bei  den  tragikern 


13)  Xenophon  anab.  V  4,  26  schreibt  mit  gutem  bewustsein  dXX' 
aÖToO  cOv  Totc  ^ocOvolc  KaTcxaiüÖTicav.  Gebet  novae  lect.  s.  321  ur- 
teilt hierüber  ganz  irrig,  indem  er  sagt:  'forma  6  ^öcuyoc  pro  |li6cuv 
in  Graecolonim  cerebris  nata  est',  und  corrigiert  nach  Buttmanns  Vor- 
gang aÖTOiv  Totv  ^ocOvoiv.  aber  von  einem  fremdworte  kann  map 
keinen  dual  bilden,  ebenso  wenig  mc^shte  Xenophon  ^öcuci  sagen,  weil 
dies,  wie  schon  Krüger  erinnert,  nicht  euphonisch  war;  er  gebraucht 
daher  ein  heterokliton,  was  er  vielleicht  selbst  gebildet  bat:  Td  )yi6cvva 
kommt  allerdings  nur  bei  spätem  vor,  kann  aber  doch  alt  sein.  Aa» 
Yolk  heiszt  nicht  nur  Möccuvec,  sondern  auch  Möccuvoi. 


Th.  Bergk:  anz.  v.  Sophodis  tragoediae  ed.  A.  Nauck.         369 

nicht  vorkommt,  sondern  dnXdOnv,  weisz  ich  fingst;  allein  Sophokles 
gebraucht  so  viel  epische  formen ,  seine  spräche  ist  so  manigfaltig ,  dasz 
ein  solches  änai  elpilM^VOV  nicht  befremdet:  kommt  doch  z.  b.  aach 
die  form  ^jiijLiev  nur  Einmal  vor.  ausserdem  liesze  sich  dasselbe  argu- 
ment  auch  gegen  hrn.  N.s  conjectur  geltend  machen:  denn  das  dorische 
verbum.  irdojiai  gebraucht  Sophokles  sonst  nirgends,  hr.  N.,  der  eine 
ganz  besondere  Vorliebe  fflr  dies  wort  bat,  will  freilich  in  der  Elektra 
v.  841  iia^oCxoc  sutt  irdjiiiiiuxoc,  und  im  Inachos  fr.  219  "'Ivaxc 
irärop  statt  Yevvarop  herstellen,  aber  dies  sind  ganz  verunglückte 
conjecturen.  **)  hr.  N.  bemerkt  ferner  mit  groszem  pathos :  *aber  welcher 
Grieche  hätte  eine  Verbindung  wie  pT]Tpö6€V  X^KTpa  £TrXd6T]C  sich 
jemals  auch  nur  im  träume  einfallen  lassen?  meinte  vielleicht  Bergk^ 
Sophokles  habe  ^n^pödcv  X^KTpa  statt  ßryrQÖQ  X^KTpa  gesagt?'  aller- 
dings  ist  dies  meine  meinung,  die  ich  aucli  mit  oder  ohne  die  erlaubnis 
hrn.  N.s  festhalten  werde :  denn  selbst  wenn  einer  die  vulgata  vertheidi- 
gen  oder  N.s  conjectur  dndcu)  vorziehen  würde,  so  müste  man  immer 
fir)Tpö6€V  mit  X^KTpa  im  sinne  des  genitivs  ^rt'cpäc  oder  des  adjectiv» 
^Tirpiiia  verbinden:  denn  wollte  man  jir]Tpö6€V  zu  dirdcu)  in  ein  engeres 
Verhältnis  setzen ,  dann  würde  ja  die  mutter  nur  als  stifterin  der  ehe  be- 
zeichnet werden,  was  hier  nicht  passt,  und  an  sich  gar  nichts  unsittliches 
oder  unerhörtes  w9re.  diese  alten  casusformen,  obwol  meistenteils  als 
adverbia  gebraucht,  haben  doch  nicht  selten  ihre  ursprüngliche  bedeutung 
gewahrt,  und  daher  kann  wie  zu  jedem  andern  nomen  auch  ein  adjeciiv 
oder  parilcipium  oder  relativsatz  hinzutreten,  wenn  Homer  sagt  Z€U 
ndrep  ''Ibri^V  ^cb^UJV,  so  ist,  wenn  es  auch  die  subtilitüt  unserer 
grammatiker  nicht  leicht  zugeben  mag ,  dies  nicht  verschieden  von  dem 
genitiv  ''lÖTic,  der  dem  alten  ablativ  gleichberechtigt  ist,  vgl.  Aujöwvnc 
^€b€wv  bucx€i|i^pou  oder  X^^P^  KuXXdvac  ö  ^^Ö€ic.  ferner  in  der 
formel  iravTÖOev  dpxö^evoc  ^cXdujv  ist  dieser  ablativ  sogar  mit  einem 
genitiv  des  pluralis  verbunden;  wenn  Aristarch  irdvTUJV  las,  so  ist  dies 
nur  eine  anderung ,  durch  die  man  jene  auffallende  Verbindung  beseitigen 
wollte,  die  aber  ebenso  gerechtfertigt  ist  wie  wenn  ÖOev  sich  auf  einen 
plural  bezieht,  ebenso  kann  man  bei  Pindar  Pyth.  2,  48  rd  juaTpöde 
ixiv  KQTUJ,  rd  b*  ÖTrepGe  Trorpöc  fassen,  und  wenn  Aeschylos  in  den  sie- 
ben V.  823  sagt  narpöOev  euKTafa  qpdTtc,  so  haben  dies  die  abschrei- 
ber,  die  iraTpijja  substituierten,  noch  richtig  verstanden;  und  auch  bei 
Sophokles  ist  in  irXeupöBev  rrXevpdv  irapeic  der  begrilT  des  nomen» 
nkhi  völlig  verdunkelt,  selbst  den  Alexandrinern  ist  das  richtige  Ver- 
ständnis dieser  formen  noch  nicht  abhanden  gekommen;  Dosiadas  oder 
vielmehr  Besantinus  schreibt  im  altar  v.  18 :  cu  b '  (!)  irtübv  KprjvriOev^ 
fjv  Ivic  KÖXaipc  fopTÖvoc. 

OK.  475  habe  ich  oiöc  veaipac  geschrieben,  weil  mir  dies  die 


14)  hr.  N.  hat  sehr  scharfsinnig^  bei  Eoripides  fr.  660  XPjmdjwv  TroX- 
Xuiv  irdTUip  statt  irarfip  verbessert,  aber  im  Phaethon  wird  man  sich 
wol-  bei  der  überlieferten  lesart  di  bicttora  beruhigen  können;  ebenso- 
wenig war  Lykophron  v.  619  zu  ändern,  oder  bei  Euripides  fr.  21,  7 
ireTiUiMeSa  zn  schreiben,    in  Soph.  £1.  empfiehlt  hr.  N.  jetzt  Tt^oOxoc. 


370         Th.  Bergk:  «bz.  v,  Sopboclis  tragoediae  ed.  A.  Nauck. 

leichteste  änderung  schien,  da  die  hsl.  lesart  vcapfic  das  metrum  zer- 
stört, hier  belehrt  mich  hr.  N.:  Mas  nomen  propriam  N^aipa  ist  die 
femininalform  zu  N^uiv  (vgl.  ir^irtuv  Trdireipa,  Triuiv  rrieipa  u.  1)  und 
ein  adj.  v^uiv  ist  nicht  nachzuweisen.'  die  seltsame  regel  ist  lediglich 
eine  erfindong  des  gelehrten  grammalikers :  irieipa  ist  natäriich  nicht 
von  irlu)V  gebildet,  wie  hr.  M.  anzunehmen  scheint,  sondern  vom  »stamme 
TTIEP,  daher  ja  auch  die  landschaft  wegen  ihrer  fruchtbarkeit  TTiepia 
heiszt,  und  der  bewohnerTTiT]p.  ebenso  wenig  hat  TT^TTCipa  mit  irdffwv 
ein  unmittelbares  Verhältnis;  dagegen  ist  von  ^&Kaipa  der  stamm  sdbst 
erlialten  fidKap,  der  nach  N.s  regel  fidKUiV  lauten  mfiste.  man  erkennt 
daraus',  mit  welcher  flachtigkeit  hr.  N.  grammatische  regeln  aufstellt, 
wie  es  neben  Y^P^^pd  ein  substantivisch  gebrauchtes  t^paipa  gibt  (ge- 
wöhnlich fehlerhaft  betont  T^poiTpat  oder  gar  Ycpoapaf),  welches  nicht 
von  Tcpapöc,  sondern  von  dem  stamme  TEPAP  abzuleiten  ist,  gerade  so 
bildete  man  neben  veapd  auch  V^aipa  (d.  i.  NEAPIA):  dies  kommt  aber 
nicht  blosz  als  eigenname  vor,  sondern  v€taipa  wird  bekanntlich  sowol 
als  adjectivum  (in  der  speciellen  bedeutung  des  untersten  teils  wie  veaTT)) 
als  auch  als  subst.  (der  Unterleib)  gebraucht:  die  form  v^atpa  ist  durch 
Simonides  fr.  243  vtoipav  TvdOov  genügend  geschätzt  formell  ist  ge- 
gen die  conjectur  nichts  einzuwenden ;  aber  ich  vermag  nicht  nachzuwei- 
sen, dasz  v^aipa  in  dem  sinne  von  jung  gebraucht  worden  ist,  und  will 
daher  diese  Vermutung  gern  fallen  lassen,  obwol  keiner  der  verbesserungs- 
vorschlage,  welche  von  andern  gemacht  sind,  grosze  probabilität  hat. 

Die  handhabung  der  kritik  im  Sophokles  ist  äuszerst  unsicher,  sie 
ist  schwieriger  als  im  Aeschylos  und  Euripides:  denn  jene  dichter  haben 
ihren  eigentümlichen  stil  ausgebildet,  und  der  kritiker  der  damit  vertraut 
ist  vermag  dort  leichter  das  echte  von  dem  unechten  zu.  scheiden,  das  ver- 
derbte herzustellen,  dagegen  Sophokles  Schreibart  ist  viel  manigfaltiger, 
sein  ausdruck  ist  oft  ganz  neu  und  ungewöhnlich,  daher  ist  es  nicht 
leicht  überall  zu  einem  klaren  Verständnis  zu  gelangen;  daher  sind  so 
viele  stellen  ohne  rechten  grund  von  den  krllikern  angefochten  worden: 
daher  ist  selbst  da ,  wo  die  Verderbnis  unzweifelhaft  vorliegt,  die  heilung 
des  Schadens  mehr  oder  weniger  unsicher,  eben  daher  kommt  es  auch, 
dasz  von  den  zahllosen  Vermutungen,  welche  namentlich  in  der  neueren 
zeit  gerade  in  den  tragödien  des  Sophokles  aufgestellt  sind,  nur  eine 
mftszige  zahl  sich  bei  unbefangener,  gewissenhafter  prüfung  als  gelungen 
oder  doch  wahrscheinlich  bewährt,  darum  sehen  wir  auch,  wie  in  der 
regel  ein  jeder  neue  herausgeber  und  kritiker  von  den  leistungen  seiner 
Vorgänger  wenig  befriedigt  ist,  und  vieles  was  man  als  geniale  reslitu- 
tion  oder  glänzende  entdeckung  bewundert  hatte,  wieder  entschieden 
verwirft.  SeyfTert  z.  b.  ist  von  der  conjecturalkritik  Dindorfs  im  Sopho- 
kles wenig  erbaut  (s.  vorr.  zu  Phil.  s.  XllI) ,  aber  Seyfferts  versuche  wer- 
den schwerlich  dem  gleichen  Schicksal  entgehen.  L.  Spengel  hat  vor 
einiger  zeit  im  philologus  (XIX  s.  437  ff.)  in  einem  sehr  beachtenswerthen 
aufsatze  über  den  Oedipus  auf  Kolonos  an  dem  beispiel  seiner  Vorgänger 
nachgewiesen,  wie  die  kritik  im  Sophokles  vielfach  irre  gehe,  aber  zu- 
gleich durch  sein  eignes  beispiel  die  Wahrheit  dieses  satzes  von  neuem 


Th.  Bergk:  anz.  v.  SophocUs  tragoediae  ed.  A.  Nauck.         371 

bestaiigL  wenn  er  z.  b.  OK.  479  öXov  vertheidJgt ,  so  bin  ich  völlig 
aoszer  slande  seine  erklärung  zu  verstehen,  die  sldJe  ist  durchaus  nteht 
in  Ordnung:  denn  es  ist  ganz  undenkbar,  dasz  zuerst  das  schupfen  des 
Wassers  aus  dem  heiligen  quell ,  und  dann  erst  die  gefäsze  die  dazu  be- 
stimmt waren,  erwähnt  werden  sollten,  die  KpaTf)pec  v.  472  sind 
«eigentlich  ööpiai,  daher  werden  sie  auch  v.  478  Kpwccot  genannt,  der 
Zusatz  olc  X^Yeic  beweist  ganz  deutlich  die  identitflt;  mit  demselben 
geHlsz,  in  welchem  das  wasser  geholt  ist,  wird  auch  die  spende  darge- 
bracht, es  bedarf  also  notwendig  einer  Umsetzung  der  verse,  um  die 
gestörte  Ordnung  wiederherzustellen,   ich  lese : 

XO.  6o0  vuv  KaOapfiöv  Tuivbc  baijiövuiv,  £9 '  Sc  466 

TÖ  irpiüTov  !kou  Kai  Kor^creixiiac  itäov.  467 

j     Ol.   TpÖTTOlCl  TTOiolC,  tu  S^VOl,  blb(iCK€T€.  468 

XO.  Kpatf^pec  ctclv,  dvöpöc  eöxeipoc  t^x^H?  ^72 

(Lv  KpäT'  £p€i|iov  Kai  Xaßotc  ä|i9itTÖ|i0uc.  473 

Ol.  OaXXoiciv  i^  KpÖKaictv  fi  Tioiiu  rpöirip ;  474 

XO.  oiöc  veujpoOc  veoTrÖKqi  jnaXAtfi  XaßiÄv.  475 

Ol.  €T€V  TÖ  b'  ?Ve€V  7101  T€X6UTf|cai  M«  XP^J  ^76 

XO.  Trp&TOV  }xiy  lepäc  ii  deipuxou  xoäc  469 

Kpnviic  4v€TKoO,  b\'  6duiv  xeip&v  9itwv.  470 

Ol.  ÖTOV  bk  TOÖTO  xcOn*  dKiiparov  Xdßui;  471 

XO.  xootc  x^acOai  crdvra  Tipöc  7rpiI)TT|v  ?ui.  477 

Ol.  fl  ToTcbc  Kpwccoic  olc  X^T€ic  xiix)  Tdb€ ;  478 

XO.  Tpiccdc  TC  irrffdc-  töv  reXeirraiov  b'  öXov  —       479 
Ol.  Toö  TÖvbc  irXricac  9ijj  ;  b(bacK€  Kai  TÖbe.  480 

XO.  uboTOc,  ^cXiccTic,  \xi\bk  7rpoc9^p€iv  fi^9u. 
die  Umstellung  der  verse  in  den  hss.  ist  keine  zufallige,  sondern  eine 
beabsichtigte;  man  nahm  daran  anstosz,  dasz  Trpu)TOV  julv  nicht  die  reihe 
der  Vorschriften  des  chors  eröffnet,  und  dieses  bedenken  wurde  noch 
gesteigert  durch  das  unmittelbar  vorausgehende  not  TeX€UTf]ca(  |i€  XPH ; 
zuerst  werden  die  kröge,  wie  es  bei  heiligen  handlungen  flblich  war, 
mit  einer  v^ollenen  binde  umwunden ;  dann  wird  das  wasser  geholt;  der 
ausdruck  noT  reXeuTncai  ist  auffallend,  aber  ich  wage  nichts  zu  andern, 
es  war  dies  vielleicht  eine  formel  des  sacralrechts.  nun  wird  die  spende 
selbst  dargebracht:  rpiccdc  T€  iniTdc  ist  so  viel  als  xpiccdc  T€  xodc 
übaTOC.  wahrscheinlich  befanden  sich  drei  krflge  im  heiligtum,  entspre- 
chend der  dreizahl  der  Eumeniden:  dreimal  fOllte  man  jeden  krug  mit 
wasser  und  gosz  ihn  aus,  so  dasz  jede  göttin  drei  xoa(  erhielt,  auszer- 
dem  aber  brachte  man  noch  zum  schlusz  jeder  der  Eumeniden  eine  spende 
mit  jueXiKparov  dar;  hier  passt  aber  der  ausdruck  ÖXov  nicht:  vollge- 
fflllt  yvaren  ja  ualürlich  die  krQge  auch  vorher,  ebenso  wurden  sie  jedes- 
mal vollständig  ausgegossen :  es  ist  notwendig  zu  schreiben  töv  TeXeu- 
laiov  b'  £Xi()V,  wie  auch  schon  Schneidewin  vermutet  hat.  über  die 
bereitung  des  peXiKpcrrov  verweise  ich  auf  Alexander  von  Aphrodisias 
zur  metaphysik  des  Aristoteles  s.  807,  wo  verschiedene  mischungsver- 
hältnisse  angeführt  werden:  %  honig  und  Y3  wasser,  oder  honig  und 
wasser  zu  gleichen  teilen,  oder  wasser,  honig,  saffran  je  V3*  die  anwen- 


372         Tb«  Bergk :  anz.  v.  Sophociis  tragoediae  ed.  ^  Nauck. 

düng  des  KpÖKOC  bei  den  KaOap^o{  bezeugt  aucb  Photlos  u.  KpOKuuv. 
—  leb  hebe  nur  noch  öine  stelle  hervor,  OK.  1231,  wo  Spengel  mit 
Hermann  Tic  irXäTXOn  ^oXu  jiöxOoc  £Su),  Tic  oä  Ka^äTUlV  Ivi; 
statt  iToXijjioxBoc  schreibt  und  diese  conjectur  durch  Verweisung  auf  die 
redefigur  des  Gorgias:  t{  y&p  diriiv  TOic  dvbpäct  toütoic,  Ojv  bei 
dvbpäci  TTpoceTvai ;  ti  bk  Kai  7rpocf)v ,  (Lv  oö  bei  irpoceivai ;  zu 
unterstützen  sucht,  diese  conjectur,  welche  flbrigens  Hermann  selbst 
in  seiner  letzten  ausgäbe  wieder  zurückgenommen  hat,  Ist  zu  leicht  und 
eiufach,  um  wahrscheinlich  zu  sein.  iroXujyioxBoc  ist  ein  der  Jüngern 
tragödie  sehr  geläufiges  wort;  wer  möchte  glauben  dasz  der  dichter,  der 
gerade  in  solchen  chorliedem  für  das  leichte  Verständnis  sorge  tragen 
und  jede  amphibolie  vermeiden  muste,  die  zwei  werte  ttoXü  lud  füiöx^oc 
so  an  einander  geruckt  habe ,  dasz  sie  jeder  unwillkürlich  zu  dinem  be- 
griff TToXujLtoxOoc  verbinden  muste?  die  conjectur  ist  aber  auch  noch 
aus  einem  andern  gründe  verwerflich:  der  dichter  kann  einen  allgemeinen 
begrifT  auf  die  verschiedenste  weise  specialisieren,  z.  b.  das  einfache  eivai 
wird  auf  das  manigfachste  variiert;  aber  in  einem  negativen  satze  hat  das 
ausmalen  und  individualisieren  keine  stelle:  denn  das  negative  ist  semer 
natur  nach  gestaltlos;  der  dichter  konnte  sagen  Tic  jitöxOoc  äneavf 
oder  Tic  MÖXÖoc  ßui ,  aber  ßui  dTrXdtTXÖn  oder  gar  dTrXdrXÖTl  ^oXi) 
lEiA)  ist  unzulässig,  mein  verschlag  Taic  statt  Tic  zu  schreiben,  den 
Spengel  weit  wegwirft,  liesze  sich  sogar  mit  jener  belobten  figur  ver- 
einigen, indem  man  schriebe  TOic  TrXdTXÖT],  Tic  6  pöxOoc  ßu),  Tic 
oö  KajLidTiuv  Ivi;  aber  wie  schon  bemerkt,  möchte  ich  iroXujüioxdoc 
nicht  autasten,  die  Verderbnis  liegt  sicherlich  in  TrXdTX^H)  ^^^^^  ^^^ 
lese  TIC  TrXatd  iroXujiioxBoc  ßu);  diese  änderung  ist  nicht  so  leise, 
wie  man  sie  verlangt,  aber  es  war  wol  TTAHrH  oder  auch  TTAArH 
geschrieben,  dies  wurde  als  verbum  iirXiiifr)  aufgefaszt  und  dann  in 
TrXdTXÖil  verwandelt,  vgl.  Hesychios:  irXttTXÖ^VTec '  TrXr|T^VT€C,  TrXa- 
VTi6^VT€C.  sehr  frei  hat  hr.  N.  die  Überlieferung  umgestaltet  Tic  M^X' 
8oc  TToXunXaTKTOC  Ku) ,  da  würde  doch  Tic  TiXdva  noXu|LioxBoc  weit 
näher  liegen ,  aber  dies  konnte  der  kritiker  wegen  des  trochäus  im  ersten 
fusze  nicht  brauchen.  Dindorf  improvisiert  nach  seiner  weise  Tic  irXdtX^n 
KaKÖTOTOc  l£ui; 

Dazu  kommt  die  äuszerst  nachlässige  und  fehlerhafte  Überlieferung, 
die  von  dem  texte  der  Alexandriner  sich  viel  weiter  entfernt  als  z.  b.  die 
handschriften  Pindars.  man  hat  eben  in  byzantinischer  zeit  einen  teil, 
den  man  nicht  recht  lesen  konnte,  den  man  nicht  mehr  verstand,  oft  in 
sehr  freier  weise  abgeändert. ")   die  Verderbnis  hat  oft  mehrere  Stadien 


16)  wie  schlecht  und  undeutlich  oft  alexandrinische  handachriftei^ 
geschrieben  waren,  kann  man  recht  klar  erkennen  an  dem  facBimild 
des  Pariser  papyrus,  welcher  die  neu  aufgefundenen  brachstücke  eines 
gedichtes  von  Alkman  enthält,  kein  wunder,  wenn  solche  hss.  später 
von  unwissenden  abschreibern  ganz  gedankenlos  und  mechanisch  copiert 
wurden,  wie  die  fragmente  des  Pha'ethon  von  Euripides  beweisen,  di6 
den  schlechtesten  lateinischen  hss.  ziemlich  nahe  kommen,  ein  cor- 
rector,  wenn  ihm  nur  die  bereits  fehlerhafte  und  undeutliche  vorUge 


Tb.  Bergk :  anz.  v.  Sophoclis  tragoediae  ed.  A.  Nauck.  373 

<lurcbgemacbt ,  und  mit  gelinden  mittein  ist  hies  nicht  auszukommen; 
freilich  liegt  ei>en  deshalb  die  gefahr  neuen  irtums  und  willkürlicher 
Minderung  so  nahe,    so  z.  b.  OK.  841: 

irpÖßoO'  J»Ö€,  ßäT€  ßäx',  fVTOTTOl- 

TTÖXic  dvaipCTOu,  nöXic  i^iä  cO^vci* 

TrpößaO'  &bi  jüiot. 
<len  mittleren  vers  hat  man  auf  verschiedene  weise  zu  verbessern  ver- 
sucht, ohne  erfolg,  auch  die  conjectur  von  Melneke  ist  ganz  unzulässig; 
gerade  an  dem  seltsamen  ausdruck  iröXic  ^vaipcTat  hat  man  gar  keinen 
anstosz  genommen,  ich  lese:  nöXcjiOC  alperai,  nöXefioc  dc6e- 
V€i.  der  chor  ruft,  indem  Kreon  gewalt  anwendet,  die  umwohnenden 
zu  hülfe,  und  bezeichnet  eben  die  gewaltthat  des  fremden,  die  der  chor 
in  seiner  schwSche  nicht  zu  hindern  vermag,  als  einen  act  der  feind- 
«eligkeit,  als  anfang  des  krieges :  es  war  dies  wol  die  gevvöhnlicbe  formet 
•des  kriegsgeschreis ,  daher  auch  ganz  ähnlich  bei  Aristoph.  vÖgel  1189 
iTÖX€|iOC  alpcTOu,  TTÖXcfüioc  oö  qpoTÖc  npöc  iiik  Kai  Oeouc*  dXXd 
<püXaTT€  n&c.  Sophokles  verbindet  iröXcjiOC  atp€Tai  mit  dem  dativ, 
wie  Aesch.  hik.  422  f|  xoiciv  f\  TOic  tröXc^ov  atp€c9ai  jU^T«v  iräc' 
icj'  ävdTKT],  ebenso  der  komiker  Piaton  bei  Priscian  XVlil  221  (der 
richtig  die  zwiefache  structur  angibt)  8c  iTpu)Ta  p^v  KX^wvi  TröX€|Liov 
t^pdjLiiiv,  Aristophanes  dagegen  gebraucht  die  prSp.  TTpöc,  ebenso  im  an- 
hange zu  der  rhetorik  an  Alexander:  TröXcpov  bk  hex  aip€ic6ai  (lies 
af  p€c6ai"))  TTpöc  touc  dbiK€iv  ImxcipoOvrac  Tf|v  ttöXiv  f{  Toiic 
<piXouc  fj  (iies  Kai)  touc  (ist  zu  streichen)  cumudxouc  aörf^c.  meine 
ünderung  im  Sophokles  wird  kühner  erscheinen  als  sie  eigentlich  ist :  es 

A  A 

war  TT0A1P€TAITT0AC9€N€I  geschrieben,  mit   einer   abbreviatur   die 

«benso  gut  iröXc^oc  als  tiöXic  bedeuten  kann;  ein  leser  oder  Schreiber, 
der  die  stelle  nocii  richtig  verstand,  fügte,  um  jedem  misverständnis  vor- 
zubeugen ,  beidemal  hinter  A  hinzu  €M ,  aber  gerade  dies  ward  von  dem 
folgenden  Schreiber  roisverstanden :  indem  er  darin  eine  Verbesserung  des 
texles  zu  erblicken  glauble,  machte  er  daraus  tröXic  ^vaip€Tai,  ttöXic 
^jLid  c6^V€i.  hier  haben  wir  eine  probe  des  Verfahrens,  welches  der 
byzantinische  kriliker  bei  seiner  redaction  beobachtete:  von  ihm  wird 
auch  das  scholion  herrühren,  welches,  wie  viele  andere  bemerkungen, 
Bicfat  excerpl  aus  den  alten  conuneniaren ,  sondern  nur  autoschediasma 
eines  Byzantiners  ist. 


des  copisten  zur  band  war  und  er  nicht  etwa  ein  älteres  besseres 
ezemplar  vergleichen  konnte,  war  völlig  anszer  stand  überall  das  rich- 
tige herzustellen ,  auch  wenn  er  noch  so  kenntnisreich  and  besonnen  war. 
16)  derselbe  fehler  findet  sich  auch  sonst  ganz  regelmässig,  sowol 
in  dieser  Verbindung  (wie  in  dem  briefe  des  Philippos  9  titip  bi  Kcp- 
coßX^iTTOU  iröXcfxov  mpctcOai  irp6c  Vmöc)  als  aucn  anderwärts,  z.  b. 
bei  Theophrast  cbar.  27  K&v  irou  kkrfi^  eic  ^HpaKXetov,  t>i\^ac  t6  i^d- 
Tiov  TÖv  ßoOv  aip€tc6ai,  Xva  TpaxT)X(c^,  wo  natürlich  alpecOat  zu  schrei- 
ben ist,  wie  auch  re^elmäszig  auf  attischen  Inschriften  in  diesein  falle 
sich  findet,  z.  b.  bei  Urlichs  verh.  der  philol.  ges.  I  8  fipavTO  bi  Kai 
-Toüc  ßoOc  6lc  'CXeiidva  Tfl  Qvciq,  II  78  und  79.  III  28. 


374         Th.  Bergk :  anz.  v.  Sophociis  tragoediae  ed.  A.  Nauck. 

Sind  doch  selbst  principielle  fragen  von  bedeulung  noch  keinesweg» 
so  erledigt,  dasz  ein  allgemeines  urteil  feststände.  Spengel  belobt  Din- 
dorf  wegen  seiner  enldeckung,  dasz  der  codex  Laurentianus  für 
Aeschylos  und  Sophokles  die  quelle  aller  übrigen  noch  vorhandenen  ab- 
schnften  sei;  so  viel  ich  aber  weisz  hat  Cobet  zuerst  diese  ansieht  aus- 
gesprochen und  Dindorf  diese  hypothese  nur  weiter  ausgeführt,  es  ist 
übrigens  diese  entdeckung,  die  Spengel  als  die  wichtigste  und  frucht- 
bringendste bezeichnet,  gar  nicht  von  so  erheblichen  folgen  gewesen: 
denn  den  wahren  *werth  dieser  handschrift  hatten  auch  die  froheren 
längst  erkannt,  die  ausschlieszliche  geltung  aber,  die  ihr  nach  Gebets 
und  Dindorfs  hypothese  eigentlich  zukommen  wflrde,  wird  ihr  nicht  ein- 
mal von  Dindorf  eingeräumt,  den  SeylTert  eben  deshalb  tadelt,  dasz  er 
sich  nicht  möglichst  eng  an  den  Laurentianus  anschliesze.  denn  Dindorfs 
verfahren  ist  wesentlich  eklektisch,  und  er  verdient  deshalb  eher  lob  als 
tadel;  aber  man  sieht  auch  dasz  jene  hypothese  über  das  Verhältnis  des 
Laur.  zu  den  übrigen  hss.  eben  nur  eine  theorie  ist,  deren  praktische 
consequenzen  man  nicht  zu  ziehen  wagt,  ich  begreife  überhaupt  nicht, 
wie  man  eine  so  luftige  Vermutung  aufstellen  konnte ;  man  scheint  dabei 
von  der  völlig  unhistorischen  Voraussetzung  auszugehen,  als  sei  das 
wissenschaftliche  leben  im  byzantinischen  reiche  ebenso  gesunken  ge- 
wesen wie  im  abendlande,  aber  die  Schriften  der  classiker  die  (naturlich 
in  eider  auswahl)  überall  in  den  schulen  gelesen  und  erklärt  wurden  (la 
TrpaTTÖjiCva),  wozu  eben  auch  stücke  der  drei  tragiker  gehörten,  cur- 
sierten  in  mehr  oder  minder  zahlreichen  abschriAen:  der  codex  Laur. 
repräsentiert  eben  nur  die  älteren  und  besseren  mittelalterlichen  Codices 
der  tragiker,  es  gab  daneben  ähnliche  exemplare,  aus  denen  zum  teil  die 
jüngeren  hss.  abzuleiten  sind,  ein  dunkles  gefühl  des  richtigen  Hegt 
übrigens  jener  hypothese  von  Cobet  und  Dindorf  zu  gründe :  nemlich  die 
auffallende  Übereinstimmung  aller  hss.  in  lesarten,  die  wir  den  testen 
der  Alexandriner  nicht  zutrauen  dürfen,  obschon  auch  diese  nicht  fehler- 
frei waren,  weist  notwendig  auf  einen  gemeinsamen  Ursprung,  auf  die 
recension  eines  byzantinischen  grammatikers  hin,  der  eben  diese  auswahl 
von  je  sieben  stücken  für  den  -zweck  des  Unterrichts  traf  und  den  text 
revidierte;  aber  diese  recension  ist  natürlich  älter  als  der  codex  Lau- 
rentianus. 

Hr.  N.  gehl  in  seiner  kritik  oft  sehr  kühn  zu  werke,  nur  Dindori 
dürfte  es  ihm  hierin  zuvorthun :  jedenfalls  hat  kaum  ein  anderer  heraus- 
geber  des  Sophokles  so  zahlreiche  textesänderungeu  aus  conjectur  vorge- 
schlagen als  hr.  N. ,  mit  welchem  erfolge  wird  am  besten  die  zeit  lehren» 
Spengel  hält  von  mehr  als  hundert  vorschlagen  Naucks  nur  eine  ^^°' 
zige  änderung  für  richüg,  nemlich  OK.  654  jU#|  biöacx'  ÖXP^  ^^^^\ 
für  jüt€  bpäv,  eine  conjectur  die  zwar  leicht  und  recht  speciös  ist,  iot 
mir  weder  notwendig  noch  auch  angemessen  erscheint,  indem  die  wor 
dem  blinden  Oedipus  gegenüber  eine  nicht  eben  wolthuende  spitzt  ^ 
halten,   ich  mache  diese  bemerkung  nicht  etwa,  um  damit  zu  sagen,  J^ 
sei  von  hrn.  N.s  Verbesserungen  keine  einzige,  probehaltig  erfunden ,  s 
dem  Spengels  urteil  ist  auch  hier  wie  in  anderen  fällen  zu  herb  u 


Th.  Bergk:  anz.  v.  Sophoclis  tragoediae  ed.  A.  Nauck.  375 

schroff:  unter  den  conjecturen  N.s  'finden  sich  in  der  Ihat  gar  manche 
treffende  und  beifallswerthe ;  die  mehrzahl  freilich  ist  problematisch  oder 
entschieden  verfehlt. 

Hr.  N.  verwahrt  sich  in  der  vorrede  gegen  den  vonvurf ,  der  ihm, 
wie  er  sagt,  gemacht  sei,  dasz  er  zu  frei  und  willkürlich  mit  der  Über- 
lieferung umgehe;  allein  wenn  er  zu  seiner  rechtferligung  den  grundsatz 
aufstellt ,  dasz  überall ,  wo  sich  etwas  besseres  als  die  überlieferte  lesart 
finden  lasse,  die  stelle  für  verdorben  zu  erachten  sei ,  so  heiszt  dies ,  zu- 
mal der  begriff  des  besseren  ein  sehr  schwankender  und  von  subjectivem 
belieben  abhängiger  ist,  den  dichter  selbst,  nicht  die  abschreiber  corri- 
gieren.  Heimsoeth  befindet  sich  wesentlich  auf  dem  gleichem  standpuncle, 
nur  hat  er  noch  weniger  respecl  vor  der  Überlieferung,  wahrend  er  an- 
derseits auch  wieder  aus  dem  allernichtsnutzigsten  codex  vermeintliche 
goldkömer  zu  gewinnen  bemüht  ist.  Heimsoeth  schüttet  mit  bewun- 
dernswürdiger leichtigkeit  aus  seinem  unerschöpflichen  füllhom  conjec- 
turen aus,  diese  conjecturen  sind  meist  gefällig  und,  was  Ich  hoch  an- 
schlage, verständlich:  denn  wir  haben  namhafte  kritiker,  deren  conjectu- 
ren man  ohne  erklärenden  commentar  gar  nicht  versteht,  oder  die,  wenn 
sie  in  einer  hs.  sich  vorfänden ,  unbedenklich  als  corruptel  oder  Interpo- 
lation bei  Seite  geworfen  werden  würden,  allein  trotzdem  finden  sich 
unter  Heimsoeths  Vermutungen  nur  wenige,  die  in  wahrhaft  überzeu- 
gender weise  einen  fehler  heben ;  die  mehrzahl  der  änderungen  ist  über- 
flüssig, oder  es  wird  doch  nicht  mit  der  nötigen  Schonung  der  Über- 
lieferung das  rechte  zu  finden  versucht,  ganz  dasselbe  gilt  aber  auch 
von  sehr  vielen  Vermutungen  hrn.  N.s:  so,  um  nur  einige  proben  mitzu- 
teilen, wird  EI.  54  KUTUJjia  xct^KÖirXcupov  statt  TUTiujpa  gleich  in 
den  text  aufgenommen;  ebd.  328  schreibt  er  riv'  ad  cii  XäcKeic 
q)dTiv  statt  9UJV61C,  597  KaKoppoOoOfiev  sutt  KaKOCTO|ioO|Li€V, 
Trach.  468  raöra  fifev  iTU)  Kar'  oöpov  st.  ^cixu*.  Phil.  254  lö  ctu- 
YVÖc  Ocoic  St.  iriKpöc,  während  andere  gerade  in  der  hsl.  lesart  die 
eigentümlichkeit  des  Sophokles  finden  werden;  freilich  nimt  hr.  N.  auch 
anderwärts  an  mKpöc  anstosz;  ebd.  450  XPn^Ta  irpouceXoOc'  st.  dno- 
CT^XXouc'  (vielleicht  ist  dTiocTUTOÖc'  zu  schreiben);  1344  'eXXrj- 
viuv  ?va  kX^G^vt'  dpici^uiv  statt  xpiG^VT*  dpicrov.  Aias  516 
üüfif)  ^oTpa  st.  dXXri  poTpa,  woran  sich  auch  andere  mit  änderungen 
versucht  haben,  wie  ich  glaube  mit  unrecht:  Sophokles  gebraucht  hier 
äXXoc  im  sinne  von  ^Tepoc,  d.  h.  feindselig;  und  ebenso  wenig  darf 
man  in  demselben  stücke  v.  1206  dM^ptjiVOC  anfechten,  was  der  dichter 
abweichend  vom  gewöhnlichen  Sprachgebrauch  in  passivem  sinne  an- 
wendet. OK.  259  KXribövoc  KaXfjC  |yidTT]V  ^oGoOcnc  statt  (kouciic 
(^oGeiv  ist  nemlich  ein  lieblingswort  des  kritikers).  Ant.  343  KOuqpo- 
vöu)V  T€  q>uXov  öpviGujv  djiq>ißaXujv  dTpci  statt  äT€i,  aber  dies  ist 
ganz  gegen  den  Sprachgebrauch  der  classiker,  die  nirgends  dTpcTv  in 
der  bedeutung  von  dTP£U€tv  anwenden,  sehr  kühn  wird  Phil.  343  ge- 
ändert fieryjXuGöv  \l^  vril  itoikiXoctöXiu  statt  TjXGöv  \k^  vril 
TTOtKtXocTÖXiu  füi^Ta  Und  so  der  epische  ton  der  rede  vernichtet.  Ant. 
593  schlägt  hr.  N.  vor: 


376         Th.  Bergk:  au.  t.  Sophodis  tngoedije  ed.  A.  ICaudu 

Kcdv'  afi  Tobe  Aaßtenbav  öpui|icv  oIkui 

nfnun*  dpxoioic  Im  irrj^oa  iriirrovr' 
statt  der  aberiieferteo  lesait  äpxctia  tq  hafiboxibm  ohuiv  bp&pax 
iritfJOTa  <pOifi^vuiv  irn  irfJMoa  -irmTOvr''  eine  conjeclor  die  weoig- 
steas  das  gnte  bat,  dasz  nienaad  die  priorilit  der  erfiodiing  beanspruchen 
wird;  selbst  Dindorf,  der  doefa  za  solcben  geistrekben  impromationen 
besonders  binneigt,  begnögt  sich  an  dieser  scblimmen  stelle  mit  der  sehr 
bescbddcDea  indening  äXX'  fiXXoiC  sUtt  q^Oi^^VuiV.  OK.  447  CT^TH^ 
t'  dbcuiv  Kai  xpüouc  ^iropiccav  sutt  Kcd  t^c  Sboay  Kon  t^vouc 
£iTäpK€Civ.  ebd.  1098  tüj  xöpa  yip  eicopui  Ttub'  dccov  au6ic  u)b€ 

TTpOCCTCiXOVTC  VlUV  Statt  TQC  KOpOC  JOp  ctcOpUJ  TOCb'  .  .  TipOC- 

iroXoufi^vac.  wiederum  nur  zu  gunsten  seiner  subjectiven  vorÜebe  für 
die  formen  des  dualis.  im  ganzen  sind  diese  und  ibnlicbe  Sndernngen 
unserer  wo!  geschulten  kritlker  nicht  gerade  geflhrlich:  denn  es  ist  nicht 
leicht  zu  besorgen  dasz  Im  einzelnen  falle  andere  diesen  TermotoBgen 
beipflichten  sollten;  nur  das  beispiel  selbst  wirkt  auf  jüngere  verderblich. 
jedenfalls  mnsz  man  es  als  dn  glück  betrachten,  dasz  Aristarch  und  die 
Alexandriner  maszTolle  entsagung  geübt  und  sich  nicht  auf  diese  höhe 
der  kritik  verstiegen  haben:  denn  die  texte  der  classischen  dichter  wären 
dann  rettungslos  verderbt  worden. 

Ohne  not  ist  El.  186  dv^XmcTOV  geschrieben  statt  dv^niCTOC: 
denn  ßtOTOC  dv^mcTOC  ist  ein  trostloses  leben ,  ein  leben  ohne  hoff- 
nung;  aus  der  paraphrase  des  scholiasten  kann  man  noch  nicht  mit 
Sicherheit  auf  jene  lesart  schlieszen.  und  wenn  ebd.  1087  buo  <p^p€i 
b'  £v  ^  Xdytp  geschrieben  wird  statt  q>^p€iv,  so  zeigt  sich  hier  wieder 
das  bestreben  den  dichter  zu  meistern:  weil  hr.  N.  nicht  gewust  hat, 
dasz  <p^p€iv  sehr  oft  namentlKh  bei  dichtem  in  medialem  sinne  sieht, 
kann  Sophokles  nidit  so  gesdirieben  haben:  *neque  enim'  sagt  der 
Petersburger  kritiker  *tam  ioopem  aut  infantem  arbitror  Sophodem  quem 
nos  ^TrfYOVOi  meliora  possimus  edocere.'  diesen  Sprachgebrauch  konnte 
hr.  N.  wenn  nicht  aus  der  lectfire  des  tragikers  selbst,  dessen  stücke  er 
schon  wiederholt  herausgegeben  hat,  doch  aus  der  anmerkung  seines  ehe- 
maligen collegen  G.  Wollf  in  Berlin  kennen  lernen,  auch  bei  Pindar  finden 
sich  beispiele  dafür,  und  ich  benutze  diesen  anlasz  um  eine  stelle  dieses 
dichters  zu  verbessern.  Nem.  3,  17  ist  zu  schreiben:  xOjiaTUJb^uiv  b^ 
TiXaräv  ÄKOc  uTtnpdv  iv  ye  ßaOuTr^biji  N^ßiq,  xd  KoXXiviKOV  (p€- 
petv:  die  hss.  haben  ohne  ausnähme  q>^p€t,  aber  der  sinn  erfordert  jene 
ändening:  q>^p€iv  (d.  i.  cp^pecOai)  xd  koXXIvikov  ist  subject  des  saues, 
und  dies  wird  vollkommen  bestätigt  durch  die  paraphrase  des  scholiasten: 
xiöv  bi  tmnöviuv  nXirftliv  xai  xüjv  ix  xoO  Traincpaxlou  xpau^äriuv 
xujv  Koxd  x#|v  M€T<iXiiv  Neji^av  ßoifieTiiia  xal  fafia  urieivdv  q)^p€tv 
xf|v  v(iciiv,  wü  man  die  überlieferte  lesart  nicht  in  q>€p€i  hatte  verwan- 
deln sollen,  nur  verbindet  der  scholiast  die  worte  fv  T^  ßaOun^btu 
Ne^qt  irrig  mit  nXctrav ,  während  sie  zu  xd  KoXXlviKOV  gehören.  — 
Ebenso  unbedacht  und  in  jeder  hinsieht  verwerflich  ist  die  in  den  leit 
aufgenommene  conjectur  CT.  1106  ctB'  6  BttKXCioc  Oedc  vaiuiv  iit* 
ÄKpujv  dp^ujv  C€  KOjia  (st.  cöpnMa)  bßax'  ?k  xou  NuMqpäv:  denn 


Tb.  Bergk :  anz.  v.  Sophociis  tragoediae  ed.  A.  Naiick.  377 

wie  konnte  hr.  N.  es  fQr  möglich  halten,  dasz  ein  griechischer  dichter 
vom  vater  des  kindes  ö^x^cOoi  xOpa  Ik  T^vatKÖc  gesagt  habe?  —  OK. 
371  folgt  hr.  N.  Dindorfs  vorgange  ii  dXiTpiac  <pp€VÖC,  aber  wenn 
Sophokles  dieses  substantivum  gebraucht  hätte,  würde  er  sicherlich  <pp€- 
vwv  geschrieben  haben.  —  Unnötig  ist  die  änderung  Trach.  439  oüö* 
fjTic  oö  xdTOibe  TdvOpuiTTUJV,  6ti  xctipctv  Tr€9UKac'  oöx^  Toic 
auTOtc  dci  statt  Tr^q>UK€V,  denn  ganz  dasselbe  besagt  die  vulgata ,  höch- 
stens könnte  man  interpungieren  Kdroibe ,  TdvOpuüTriuv  Sn  usw.,  doch 
ist  nicht  einmal  dies  nötig.  —  Phil.  33  wird  mit  Härtung  CTpuüTrj  T€ 
<puXXäc  geschrieben,  aber  CTiTrrfi  q)uXXdc  ist  dichterische  Umschreibung 
statt  des  gewöhnlichen  CTtßdc  und  darf  nicht  angetastet  werden.  — 
Dindorf  folgend  schreibt  hr.  N.  ebd.  271  tÖt'  dcfievöv  |li'  übe  eTbov 
^K  iToXXoO  cdXou  eßöovT*  in^dicriic  iv  Kairipeqpei  ir^rpiü,  Xittov- 
T€C  (JbxovTO  statt  äc|i€VOi,  was  man  durch  conjectur  herstellen  müste, 
wenn  die  hss.  dcjLievov  darböten,  dagegen  war  die  interpunction  zu 
berichtigen:  nach  eiibovra,  nicht  nach  ir^Tpip  ist  ein  komma  zu  setzen. 
—  Ebenso  wenig  kann  es  gebilligt  werden,  wenn  v.  315  mit  Porson  oI' 
'OXujLimoi  6€ol  boi^v  ttot*  aÖToTc  dvxiTroiv'  iiioQ  iraOciv  geschrie- 
ben wird:  oic  ist  ganz  richtig,  und  auTOtc  ist  keineswegs,  wie  die  er- 
klSrer  meinen,  pleonastisch  hinzugefügt,  sondern  durchaus  bedeutsam, 
der  begriff  der  göttlichen  gerech tigkelt  scheint  zu  verlangen  dasz  der 
frevler  selbst,  nicht  erst  etwa  seine  nachkommen  bflszen,  daher  wünscht 
hier  Philoktetes,  dasz  die  nemesis  seine  feinde  noch  bei  ihrem  leben  errei- 
chen möge:  dies  liegt  eben  in  dem  pronomen  aCrroTc. —  Ebd.  563  schreibt 
hr.N.  djc  Ik  ßiac  }x'  fiSovrec  i^  böX otc  TrdXtv  statt  XÖTOtc,  weil  er  sich 
erinnerte,  dasz  öfter  diese  worte  von  den  abschreibem  verwechselt  wer- 
den ;  aber  der  gewalt  steht  die  Überredung  entgegen,  es  ist  ganz  dasselbe 
was  der  dichter  nachher  sagt  593  f\  |Lif|v  f\  XÖT4)  'V^^icavTCC  dSciv  fi 
irp6c  icxuoc  Kpdroc. — V.  1165  lesen  wir  nach  Seyfferts  conjectur  dXXd 
TVUI0',  €Ö  TViöG',  ^ttI  coi  Kflpa  xdvb*  dTro9CUT€iv  •  die  hss.  (und  auch 
der  scholiast)  bieten  ÖTt  cot,  was  Dindorf  richtig  in  öri  cöv  verbessert 
hat.  Seyffert  erinnert  dagegen:  «ön  cöv  argumentum  habet,  quo  nunc 
uti  choro  non  liceat:  nam  officium  demonstraret  pestis  effugiendae,  quod 
Pliiloctetes  nee  antea  adgnovit  nee  nunc  adgnoscit.  illud  vero  im  cot 
i.  e.  in  tua  potestate  argumentum  ut  aiunt  ad  hominem  est»  usw.  es  ist 
«ine  sehr  misliche  sache  a  priori  bestimmen  zu  wollen ,  was  der  dichter 
den  handelnden  personen  für  gedanken  leihen  darf.  Seyffert  argumentiert 
auch  hier  wie  gewöhnlich  mit  scharfer  dialektik,  aber  er  hat  sich  so 
daran  gewöhnt  zwischen  den  zeilen  zu  lesen ,  dasz  er  darüber  den  text 
des  dichters  öfters  ganz  aus  dem  äuge  verliert.  ^^}   dasz  nun  hier  der  cbor 


17)  80  z.  b.  folgert  Seyffert  Phil.  69  oök  Scti  ir^pcai  coi  t6  Aapbd- 
vov  nibov  aus  der  enklitischen  form  cot  der  vulgata,  dasz  Odyssans 
mit  NeoptoIemoB  schon  früher  diesen  punct  besprochen  habe :  als  wenn 
die  accentzeichen  von  der  hand  des  dichters  selbst  herrührten;  dasz 
coi  hier  den  ton  hat,  zeigt  schon  die  Stellung  im  verse  unmittelbar 
nach  der  cäsar,  wo  die  stimme,  auch  wenn  auf  dem  pronomen  kein 
besonderer  nachdruck  liegt,  unwillkürlich  etwas  länger  verweilt. 

JahrbQeher  fQr  da»,  philol.  1868  hft.  6.  25 


378         Th.  Bergk :  anz.  v.  Sophociis  Iragoediae  ed.  A.  Nauck. 

wirklich  zu  Philoktetes  sagt  *es  ist  deine  pflicht  dich  von  deiner  krankheit 
zu  befreien',  nicht  aber  *es  liegt  in  deiner  gewait%  wie  SeyflTert  meint, 
beweisen  die  worle  die  zur  begründang  binzugefOgt  werden:  okTpd 
T^p  ßöCKCtv,  dbaf|C  usw.;  wenn  auch  der  zweite  vers,  den  die  neue- 
ren herausgeber  misverstanden  haben,  noch  der  kritischen  nachhälfe  be- 
darf, so  sind  doch  schon  die  drei  worte  oirrpä  T&P  ßöCKCiV  ganz  ent- 
scheidend. 

Interpolationen,  denen  gerade  die  texte  der  dramatischen  dichter 
am  meisten  ausgesetzt  waren,  nimt  hr.  N.  in  bedeutendem  umfang  an: 
eine  erhebliche  anzahl  von  versen  hat  derselbe  teils  aus  eigner  Vermutung 
teils  nach  dem  vorgang  anderer  als  unecht  verworfen,  eigentfimlich 
aber  ist  die  methode  welche  der  neuste  herausgeber  dabei  anwendet,  in- 
dem er  die  verdächtigen  verse  bald  in  klammem  einschlieszt,  bald  unter 
den  text  verweist  und  mit  kleinerer  schrift  drucken  Iftszt  (wie  es  Bekker  im 
Homer  gelhan  hat,  ein  verfahren  das  nicht  gerade  empfehlenswerth  ist),  bald 
endlich  wie  z.  b.  Phil.  1365  f.  in  die  kritischen  anmerkungen  verweist, 
was  noch  weniger  gebilligt  werden  kann,  ich  habe  mich  vergeblich  be- 
müht ein  bestimmtes  princip  in  dieser  verschiedenen  weise  der  bezeich- 
nung  gefälschter  verse  zu  entdecken,  was  die  athetesen  selbst  betrifft, 
so  werden  natürlich  darüber  die  auslebten  immer  geteilt  sein ,  da  es  wol 
zu  allen  zeiten  kritiker  geben  wird,  die  jede  Überlieferung  gläubig  respec- 
tieren,  während  andere  alles,  was  nicht  ihrem  subjectiven  geschmacke 
zusagt,  unbedingt  verwerfen,  aber  auch  der  besonnene,  der  sich  von 
diesen  extremen  fern  hält,  wird  nicht  selten  mit  seinem  urteil  zurück- 
halten, ich  stimme  manchen  athetesen,  die  N.  vorgenommen  hat,  unbe- 
dingt bei,  z.  b.  Aias  v.314,  obwol  Seyffert  hier  eine  besondere  dichterische 
Schönheit  zu  finden  glaubt;  ebenso  v.  327  TOiaOra  f&p  niuc  Kai  X^T^t 
KiubupeTat,  den  Seyffert  durch  eine  nicht  eben  glückliche  Veränderung 
(Kai  ßX^nct  KUiTiXXerai)  zu  retten  versucht  hat,  der  vers  ist  von  einem 
diaskeuasten  hinzugefügt,  der  nicht  ganz  mit  unrecht  bei  den  Worten  der 
Tekmessa  Kai  bf\k6c  icvxy  &c  ti  bpaceiiuv  KaKÖv  die  motivierung  ver- 
miszte;  aber  die  ergänzting  verräth  sich  deutlich  als  fremdartiger,  unge- 
schickter Zusatz ,  indem  der  vers  mit  der  anschauung  des  Sophokles  von 
dem  gemütszustande  des  Aias  in  offenbarem  Widerspruche  steht,  sonst 
pflegt  allerdings  Sophokles  sorgfältig  zu  motivieren,  aber  in  dieser  tra- 
gödie  ist  auch  dieser  mangel  nur  ein  merkmal  des  archaischen  Stiles.  — 
Aber  niemand  wird  so  leicht  hm.  N.  beistimmen,  wenn  er  in  der  £lektra 
den  unentbehrlichen  vers  (20)  nplv  odv  Ttv'  äv2>pdiv  4£oboi7rop€tv 
CT^T^c  streicht,  weil  ihm  dSoboiiropCtv  als  ein  gezierter  ausdruck  er- 
scheint; allein  Sophokles  gebraucht  6bomop€iv  auch  sonst,  wo  ein 
einfacheres  wort  genügt  hätte,  und  wenn  das  compositum  nur  hier  sich 
findet,  so  ist  es  eben  durch  den  sinn  geboten.  —  Wenn  hr.  N.  £1.  957 
nach  dem  vorgange  Wunders  tilgt,  so  hat  diese  Vermutung  auf  den  ersten 
anbtick  viel  für  sich ,  aber  ich  weisz  doch  nicht  ob  nicht  der  vers  vom 
dichter  selbst  herrührt,  nur  wird  man  denselben  zwischen  955  und  956 
einfügen  müssen: 

SiTUJC  TÖv  auTÖxeipa  TraTpibou  q>övou 


Th.  Bergk:  anz.  v.  Sophoclis  tragoediae  ed.  A.  Nauck.         379 

AIticOov,  oöb^v  Tcip  ce  bei  kputttciv  \i^  Irt, 
£0v  T^b'  dbcXfpq  ^f)  KaTOKVTJcqc  icraveiv. 
eine  Umstellung  halte  ich  auch  an  einer  andern  stelle  derselben  tragödie 
lür  notwendig,  wo  man  die  drei  verse  1052 — 54,  die  allerdings  wol 
nicht  unversehrt  überliefert  sind,  verdächtigt  hat;  aber  man  kann  diese 
nicht  streichen,  denn  sie  entsprechen  den  drei  folgenden  verseu  der 
Chrysothemis.  mir  scheint  die  richtige  Ordnung  diese  zu  sein:  HA. 
1049.  XP.  1055.  56.  57.  HA.  1052.  53.  54.  XP.  1050.  51.  -*  Die 
zahlreichen  verdlchtigungeu  im  eingange  des  Philoktetes,  wo  übrigens 
N.  selbst  nicht  gewagt  hat  die  vcJrse  zu  entfernen ,  sind  meines  erachtens 
sämtlich  grundlos ;  ebenso  erscheint  es  als  nicht  zu  rechtfertigende  Will- 
kür, wenn  ebd.  v.  224  €xf)|ia  ^^v  T^p  'EXXdboc  [croXfic  öiTäpx€i 
irpocqpiXecrdmic  ilioi\  getilgt  wird.  —  Dagegen  ist  anderes,  was  bedenk- 
lich erscheint,  unangefocliten  geblieben,  so  um  nur  ein  beispiel  zu  er- 
wähnen, im  eingange  des  Oedipus  Tyrannos  v.  8: 

ättl)  btKatu)v  ^f|  Ttap '  drr^Xiuv,  T^Kva , 
5XXu)v  äKOuetv,  ainöc  dib'  £XrjXu6a, 
6  Träct  kXcivöc  OlbiiTOuc  KaXou^evoc. 
diesen  vers,  der  mir  von  jeher  verdächtig  erschienen  ist,  hat  bereits 
Wunder  gestrichen ,  und  zwar  aus  gutem  gründe:  denn  nirgends  sonst 
pflegt  bei  Sophokles  im  prolog  der  redende  seinen  namen  selbst  zu  nen- 
nen; dasz  hier  Oedipus  spriclit,  erfahrt  der  zuschauer  aus  der  folgenden 
antwort  des  priesters  v.  14 ,  wie  dies  überall  bei  Sophokles  beobachtet 
wird,  eine  ausnähme  macht  nur  der  prolog  des  Oedipus  auf  Kolonos  v.  3  : 
Tic  TÖv  TtXavfiTnv  Olölnouv  xaO '  fm^pav 
Tf|v  vOv  CTtoviCToTc  b&eiax  buipriiLiaciv ; 
aber  gerade  diese  stelle  ist  nicht  minder  bedenklich:  denn  abgesehen  da- 
von dasz  schon  aus  der  rede  selbst  klar  hervorgeht,  dasz  Oedipus,  der 
vater  der  Antigene,  spricht,  nennt  auch  gleich  in  der  antwort  v.  14  An- 
tigene den  vater  mit  namen,  wie  üblich  ist;  dies  wäre  völlig  überflussig, 
wenn  bereits  Oedipus  selbst  seinen  namen  genannt  hätte,    mir  scheint 
Oibitrouv  lediglich  interpolatlon  eines  Schauspielers,  natürlich  aus  alter 
zeit,  da  Galenos  bereits  dem  Aristippos  diese  verse  in  den  mund  legt. 
Sophokles  halte  vielleicht  geschrieben  t(c  töv  nXavtlTilv  KfiqptXov 
Ka8'  fm^pav  usw. 

Metrik  ist  nicht  gerade  die  starke  seite  hrn.  N.s.  in  metrischen  din- 
gen sich  von  jedem  irtum  frei  zu  halten  ist  nicht  leicht,  und  wollte  man 
gar  für  alles  das,  was  auf  verjährter  tradition  beruht,  einen  herausgeber 
ohne  weiteres  verantwortlich  machen ,  so  wäre  dies  verfahren  im  höch- 
sten grade  unbillig,  kenntnis  der  metrischen  kunst  der  alten  ist  noch 
lange  nicht  gemeingut  der  philoIogen ,  man  wird  daher  nachsieht  üben ; 
aber  der  anmaszliche  Ignorant,  der  mit  unberechtigten  prätensionen  auf- 
tritt, verdient  keine  Schonung,  in  der  Elektra  v.  87  habe  ich  den  proso- 
dischen  fehler  (b  <päoc  dtvdv  xal  t^c  icöpoipoc  &rjp  ganz  einfach 
durch  herstellung  der  form  kö^opoc  entfernt;  wer  handschriften  kennt, 
weisz  dasz  die  abschreiber  regelmäszig  in  Zusammensetzungen  -^oi- 
poc  statt  -^opoc  schreiben,     hr.  N.  zieht  die  conjectur  von  Person 

25* 


380         Th.  Ber^-.aoz.  r.  Sophodis  Ingoediae  eL  A.  Kauck. 

tcö^oip'  vor,  wo  der  Tocali^  nicht  passend  an  die  stelle  des  nominatirs 
tritt:  nun  das  ist  seine  sacbe;  wenn  dersellie  aber  (Eurip.stodien  D  8.81] 
diese  meine  Verbesserung  icö|Liopoc  als  einen  beweis  *der  Obermfltigefi 
laune,  mit  wdcher  Bergk  im  Sophokles  schaltet'  anfahrt  und  meint,  ich 
hltte  einen  metrischen  fehler  hineingebracht,  um  einen  prosodischen  zu 
entfernen,  so  verrlth  hr.  N.  eine  so  arge  unkenntnb  in  metrischen  din- 
gen ,  wie  man  sie  einem  herausgeber  der  griechischen  tragiker  kaum  xa- 
trauen  sollte:  denn  dasz  derselbe  wenigstens  die  gesetze  der  einfachen 
versmasze  wie  der  anapSsten  kenne,  dürfte  man  billigerweise  voraus- 
setzen, dasz  in  anap9stischen  versen  der  proceieusmaticus  zulissig  sei, 
lehren  schon  die  allen  metriker;  wo  er  statthaft  ist,  kann  jetzt  jeder  aus 
Rossbachs  und  Westphals  melrik  lernen ,  welche  über  die  verschiedenen 
gattungen  anapSstisdher  verse  (abgesehen  von  einem  puncto,  wo  ich  ab- 
weichender ansieht  hin)  vortrefflich  gehandelt  haben. 

Hr.  N.  corrigiert  das  metrum  in  rein  mechanischer  weise,  so,  um  bei 
dem  eingange  der  Elektra  stehen  zu  bleiben ,  entsprechen  sich  zwei  iSn- 
gere  anapästische  Systeme,  doch  nicht  ganz  genau:  in  dem  ersten  system 
findet  sich  nur  ^in  monometer,  in  dem  andern  zwei,  es  bieten  sich  zwei 
möglichkeiten  dar,  um  vollständige  responsion  zu  gewinnen :  entweder  ist 
dort  eine  locke  anzunehmen,  wie  z.  b.  Reisig  v.  112  ccfivat  T€  6€Uh^ 
äpxGtiOTÖViUV  schreiben  wollte,  oder  hier  eine  Interpolation:  dafür 
entscheidet  sich  Nauck,  indem  er  v.  100  schreibt: 

Koöbeic  TOÜTU)v  oIktoc  [dir'  öKkr\c 

f\  'ixov]  qp^pcTtti,  coO  Tidrep  o&ruic 

alKUJC  0lKTpU)C  T€  BaVÖVTOC 

allein  diese  aihetese  ist  unstatthaft,  toOtuiv  wSre  dann  dunkel  und  zwei- 
deutig :  man  wQste  nicht  ob  der  genitiv  in  objectivem  oder  subjectiTem 
sinne  zu  fassen,  ob  hier  TaOra  oder  ouTOi  zu  verstehen  sei.  idi  selbst 
habe  frOher  vermutet  KOÖbelc  [toutuiv]  oTktoc  &n*  SKkr\c  [f\  '}XO\i] 
<p^p€Tat.  aber  es  ist  nichts  zu  indem:  man  begnflgt  sich  in  solchen 
Systemen  Öfter  mit  der  gleichen  anzahl  der  verse,  während  der  umfang 
verschieden  ist.  hr.  N.  nimt  ohne  allen  grund  an  dtTt'  &XXr]c  anstosz, 
und  auch  Wolff  erklärt  dies  nicht  richtig  als  eine  art  von  attraction;  die 
klage  um  die  toten  ist  hauptsächlich  sacbe  der  frauen ;  von  der  multer 
kann  Elektra  natOrlich  keine  teilnähme  erwarten,  aber  auch  die  schwesler 
Chrysothemls  erscheint  ihr  lässig :  darauf  zielt  eben  dieser  ausdruck,  und 
es  heiszt  die  Intentionen  des  dichters  geradezu  vernichten ,  wenn  man  in 
dieser  willkürlichen  weise  streicht.  —  V.  142  stellt  hr.  N.  die  worle 
um :  Iv  oTciv  £cT '  ävdöucic  oööe^ia  kokAv,  um  vollständige  respon- 
sion mit  der  Strophe  zu  gewinnen ;  aber  dies  ist  eine  entschiedene  Ver- 
schlechterung, die  zahl  der  aufldsungen  ist  beidemal  die  gleiche,  nur 
treten  sie  an  verschiedenen  stellen  ein.  ebenso  wenig  war  dvdXucic  oiit 
Badham  in  dvdöucic  zu  verändern. 

Im  glänzendsten  lichte  zeigt  hr.  N.  sein  metrisches  talent  in  dem 
choriiede  OT.  1086  ff.  hier  hatte  er  schon  früher  (1856)'^)  das  tadellose 

18)  die  folgenden  ausgaben  dieser  tragödie  kenne  ich  nicht,  ich 
weiss  daher  nicht  ob  die  weiteren  neuemngen  der  neusten  recension 


Tb.  Bergk:  anz.  v.  Sophoclis  tragoediae  ed.  A.  Nauck.  381 

kolon  oÖK  ^C€i  Tdv  aCptov  durch  eine  sehr  unzeilige  conjectur  (denn 
nicht  einmal  die  selbständige  existenz  der  form  aOpi  ist  genügend  be- 
zeugt) verstümmelt:  oi)K  £c€i  Tdv  afipi,  und  so  eine  trochäische  tripodie 
mit  fehlerhaftem  spondeus  an  zweiter  steile  hineingebracht;  jetzt,  nach- 
dem ihn  vielleicht  jemand  auf  diesen  irtum  aufmerksam  gemacht  hat, 
teilt  er  ab:  oÖK  £cet  rdv  aSpt  Travc^Xnvov,  und  gewinnt  so  glück- 
licherweise für  den  fehlerhaften  ithyphallicus,  den  er  offenbar  sebr  un- 
gern aufgegeben  hat  (denn  dieser  vers  geliört  zu  den  speciellen  liebhabe- 
reien  hm.  N.s),  wieder  eine  trochaische  tripodie,  die  wenigstens  diesmal 
nicht  hinkt,  sondern  *recto  talo'  einherschreitet.  aber  wie  einer,  der 
einmal  auf  Irrwege  gerathen  ist  und  statt  umzukehren  eigensinnig  seinen 
pfad  verfolgt,  sich  immer  weiter  vom  ziele  entfernt,  so  verstrickt  sich 
auch  hr.  N.  in  immer  schlinmiere  irtümer:  denn  nun  sieht  die  antislrophe 
so  aus: 

i^  cd  T*  €iuivdT€ipa  AoEiou;  nj» 

tdp  trXdKec  dTpovöjioi  iräcai  <piXai. 
hier  sind  alle  möglichen  metrischen  Ungeheuerlichkeiten  gehäuft:  eine 
starke  interpunction  im  letzten  fusze  des  verses,  ein  selbständiges  einsil- 
biges wort  am  ende,  und  eine  unselbständige  partikel  wie  ^dp  am  anfange 
des  verses ;  dies  alles  zusammen  hätte  selbst  einen  Idioten  lehren  können, 
dasz  diese  versabteilung  falsch  ist:  und  wenn  hr.  N.  etwa  einwenden 
sollte,  er  habe  eigentlich  diese  beiden  verse  als  4inen  betrachtet,  so  wäre 
ihm  auch  durch  solche  ausflucht  nicht  geholfen ,  sondern  er  lenkte  nur 
auf  einen  neuen  Irrweg  ein.  nun  ist  aber  überhaupt  die  ganze  versabtei- 
lung schon  deshalb  verwerflich ,  weil  der  ithyphallicus  in  einer  dactylo- 
epitritischen  Strophe  von  den  tragikern  nur  am  schlusz  der  slropbe  zu- 
gelassen wird ,  wie  eben  hier  im  vorletzten  verse  toTc  d)iOic  Tupdvvoic 
und  dann  mit  synkope  TaCx^  dp^CT'  eiri.  ich  habe  schon  früher  in 
einer  abhandlung  über  die  fragmente  der  gr.  tragiker  (1859)  bemerkt,  dasz 
es  nicht  zulässig  sei ,  wenn  hr.  N.  im  aufang  einer  solchen  Strophe  die 
tripodie  durch  conjectur  herstellt;  dafür  überschüttet  mich  derselbe 
£urip.  Studien  11  s.  90  ff.  mit  allem  erdenklichen  höhne,  indem  er  über 
diese  neue  metrische  theorie  vornehm  spottet.  ^^}  dies  ist  eben  die  weise 
des  gelehrten  akademikers:  sage  ich  etwas,  so  wirft  er  mir  entweder 
vor,  es  sei  neu  und  unerhört  d.  h.  nach  seiner  ansieht  falsch,  oder  schon 
längst  von  andern  gesagt,  ich  tröste  mich  indessen:  denn  wie  wollte 
hr.  N.  existieren,  wenn  ich  und  andere ,  die  er  mit  seiner  polemik  beehrt. 


(1867)  eigentümlich  Bind,     auch   Dindorf   hat   in   diesem   chorgesange 
nicht  eben  glückliche  änderungen  vorgenommen. 

19)  das  dort  ans  dem  Inachos  besprochene  fragment  wird  auch  von 
Philodemos  irepl  e(>C€ße(ac  s.  51  angeführt:  xal  Tf^c  ^ttI  Kpövou  Iwfic 
€Ö6ai|uiov€CTdTT]C  oödic,  die  ^TPaM^civ  'Hcioöoc  xal  ö  Ti\v  'AXxfiewviöa 
irot/|cac,  Kol  tocpoxXflc,  eööal^ovcc  oi  tötc  t^vvac  cluoüv,  wo- 
dorch  in  erwünschter  weise  bestätigt  wird,  dasz  dies  ein  allgemeiu 
bekanntes  und  berühmtes  chorlied  war,  von  dem  eben  der  anfang 
angeführt  wird,  hierauf  beziehe  ich  auch  die  glosse  des  Hesychios; 
€0&(fiOV€C'  Oeloi,  iLiaKdpiot,  wo  keineswegs  Betoi  mit  Meineke  in  öciot 
zu  verändern  ist. 


382         Th.  Bergk:  anz.  t.  Sophodis  tragoediae  ed.  A.  Nauck. 

ihm  nicht  mehr  stoff  zur  dücaoe  glben?*^  ich  habe  ührigens  gar  nicht 
geglaubt  damit  etwas  neues  zu  sagen,  fiber  den  Charakter  der  trochli- 
schen  tripodie  hat  schon  Bdckh  de  metris  Pindari  wiederholt  das  richtige 
ausgesprochen;  über  den  unterschied  der  dactylo-epitriüschen  Strophen 
bei  Pindar  und  den  tragikem  bemerkt  er  (Ober  die  kriL  hehandlung  der 
Find,  gedichte  s.  280):  *wer  die  dorische  form  kennt,  wird  zugleich  be- 
merken, dasz  Euripides  und  vor  ihm  schon  Aeschylos  das  ende  aller  Stro- 
phen mit  einem  rfaythmus  gemacht  hat,  welcher  Ton  der  dorischen  form 
gänzlich  abweicht,  aber  einen  schönen  schlusz  und  passenden  fibergang 
zu  der  folgenden  freieren  form  gibt.'  es  sind  36  jähre  her,  dasz  ich  zu- 
erst diese  bemerkung  las,  und  nun  war  mir  alsbald  das  richtige  Tentänd- 
nis  erschlossen,  wie  ich  ja  dem  groszen  meister  so  ileles  zu  schulden 
dankbar  bekenne;  aber  ich  sah  auch,  indem  mir  gleich  das  Toriiegende 
choriied  des  Sophokles,  welches  Bdckh  nicht  gegen  wirtig  war,  ein6e], 
wie  seine  aulTassung,  der  Ithyphallicus  bereite  auf  die  leichteren  rhythmen 
der  folgenden  Strophe  vor,  nicht  zulässig  seL  seit  26  jähren  habe  ich  als 
akademischer  lehrer,  wenn  sich  anlasz  dazu  darbot,  immer  herrorge- 
boben ,  dasz  das  charakteristische  merkmal ,  welches  diese  Strophen  der 
tragiker  und  des  Simonides  von  denen  des  Pindar  sondert,  eben  der  ithy- 
phallicus am  schlusz  sei.  jetzt  haben  Rossbach  und  Westphal  dies  alles 
klar  und  überzeugend  dargelegt,  hr.  N.  konnte  also,  wenn  er  etwas  in 
fliesen  dingen  lernen  wollte,  sich  leicht  unterrichten,  aber  hr.  N.  weisz 
dies  besser,  er  belehrt  mich  dasz  ja  auch  Euripides  in  der  Andromache 
sage: 

i!i  T^vm  &  B^Tiboc  ödireöov  xm  ävdicropa  Odcceic 

bapöv  ovbk  Xeiireic 
und  so  fort,  indem  er  sagt:  *  vermutlich  ist  hier  wie  an  zahlreichen  an- 
deren stellen  wo  der  ithyphallicus  nicht  «in  extrema  stropha»  sich  findet, 
das  «numerorum  genus  diversum»  . .  einstweilen  musz  ich  seine  ithyphal- 
lische  lehre  in  eine  kategorie  steilen  mit  den  sonstigen  neuigkeilen,  die 
in  jenem  programnie  paradieren.'  hr.  N.  hat  sich  nicht  geteuscht,  dasz 
ich  in  dem  chorliede  der  Andromache  und  in  den  andern  beispielen ,  die 
er  etwa  noch  mir  vorzuhalten  gedenkt,  nicht  dactylo-epitriten ,  sondern 
ein  ^numerorum  genus  diversum'  erkenuen  wfirde.  hr.  N.  kennt  eben 
einfach  nicht  den  unterschied  des  rpöiroc  Crricixöpeioc  und  'ApxtXo- 
X€iO€,  den  unterschied  zwischen  vollwichtigen  dactylen  die  mit  schweren 
trochSen  verbunden  sind  und  leichten  dreizeitigen  dactylen  im  verein  mit 
trochäen.  das  beispiel  aus  Euripides,  auf  welches  er  sich  beruft,  ist  ge- 
rade so  passend  angebracht,  wie  wenn  ein  schäler  oö  \ife  schreibt, 


20)  es  gilt  dasselbe  auch  von  anderen  gebieten.  Horaz  der  lyri- 
ker  erfilhrt  von  selten  der  kritik  die  schnödeste  nng^nst:  ist  ein  f^e- 
dicht  kurz,  besteht  es  nur  aus  zwei  Strophen,  so  verwirft  man  dasselbe 
als  nnbedeatend  und  schlecht;  dichtet  er  eine  ode  von  elf  Strophen^ 
dann  corrigieren  die  kritiker  so  lanfi^e  daran  hemm,  bis  nur  zwei  Stro- 
phen übrig  bleiben,  die  man  nur  gelten  läflzt,  weil  sie  prodnct  der  kritik 
sind,  aber  zu  ^inem  zweck  ist  Horaz  doch  gut:  denn  wie  sollten  diese 
-V  ihre  existenz  fristen? 


Th.  Betgk:  anz.  v.  Sophoclis  tragoediae  ed.  A.  Nauck.  383 

und  nachdem  ihm  sein  lehrer  dies  in  ^f|  \ife  verbessert  hat,  trotzig 
«rwidert  *aber  man  sagt  doch  oö  X^TUJ«'  für  den  unterschied  der  slil- 
arien  und  strophengatlungen  hat  hr.  N.  eben  keinen  sinn,  aber  wer  sich 
solche  bidszen  gibt,  der  hat  fQr  so  lange,  als  er  nicht  die  ersten  grund- 
begriffe  einer  disciplin  sich  angeeignet  hat,  das  recht  verwirkt  mitzu* 
sprechen. 

Nicht  glflcklicher  ist  hr.  N.  in  seiner  weitern  polemik.  ich  verthei* 
•dige  den  vers  des  Sophokles :  'AXqpcdßoiav ,  f^v  6  T^wiicac  Tratiip  '0 
und  ebenso  zwei  trimeler  des  Aescbylos,  wo  gleichfalls  in  eigennamen 
•ein  Choriambus  die  stelle  der  ersten  iambischen  dipodie  vertritt.  '*)  ich 
bezeichne  dies  als  eine  freiheit,  die  aus  der  lyrisdien  poesie  in  den  dialog 
<ler  altera  tragödie  übergegangen  sei,  und  führe  als  beleg  dafür  Eur. 
Phoen.  323  an:  es  war  hier  nicht  der  zwang  der  eigennamen,  der  den 
iliciiter  veranlaszte  ~  w  w  _  far  ^  .  w  .  zu  substituieren,  sondern  weil 
<iie  lyrische  kunst  manigfaltigkeit  der  formen  liebt;  wenn  hr.  N.  dies 
lächerlich  findet,  so  wäre  es  eitle  mühe,  darüber  auch  nur  ein  wort  zu 
verlieren,  hr.  N.  behauptet,  der  vers  müsse  notwendig  ein  docliroischer 
sein,  weil  dochmien  vorausgehen  und  folgen,  diese  leichtfertige  behaup- 
tung  überschreitet  das  masz  des  eutschuldbai-en  irtums:  ein  herausgeber 
der  Iragiker  sollte  wenigstens  so  viel  wissen ,  dasz  unzählige  mal  iarabi- 
sche  verse  oder  kola  zwischen  dochmien  vorkommen :  so  ist  gleich  der 
nächste  vers  bei  Euripides,  an  dem  sich  freilich  hr.  N.  mit  verfehlten 
•cottjecturen  versündigt  hat,  ein  vollkommen  tadelloser  iambischer  vers. 
ich  habe  das  gesetz ,  auf  welchem ,  wie  ich  glaube ,  die  vertauschung  des 
Choriambus  mit  der  iambischen  dipodie  beruht,  die  sogenannte  anakla- 
sis,  dort  nicht  näher  begründen  können:  denn  dazu  reichte  der  räum 
jenes  programmes,  wofür  stiftungsmäszig  nur  ein  bogen  besLinunt  ist, 
nicht  aus,  sondern  ich  habe  nur  bemerkt,  dasz  ganz  dieselbe  erscheinung 
auch  in  der  deutschen  poesie  vorkomme,  indem  ich  dabei  zugleich  den 
unterschied  zwischen  der  be wüsten  kunst  der  Griechen  und  der  Unmittel- 
barkeit unserer  dicliter  hervorhob.*^)  dazu  bemerkt  hr.  N.  'hiernach 
werden  wir  uns  nicht  Wundern  dürfen ,  wenn  es  jemand  belieben  sollte 
etwa  aus  einer  mittelalterlichen  litanei  oder  aus  der  poesie  der  Hotten- 
iotten  die  rhythmischen  gesetze  und  freibeiten  der  griechischen  tragiker 
bestimmen  zu  wollen.'    es  ist  eine  nicht  zu  billigende  unart,  um  nicht 


21)  hr.  N.  schrieb  'AXqpccdßoiav ,  eine  gemination  die  ich  für  an- 
zulässig  halte  (vgl.  meine  abh.  über  Kallimachos),  da  ich  alle  diese 
zuBammensetzangen  auf  den  imperativ  zurückführe ,  dessen  suf fixum  -et 
{-Ol)  sich  eben  hier  unversehrt  erhalten  hat.  22)  die  verfehlte  ünde- 
rung  in  Soph.  OK.  939  habe  ich  längst  selbst  als  solche  erkannt;  für 
irrige  conjectnren  anderer  mich  verantwortlich  zu  machen,  wie  hr.  N. 
thut,  ist  ein  kläglicher  kunstgriff,  den  der  würdige  akademiker  ge> 
wissenlosen  calnmnianten  überlassen  sollte.  28)  Kitschi  hat  in  dem 
ersten  bände  seiner  kleinen  philologischen  Schriften  gleichfalls  auf 
diese  stelle  meines  Programms  bezug  genommen,  natürlich  ebenfalls 
ablehnend,  da  er  die  betreffenden  verse  für  verdorben  erachtet,  da 
Ritschi  auf  Naucks  bemerknngen  keine  rücksicht  nimt,  will  ich  die 
auseinandersetzung  mit  ihm  einer  andern  gelegenheit  vorbehalten. 


rfftf- 


r»:..  .n.:     r"  ^r'-s    -ii^i.     =-•  -    .eai     -»czznz.    a-iersr  ,rffniiit    <*ift  la- 

««■»•-r*  .««j^    ^W-*»l     .5äZ    XT   •«    -;«•    ai    i rrüllriltt«   HiIt'.L    A.I    fc*   -feüi- 

»►TT»    »»r  fr»«r:..-«':L«iT  j    ^-hl  ^».i^.    «nijcm  mS&£    i-r  *i<  :i..er  -e*-M.  ~iii— 

oy-:^,-.#<      ucn    ««.•►r  lart  ^-^w  neu:  'v*'2?=ä«a-    liai   u«  iiuiit^  ariLit 
«•-'»''.*i.   :ii   «w^cLT    !«■  '«»r^c  Tzr  ira    r^-_.*»i5  ai  .:*-ifnui3ea  um  lüiirt 

*^'«  rWH«*!«».  >r..t  hm  i.»i  jH.^tt  'imihL  **ne  jt^äuimtSK!  Artiik  w^-ri  Ä^ra 
♦j«A  •'vr  ^li<»ii  ui^r*:ii»»a  4ii«i«»rTii::*a  jilLezu  ma  -»s  -«rüHat  awriöMiai, 
w*rtn   ^.n  .i<»Tw;«j  »her  «i«M  ^m  ^«my  »inJttlMnea  iü**nr^;i)aiijj  fen  äj«!, 

iir  .^.  44>''>eji  ,n:if  ^Atut  TT  vMe^  inxaiu  iiucjtLiii^'ir  iuiiemn^QK  *i<s  öt<r- 

//  iry'ff  /'V'/;'y<,  ^t»J.  V,  IITf^  schr«»jt  *r  *UU  t6  CCV  in*t  Cam«nnu5 
iff^  ( ^t  9  TM  ir''/p/'/?>?rcu*  ^x^^T  "^cv  cc-v  toi^cva,  tgv  cöv,  uj  xXd- 
y^nfi  0»''a r //>/// ^  J;(/</T'>>v  O^^C€V  uaxa^iZuu,  ocae  in  bedenkes,  dasz 
/t.^<A  /ff^sm-ih^*,  WiM^rt.ol'injr  TCV  CÖv  ffani  uii*rlrä^Iioh  ist;  wire  die 
^/ff^^*^^lr  fi'^M^^  v#  rr»'HTit  nr.an  j>»i<»nfail3  «n«n  weitern  fehler  in  dem 
fhttff'ft  r^/v  r//V  <Mcl»'^r»;  .»l/^jr  der  stelle  ist  auf  einfaLhere  weis«  in  helfen. 
^M.  !^  IMH  ¥fttf\  rnil  Krfurdl  gefchriehen  xöv  ^eT'  öXeOpiOV,  aüein 
rl»ii  ttfUitifti  iMlif»  )/h  h<;r^?it«i  in  meiner  aij5gaLe  hergestellt  TÖV  ÖXe- 
Op^/y  |ir  f //f  ''/ij/»  hM.  t6v  öX^Opiov  ^erav,  wo  schon  Turnebus  fiXc- 
O^f/fV  ♦^fmnl^(^;,    Aril,  004  nclireiU  hr.  N.  TIC  cdv  ZcO  öuvaav  xlc 

'  nappacia  Kaxdcxoi;  statt  xeav  ZeC  .  .  övbpujv 


Tb.  Bergk:  anz.  v.  Sophoclis  tragoediae  ed.  A.  Nauck.         386 

i&trcpßacia  Kordcxoi;  um  zugleich  das  vermiszte  fiv  zu  gewinnen; 
aber  auf  keinen  fall  durfte  öirepßada  mit  napßacia  vertauscht  werden. 
OK.  698  <pi3Teu^' iäxeipwTOV  atrröirotov  wird  qpiTU^'  vorgeschla- 
gen; dies  ist  entschieden  abzuweisen,  denn  in  solchen  synkopierten  iam- 
bischen  versen  ist  die  anlautende  kärze  normal ;  wenn  also  der  verdacht 
einer  Verderbnis  begründet  wflre,  so  würde  er  vielmehr  den  vers  der  anti- 
strophe  treffen  eCiniTOV,  efitiujXov,  €Ö6dXaccov.  es  ist  aber  auch  hier 
nichts  zu  ftudem;  auszerdem  wäre  es  möglich,  dasz  Sophokles  den  diph- 
thong  €U  in  eCtnirov  verkürzte.  Phil.  1092  wird  um  das  normalmasz 
des  dochmitts  zu  gewinnen  tovat  b*  alG^poc  mwKdöec  usw.  vor- 
geschlagen; dies  erinnert  an  den  stU  der  dithyrambiker,  der  dem  Sopho- 
kles ganz  fremd  ist. 

In  einigen  versmaszen  Hillt  gern  wortfusz  mit  versfusz  zusammen, 
wahrend  andere  melra  dies  vermeiden,  hierher  gehurt  vor  allem  das  kre- 
tische metrum,  und  aus  dem  Ursprünge  des  yersmaszes  selbst  läszt  sich 
der  gruud  dieser  erscheinung  unschwer  erkennen,  daher  schon  die  alten 
metriker  dies  beobachtet  haben :  so  sagt  Diomedes  (s.  484  Gaisford) :  ele- 
gantissimum  est  igiiur^  cum  per  singulos  pedes  pars  orationis  implea- 
tur.^)  dasselbe  gilt  aber  auch  von  den  baccheen,  dochmien  und  den 
ionici  a  minore,  wenn  sie  rein  gehalten  sind*  aber  diese  gleichmäszig- 
keit  würde,  wenn  sie  consequent  durchgeführt  würde,  eine  leidige  mono- 
tonie  erzeugen ,  daher  ist  dieses  gesetz  niemals  streng  durchgeführt  wor- 
den :  man  vergleiche  z.  b.  nur  Hör.  carm,  111  12 ,  wo  doch  kein  kritiker 
die  ausnahmen  durch  conjecturen  wird  beseitigen  wollen,  hr.  N.  hat 
Eurip.  Studien  I  s.  61  ff.  richtig  bemerkt,  dasz  die  tragiker  in  den  bac- 
cheen jenes  gesetz  beobachten,  wendet  es  aber  gleich  in  seiner  abstrac- 
ten  weise  an,  indem  er  bei  Soph.  Phil.  513  tfix)  \iiy  i6  K6ivu)v  kqköv 
TijiÖ€  K^pöoc  nun  Ti^b'  dvaciv  verlangt,  wie  er  denn  auch  Trach. 
888  und  895  ohne  allen  grund  baccheen  herzustellen  versucht. 

Auffallend  ist,  dasz  hr.  N.  El.  192  K€vaic  b'  iqpicra^ai  rpatr^ZIaic 
liest;  aus  seinem  stillschweigen  kann  man  schlieszen,  dasz  er  dqpicTafiai 
für  die  richtige  lesart  hält:  dann  würde  ja  aber  eine  iambische  pentapodie 
der  hexapodie  entsprechen ,  sofern  man  nicht  in  der  strophe  mit  Meineke 
äTiaHioT  statt  ouk  d£ioi  schreibt,  was  ich  aber  nicht  für  richtig  halle, 
denn  die  syncopierte  hexapodie  ist  hier  weit  angemessener.  —  Für  ganz 
verfehlt  erachte  ich  die  änderungen  Phil.  205  und  214.  wenn  die  form 
iTÜ}xa  <p8oTTd  zu  begründetem  zweifei  anlasz  gäbe,  dann  könnte  man 
ganz  einfach  schreiben  ßdXXei  ßdXXei  )i'  Irujia  |  qpGoiprd  usw.,  aber 
nicht  wie  Seyffert  wollte  £TU)i'  d  qpGoTTd,  denn  selbst  wenn  man  die 
falsche  versabteilung,  die  Seyffert  befolgt,  vorziehen  sollte,  erfordert  das 
metrum  den  artikel  nicht,  sondern  fjv^a  genügt. 

Hr.  N.  ist  eifrig  bestrebt  jedem  das  seine  zu  geben  und  nennt,  wenn 
mehrere  denselben  Verbesserungsvorschlag  gemacht  haben,  in  der  reget 
nur  den  ersten  urheber  einer  conjectur,  gemäss  dem  grundsatze  den  er 
in  der  vorrede  zu  den  fragmenten  der  tragiker  ausspricht  s.  Vll:  *emen- 

24)  während  er  in  betreff  des  dactyliscben  hezameters  das  geg'' 
teil  bemerkt  s.  464.  465. 


386         Th.  Bergk:  anz.  t.  Sophoclis  tragoediae  ed.  A.  Manck. 

dationum  auctores  iodagare  aladai,  subscriptoram  nomiita  fere  ubique 
omisi.'  allein  die  prioriUll  Qberall  sicher  zu  ermitteüi  bt  eine  gar  nicht 
leichte  sache,  und  jenes  gerechtigkeitsgefOhl  kann  oft  zum  entschieden- 
sten unrecht  führen.*^)  hei  hm^N.  finden  sich  in  dieser  heziehong  höchst 
auffallende  irtflmer :  so  z.  b.  bemerkt  er  zu  Eur.  Alkmeon  fr.  68  *v.  7 
TtOcji^vilv]  xeip^v  Ik)braeus  advers.  2  p.  128.'  nun  hat  aber  bereits 
Lobeck  in  der  ersten  ausgäbe  des  Aias,  also  im  j.  1809  diese  evidente 
Verbesserung  vorgeschlagen,  und  Matlhiä  in  seiner  ausgäbe  hat  sie  im 
j.  1829  erwähnt,  wie  kann  also  Lobeck  als  *subscriptor  Oobraei'  gelten, 
da  dessen  adversaria  erst  in  den  jähren  1831  und  1833  erschienen  sind?") 
in  Soph.  AnL  590  schreibt  hr.  N.  «bucdv€^ot  Hartungius,  bucdvCfiOV 
libri»  und  ähnlich  Seyffert:  «bucäve^oi  plerisque  probatum  invenit  Här- 
tung.» nun  habe  ich  aber  diese  Verbesserung  iu  einer  recension  in  der 
Halleschen  litteraturzeitung  1849  juni  nr.  135  mitgeteilt,  Hartungs  An- 
tigone  aber  ist  erst  1850  erschienen,  und  Wolff  in  seiner  ausgäbe  von 
1865  sagt  ausdrücklich:  «Bergk  (schon  1849)  bucdvcMOt»  hr.  N.  konnte 
also  wissen,  wer  hier  der  *subscriptor'  war,  wenn  man  einmal  diesen 
ausdruck  gebrauchen  will,  da  sich  voraussetzen  läszt,  ilasz  Härtung  meine 
Verbesserungsvorschlage  zu  dieser  stelle  nicht  gekannt  hat  wenn  da- 
gegen zur  Elektra  bemerkt  wird  v.  497  «di|i€q)^C  Dindorfius»,  so  ist 
er  in  der  that  ^subscriptor',  denn  er  hat  diese  conjectur,  die  ich  ihm 
privatim  mitgeteilt  und  später  z.  f.  d.  aw.  1836  s.  47  veröffentlicht  habe, 
nur  gebilligt,  hr.  N.  seihst  aber  eignet  sich  trotz  seiner  wiederholten 
Versicherung  die  priorität  anderer  gelehrten  gewissenhaft  zu  respectieren 
«ine  ganze  anzahl  fremder  conjecturen  an^);  es  kann  natürlich  auch  ihm 


25)  wie  schwierig  es  oft  ist,  den  ersten  nrheber  einer  verbessemng 
zu  ermitteln,  zeigen  am  besten  die  abweichenden  angaben  der  heraas- 

feber  nnd  kritiker:  din  beispiel  möge  genügen.  OK.  321  ^6vt)C  tob' 
ctI  hf\\oy  'lc^/|VT)c  Kdpa  hat  man  £ct'  d&eX(pöv  verbessert.  Spengel, 
der  diese  conjectar  für  ansgezeichnet  schon  und  richtig  erklärt,  nennt 
Mähly,  Meineke  dagegen  nennt  Blaydes  und  Dindorf,  Nanok  endlich  Her- 
werden, und  diesem  legt  die  conjectar  jetzt  auch  Dindorf  bei,  indem  er 
dessen  'observationes  in  comicos  gr.'  anführt,  die  im  j.  1855  erschienen 
sind,  ich  selbst  habe  übrigens  die  stelle  schon  vor  vielen  jähren  so 
verbessert,  aber  diese  conjectar,  weil  sie  mir  zu  ansicher  erschien,  wie 
viele  andere  gar  nicht  erwähnt;  ich  habe  später  Kcbvöv  *lc^f|Vl|C  Kdpo 
vorgezogen,  aber  aach  dieser  conjectar,  die  nicht  so  auf  der  band  liegt, 
habe  icn  in  meiner  ausgäbe  nicht  gedacht,  in  allen  zweifelhaften 
fällen  ist  es  jedenfalls  gerathen  nicht  beliebig  einen  namen  zu  yer- 
schweigen,  sondern  lieber  zwei,  ja  selbst  drei  zu  nennen,  dies  ist  fer- 
ner anbedingt  notwendig,  wo  die  conjectar  eines  gelehrten  wesentlich 
auf  der  vermatang  eines  andern  faszt  und  dieselbe  nur  etwas  modifi- 
ciert,  z.  b.  Ant.  966  heiszt  es:  «cmXdöuiv  Wieseler,  ireXaY^uiv  (vel  ice- 
XdT€U)v)  irerpiXiv  libri.»  hier  hat  aber  schon  Branck  it€Tpuiv  gestrichen, 
ich  habe  dann  vorgeschlagen  (KuavcQv)  cirtXdbac,  and  daraas  erst  hat 
Wieseler  cmXdbuiv  gemacht,  ähnlich  OK.  696  and  anderwärts.  S6) 
Dobrees  adversaria  sind  ein  in  Deutschland  so  seltenes  buch,  dasz  nur 
wenige  dasselbe  benatzt  haben  werden;  hier  wäre  es  also  gewis  ge- 
rechtfertigt neben  Dobree  auch  die  anderen  za  nennen,  welche  dieselbe 
emendation  vorgeschlagen  haben.  27)  einiges  hat  er  jetzt  selbst  be- 
«eitio-t,   z.  b.   OK.   145  hat  er  seine  unglückliche  coi:Jectar  TTpWTi^c 


Th.  Bergk:  am.  v.  Sophoclis  tragoediae  ed.  A.  Nauck.  387 

begegnen ,  eine  Verbesserung  die  schon  von  andern  gemacht  ist  nicht  zu 
kennen;  und  obwoJ  auf  hrn.  N.  das,  was  ich  poet.  lyr.  vorr.  s.  Xil  be- 
merkt habe,  völlig  passen  dürfte,  will  ich  doch  nicht  ihn  nach  dem 
maszstab  behandeln,  den  er  selbst  an  andere  anlegt,  zumal  da  ich  nicht 
weisz,  welche  litterarische  hfllfsmiltel  ihm  zu  geböte  standen;  allein 
dasz  hr.  N.  seine  eignen  bücher  besitzt  und  kennt,  darf  ich  wol  voraus- 
setzen; wenn  er  also  eine  conjectur,  die  er  früher  selbst  mir  zuschrieb, 
jetzt  ohne  weiteres  für  sich  in  anspnich  nimt,  dann  unterliegt  es  wol 
keinem  zweifei  mehr,  was  von  der  gerühmten  gewissenhaftigkeit  des 
Petersburger  akademikers  zu  halten  ist.  in  Soph.  OT.  890  ical  Tiiiv 
dc^TTTiUV  fpEerai  f\  tüjv  dOiicruiv  ££€Tat  fiardZujv  bemerkt  hr.  N.  im 
j.  1867 :  ^verba  dc^irriüV  fpEcTai  f\  twv  delenda  suspicalur  N.'  elf  jähre 
vorher  1856  in  der  dritten  aufläge  der  Schneidewinschen  ausgäbe  sclireibt 
er  dagegen:  ^Bergk  scheint  recht  zu  haben,  wenn  er  eine  dittographie 
voraussetzt;  er  vermutet  ei  ^f)  TÖ  K^pboc  KCpbaveT  biKaiuJC  Kai  tujv 
dOiKTUiV  iQietai  ^aTdZuJV.  lieber  möchte  ich  xd  Td>v  dOiicruJV  SSe- 
Tat  \iaX(iLiX)V*  also  hier  wird  offen  anerkannt,  d^sz  ich  zuerst  die  Inter- 
polation eines  ganzen  verses  entdeckt  habe,  und  hr.  N.  bemerkt  nur  dasz, 
da  man  nun  natürlich  zwischen  den  beiden  lesarten  SpEcTai  und  iSerai 
die  auswahl  hat,  er  sich  für  die  letztere  entscheide;  jetzt  nach  elf  jähren 
schreibt  er  sich  das  ganze  verdienst  zu,  und  dies  nennt  er  *suum  cuique'. 
natürlich  hat  nun  hr.  N.  auch  die  antistrophe  zuerst  von  den  störenden 
Zusätzen  gereinigt,  hier  ist  die  überlieferte  lesart:  dXX'  H)  KpaTUVUiV, 
eltrep  dpO'  dKOiieic,  ZeO,  Trdvr'  dvdcciuv  |Lif|  XdOoi  c^  rdv  re 
cdv  dSdvaTOV  aUv  dpxdv.  ich  habe  vorgeschlagen:  Zeu  [irdvr* 
ävdccwv]  )if)  XdOoi  c^  cdv  t'  [dOdvaTOv]  dcai^v  dpxdv,  was  auch 


statt  irpiiiTr)C  zwar  aufrecht  erhalten,  legt  sie  aber  jetzt  Vauvillers 
bei.  £1.  163  hatte  er  die  conjectur  veü^ari  früher  als  ^eigene  vorge- 
tragen, jetzt  nennt  er  Burges.  ebd.  681  führt  er  jetzt  t6  koivöv  als 
lesart  des  Thomas  Mag.  an,  während  er  früher  schrieb:  «TÖ  koivöv 
'€XXdöoc  vermutete  Schneidewin.»  hr.  N.  darf  sich  natürlich  dies  er- 
lauben, während  er  mir  in  den  Euripideischen  Stadien  II  s.  81  (auf 
diese  stelle  beruft  er  eich  ausdrücklich  in  der  vorrede  seines  Sopho- 
kles 8.  V)  zum  vorwarf  macht  lesarten  des  Triolinins  als  meine  con- 
jectaren  bezeichnet  zu  haben,  ebd.  behauptet  er  unter  anderm,  ich 
hätte  conjectnren  in  meiner  ausgäbe  vorgeschlagen,  die  bereits  von 
Karajan  und  L.  Lange  gemacht  wären,  ich  kenne  von  Karajan  eine 
nbhandlung  über  die  schollen  zur  Odyssee,  in  welcher  über  Sophokles 
keine  silbe  vorkommt,  ob  er  sonst  etwas  geschrieben  hat,  ist  mir  und 
anch  anderen,  die  ich  gefragt  habe,  völlig  unbekannt.  L.  Lange  in 
Gieszen  hat  eine  reihe  abhandlaugen  über  Sophokles  geschrieben,  sie 
sind  aber  ohne  ausnähme  später  erschienen,  die  erste  so  viel  ich  weisz 
1859 :  denn  im  j.  1857,  wo  mein  Sophokles  gedruckt  wurde,  war  L.  Lange 
noch  in  Prag.  —  Kachschrift:  ich  sehe  so  eben,  dasz  hr.  N.  in  der 
ansgabe  des  Oedipus  auf  Kolonos  von  1867  zu  ▼.  113  bemerkt:  'statt 
u66a  vermutet  M.  V.  Karajan  ir^Xac'  dasselbe  habe  ich  in  meiner  aus- 
gäbe (1857)  vorgeschlagen,  darauf  gründet  sich  also  offenbar  jene  fri- 
vole anschuldigung.  wo  und  wann  Karajan  diese  conjectur  publiciert 
hat,  erföhrt  man  auch  hier  nicht;  hm.  N.s  ausgäbe  aber  habe  ich  nir' 
benutzen  können,  da  mein  Sophokles  bereits  gedruckt  war. 


388         Th.  Bergk:  anz.  ?.  Sophodis  iragoediae  ed.  A.  NaucL 

br.  N.  im  j.  1856  erwähot  uod  mit  genauem  ansdilusz  daran  ZcO  \ii\ 
XdOoi  Täv  c&v  ^c  aUv  dpxäv  empfieiilt;  jeUi  im  j.  1867  blnat^^ 
lieh  nnr  von  seiner  Verbesserung  die  rede,  nächstens  aber  wird  er  viel- 
ieicht,  nachdem  einmal  der  Ihatbestand  verdunkelt  ist,  die  sache  umkeh- 
ren und  mich  des  plagiats  beschuldigen. 

Da  ich  hier  der  polemtk ,  die  hr.  N.  in  seinen  Euripideischen  sludieo 
und  anderwärts  ausübt,  gedacht  habe,  so  will  ich  noch  einen  augenblick 
dabei  verweilen,   ich  habe  im  j.  1859  eine  kleine  abhandlung  fiber  frag- 
mente  der  tragiker,  namentlich  des  Sophokles  drucken  lassen,  worin  ich 
mit  aller  humanität  und  bescheiden  hei  t,  die  ich  gerade  in  solchen  akade- 
mischen Schriften  sorgsam  beobachte,  auch  öfter  ansichlen  und  vennutua- 
gen  hm.  N.s  zu  berichtigen  anlasz  halle,   diese  abhandlung  hat  den  grim- 
migsten zom  des  Petersburger  gelehrten  erregt,  in  seinen  Euripideischen 
sludjen  maclil  er  immer  von  neuem  den  versuch  einer  ebenso  gebSssigeo 
als  ohnmächtigen  polemik.    hr.  N.  sagt  *wie  flöchtig  jenes  kleine  Pro- 
gramm abgefaszt  ist*,   nun  wer  jährlich  genötigt  ist  neun  bis  zehn  Pro- 
gramme zu  schreiben ,  kann  die  Vorschrift  nonum  premaiur  in  annum 
nicht  befolgen;  aber  die  abhandlung  ist,  wie  ich  glaube,  sorgfllüg  und 
gewissenhaft  gearbeitel,  ich  wusle  auch  jetzt  nichts  daran  zu  ändern, 
gegen  eine  schrift,  die  das  publicum  nicht  kennt,  zu  polemisieren  ist 
sehr  bequem,  da  jede  controle  wegfällt;  ich  werde  so  bald  als  ihunUcb 
die  abhandlung  uebsi  anderen  von  neuem  abdrucken  lassen,  hr.  N.  ver- 
sichert er  habe  nichts  daraus  gelernt:  das  braucht  nicht  notwendig  meine 
schuld  zu  sein,  es  kann  ja  auch  an  dem  willen  oder  den  fäbigkeiten  des 
andern  liegen :  pro  capiu  lecioris  habent  sua  faia  Hbeüi.    auch  will  ich 
zu  gunsten  hrn.  N.s  annehmen,  dasz  er  selbst  jene  behauptung  nicht  im 
vollen  umfange  des  Wortes  verslanden  wissen  will:  z.  b.  die  verschiedene 
bebaudluug  der  cäsur  in  den  verschiedenen  galtungen  anapästischer  verse 
war  ihm  unbekannt,  er  hat  hoffentlich  jetzt  sich  Aber  diesen  puncl  besser 
unlerrichlet.    dasz  ein  daclylus  in  trochäischen  versen  der  lyrlker  unzu- 
lässig, dasz  'AXqpeccißoia  eine  fehlerhafte  Schreibweise  sei,  gibt  er  mir 
wol  auch' zu;  ob  er  auch  begriffen  hat,  dasz  der  umfang  der  Strophen 
durch  den  verschiedenen  Charakter  der  stilart  bediugt  sei,  bezweifle  ich: 
denn  für  alles  das  was^  die  Griechen  ffioc  nennen  fehlt  es  ihm  an  jedem 
Organ,   kurz,  widerlegt  hat  hr.  N.  auch  nicht  eine  zeile  meiner  abhand- 
lung, um  so  mehr  nimt  er  seine  Zuflucht  zu  unredlicher  entslellung  der 
Wahrheit,   so  z.  b.  den  Vorwurf  der  flflchtigkeit  sucht  hr.  N.  damit  zu 
begründen,  dasz  er  sagt,  ich  beseiüge  seine  conjecLur  TtpÖTTOba  bei  So- 
phokles Trach.  220  mit  folgendem  salze:  '«libri  cum  irpÖTTOba  vel  npö- 
cwba  exhibeant,  mihi   satius  videtur  upötroba  intactum  relinquere.» 
also  das  unverständliche  irpÖTTOba  soll  darum  den  vorzug  verdienen, 
weil  die  hss.  zwischen  TipÖTToba  und  npöcuiba  geleilt  sind,  jedenfalls 
eine  eigentumliche  logik.'   indem  diese  relation  gerade  den  eigentliclien 
grund,  weshalb  ich  hrn.  N.s  conjectur  verwerfe,  mit  stillschweigen  über- 
geht, ist  dies  nicht  blosz  ein  beweis  seiner  eignen  flüchtigkeit,  sondern 
>ielmehr  eine  bewusle  entslellung  der  Wahrheit,   ich  weise  seine  conjectur 
'*ch  zurück,  weil  das  wort  irpöcoba  ^ sine  exemplo'  sei;  milder 


Tb.  Bergk:  anz.  v.  Sophoclis  tragoediae  ed.  A.  Nauck.         389 

konnte  ich  mich  nicht  ausdrücken ,  und  Terstandüch  sind  die  worte  trotz 
aller  kürze:  ich  meine,  Trpöcoöoc  hdszt  *die  procession%  daher  kommt 
irpocöbiov  'ein  processionslied%  davon  wird  das  adjectivum  Ttpocobia- 
KÖc  gebildet ;  aber  ein  adjectivum  Trpöcoboc  existiert  so  wenig  wie  eine 
andere  analoge  form,  mit  welchem  tragiltomischen  pathos  würde  hr.  N. 
die  druckschriften  der  nordischen  akademie  erfüllen,  wenn  ein  anderer 
eine  solche  monströse  conjectur  zu  tage  gefördert  hSlte !  meine  humane 
art  hat  er  nicht  verstanden ,  er  darf  sich  daher  auch  nicht  beschweren, 
wenn  ich  fortan  zwar  nicht  in  seinem  dialekte  —  denn  der  widerstrebt 
meiner  natur  —  aber  doch  deutsch  und  deutlich  mit  ihm  rede,  wenn 
ich  also  hier,  nachdem  ich  hrn.  N.s  verfehlte  Verbesserung  nachgewiesen 
habe,  die  obwol  verdorbene  und  schwankende  lesart  der  liss.  einstweilen 
beibehalte,  so  mache  ich  nur  von  einem  rechte  gebrauch,  welches  hr.  N. 
anderen  gegenüber  jeden  augenblick  für  sich  in  anspruch  nimt.  ich  hätte 
übrigens  einen  Verbesserungsvorschlag  mitteilen  können,  habe  ihn  aber 
damals  unterdrückt,  weil  ich  alles  problematische  möglichst  fern  zu  hal- 
ten suchte:  da  ich  indes  auch  jetzt  nichts  besseres  weisz,  will  ich  die 
conjectur  wenigstens  hersetzen:  ich  lese  Tipöqpopa  ji^Xea.  —  Ich 
mache  unter  anderm  darauf  aufmerksam,  dasz  in  der  ftUern  tragödie  sich 
mehrfache  spuren  des  ionischen  oder  altattischen  dialektes  finden,  die 
hr.  N.  entweder  verdrangt  oder  wenn  sie  in  den  Varianten  verborgen 
sind  ganz  übergeht,  wie  z.  b.  AiTUimn  bei  Ion  von  Ghios;  darüber  sagt 
hr.  N. :  'wie  es  ein  eigentümliches  verhallen  zu  den  gesetzen  der  gram- 
matik  verrSlh,  wenn  Bergk  p.  4  bei  dem  iragiker  Ion  fr.  40  auf  die  form 
AiTUTTTiTi  dringt';  d.  h.  hr.  N.  sucht  mich  bei  den  lesern  seiner  Studien, 
die  meine  abhandlung  nicht  kennen,  zu  verdachtigen,  als  haue  ich  einen 
grammalischen  Schnitzer  begangen,  eine  polemik,  die  zu  so  klaglichen 
mittein  ihre  Zuflucht  nimt,  richtet  sich  selbst.  —  Hr.  N.  f^hrt  fort:  *und 
durch  einen  druckfehler  der  Aldina  bei  Hesychios  u.  KaT&  ßoöc  €(SEac9€ 
sich  verleiten  laszt  einen  genetiv  ßoOc  zu  erdichten.'  es  ist  recht  freund- 
lich und  wolwoHend  von  hm.  N.  dasz  es  meine  vermeintliche  mishandlung 
der  grammatischen  gesetze  mit  einem  druckfehler  der  Aldina  zu  entschul- 
digen sucht;  aber  ich  musz  mir  diese  Unterstützung  verbitten:  ich  weisz 
und  habe  gewust,  was  im  codex  und  was  in  den  ausgaben  steht,  da  ich 
früher  immer  Schow  nachgeschlagen  habe.  Hesychios  hat  freilich  ßoöc 
geschrieben,  wie  die  reihenfolge  der  artikel  lehrt,  aber  dasz  ßoOc  zu 
sprechen  oder  zu  schreiben  sei ,  zeigt  der  vers  (denn  die  glosse  stammt 
wahrscheinlich  aus  einem  orakel),  und  die  form  ßoO,  die  ich  aus  Aescliy- 
los  und  Sophokles  anführe,  setzt  einen  genitiv  ßoOc  voraus,  so  gut  wie 
NauciKÜbou,  'AvTKpdvou,  *ApictokX^ou  aus  NauciKubouc,  *AvTi<pd- 
vouc,  'ApiCTOKX^ouc  entstanden  sind ,  nicht  aus  NauciKubeoc  usw. 

Hr.  N.  huldigt  dem  grundsatze,  den  auch  einige  andere  namhafte 
kritiker  treulich  befolgen:  *non  aliter  se  doctos  probatum  iri  sperant,  quam 
si  alios  indoctos  convincere  possint"®),  und  so  enthalten  seine  Euri- 

28)  Scaliger  epist.  175,  and  ebendaselbst  in  etwas  schärferer  fassnng: 
'sed  aliter  non  putant  secnm  bene  agi,  nisi  alios  pueros,  se  summos 
vires  probaverint.' 


390         Th.  Bergk :  anz.  v.  Sophoclis  tragoediae  ed.  A«  Nanck. 

pideischen  Studien  wie  andere  in  den  Schriften  der  Petersburger  akademie 
gedruckte  abhandlangen,  so  weit  ich  sie  kenne,  eine  reilie  angrilTe  gegen 
andere  gelehrte ,  und  zwar  in  einem  tone  den  man  sonst  in  akademischen 
Schriften  nicht  zu  finden  gewohnt  ist:  denn  gelehrte  kdrperschaflen  haben 
bisher  immer  auf  anstand  und  gute  sitte  gehalten ,  die  ja  mit  der  freien 
wissenschaftlichen  bewegung  wol  vereinbar  ist,  und  ich  kann  mir  nicht 
denken ,  dasz  die  Petersburger  akademie  diese  manier  ihres  neuen  mit- 
gliedes  gulheiszen  sollte,  vor  allen  andern  beehrt  hr.  N.  mich  mit  seinen 
angriffen;  namentlich  meine  ausgäbe  des  Sophokles  hat  er  von  anfang  an 
als  eine  völlig  flberflQssige  und  verunglflckte  arbeit  zu  beseitigen  ver- 
sucht ,  während  freilich  jetzt  seine  neueste  ausgäbe  zeigt ,  wie  er  selbst 
wider  willen  mir  in  vielen  puncten  sich  angeschlossen  hat.  aber  aucli 
sonst  benutzt  er  jede  gelegenheit  zu  directen  oder  indirecten  ausfällen 
gegen  mich:  so,  um  nur  noch  ^in  beispiel  anzuführen,  welches  seine 
manier  recht  klar  veranschaulicht,  schreibt  er  Eurip.  Studien  II  s.  170: 
^schon  dieser  eine  umstand  macht  es  wahrscheinlich  dasz  dieser  dichter 
(Babrios)  mehrere  Jahrhunderte  nach  Christi  geburt  lebte ;  viel  deutlicher 
geht  eben  dies  hervor  aus  der  sprachlichen  form  deren  er  sich  bedient, 
und  wenn  die  hypothese  aufgestellt  wurde,  Babrios  sei  in  das  dritte  Jahr- 
hundert vor  Ch.  zu  setzen,  so  sollte  man  es  für  unmöglich  hal- 
ten dasz  der  urheber  einer  solchen  hypothese  im  neun- 
zehnten Jahrhundert  nach  Gh.  geboren  sei.'  nun  auch  wenn 
^  meine  Vermutung,  Babrios  sei  ein  Zeitgenosse  des  Kallimachos  gewesen, 

^  irrig  sein  und  dieser  dichter  vielmehr  der  mitte  des  zweiten  jh.  vor  Gh., 

also  dem  ende  der  alexandrinischen  periode  angehören  sollte ,  so  hätte 
doch  diese  hypothese  immer  das  Zeitalter  des  Babrios  im  ganzen  und 
groszen  richtig  bestimmt:  zeigen  doch  sogar  die  überlieferten  angaben 
über  die  zeit-  und  lebensverhältnisse  mancher  dichter  dieser  periode,  wie 
z.  b.  des  Nikandros,  eine  ähnliche  Unsicherheit:  während  br.  N.  den  dichter 
um  ungefähr  vier  Jahrhunderte  später  ansetzt,  der  ausdruck  *  mehrere 
Jahrhunderte  nach  Christi  geburt' ist  freilich  etwas  unbestimmt 
und  würde  uns ,  da  ^mehrere'  nach  strengem  Sprachgebrauch  nicht  von 
der  zweizahl,  sondern  mindestens  von  der  dreizahl  gebraucht  wird,  auf 
das  vierte  jh.  oder  noch  spätere  Zeiten  hinweisen ;  allein  hr.  N.  schlieszt 
sich  wol  nur  der  hypothese  Boissonades  an ,  der  den  Babrios  in  die  regie- 
rung  des  Alexander  Severus  (222 — 235  nach  Gh.)  versetzt,  eine  Ver- 
mutung die  schon  dadurch  widerlegt  wird,  dasz  bereits  Dositheus  im 
j.  207  die  fabeln  des  Babrios  benutzt  hat.  ^^) 

Doch  ich  verabscliiede  mich  hiermit  von  hm.  N.   der  gelehrte  aka- 
demiker  hat  mehr  musze  als  ich ,  das  schöne  grosze  druckpapier  der  aka- 

29}  auch  anderwärts  hat  hr.  N.  ähnliche  irtümer  in  litterarfaistori- 
sehen  dingen  begangen:  so  identificiert  er  den  Kaliimacheer  Hermippos, 
den  Verfasser  eines  umfangreichen  und  vielfach  benntsten  biogpr&phi- 
schen  veerkes,  mit  Hermippos  von  Berytos,  einem  schiller  des  Philoo 
von  Byblos,  verwechselt  also  einen  schriftsteiler  des  zweiten  jh«  vor 
Christas  (denn  diesem  gehört  der  ältere  Hermippos  an)  mit  einem  gram- 
matiker  des  zweiten  jh.  nach  Christns,  ohne  zu  beachten  dasz  Diony- 
sios  von  Hallkamass  jenes  biographische  werk  benutzt  hat. 


0.  Jänicke:  die  verse  auf  Pan  zum  vierten  mal.  391 

demischeo  Schriften  stellt  ihm  zu  freier  Verfügung ,  er  kann  in  ein  paar 
tagen  mehr  falsche  behauptnngen  aufstellen,  als  ich  in  ebenso  viel  wochen 
und  monaten  berichtigen  könnte,  nur  für  den  fall,  dasz  hr.  N.  indem 
beliebten  tone  fortfahren  sollte,  glaube  ich  dem  philologischen  publicum 
eine  weitere  aber  ganz  kurze  aufkllürung  schuldig  zu  sein. 

Halle*  Theodor  Berge. 

54. 

DIE  VEESE  AUF  PAN  ZUM  VDEETEN  MAL. 

(vgl.  Jahrgang  1866  s.  S96  und  788.   1867  s.  860.) 


Von  den  neun  hexamelem,  die  Lucian  Müller  als  ineditum  abdrucken 
liesz,  sind  die  ersten  vier  verse  schon  von  E.  Dümmler  in  Haupts  Zeit- 
schrift für  deutsches  altertum  XII  s.  447  aus  der  pergamenths.  der  San- 
galler Stiftsbibliothek  nr.  899  aus  dem  lOn  jh.  mitgeteilt.  Dümmler  gibt 
zugleich  an  dasz  Liudprand  die  ersten  verse  citiert,  und  zwar  den  schlusz 
des  zweiten  und  den  dritten  in  der  antapodosis  5 ,  32 ,  den  ersten  und 
dritten  in  der  relatio  de  legat.  Const.  c.  10.  der  Inhalt  der  hs.  ist  a.  o. 
beschrieben;  hm.  prof.  Dümmlers  zuvorkommender  gute  verdanke  ich 
die  vollständige  mitteilung  der  verse  auf  Pan  und  eines  andern  frag- 
mentes ,  das  unten  abgedruckt  ist.  ^ 

Die  Sangaller  hs.  bietet  abweichend  von  der  Zürcher:  v.  2  hirpige- 
na,  was  dem  hispigena  der  Zürcher  hs.  vorzuziehen  ist;  peiule,  verbes- 
sert von  Dümmler  a.  o.  4  semicaper,  5  wird  die  lücke  ausgefüllt  durch 
hrvte.  9  lautet  scrans  aridus  iole  spurce  brutiole  fatude  finit,  wodurch 
Hertzbergs  Verbesserung  Fatude  evident  bestätigt  wird ,  wahrend  seine 
andern  vorschlage  zu  diesem  verse  alle  Wahrscheinlichkeit  verlieren,  für 
die  samlung  der  epitheta  scheint  der  Verfasser  des  gedichts  besonders  den 
Vergilius  benutzt  zu  haben :  ob  aber  aus  diesem  eine  sichere  Verbesserung 
des  letzten  verses  zu  finden ,  ist  zweifelhaft. 

Das  finit  nötigt  nicht  zu  der  annähme  dasz  hier  das  gedieht  ge- 
schlossen habe,  so  ist  z.  b.  von  Konrads  von  Haslau  gedieht  Mer  Jüng- 
ling' in  einer  Leipziger  hs.  ein  brnchslück  aus  der  mitte  enthalten ,  wel- 
ches schlieszt:  Finito  libro  Sit  laus  et  gJoria  Christo.  Amen.  s.  Haupts 
zeitschria  Vin  s.  564. 

Auf  s.  46  des  oben  erwähnten  Sangaller  codex  nr.  899  stehen  fol- 
gende verse: 

Tres  habuit  turris  scrtptas  in  fronte  figuras, 
Quas  modo  diverso  uir  famülusque  legunt. 

DMS.  SSS,  DDD. 

Dominus  dixit       Domus  mortui  sepulti 
Seruus  dixit  Domus  magna  senatorum 

Dominus  dixit        Seruus  malus  damnetur 
Seruus  dixit  Dominus  malus  sepelietur 

Dominus  dixit        Seruus  serpens  satanas 
Seruus  dixit  Dominus  demon  damnum. 

Wriezek«  Oskar  Jakioke. 


392  F.  Huluch  und  Morlu  Maller:  zu  Polybtos. 

55. 

ZU  POLYBIOS. 


1,  37,  5  habe  ich  die  handscbrifUiche  äberliefening,  vsmä  iic 
befehlshaber  der  römischen  flotte,  ungeachtet  der  wamungw<ier^^^^' 
leule,  £Xa9ov  ££u)  TreXdrtoi,  im  texte  stehen  lassen,  nix^lweüK- 
^XaOov  ffir  richtig  hielt,  sondern  weil  keine  von  den  Torgeschlafscs 
änderungen  genügende  Wahrscheinlichkeit  für  sich  hatte,    ah  idi  >^f 
wieder  4,  41,  2  d<p'  ^v  lx\  TteXärtoi  rp^xovTCC  o\  nXfovttcTÖY 
TTÖVTOV  XavOdvouciv  dTTOK^XXovTCC  usw.  las  (womit  auch  nodi^^ 
6  und  9  verglichen  werden  kann),  schien  mir  an  obiger  stelle  2bpauo>' 
llMi  tteXdinoi  geboten  zu  sein,    die  einfache  aorisirorm  £bpa|iOV  ^^ 
ich  zwar  aus  Polybios  vor  der  band  nicht  belegen;  da  jedoch  inzns^* 
mensetzungeu  der  aorist  nicht  selten  vorkommt  (vgl.  4,  59, 1.  ^^  ^^'  ^ 
5, 33, 7.  7,  3, 6),  und  das  simplex  Tp^x^iv  als  ein  terminus  tedmicusfö 
fahrt  auf  offenem  meere  durch  4,  41,  2  und  4,  44,  6  nachgewiesen  l^l 
so  kann  aus  jenem  mangelnden  belege  gewis  kein  triftiger  einwapdgef^ 
die  conjectur  erhoben  werden,   noch  scheint  es  nicht  Oberflüssig  zu  vr 
merken,  dasz  ich  mit  gutem  gründe  nicht  fXaOov  ££ui  ncXdinotTP^' 
X  0  V  T  €  c  vorgeschlagen  habe. 

Dresden.  Friedrich  Hültsch. 

B. 

Zu  den  in  meiner  abhandluug  ^beitrage  zur  kritik  und  erkUrung  ^ 
Livius*  (Stendal  1866)  s.  20  ff.  besprochenen  ^fragmenU  inceruesed^» 
des  Polybios,  deren  Zugehörigkeit  zu  einzelnen  büchern  dieses  sehn  j 
stellers  ich  durch  vergleichung  mit  Livianischen  stellen  wahrscbem  t 
zu  machen  gesucht  habe,  füge  ich  noch  folgende  hinzu.  .  ^^ 

Auf  den  Inhalt  der  worte  Pausistratus  primo^  ut  in  re  necop»^ 
iurbatus  parumper^  deinde  vetus  miles  celeriter  coUecto  ammon^^ 
bei  Livius  XXXVII  11,  7  scheint  sich  auch  das  fragm.  52  Didot  (Suidas^ 
dE^crnKc)  6  bt  Tti  TToXuxpoviqj  xpißq  twv  iroXeMiKdiv  oub  JAij 
iliczr\  Tutv  qppevuiv  zu  beziehen  und  somit  zum  ica'  des  Polyi>i<>^ 

gehdren.  ,     ,  ^.. 

Das  kurze  fragment  102  Didot  (Suidas  u.  7TapaT€TaX|inK0T€c;  '^ 

paT€T0XMnK6T€C   Kttl   T€X^U)C    dTTCXlltcaVTCC   T#1V   CUiXnptOV  «l»»"^,; 

vielleicht  aus  der  darstellung  des  verzweifelten  kampfes  römiscß«''  _ 
daten  unter  C.  Marcius,  den  Livius  XLIV  10,  10  mit  den  ^^^^^L 
aliud  quam  ultima  necessitas^  cum  recipere  se  iuto  ad  '»^f  ^'tJ-^ 
rentur^  animos  militum  Romanorum  simul  desperatione  alia  i(^  ' 
simul  indignitate  irritavU,  und  UioAar,  der  hier  wahrscheinlich  '"; 
Polybios  geschöpft  hat  (s.  Nissen  kriiu  untersuch u«^««  3^  gGO),  ^^^[^ 

Iv(oT€  TÄP  TÄ  napacTTiMaTa  twv  dvbpuiv  Ka\  Tä  Tex^Jc  M^^' 
TTicjidva  iTpöc  <iTreTVUJC|i€vriv  fitei  cwT^Xeiav  berichten.  da$ff^^* 
ment  würde  dann  aus  dem  yx\  des  Polybios  stammen. 

Stendal.  Moritz  MuLtE» 


W.  Dindorf:  bemerkungen  zu  den  poetae  scenici  Graeci.       393 

56. 

NACHTRÄGLICHE  BEMERKUNGEN  ZUR  FÜNFTEN 
AUFLAGE  DER  POETAE  SCENICI  GRAECI. 


In  der  gegenwSrtig  in  Ifefeningen  erscheinenden  fanften  aufläge  der 
poetae  scenici  Graeci  haben  die  setzer  bei  dem  umbrechen  zweier 
spalten  zwei  verse  an  unrichtige  stellen  gebracht:  ein  versehea  welches 
später  durch  umdruck  der  betrefTenden  blSller  beseitigt  werden  wird, 
hier  aber  seine  vorläufige  berichligung  finden  mag,  unter  hinzufügung 
einiger  anderer  bemerkungen. 

1)  Im  Sophokles  s.  69  ist  der  letzte  vers  der  zweiten  spalte 
(Oed.  Kol.  ie&3) 

dvfip  TÄp  oö  crevaKTÖc  oöbt  cüv  vöcoic 
an  das  ende  der  ersten  spalte,  nach  v.  1662,  zu  versetzen. 

In  demselben  stQck  v.  113  ist  statt  der  handschriltlichen  lesart  koI 
cu  \i^  il  öboO  TTÖba  I  KpOipov  kqt'  ÖXcoc,  zu  setzen  xat  ci  ii*  il 
öboO  TÖbe  — ,  und  in  der  anmerkung  «t6ö€  Blartiuus]  nööa».  das  ein- 
fachste und  natürlichste  wOrde  die  anwendung  eines  participiums  gewesen 
sein:  xal  cti  ^*  iE&xovc*  ööoO  |  Kptiniov  kqt'  fiXcoc,  wie  v.  98  IH^^ 
tat*  ic  TÖb'  äXcoc.  da  indessen  TÖbe  dem  handschrifllichen  TTÖba 
ähnlich  sieht,  sa  wird  es,  so  lange  nicht  ein  glflcklicher  zufall  eine  end- 
giltige  entscheiduug  bringt,  dabei  bewenden  können  und  nicht  der  mühe 
lohnen,  wie  bereits  geschehen,  eine  anzahl  anderer  möglichkeiten  aufzu- 
stellen, die  weder  besser  noch  sicherer  sind  als  hrn.  Martins  conjectur. 

Von  gröszerem  interesse  ist  eine  andere  vielfach  besprochene  stelle 
dieses  stOckes,  fflr  deren  Schwierigkeiten  sich  bis  jetzt  noch  keine  be- 
friedigende lösung  gefunden  hat.  in  dem  chorgesange,  in  welchem  die 
vorzfige  des  attischen  landes  vor  allen  anderen  teilen  Griechenlands  ia 
versen  gepriesen  werden,  welche  schon  im  altertum  ihre  bewunderer 
gefunden  zu  haben  scheinen ,  finden  sich  folgende  auf  den  in  Athen  in 
hohen  ehren  gehaltenen  Ölbaum  bezilgliche  verse: 

^CTIV  b'  OTOV  dipl)  fOLC  'ActoC  OÖK  iTTaKOVUJ,  694 

oub'  iv  xä  iief&Kq  Aiupibt  vdcoi  TT^Xottoc  ttuittotc 

q>ÜT€u^'  dxeiptiTOV  aÖTÖnoiov,  [ßXacTÖv 

^TX^^v  qpößima  batujv, 

8  T^€  6dXX€t  iii-xicia  xtifp?«  700 

TXauxäc  TraiboTpö<pou  qpuXXqv  iXdac* 

TÖ  fx^v  TIC  o86 '  dßöc  oÖTC  Ti^a 

CHMalviuv  dXiU»C€i  X€pl  ir^pcac'  ö  tdp  aUv  öptSiv  kukXoc 

Xcuccct  viv  Mopiou  Aide  705 

Xd  tXauKuiinc  'AOdva 

▼.  698  stand  in  der  alten  Florentiner  handschrift  ursprünglich  dxVjpilTOV, 
woraas  durch  eine  correctur,  die  auch  in  einige  abscbriften  fibergegangen, 
dx€{pr)TOV  gemacht  worden  ist,  welches  nach  den  neueren  erklärem  — 
denn  die  scbolien  schweigen  fiker  diesen  vers — so  viel  als  dxcifKmofnTOV 

JahrbOcber  filr  cItM.  philol  ISflB  hft.  6.  26 


394       W,  Diadorf:  LemerkuDgen  zu  den  poelae  scenici  Graeci. 

oder  dx€ipOUpinr|TOV  bedeuten  soll  und  ein  verbum  X€tp^U)  voraussetzt^ 
von  welchem  sich  nirgends  eine  spur  findet,    dies  bemerkte  Härtung  und 
schrieb  deshalb  dx^^P^^'^^V,  von  einem  zwar  seltenen,  aber  doch  in  ge- 
brauch gewesenen  verbum  X€ip{2!ui.    einen  andern  weg  schlug  ein  älte- 
rer corrector  ein,  welcher  dxcipuiTOV  setzte,  was  in  mehreren  der  inter* 
polierten  abschriflen  steht  und  schon  Poliui  in  seiner  handschrift  gefun- 
den haben  musz,  wenn  niclit  die  bei  ihm  jetzt  stehenden  worle  teuschen  : 
2, 154  TÖ  T^p  TTopd  <t>iXtCTUj  aÖTOX€ipicavT€C  na^iiiapov.  dx€(- 
pujTOv  be  Coq>OKXfic  elpfiKC  tö  dxctpoupYfiTOV ,    buqccipujTa  bt 
Aruxoc6^VT]C  (in  dem  unechten  'GpuiTiKÖc  s.  1412,  21),  ^TX^ipiderov 
^HpöbOTOC  (5,  106):  eine  erscheinung  die,  an  sich  betrachtet,  nidils 
befremdendes  hau     denn  dxcipuiTOV  kann  schon  in  handschriften  des 
zweiten  Jahrhunderts,  in  weichem  Poilui  lebte,  gestanden  haben,  spftter 
in  dx^lPHTOV  oder  dx€lpt]TOV,  wie  jetzt  in  der  Florentiner  handschrift 
steht,  verdorben  und  dann  wiederum  nach  bloszer  conjectur  in  den  inter- 
polierten abschriflen  der  Florentiner  handschrift  in  dx^ipuiTOV  verwan- 
delt worden  sein,  wie  hunderte  von  kleinen  conjecturalverbesserungen 
der  späteren  abschriften  notwendig  in  weit  Alteren  handschriften  gestanden 
haben  müssen,  was  auch  von  einer  langen  reihe  anderer  griechischer  und 
latemischer  scliriftsteller  gilt,  bei  welchen  ebenfalls  in  den  späteren  ab- 
schriften eines  nodi  vorhandenen  codex  archetypus  dergleichen  kleine 
Verbesserungen  von  den  abschreibern  und  correctoren  bis  in  die  letzten 
Jahrhunderte  des  mittelalters  herab  gemacht  worden  sind,    weit  bedenk- 
licher ist  die  von  Pollui  hlnzugefägte  erklArung  dxcipOupTn'^ov,  da 
dx^tpuiTOV *)  nie  etwas  anderes  alsunbezfthmt,  unbesiegt  bedeuten 
kann  und  der  gebrauch  des  wertes  in  der  von  Pollux  angenommenen  be- 
deutung  hier  um  so  abgeschmackter  erscheint,  als  die  unmittelbar  fol- 
genden Worte  ixx^tiüv  (pößima  batu)V,  und  weiter  unten  tö  |li€V  Tic 
oiix  dXubcei  x^pl  n^pcac,  keinen  hörer  oder  leser  des  in  rede  stehen* 
den  verses  ahnen  lassen  dasz  dxcipu)TOV  hier  eine  andere  als  seine  ge* 
wohnliche  bedeutung  haben  soll,    die  unrichtige  erklftrung  verdankt  ihre 
entstehung  vielleicht  dem  neben  dxciptUTOV  stehenden  auTÖiroiov,  wel- 
ches, auch  wenn  es  schon  in  der  handschrift  des  Pollux  gestanden  habea 
sollte,  dennoch  für  fehlerhaft  zu  hallen  sein  wird,    denn  leitet  man  das 
wort  von  noia  ab,  so  ist  zu  bedenken  dasz  bftume  keine  notai  sind,  wie 
schon  Theophrast  ausdrücklich  bemerkt;  soll  es  aber  von  troieiv  gebildet 
sein ,  so  verstdszl  auch  diese  annähme  gegen  den  sprachgebraucli.    denn 
blume  und  pflanzen  welche,  ohne  von  menschlichen  bänden  cultiviert  zu 
sein ,  wachsen ,  werden  von  den  (jriechen  aÖTÖTTOioi  ebenso  wenig  wie 
von  uns  im  deutschen  selbstgemachte  genannt,  sondern  aOTOq)U€ic 
Sophokles  hätte  daher,  wenn  er  dies  sagen  wollte,  aOröqpuiov  schreiben 
müssen,  wie  Aeschylos  des  silbenmaszes  wegen  biqpuioc  statt  biq>ui^c 


*}  die  glosse  des  grammatikers  in  Bekkers  auecd.  s.  474  dxcipuj- 
Tov:  d^ui^ov,  welche  Toup  durch  Veränderung  von  djiWfAOv  in  dvdXui- 
Tov  dem  Sprachgebrauch  anpassen  wollte,  beruht  wahrscheinlich  auf 
misverstttndnis  oder  freier  erkl&rung  einer  jetzt  unbekannten  stelle. 


W.  Dindorf :  bemerkuDgen  zu  den  poetae  scenici  Graeci.        395 

gesagt  hat.  alle  diese  Schwierigkeiten  und  bedenken  lassen  sich  beseiti- 
gen durch  drei  buchstabenveränderungen ,  die,  paläographisch  betrachtet, 
höchst  wahrscheinlich  sind ,  ohne  deshalb  Aber  jeden  zweifel  erhaben  zu 
sein: 

q)UT€U|i*  dbrjpiTOv  auTÖwiov  — 
zwei  epilheta  welche  in  den  zwei  folgenden  versen  weiter  ausgemalt  er- 
scheinen, dbripiTov  durch  ^tx^ujv  q>ößr)|ia  botuiv,  auTÖmov  durch 
ö  tqbe  OdXXet  ji^xtCTa  X^P9-  ^^^  Übergang  von  dbnpiTOV  zu  dx^PH* 
TOV  würde  in  diesem  falle  der  den  abschreibern  gelaufige  orthographische 
fehler  d&/)pT]TOV  bilden,  so  ist  bei  Aeschylos  im  Prometheus  v.  105  t6 
Tf)c  dvdXKiic  IcT*  dbifjpiTOV  cO^voc  in  mehreren  abschriflen  und  bei 
Georgios  Pachymeres  bd.  II  s.  152 ,  2  Bkk. ,  der  sich  dieses  verses  be- 
dient, dbrjpiiTOV  geschrieben,  eben  so  in  zwei  glossen  des  Hesycbios 
dbiipriTOV:  djnaxov,  dKaraiüidxilTOV,  wo  Musurus  dbrjpiTOV  herstellte, 
und  äbTipr)Tiiv:  Tf|v  dTröXejiOV  Kai  dTröpOrirov,  wo  die  weibliche 
endung  durch  das  folgende  Tf|V  veranlasst  sein  kann  und  dbiffpiTOV, 
mit  oder  ohne  folgendes  Tf)V,  wahrscheinlicher  ist  als  dbfiptTnv,  wenn 
auch  letzteres  nicht  unmöglich  Ist.  die  beziehung  in  welcher  der  Ölbaum 
als  unTertilgbar  oder  uDverwOstlich  bezeichnet  wird  ergibt  sich  aus  der 
in  den  alten  scholien  erhaltenen  gelehrten  erlAuterung  der  nächsten  worte 
^TX^uJV  q>ößii|üia  boiuiv. 

Was  das  andere  epitheton,  auTÖnioV,  betrifft,  so  haben  schon  die 
alten  landwirtschaftlichen  Schriftsteller  bemerkt  dasz  die  natürliche  fetlig- 
keit  des  Ölbaums  so  grosz  ist,  dasz  er  nur  in  mehrjährigen  Zwischenräu- 
men einiger  dfingung  bedarf:  daher  f)  niÖTT)C  tt^C  dXaiac  bei  Clemens 
Alex,  in  den  excerpten  aus  Theodotos  s.  983  Pott,  in  ähnlicher  weise 
bezeichnet  Sophokles  Trach.  766  die  harzige  fichte  mit  den  werten  nteU 
pac  bpuöc  

2)  Das  zweite  der  beiden  oben  erwähnten  versehen  der  setzer  findet 
sich  in  den  fröschen  des  Aristophanes  s.  152,  wo  der  letzte  vers  der 
ersten  spalte  TrdXiv  dTTCiciv  oiKab'  au  nicht  hinter  die  unter  den  text 
verwiesenen  unechten  verse  1449 — 1453  zu  setzen  war,  sondern  in  den 
text,  in  unmittelbarem  anschlusz  an  v.  1485  Sbe  xdp  cd  q>p0V6tv  botcrj- 
cac  in  demselben  stück  sind  die  verse  179—183  so  umzustellen:  179. 
181.  182.  180.  183  und  die  worte  Kai  nXoiöv  t'  öpui  dem  Xanlhias 
zu  geben,  nach  Ritschis  treffender  beweisführung  im  rhein.  museum  XXllI 
8.  515. 

Im  frieden  des  Aristophanes  v.  605  habe  ich  die  handschriftliche 
lesart  aörf^c  fipEe  —  die  nicht  blosz  gegen  das  silbenmasz,  sondern 
auch  durch  das  ungehörige  aärf^c  gegen  den  sinn  veratöszt  —  nach 
emer  mir  von  Seidler  mitgeteilten  sehr  emleuchtenden  Verbesserung  in 
JipEev  &Tr\C  verändert  und  in  der  anmerkung  bemerkt  dasz  in  dem  feh- 
lerhaften adrige  fjpSev  auch  alle  handschriflen  des  Diodor,  von  dem 
diese  stelle  12,  40  citiert  wird,  übereinstimmen,  sind  nun  auch  schon 
im  Zeitalter  des  Diodor  die  handschriften  der  classiker  nicht  ganz  fehler- 

26* 


396        W.  Diidorf :  bemerkuogen  zu  den  poetae  scenici  Graeci. 

frei  gewesen,  wie  wir  aus  manchen  aber  das  alter  vieler  Verderbnisse 
erhaltenen  nolizen  wissen,  so  hat  doch  die  annähme  eines  so  hohen 
alters  der  hier  vorliegenden  oorruptel  keine  grosse  Wahrscheinlichkeit, 
und  winl  um  so  xweifelhafter,  da  das  ganze  cilat  ein  yerdachliges  an- 
sehen hat.  nachdem  Diodor  in  den  vorangehenden  capUeln  Ober  die  an- 
geblichen unterschleife  des  Pbeldias  und  Perikles  gesprochen  hat,  folgen 
am  Schlüsse  des  40n  capitels  nachstehende  werte:  p^jUvriTat  bi  toOtujv 
Ka\  'ApiCToq)dvf)C  6  Tf\Q  dpxaiac  Kuifitfibiac  iTOti}Tf|c,  tcYovüjc  kotu 
TJtv  ToG  TTcpiKX^ouc  f|XiKiav,  ty  bk  TOtcbe  (eine  handschrift  iv  TOieb€) 
TCTpümüi^voic  (iv  TOtcbe  toic  TCTpafi^rpotc  Canter) 

\b  XmcpvflTec  TCUJpTol,  Tdfid  nc  Suvt^Tui 
^rj^aT*,  ei  ßoOXecO'  dbcoOcai  T^ivb"  önujc  änuiXero. 
Trpüiha  \ikv  t^P  auTf)c  fjpSc  0€tbiac  npÜoc  kcmuic, 
cIto  TTepticX^ilc  cpoßvidck  ^f|  M€T<icxiI  ti^  Tuxnc, 
^pßaXuiv  cmvdftpa  jüitxpdv  MerocptxoO  iiHicpigioroc 
dEeqpuoiccv  tocoOtov  iröXe^ov  iÄctc  ti&  Kanvii) 
TTdvToc  "CXXiivac  baicpOcai,  toöc  t'  ixci  touc  t*  frv- 

eäbc* 
xal  TrdXiv  tv  fiXXoic  €{moXtc  ö  iroiiiTf|c 

TTepticX^ic  ot!iXu^7Ttoc 
ficrpairr',  ißpövTO,  SuvcKUKa  ifjv  '€XXaba. 
TT€i6ui  HC  diteKidiZev  iitX  rote  X€tX€Ctv  • 

OÖTUK  ilClfjXci  xat  füiÖVOC  TWV  ßT]TÖpUIV 

TÖ  x^vrpov  ^TKaT^Xeme  toic  äxpouijüM^voic. 
ist  schon  die  art  wie  Arist«phanes  hier  bezeichnet  wird ,  Ö  ty)c  dpxalcEC 
Kui)yii|jbtac  iTOiiiTf|C,  TCTOvdic  kotä  Tf|v  toO  TTepixX^uc  fjXixlav,  die 
einem  spätem  grammatiker  fthnlicher  sieht  als  einem  so  alten  schrift* 
steller  wie  Diodor  (der  im  letzten  Jahrhundert  vor  unserer  Zeitrechnung 
lebte),  etwas  befremdend,  und  eben  so  das  folgende  iy  dXXotc  GörroXtc 
ö  iTOiV)TT^c,  so  ist  es  nicht  weniger  auflallend  dasz  Diodor,  der  zwar 
einige  verse  der  tragiker,  nirgends  anderwSrts  aber  auch  nur  einen  ein* 
zigen  vers  aus  den  komikem  citiert,  ungeachtet  es  dazu  nicht  an  gelegen* 
heit  fehlte,  hier  seine  leser  mit  den  beiden  citaten  aus  Aristophanes  und 
Eupolis  Oberraacht.  es  liegt  daher  die  Vermutung  nahe  dasz  die  (wie  am 
anfang  des  41n  capitels  gesagt  ist)  aus  Ephoros  entlehnte  enlhltag  v<ea 
den  Ursachen  des  peloponnesiscben  krieges  mit  den  woKen  schlesz :  toöc 
bi  Aouccbaifiovtouc  xpim<^uiv  t€  ciraviZciv  dTrebciKvu  (TTcptxXf^) 
xal  raic  vauTixatc  buvdfteci  iroXO  XetitecOat  tiDv  'A6nvaiu)V.  ToOra 
bicXOibv  xal  napop^i^cac  Toiic  noXtrac  elc  rdv  iröXe^ov  fneice  töv 
bf)^ov  }ii\  irpoc^x^iv  TOk  Aonccbot^ovioic,  und  dasz  der  folgende  wie* 
dentm  mit  TaOra  anfangende  satz  raöra  bi\  ^btuiC  oiyetAcce  M 
T^v  betvdniTa  toö  Xötou,  bi'  i^v  ahiov  ibvo^dcOn  'OXOyiinoc, 
nebst  dem  oben  abgedruckten  excerpt  pljiyrytai  bis  to!c  di(poui|i6roi€ 
nichts  anderes  als  ein  ron  späterer  band  herrührender  zusatz  ist,  der  die 
grtete  Ahniichkeit  mit  dem  aus  einer  alten  blographle  des  luripldes  est* 
noounenen  und  ebenfalls  mit  citaten  aus  alten  komikem  ausgestnilete»«!* 
%  welches  in  den  teit  des  Diogenes  L.  2,18  an  sehr  ungehöriger 


W.  Dindorf :  bemerk  ungen  zu  den  poclae  scenici  Graeci.        897 

stelle  gebracht  worden  ist,  wie  L.  Dindorf  in  der  vorrede  tnr  Oxferder 
ausgäbe  von  Xenophons  memorabüla  s.  XIX  nachgewiesen  hat.  hierzu 
kommt  noch  die  auffallend  nachlässige  fassung  der  bei  IHodor  dtierten 
verse.  der  erste  vers  des  Aristophanes  lautet  in  den  handsdiriften  des 
dichters  ganz  richtig 

\b  ccHpiCrnrroi  T€U)pTol,  r&^ä  bi\  SuvUtc 
was  bei  Diodor  steht  lü  Xmepvf^TCC  tcuipTOl«  Tä^d  nc  Euvi^tuj  he* 
ruht  auf  einer  Vermischung  mit  dem  verse  des  Architodios 

lü  Xmepvf^TCc  rroXlTai,  xi^ä  bi\  Suviere  |  ^/|MaTa, 
dessen  sich,  wie  der  scholiast  bemerkt,  Kratinos  in  seiner  komödie  TTu- 
TiVT)  in  wörtlicher  Wiederholung  bediente,  wahrend  sich  Aristophanes 
mit  einem  anklang  an  die  worte  des  iambographen  begnflgte,  wie  er 
auch  anderwärts  nicht  selten  bei  anspielungen  auf  stellen  der  tragiker 
verfährt,  und  ebenso  Eupolis  in  den  von  Stobaeos  flor.  4,  33  erhaltenen 
Worten  dXX*  äKOuer*,  lü  Ocaral,  Td^&  xal  SuvicTC  |  ^t'JMOtTa. 

Nach  dem  vierten  mit  tt^c  tuxhc  schlieszenden  verse  fehlen  zwei 
bei  Aristophanes  folgende ,  zum  Verständnis  der  worte  p,f\  fierdcxot  Tf)c 
Tuxnc  erforderliche  verse 

Täc  q>tJC€ic  öfiüjv  beboiKUJC  xm  töv  aÖTOb&S  Tpdnov, 

nplv  iraOetv  ti  b€ivöv  aöröc,  £Ee<pX€£€  Tf)v  iröXtv. 
Im  sechsten  verse  steht  bei  Diodor  wie  in  den  handschriften  des 
Aristophanes  ^ecpuoicev.  der  Zusammenhang  erfordert  aber  das  von 
Bentley  hergestellte  KdEeqpudicev ,  welches  wahrscheinliph  in  einer 
alleren  handschrift  mit  der  nicht  seltenen  Vernachlässigung  der  krasis 
Kai  ££eq>uciiC€V  geschrieben  war,  was  veranlassung  kur  tilgung  der 
Qberschieszenden  silbe  gegeben  haben  kann. 

Das  nächste  citat  aus  Eupolis  leidet  an  einer  Verwirrung ,  die  un- 
erklärlich sein  würde,  wenn  uns  nicht  die  Acharner  des  Aristophanes 
erhalten  wären,  und  die  wahrscheinlich  nicht  den  abschreibern  des  Dio- 
dor, sondern  dem  allen  inlerpolalor  zur  last  fällt,  der  ganz  in  derselben 
weise  gefaselt  zu  haben  scheint  wie  der  oben  erwähnte  Inlerpolator  des 
Diogenes  L.  2,  18,  wie  ich  ausfülirlicher  nachgewiesen  habe  in  der  ein- 
leitung  zu  der  Oiforder  ausgäbe  der  fragmenle  des  Aristophanes  s.  510 
— 513.  in  richtiger  fajsung  würde  das  excerpt  so  lauten  milsseB:  Kttl 
lidXiv  ^V  fiXXoic  (nemlich  in  den  Achamem  v.  530) 

TTepixX^ilc  oöXu|üiinoc 

ficTpain",  ißpövta,  SÜvcKUKa  Tflv  '€XXdba. 
Kai  £CiTOXic  ö  TTOtriTfjc  (in  der  komödie  Af]fiOi,  wie  wir  au«  anfah* 
rungen  anderer  Schriftsteller  wissen,  deren  steilen  Meineke  11  s«  459  ge- 
sammelt bat) 

TTeiOdi  TIC  dircK&OiZcv  tiii  toTc  x^iXcciV* 

ouTiuc  ^KrjXei  xai  jliövoc  tuiv  ^iiTÖpuiv 

TÖ  K^VtpOV  iTKaT^X€l7T€  TOk  AxpOUI^lfvOtC. 

An  allem  obigen  wird  nicht  das  mindeste  geändert  durch  den  unter 
dem  namen  des  Aristod^mos  erscheinenden  verdächtigen  compilator,  des- 
sen historische  excerpte  neuerdings  hr.  Wesoher  in  dem  anhang  zu  den 
TToXiopKnrtKd  (Paris  1867)  aus  einer  Pariser  miscellanhandschrift  her- 


398        W.  Dindorf:  bemerkujigeD  zu  den  poelae  scenici  Graeci. 

ausgegeben  lial,  s.  364  [oben  s.  91  f.],  wo  sieb  der  Verfasser  teils  auf 
grund  des  interpolierten  textes  des  Diodor  teils  aus  eigenen  mittein  ve^ 
nehmen  iSszt  wie  folgt : 

dXövTOc  ToC  <t>€ibiou  irA  vocq>iC|üii4>  eöXaßr)e€k  ö  TTcpiKXfic 
\if\  Kai  aÖTÖc  €ii6uvac  dnaiTiiOiQ)  ßouXö^evoc  dKKXtvai  t&c  xpiceic 
iiToXiTeüccrro  töv  ttöXc^ov  toOtov  tp<S^M^<^c  tö  xaiä  Mcrap^wv 
^l1lqplC|ia.  biaTTicToCrai  b^  raOra  Kai  ö  Tf)c  dpxaiac  KUi^ipbiac  noi- 

TJTflC  X^TWV  OÖTU)C 

Ü5  XiTr€pvfiT€C  T€uipToi,  Tä^ä  bf|  CUVtCTC 

prifiaTia  (i.  e.  ^i^iiaT'  ei)  ßouXoicO'  dKoCcai  if\vh'  fiirwc 

dTrtbXcTO. 
TTpwTOV  M^v  jap  fipEar'  aörf^c  <t>cib(ac  npdfac  kokuic' 
eha  HepiKX^fic  90ßr)6clc  }xi\  |i6Täcxoi  Tfic  Tiixnc  i 
Tdc  qpucctc  ufiaiv  bcboiKiuc  Kai  töv  aöOdbn  Tpörrov , 
^^ßaXubv  CTTivOfipa  jiiKpöv  McxaptKoO  i|iTi9(c^aT0C, 

dE€9UCr|C€V  TOCOÖTOV  TTÖXeiiOV,  UJCT*  iK  TOO  KaTTVOO 

ndvTac  "CXXiivoc  baKpOcai,  to\5c  t*  Ik€i  touc  t*4v- 

edbe 
Kai  TrdXiv  uiroßdc 

iTÖpvr)v  €ic  iLi^Onv  ioGcav  Mexotpfba 
vcaviai  kX^tttouciv  ^€eucoKÖTTaßol• 
KdnciO"  o\  M€Totp€ic  öbuvaic  iT€9uciipruj^^vot 
dvT€£^KX€\|iav  *AcTTadac  Tröpvac  büo  * 
£v6^v6 '  ö  iTÖXcfiOC  £^(pavl&c  Karcppatn 
"GXXrict  irdciv  Ik  rpiuiv  bCKacrpiüJV  * 
dvWvbc  M^vToi  TTcpucX^iic  'OXö|i7noc 
ficTpairr'  dßpövra  cuvcKÜKa  Tf|V  *€XXdba, 
^TiOei  vöfiouc  i&CTtep  CKÖXia  tctp^mm^vouc, 
d)c  xp'l  Mexap^fac  ji^iT*  iy  drop^  jüitit'  iv  ^nelpip 

V  M^veiv. 
Im  ersten  verse  steht  in  der  handschrift  w  TT€p6nT€C,  ungefähr  wie 
Ü5  n€VilT€C  in  den  schiechteren  handschriften  des  Diodor.  das  am  anfang 
des  dritten  verses  stehende  irpi£rrov  statt  irpi&ra  ist  wahrscheinlich  nur 
ein  versehen  des  abschreibers.  denn  dasz  dieser  compilator  wüste  dasz 
eine  trochaische  dipodie  nicht  mit  einem  spondeus  anfangen  l(ann,  scheint 
aus  der  von  ihm  in  den  nSchsten  Worten  vorgenommenen  umstellong 
fipEar'  aörfic  statt  des  bei  Diodor  stehenden  a{nr\c  fipEc  hervorzugehen, 
durch  die  jedoch  nur  das  silbenipasz,  nicht  aber  der  sinn  hergestellt 
wird,  denn  ainf\c  wflrde  nach  den  unmittelbar  vorhergehenden  wortea 
Tf\yb'  (d.  i.  Tf|v  €{pyjVT]v}  örruic  diruiXcTO  nichts  anderes  bedeuten  kön- 
nen als  fjpEaTO  Tf^c  €lprjvr)c ,  was  baarer  unsinn  ist. 

Bemerkenswerth  ist  dasz  sich  bei  Aristodemos  nach  dem  vierten 
verse  der  fQnfte,  bei  Aristophanes  stehende,  bei  Diodor  aber  fehlende 
vers  findet  (wenn  auch  mit  dem  fehler  aiiOdbr)  statt  aÖTObd£) 

Tdc  (puc€ic  i)^uüv  beboiKibc  Kai  töv  aOOdbr)  Tpönov, 
während  der  sechste  vers  des  Aristophanes 

TTplv  TraOciv  ti  beivöv  aÖTÖc,  lii(p\€.H  Tf|v  nöXiv 


W.  Dindorf:  Bemerkungen  zu  den  poetae  scenici  Graeci.       399 

sowol  bei  Diodor  als  bei  Aristodemos  fehlt,  ob  letzterer  seinen  fünAen 
yers  aus  einer  vollständigeren  Handschrift  des  Diodor  entnommen  oder  aus 
Aristophanes  hinzugefQgt  hat,  mag  einstweilen  dahingestellt  bleiben. 

Das  am  ende  der  siebenten  zeile  bei  Aristodemos  stehende  i&ct'  Ik 
TOU  KOTTVOÖ  wird  niemand  der  bei  Aristophanes  und  Diodor  überliefer- 
ten lesart  ul»ct€  Tip  KaTTViji  vorziehen. 

Die  bald  folgenden  worte  Kai  irdXiv  ÖTroßdc  können  nach  der 
durch  unzählige  beispiele  festgestellten  bedeutung  des  verbum  ätroßäc 
nichts  anderes  bedeuten  als  dasz  Aristophanes  in  demselben  stfick,  aus 
welchem  die  vorhergehenden  acht  tetrameter  entnommen  sind  (d.  h.  dem 
frieden}  weiter  unten  sich  der  nun  folgenden  verse  bedient  habe,  diese 
angäbe  beruht  aber  auf  einer  faselei.  denn  die  folgenden  trimeter  finden 
sich  nicht  im  frieden,  sondern  In  den  Acharnern  v.  524 — 534,  wo  sie 
frei  von  den  argen  bei  Aristodemos,  teils  durch  dessen  eigene  schuld,  wie 
es  scheint,  teils  durch  den  abschreiber  verursachten  entstellungen  in  den 
handschriflen  überliefert  sind:  7TÖpvr)V  bl  Ct)Liai6av  Idvrec  M^xotpdbc 
V.  K.  ^.  I  K$6 '  ol  MeTcipf)c  ö,  tt.  |  dvTeE^KXcMiav  'A.  iröpva  buo 
KdvreCeev  (KäKeiGev  bei  Athenäos  XIU  s.  570)  äpxfj  (dpx^  Dobree; 
TOU  TroXejLiou  KOTcppdfriJ  "£•  tt.  ^k  t.  XaiKacTpiaiv.  |  dvrcOOev  öprO 
TTepiKX^ilc  ouXu|Limoc  |  ficrpairrcv  (richtig  fjcTpanT' bei  Aristodemos, 
Plinius  epist,  1,  20  und,  wie  es  scheint,  einigen  geringeren  hss.  des 
Diodor] ,  dßpövTO ,  SuvcKUKa  Tf|v  '€XXdba ,  |  dTiOct  v.  &.  c  t*  I  ^c, 
Xpf\  tAefapiac  fit^Te  t4  {yiryz^  dv  t4  die  hss.  hier  und  in  den  rittern 
v.  610)  \if\T^  iv  dyop^  I  }rr\T*  tv  OaXdm]  jiriT*  dv  t^iretpi})  jidveiv. 

In  der  Alkestis  des  Euripides  v.  846  ist  die  handschriftliche  les- 
art xdvTTep  XoxVjcac  auröv  Ü  Sbpac  cuOek  |  jndp^iui  -*,  zu  der  ich 
in  der  neuen  aufläge  der  poetae  scenici  bemerkte :  '  schpl.  in  V  TP*  Xo- 
Xiac  (Xox€(ac  Cobetus}.  Xoxdv  jap  abxöv  OdXet  6  'HpaicXf^c  xpu- 
ipOeic:  unde  Xoxottac  coniecit  Hartungus,  quod  probandum  foret,  si  de 
hac  adiectivi  significatione  certius  constaret  quam  Anth.  Pal.  15,  9  exem- 
plo  (ubi  Xoxatoc  dpuic  AiaKibao).  nee  verisimile  est  in  hoc  adiectivum 
incidisse  Euripidem ,  quum  in  promptu  esset  Kpuq)a{ac.  nam  hoc  cer- 
tum  videtur,  adiectivo  eum  usum  esse  cum  Sbpac  coniungendo.  nihili  est 
quod  apud  Suidam  s.  v.  Aox€ia  legitur:  Xoxioe  hk  btd  ToO  t  dtrl  Tfic 
dvdbpac'  die  behauptung,  dasz  Euripides  gefühlt  haben  müsse  dasz 
hier  ein  mit  Sbpac  zu  verbindendes  adjectivum  weit  mehr  am  orte  sei  als 
das  participium  XoXH^Ctc,  findet  eine  neue  bestätigung  durch  einen  artikel 
der  ältesten  Florentiner  handschrift  des  Elymologicum  Magnum ,  durch 
deren  vergleichung  hr.  E.  Miller  (in  den  vor  wenigen  wochen  zu 
Paris  erschienenen  ^m^anges  de  litt^rature  Grecque')  sich  ein  er- 
hebliches verdienst  erworben  hat,  s.  208  Aöxottov:  TÖv  K€KXt|idvov, 
dv  ib  fcTi  Xoxf)cai.  €öpnT(biic  TriXdqxp.  koI  dv  'AXirficnbi  «Kdv 
TTcp  Xöxotta  cauTÖv  dSdbpac».  xal  Xoxalfi  cx^voc  Trapa  tijj  'ApdTiji 
(v.  1057).  vergleicht  man  hiermit  die  glosse  des  Pholios,  AoxaiOC  ciTOC : 
6  ßaOuc  i^  ö  bt'  dTTO^ßp{av  xeKXi^dvoc,  und  die  entstellte  und  lücken- 
hafte glosse  des  Hesychios,  Aoxaioc:  KX€iv6|i€voc  cuciTOC,  änd  toO 


400        W.  Dindorf :  bemerkimgen  zu  den  poetae  scenici  GraecL 

«...  curpo^eiv,  so  föllt  es  tiicbt  schwer  in  dem  Floreatiner  Etymelo- 
gicom  die  ursprfingliche  fassung  benustelien:  Aoxoiiov  CITOV:  TÖv 
KCKXtfA^vov,  iy  i|i  IcTt  KoxficcEt.  €öpiiribr|C  TriX^qwi.  koI  iv  'AX- 
laficnbt  cKJcvirep  Xoxaioc  oötöv  Ü  ibpac  cuOcic  |  ^äpn^w»,  dagegen 
sind  die  oben  angefahrten  worle  des  Snidas  (unter  Aoxeki)  Xoxici  bk 
bid  ToO  1  InX  T^c  iv^bpoc  nicht  zu  Andern,  sMdem  ein  irtiim  des 
grammatikers,  der  irgendwo  Xoxioc  statt  Xoxoiia  geschrieben  fand,  wie 
in  dem  Vat.  scholion  zu  dem  verse  des  Eurlpides  XoxtotC  statt  Xoxotiac 
geschrieben  steht,  und  bei  Hesychios  Aoxtä:  icpu^aia,  statt  Aoxoiü' 
icpuqMxia.  dknn  die  dort  folgenden  worte  T^wf ,  aitEet  usw.  gehören 
nicht  bielier,  da  ein  und  dasselbe  wort  nicht  zugleich  die  bedeutung  eines 
adjeclivurn,  wie  icpuqpcda  ist,  und  der  dritten  person  eines  verbum,  vnt 
Y€vva  und  afiSei  sind,  haben  kann. 

In  demselben  Etymologlcum  Florentiuum  befinden  sich  mehrere,  zum 
teil  seither  noch  niclit  bekannt  gewesene  citate  aus  den  verlorenen  slüdsen 
der  tragiker  und  des  Aristophanes,  die  ich  in  der  neuen  aufläge  der 
poetae  scenici  nur  ffir  Äeschylos  und  Euripides  benutzen  konnte,  wes- 
halb ich  die  auf  Sophokles  und  Aristophanes  bezüglichen  citate  hier  nach- 
trage. 

1.  Sophokles  fragm.  193.  459.  der  unter  diesen  nummern  er- 
wfthnie  anonyme  grammatiker  in  einer  Cambridger  handschrift  bei  Dobree 
im  anhang  «u  Photios  lexikon  (oder  bei  Nauck  im  anhang  zum  lexicon 
Vindobonense  s.  352.  353}  erscheint  unter  dem  sonderbaren  namen  Ka- 
ciXuJV  in  den  ezceipten  aus  einer  andern  handschrift  bei  hrn.  Uiller 
melanges  s.  397,  wo  sich  in  fast  wörtlicher  Übereinstimmung  mit  der 
Cambridger  handschrift  vier  artikel  ('Opocdipnic  9  'OfTfdc,  'Ocrpaxi- 
C)iioO  Tpöiroc,  nev^crai)  finden  mit  der  Überschrift  £k  ti&v  KXauöiou 
KaciXiuvoc  irapd  toic  'Aitikoic  ^rjropa  Zryroujbt^vuiv,  wo  die  den 
Sophokles  (fragm.  193)  betreffenden  worte  so  lauten:  Tic  (ti  Miller} 
6  öpocdmc»  Kai  ti  cccfj^b^y  Kttl  tI  irapacdrmc,  xal  ti  drropoc- 
'OpocdTKOi  (so)  \iky  o\  cujfxaToq>uXaK€C,  die  Coq>oicXf)c  '€X^vt)C 

Td|Litu  Kod  TpiütXijj. carrdvbai  (so)  bi  ol  dnocTcXXöpevot  xa- 

XoOvTai '  Co90KXf)c  öi  ^v  TToi|i(^ci  (fr.  459)  ical  €Optmbr)C  ^v  Cicu- 
piaic  irapacdYTOtc  (iropocdiprac  richtig  cod.  Cautabr.)  auTOUC  k€- 
icX/JKaav. 

2.  Sophokles  KajmfKiot.  nach  fragm.  303  meiner  ausgäbe  ist  jeUi 
hinzuzufltlgen : 

303^  Etym.  FiorenL  bei  Miller  s.  143  "HibeicOa:  dirö  ToO  i)ib€iy 
(darüber  von  derselben  band  elbeiv)  T^vrrai  kot*  ^Kxaciv  Qbeiv  Kai  tö 
I  öfioiuic  C<KpoKXf]C  Kui|iiKok  (Ka^tKioic  richtig  Miller) 

Tf|v  OUTIC  ^beiv  Ik  OcoO  K€KpumLidvfiv , 
dvtl  Toö  i5^€v,  Kai  Katd  icpäciv  Tivcrai  ^bciv,  djcirep  fjcKeev 
fjcKCiv,  cf)CK€iv  etpta  xaXd»  (II.  3,  388).  ^bciv  schrieb  der  dichter  zur 
Vermeidung  des  hiatus:  woraus  nicht  folgt  dasz  man  auch  vor  consonan- 
ten  und  überhaupt  in  versen ,  in  welchen  dieser  grund  nicht  vorhanden 
ist,  ebenfalls  ijbeiv  mit  dem  vO  iq>€XKUCTiKÖv  zu  schreiben  habe,  wie 
niAfirhe  grammatiker  meinen. 


W.  Diadorf:  bemerkuDgen  zu  den  poelae  scenici  Graeci.        401 

3.  Den  fragmenten  aus  dem  McX^axpoc  des  Sophokles  ist  als 
Dr.  357  ^  das  ohne  namen  des  Stückes  unter  nr.  220  aus  den  proverbia 
Valicana  aufgeführte  wort  ÖTrtca|ißub  hinzuzufügen,  nach  einer  von 
hrn.  Miller  (mi^langes  s.  369}  benutzten  handM^hrift,  in  welcher  die 
stelle  volisUindiger  so  lautet:  "Omcd^Pui  (falscher  accent  statt  'Oiri- 

CC^ißlA) :   TOUTTIV  Ö  XpUaiTITOC  TdTTCl  KttTa  TUJV  itlX  TÖ  X^^POV  £v 

ToTc  Trpdrittaa  irpoßatvövruiv  diel  irap&  tö  ÖTrfciu  ßaiveiv.  ju^fivTi* 
Tai  ToO  övöjLiaTOC  CcHpOKXf)c  iv  Mckcdtpip.  beilAufig  sei  hier  be- 
merkt dasz  diese  fitere,  nicht  alphabetisch  geordnete  sprichwdrtersam- 
lung,  welche  den  tltel  ZiTVoßiou  ^mTOMfl  Twv  Toppaiou  Kai  Aibu|üiou 
napoi^idiv  führt,  dem  in  den  spiteren,  alphabetisch  geordneten  sam- 
lungen  anderer  handschriften  die  worte  cuvTcOeTca  Kord  croixctov  hin- 
zugefügt sind,  eine  grosse  anzahl  richtiger  lesarten  und  susfttze  enthält, 
<lie  meinem  gelehrten  freunde  farn.  von  Leatsch  hinreichenden  slofT  für 
einen  anhang  zu  seiner  und  Schneidewins  bearbeitung  der  proverbia  dar- 
bieten werden,  unter  den  neuen  citalen  befinden  sich  viele  aus  allen 
diclitern,  namentlich  den  dramatikem,  entnommene,  bald  mit,  bald  ohne 
nennung  der  namen.  unter  letzteren  ist  die  s.  363  unter  |iTi  anonym 
angefahrte  stelle  bemerkenswerth :  Kctrat  bk  6  rXrjiitujv.  tö  CTÖiia 
Yrapecrpaix^dvoc ,  8  töv  bi^op90V  CuixpdTriv  din()X€C€V.  Milier, 
der  diese  worte  für  prosa  hidt,  wollte  biMopqpov  in  bücfJiopq>ov  ver- 
andern, eine  Vermutung  die  er  auch  in  der  einleitung  s.  844  vorträgt. 
die  worte  bilden  offenbar  zwei  trimeter: 

K£tTai  b*  6  TXyjjiiuiv  TÖ  CTÖ^a  7rap€CTpaf4t^voc , 

8  TÖV  bt^opqpov  CwKpdniv  diribXecev. 
man  hat  sich  jedoch  zu  hüten  dem  Aristophanes  diese  verse  zuzuschrei- 
ben, die  offenbar  einem  späteren  dichter  angehören,  wie  schon  der  accu- 
sativus  CuiKpdTT]V  lehrt,  dessen  sich  auch  Sotades  bei  Stobaeos  flor. 
98,  9  bediente : 

CiüKpdTiiv  ö  KÖc^oc  TTCTCobiKev  ccxpöv  elvai , 

Kai  xaKi&c  dveiXcv  töv  CwKpdTT^v  ö  köc|lioc, 
während  die  allen  Attiker  alle  derartige  accusalive  nicht  auf  -tiv,  sondern 
-T)  endigten,  wie  bei  Aristophanes  in  den  wölken  v.  355  auch  das  silben- 
masz  erfordert:  xal  vOv  t'öti  KXeicO^VT)  elbov,  öpqic,  btd  toOtUt^- 
VOVTO  TtJvaiK€C.  dasz  sich  das  epitheton  bifiop90V  auf  die  halb  mensch- 
liche und  —  natürlich  mit  starker  Übertreibung  —  halb  thierisclie  ge- 
fiichtsbüdung  des  Sokrates  bezieht,  lehrt  der  Zusammenhang  und  wird 
durch  das  bestätigt,  was  uns  darüber  teils  schriftlich  teils  ikonographisch 
überliefert  isL 

4.  Die  unter  nr.  795  von  mir  aufgeführte  stelle  des  Etym.  M.,  in 
welcher  Coq>OKXf)c  'OvOfJiaKXet,   oder  nach  einer  andern  handschrift 

COq>öc  ovo  KXei,  citiert  wird,  hat  auch  durch  die  Florentiner  hand- 
schrift (bei  Miller  s.  68) ,  in  welcher  Co<poKXf)c  olov  'OvofiaKXet  steht, 
nichts  gewonnen. 

5.  Sophokles  nr.  875.  die  schluszworte  in  der  stelle  des  Etym.  M. 
s.  344,  7  dvTl  ToG  fiavTiKÖc.  ö  bk  Co<poKXf)c  £v6X|uiioc  lauien  in  der 


402        W.  Dioüorf :  bemerkungen  za  den  poetae  scenici  Graeci. 

Florentiner  handschrift  (bei  Miller  s.  114)  so:  dvrl  ToG  ^avTiKÖc  ö 
bk  CoqpoxXfic  ivoXplv  (Schreibfehler  stall  ivöXfiiov)  TÖv  'AiTÖXXuiva 

6.  Sopholcles  nr.  889  in  den  worten  des  Etym.  M.  trapä  tQ  Cott- 
<pot  TToXutbpibi  Kat  Trapa  CoqpoKXci  Ibptöa  xd  Trapä  ^puvixtp  Ibpt- 
bcc  gibt  die  Florentiner  handschrift  (bei  Miller  s.  16)  CcxpoKXci  iroXui* 
bpiba,  ohne  iweifel  veranlaszt  durch  das  vorhergehende  iroXütöpibi. — 
Nr.  890  steht  das  richtige  ^kXotSc  anch  im  Flor.  ms.  (bei  Miller  s.  167). 
—  Nr.  902:  die  werte  des  Eustathios  gründen  sich,  gleich  mancheR 
anderen  seiner  notiaen  über  schimpliiameii,  auf  die  von  hrn.  Miller  (me- 
langes  s.  413 — 426)  herausgegebene  icleine  schrift,  welche  den  tilel 
CouTiTtvou  TpoTKijXou  (Suetoni  Tranquilli)  nepl  ßXacqnfmiwv  xat 
iTÖGev  ^Kdcni  führt,  wo  aufs.  417  steht:  ArjOaptoc:  XaOpobrj^cTTic 
xuuiv.  Co<poKXf)c  ccatvouca  bdKV€tv  Kai  kuwv  X/jOaptoc  cT.»  rich- 
tig bei  Eusuthios  XaiOapTOC  und  bdicvcic 

7.  Die  aus  ungenannten  dramen  des  Sophokles  citierteu  stellen  er- 
halten einen  kleinen ,  unter  nr.  889  ^  nachzutragenden  Zuwachs  ans  dem 
Florentiner  Etymologicum  (bei  Miller  s.  32),  in  welchem  statt  der  im  ge- 
druckten tezt  stehenden  dritten  bedeutung  des  Wortes  fivoS,  Cfmatvet 
hl  Kai  TÖV  Geöv  töq>pMXacöp€cOa  ävaxTa»  (II.  1,  444)  folgende 
Worte  stehen:  crmaivci  Kai  rdv  qpOXouca,  die  irapä  CoqpoxXci,  olov 
«7rOXr)c  dva£  Ouptup^.» 

8.  Aristophanes  fragm.  92.  der  vers  u&  ^lapi  Kai  Opuvuivba 
xal  TTOVflpi  CU  wird  auch  im  Etym.  Flor,  (bei  Miller  s.  304)  citiert 
nach  den  in  dem  gedruckten  text  stehenden  worteu  0puvuivbac:  dvo^a 
Kuptov. 

9.  Aus  dem  fragment  des  Aristophanes  124  werden  einige  worte 
auch  in  dem  Etym«  Flor,  (bei  Miller  s.  305)  angeführt:  xal  £v  KuixdXtii 
«Kai  (dieses  Kai  zu  tilgen)  Kdireira  Trt&c  qxfibac  TOcauTOC  £!x€Tov>, 
unvollständig  statt  cTxc  TÖv  X€t|i<Sv*  ÖXovi 

10.  Als  fragment  276^  des  Aristophanes  ist  aus  dem  Florentiner 
Etymologicum  (bei  Miller  s.  210)  nachzutragen :  ^Aptcrocpdvric  Niößcp 
(so  Miller  statt  Niößr|) 

fCTlV  Xdp  flMlV  TOTC  KdTUI  TTpÖC  TOUC  fivui 

drrö  cuMßöXujv  xal  |Lif|v  6  Mal^aKT1lplu)v, 
iy  \b  TTOioCpev  rdc  bCxac  xal  rdc  Tpo<pdc 

11.  Der  von  Photios  erhaltene  vers  der  'OXxdbec  (fr.  355)  findet 
sich  auch  in  dem  Flor.  Etymologicum  (bei  Miller  s.  125)  in  einem  nach 
s.  369,  28  des  gedruckten  textes  folgenden  zusatz:  'ApiCTOq>dvr)C  'OX- 
xdciv  «iTpujTOV  ^pavicrdc  dcOiiuv  f[\^r\ca  (richtig  TTp(iir)v  —  ^cnuiv 

j^i|iiic'  bei  Photios)  Stvoc.»  p  (d.i.^iiTOpixyj).  ein  neues  bruchstflck  der- 
selben komödie  ist  unter  nr.  355^  aus  derselben  quelle  (bei  Miller  s.  225) 
nachzutragen  aus  folgendem  zusatz  zu  dem  gedruckten  texte  s.  619,  12 
iv  hk  'OXxda 

ßaßal ,  Adxuiv,  die  d|i<poT^pi)üv  6^u»v  irplv  fjv 
Td  TrpdxMaT'  olcuiTTipd  xal  ßapucraOfia. 


W.  Dindorf :  hemerkungen  zu  den  poeiae  scenici  Graeci.        403 

ßaßat  AdKUiv  ist  Millers  Verbesserung  stau  ßaßeXdxuiv.  irpiv  f\v  habe 
ich  statt  irpivi'i  geschrieben. 

12.  Der  unter  nr.  525  aus  Etym.  M.  s.  470,  34  aufgenommene 
vers  des  Arislophanes  licnva  TrccvTÖcpOaX^ov  äpnocfd  Tp^ipuiv  (oder 
CTp^<puiv}  ist  in  der  Flor,  handschrift  (bei  Miller  s.  167)  noch  fehler* 
haAer  geschrieben  IxTiva  TravTÖtpOoX^ov  öq>OaX)ioIc  rivwv. 

13.  Dem  aus  Etym»  M.  s.  726,  53  entnommenen  fragment  692  ist 
aus  der  Flor,  handschrift  (bei  Miller  s.  271)  hinzuzufügen:  Kol  näXiv 
«btd  Tfic  Tpii|Lir)C  napaKUTTTUiV ».  —  Der  ebendaselbst  s.  227  mitge* 
teilte  Zusatz  zu  s.  749,  43  des  gedruckten  textes:  toioOtöv  icn  irap* 
'AptCTO<päv€t '  TQivicat  tö  pfiina  enthalt  kein  neues  fragment,  sondern 
bezieht  sich,  richtig  geschrieben  und  inlerpungiert,  irap'  'Api€TOq>äv€i 
«Taivtujcat»  TÖ  ^ft^o,  auf  Ekkl.  1032. 

In  dem  gedruckten  Etymologicum  M.  findet  sich  s.  40,  7  folgender 
artikel:  AlcxuXoc:  6  7T0iTiTf|c  6  TpaTt{i&(moiöc  Trapd  xd  (napd  t6 
fehlt  in  der  Ozforder  handschrift)  aTcxoc  atq(!jXoc,  ibc  ci^öc  ctfiOXoc 
trap '  ö  A{q(ivnc  (Afcxptwv  addit  Va.)  Aiqctvdbnc.  napd  tö  dvai  aU 
bt^^ova.  Alcxiviic  Aicxivot^.  die  oft  trabe,  aber  deshalb  nicht  zu  ver- 
achtende quelle  des  Etym.  Gud.  s.  22,  55  fiihrt  nach  ci^uXoc  fort:  Kai 
Tiap'  aiq(övT]C  alcxuvuibric  Trapd  tö  elvai  dbifj^ova,  welche  worte. 
Neineke  im  Hermes  111  s.  162  so  schreibt:  Kai  trapd  alcxtivnc  (richtiger 
Ka\  Trapd  tö  alcxuvn)  Alcxovdbr^c,  und  auf  den  vers  des  Aristophanes 
im  frieden  1154  bezieht: 

^uppivac  t'  aTTiicov  Ü  Alcxivdbou  ti&v  KapTri|iu)Vi 
in  welchem  er  zur  beseitigung  des  metrischen  fehlers —  denn  die  zweite 
silbe  von  Alcxtvdbou  ist  kurz  —  Atcxuvdbou  schreibt,  was  er  schon 
früher,  wie  ich  bereits  in  meiner  anmerkung  erwähnt  habe,  vermutet 
hatte  ohne  die  stelle  des  Etymologicum  zu  kennen,  es  ist  zu  bedauern 
dasz  der  ganze  artikel  in  dem  Florentiner  Etymologicum ,  wie  man  aus 
Millers  stillschweigen  schlieszen  musz,  fehlt. 

Fast  gleichzeitig  mit  hrn.  Millers  ^m^langes  de  litt^rature  Grecque^ 
kam  mir  die  neue  bearbeitung  sieben  Euripideischer  stflcke  (^JTriröXuTOC^ 
Mrjb€ia,  '€Kdßn9  1q>iT^V6ia  f|  iy  AöXibi,  'iq>iT^v€ia  i\  dv  Taupoic, 
'HX^KTpa,  'Op^CTiic)  von  lim.  Heinrich  Weil  in  Besan^on  zu,  welche 
unter  dem  titel  'sept  tragedies  d'Euripide.  tezt  Grec.  recension  nouvelle 
avec  un  commentaire  crltique  et  explicatif ,  une  introduction  et  des  no* 
tices  parH.Weil'  bei  Hachelte  et  C^'*  zu  Paris  1868  erschienen  ist.  auch 
diese  ausgäbe  enthalt,  gleich  den  früheren  leistangen  des  herausgebers 
auf  diesem  gebiet,  vielfache  beweise  geistreicher  und  scharfsinniger  kritik. 
mit  übergehung  von  stellen,  in  welchen  selbst  unter  den  urteilsfSihigsteH 
kritikem  nicht  leicht  Übereinstimmung  zu  erzielen  sein  wird ,  beschranke 
ich  mich  für  jetzt  auf  nachstehende  nachtrage  zu  meiner  in  der  neuesten 
aufläge  der  poetae  scenici  enthaltenen  ausgäbe  jener  stücke. 

Medeia.  v.  659  trdp€cnv  . .  xaOapdv  dvoi£avTa  xX^ba  /pp€* 
vuüv]  Trap^CTT)  und  KaOapdv  Badham,  beides  vielleicht  richtig. 

723.  724.  diese  verse,  die  durch  die  folgenden  entbehrlich  werden, 
sind  wahrscheinlich  zu  streichen  nach  H.  Hirzels  Vorschlag  in  der  abh» 


404        W.  Dindorf:  bemerkungen  zu  deo  poeUe  scenici  Graeci. 

^de  Euripidis  in  componendis  diverbiis  arle'  s.  56.  nicht  weniger  beacb- 
ienswerth  ist  die  el>endaaelbst  s.  73 — 75  ausfübriich  motivierte  Yerwer- 
#ung  der  verse  798—810,  die  durch  das  von  Weil  hierüber  gesagte  und 
4lurcb  denen  nicht  annehnÄare  conjectur  zu  v.  798  nicht  widerlegt  isL 

939  iraibec  b*  Siruic  &v  iicrpoupujct  cQ  x^PU  I  ttlroö  K^ovra 
Trjvbe  ^f|  <p€UT€iv  xMva]  kann  auch  zu  q>eOT€iv  der  accuaalivus  au> 
TOUC  verstanden  werden ,  so  ist  es  doch  passender  und  natOrlicIier  irai- 
JMtc  b\  Stiuic  —  mit  Weil  zu  schreiben,  die  worte  irotboc  Trjvbe  ^i) 
<peuT€iV  X^ova  kehren  wieder  v.  943. 

949  XciTTÖv  T€  ir^nXov  Kol  ttXökov  XPVc/jXonrov]  dieser  vers 
ist  wahrscheinlich  aus  v.  786  liier  in  den  text  gebracht  worden,  wie 
«chon  andere  bemerkten. 

1066  a  ä]  riclitiger  da,  wie  ich  anderwärts  geschrieben  habe 

1099  dcopui]  öpdi  die  l)esseren  hss.  Weil  vermutet  dasz  dies  ein 
glüssem  von  elbov  sei. 

1256  wo  in  den  besten  handsdiriften  steht  OcoO  h*  af^ori  iri- 
Tvetv,  in  einigen  al^a,  wie  der  scholiast  las,  und  Musgrave  al^a  961- 
V€tv  vermutete,  schlagt  Weil  vor  iriTveiv  b*  a\\i*  fi^ßpOTOV,  und  bald 
darauf,  weniger  überzeugend,  (iA*  oIku)V  dXai-|vovTa  qK>vuivT*  '€pi- 
vGv  (d.  i.  '£pivuiuv)  Sir'  dXdcropov,  statt  &X'  oCkuiv  q>ovlov  Td- 
Xaivdv  t'  '6pivuv  (^ptvCv  Vat,  wie  der  aocusativ  oft  in  handschriflen 
geschrieben  wird]  utt  '  dXacTÖpiuv.  femer  v.l266  xdXoc  trpocniTvei; 
•bucqppuiv  q>övov  |  qpövoc  ä^eißcTai,  wo  in  den  handschriflen  koI  buc- 
fievf|C  I  q>övoc  djueißCTai  steht,  dasz  qnSvov  ausgefallen  sei  ist  schon 
an  sich  wahrscheinlich  und  wird  durch  El.  1097  bestätigt:  djueCiperai 
<pövov  biKdZuiv  q>övoc. 

Nach  V.  1271  ist  walirschemlich  ein  weheruf  der  küider  ausgefallen, 
mag  dieser  alai  alai  gewesen  sein,  wie  Weil  annimt,  oder,  was  mir 
wahrscheUilicher  ist,  luj  ^oi  jiioi,  mit  welchem  die  tragischen  perso- 
oen  so  oft  bei  ihrem  eintritt  auf  die  bühne  beginnen,  ist  dem  so,  so 
müssen  die  beiden  folgenden  trimeter  1271.  1272,  ebenfalls  mit  Weil, 
nach  V.  1274  gestellt  werden,  wodurch  die  Übereinstimmung  mit  der 
antistrophe  hergestellt  wird,  in  welcher  ebenfalls  zwei  trimeter  an  der 
entsprechenden  stelle  (1284.  1285)  stehen. 

1276  boxet  |ioi  t^kvoic]  t^kvoic  |biot  bOKei  Weil,  entsprechend 
<ier  Wortstellung  des  aniistrophischen  verses  1287  t^kvuiv  bucceßei. 

1296  ope  KpiKpOnvat]  KaXu<p6f)vai  Weil. 

1359  zu  Elmsleys  conjectur  irdrpav  bemerkt  Weil  dass  it^rpov 
vorzuziehen  sein  würde,  wie  Kornip€9€t  ir^rptf»  von  einer  grette  gesagt 
ist  Soph.  Phil.  272. 

1374  cwfei]  cruret  Weil. 

1388  Tuiv  ifxuiv]  Tuiv  v^uiv  Weil  mit  Verweisung  auf  v.  398. 

Hippolytos.  v.  678  napöv]  itöpov  vermutet  Kavser  (jalirb. 
1857  §.  127). 

*703  cTto  cuTXUipeiv]  clrd  c'  ^TXCtpetv  Weil. 

715  Iv  bi  npoTp^irouc'  tfua  €upf)Ma  bifj  Tt  Triebe  cufAq>opäc 
^xw]  Sv  bi  näv  CTp^90uc'  ix\h  |  eöpeiv  Tt  ^Ojüia  rffcbe  cufupopac 


W.  Dindorf:  bemerkungen  zu  den  poetae  scenici  Graeci.        40& 

^X^  ^^il-   dieser  gedanke  bStte  aber  uicbt  durch  e^ipctv  (x^t  sondern 
durch  r^tSpov  ausgedrückt  werden  müssen. 

911.  diesen  vers  stellt  Markland  nach  913,  mit  recht  wie  es  scheint. 

916  iröXX'  d^aprdvovTCc]  aus  der  erkUrung  .des  schalfaalen 
TToXXa  diTicrd^cvoi  hat  man  geschlossen  dasz  derselbe  iroXX&  )uhxv96* 
vovrec  gelesen  habe ,  was  jedoch  nicht  der  passende  ausdrnck  ist.  Weil 
vermutet  iroXXä  ^acreuovrec,  mit  vergleichung  einer  fthnlicben  stelle 
der  Hekabe  y.  815. 

953  cfroic]  Tpoq>äc  Weil,  nach  anleitung  der  werte  des  scholiasten 
äTTOirXdva  toöc  dvOpiinrouc  Actc  TropiZciv  Tpo<pdc,  wiewol  im  wei- 
teren verlauf  der  scholien  citfoic  und  cTtov  vorkommt. 

961  Tficb'öv]v€KpoOWeil. 

1045  oöx  ouTUi  dovcT]  otrx  odru)  b*  öXel  Weil,  mit  unslellung 
der  folgenden  verse,  1047. 1048. 1046  und  tilgung  der  schon  von  Nauck 
für  unecht  erklarten  verse  1049.  1050. 

1208  dKTdc]  dxpac  Luzac. 

1451  Tf|v  ToSöbafüiVOV  ""ApTC^iv  fiaprOpd^ai]  auf  diese  stelle 
bezieht  sich,  wie  es  scheint,  Diphilos  (bei  Melneke  IV  s.  388)  in  den  wor* 
ten  AiiToOc  Aide  T€  ToSöbafivc  iropO^vc,  |  die  o\  Tpcrftfiboi  (paciv^ 
woraus  jedoch  nicht  mit  Sicherheit  kann  geschlossen  werden  dasz  "'Apre* 
^1V  durch  glossem  statt  irapO^vov  in  den  tezt  gekommen  sei. 

Mehrere  conjecturen ,  die  hr.  Weil  früher  in  Zeitschriften  mitgeteilt 
hatte,  haben  bereits  in  meiner  ausgäbe  berflcksichtlgung  gefunden. 

Hekabe.  v.  4  öc  Tf|v  äp{cTr|V  Xepcovnciav  irXdKOt]  die  von  mir 
absichtlich  mit  stillschweigen  übergangene  Änderung  Hermanns  Tf\yb* 
statt  Tf|V  hitte  Weil  nicht  aufbehmen  sollen.  Hermann  merkte  nicht 
dasz  sein  tadel  gegründet  sein  würde,  wenn  Tf|V  Xcpcovrtctav  nXdxa 
Stande,  dasz  sich  aber  die  sache  durch  den  hinzutritt  des  adjecttvum  dpi- 
CT7)V  ändert,  wie  die  verglelchung  anderer  stellen  der  tragiker  lehrt. 

215  EuvTUx(<x]  t>€t(MU»v  Heimsoeth,  Trdrfüioc  Weik 

369  äj*  odv  \i\  'ObucceOl  die  in  der  anmerkung  von  mir  er- 
wähnte Variante  dtou  bi  M*,  ifi  ZeQ  (bei  Kleanthes  in  Epiktets  encheir. 
c.  77)  beruht,  wie  Weil  bemerkt,  auf  einer  erinnerung  an  eine  stelle  der 
Andromeda  (fragm.  133}  drou  b^  \i\  u&  £^v'  — . 

759.  nach  diesem  verse  habe  ich  mit  Hermann  den  ausfall  eines 
verses  des  Agamemnon  angenommen,  dagegen  vermutet  Hirzel  s.  52, 
dasz  nach  v.  757  ein  vers  des  Agamemnon  ausgiefallen  und  die  nSchsten 
verse  so  umzustellen  seien:  €K.  oiAiv  Tt  — .  Af.  xai  bi\  Tiv*  —  6K. 
6p^c  —  usw. 

821  ist  die  lesart  der  besseren  handschriften  o\  füiiv  tdp  ÖVT€C 
tratbcc  herzustellen  statt  der  in  meiner  ausgäbe  durch  verseben  stehen 
gebliebenen  lesart  der  schlechteren  oV  \ikv  tocoOtoi  tratbec  ^^.  Weil 
vermutet  o\  \xiv  irOT*  £vT€C  Ttaibcc,  was  richtig  sein  kann,  aber  nicht 
notwendig  ist. 

1068  dfTraXXä£<K]  ^noXXdSac  Weil 

llOOi  in  meiner  anmerkung  Ist  der  dnickfehler  ^cXavdxuiTa  statt 
McXovdxpuita  zu  corrigteren. 


^A         W.  Duiiorf :  bcfoerkoAgea  zu  da  ymUtt  sccbicx  Gncd. 

d^^r^s  lesart  Weil  »iker  zu  kooiziMi  sacht  <hircli  vma  ctciyffVfiqpopinv 
Kpckou  wap'  — ^y  was  so  coDsinuert  weniea  soll:  vnn  icXccac  (crc- 
^avoqi>opiav)  «pciccui  crecpovcupopiav  (tuiv)  irap'  'AX^aou  pec- 
^potc  diene  ao«U«raog  des  artikeis  tutv  ist  aber  sfracfabdi  — niliawf. 
ohne  dieses  artikel  kooote  keni  priecbbcher  ieser  aal  dea  geAMkcs  kom- 
u^  dasz  die  bucbsUbea  CTe0ANA0OPIAN  etwas  aDdecei  seica  ab  cia 
Oüit  xpeiccui  za  verbiadf'iider  acaisativiis  CTCqpavc^popiav. 

977  ^Tui  b^  MTfrpt]  OiTurv  be  fnfrpoc  —  Weil,  and  im  folgCBden 
ferse  ttiIic  b'  oö  statt  tüi  bai  — . 

982 — 984.  der  zweite  dieser  rerse  wird  in  der  bandscbrift  dea 
Orestes  zugeschriei^en :  oXX'  cic  TÖv  auTov  T^'  u7rociT|Cui  boXov« 
statt  dessen  dXX'  fj  mit  Natihiae  zu  sehreibeD  sein  würde,  wenn  uiro- 
CTTJcui  richtig  sein  sollte,  dies  bezweifelt  aber  Wöl,  der  siBtlkke  drei 
verse  in  einen,  too  Elektra  gesprochenen  satz  vereinigt:  ou  pj^  KOncdciC 
cic  drvovbpiov  necct,  |  äXX'  cl  xdv  aurov  T^b*  uirocnicuiv  bdXov/, 
üj  Koi  nöctv  icaOetXec  AtxicOov  rrovtuv;  was  richtig  za  sein  acheinL 

1150  Cti'ia  war  mit  MasgraYe  io  ct^T€CI  zu  Terindem,  ws  sich 
darch  den  an tistrophi sehen  vers  empfiehlt. 

1161  — 1162.  dasz  die  handschriflliche  überiiefernng  von  alten 
correctoren  mit  groszer  willkör  Terfilscht  ist,  hat  man  langst  erkannt  and 
geht  schon  aus  vergleichung  der  correct  überlieferten  anli^trophisch  ent* 
sprechenden  verse  hervor.  Weil  hat  denselben  folgende  von  den  kaad- 
schriftlichen  lesarten  stark  abweichende  fassung  gegeben,  darch  welche 
wenigstens  ein  erträglicher  sinn  in  metrisch  ontadelhafler  fonn  herge- 
stellt wird,  so  zweifelhaft  auch  die  einzelnen  ändeningen  sind:  TOb* 
iv^novTOC'  ui  cx^tXioc  7|  y^vat  |  ipovciicetc  (piXccv  irorrpiba  bocc- 
T€ct  I  cnopaiciv  £X6övt'  kpdv;  |  iraXippouc  b4  rdvb*  dvabpöpouc 
Xöxouc  I  UTTOTCV  biKa,  pAcov  eic  oIkouc  |  xpovtov  köptvov  & 
TTÖctv  I  KtiKXiiiTrctd  t'  oupdvia  rcixe'  6-j£u6fncTt|i  ß^Xet  |  Kcrröcov^ 
auTÖX€ip,  irAexuv  ivx^poTv  |  XaßoOc'  ä  traXapvaioc,  ö  ri  irore 
Tdv  I  TdXotvov  &X<V  KSKÖv.  dasselbe  gilt  von  der  nicht  weniger  ent- 
stellten und  in  der  mitte  iQckenhaflen  Strophe  1177 — 1180,  sowie  von 
mehreren  der  folgenden  verse ,  welche  in  überzeugender  weise  her2vstei- 
len  unmöglich  scheint. 

1290  das  unsinnige  TÖvipa  p^Xca  veränderte  Camper  in  tövcrra 
p^Xea,  Well  in  abereinstimmung  mit  dem  antistrophisclien  verse  1217 
in  YoCva  p^Xea 

Iphigeneia  in  Tauris.  v.  24  t^xvcu  sL  lixvaxc  habe  ich  nach 
Monks  coDJectur  geschrieben,  was  in  der  anm.  hätte  bcnerkt  werden  sollen. 

35  66€V  vöpoict  TOicib '  (so  die  handschrift  P,  TOiciv  die  sdilech* 
tere  C)  ftberat  ded  |  ''Apreptc  iopTfic]  die  richtige  lesart  hat  nach 
vielfachen  verfehlten  versnchen  anderer  Weil  vortreflltch  hergestellt:  Mev 
vöpoici,  Totciv  fiberai  Oed,  |  xpti^M^cB'  fopTf)c— .  der  worle  v4potci 
Xpilfpcda  bedient  ifch  Euripides  auch  in  dem  fragment  d9a 

50  pövoc  b'  dXc{q)0n  CTÖXoc,  die  flboH  p€i,|  böpixiv  netrpuiuiis 

^K  b'  iiriKpdvaiv  KÖpoc  |  Eav6dc  xoSetvai,  qpG^TMa  b'  dv^pAtra« 

*^voc  bi  XciipOck  ctCXoc  cIc  tboH  poi  |  b6puuv  iraqMtiiuv 


W.  Diodorf :  bemerkungen  zu  den  poelae  scenici  Graeci.        409 

^K  t'  dmKpdvuJV  KÖjiac  usw.  schreibt  Weil,  zum  teil  nach  Porsons  und 
Kirchhofls  Vorgang,  so  dasz  £k  T€  —  und  (p^if\xa  b' —  sich  entsprechen, 
was  weniger  wahrscheinh'ch  scheint  als  Ü  diiiKpdvuiv. 

97  SuJ^dTWv]  kXi^qkwv  Weil,  mit  vergieichung  anderer  stellen 
4er  Iragiker,  in  welchen  KXi^dKUüV  irpoca|ißdc€ic  genannt  werden,  in 
<len  folgenden  werten  thöc  Äp'  oöv  iiMo\\x€V  Sv  ]  f\  xa^xÖTeuKta 
xX^pa  XOcaVTCC  fioxXoTc  |  (Lv  oiibkv  Tcjiiev;  verändert  Weil  mit 
Beiske  |id6oiM€V  in  XdOoi)Li€v,  um  bald  darauf  (Lv  ovbbf  Tc^ev  in  div 
<odbiv  Ict^ev  verwandeln  zu  können  nach  einer  sehr  verfehlten  conjectur 
von  Badham,  der  nicht  bedachte  dasz  man  nicht  in,  sondern  Ober  eine 
schwelle  geht:  weshalb  man  im  griechischen  oft  öhüv  oder  ßr)Xöv  öircp- 
ß?)vai,  nie  aber  eic  öböv  oder  eic  ßnXöv  i^vai  gesagt  hat,  wozu  noch 
die  ungehörige  ionische  form  oöböc  kommt,  die  nicht  dadurch  gerecht- 
fertigt wird,  dasz  einige  prosaiker  sich  derselben  bei  anspielungen  auf  das 
Homerische  ^Tri  tHP^oc  odbtp  bedient  haben,  die  worte  nÜJC  &p*  ouv 
ftd6oi|Li€V  bv  (Lv  oübky  Tc|i€V  geben  einen  völlig  passenden  sinn ,  nach- 
dem Orestes  in  den  vorangegangenen  versen  an  Pylades  die  worte  TTu- 
Xdbr)  ,\  ck  h*  icropiJJ  ri  bptju^cv  gerichtet  und  erzählt  hat  dasz  Apollon 
nicht  die  leiseste  andeutung  gegeben  habe,  auf  welchem  wege  und  durch 
welche  mittel  sie  sich  in  den  besitz  des  bildes  der  Artemis  setzen  können, 
hieraus  folgt  dasz  der  den  Zusammenhang  störende  vers  f\  xaXKÖTEUKTa 
xXQGpa  XucavT6C  ^oxXoTc  durch  schuld  der  abschreiber  —  vielleicht 
vom  rande  —  an  ungehöriger  stelle  in  den  text  gebracht  worden  ist  und 
ursprünglich  —  wie  schon  Seidler  vermutete  —  vor  dem  vorangehenden 
mit  dKßr]CÖfi€c9a  beginnenden  verse  stand,  da  er  sich  jedoch  auch  dort 
ziemlich  ungeschickt  ausnimt  —  was  auch  von  Hartungs  Vorschlag  gilt, 
den  vers  zwischen  die  bald  folgenden  worte  i^v  b*  dvoiTOvrec  nuXac 
und  Xr)q)6(Ij)i€V  zu  versetzen  —  so  erklarte  ich  in  den  Oxforder  anmer- 
kungen  s.  503  den  vers  för  das  product  eines  alten  interpolators  (wahr- 
scheinlich eines  Schauspielers) ,  der  för  nötig  erachtet  habe  auf  das  vor- 
angehende TTÖTCpa  einen  mit  f\  beginnenden  satz  folgen  zu  lassen,  in 
ähnlicher  weise  wurde  nach  dem  sechsten  verse  der  Andromache  vCv 
b'  €1  TIC  &\\r]  bucTUX€CTdTrj  fW^f  nachdem  derselbe  in  einer  altern 
handschrift  in  vOv  öff  rk  äXXr)  bucTUX€€T^pa  xtA^i  verdorben  worden 
war,  von  einem  Schauspieler  ein  siebenter,  spSter  in  alle  handschriften 
übergegangener  vers  hinzugedichtet:  djioC  Tr^9UK€V  f{  T€VilC€Tai  ttot€, 
wie  wir  aus  den  alten  schollen  wissen. 

452—464  tdp  övcipaci  cu^ßatriv  [  böficnc  nöXei  xe  TTOTpijiqi  | 
TCpTtvdhf  fi|Livu)V  dtröXavciv]  so  sind  diese  verse  in  der  bessern  der 
beiden  handschriften  (P)  geschrieben;  in  der  schlechtem  (G)  bt  dno- 
Xaöciv  statt  dTTÖXauctv  geschrieben,  ferner  ist  in  der  Aldina  vor  jap 
dfe  Partikel  xal  eingesetzt,  die  in  P  fehlt,  aber  vielleicht  in  G  steht,  wenn 
ein  schlusz  aus  dem  stillschweigen  der  collation  nicht  trögt,  die  ver- 
gieichung des  völlig  unverdSchtIgen  strophischen  verses  (435)  rdv  no- 
XuöpvtOov  dtr*  aTav  zeigt  dasz  der  antistrophische  nicht  mit  dem 
molossQs  cu^ßair)V  statt  eines  baccheus  schlieszen  kann,  nach  der 
wideridgung  mislungener  versuche  anderer  hat  Weil  geschrieben  cüV  T^tp 

Jahrbacher  Hk  class.  philol.  1S68  hfl.  6.  27 


414  G.  Schmid:  zum  Ion  des  Euripides. 

auf  die  unwillige  frage  des  Xutbos  525  ibc  ri  bf|  q>€UT€ic  füi€  cauTOu 
Tvujpicac  Tä  9iXTaTa;  und  als  anlwort  Ions  526  ou  qpiXw  q>p€vuiv 
ä|iOUCOUC  Kai  ^ejiTivÖTac  S^vouc.  durch  alles  dies  aber  \isti  sicli 
Xulhos  in  seinem  gläubigen  vertrauen  auf  den  orakelspruch  nicht  irre 
macheu;  er  besteht  darauf  523  &<|iO)Liai  kou  ^ucidZu),  rd^ä  b*  eupiCKUi 
q>iAa.  diese  unerschütterlichkeit  drangt  denn  nun  den  Ion  zum  Suszer- 
sten ,  so  dasz  er  von  seiner  waffe  gebrauch  zu  machen  droht  524  ouk 
diraXXdSei,  Trpiv  elcui  TÖEa  irveujiövwv  XaßeTv;  darauf  folgt  die 
herausfordernde  antworl  des  Xuthos  mit  dem  entscheidenden  Schlagwort 
527  KT€iV€  Kai  TT^iTTpiT  TTaxpöc  Tap>  f\y  Kidvijc',  £C€l  90V6ÜC  die 
notwendigkeit  der  Umstellung  liegt  nicht  in  dem  Zusammenhang  von  522 
und  523,  welche  verse  ganz  gut  neben  einander  stehen  könnten,  sondern 
in  der  gewisheit,  dasz  527  auf  524  folgen  musz.  es  gäbe  in  diesem 
spiel  der  beiden  verwandten,  und  doch  so  feindlich  sich  gegenuberlreten- 
den  Personen,  einer  parlie  von  höchster  dramatischer  lebendigkeit,  nichts 
matteres,  als  wenn  auf  jene  drohung  seines  sohnes  der  vaier  erst  nach 
zwei  tetrametern  —  gleich  als  hätte  er  die  sache  nur  halb  gehört  und 
besänne  sich  erst  nachträglich  darauf  —  antworl  und  diese  antwort  zu 
geben  sich  entschlösse. 

638  e€uuv  b"  ^v  eöxaic  f[  xöoiciv  f\  ßpOTUiv 
öirnpeToiv  xotipouciv,  ou  toiüM^voic. 
diese  worle  Ions,  in  welchen  er  das  glöck  seines  lebens  am  tempel  schil- 
dert, sind  mit  Nusgraves  f\  XÖTOiciv  t^  ßpOTiXfV  noch  nicht  ganz  herge- 
stellt. Ion  kann  nur  sagen:  Svenn  ich  nicht  bei  dem  heiligen  gebet  an 
die  gölter  zugegen  war,  so  war  ich  im  gespräch  mit  fröhlichen  menschen.* 
dann  verlangt  man  doppeltes  fj.  oder,  was  keine  gröszere  änderong  ist, 
Euripides  wird  geschrieben  haben  Iv  XÖTOlci  T*  fj  ßpOTiDv.  das 
fflhlle  schon  Musgrave  ('inier  preces  et  sermones  de  diis  aelatem  egisse'), 
obwol  er  XÖTOt  ßpoTWV  misverstand.  es  ist  eher  gemeint,  was  nach- 
ahmend Heliodor  Aethiop.  s.  108  so  ausdrflckl:  9iXocoq)Oua  bieXefö- 
jülilV.  das  fj  vor  XÖTOlClV  verdankt  dem  falsch  accentuierten  fj  vor  ßpo- 
TtüV  seinen  Ursprung. 

1016  TTAI.  elc  ?v  be  KpaWvT*  aöröv  t\  xtwpic  cpopeic; 

KP.  xtwpic*  KaKifi  xdp  icGXöv  oü  cujifjiiTVUTai. 
TTAI.  li  qpiXTdTTi  trai,  navT'  fx^^c  ßcujv  ce  bei. 

KP.  ToÜTip  GaveTxai  naic. 
schon  1005  hatte  Kreusa  die  beiden  tropfen  genau  charakterisiert,  t6v 
|i^v  BavdciMOV,  töv  b'  dKecqpöpov  vdcujv.  der  v.  1015  bringt  dann 
die  wiederholte  Versicherung  von  der  töllicheu  kraft  des  einen,  nebst 
dem  gründe  bpaKÖVTU)V  iöc  uiv  TtüV  fopTÖVOC.  nun  nimt  sich  doch 
die  frage,  ob  Kreusa  die  beiden  gemischt  bei  sich  trage  (selbst  wenn  man 
davon  absieht  dasz  dabei  etwas  nicht  unwichtiges  fehlt,  nemlich  njj 
^T^ptfj)  ganz  wunderlich  aus.  nicht  weniger  wunderlich  ist  die  begrön- 
dung,  welche  Kreusa  dem  xtAJptc  gibt,  nein,  die  zwei  verse  gehören 
nicht  «' —  j--«^'—  an^  g^nx  unzweifelhaft  gewinnt  mit  Ihrer  ausstoszuog 
die  '  OUTip  1019.    etwas  anders  stünde  der  fall,  wena 


G.  Schmid:  zum  Ion  des  Euripides.  415 

Euripides  gesagt  haue,  was  Härtung  ihn  sagen  Uszt:  *du  trägst  ihn  wol 
gesondert,  nicht  in  eins  gemischt?' 

1035  ibiq  b^,  jiii  [n]  iräci,  xu>picac  ttotöv.  an  diesem  verse  ßllt 
mehreres  auf.  erstens  bi^  das  die  structur  ßaXuJV  ^^v,  X^Ptcac  bi 
voraussetzen  würde,  auf  welche  v.  1034  xdOec  ßaXuuv  eic  iTai|ia  Ttji 
veaviqi  durchaus  nicht  angelegt  zu  sein  scheint,  daher  die  Suderung 
Hermanns  ibiqi  T^.  zweitens  aber  enthält  der  ausdruck  jirj  Ti  iräct 
Xwpicac  eine  starke  Zumutung,  verständlich  ist,  dasz  nur  dem  Ion  der 
tropfen  in  den  becher  gegeben ,  also  fflr  ibu  derselbe  ausgesondert  wer- 
den soll ;  wie  aber  jemand  sagen  kann ,  ein  tropfen  solle  ja  nicht  für  alle 
ausgesondert  werden,  ist  schwer  zu  begreifen,  ferner  ist  iroTÖv  von 
«inem  tropfen  gifl,  auch  wenn  derselbe  zum  trinken  bestimmt  ist,  ein 
auffallender  ausdruck.  endlich  sieht  man  leicht,  wie  viel  besser  1036 
Tiu  TUüV  djiUJV  jidXXoVTi  b€ClTÖ£€iV  b6|ülU)V  sich  an  1034  anschlieszt 
als  an  1035.  zufällig  erhalten  wir  mit  Verwerfung  des  verses  die  gleiche 
verszahl  für  die  schluszreden  der  Kreusa  und  des  Ion. 

1611  a\be  b'  euuiiroi  iruXai  ilioi  xal  BeoO  xQr\ccf\p\a 

bucpevfi  irdpoiOev  övro.  vOv  bk  Kai  ^öirrpuiv  x^P<^<^ 
f|bdujc  dKKpimväfA€c6a  Küt  TTpoccw^iTui  iTuXac. 
tlie  emendation  x<itp€T'  statt  aXbe  b\  auf  welche  ich  kam,  ohne  zu 
wissen  dasz  schon  Kirchhoff  in  der  adn.  crit.  mit  einem  ^fortasse*  sie 
vorgeschlagen  hat,  ist  notwendig,  nicht  allein  wegen  npocevv^iruj  ttu- 
Aac,  sondern  wegen  jiioi,  das  sich  mit  aXbe  nicht  verträgt  denn  bei 
der  vulg.  lassen  die  worte  bucjüievfi  irdpoiGev  övra  nur  dann  eine  er- 
klärung  zu,  wenn  im  ersten  verse  stünde  eO^eveic  ^ot  TiuXai.  das  sieht 
man  recht  deutlich  an  der  Übersetzung  Hartungs :  ^diese  pforten  sind  mir 
lieblich.' 

Pernau.  Georg  Souuid. 


59. 

ZU  GELLIÜS  IV  9,  1. 

An  Martin  Herts  in  Breslau. 


Nigidius  Figulus . .  m  undecmo  commentariorum  grammaiicorum 
versum  ex  antiquo  carmine  refert^  memoria  hercle  dignum: 

.  .  reUgentem  esse  oportet ,  [af]  religiosumst  nefas , 
cuius  autem  id  Carmen  sit^  non  scribit.  so  hast  du ,  lieber  freund ,  vor 
drei  lustreu  in  deiner  teitausgabe  des  Gellius  diesen  vers  drucken  lassen  in 
genauem  anseht usz  an  0.  Ribbeck  trag.  lat.  rel.  s.  219  (v.  148).  jetzt,  wo  du 
nach  langer  Unterbrechung  zu  deiner  ersten  liebe  zurückgekehrt  bist,  um 
sie  den  milforscbenden  freunden  demnächst  in  vervollkomneter  Sauber- 
keit und  reicherer  ausstattung  von  neuem  vorzuführen,  ist  dir  ein  zweifei 
an  der  richtigkeit  jener  fassung  aufgestiegen,  und  zwar  schlieszest  du 
zunächst  —  ohne  frage  mit  vollstem  recht  —  aus  dem  in  sich  abge« 


416  A.  Fleckeisen:  zu  Gdlias  IV  9,  1. 

schlossenen  gedanken,  den  dieser  vers  darbietet,  dasz  er  sicher  nicht  so 
äK^q)aXoc  sondern  vollständig  von  Nigidius  resp.  Gellius  äberliefert  wor- 
den sei.  sodann  wünschest  du  meine  meinung  zu  hören,  ob  der  ver» 
nicht  vielmehr  ein  Saturnier  sein  möchte  und  bei  der  constanten  überlie- 
fernng  der  handschrifteu ,  die  religiosus  bieten,  was  dem  entsprechendeo 
religentem  gegenüber  kaum  wie  ein  abschreiberirtum  aussehe,  der  fehler 
in  nefas  stecke,  damit  hast  du  jedenfalls  den  bann  gelöst,  der  bisher  auf 
diesem  worte  ruhte  und  es  nicht  anzutasten  gestattete,  versuchen  wir  es 
einmal  mit  ne  fuas  —  denn  mit  ne  fias  ist  kein  vers  herauszubringen  — 
so  ist  wenigstens  die  frage  berechtigt,  ob  nicht 

religentem  ässe  oportet^  rdligiösus  ne  fuas 
ein  erträglicher  Saturnier  wäre,  fuas  natürlich  einsilbig  genommen,  aber 
gerade  die  notwendigkeit  dieser  licenz  macht  mich  bedenklich.  G.  Cur* 
tius  hat  vor  dem  Kieler  index  scholarum  von  1857/68  s.  VII  f.  alle  stel- 
len gesammelt ,  in  denen  die  formen  dieses  conjunctivs  fuam  fuas  fuai 
fuant  (den  er  für  einen  aoristischen  hält)  vorkommen:  es  sind  ihrer  nicht 
weniger  als  fünfundzwanzig,  und  an  keiner  einzigen  ist  die  einsilbige 
messung  durch  das  metrum  geboten  (die  einzige  ausnähme,  Plautus  Persa 
V.  51  in  Ritschis  text:  sed  recipe  ie  quantüm  potest:  cave  fuas  miin 
quaesiiöne  ist  nur  eine  scheinbare;  man  hat  hier  in  fuas^  das  als  iambi- 
sche  wortform  unbedenklich  die  letzte  silbe  verkürzen  kann,  das  schktss-s^ 

abzuwerfen :  dann  ist  in  cave  füa^  mi  in  quaesiiöne  ww^.^ w^^ 

alles  regelrecht);  ich  denke  dies  musz  genügen  uns  von  der  unzulässig- 
keit  jenes  Saturniers  zu  überzeugen ,  um  so  mehr  da  ja  dem  dichter  das 
einsilbige  sis  zu  geböte  stand ,  um  den  ganz  untadeliichen  Saturnier  su 
bilden:  religentem  ässe  oportet^  riligidsus  nä  sis.  aus  ne  sis  aber  wäre 
unter  den  händen  der  abschreiber  nimmermehr  nefas  geworden. 

Mit  einem  Saturnier  also  wäre  es  nichts,  aber  der  vers  musz  ja 
auch  nicht  ein  solcher  sein,  vergleichen  wir  doch  die  übrigen  stellen, 
an  denen  von  Varro,  Feslus  und  andern  grammatikern  bruchslücke  aus 
vetera  oder  antiqua  carmina  ohne  nennung  des  dichtemamens  angeführt 
werden  (die  mühe  des  zusammensuchens  hat  uns  G.  Hermann  elem.  docln 
metr.  s.  638  f.  erspart,  vgl.  auch  Ribbeck  a.  o.  quaest.  scen.  s.  348  und 
den  nachtrag  von  Lucian  Müller  unten  s.  428),  so  finden  wir  dasz  sogar 
nur  eine  kleine  minderzahl  dieser  anführungen  in  jenem  metrum  abge- 
faszt  ist,  die  grosze  mehrzahl  in  iamben  oder  trochäen»  und  einen,  nur 
unvollständigen ,  trochäischen  seplenar  hattest  du  selbst  in  jenem  verse 
nicht  nur  früher  mit  Ribbeck  angenommen,  sondern  lassest  auch  jetzt 
noch  die  möglichkeit  eines  solclien  offen,  indem  du  vorschlägst:  re7t- 
gentem  ied  esse  oportet^  sät  religiösem  nefas.  CUV  T€  bv*  dpxo^^vui 
—  das  wird  sich  auch  hier  wieder  bewähren:  schweiszen  wir  diese 
deine  fassung  der  ersten  hälfte  und  meine  oben  für  den  Saturnier 
unbrauchbar  befundene  der  zweiten  aneinander,  so  kommt  folgender 
tadellose  septenar  heraus,  dem  du  hofTentlich  einen  platz  in  deinem  neuen 
texte  gönnen  wirst: 

riUgeniem  ted  esse  oportet^  religiosus  ne  fvtas* 

Dresden.  Alfred  Fleokeissn. 


Lucian  MOller:  sammelsurieii.  417 

60. 

SAMMELSURIEN. 

(fortsetznng  von  Jahrgang  1867  8.  483—512.  783—806.) 


LV.  Zum  dialogus  de  oratoribus  des  Tacitus.  c.  11  ego  autetn  sicut 
in  causis  agendis  efficere  aliguid  et  etuti  fortasse  possum^  üa  recila- 
Hone  iragoediarum  et  ingredi  famam  auspicatus  sum^  cum  quidem  in 
Nerone  impwobam  et  studiorum  quoque  Sacra  profanantem  Vaiinü  po^ 
tentiam  fregiy  et  hodie  siquid  [in\  nobis  notitiae  ac  nominis  est^  magis^ 
arbitror  carminum  quam  orationum  gloria  partum,  eine  viel  bespro- 
chene ,  von  manchen  beinahe  aufgegebene  stelle,  wir  wollen  versuchen 
sie  ins  reine  zu  bringen ,  wozu  wir  erst  die  beiden  landläufigen  lesarten 
resp.  erldarungen  beseitigen  müssen,  die  meisten  haben  in  Nerone  als 
den  namen  einer  iragodie  gefaszt,  wo  möglich  derselben  mit  dem  Dornt' 
tius,  obschon  Nero  bekanntlich  nie  zugleich  Domitius  Nero  genannt  wird 
und  genannt  werden  kann,  diese  ansieht  nun  verdient  keine  ernstliche 
Widerlegung,  schon  aus  dem  gründe,  weil  es  ebenso  undenkbar  ist  dasz 
die  tragödie  Domitius  vel  Nero  geheiszen  haben  sollte,  wie  sie  uomflglicb 
Domitius  Nero  betitelt  sein  konnte,  dazu  kommt  dasz  es  doch  sehr  ko- 
misch wäre,  wenn  die  freunde  des  Maternus  sein  stQck  mit  einem  andern 
namen  als  er  selbst  ihm  gegenQber  bezeichnet  hatten,  ferner  war  Nero, 
als  Vatinius  in  seiner  gunst  stand,  moralisch  schon  so  tief  gesunken,  dasK 
es  niemandem  einfallen  konnte,  am  wenigsten  einem  manne  wie  Maternus, 
ihn  bekehren  zu  wollen ,  und  noch  dazu  durch  ein  so  ätherisches  mittei 
wie  eine  erzählung  seiner  Jugendabenteuer  und  wunderbaren  errettungen. 
Maternus  wäre  dadurch  nur  dem  Nero  als  einer  aus  der  groszen  schar 
der  Schmeichler  erschienen,  da  ja  Nero  selbst  die  erzählung  von  de» 
fabelhaften  dracljen  oft  genug  ihres  nimbus  entkleidet  hat:  unam 
omnino  anguem  in  cubiculo  visam  narrare  solitus  est,  rechne 
man  dazu  die  Unmöglichkeit  einen  knaben  von  zehn  bis  zwölf  jähren  zur 
hauptperson  eines  drama  zu  machen,  endlich  den  argen  verstosz  gegen 
die  grammatik,  da  Tacitus  notwendig  Nerone  als  abl.  instrnm.  halte 
schreiben  müssen ,  und  es  bedarf  keines  weltern  gegenbeweises. 

Deshalb  hat  Johann  Friedrich  Gronov  geschrieben  in  Neroniis^  was 
andere  umgemodelt  haben  zu  Neroneis  oder  Neroneo;  gleichfalls  un» 
glücklich,  denn  es  könnte  hier  nur  die  zweite  feier  des  bekannten  von 
Nero  emgerichteten  quinquennäle  certamen  gemeint  sein,  gefeiert  im  j. 
66,  insofern  erst  zwischen  diesem  und  dem  j.  61  Vatinius  am  hofe  Neros 
jene  gewalt  erlangte,  die  Tacitus  XV  34  so  classisch  schildert,  damals 
aber  war  Nero  schon  so  weit,  dasz  Maternus  unmöglich  mit  ihm  persön* 
lieh  etwas  sich  zu  schaffen  machen ,  unmöglich  sich  zum  lobredner  des 
parricida  mairis  et  sororis,  auriga  et  histrio  et  incendiarius  hergeben 
konnte,  oder  sollte  er  wirklich  mitgewirkt  haben  bei  einem  feste,  wo 
der  Schwindel  eines  Cäsellius  Bassus  a  vatibus  oratoribusque  praecipua 
materia  in  laudem  principis  adsumpta  esif  denn  so  ist,  meine  ich, 
XVI  2  nach  den  spuren  der  hs.  absolut  zu  lesen ;  obschon  allmählich  in 


418  LudiA  Müller:  Sammelsurien. 

der  valgaU  ab  orataribusque  die  herscliaft  gewonneo  hat  immöglicii 
konolen  die  dichter  bei  den  officiellen  pninkreden  jenes  hofTestes  in  dem 
-ceriamen  musicum  (Suet.  Nero  12)  fehlen,  doch  um  auf  das  thema 
zurückzukommen,  sollte  wirklich  ein  maun  wie  Maternus  sich  zur  stalTage 
^iner  scenerie,  wie  sie  Tacilus  a.  o.  cap.  4  und  5  entwirft,  hergegeben 
iiaben?  sollte  er  öffentlich  sich  einem  Vaünius,  sutrinae  tabemae  alum- 
nuSy  inter  foedissima  Neronis  aulae  ostenia^  zum  Wettstreite  gestellt 
haben,  zumal  bei  einer  gelegenheit,  wo  nach  der  ganzen  art  jenes  ludi- 
^rum  schon  im  voraus  nur  für  die  günstlinge  des  kaisers  auf  erfolg  zu 
vfechnen  war?  unmöglich,  wir  dürfen  eine  solche  handlung  nicht  nach 
^eigner  Willkür  einem  manne,  der  den  adel  seiner  gesinnung  mit  seinem 
liiute  besiegelt  bat,  beilegen. 

Deshalb  publiciere  ich  eine  conjectur  die  ich  schon  seit  1858  im 
tasten  liegen  habe ,  aus  dem  sie  nur  Einmal  im  sommer  1867 ,  als  ich 
den  dialogus  an  hiesiger  Universität  erklärte ,  hervorgewandert  ist.  *)  ich 
-schreibe  inperanie  Nerone.  auf  welche  weise  Maternus  durch  eine  tra- 
gödie  die  schändliche  und  auch  der  Musen  heiligtum  entweihende  madit 
-des  Vatlnius  zum  fall  gebracht  hat,  können  wir  nach  achtzehn  jahrhun- 
<ierten  nicht  mehr  bestimmen ,  da  er  eben  es  nicht  für  nötig  gehalten  hat 
seinen  freunden,  die  alle  um  die  sache  wüsten,  darüber  noch  weitem 
^ufscblusz  zu  geben.  Vermutungen  sind  billig,  aber  auch  nach  der  natur 
der  sache  gegenstandlos.  nur  bemerke  ich,  dasz  die  tragödie  des  Mater- 
nus keine  praetextata  gewesen  sein  kann,  wovon  nachher,  vermutlich 
lialle  Maternus  iu  seinem  drama  irgend  eine  komische  figur  der  heroen- 
weit, z.  b.  den  Thersiles,  an  den  Vatinius  schon  durch  körperliche  ge- 
irechen  {corpore  deiorto  Tac.  XV  34)  stark  erinnerte,  so  sehr  mit  allen 
•eigenschaften  des  Neronischen  günstlings  ausgestaltet,  dasz  Nero  nolens 
dolens  sich  genötigt  sah  seinem  freunde  den  abschied  zu  geben,  äbulkhe 
tendenzdramen  aus  dem  Sagenkreis  der  Griechen  waren  des  Aemilius 
Scaurus  Atreus,  wegen  dessen  ihn  Macro  denuncierte  addiüs  versibus 
^ui  in  Tiberium  flectereniur  {ann,  VI  35  [29]),  und  unseres  Maternus 
Thyesles.  dasz  dieser  mit  dem  bezQgliclien ,  seinem  titel  nach  unbekann- 
ten stücke,  durch  welches  er  den  einflusz  des  Vatinius  brach,  auch  zu- 
gleich eine  andere  tragödie  dieses  menschen ,  durch  ihr  thema,  aber  nicht 
durch  ihre  behandlung  der  seinigen  ähnlich,  aus  dem  felde  geschlagen 
"iiabe ,  ist  sehr  probabel ,  aber  doch  nicht  sicher,  nur  wird  Maternus  na- 
türlich noch  viel  weniger  in  privaten  zirkeln  als  bei  dem  ludus  quin- 
^uennaiis  persönlich  einem  Vatinius  gegenüber  getreten  sein. 


*)  in  der  eben  erschienenen  recognition  des  dialogos  Ton  Adolf 
Michaelis  finde  ich  die  oben  empfohlene  lesart,  die  Michaelis  in  den 
text  gesetzt  hat,  hrn.  professor  Hanpt  zugeschrieben,  da  ich  diesem 
gelehrten  die  bezügliche  emendation  vor  zehn  jähren,  als  wir  im  phi> 
lologischeu  seminar  in  Berlin  die  schrift  des  Tacitus  interpretierten, 
mitgeteilt  habe,  ohne  dasz  er  mir,  während  er  sie  billigte,  gleichwol 
gesagt  hätte,  sie  sei  ihm  ebenfalls  in  den  sinn  gekommen,  so  mnsz 
«in  misverständnis  des  neuesten  heraosgebers  zu  gründe  liegen,  das 
ich  hiermit  berichtigt  haben  will. 


^Luclaa  MQller:  sammelsurien.  419 

Doch  um  auf  meiae  conjectur  zurflckzukommeu ,  man  siebt  wie  er* 
wQnscht  die  zeitbeslimman^  inperante  Nerone  als  ergänzung  zu  ingredi 
famam  auspieatus  sum  und  als  gegensatz  zum  folgenden  hodie  dienl. 
ein  mann  wie  Maternus,  der  so  viel  gerade  von  seinem  dichl^schen  be- 
ruf hielt,  konnte  kaum  die  zeit  seines  erstiingswerkes  blosz  durch  er- 
wfthnung  einer  so  verachüichen  und  abgesehen  von  der  vorübergehenden 
gunst  des  Nero  allgemein  verachteten  persönlichkeit  deGnieren.  ein  lob 
seines  mutes  (auf  das  es  ihm  hier  übrigens  gar  nicht  ankam]  lag  doch  in 
den  Worten,  denn  daraus  ergab  sich  eben  deutlich  dasz  Maternus  die  tra- 
gödie  geschrieben  hatte  sub  Nerone  novissimis  annis^  cum  omne 
^siudiorum  genus  paulo  Uberius  ei  erectius  periculosum  servUus  fecis$et 
(Plinins  episi.  111  5,  5). 

Aber  auch  was  die  leichtigkeit  der  Änderung  betrüft,  kann  inperante 
«ich  sehen  lassen,  entweder  nemlich  ist  perante  vor  dem  sehr  ähnlichen 
nerone  ausgefallen,  oder  ein  schläfriger  abschreiber  hat  für  inperante 
gesetzt  inp  (vgl.Walthers  lex.  dipl.  s.  172, 28),  welche  abkürzung  man  öfter 
für  inperatore  (was  hier  zu  ceremoniell  klingen  würde)  antreffen  kann. 

Dasz  der  Domitius  des  Maternus  gegen  zehn  jähre  später  als  das 
eben  besprochene  drama  fiel  und  überhaupt  der  dichter  von  dem  landläu- 
^gen  bearbeiten  griechischer  themen  erst  um  die  mitte  von  Vespasians 
principat  mit  reiferen  kräften  zu  der  schwierigem,  wenig  behandelten 
praetextata  übergieng,  kann  nach  dem  zeugnis  des  dialogs  keinem  zweifei 
unterliegen.   Aper  sagt  cap.  3:  adeo  te  tragoediae  istae  (d.  h.  die  früher 
geschriebenen)  non  satiant^  quo  minus  omissis  orationum  ei  causarum 
siudH$  omne  iempus  modo  circa  Medeam,  ecce  nunc  circa  Thyestem 
€onsumas?  cum  te  tot  amicorum  causae^  toi  coloniarum  et  municipio- 
rum  clienielae  in  forum  voceni^  quibus  vix  suffeceris^  etiam  si 
non  novum  tibi  ipse  negotium  inporiasses^  Domitium  et  Catonem  id  est 
nostras  quoque  historias  et  Romana  nomina  Graecorum  fahulis  aggre^ 
{fare.   Maternus  hat  eben  seinen  freunden  erzählt,  er  habe  schon  wieder 
ein  drama,  diesmal  aus  den  griechischen  mythen,  coucipiert.   darauf  ent- 
gegnet Aper,  ob  er  denn  so  wenig  genug  habe  an  seinen  früheren  arbei- 
ten auf  dem  gebiete  der  gräcanischen  tragödie,  dasz  er  seine  ganze  kraft, 
-wie  vor  kurzem  der  Medea ,  jetzt  dem  Thyestes  widmen  wolle ,  während 
ihn  (schon  seit  längerer  zeit)  so  viele  pflichten  auf  das  foriim  riefen, 
denen  er  kaum  würde  genügen  können,  selbst  wenn  er  nicht  (zwischen 
ausgäbe  der  Medea  und  ausarbeitung  des  Thyestes)  sich  eine  neue  auf- 
gäbe gestellt  hätte,  nemlich  die  behandlung  vaterländischer  ihemen.   neu 
wird  diese  aufgäbe,  was  kaum  bemerkt  zu  werden  verdient,  nicht  genannt 
in  bezug  auf  des  Maternus  sachwalteramt  oder  als  ob  Maternus  zuerst  in 
Rom  praelextaten  geschrieben  hätte,  sondern  im  gegensatz  zu  den  von 
ihm  früher  ausschlieszlich  cultivierten  griechischen  objecten.    man  achte 
au(  aggregare.  dasz  es  ferner  unvernünftig  sei  dem  Malernus  vorzuwerfen, 
er  könne  wegen  der  beschäfligung  mit  einer  tragödie ,  die  er  allerspäte- 
stens  im  j.  68  vollendet  haben  muste,  im  j.  75  sich  nicht  als  redner 
zeigen,  leuchtet,  denke  ich,  jedem  ein.   da  ferner  bekanntlich  der  Calo 
die  tragödie  ist,  die  Maternus  am  tage  vor  dem  besuch  seiner  freunde 


420  Lucian  Muller:  Sammelsurien. 

bekannt  gemacht  hat,  die  also  später  fällt  als  die  Medea,  Aper  aber  Domi- 
tius  und  Calo  als  arbeilen  verschiedenen  genres  und  als  neue  geschäfte^ 
welche  den  Maternus  auch  nach  Vollendung  jenes  Stückes  an  seinem  baupt- 
beruf  (naih  Apers  meinung)  hindern,  bezeichnet :  so  musz  die  entstehung 
des  Domitius  zwischen  Medea  und  Cato  fallen,  modo  darf  man  dabei  nicht 
zu  sehr  urgieren:  es  bedeutet  hier  nicht  gerade  'eben'  sondern  einen 
etwas  weiter  entfernten  punct  der  Vergangenheit  anderseits  darf  man 
diesen  nicht  zu  weit  hinausschieben ,  etwa  wie  Livius  und  Cicero  einen 
Zeitraum  von  zwanzig,  vierzig,  siebenzig  jähren  durch  modo  bezeichnen, 
die  bearbeitung  wenigstens  von  griechischen  tragödien  konnte,  da  hier  re- 
gelmäszig  der  Stoff,  vielfach  auch  die  dispositioa  gegeben  war,  also  nur 
die  metrische  darstellung  speciell  dem  dichter  zufiel,  fflr  einen  reichgebil- 
delen  mann  des  ersten  jh.  nach  Ch.  eine  klelnigkeit,  bei  voller  musze  übri* 
gens,  unmöglich  lange  zeit  in  auspruch  nehmen,  auch  wenn  er  nicht  so 
fingerfertig  war  wie  Q.  Cicero ,  der  vier  tragödien  in  sechzehn  tagen  zu- 
sammenschrieb, zu  beachten  ist  in  dieser  hinsieht  eine  steUe  im  dialogus 
cap.  3 ,  fflr  die  dilettantische  bescbäfligung  der  Römer  mit  dem  ernsten 
drama  noch  nicht  gebflhrend  gewflrdigt.  dort  sagt  Matemus  dasz  er, 
während  er  eben  den  Cato  (zur  probe)  vorgelesen  und  die  ausgäbe  noch 
nicht  zum  abschlusz  gebracht  hatte,  gleichwol  das  concept  und  die  dispo- 
sition  der  neuen  tragödie  Thyesles  bereits  vollständig  entworfen 
habe  {hanc  enim  tragoediam  disposui  tarn  et  intra  me  ipse  formapt), 

lieber  die  frage,  ob  man  bei  dem  nationalen  drama  der  Römer 
lebende  personen  in  die  darstellung  gezogen  habe,  was  ich  verneinen 
zu  mflssen  glaube,  ein  andermal,  hier  bemerke  ich  nur,  dasz  es  mir 
rälhselhaft  scheint,  wie  man  je  einen  andern  als  den  bekannten  feind  des 
dictators  Cäsar  unter  des  Matemus  Domitius  hat  verstehen  können,  sogar 
wo  möglich  den  alten  bezwinger  des  gallischen  königs  Betuitus.  man  hat 
eingewendet,  jener  Domitius  sei  kein  fleckenloser  Charakter  gewesen  (was 
notabene  der  andiere  ebenso  wenig  war),  als  ob  es  aber  für  die  tragddie, 
zumal  die  tendenziöse,  darauf  ankäme  vollkommen  reine  männer  zu  achil- 
dem  und  nicht  vielmehr  solche  die  energisch  und  oonsequent  ein  rich- 
tiges princip  vertreten,  die  kleinlichen  geschichtohen  ober  ihr  privalleben 
sind  dabei  ganz  indifferent,  und  dasz  jener  Domitius,  der  seine  republi- 
canische  gesinnuug  dem  Cäsar  gegenüber  im  leben  wie  im  tode  bethätigt 
hat,  sich  zur  verherlichung  fflr  einen  mann  der  republicanischen  Oppo- 
sition der  kaiserzeit  eignete  wie  irgend  einer,  das  kann  nur  verkennen, 
wer  nie  den  Lucanus  gelesen  hat,  oder  wer  da  meint  dasz  Cicero  und 
Malernus  in  ihrem  Cato  vielmehr  den  Privatmann  als  den  politischen 
gegner  Cäsars  geschildert  haben,  den  Domitius  hatte  Materaus  unzweifel- 
haft gerade  so  dargestellt  wie  Lucanus,  als  den  stolzen  unbeugsamen 
Vertreter  und  Verfechter  der  republik,  der  sich  nur  insoweit  von  dem 
geistesverwandten  Calo  unterschied,  als  er  noch  saha  liberiate  [Phars. 
Vil  602),  dieser  nach  ihrem  untergange  den  tod  fand. 

Cap.  26  quodque  vix  audilu  fas  esse  deheai^  laudis  ei  gloriae  et 
ingenü  loco  plerique  iactant  caniari  saltarigue  commentarios  suos. 
unde  qritur  illa  foeda  et  praepostera  sed  tamen  frequens  sicui  his  da 


Lucian  Muller:  Sammelsurien.  421 

€/  exclamaiio^  ut  oratores  nostri  ienere  dicerCy  htsiriones  diserte  sal- 
iare  dicaniur.  fQr  das  affenbar  verderbte  sicut .  .  et  hat  Michaelis  nach 
Orelli  und  Dryander  sicut  scitis  clausula  et  geschrieben,  wir  wollen 
zuerst  sicut  scitis  betrachten,  jeder  wird  mir  zugeben,  dasz  dies  dem 
überlieferten  sicut  his  nicht  allzu  nahe  liegt ;  wflrde  es  freilich  vom  ge- 
danken  erfordert,  so  hAtte  ich  nichts  dagegen,  auch  wenn  man  z.  b.  aus 
et  machen  wollte  Constantinopolis.  solches  ist  aber  keineswegs  der  fall ; 
vielmehr  erscheint  der  zusatz  sicut  scitis ,  da  ja  die  bezeichnung  ut .  . 
dicantur  eine  häufige  war  (frequens)^  ganz  matt  und  kahl,  als  ein  zusatz 
den  man ,  wenn  er  überhaupt ,  etwa  weil  die  von  quodque  . .  dicantut 
berichteten  facta  gar  zu  unglaublich  erschienen,  beigefügt  werden  sollte, 
viebnehr  schon  nach  plerique  erwarten  dürfte,  die  abkürzung  cia  für 
clausula  findet  sich  im  vierzehnten  und  fünfzehnten  jh.  öfters;  clausula 
würde  also ,  da  nach  Reifferscheids  probabler  Vermutung  alle  unsere  ab- 
Schriften  des  dialogus  ans  der  copie  des  Henoch,  nicht  aus  dem  deutschen 
archetypus  selbst  stammen ,  paläographisch  sehr  wol  möglich  sein ,  wenn 
es  nur  einen  sinn  gewährte,  solches  ist  aber  keineswegs  der  fall,  clau- 
sula beiszt  bekanntlich  bei  den  rhetoren  der  schlusz  eines  satzes  oder 
einer  periode,  eines  abschnittes  in  der  rede,  hier  wird  nun  aber  gar 
nicht  von  irgend  einem  ausdruck  der  redner  gesprochen  (nur  darauf 
würde  clausula  allenfalls  passen)  —  denn  wie  kann  man  im  ernst  glau- 
ben, dasz  die  damaligen  redner,  deren  Vollgefühl  uns  Aper  c.  5—8  so 
lebendig  zeigt,  den  ausspruch  histriones  diserte  saltant  gebilligt  hät- 
ten? dasz  jenes  dictum  über  die  redner  nicht  von  den  rednern  ausge- 
gangen ist,  zeigt  auch  deutlich  so  nostri  wie  dicantur.  vielmehr  erwähnt 
Messalla  jenen  ausspruch  offenbar  als  ein  bonmot  der  damaligen  geist- 
reichen gesellschaft ,  das,  wie  die  meisten  bonmots,  incerto  auclore  (ver- 
mutlich schon  seit  längerer  zeit)  umhergetragen  wurde  und  eben  nur  in 
den  Worten  bestand:  oratores  teuere  dicunt^  histriones  diserte  saltant. 
daraus  ergibt  sich  dasz  clausula  unmöglich  ist. 

Die  übrigen  zahlreichen  conjecturen  übergehe  ich,  da  sie  teils  zu 
weit  abliegen,  teils  abgeschmackt  sind,  teils  beides  zugleich,  ich  schreibe : 
finde  oritur  illa  foeda  et  praepostera  sed  tarnen  frequens  saeculo 
(natürlich  dativ)  exclamatio  usw.  dasz  diese  conjeclor  dem  sinne  nach 
sehr  gut  passt ,  bedarf  keines  bewetses.  jedem  der  in  der  silbernen  lati- 
nitäl  bescheid  weisz  ist  bekannt,  dasz  jene  epoche  von  iliren  scribenten 
gerade  mit  rücksicht  auf  moralische  oder  cullurhistorische  eigenheiten 
vorzugsweise  als  saeculum  bezeichnet  wird,  so  oft  eloquentia  saeculi 
(worüber  man  sehe  Bernhardy  röm.  litt.  s.  278  der  3n  bearb.).  so  im 
dialogus  cap.  16  non  .  .  inauditum  .  .  saeculum  nostrum  patiar  .  . 
damnari  (in  bezqg  auf  beredsamkeit).  cap.  24  quo  torrente^  quo  impetu 
saeculum  nostrum  defendit!  hist,  I  3  non  tamen  adeo  virtutum  sterile 
saeculum,  es  bleibt  mir  nur  noch  übrig  zu  zeigen,  dasz  auch  der 
{iberlieferung  nach  meine  conjectur  am  nächsten  liegt,  zunächst  ist  et 
weiter  nichts  als  eine  sog.  dittographle  des  folgenden  exclamatio^  wie 
Jihnliche  sich  in  unserm  dialogus  oft  finden :  z.  b.  cap.  5  et  ego  enim  für 
ego  enim,  cap.  8  inteüegit  et  für  intellegit,    gerade  bei  folgendem  ex 


424  Lucian  Mdller:  sammelsurieo. 

aus  dem  gebrauch  später  zeit  die  formen  ianslrix  usw.  beigefdgl  hat, 
folgt  teils  aus  dem  umstand  dasz  er  die  Spracheigentümlichkeiten  der 
gegenwart  immer  mit  bestimmter  hezeichnung  dieser  einführt ,  teils  dar- 
aus dasz  jene  heispiele  wol  überhaupt  sich  nur  bei  den  altern  lateinischen 
autoren  nachweisen  lassen,  wie  denn  so  harte  anhäufungen  von  conso- 
nanten  im  dritten  jh.  nach  Ch.  nicht  mehr  denitbar  sind,  übrigens  sagte 
Cornelius  Severus  successor  für  suceestrix  (Charislus  s.  86). 

Nonius  s.  150  perperos^  indoctos  stulios  rudis  (das  folgende  et 
fehlt  im  Bamb.  und  Leid.  Q.  116)  tnendaces,   lies  mendosos. 

Derselbe  s.  206  fidmeniutn  .  .  feminino  Lueilius  .  .  Hb,  IUI  *sucii 
huic  fuldum^  fulmenias  quattuor  addit*  von  den  versuchten  besserun- 
gen  kommt  nur  in  betracht  des  Salmasius  subicit  huic  fulcrum^  so  zwar 
dasz  ich  subicit  acceptiere ,  fulcrum  aber  mit  protest  zurückweise,  denn 
'welcher  verständige  dichter,  geschweige  gar  Lueilius,  wird  eine  so 
lästige  Umschreibung  brauchen :  *er  bringt  eine  stütze  darunter  an  und 
fQgt  vier  stützen  dazu'?  ich  schreibe  subicü  huic  soldum:  *er  gibt  ihm 
einen  festen  boden  und  fügt  vier  stützen  dazu.'  worauf  huic  geht,  kann 
man  natürlich  nicht  wissen,  vermutlich  auf  eine  bettstelte;  d^ch  gestattet 
€8  vieinillige  deutung.  wer  die  grosze  ähniichkeit  von  $  und  f  und  die 
zahllosen  vertauschungen  von  u  und  o  im  stamme  berücksichtigt,  wird 
gesteheu  dasz  meine  conjectur  im  wesentlichen  die  Überlieferung  reprä- 
sentiert, soldius  gebraucht ,  vermutlich  in  nachfolge  des  Lueilius ,  Horaz 
in  seinen  satiren,  Lueilius  sicher  ardui,  cäldus^  frigdaria{äe  re  m.s.  366). 

Nonius  s.  495  accusativus  •  .  pro  genetivo  .  .  Varro  papiapapae 
^sqI  iynmfuav:  ^omi  optanii  ministerio  inviduum  tabes.*  daraus  ist  ge- 
macht: omni  opstani  in  tn.  invidum  tabes.  ich  habe  de  re  m.  s.  415 
diese  worte  zu  einem  trimeter  scazon  gemacht ,  und  meine  behauptung 
wird  kaum  auf  Widerspruch  stoszen,  da  man  anders  nicht  einsieht, 
warum  Varro  in  prosa  den  ganz  vereinzelt  dastehenden  genetiv  intidum 
gehraucht  haben  sollte,  schwere  bedenken  aber  hat  ministerio.  zunächst 
€in  metrisches,  die  cäsur  ist  in  diesem  verse  nacli  der  vierten  thesis; 
dadurch  käme  sie  aber,  was  bei  Varro  kaum  zu  dulden,  hinter  einen 
dactylus  zu  stehen,  wodurch  der  rythmus  des  verses  gerade  an  einer 
entscheidenden  stelle  stark  beeinträchtigt  wird,  zweitens  misfällt  mir 
der  gedanke.  hätte  Varro  gemeint,  dasz  bei  jedem  geschäfte  uns  invidum 
tabes  entgegenständen ,  so*  würde  er  eben  nicht  tabes  gebraucht  haben, 
sondern  einen  ausdruck  der  eine  thätige  äuszerung  der  inmdia  bezeich- 
nete, nicht  jenes  heimliche,  passive  brüten  und  grübeln,  das  dem  be- 
neideten ganz  gleichgültig  sein  kann,  aber  auch  handschriftlich  ist  mi- 
nisterio nicht  ganz  sicher;  die  beiden  Leidener  hss.  geben  mimstero^ 
und  in  der  Bamberger  ist  in  ministerio  das  letzte  t  unterpunctiert    ich 

meine  dasz  ursprünglich  überliefert  war  mistero ,  und  das  übergeschrie- 
bene f  dann  am  unrechten  platz  auf  die  erde  gekommen  ist.  danach  müstc 
man  lesen : 

omni  öpstant  in  mystSrio  invidüm  tabes. 
jeder  wird  mir  zugeben  dasz  für  den  stillen  neid,  entsprungen  aus  dem 
versteckten  ärger  über  geheimnisse  anderer,  die  man  gern  wissen  möclite 


Luciao  Müller:  Sammelsurien.  425 

oder  die  man  durch  anonyme  ohrenbläsereien  und  klatschereien  zu  er- 
fahren, bezüglich  zu  verbreiten  versucht,  tabes  ganz  vortrefflich  passt. 
so  wird  auch  bei  Ovidius  met  11  752  f.  die  Agiauros,  die  ein  geheimnis 
der  Minerva  belauscht  hatte ,  mit  dem  neide  bestraft,  dort  heiszt  es  von 
der  göttin  des  neides  und  ihrem  verbissenen  Srger,  wenn  sie  glückliche 
menschen  sieht:  sed  videt  ingratos  iniabescitque  videndo  successus 
hominum.  und  gleich  nachher  von  der  in  heimlichem  neide  hinsterben- 
den Agiauros:  leniaque  miserrima  iahe  liquitur.  mysterium  sclion 
hei  Luciiius  XXVI  2  der  letzten  ausgäbe. 

Nonius  s.  498  genetivus  positus  pro  ablativo  .  .  LuciUus  saty ra- 
mm Üb.  VI:  ^hortare  [hortareit)  ülorum  si  possim  capisotiru'  so, 
capisoiin\  mein  Leidensis  und  sein  alter  ego  der  Bambergensis.  ich 
schreibe  copis  (d.  h.  copi')  poiiri  (potiri  mit  Dousa).  vgl.  Turpilius,  der 
auch  651  -starb,  bei  Nonius  s.  84,  21  ie  quidem  omnium  pater  iam  cO" 
petn  causarum  facit, 

Nonius  s.  527  inpotentiam  eiiatn  poteniiam  auctoritas  dedit,  Si- 
senna  hisL  Hb.  JII:  ^sublatus  laeUUa  ninUa  atque  inpolenüa  conmotus 
animi.^  wer  sollte  wol  in  diesen  Worten  eine  Verderbnis  vermuten?  und 
doch  ist  sie  über  jeden  zweifei  erhaben,  denn  anmöglich  konnte  Nonius 
inpoteniia  durch  potentia  erklären,  wenn  er  in  seinen  excerpten  animi 
hinter  commotus  fand,  es  liegt  auszerhalb  des  denkbaren,  dasz  ein  Römer 
die  bedeutung  von  inpoteniia  animi  nicht  gewust,  dasz  ihm  selbst  in 
diesem  falle  conmotus  nicht  die  äugen  geöffnet  h&tte,  ganz  abgesehen  von 
dem  umstände  dasz  der  aasdruck  potentia  anhni  =  'geistige  macht'  wol 
in  das  gebiet  des  kfichenlateins  zu  verweisen  ist.  animi  ist  wiederholt 
aift  dem  eine  zeile  früher  stehenden  laelilianimia.  der  Schreiber  des 
archetypus  war  von  dem  einen  a  auf  das  nächste  gesprungen ;  so  kam 
animi  an  den  rand  und  zweimal  in  den  tezt.  der  fehler  des  Nonius  ist 
derselbe  wie  s.  129  u»  inpoiens,  valde  potens:  Cicero  Tusculanarum 
Jib,  V:  ^qui  nihil  metuani^  nihil  agant^  nihil  concupiscaniy  nuUa  inpO' 
ientia  ecferantur.* 

Nonius  s.  129  inpuno^  quod  esi  inpudens.  Luciiius  lib.  II:  ^homo 
inpuratus  et  inpuno  est  rapisier,'  sinn  und  metrum  erfordern  estque. 
dasz  dieselbe  stelle  gemeint  sei  s.  167,  wo  unter  rapinatores  nach  einem 
beispiel  des  Varro  folgt:  Luciiius  Hb.  II:  ^homo  inpudicus  et  inpune  est 
rapinator^^  glaube  ich  mit  den  früheren,  nur  bin  ich  nicht  geneigt  an 
diesem  orte  einen  irtum  des  Nonius  anzunehmen,  sondern  denke  dasz 
auch  hier  zu  lesen  sei  rapister.  als  der  grammatiker  das  ungewöhnliche 
rapinator  mit  einem  citat  aus  Varro  belegt  hatte,  fiel  ihm  ein  dasz  auch 
rapister  sich  finde  für  raptor^  und  er  fügte  den  darauf  bezüglichen  be- 
weis ohne  weitere  Umschweife  hinzu,  ähnliche  nachlässigkeiten  finden 
sich  zu  dutzenden  bei  Nonius  und  weit  auffallendere,  man  vgl.  s.  487  u. 
Argus  und  87  u.  copiantur,  diese  art  des  citierens  haben  die  abschreiber 
hier  wie  anderweit  bei  Nonius  durch  interpolation  getrübt. 

Nonius  s.  352  numerum  .  .  numero  significat  cito  .  .  Turpilius 
Demetrio :  ^numquam  nimis  numero  quemquam  vidi  facere^  quam  fato 
{facto  die  ausgaben)  est  opus.*   Ich  begreife  nicht  wie  Ribbeck  nimis  hat 

Jahrbuchw  fUr  cIms.  phUol.  1868  hfU6.  28 


426  Lucian  Muller:  Sammelsurien. 

streichen  können,  wodurch  eine  colossale  Übertreibung  herauskommt, 
ebenso  wenig  verstehe  ich  quam  und  schreibe  quam  (die  häufige  Ver- 
wechselung beider  worte  bedarf  wol  heutzutage  keines  belegs): 

numqudm  nim€  numero  quimquam  vidi  fdcere^   quam 

factdsi  opus. 
bekannt  ist  des  Sallustius  übt  consulueris ^  maiure  facto  opus  est.  der 
genannte  gelehrte  bezieht  sich  auf  NAvius  bei  Festus  s.  170  M.  (ine.  trag. 
IX) :  neminem  vidi  qui  numero  {numero  =  nimium)  sdret  quam  quo 
sciio  opusi.  allein  auch  hier  ist  quam  nicht  wol  verständlich  und  ohne 
begründung  seitens  der  hs. ,  die  vielmehr  bietet  sdret  quique  seit  id  est 
opus^  woraus  wir  ebenso  leicht  machen  können  qum  scito  est  opus  oder 
auch  meinetwegen  qum  quo  scito  opust^  so  dasz  id  (ursprünglich  wol  -i-) 
est  über  opust  gestanden  hätte. 

Nonius  s.  160  petigo  (vgl.  auch  s.  125,  31)  .  .  Lucüius  Hb.  XXX: 
Unluvies  Scabies  oculos  huic  denique  petigo  conscendere.*  In  diesem 
fragment,  von  Gerlach  übergangen  (wie  schon  Bouterwek  quaest.  Luc 
s.  4  bemerkt  hat,  wogegen  parce  für  serva  aus  Servius  zu  Jen.  X  532, 
dessen  B.  s.  19  gedenkt,  sich  schon,  freilich  an  einem  ganz  ungehörigen 
orte,  bei  dem  Baseler  editor  findet  s.  123,  vgl.  auch  s.  94,  111),  haben 
die  gelehrten  nach  Fruterius  geschrieben  deque  petigo.  ich  kann  das  nicht 
billigen,  abgesehen  von  dem  zeugnis  des  Nonius,  der  in  dem  alphabeti- 
schen capitei  II  die  stelle  zum  beleg  für  petigo  anführt,  ist  auch  eine 
solche  composition,  depetigo  aus  de  und  petigo^  sprachwidrig,  sie  wäre 
nur  möglich,  wenn  depetere  ein  classisciies  verbum  wäre,  dies  kommt 
aber  zuerst  bei  Tertullianus  vor.  im  lemma  bei  Gellius  XVU  9  sieht  jetzt 
ex  veiere  historia  petitis.  auch  entspricht  der  bedeutung  des  krank- 
haften zustandes,  der  durch  petigo  ausgedrückt  wird,  gar  nicht  die  Zu- 
sammensetzung mit  de.  für  depetigo  depetigiosus  sieht  nichts  siche- 
res ein  als  die  sehr  magere  autorilät  der  glossen  des  Cyrillus.  idi  bin 
deshalb  nicht  geneigt  ein  solches  wort  einem  classiker  wie  Lucilius  zu 
imputieren,  sondern  meine  dasz  zu  schreiben  sei  entweder  inque petigo 
(denn  inpetigo  ist  ein  gutes  wort)  oder  noch  besser  deinque  petigo.  um- 
gekehrt wird  s.  521,  2  dein  quae  überliefert  für  denique.  übrigens  geht 
unser  vers  wie  XXX  76  tritum  et  corrupium  scabie  et  porriginf  ple- 
num,  in  dessen  nähe  er  wol  stand,  auf  einen  räudigen  köter.  auf  eben 
denselben  oder  einen  ähnlichen  vierfüszler  bezieht  sich  XXX  25.  ebenso 
ist  tritos  (denn  tritum  habe  ich  erst  bei  Lucilius  hergestellt)  wol  mit 
recht  eingesetzt  worden  in  dem  vers  des  Pomponius  in  placenta  s.  209 
u.  intiba: 

rustici  edunt  libenter  pedibus  tristis  alros  intibos. 
denn  wir  haben  einen  trocbäischen  tetrameter  vor  uns.  Ribbeck  teilt  die 
Worte  iambisch ,  weshalb  er  pedibus  hinauswirft,  allerdings  geht  pedi- 
bus vorher  in  dem  fragment  des  Lucilius  intibu*  praeterea  pedibus  prae- 
tensus  equinis^  allein  getrennt  durch  viertehalb  zeilen,  wodurch  die  mög- 
tichkeit  der  ungehörigen  Wiederholung  dieses  wortes  viel  von  ihrer  pro- 
babilität  verliert,  da  ähnliches  einschleichen  sich  sonst  bei  Nonius  meist 
nur  im  teite  der  zunächst  voranstehenden  oder  direct  nachfolgenden  zeile. 


Lucian  Maller:  Sammelsurien.  427 

unter  solcher  bedingung  freilich  weit  mehr  als  hundert  mal  nachweisen 
läszt.  daher  ziehe  ich  mit  Munk  iritos  vor,  obwol  ich  nicht  verschweigen 
will,  dasz  mir  in  den  sinn  gekommen  ist  pistos,  was  sich  durch  die  aliit- 
teration  empOehlt.  so  Ennius  pinsunt  terram  genibus  und  cubiiis  pinsi' 
bant  humum  ^  und  Pomponius  selbst  cum  mierim  neque  tnalis  molui 
neque  pdlatis  pinsui. 

Bei  dieser  gelegenheit  fällt  mir  der  vers  eines  andern  Atellanen- 
dichters  (Aprissius  soll  er  heiszen)  ins  gedSchtnis,  dem  gleichfalls  un- 
recht geschehen  ist.  Varro  s.  244  Sp.  ui  quiriiare  urbanorum  (unsinn, 
ich  komme  gleich  darauf  zu  sprechen) ,  sie  iubilare  rusticorum.  iiaque 
hos  imitans  Aprissius  ait: 

io  bücco!  —  quis  me  iitbilat?  —  vidnüs  tuus 
antiquus, 
so  der  neueste  herausgeber.  unmöglich:  denn  weder  kann  lo,  das  ja  einen 
naturlaut  wiedergibt,  pyrrichisch  gebraucht  werden,  noch  gar  iübilo  das  u 
verkürzen  (teils  der  gebrauch  der  autoren  zeugt  dagegen ,  teils  derselbe 
grund  der  die  zweite  in  io  nicht  verkürzen  laszt).  man  musz  schreiben: 
io! 

bücco!  —  quis  me  iübilalT  —  vicinus  aniiquüs  tuus. 
dasz  die  interjectionen  im  griechischen  und  römischen  drama  auszerhalb 
des  metrums  zu  stehen  lieben  ist  bekannt,  abgeschmackt  sagt  Varro  a.  o. 
und  nach  ihm  Nonius  s.  21,  quiritare  komme  von  Quiris:  tracium  ab 
eis  qui  Quirites  invocant,  wSre  dies  richtig ,  so  würde  es  in  der  edlen 
spräche  mehr  gebräuchlich  sein,  von  den  alten  historikern  gebraucht  das 
wort  nur  Livios.  bei  Tacitus  ann»  XVI  34  steht  jetzt  öberall  richtig 
flentes  queriiantesque,  auch  in  des  Piinius  panegyricus  c.  29  ist  durch- 
aus vorzuziehen  die  lesart  der  filtern  ausgaben  frustra  queriiantibus  so- 
ciis.  beide  verba  sind  auch  sonst  verwechselt  quiritare  ist  der  naturlaut 
des  ebers,  wie  die  mittelalterlichen  glossarien  bei  ReilTerscheid  Suetoni 
reliquiae  s.  248  if.  übereinstimmend  bezeugen,  dasz  In  dem  aus  gleicher 
quelle  geflossenen  gedieht  ebd.  s.  308  (Meyer  anth.  lat.  253)  quiritat  mit 
langer  erster  steht  (quirritai  der  Monacensis  14505  und  mehrere  aus- 
gaben), kommt  freilich  nicht  in  betracht  für  meine  bemerkung,  da  jenes 
product  aus  der  zeit  des  Aldhelinus  und  Beda  oder  gar  der  Karolinger 
von  dicken  prosodischen  Schnitzern  wimmelt,  dazu  auch  Lucilius  die  erste 
verkürzt,   aber  die  sache  bedarf  keines  weitern  beweises. 

Dabei  fallt  mir  noch  etwas  anderes  ein.  es  ist  bekannt  dasz  der 
dichter  Laberi US,  als  Cäsar  schon  die  herschaft  inne  hatte,  diesen  durch 
bissige  anspielungen  in  den  hämisch  jagte,  wofür  ihn  der  dictator  be- 
kanntlich auf  eine  seiner  genialität  nicht  eben  würdige  weise  gestraft 
bat.  als  Laberius  genötigt  war  öffentlich  aufzutreten,  rächte  er  sich  da- 
durch ,  dasz  er  in  dem  bezüglichen  mimus  einen  sklaven  (Syrus,  wie  auch 
sein  litterarischer  nebenbuhler  hiesz)  auftreten  liesz ,  der  sich  plötzlich 
auf  die  bühne  stürzte  mit  dem  geschrei:  porro  Quirites!  libertatem 
perdimus^  ich  finde  bei  dieser  stelle  nicht  angegeben ,  was  doch  bemer- 
kenswerth  ist,  dasz  nach  dem  zeugnis  des  Tertullianus  s.  878  der  kleine- 
ren ausgäbe  Oeblers,  wie  fidem  Caesaris  der  allgemeine  hülferuf  bei 

28* 


428  Ludan  Möller:  sammelsiirieB. 

jc^kr  verjewalti^nog,  so  perro  QuiriUs  noch  so  zo  sagea  die  stereotype 
joflonleriuig  zum  Tolksanflaof  war. 

fin  bisber  nicht  in  die  bezäglicbeB  samlongen  aofgenommeoes  frag- 
ment  dner  eomadie  (Temiatiidi  einer  togata  oder  Atellana)  steht  bei 
Varro  de  vUa  p.  R.  badi  I  (Nonius  a.  21  n.  cermuts):  eüam  peüis 
Intbulas  oUo  perfusas  percurrebant  üriqve  eernuäbofU:  a  quo  ÜU 
versus  vetus  est  in  earmmäms: 

ibi  pasiares  lüdas  fackaU  e&rus  amsuälia. 

Um  noch  einmal  aof  qmrüo  zu  kommen,  denselben  fdiler  der  ab- 
leitnng  begeht  Nonios  s.  31  mit  irrUare  (denn  so  bat  er  natürlich  ge- 
schrieben), indem  er  es  von  irrire^  alias  hirrire  ableitet  (vgl.  auch  Donal 
zu  Ter.  Andr,  II  4, 18),  einem  worte  das  er  wie  Pestus  als  expectoration 
gereizter  bände  bezeicbnet,  während  es  in  den  genannten  glossarien,  so- 
weit es  erwähnt  ist  (so  besonders  in  dem  mehrfach  separatim  abgeschrie- 
benen Terzeichnis  des  Aldhelmos),  Tielmefar  der  hyäne  beigelegt  winL 
natfiriich  ist  jene  ableitung,  wie  immer,  verkehrt,  teils  weil  die  alten 
handschrilten  weit  öfter  tnriio  bieten  als  irrito^  wonach  das  wort  als 
compositom,  doch  wo!  mit  rite  zusammengehörig,  erscheint,  teils  weil 
dem  sinne  nach  ein  ursprang  des  transitiven  irrüo  von  dem  intransitirum 
irrio  nicht  wol  denkbar  erscheint. 

Nonius  s.  111  u.  fluctuatim.   Aframus  pompa: 
terU  tu.  in  medio  näntost,   magnifici  voto 
ftuctdtim  ire  ad  Hlum.  aecipite  hoc^  tege  tu  et  sitstine, 
so,  fluctatim^  richtig  Ribbeck  s.  165,  wie  derselbe  fluctanti  bei  Varro 
s.  390  des  Nonius  u.  severum,    aber  was  soll  aecipite^  die  Situation 
ist  doch  die,  dasz  der  redende,  ▼ermutlich  auf  der  Strasse,  remotis  arbi- 
tris  einen  bekannten  anruft,  er  solle  ^stehen  bleiben  (so  öfter  tene  bei  den 
comikem),  um  ihm  irgend  ein  packet,  vielleicht  mit  einem  unliebsamen 
Inhalt,  bis  jener  seine  visite  abgestattet  hätte,  zu  halten  und  zwar  mög- 
lichst verborgen,   dasz  er  nur  einem  diesen  auftrag  gibt,  erhellt  auch  noch 
zur  genOge  aus  tege  tu  et  susdne,   also  schreibe  ich  accipito  hoc.   so, 
doch  bedarf  es  keiner  beispiele,  Lucilius  coicito  te  iniro  ac  bono  animo  es. 

Nonius  s.  322  u.  insolens.  Accius  Diomede:  Uta  effletu  ei  tene- 
bris  obstinatus  speciem  amissi  luminis  conspicient  insolentiam*  mit 
recht  hat  man  längst  geschrieben  fletu^  amisi^  conspiciendi^  insolenUa. 
abgeschmackt  aber  bleibt  speciem^  ohne  sinn,  das  bedarf  keines  beweises. 
ich  schreibe  sperem: 

iia  flelu  ei  tenebris  obstinatus  Sparern  amisi  luminis 
conspiciendi  insoläntia, 
da  noch  Varro  speribus  gesagt  hat ,  bedarf  dies  wort  fQr  Accius  keiner 
entschuldigung.  fletu  et  tenebris  fasse  ich  als  daliv,  wie  sonst  obstinatus 
mit  ad  construiert  wird,  doch  kann  man  auch  das  adjectivum  absolut 
verstehen ,  bezfiglich  auf  die  langdauernde  trauer  des  alten ,  von  der,  wie 
iia  andeutet ,  schon  im  vorhergehenden  die  rede  war. 

Nonius  s.  294  u.  evadere,  Sisenna  hisioriarum  Üb.  IUI:  ^cohors 
una  possim  concitata  qua  murus  erat  interruplus  evadit,*  vielmehr 
''oncitato^  oder  allenfalls  kann  concitata  bleiben. 


Lucian  Muller:  sammelsurieD.  429 

NoDius  8.  312  u.  foeium,  Varro  de  viia  p,  R.  Hb,  II:  *mensae 
anteponebaniur  cum  culigna  ac  vino.  in  quoque  veniehant  ad  foetam 
amicae gratulatum^  dis  mdctabani*  vielmehr hinc^ quom  quae  veniehant 
ad  fetam  amicam  gr.^  d.  m. 

Nonius  s.  3Q5  u.  fama.    Turpilius  Paedio: 

quaiso  omitte  ac  desere  hanc 
meretricem^  quae  ie  sSmel  ui  nactast  sSmper  siuduii  perdere 
detegere  despolidre  opplereque  ddeo  fama  ac  flägitis, 
semel  verstehe  ich  nicht,   zumal  im  gegensatz  zu  semper^  vermutlich 
simul ,  vermittelt  durch  semol. 

Nonius  s.  416  u.  vesci.   Accius  armorum  iudicio: 
sed  Ha  Achilli  armis  inclutis  vesci  siudei , 
ui  cuncta  opima  levia  prae  Ulis  putet, 
um  die  lücke  des  zweiten  verses  auszurollen,  hat  Hermann  tarn  eingescho* 
ben ,  was  matt  ist.    man  schreibe  mit  beifügung  ^ines  buchstaben  Ulius. 

Nonius  s.  117  u.  gangrena.  Varro  n€Ql  l^ayooy^ff ;  ^non  vitupera- 
mus^  cum  sciamus  dictum  praecidi  oportere^  si  ob  eam  rem  gangrena 
non  Sit  ad  bracchium  Ventura.*  die  syncope  von  digitus  scheint  demnach 
doch  nicht  so  unlateinisch  zu  sein  als  es  Lachmann  geglaubt  hat  zu  Lucr. 
s.  412.  freilich  digtus  ist  barbarisch;  aber  darum  handelt  es  sich  auch 
nicht,   so  im  pervigilium  Veneris  perviclanda.   vgl.  auch  Catullus  66,73. 

Ein  neues  fragment  eines  scenikers,  vermutlich  comikers.  Nonius 
s.  186, 10  vinnulum  sensi  locum^  id  est  inlecebrum  (lies  inlecebram). 
Plautus  asinaria :  ^compellando  blanditer^  osculando^  oratione  vinnula^ 
venusta,*  hier  bildet  vinnulum  sensi  locum  die  zweite  hfllfte  eines  iro- 
cbSischen  septenarius  oder  iambischen  senarius:  denn  dasz  die  worle 
nicht  dem  Nonius  selbst  gehören,  bedarf  für  den  der  Nonius  kennt  keines 
beweises.  vielmehr  haben  wir  hier  den  fall,  der  s.  68  u.  abstemius^  s.  64 
u.proluvium  und  anderweil  vorkommt,  dasz  das  lemma  mit  der  paraphrase 
ausgefallen  war  vor  einer  der  belegslellen  wegen  des  ähnlichen  anfangs. 

Nonius  s.  67  prosapies^  generis  longitudo^  dicta  a  prosupando  aut 
proserendo.  Cato  originum  lib.  I:  ^veteres  prosapia  et  multa  alia  apud 
multosJ*  mit  recht  hat  Jordan  in  seinen  fragmenten  des  Galo  s.  9  veteris 
prosapiae  gesetzt,  teils  weil  dies  an  sich  der  sinn  erfordert,  teils  wegen 
der  nachahmung  des  Salluslius  de  bello  lug.  85,  10  hominem  veteris 
prosapiae.  es  verdient  aber  beachtung ,  dasz  Nonius  prosapies  citierl, 
wonach  Cato  zweifellos  prosapie  geschrieben  haben  wird;  vermutlich 
auch  (denn  die  hss.  kommen  hier  nicht  in  betracht)  Salluslius.  danach 
kommen  worte  des  Nonius:  et  multa  ialia  apud  multos.  so  heiszl  es  am 
ende  der  zuerst  von  mir  emendierten  stelle  des  Eurysaces  von  Accius 
(man  sehe  mein  buch  s.  443) :  et  multi  talia ,  sei  aliquando  variata  ge- 
neribus  (nemlich  verborum),  Nonius  meint  (s.  445),  der  von  ihm  hinge- 
stellte unterschied  zwischen  miserari  und  misereri  komme  in  vielen  bei- 
spielen  vor,  aber  zuweilen  so  dasz  statt  der  deponenlialen  vielmehr  die 
activen  formen  misero  misereo  gefunden  würden,  wie  unrecht  es  sei 
diese  worte,  was  bis  zur  neuesten  zeit  beliebt  hat,  zu  einem  trimeter  des 
Accius  zu  pressen,  habe  ich  a.  o.  bemerkt,   dagegen  haben  Gerlach  und 


430  Luciao  Hüller:  Sammelsurien. 

Roth  nicht  mit  recht  dem  Nonius  zugeteilt ,  was  offenbar  dem  Varro  ge- 
lidrt,  s.  67  u.  proletani:  Varro  de  viia  popuH  Rom.  Hb,  I:  ^quibus  erat 
[erani]  pecuniae  satis^  assiduos  [locupletis  Msiduos];  contrarios  pro- 

leiarios,  assiduom  -n*  (d.  i.  enim)  neminem  dici  volueruni  n  (d.  i.  nisi) 
locupleiem  [assiduo  neminem  vindicem  voluerunt  locupleti].  Nonius  liam 
CS  hier,  wie  das  lemma  zeigt,  nur  auf  proletarius  an,  er  halte  gar  lieinen 
grund  eine  eriilSrung  von  assiduus  zu  geben,  wol  aber  war  dieser  für 
Varro  vorhanden:  denn  er  spricht  von  dem  census  des  Servius  und  von  der 
bezeichnung  der  eigentlich  am  Icriegsdienste  usw.  beteiligten  als  assidui^ 
im  gegensalz  zu  der  firmem  classe,  die  davon  in  der  regel  befreit  war. 
daraus  ergibt  sich  auch,  dasz  locupletis  hinter  satis  aus  dem  zwei  zeilen 
später  folgenden  locupleii  entstanden  ist.  denn  die  bezeichnung  locuple- 
ies  (ür  die  bevorzugten  classen  des  Servianischen  census  kommt  sonst 
nicht  vor,  und  auch  die  erklärung  von  assiduus^  wie  sie  Varro  seiner  so 
oft  wiederkehrenden  gewohnheit  gem&sz  nachtrSglich  beifügt,  weist  dar- 
auf hin,  dasz  vorher  von  locuples  noch  nicht  die  rede  gewesen  war. 
unter  proletarius  versteht  er  hier  nicht  blosz  die  eigentlich  so  genannten, 
sondern  alle  die  nicht  assidui  sind,  so  auch  in  den  zwölf  tafeln  bei  Gel- 
lius  XVI  10,  5. 

Nonius  s.  225  u.  squalor.  Accius  Eurysace:  *pro  di  inmortales, 
speciem  humanam  inusitatam  egregiam  indignam  clade  et  squalitu- 
dine.*  mit  inusitatam^  das  ohne  sinn  ist,  hat  man  mehrfache  experimenle 
gemacht.  Bothe  schreibt  invisito  tam^  vortrefflich  dem  sinne  nach,  nur 
deshalb  minder  zu  empfehlen,  weil  es  zweier  Änderungen  bedurft  hat  um 
zum  ziele  zu  gelangen,  bei  Ribbeck  steht  invisitatam^  nicht  richtig,  da 
erstens  so  das  verbum  fehlt,  zweitens  kein  vers  herauskommt,  drittens 
die  bezeichnung  invisitatam  wenig  zu  dem  folgenden  passt  war  jene 
menschliche  gestalt  wirklich  von  so  vorteilhaften  qualitSten ,  wie  sie  nie 
zuvor  gesehen  waren,  so  fallen  die  folgenden  bezeichnungen  dagegen  sehr 

ab.   vermutlich  stand  im  archetypus  usitatam,   also : 

pro  di  inmortales ,  speciem  humanam  visita 
tam  egregiam ,  indignam  cldde  et  squalitüdine, 
tarn  ist  sehr  passend  hinzugefügt,  um  die  aufmerksamkeit  des  angerede- 
ten in  höherem  grade  anzuregen. 

Nonius  s.  166  u.  ruspari.  Accius  nyctegresia  (anderweit  mehrfach 
nectegresia^  wie  die  glossarien  necticorax^  hier  s.  150,  22  Naevius 
amnagremnuntius  usw.;  vgl.  Ribbeck  in  diesen  jahrb.  1857  s.  317): 
'  iuve  nunc  adtemptare ,  iuve  nunc  anime  (so  richtig  Ribbeck)  ruspari 
Phrygas*  ich  kann  hier  mit  Fleckeisens  meinung ,  der  iuve  verlheidigt, 
nicht  übereinstimmen :  denn  es  scheint  mir  unmöglich ,  dasz  jemand  sei- 
nem gelste  befiehlt,  dieser  möge  ihm  etwas  befehlen.*)    in  diesem  falle 


*)  [ich  habe  übrigens  dieses  iuve  nicht  =3  iuhe  genommen,  wie  oben 
vorausgesetzt  wird,  sondern  =  iufta  —  in  der  haaptsache  also  ganz  mit 
Janus  Qebhard  übereinstimmend  —  indem  ich  für  iuvare  dieselbe  bete- 
rociisis  annahm  die  für  lavare  darch  dutzende  von  beispielen  bezeugt 
iot.     jetzt  halte  Ich  daran  allerdings  nicht  mehr  fest.  A.  F.] 


Lucian  Muller:  Sammelsurien.  431 

wäre' es  ja  weit  einfacher  alsbald  ohne  einen  solchen  gedo'ppelteo  befehl 
das  erwünschte  auszuführen,  ohne  zweifei  war  Fleckeisen  und  mit  ihm 
Ribbeck  entgangen,  dasz  beidemal  n  nach  iuve  folgt ;  sonst  hatten  sie  wol 
selbst  das  richtige  gefunden : 

ifiben  nunc  adtemptdre^  iuben  nunc,  dnime ^  ruspari  Phrygas? 
der  ausdruck ,  dessen  sich  Diomedes  oder  Ulizes  bedient ,  ist  wie  vieles 
bei  den  römischen  tragikem  aus  Homer  entlehnt,  bekannt  sind  bei  die- 
sem OufAÖc  dvurfet,  6u^öc  dirotpuvet,  BujLiöc  KcXcuet.  iuben  pyrri- 
chisch  wie  viden  und  in  gleicher  weise  entstanden  wie  dies  und  vin, 
auch  rogan^  abin  u.  i.  ad  vocem  viden,  bei  Nonius  s.  466,  29.  504, 15 
ist  zu  lesen:  Afranius  suspecta:  *  viden  Idvere  lacrimis  mS  tuum  cottüm, 
paterV  videni,  was  die  meisten  hss.  an  beiden  stellen  bieten,  flbrigens 
längst  gebessert,  verdankt  sein  Scheindasein  eben  nur  dem  bekannten  pen- 
chant  der  Schreiber  formen ,  die  sie  nicht  verstanden ,  durch  ge1äu6gere 
zu  ersetzen,  so  steht  auch  s.  472,  21  im  Bamb.  und  Leid,  vident  für 
viden,  sehr  Abel  bat  man  aber  gethan  an  dem  ut  nach  vident,  das  s.  466 
die  hss.  mit  ausnähme  einer  interpolierten  (diese  gibt  richtig  viden  lavere) 
darbieten ,  herumzuklflgeln.  ut  ist  wiederholt  aus  dem  eine  zeile  früher 
stehenden  paier  ut  cruore  laveret  ararum  aggeres. 

Dasz  in  der  römischen  tragödie  bacchien  gebraucht  seien,  behauptet 
G.  Hermann  elem.  d.  m.  s.  295.   er  bringt  aber  kein  beispiel  bei  als  das 
folgende  aus  Hectoris  lusira  (Nonius  s.  489,  29) :  quid  hoc  hie  clamoris, 
quid  iumulU  est?    nomen  qui  usurpat  meum?    dies  verbindet  er  mit 
einem  fragment  dieser  tragödie  bei  demselben  grammatikcr  s.  490,  7 
^uid  in  castris  sirepiti  est?  um  folgende  bacchien  zu  geben: 
quid  hoc  hie  clamöris?  quid  höc  hie  tumülti  est? 
nomen  qui  usurpat  meum?  quid  in  castris  stripUi  est? 
er  hätte  das  sehr  überflüssige  zwl^ite  hoc  hie  und  die  bacchien  sparen 
können  (v.  303 — 306  R.  scheinen  sich  allerdings  solche  bei  Ennius  zu 
finden),  wenn  er  so  scaudiert  hätte : 

quid  hoc  hie  clamöris,  quid  tumultist?  nomen  qui  usurpat 

meum  ? 
gehört  wirklich  das  folgende  zu  diesem  octonar,  so  musz  es  ebenso  scan- 
diert  werden: 

quid  in  castris  strepitist? 
doch  scheint  mir  dies  sehr  problematisch,  da  hie  vielmehr  darauf  hin- 
weist dasz,  als  der  redende  jene  zeile  sprach,  abgesehen  von  seinem  zelte 
im  lager  überalt  ruhe  war. 

Nonius  s.  524  u.  turbam,  Accius  stasiastis  vel  iropaeo:  ^non  vides 
quam  turbam,  quantos  vel  fluctus  concitesf  für  quantos  vel  schreibt 
Mercier  quosve,  ich,  indem  ich  einen  apex  verdopple  und  einen  hinzu- 
füge, quantos  velli: 

nön  vides  quam  turbam,  quantos  belli  fluctus  cöncites? 

Nonius  s.  515  u.  saniter.  Afranius  Megalensibus :  ^adesto  adsentio 
ie  non  amare  me  adorate  ac  saniter J^  adesto  scheint  Ribbeck  aus  einer 
'dittographie'  des  folgenden  adsentio  entstanden  zu  sein;  man  musz  aber 
mit  ^diltographieu'  und  ähnlichen  kunstslücken  keinen  misbrauch  treiben. 


432  Lucian  Müller:  sammelsuhen. 

vielmehr  ist  tidesto  mit  Neukirch  zu  fassen  =  at  esio^  und  danach  musz 
man  das  folgende  dem  zweiten  der  beiden  liebenden  in  den  mund  legen. 
€U  esio  gibt  die  enlgegnung  auf  einen  einwand  wegen  angeblich  dem  ver- 
hflltnis  drohender  gefahren,  der  ladel  der  in  den  Worten  a  (so  richtig 
Ribbeck)  seniio  usw.  ausgesprochen  wird,  geht  darauf  dasz  der  frühere 
Sprecher  die  ganze  Situation  zu  leicht  nimt.  noch  ist  adorate  ohne  sinn, 
das  bedarf  keines  beweises ;  zu  schreiben  (denn  cordaie  liegt  zu  weit  ab) 
adcorate  =  ^mit  vorsieht,  mit  behutsamkeit%  wie  öfter: 

ai  esio.  —  a  säntio 
ie  nön  amare  me  dccuraie  ac  sdniter. 

Nonius  s.  508  u.  poteralur.  Quadrigarius  annali  Itb.  111:  *ade<^ 
memorari  vix  poiestur ,  ut  omnes  sitnul  suum  guisgue  negotium  adorit 
essenU^  ich  sehe  nichl  wie  hier  die  consecutio  lemporum  zurecht  kommt^ 
und  setze  adortei  Stent,  bekanntlich  verstatlei  noch  Cicero  den  prosai- 
kern  seiner  zeit  nach  belieben  sit  oder  stet  zu  gebrauchen  {or.  47,  157}. 

Nonius  s.  406  u.  iandem,  iandem  significat  et  tarnen.  Titinius  in 
gemina :  ^sin  foma  odio  sunt ,  iandem  ui  moribus  placeam  viro.'  hier 
haben  wir  ohne  zweifei  eine  notiz  aus  guter  alter  quelle  vor  uns:  denn 
Nonius  selbst  würde  nimmermehr  auf  eine  so  seltene  bedeutung  von  tan» 
dem  wie  in  dem  quadratus  des  Titinius  verfallen  sein,  in  der  vulgata 
aber,  die  nur  forma  corrigiert  und  das  übrige  unverändert  Ifiszt,  kommt 
weder  metrum  noch  sinn  aus:  es  musz  vor  tandem  ein  concessiver  ge- 
danke  gestanden  haben,  und  Nonius  pflegt  nicht  verse  denen  ein  halber 
fusz  fehlt  zu  citieren.  endlich  ist  es  denn  doch  stark,  wenn  die  spre- 
chende selbst  meint,  sie  erwecke  durch  ihre  gestalt  den  hasz  des  mannes. 
man  schreibe: 

sine  forma  odiosd  sim ,  tandem  ut  moribus  placeam  viro, 
statt  forma  möglicherweise  auch  fanäl:  das  läszt  sich  nicht  entscheiden, 
'lasz  mich  immerhin  von  hSszilcher  gestalt  (gehässigem  leumund)  sein, 
falls  ich  nur  durch  meinen  Charakter  meinem  manne  gefalle'  sagt  die 
sprechende,  vermutlich  zu  ihrer  zwillingsschwester. 

Ich  wies  vorhin  Hermanns  meinung  zurück ,  dasz  Accius  bacchien 
gebraucht  hätte,   deshalb  vermute  ich  dasz  die  bacchien,  die  Pseudocenso- 
rinus  s.  98  (Jahn)  als  beispiel  anführt  (ine.  iuc.  fab.  238) :  amieos  ad  Jianc 
rem  volens  advocaho  (die  hss.  si  voles  und  advoca;  es  folgt  bacchias)^ 
falls  wirklich  einem  dichter,  keinem  tragiker  angehören,   ebenso  wenig 
darf  man  einem  solchen  vindicieren  die  Irimeter  (ine.  Inc. fab.  38.  242) 
Martern  fatigai  prodigus  vitae  furor. 
micant  nitore  tecta  sublimi  aurea , 
deren  ersten  (gebildet  aus  Hör.  carm,  I  12,  37.  38.  Ov.  am,  III  9,  64} 
Ribbeck  s.  349  nicht  abgeneigt  ist  einer  Situation  des  Paullus  von  Pacu- 
vius  beizulegen,    beide  sind  von  Servius  gleich  allen  beispielen  des  centi- 
roeter  erfunden,  wie  schon  gelegentlich  von  mir  bemerkt  worden  ist. 
hätte  Servius  seine   beispiele    dichtem  entnommen,  so  wäre  manche 
dummheit  von  ihm  vermieden  worden. 

Ebenso  ist  zu  streichen  aus  den  fragmenten  der  tragödie  der  vers 
(ine.  ine.  fab.  42)  haec  beVicosus  cui  paler  ^  maier  cluet  Minerva  \  aus 


Lucian  Müller:  saaimelsurien.  43S 

dem  einfachen  gründe,  weil  die  römischen  tragiker  in  vollster  uberein* 
Stimmung  mit  den  griechischen  iambische  septenare  meiden,  ebenso 
wenig  lassen  sich  bei  ihnen  anapflstische  tetrameter  nachweisen;  also 
sind  gleichfalls  erfunden  von  Pseudocensorinus  die  folgenden  verse  (ine. 
ine.  fab.  182.  183) 

axena  ponii  per  freta  Colchos  denique  delatus  adhaesi. 
orte  beato  lumine ,  volitans  qui  per  caelum  candidus  equiias^ 
dies  föhrt  mich  auf  die  frage ,  wie  weit  wol  der  in  rede  stehende  anony- 
mus  seine  beispiele  aus  dichtem  genommen  oder  vielmehr  sie  fingiert 
habe,  zumal,  wie  so  oft  all«  melriker,  bei  seltneren  versmaszen.  dasz  er 
solcher  erfindung  principiell  nicht  abgeneigt  war,  bezeugt  er  s.  99  f.,. 
wo  er  mit  dem  nicht  ungewöhnlichen  kunststOcIc  der  epiploce  aus  den 
früher  citierten  paradigmen  neue  schmiedet. 

Sicher  ist  es  dasz  er  aus  folgenden  dactylikern  beispiele  anführt : 
Galullus,  Ennius,  Horatius,  Lucretius,  Lucanus,  Vergilius.  dem  Acciu» 
gehört  was  er  s.  94  als  muster  des  altern  tragischen*  trimeters  citiert: 
Aquilonis  Stridor  geUdas  moliiur  nives.  ein  wahres  argumentum  ad 
hominem,  denn  der  vers  enthalt  nur  ^inen  iambus.  aus  demselben  Accius- 
ist  wol  auch  genommen  (vgl.  v.  540Bibbeck),  obschon  vielleicht  nicht 
ohne  Veränderung,  der  vorhergebende  vers  pro  veste  pinnis  membra 
textis  contegit^  als  beispiel  des  trimeter  tragicus  der  tragödie  der  kaiser- 
zeit,  d.  h.  wie  solche  die  Augusteischen  und  spateren  dichter  zwar  nicht 
immer  gemacht  haben,  aber  doch  immer  gemacht  zu  haben  wünschten r 
man  sehe  mein  buch  s.  148.  lu  verwundern  wäre  es  freilich  nicht,  wenn 
bei  Accius,  dem  gefeiltesten  der  drei  repuhlicanischen  tragiker,  jener 
trimeter  gestanden  hat :  ahnliche  öfters  in  seinen  fragmenten  (z.  b.  47. 
57.  100.  101.  114.  117.  400).  gibt  ja  selbst  Horaz  zu,  dasz  vereinzelt, 
sich  ähnliche  bei  Accius  gefunden  hatten  (a.  p.  258  ff.),  im  allgemeinen 
zeichnen  sich  die  rythmen  des  ernsten  drama  vor  denen  der  comödle- 
durch  strenge  aus.  finden  sich  doch  selbst  trochaische  septenare  bei 
Accius,  die  nur  an  geraden  stellen  den  spondeus  haben,  bei  Phadrus  ent- 
spricht fast  der  vierte  teil  der  senare  der  griechischen  norm  (vgl.  auch 
meine  ausgäbe  praef.  s.  VIII).  was  die  übrigen  beispiele  scenischer  metr» 
bei  Pseudocensorinus  betrifft,  so  verdient  beachtung  dasz  er,  abgesehen 
von  dem  altlateinischen  trimeter,  der  sich  seine  popularitat  bis  tief  in  die 
kaiserzeit  erhalten  bat,  nur  beispiele  der  strengern  griechischen  fa^oo 
gibt,  die  an  den  geraden  stellen  des  iambus,  den  ungeraden  des  trochaus 
den  spondeus  ausschlieszt.  so,  wie  schon  vorhin  erwähnt,  haec  belli- 
C0SU8  cui  paier^  maier  cluet  Minerva^  und  ferner  proin  demei  abs  ie 
regimen  Argos^  dum  est  potestas  eonsili.  deshalb  hat  Ribbeck  mit  un- 
recht in  dem  lückenhaften  verse  tela  famuh\  tela  propere;  sequitur  me 
Thoas  mit  Bolhe  geschrieben:  tela  famuh\  tela  tela  propere:  sequitur 
me  Thoas,  man  musz  vielmehr  mit  Lipsius  nach  propere  tela  oder  noch 
besser,  da  die  allen  dichter  mit  ausnähme  der  comiker  die  dreifache 
Wiederholung  desselben  wortes  nicht  lieben ,  auch  kein  grund  erscheint,, 
weshalb  tela  hinter  propere  ausgefallen  sein  sollte,  ferie  einschalten:  vgl. 
Virgils  ferte  ciii  flammas. 


434  Lucian  Möller:  sammeisuriea. 

Ob  die  drei  eben  erwähnten  verse  wirklich  dichtem  entlehnt  oder 
ATon  dem  grammatilier  fingiert  sind,  wird  sich  nie  ganz  entscheiden  lassen, 
■dasz  der  iambische  seplenar  keinem  tragilter  gehört,  ist  sicher«  der  Iro- 
•chaische  könnte  einer  tragödie  der  kaiserzeit  angehören,  was  bei  dem 
jambischen  octonar  nicht  möglich  ist,  da,  wie  Senecas  beispiel  lehrt, 
^iese  nur  iambische  trimeter  und  trochftische  septenare  brauchten,  nie 
längere  metra.  dasz  die  in  rede  stehenden  drei  beispiele  aus  der  zeit  vor 
Auguslus  genommen  seien,  ist  wegen  der  überall  ganz  gleicbmäszigen 
Verteilung  von  iamben  resp.  trochüen  und  spondeen  nicht  ffiglich  anzu- 
nehmen. 

Dagegen  ist  es  von  andern  beispielen  des  Censorinus  sicher,  dasz  er 
sie  fingiert  hat.  so  (auszer  den  früher  erwähnten}  der  cretische  telra- 
>ineter  s.  98  horridi  iranseunt  ad  pedes  ex  equis.  welcher  dichter 
wäre  so  abgeschmackt  gewesen  hier  horridi  hinzuzufögen?  und  der 
kretische  octameter  s.  96  quis  meum  nominans  notnen  aede  exciei? 
qtUs  tumultu  invcfcans  incolarum  fidem?  der  grund  ist  einfach,  dasz  ein 
tragiker  vor  Auguslus  niemals  acht  cretiker  hinter  einander  so  rein  ge- 
hallen haben  würde ;  die  neueren  aber,  von  ganz  verschiedenen  prindpien 
ausgebend,  vermeiden  überhaupt  die  cretiker.  so,  um  den  verderbten 
4ind  schwierigen  vers  s.  97, 1  (iuc.  ine.  fab.  fr.  53  Ribbeck)  zu  übergeben, 
glaube  wer  will,  nicht  ich,  dasz  wirklich  ein  römischer  tragiker  den  acht- 
XQszigen  dactylus  gebraucht  habe,  der,  auf  s.  96, 12  bei  Pseudocensorinus 
befindlich,  auch  Ribbecks  fragmente  s.  212  fr.  51  unsicher  maclit.  ein 
ähnliches  monstrum  findet  sich  bei  demselben  s.  123  v.  80  aus  der 
Alphesiboea:  ö  dirum  kostificümque  diem^  o  vim  iörvam  aspecti  atque 
Jiörribilem ,  während  sich  doch  bei  den  allrömischen  scenikern  nirgend 
längere  als  vierfQszige  dactylen  nachweisen  lasseu,  catalectische,  auf  die 
^rsis  ausgehende  oder  acatalectische  (auch  bei  Seneca  wäre  ein  solcher 
vers  nicht  möglich),  wir  haben  aber  dort  anapästische  dimeter  vor  uns : 
0  dirum  maestificümque  diem^  o 
vim  iörvam  aspecti  atque  hörribilem , 
oder  0  dirumque  kostificümque  usw.  (noch  vgl.  man  Hermanns  elem.  d. 
m.  s.  329  f.).  so  ist  auch  der  ^angelicus  numerus'  s.  97  bei  dem  ano- 
nymus:  Hectoris  Andromache^  Pyrrin  conubia  fers?  aus  Virgil  annec- 
iierl;  aus  Horaz  vermutlich  das  beispiel  eines  trimeter  scazon,  der,  wie 
dus  meiner  metrik  zu  ersehen,  den  spätem  Jahrhunderten  der  kaiserzeit 
wenig  geläufig  war,  s.  95,  4:  calentibusque  lympha  foniibus  semper : 
vgl.  Hör.  epod.  2,  27  fontesque  lymphis  obstrepuni  manantibus,  jeden- 
falls zeigt  jene  stelle,  dasz  Marklands  conjectur  frondesque  sehr  über- 
flüssig ist. 

Servius  citiert  zur  Aeneis  U  17  folgende  stelle  aus  des  Accius  Dei- 
phobus  als  Inschrift  des  trojanischen  pferdes:  Minervae  donum  armi^ 
potenti  Danai  dbeuntes  dicani.  da  Minerva  die  erste  bekanntlich  kurz 
hat,  musz  man  schreiben :  dbeuntes  Danai  Minervae  donum  armipotenii 
dicani.  so  pflegt  gewöhnlich  auf  Inschriften,  wie  in  briefen,  das  subject 
vorauszugehen :  Verg.  Aen,  IIl  288  Aeneas  haec  de  Danais  victoribus 
^rma. 


Luctan  Müller:  sanimelsurien.  435 

LVII.  In  dem  alphabetischen  gedichte  des  Commodianus  II  18  ist  es 
Oehler  entgangen,  dasz  nach  v.  20  eine  iöcke  ist.  und  doch  ist  sie  ganz 
sicher,  da  nun  und  nimmermehr  von  dem  autor  der  buclistab  x  über- 
gangen sein  kann,  selbst  fttr  y  und  z  wäre  dies  auffallend,  bei  x  unmög- 
lich ,  da  es  eben  ein  lateinischer  buchstab  ist.  es  felilt  offenbar  die  ver- 
nittlang  zwischen  dem  schlusz,  der  die  matronen  darstellt,  wie  sie  sein 
sollten,  und  der  frühem  Schilderung,  wie  sie  wirklich  waren,  also  wird 
bei  Commodianus  etwa  gestanden  haben : 

äPI  servido  vos  ioto  addicHe  corde, 
Ymnificate  choro  placiioque  Christo  plaeete. 
Zehntes  fervore  Christo  Offerte  adoretn, 
{vgl.  Scaliger  zu  Feslus  u.  ador»)   übrigens  wäre  es  sehr  zu  wünschen, 
dasz  einmal  mit  heranziehung  des  spärlichen  materials  eine  neue,  ver- 
ständige ausgäbe  der  werke  dieses  ältesten  christlichen  und  rythmischen 
poeten  gemacht  würde,  so  der  instructiones  wie  des  neu  gefundenen 
(spie.  Solesm.  I  s.  20  IT.]  Carmen  apologeticum,    sowol  für  graromatik 
als  für  accente  bieten  die  genannten  schriflen  einiges  interessante,  für 
accente  freilich  in  so  weit  wenig ,  als  des  Commodianus  hexameter  sich 
von  den  richtigen  hauptsächlich  nur  durch  Vernachlässigung  jeder  metrik, 
nicht  aber  durch  besondere  rflcksicbt  auf  die  prosaische  ausspräche  der 
Worte  unterscheiden,  im  gegensatz  zu  den  trochäischen  und  iambischen 
rylhmen  späterer  Jahrhunderte,   man  vgl.  über  dies  thema  de  re  metr. 
s.  448. 

Diomedes  s.  336  P.  Cn.  Mattius  vicensimo  Iliados:  *iUe  hietans  her» 
bam  moribundo  tenit  ore.*  so  ist  die  beste  Überlieferung,  während  tenei 
ienuit  nur  dürftige  Interpolationen  sind,  ich  schreibe,  was  der  corruptel 
nach  sinn  und  buchstaben  zunächst  kommt:  ille  h,  h,  moribundo  cölerit 
ore.  so  Uomerus  Latinus  371  meiner  ausgäbe:  et  carpit  virides  mori- 
bundus  dentibus  herbas.  bekannt  ist  das  Homerische  öbd£  dXeiv  foiav^ 
oCbac  usw.  hietans  hat  hier  ganz  die  ursprüngliche  bedeutung  von  hio : 
*er  risz  den  mund  auf,  den  er  bis  dahin  geschlossen  hatte'  wahrscheinlich 
nach  Sitte  der  griechischen  kämpfer  öbä£  £v  x^iXect  q>uc.  denn  es  ist 
durchaus  nicht  bewiesen  dasz,  wie  Scaliger  meinte,  der  fliehende  Hippo- 
damas  an  unserer  stelle  bezeichnet  werde. 

LV11I.  Bei  Diomedes  s.  486  P.  heiszt  es  folgendermaszen :  hi  veteris 
disdplinae  iocularia  quaedam  minus  säte  ac  venuste  pronuntiabant^ 
in  quibus  hi  versus  fuerunt : 

Coucaptiuv  TaÖTa  X^T€i  ' 

KaKÖv  TtivatKCC  äXX'  ö)iu)c,  üb  bimörat, 

oÖK  &TIV  €Öp€tv  otKiav  fiveu  KaKOO. 
ich  sehe  nicht,  wie  die  werte  Coucaptujv  raÜTa  X^y^i  einen  iambischen 
Irimeter  schlieszen  könnten ;  dasz  sie  aber  auch  im  metrum  standen,  wird 
durch  des  Diomedes  resp.  Suetonius  werte  genügend  verbürgt,  man  musz 
TaOra  vor  Coucopituv  setzen,  wodurch  der  vers  glatter  wird  als  er  bei 
Stobäos  flor.  bd.  111  s.  22  (Memeke)  lautet,  was  übrigens  dem  Suetonius 
an  der  ganzen  stelle  misfallen  habe,  liegt  keineswegs  so  offen  vor,  dasz 


436  Lucian  Müller:  sammelsurieu. 

es  nicht  verlohnte  ein  wenig  daröber  zu  sprechen,  ich  glaube  erstens  die 
gnomiscbe  fassung  des  Spruches  und  die  too  dialog  der  komödie  so  seltene 
einrohrung  des  dichters  selbst,  beides  erinnernd  an  des  Phokylides  be- 
kanntes KOI  TÖbe  <t>u»KuXib€UJ ,  endlich  das  etwas  triviale  des  letzten 
Satzes  selbst  und  noch  mehr  das  zweideutige  der  sentenz. 

Ebendaselbst  gleich  nachher:  ieriia  aetas  fuit  Menandri  Diphüi 
et  Philemonis^  qui  omnem  acerbitatem  comoediae  miligaverunt  atque 
argumenta  mültiplida  Graecis  erroribus  secuti  sunt,  dasz  erroribus 
verderbt  sei,  hat  man  l3ngst  erkannt;  zu  verwundern  bleibt  aber,  dasz 
man  sequi  passieren  läszt,  da  es  hier,  soweit  ich  sehe,  keinen  sinn  bieieL 
abgeschmackt  ist  des  Cäsarius  Graecis  auctoribus;  Reifferscheid  schreibt 
'q^eaiv  et  erroribus^  wobei  aber  doch  das  bedenken  mit  secuti  sunt  nicht 
getilgt,  auch  erroribus  nicht  näher  erUutert  wird,  deshalb  schlage  ich 
vor  Graecis  leporibus  executi  sunt,  bekannt  ist  des  Tacitus  {ann,  UI  65) 
exequi  sententias  haud  insiitui  nisi  usw.  die  lepores  werden  erwihnt 
im  gegensatz  zur  acerbitas  im  Superlativ  der  allen  komödie,  deren  früher 
gedacht  war.  dasz  Suetonius  aber  sagt  Graecis  leporibus ^  wo  man  eher 
Atticis  erwarten  sollte,  kann  nicht  befremden:  denn  so  sagt  Horatius  im 
allgemeinen  Grais  ingenium^  Grais  dedit  ore  rotundo  Musa  loqui^  und 
Gellius  spricht  II  23  bei  der  vergleichung  des  CScilius  und  Menauder 
nur  von  Graecarum  (comoediarum)  facetiae^  von  tnotus  affectiones- 
que  animi  in  Graeca  comoedia  mirabiJiter  acres  et  illustres  u.  dgL 
das  harte  urteil  des  Sueton  Über  die  alte  komödie  und  das  günstige  über 
die  neue  kann  nicht  befremden ,  da  für  jene  dem  spätem  altertum ,  zumal 
dem  römischen,  Verständnis  wie  Sympathie  abhanden  gekommen  war.  bei 
Suet.  Aug,  89  hat  man  längst  erkannt,  dasz  die  dortige  notiz  auf  das  alt- 
römische lustspiel  geht.  Augustus  hatte  am  letzten  Ursache  für  dichtun- 
gen  des  Aristophanes,  Kratinos  und  Eupolis  sich  zu  begeistern,  der 
scholasticus  Verginius  oder  wie  in  der  neuesten  ausgäbe  steht  Vergilius 
bei  Plinlus  epist.  VI  21  (de  re  m.  s.  94)  kommt  nicht  in  betracht. 

LIX.  Probus  Vallae  in  luvenalis  sal.  5,  109  (s.  95  Reiff.):  qui  {Se- 
neca)  etsi  magno  desiderio  Athenas  tenderet^  ab  Agrippina  tarnen  eru- 
diendo  Neroni  in  palatium  adductus  saevum  immanemque  natum  ei 
sensit  cito  et  indicavit  inter  familiäres  solitus  dicere ,  non  fore  saevo 
im  leoni  quin  gustato  semel  hominis  cruore  ingenita  redeat  saetritia. 
ich  halte  natum  für  verderbt ,  da  man  weder  glauben  kann ,  dasz  Probus 
den  Nero  als  söhn  des  Seneca  bezeichnen  wollte,  noch  dasz  er  (falls  man 
ergänzen  müste  Agrippinae)  hier  natum  gesetzt  hätte  und  nicht  vielmehr 
hunc  oder  eum,  am  wenigsten  aber  passen  zu  saevum  immanemque 
natum  die  beiden  folgenden  verba  sensit  et  indicavit,  die  vielmehr  ein 
object  der  sache  erwarten  lassen,  deshalb  schreibe  ich,  eigentlich  nur 
mit  hinzufügung  eines  apex,  saevam  immanemque  naturam. 

Umgekehrt  ist  natum  für  naturam  herzustellen  in  einem  fragment 
aus  dem  Teucer  des  Pacuvius  bei  Nonius  s.  306  u.  facessere :  te  repudio 
nee  recipio  naturam  dico  facessti.  Hermann  schreibt  —  um  von  ande- 
ren zu  schweigen  — 


Lucian  Müller:  saauneisurien.  437 

ie  ripudio  nee  räcipio: 

ndiuram  abdicö:  facesse^  u 
an  sich  wSre  wol  der  ausdruck  naiuram  abdicare  wie  naiuram  dedis- 
cere  bei  Curtius  lil  3, 5  gut  gesagt,  nur  ist  es  doch  seltsam  einem  vater, 
mag  er  auch  noch  so  erzfirnt  sein,  das  geständnis  ^ich  verleugne  die  natur' 
selbst  in  den  mund  zu  legen,  auch  ist  facesse  i  statt  i  facesse  unstatt- 
haft, da  t  der  weit  kleinere,  schwächere,  allgemeinere  begriff  ist,  so 
steht  es  immer  voran ,  ähnlich  wie  age,  dies  ist  denn  auch  ein  grund, 
beiläufig  gesagt,  weshalb  bei  verschiedenen  dichtem,  die  sonst  lange 
vocale  nicht  mit  kurzen  zu  copulieren  pflegen,  doch  zum  öftern  ergo  age^ 
quare  age  wiederkehren,  doch  um  auf  Pacuvius  zurückzukommen ,  ich 
schreibe  vielmehr: 

te  repttdio  nie  recipio  ndtum,  ito ,  facässiio, 
{naium  war  schon  früher  gefunden.}    so  gewinnen  wir  zugleich  statt 
zweier  versstücke  einen  vollständigen  septenarius,  auch  eine  empfehlung 
dieser  conjectur  bei  solchen  die  wissen  wie  Nouius  zu  citieren  liebt,   über 
das  spondeische  ito  vgl.  Ritschi  parerga  Plaut.  I  s.  22. 

Charisius  s.  178  F.  donieum  pro  donec,  ita  Livius  inquit  usurpai: 
ihi  manens  sedeto^  donieum  videbis 
me  earpento  veheniem  domutn  venisse, 
statt  des  abgeschmackten  inquit  schreibt  Ritschi  parerga  I  s.  27  in  quinto^ 
als  gedächtnisfehler  des  Charisius  für  in  sexto^  vgl.  Od.  VI  296.    viel- 
leicht liegt  aber  auch  in  sexto  nicht  viel  weiter  als  in  quinto  von  der 

to 
Überlieferung  ab ,  wenn  man  es  nur  sich  geschrieben  denkt  in  VI.  statt 
am  schlusz  des  zweiten  verses  parentis  zu  ergänzen  mit  Ritschi ,  möchte 
ich  lieber  nach  veheniem  einschieben  meam  oder  pairi\  wodurch  sich  das 
metrum  geiHlliger  gestaltet,  denn  ich  wage  nicht,  was  freilich  der  Über- 
lieferung am  nächsten  liegt,  zu  schreiben  do  meum^  da  es  mir  sehr  wahr- 
scheinlich ist  dasz  formen  wie  do  gau  cael  für  domus  gaudium  caeJum 
erst  der  nicht  mit  erfolg  gekrönten  betriebsamkeil  des  Ennius  ihr  Schein- 
leben verdanken,  entsprungen  der  unglücklichen  Übertragung  des  Home- 
rischen bdi  Kpi  und  von  den  folgenden  dactylikern  mit  recht  verworfen, 
in  Li  vi  US  uachbildung  der  Odyssee  finden  sich  andere  irrungen  und  Ver- 
kehrtheiten, aber  nicht  solche  wie  die  eben  erwähnte,  über  Ennius  Home- 
rische schwächen  vgl.  noch  Gellius  Xlll  21,  14,  Nonius  s.  211  u.  lapis 
und  meine  metrik  s.  367,  auch  Fleckeisen  in  diesen  jahrb.  1864  s.  718  f. 

Uebrigens  kann  ich  nicht  verhelen,  dasz  ich  jenes  bekannte  endo 
suam  do  für  falsch  halte  und  zu  schreiben  meine  endo  suum  do. 
ich  sehe  gar  keine  möglichkeil,  wie  das  iudeclinabile  do  ein  femininum 
hätte  bleiben  können,  wer  kennt  nicht  das  lied  des  alten  Zumpt:  ^was 
man  nicht  declinieren  kann,  das  sieht  man  als  ein  neutrum  an'?  so  wird 
auch  KpiGr],  sobald  es  die  apocope  erleidet,  alsbald  sächlich,  und  sollte 
Ennius,  der  dem  Homer  zu  liebe  nicht  blosz  das  griechische  aer^  sondern 
selbst  das  einheimische  lapis  im  femininum  gebraucht  hat,  hier  wo  er 
gar  in  nacbahmung  des  fremden  ein  unumstöszliches  gesetz  der  lateini- 
schen spräche  verletzt  hat ,  das  ihm  vorschwebende  Aiöc  norl  x^t^KO- 


438  Lucian  MQlicr:  Sammelsurien. 

ßaT^C  b(£y  nicht  aucli  durch  ein  neutrales  do  repräsentiert  haben,  zumal 
da  durch  die  Vernachlässigung  des  Vorbildes  zugleich  das  griechische  wie 
(las  römische  idiom  verletzt  wurde?  die  Übereinstimmung  der  alten  gram- 
matiker  in  der  fiberlieferung  suam^  deren  Zeugnisse  man  bei  Vahlen  s.  82 
sehe  (nur  Marius  Victorinus  hat  endo  sua  do)  schreckt  mich  nicht,  sie 
gehen  alle  zurück  auf  dieselbe  verderbte  und  geistlose  schultradition  des 
ersten  jh.  nach  Gh.,  ähnlich  der  für  die  metriker,  über  die  ich  in  der  vor- 
rede meines  buches  zur  genüge  gesprochen  habe. 

LX.  In  Caspar  Barths  adversarien  XXXII  1  s.  1465  findet  sich  aufr 
des  Isidorus  ^diflerentiae  verborum'  folgendes:  ^mortuum  corpus^  tarn 
exanime^  emortuum  morti  proocimum.  Lucretius:  morlua  si  dicas  tarn 
pridem  emortua  moUs,  tolo  Lucretio  nil  tale  exstat.  nescio  an  somnia- 
verit  Rliapsodus  an  vero  sit  Lucillanum  aliquid  isthic  corruptum.'  dasz 
Barth  den  hexameler  erfunden  hätte,  ist  sehr  unwahrscheinlich;  weniger 
noch  wegen  der  angäbe,  der  vejrs  werde  im  manuscript  dem  Lucretius 
zugeschrieben  (er  konnte  dies  etwa  fingieren  um  recht  glaubwürdig  zu 
erscheinen  und  zugleich  seine  helesenheit  und  sein  kritisches  ingenium  zu 
zeigen)  als  wegen  des  factums,  dasz  weder  er  selbst  noch  der  gramma- 
tiker  noch  Gerlach  in  seinem  Lucilius  s.  104  den  richtigen  gedanken  er- 
faszt  haben,  denn  es  ist  ohne  zweifei  folgendermaszen  zu  inlerpungieren 
und  zu  emendieren :  mortua  si  dicas  iam  pridem^  emortua  malim,  über 
emori  vgl.  man  die  lexica.  vermutlich  hat  die  zeile  im  neunten  buch  des 
Lucilius  gestauden,  wo  er  sich  ja  vornehmlich  mit  grammatischen  unter* 
suchungen  beschäftigte.  Barth  hatte  also  eine  vollständigere  handschrift 
des  Isidorus,  und  der  vers  des  Lucilius  ist  bei  Arevalus  hinler  V  49,  37 
einzuschalten. 

Lucilius  bei  Festus  s.  360  M.:  inguen  ne  existat.  nachgeahmt  von 
Fronte  s.  89  postea  etiam  inguen  ex  ulcere  exiitit^  wie  der  neueste 
herausgeber  zu  dieser  stelle  richtig  anmerkt. 

Scholiast  zu  Juvenalis  6,  649  quibus  mons,  Virgüius  ^exdsutnve 
obice  tnoniis,^  diese  stelle  findet  sich  nicht  bei  Virgil.  ich  bin  aber  über- 
zeugt dasz  wir  nichts  anderes  vor  uns  haben  als  Jen,  VI  42  excisum 
euboicae  .  .  rupis.  man  achte  auf  die  art  der  Verderbnis :  aus  eu  ist  uf , 
aus  bo  ob  gewurden,  vermutlich  wegen  der  abneigung  mittelalterlicher 
Schreiber  gegen  seltnere  eigennamen.  tnontis  rührt  gleichfalls  von  diesen 
her,  nicht  vom  scholiasten,  der  selbstverständlich  die  stelle  Virgils  nicht 
auführte  um  mons  bei  seinem  autor  zu  belegen,  sondern  weil  die  saxa 
iugis  abrupta  quibus  mons  sübtrahilur  clivoque  latus  pendente  recedit 
sehr  ähnlich  sind  dem  ausgehauenen  felsen,  in  dem  die  Sibylle  haust,  ich 
schreibe  statt  aller  Umschweife  den  ganzen  vers  Virgils  her,  der  also  lau- 
tet: excisum  Euboicae  latus  ingens  rupis  in  antrum.  montis  ist,  nach 
der  verderbung  des  euboicae^  interpoliert  worden  aus  Juvenal. 

Eins  der  bewunderungswürdigsten  beispiele  in  der  vulgata  des  Luci- 
lius ist  jedenfalls  II  18,  wo  als  fragment  gegeben  wird:  ut  iure  peritus. 
Gharisius  s.  62  schreibt  nemlich:  iuris  consultus  dici  debet^  non  iure 


Lucian  Müller:  sammelsurien.  439 

consultus:  licet  Cicero  pro  Murena  ita  dixerit  ei  Luciliua  II ^  ut  iure- 
perilus,   also  schrieb  Lucilius: 

«wv^_K^w^v^w_wv^-K^w  iure 
consultus, 
vgl.  Hör.  S€U.  II  3, 179  praeterea^  ne  vostitillet  gloria^  iure  \  iurando- 
obstringam  ambo  usw. 

Lucilius  Hb.  XIX  (so  der  Neapolitanus  des  Charisius  s.  74) :  uncis 
forcipibus  denies  vellere.  man  hat  an  diesen  worlen  emendleren  wollen, 
sie  sind  aber  metrisch  ganz  richtig,  wenn  man  vellere  als  perfectum  oder 
als  passives  futurum  faszt«  ungewis  bleibt  es,  ob  der  vers  mit  uncis  oder 
mit  forcipibus  anfieng. 

Charisius  s.  70  est  enim  praeposiiivum  quis^  sübiunctivum  quir 
quod  tarnen  auciores  non  observaverunt  ^  ut  Accius  dicens:  ^quinam 
Tantalidarum  intemecioni  modus  sitf*  et  Vergilius:  *qui  casus  agat 
res.^  mit  unrecht  meint  man,  dasz  von  Charisius  der  vers  des  Accius^ 
anders  citiert  werde  als  von  Cicero  de  deor,  nai,  III  3&,  90.  vielmehr 
ist,  falls  keine  dittographie  darin  steckt  (denn  s  geht  vorher,  es  folgt  ei} 
zu  schreiben  sei  (oder  sie)  ei  Vergilius^  wie  ahnlich  öfter. 

Das  vor  kurzem  von  Reifferscheid  wieder  ans  licht  gezogene  hislo- 
rische  werk  des  Fulgentius  (rb.  mus.  XXIII  s.  133  ff.)  soll  uns  dazu  ver- 
helfen die  kritik  einer  mehrfach  besprochenen  stelle  des  Nonius  zum  ab- 
schlusz  zu  bringen,  dieser  schreibt  s.  198  folgendes:  cinis  masculino- 
.  .  feminino  apud  Caesarem  et  Catulum  [CatuUum  vulg.)  ei  Calvum 
lectum  estj  quorum  vacillat  auctoritas:  *cum  iam  fulva  cinis  fueris^ 
falls  hier  fueris  das  richtige  ist,  nicht  fuero^  was  Charisius  s.  78  gibt 
(wir  können  die  sache  nicht  mehr  entscheiden) ,  so  musz  des  wolklangs^ 
wegen  fueris  mit  langem  t  gelesen  werden ,  gerade  wie  im  epith,  Laur. 
1143,  39  (Meyer)  ei  iamquam  ialis  fueris  praesaga  marili.  doch  um 
auf  Nonius  zurückzukommen,  Lachmann  sagt  zu  Prop.  III  1  s.  141  ^locus 
non  est  integer:  Nonius  haud  dubie  posuerat  ex  Caesare,  apud  quem 
hodie  fruslra  quaeras,  exemplum,  tum  CatuUi  68,  90  et  101,  4.  pro  bis 
nunc  legimus  inepta  illa  quorum  vacillat  auctoritas.*  das  ^abgeschmackte' 
das  Lachmann  in  den  drei  letzten  Worten  gefunden  zu  haben  meint ,  kann 
hur  auf  den  ausdruck  vacillat  gehen:  denn  übrigens  ist  es  bei  Nonius 
keineswegs  unerhört,  dasz  er  ein  einfaches  citat  bringt,  wo  man  niehrerc- 
zu  erwarten  berechtigt  wäre,  so  s.  129  inaudiium^  quod  non  audialy 
in  veteribus  prudentibus  lectum  est^  und  nun  folgt  ohne  ihn  zu  nennen 
eine  stelle  aus  Gellius  VI  (VII)  6,1.  noch  mehr  entsprechend  unsern 
Intentionen  heiszt  es  s.  188:  viciurus^  victoriam  potiturus^  auctoritas 
prudeniium  putavit  esse:  Pyrrusne  rex  an  Manius  Curius proelio 
victurus  esset ,  entlehnt  aus  Gellius  XIV  1 ,  24.  dasz  Nonius  in  solchen 
fallen  blosz  ^in  beispiel  gibt,  wo  man  mehrere  erwarten  sollte,  rührt  ohne 
zweifei  daher,  dasz  er  bei  seinen  vorgangern  eben  nur  eins  fand  —  in 
unserm  fall  das  des  Caivus ,  vermutlich  mit  dem  namen  des  aulors  —  zu- 
weilen gibt  er  selbst  gar  keine ,  sondern  nur  ein  urteil  über  den  sprach- 
lichen werth  der  gewahrsmanner.  seltsam  auch  die  cilate  aus  des  Labe- 
ritts  Cophinus  a.  70,  3.  140,  31  (an  welcher  letztem  stelle  man  schreiben 


440  Philologische  gelegenheilsschriften. 

musz  invenire  est)  verglichen  mit  Gellius  XVI  7,  1.  irrig  meint  ferner 
Bernhardy  röm.  litt.  s.  224  der  3n  bearb.,  die  bemerkung  quorum  va- 
'Cillai  aucioriias  beziehe  sich  auf  den  vermutlich  geringen  ästhetischen 
werth  der  gedichte  Cäsars.  abgesehen  selbst  davon  dasz  ja  die  gleiche 
Verdammung  notwendig  auch  auf  Catullus  und  Caivus  sich  erstrecken 
muste,  pQegt  Nonius  überhaupt  am  wenigsten  aus  ästhetischen  gründen 
den  gröszeru  oder  geringem  grad  der  ^auctoritas'  zu  bemessen,  so  heiszt 
es  s.  229  tesia  .  .  genere  neulro  apud  obscurae  auctoriiaiis  sed  sum- 
mos  scriptores  legimus.  im  allgemeinen  vergleiche  man  über  jene  be- 
Zeichnung  mein  buch  s.  27.  es  ist  also  an  der  stelle  des  Nonius,  von  der 
Avir  ausgiengen ,  nichts  auffälliges  als  der  ausdruck  vaciüat  aucioriias, 
und  was  lesen  wir  nun  bei  seinem  landsmann  und  geistesverwandten  Ful- 
gentius  (s.  138)?  ex  quo  Philippi  in  hoc  negoiio  vacillavii  aucio- 
riias  pairis.  noch  sehe  man  zum  überQusz  des  Julius  Gapitolinus  Gor- 
dianus  Tertius  c.  29  ui  vaciüare  disposiiio  Bomana  non  possei. 

Bonn.  Lucian  Müller. 


(31.) 

PHILOLOGISCHE  GELEGENHEITSSCHRIFTEN. 

(fortsetzung  von  s.  359  f.) 


Minden  (gymn.)  R.  Grosser:  die  amnestie  des  Jahres  403  vor  Ch. 
druck  von  J.  C.  C.  Bruns  (verlag  von  A.  Volkening).    1868.    48  s.    g^.  8. 

Moskau  (univ.)  De  versa  Satamio  scripsit  Theodorus  Korach. 
samptibas  C.  Soldatencovii.  in  officina  Gratschevii  et  socioram.  1868. 
140  B.    gr.  8. 

München  (akad.  d.  wiss.)  W.  Christ:  die  verskunst  des  Horaz 
im  lichte  der  alten  Überlieferung,  aus  den  Sitzungsberichten  1868  I  1, 
<lrack  von  F.  Straub.   44  s.    gr.  8. 

Pforta  (landesschale)  H.  A.  Koch:  coniectanea  Tulliana.  drack 
von  H.  Sieling  in  Naumburg.    1868.   43  s.   gr.  4. 

Bossleben  (klosterschule)  H.  Kettner:  kritische  bemerkungen 
zu  Varro  und  lateinischen  glossaren.  waisenhaus-bucbdruckerei  in  Halle. 
1868.   37  8.  gr.  4. 

Schleswig  (domsohule)  H.  Keck:  Apollons  wahrsprucb  in  Aeschy- 
los  Choephoren  266—302.    druck  von  G.  Jensen.    1868.   8  s.  gr.  4. 

Thorn  (zum  300jäbrigen  Jubiläum  des  gymn.  8  märz  1868)  L.  Jan- 
sen: de  Graecorum  verbis  deponentibus  vetustissimornm  poetarum  epi- 
corum  usu  confirmatis.  rathsdmckerei.  15  s.  gr.  4.  —  (gratulationssehrift 
des  Friedrichs- collegiums  in  Königsberg)  Sedulii  Scoti  carmina  edita  ab 
Aemilio  Grosse,   druck  von  A.  Schultz  in  Königsberg.  16  s.  gr.  4. 

Tübingen  (univ.,  zum  geburtstag  des  königs  6  märz  1868)  W.  S. 
Tenffel:  über  Horaz.  druck, von  L.  F.  Fues.  38  s.  gr.  4.  —  (zur  Ver- 
kündigung der  im  decanatsjahire  1867/68  von  der  philos.  facultftt  ernann- 
ten doctoren)  W.  S.  Tenffel:  über  Sallustius  und  Tacitus.    47  s.  gr.  4. 

Weimar  (gymn.)  H.  Kassow:  beitrage  zur  crkl&rung  des  VII 
buches  der  Nikomachischen  ethik  des  Aristoteles,  hofbuchdruckerei. 
1868.    16  8.   gr.  4. 

Wolfenbüttel  (gymn.)  J.  Jeep:  de  locis  nonnnllis  philosophico- 
rum  Ciceronis  librornm  emendandis.  druck  von  W.BindseiL  1868.  18  s.  4. 


ERSTE  ABTEILUNG 
FÜR  CLASSISCHE   PHILOLOGIE 

HEBAUSOEGEBEN  VON  AlFBED  FlECKEISEN. 


61. 

SOPHOGLIS  TRAGOEDIAE.  BECENSÜIT  ET  EXPLAKAVIT  EdüARDU» 
WUNDERUS.  VOL.  I  SEOT.  III  CONTINENS  OeBIPUM  CoLO- 
NEUU.      EDITIO     QUARTA    PLURIMIS    LOCIS    EHENDATA.      Lipsiae 

in  aedibus  B.  G.  Teubneri.     MDCCCLXVIL     XXXIV  u. 

160  s.   gr.  8. 

Die  vorliegende  bearbeilung  des  Oedipus  auf  Kolouos  ist  ein  erfreu- 
licher beweis  von  der  immer  noch  irischen  und  rüstigen  geisteskrafl  des 
auf  dem  gebiete  der  philologie  rühmlichst  bekannten  hrn.  herausgebers. 
seit  der  dritten  ausgäbe  sind  zwanzig  jähre  verflossen ,  und  die  Wissen- 
schaft ist  in  diesem  Zeitraum  wahrlich  nicht  stehen  geblieben,  in  allen 
zweigen  durch  ausgezeichnete  kräfle  und  fleiszige  arbeiter  vertreten  hat 
sie  namentlich  auch  der  kritik  und  Interpretation  des  Sophokles  grosze 
aufmerksamkeit  zugewandt,  und  das  rege  leben  das  auf  anderen  gebieten 
der  Wissenschaft  unmittelbar  zu  tage  getreten,  ist  des  notwendigen  Zu- 
sammenhanges aller  ihrer  teile  wegen  nicht  am  wenigsten  auch  im  bereich 
ilieses  dichters  zu  gewahren,  diese  vierte  ausgäbe  beweist  dasz  der  hg. 
schritt  gehalten  hat,  und  es  würde  eine  nutzlose  mühe  sein  den  fortschritt 
von  der  dritten  zur  vierten  aufläge  in  einer  vergleichung  nachzuweisen, 
das  buch  hat  gleichwol  seinen  alten  zuschnitt  behalten ,  nach  welchem  es 
zunächst  und  zumeist  der  Jugend  dient,  daneben  aber  auch  das  Interesse  des 
gereifleren  und  gereiftesten  in  vielen  beziehungen  und  in  befriedigender 
weise  in  ansprach  nimt.  dasz  der  hg.  nicht  blosz  an  die  Jugend  gedacht^ 
beweisen  schon  nicht  seltene  Verweisungen  auf  bflcher  und  Schriften ,  die 
man  nicht  leicht  in  den  bänden  derselben  findet,  dahin  dürfte  selbst  die 
grammatik  von  Matthiä  zu  rechnen  sein ,  auszer  welcher  jedoch  auch  die 
gröszere  von  Bost  citiert  wird,  aber  vor  allem  ist  es  auszer  der  eignen 
erläuterang  die  zweckmäszig  getrofl*ene  auswahi  teils  von  schollen  teils  von 
stimmen  neuerer  und  zwar  der  namhaftesten  Interpreten  in  ihren  eignen 
Worten,  was  auch  für  den  gelehrtesten  seine  bedeutung  hat.  sowie  diese 
Interpreten  lateinisch  geredet ,  so  bedient  sich  auch  der  hg.  nach  wie  vor 
dem  plane  der  bibliotheca  graeca  gemäsz  der  lateinischen  spräche,  was 
dieser  bearbeitung  in  meinen  äugen ,  der  ich  das  Latein  ungern  aus  den 
ausgaben  der  alten  classiker  für  die  studierende .  jugend  verschwinden 

Jahrbacher  fUr  da».  philoL  1868  hft.  7.  29 


442  C.  Aldenhoven :  anz.  v.  Sophoclis  Oedipus  Coloneus  ed.  E.Wunder.  ed.  IV. 

sehe,  zu  besonderer  empfehlung  gereicht,  und  nicht  blosz  das  Latein  der 
angefahrten  senlenliae,  sondern  namentlich  das  des  hg.  selbst  ist,  um 
mich  eines  ausdrucks  von  Nitzsch  zu  bedienen,  lateinisches  Latein. 

Vorangeschickt  sind  zunächst  die  Inhaltsangaben  des  cod.  Laur.,  be- 
gleitet von  einigen  anmerkungen,  welche  besonders  die  nachrichtender  alten 
über  den  bekannten  process  des  dichters  enthalten,  wobei  ich  nur  ge- 
wünscht bitte  die  gründe  kurz  angecientet  zu  finden,  warum  derselbe  für 
nichts  als  eine  erfindung  zu  halten  sei,  statt  blosz  tiuf  Dindorfs  vita  So- 
phoclis zu  verweisen,  dann  folgen  zwei  für  das  Verständnis  des  drama 
sehr  förderliche  abhandlungen  über  das  leben  des  Oedipus  in  Theben 
nach  seiner  blendung  bis  zur  Verbannung  und  über  die  scenerie  des  Stücks, 
hieran  erlaube  ich  mir  ein  paar  bemerkungen  anzuknüpfen. 

S.  X  z.  26:  der  hg.  setzt  die  echtheit  der  verse  591  f.  (Dindorf) 
voraus,  allein  wenn  Oedipus  auf  die  aufforderung  des  Theseus  dem 
wünsch  der  Thebaner  nachzugeben  erwidert:  ^einst  wollten  sie  nicht 
wie  ich  wollte,  dafür  will  ich  jetzt  nicht  wie  sie  wollen  (und  lieber 
fremdling  in  der  fremde  sein)' :  so  nennen  wir  das  wol  mit  recht  die 
spräche  eines  kindischen,  des  Oedipus  unwürdigen  eigensinns ,  dem  aller- 
dings das  für  den  alten  mann  demütigende  (b  jüioipc  entsprechen  würde, 
und  er  hatte  ja  teils  in  der  roitteilung  der  bmene  über  die  absiebten  der 
Thebaner,  teils  in  seinen  orakeln  die  ausreichendsten  gründe  zu  seiner 
Weigerung,  tilgen  wir  die  beiden  verse,  so  kann  sich  voud^TCi  593  sehr 
gut  auf  590  beziehen.  —  S.  XI  z.  25  und  28  musz  die  berufung  auf 
y,  1354— -69  auf  einem  versehen  beruhen:  denn  s.  117  erklart  der  hg. 
V.  1354—61  für  unecht.  —  Ebd.  z.  27  und  s.  XXI  z.  15  bezieht  sich  der 
hg.  auf  V.  335—358.  ob  diese  stelle  echt  ist?  Ismene  kommt  augenschein- 
lich zum  ersten  male  dem  vater  nach,  er  fragt  warum  sie  gekommen, 
und  sie  spricht  von  nachrichten  die  sie  mitteilen  wolle,  diese  sind  gewis 
von  gröster  Wichtigkeit,  aber  Oedipus  fragt  nicht  zunächst  danach,  son- 
dern warum  die  söhne  nicht  kommen,  obwol  er  sich  nach  ihrem  verhalten 
bei  seiner  Verbannung  gar  nicht  darüber  wundern  sollte.  Ismene  gibt 
keine  antwort  als  *lasz  sie  sein  wo  sie  sind',  obwol  sie  gerade  auch 
über  sie  zu  berichten  gekommen  Ist  (365  ff.),  und  fügt  hinzu,  es  stehe 
schlimm. mit  ihnen,  statt  darauf  elnzu^gehen,  erzählt  Oedipus  von  den 
Aegyptern,  wie  die  mSnner  zu  hause  sitzen  und  weben,  während  die 
weiber  sich  drauszen  abmühen,  und  stellt  schlankweg  seine  söhne  jenen 
gleich,  ohne  irgend  zu  wissen  was  sie  treiben,  und  ohne  dasz  in  Wirk- 
lichkeit irgend  ein  grund  zu  jenem  Vorwurf  wäre,  da  sie  sich  eben  nur  um 
den  vater  nicht  bekümmern,  dann  rühmt  er,  allerdings  in  ansprechenden 
Worten,  die  aufopfernde  liebe  Antigones.  aber  mit  ihr  parallelisiert  er 
wiederum  Ismene  in  ziemlich  unverständlicher  weise,  sie  hat  ihm,  als  er 
noch  in  Theben  war,  heimlich  orakel  zugetragen,  was  für  welche?  wenn 
sie  etwa  günstig  für  ihn  lauteten,  warum  sie  vor  den  Thebanem  verheim- 
lichen? und  wenn  diese  sie  ebenfalls  kannten,  warum  sie  vor  ihm  ver- 
heimlichen? sie  hat  ihn  treu  bewacht,  als  er  vertrieben  wurde,  hat  man 
ihn  denn  nicht  ungeschoren  wollen  gehen  lassen?  und  was  konnte  sie 
thun  ihn  zu  schützen?   dann  erst,  nach  22  versen,  fragt  er  noch  einmal^ 


C.  Aldenhoven :  anz.  v.  SophocIisOeüipusCuIoneus  ed. E. Wunder. ed.  iV.  443 

warum  sie  gekommen,  danach  halle  ich  mit  Meineke  ann.  crit.  s.  150  f., 
der  noch  sprachliche  bedenken  hinzufügt,  die  ganze  stelle  für  interpoliert, 
vielleicht  als  weitere  ausfahrung  von  1365  IT.,  und  knöpfe  359  an  334 
an :  '  denn  (in  beziehung  auf  XÖTOic)  du  bist  nicht  leer  gekommen,  gewis 
nicht  ohne  schlimme  nachricht.'  —  S.  XV  z.  25:  dasz  mit  t6v&€  v.  59 
auf  eine  statue  hingezeigt  werden  könne,  obgleich  Oedipus  blind  ist,  dar- 
über bin  ich  nicht  in  zweifel,  und  man  brauchte  nicht  daran  zu  erinnern, 
ilasz  die  sehende  Antigone  auch  dabei  sei.  spricht  doch  sie  selbst  mehr- 
fach, z.  b.  V.  16.  32. 111.  723  in  derselben  weise  zu  ihrem  vater,  oflenbar 
nur  um  zu  erkennen  zu  geben,  dasz  sie  den  gegenständ  sehe  und  zu 
zeigen  im  stände  sei.  ja  schon  die  unter  sehenden  gewohnte  Sprechweise 
macht  die  hinweisung  erklärlich,  aber  kann  gesagt  werden:  *die  felder 
verehren  als  abnherrn  den  Kolouos  und  sind  alle  nach  ihm  benannt'? 
das  bezweifle  ich  und  halte  YuaCTT^cö*  fflr  die  ursprungliche  lesart:  'die 
diesem  felde  nahe  wohnenden.'  —  S.  XVIlf  %  6  spricht  der  hg.  eine  Ver- 
mutung über  den  ausdrnck  ^peiCfxa  'A6r]VUJV  v.  58  aus,  die  ich  nicht 
teilen  kann,  dasz  der  Hyoc  damit  anachronistisch  das  grab  des  Oedipus 
bezeichne,  ist  doch  sehr  unwahrscheinlich:  der  mann  konnte  davon  keine 
ahnung  haben  und  den  ausdruck  aus  seinem  munde  Oedipus  nicht  verste- 
hen, eher  möchte  ich  Schneidewin  beipflichten,  weicher  meinte,  es  sei  wol 
noch  ein  teil  der  Stadt  auf  dem  felsengrunde  stehend  gedacht,  aber  am 
einfachsten  erklären  wir  gewis  den  ausdruck  als  eine  hindeutuug  darauf, 
dasz  überhaupt  der  attische  boden  (das  gebiet  Athens)  an  dem  felsigen 
gründe  einen  festen  halt  habe,  dasz  also  dieser  platz  eine  von  den  stützen 
desselben  sei. 

Darauf  gibt  der  hg.  eine  durcli  Sorgfalt  und  genauigkeit  wie  durch 
lebendigkeit  der  darstellung  und  geßllige  diction  ausgezeichnete  '  enarra- 
tio  tragoediae',  nicht  sowo!  eine  inhaltsangabe  als  das  drama  in  form 
einer  erzShlung.  diese  ergänzt  vielfach  den  commentar  und  bietet  ersatz 
für  die  dem  Jüngern  leser  an  manchen  stellen  wünschenswerlhe  nach- 
weisung  des  Zusammenhanges,  was  ich  jedoch  im  Interesse  desselben 
gern  anders  gesehen  hätte,  ist  die  behandlung  der  chorgesänge,  die  ihm 
vielleicht  in  den  teilweise  sehr  knappen  referaten  als  etwas  nebensäch- 
liches, nur  in  äuszerlicher  Verbindung  mit  der  handlung  stehendes  er- 
scheinen möchten,  auch  au  diesen  teil  des  buches  will  ich  einige  beson- 
ders die  textkrilik  betrelTende  bemerkungen  anschlieszen.  hier  kommt  es 
ja  vor  allem  auf  den  text  an. 

S.  XX  z.  5  *qui  cum  audivisscnt.'  ich  meine,  die  Kolonialen  konn- 
ten es  nicht  wol  gehört  haben,  dasz  Oedipus  den  hain  betreten  habe, 
sondern  sie  schlössen  es  daraus  dasz  er  nicht  mehr  auf  der  von  dem  E^voc 
bezeichneten  stelle  sasz  noch  sonstwo  zu  sehen  war.  —  Ebd.  z.  12:  der 
erklärung  von  v.  146  '  neque  enim  . .  exigui  muneris  causa  homo  magnus 
(qui  magna  Atheniensibus  alTerat  commoda)'  würde  ich  unbedingt  die 
einfachere  vorziehen :  *  sonst  würde  ich  nicht  (als)  ein  groszes  schiff  auf 
kleinem  anker  ruhen.'  wenn  doch  gesagt  wird  q>^p€tv  in*  ujfjioic  (Tr. 
564),  K€ic6ai  im  t^  nupdi  (Plat.  sUal  X  614*») u.  ä.,  warum  nicht  auch 
6p^€iv  ^Tti  Tivi?   ist  denn  der  dichter  an  den  maritimen  ausdruck  in* 

29* 


444  G.  Aldenhoven :  anz.  v.  Sophoclis  Oedipus  Coloneus  ed.  E.Wunder,  ed.  IV. 

ätKupac  gebunden ,  auch  wenn  er  das  wort  ä^Kupot  gar  nicht  und  öp- 
^eiV  bildlich  gebraucht?  jene  erklSrung  zerstört  nicht  nur  ein  sehr  viel 
schöneres  bild,  sondern  sie  läszt  auch  den  Oedipus  etwas  sagen,  was 
die  Koioniaten  nimmermehr  verstehen  konnten,    übrigens  brauche  ich 
den  hg.  am  wenigsten  daran  zu  erinnern,  sondern  füge  nur  zu  weiterer 
rechlfertlgung  hinzu,  dasz  im  mit  dem  genetiv  eine  weitere  bedeutang 
hat  als  mit  dem  dativ,  und  dasz  in*  ÄTKUP^C  eher  unserem  *an'  oder 
*vor'  anker  entspräche,  wahrend  es  hier  gerade  auf  den  begriff  des 
ruhens  *aur'  dem  stutzenden  gegenstände  ankommt,   dasz  ich  djp^iuv 
nicht  aufnehmen  würde,  das  auch  begrifflich  kaum  passt,  verstellt  sicli 
von  selbst;  eher  wurde  ich  mich  entschlieszen  CfxiKpuiV  zu  schreiben.  — 
S.  XXI  z.  26:  V.  385  drückt  Oedipus  durch  seine  frage  aus,  dasz  er  in 
den  Worten  der  Isroene  eine  hoffnung  für  ihn  erkenne,    sowie  diese  aber 
lauten,  liegt  eher  das  gegenteil  darin,   ich  glaube,  sie  sind  etwas  aus  der 
Ordnung  gerathen,  und  es  sollte  helszen :  TOÜC  bk,  coüc  Oeot  irövouc  |  KU- 
TOiKTioOciv,  ou  b'  Exw*  ^aOeiv,  ßmi  (nach  dem  hg.  för  öttoi).  —  Ebd. 
z.  31  fibersetzt  der  hg.  v.  391  ^quis  a  taii  viro  sospitetur?'   allein  so 
kann  Oedipus  nicht  wol  fragen ,  da  er  sich  nach  dem  orakel  des  segens 
bewust  ist,  den  er  denen  bringen  werde,  die  ihn  aufnehmen  würden,   und 
wie  soll  der  genetiv  erklärt  werden?   ich  habe  nirgends  eine  völlig  zu- 
treffende parallelstelle  gefunden,   am  wenigsten  ist  es  OT.  1005,  wo  coO 
dKOÖVTOC  ein  ganz  gewöhnlicher  gen.  abs.  ist.   ich  halte  deshalb  unsere 
stelle  für  corrupt  und  vermute:  Ti  5 '  ävTiot  ToCb'  dvbpöc  eC irpdfaiev 
(oder  -6iav)  £v;  *  welchen  segen  würden  meine  feinde  haben'?  nemlicU 
wenn  sie  mich  hätten,  sie,  die  vom  orakel  gemeinten  iT^^^iavT6C,  oT  fi' 
äirrjXacav.  —  S.  XXÜ  z.  8:   durch  'fatalem  discordiam'  gibt  der  hg. 
die  lesart  Tf)v  iTeTrpuj^dvr)v  (La.  twv  ireirpaTM^viuv  mit  r)  über  beiden 
üu)  £piv  421  f.  wieder,   wie  kann  aber  Oedipus  voraussetzen,  dasz  dieser 
zwist^  vom  Schicksal  bestimmt  sei?   sehr  viel  passender  und  dem  in  xa- 
Tacß^ceiav  gegebenen  bilde  entsprechender  wäre  ir€TTpiic^^vr)v  oder, 
was  Photios  anführt,  iT€iTprmevT]v.  —  S.  XXIII  z.  20  würde  man  ^hos- 
pitio  semper  iunctus'  auf  eine  persönliche  gaslfreundschaft  zwischen 
Oedipus  und  Athen  beziehen,  wahrend  nach  632  f.  der  anspruch  des 
Oedipus  auf  gute  aufnähme  sich  nur  auf  das  freundschaftliche  Verhältnis 
zwischen  den  beiden  Städten  gründet.  —  Ebd.  z.  26:  die  worte  *qui  moz 
adventuri  sint  ut  se  .  .  abducant,  eos  .  .  superaturus  sit'  beruhen  auf 
einer  meiner  ansieht  nach  irrigen  erklärung  von  v.  646.   meinte  Oedipus 
den  Kreon  und  seine  leute  überwinden  zu  können,  warum  ist  er  denn 
nachher  so  ängstlich  besorgt?  und  wie  könnte  Tbeseus  dies  eine*  grosze 
gäbe  nennen?   vielmehr  bezieht  sich  Oedipus  mit  diesen  worlen  auf  den 
Orakelspruch ,  nach  welchem  er  nach  seinem  tode  an  diesem  platze  die 
Thebaner  besiegen  werde,  weshalb  er  hier  bleiben  müsse.  —  S.  XXIV 
z.  17  V.  u.:   der  hg.  hat  v.  775  der  lesart  des  La.  TOcauiT)  die  andere 
TIC  aurn  vorgezogen,   icli  kann  nicht  beistimmen.    Oedipus  will  sagen : 
*  deine  wolthat  will  ich   nicht,   was  kann  es  dir  für  freude  machen  sie 
mir  aufzudringen?   ebenso  wenig,  wie  wenn  du  zuerst  eine  wollhat  ver- 
weigertest und  hernach  damit  kämest ,  wenn  man  sie  nicht  mehr  braucht. 


C.  Aldenhoven :  anz.  v.  Sophoclis  Oedipus  Coloneas  ed.  E.Wunder,  ed.  IV.  445 

eine  so  unerwünschte  wollbat  bietest  du  mir,  unerwünscht,  weil  es  nur 
scheinbar  eine  ist.'   beide  alJgemein  gehaltene  satze  sind  auf  Oedipus  an- 
wendbar :  1)  ist  diese  wolthat  unerwünscht,  weil  sie  für  ihn  das  gegenteil 
ist ;  2)  wünschte  er  früher,  als  Kreon  ihn  verlrieb,  jetzt  aber  nicht  mehr,  in 
Theben  zu  wohnen,   danach  wäre  hinter  qptXeiv  ein  Itomma  zu  setzen. — 
S.  XXV  z.  6:  V.  791  kann  Oedipus  nicht  sagen:  ^lienne  ich  die  Ihebani- 
schen  veriiäitnisse  nicht  besser  als  du?'  und  sich  auf  eine  zuverlässigere 
künde  durch  ApoDon  und  Zeus  berufen ,  da  wenigstens  das  zweite  oraltel 
dem  Kreon  eben  so  bekannt  Ist  und  ihn  gerade  hergeführt  hat  (387  IT.). 
er  musz  vielmehr  sagen :  *  kenne  ich  also  die  Ihebanischen  Verhältnisse 
besser?  ich  kenne  das  Orakel,  und  du  solltest  es  nicht  kennen?   also, 
wenn  du  milleid  und  verwandtschaftliche  liehe  und  nicht  das  orakel  als 
motiv  angibst,  so  bist  du  ein  heuchler.'   also  ist  wol  OUK in  oOv  zu  ver- 
wandeln und  792  f.  unecht.  —  Ebd.  z.  9 :  die  zu  gründe  liegenden  text- 
worte  v.  795  f.  sind  überaus  dunkel.    Oedipus  scheint  sagen  zu  wollen: 
*du  bist  ein  heuchler  und  hast  deine  worle  wol  geschmiedet;  liesze  ich 
mich  aber  überreden ,  so  würde  ich  mehr  böses  als  heilsames  erhalten.' 
denn  Kreon  spiegelt  ihm  eine  bessere  läge  vor,  während  er  ihm  eine 
schlimmere  zugedacht  hat.   danach  wSre  vielleicht  zu  schreiben:  xdK^^&v 
Xdßol^t  irXefov*  l\cu)Tr|pta,  und  iy  tijj  X^T^tv  zu  erklären:  *  durch 
deine  worte',  nemlich  wenn  ich  ihnen  folgte.  —  S.  XXVI  z.  7:  v.  865 
bedarf  gewis  der  Verbesserung,   ich  vermute:  Set^v  ^^  5q)UJV0V  Ic  C€ 
tf\tb*  äpäc  £ti,  so  dasz  6c  sich  einfach  auf  C6  bezöge,   auffallend  ist 
aber  1)  dasz  das  gebot  des  Kreon  (aObui  ctiunav)  so  sehr  viel  besser  an 
der  stelle  passt ,  wo  Oedipus  laut  seine  stimme  erhebt,  847 ;  2)  dasz  in 
dem  hin-  und  herreden  848—863  kein  fortschritt  ist,  so  dasz  Kreon 
874  f.  wiederum  erklärt,  er  werde  den  Oedipus  fortführen ;  3)  dasz  letz- 
terer in  seinem  fluch  nur  der  entführung  der  töchter  gedenkt;  4)  der 
iPTunderliche  v.  862,  von  dem  man  nicht  recht  weisz,  ob  er  ironisch  zu 
verstehen  ist  oder  nicht;  5)  dasz  Kreon  sich  851  Tupawoc  nennt,  als 
i?väre  er  der  konig;  und  6)  dasz  es  so  sehr  lange  währt  (39  verse),  ehe 
die  Kolonialen  ihren  hülferuf  wiederholen,  nachdem  er  das  erste  mal  er- 
folglos geblieben,   ich  halte  daher  v.  848—863  für  interpoliert  und 
schliesze  das  aObu;  ctiuTräv  an  jenen  weheruf  847  an ,  der  die  Ortsbe- 
wohner leicht  heranlocken  konnte.  —  Ebd.  z.  22 :  auch  die  verse  876 — 
886,  die  als  antistrophe  zu  833 — 843  anzusehen  wären,  obwol  sie  davon 
sehr  weit  entfernt  liegen,   enthalten  fast  nur  ein  nutzloses  hin-  und 
herreden,  darin  aber  einen  seltsamen  Widerspruch,  indem  Kreon  sich  880 
auf  seine  gerechte  sache  beruft,  883  aber  sein  verfahren  selber  ößpic 
nennt  und  sich  gegen  Theseus  951  ff.  nur  mit  der  leidenschaft  entschul- 
digt, die  der  fluch  des  Oedipus  erweckt  habe,    was  mehr  sagen  will,  die 
Kolonialen  erscheinen  hier  so  erbärmlich  feige,  dasz  sie  einen  komischen 
eindruck  machen  musten,  den  der  dichter  nicht  beabsichtigen  konnte,  wir 
begreifen  dasz  die  bejahrten  leute  bei  der  wegführung  der  Antigone  durch 
bewaffnete  begleiter  des  Kreon  sich  auf  remonstrationen  und  hflifegeschrei 
beschränken,   warum  sie  aber,  fünfzehn  männer,  dem  einen  selbst  be- 
jahrten Kreon  gegenüber,  der  allem  anscheiu  nach  unbewaffnet  ist,  so 


446  C.  Aldenhoven :  anz.  v.  Sophoclis  Oedipus  Coloneus  ed.  E. Wunder,  ed.  IV. 

zaghaft  dargestellt  werden,  dasz  sie  wiederum  nidits  Ihun  als  ihre  kehlen 
in  bewegung  setzen ,  ist  doch  schwer  einzusehen,  sodann,  wenn  der 
erste  ruf  nichts  geholfen,  warum  warten  sie  so  lange  bis  zum  zweiten? 
unterdessen  werden  die  m9dchen  einä  gute  strecke  weitergesclileppt 
warum  geht  nicht  lieber  ^iner  und  holt  hülfe  herbei,  wenn  sie  nidit,  was 
das  einfachste  wäre,  den  Oedipus  in  ihre  mitte  nehmen  und  davongehen 
wollen?  das  kann  der  dramatische  brauch  doch  nicht  rechtfertigen,  und 
es  ist  jedenfalls  viel  angemessener,  wenn  nach  dem  hQlferuf  841 — 843, 
wahrend  dessen  Antigone  rasch  abgeführt  wird,  nur  noch  der  fluch  des 
Oedipus  und  die  drohung  des  Kreon  erfolgen  und  dann  Theseus  mit  seiner 
begleitung  auftrit.  dabei  ist  zu  erwägen  dasz  der  hflgel ,  auf  welchem 
Theseus  opfert,  nicht  weit  entfernt  sein  kann,  da  der  chor  nachher  den 
könig  ruft  und  dieser  sofort  erscheint,  sowie  dasz  derselbe  sehr  unüber- 
legt gehandelt  hatte,  wenn  er  den  alten  mannern  die  behfitung  des  Oedi- 
pus übertragen  und  nicht  gewust  hatte,  dasz  sie  sich  durch  einen  zuruf 
sogleich  beistand  verschaffen  könnten  (vgl.  1491  IT.).  diese  stelle  wird 
also  wol  auch  interpoliert  sein,  sollte  ich  mich  jedoch  irren ,  so  wäre 
jedenfalls  statt  oTbe  886  ein  significanteres  subject  nötig,  da  die  an 
welche  der  ruf  gerichtet  ist  noch  nichts  von  den  entführen!  wissen,  ich 
würde  vorschlagen:  direl  irepuia  Xqcxal  (^vovon  bf)  Überrest)  ir^pac. 
— ^  Ebd.  z.  30  und  s.  XXVII  z.  14:  v.  909  f.  hat  w*ol  jemand  hinzugefügt, 
der  die  erklarung  des  Theseus,  mit  Kreon  solle  nach  denselben  grund- 
satzen  verfahren  werden,  welche  dieser  gegen  Oedipus  töchter  angewen- 
det, d.  h.  Kreon  solle  als  geisel  festgehalten  werden,  nicht  deutlich  ge- 
nug fand,  aber  nun  erst  ist  die  ganze  stelle  unklar.  Kreon  soll  das  land 
nicht  verlassen,  bevor  er  die  madchen  herbeigeführt  hat;  w^e  soll  das 
geschehen?  er  könnte  etwa  unter  bedeckung  seinen  leuten  nachgeschickt 
werden,  um  ihnen  selber  den  befehl  zur  zurückführung  oder  ausliefening 
zu  erteilen,  davon  ist  aber  nicht  die  rede,  und  das  sldiersle  war  doch 
ihn  festzuhalten,  holten  aber  die  Verfolger  die  entführer  nicht  mehr  ein, 
oder  zogen  sie  im  kämpf  den  kurzem,  so  konnten  die  madchen  immer 
noch  von  Theben  reclamiert  und  Kreon  zum  auslausch  augeboten  werden, 
streichen  wir  diese  beiden  verse,  so  gewinnen  wir  zugleich  eine  klarere 
beziehung  des  drrel  usw.,  das  offenbar  zurbegründung  von  905  f.  dient,  aber 
durch  jene  verse  zu  weit  davon  entfernt  wird,  es  ist  nun  aber  klar,  dasz 
sie  eine  beziehung  auf  den  spateren  befehl  des  Tiieseus  1019  ff.  haben, 
hier  verlangt  er,  wenn  Kreon  die  madchen  in  dieser  gegend  (versteckt?) 
habe,  sie  ihm,  der  ihn  begleiten  wolle,  zu  zeigen,  es  sei  denn  dasz 
Kreons  leute  schon  mit  ihnen  entflohen  waren,  in  welchem  falle  die  seini- 
gen sie  gewis  einholen  und  überwältigen  würden,  wir  mögen  dabei  vor* 
aussetzen,  obgleich  nichts  davon  angedeutet  wird,  dasz  Theseus  bewafT- 
nete  mitnimt.  aber  selbst  dies  vorausgesetzt,  wenn  Kreon  bei  Oedipus 
und  den  Kolonialen  allein  blieb,  weil  er  keine  gefahr  befürchtete,  warum 
sollten  sich  seine  leute  noch  irgendwo  aufhalten  und  nicht  lieber  mög- 
lichst rasch  mit  ihrer  beute  nach  Theben  eilen?  ferner,  da  es  nur  eine 
1.. — ktiiese  des  Theseus  ist,  dasz  die  madchen  noch  in  der  nahe  seien  und 
>eon  ihren  aufenthalt  wisse,  warum  gibt  Kreon  so  gar  keine  ant- 


€.  Aldenhoven :  anr.  v.  Sophoclis  Oedipus  Coloneus  ed.  E.Wunder,  ed.  IV.  447 

wort  darauf?   was  aber  das  auffallendste  ist,  es  gilt  hier  die  gröste  eile, 
und  Thcseus  lä*Et  auch,  nachdem  er  den  mädchenraub  erfaluen,  unver- 
züglich das  volk  zur  Verfolgung  aufbieten,   dann  aber  folgt  ein  gesprSch 
•von  111  versen  (!),  und  danach  erst  fällt  es  dem  Thcseus  wieder  ein, 
<lasz  die  sache  pressiert ,  und  er  bemerkt  ganz  naiv :  '  genug  der  worle, 
•denn  die  rauher  eilen  und  wir  beraubten  stehen  hier.'    man  möchte  hin- 
zufOgen  *und  schwatzen  uns  fest.'    wenn  hier  nicht  interpoliert  ist,  so 
hat  Sophokles  wirklich  schlimme  anwandlungen  gehabt,    ich  glaube  aber 
lieber  dasz  jemand  den  Theseus  in  glänzenderem  lichte  wollte  erscheinea 
lassen  als  es  der  dichter  beabsichtigte,   er  sollte  den  räubern  selbst  nach- 
gehen ,  und  hernach  sollte  es  den  anschein  haben  als  habe  er  mit  ihnen 
gefochten,    dieser  aberOQssigen  bravour  wegen  muss  er  eine  geraume 
zeit  verstreichen  lassen,  ehe  er  sich  auf  den  weg  macht:  denu  das  lange 
gespräch  konnte  der  verbesserer  doch  nicht  gut  streichen.   Kreon  aber 
musz  als  Wegweiser  dienen,  irgend  wohin  und  ohne  alle  Wahrscheinlich- 
keit die  entführten  noch  am  plaUe  zu  finden,   ich  meine,  der  verlauf  ist 
<lieser.   Theseus  läszt  die  enlführer,  die  nach  Theben  unterwegs  sind, 
sofort  verfolgen  und  kann  von  seinen  reitern  erwarten,  dasz  sie  dieselben 
•einholen  werden,   dann  ergibt  sich  das  gespräch ,  in  welcliem  u.  a.  dem 
Kreon  eröffnet  wird,  dasz  er  als   Unterpfand  festgehalten  werde,   am 
schlusz  heiszt  Theseus  ihn  mitgehen ,  natürlich  nach  einem  orte  wo  man 
seiner  sicher  ist,  und  so  bleiben  Oedipus  und  der  chor  zurück,   während 
jenes  gesprächs  und  des  chorgesanges  werden  die  mädchen  befreit  und 
kehren  nun  zum  valer  zurück.    Theseus  aber,  sofort  benachrichtigt,  tril 
mit  oder  gleich  nach  ihnen  auf,  nachdem  er  den  Kreon  entlassen  hat,  der 
-daher  nicht  wieder  erscheint,   deshalb  sind  gewis  nicht  nur  v.  909  f.  zu 
streichen,  sondern  auch  1016  f.,  sowie  1020  von  W  an  bis  1025  {äW 
iE-),  so  dasz  Theseus  worte  ursprünglich  gelautet  hätten:  6bo0  Kardp- 
X€iv  if\c  iK€i,  iTO^TTÖv  b(.  \ie  \  xu)p€iv  öcptiToG,  TVwOt  b'  usw. 
diese  öböc  führt  zum  Verwahrsam,  und  Kreon  musz  vorangehen,  damit 
Theseus  ihn  im  äuge  behalte,  vgl.  El.  1501  f.   indessen  greift  jener  ver- 
besserungsplan noch  weiter,   die  verse  932—936  können  sich  nicht  auf 
<len  befehl  des  Theseus  beziehen  das  volk  aufzubieten,  der  gewis  ohne 
'Verzug  vollzogen  ist,  sondern  auf  das  was  Kreon  thun  soll,   aber  was 
soll  er  denn  thun?   es  soll  jemand  die  mädchen  schleunigst  herbringeu. 
wer  soll  das?  und  wie?   was  soll  Kreon  thun,  damit  es  jemand  thue?   es 
ist  mehr  als  wahrscheinlich,  dasz  diese  unklaren  und  sehr  entbehrlichen 
Terse  nicht  von  Sophokles  herrühren,  nicht  so  ausgemacht  scheint  es  mit 
1102  f.   hier  könnte  man  das  t'  tilgen,  aTbc  X^P^C  auf  die  krieger  be- 
liehen und  6nc^u)C  von  ÖTtaövuiv  abhängig  denken,    aber  näher  liegt 
«s  anzunehmen,  dasz  der  interpolator,  der  dem  Tlieseus  die  teilnähme  am 
kämpfe  vindicieren  wollte,  auch  diese  überflüssigen  verse  eingeschoben  hat. 
—  Noch  eine  bedenkliche  stelle  in  diesem  bereich  ist  hervorzuheben,  nem- 
lieh  v.  872  f.   abgesehen  davon  dasz  das  öp^T€  v.  871  ein  sehr  aulßliiger 
4iusdruck  ist,  wie  kann  Kreon  die  Kolonialen  zu  zeugen  aufrufen?   dasz 
«ie  trotz  seiner  erklärung,  die  mädchen  ständen  unter  seiner  botmäszig- 
keit,  830  und  832,  sein  verfahren  als  unberechtigt  ansehen,  haben  sie 


448  C.  Aldenhoven :  anz.  v.  Sophoclis  Oedipus  Coloneus  ed.  £. Wunder,  ed.  IV, 

genugsam  kundgethan ,  am  deutlichsten  durch  ihren  hülferuf.  so  wird 
dieser  vers  anderswo  gestanden  haben,  etwa  nach  847  als  vorwurfsvolle 
frage  des  Oedipus :  *  könnt  ihr  das  so  ansehen  und  es  geschehen  lassen  ?  '^ 
aber  872  f.  unecht  sein.  —  S.  XXVU  z.  10  v.  u.:  nach  dem  gesagten  wäre, 
an  eiuen  kämpf  des  Theseus  mit  den  leuten  des  Kreon  nicht  zu  (||snken. 
aber  gesetzt  ich  irrte  mich,  so  ist  doch  ein  kämpf  zwischen  Theseus  und 
Kreon  durchaus  unwahrscheinlich,  der  erstere  wird  sich  gewis  des  letz* 
teren  versichert  haben.  —  S.  XXVIU  z.  1.  seltsam:  v.  1115  f.  wünscht 
Oedipus,  seine  töchter  möchten  ihm  den  hergang  ihrer  befreiung  kurz, 
erzählen.  Antigone  verweist  ihn  1117  f.  an  Theseus,  und  der  valer  — 
thut  als  hätte  er  den  wünsch  gar  nicht  geäuszert,  wie  es  denn  überhaupt 
zu  keiner  erzählung  kommt,  und  wenn  Theseus  nach  obiger  ansieht  beim 
kämpfe  nicht  zugegen  gewesen,  so  wäre  er  auch  kein  sehr  geeigneter 
erzähler.  wir  verdanken,  meine  ich,  auch  diese  vier  verse  jenem  verher- 
licher  des  Theseus.  —  Ebd.  z.  13:  v.  1132  würde  ich  nicht  verändern, 
wol  aber  in  dem  folgenden  mit  der  conjeclur  KaKÜüV  für  ßpOTOiv  von 
Nauck,  die  auch  der  hg.  aufgenommen  hat,  (b  Tic  statt  ijj  Tic  und  coO> 
TÖb'  statt  C€,  oöb'  schreiben:  'wie  könnte  ich  unglücklicher  einen  manu 
berühren  wollen,  an  welchem  kein  brandmai  des  bösen  haftet?'  dann 
mit  nachdrücklicher  Wiederholung:  *ich  nicht  dich,  darauf  also  will 
idi  verzichten. '  —  S.  XXIX  z.  4 :  der  hg.  gibt  ipuxn^  ^^^^  ^^^^  durch 
*animae'  wieder  und  führt  s.  107  die  erklärung  *ne  quls  invitum  me 
cogal'  an.  aber  was  heiszt  Ufuxrj?  leben  kann  es  nicht  füglich  bedeuten: 
Oedipus  konnte  wol  nur  gewaltsame  wegführuug  befürchten,  seele  oder 
gesinnung?  es  kam  ja  den  Thebanern  lediglich  auf  den  körper  an.  so  ist 
wol  das  wort  unrichtig  und  tvxt\C  zu  schreiben:  *  keiner  sei  herr  über 
meine  umstände'  d.  h.  zwinge  mich  zu  leben,  wo  und  wie  ich  nicht 
will,  dasselbe  wird  v.  408  ausgedrückt  durch  OUK  6ip'  djioO  T^  ^n 
KpoTi^cUJCiv  irOTC.  —  Ebd.  z.  8:  der  hier  angedeutete  chorgesang  1211 
— 48,  an  dessen  echlheit  auch  der  hg.  nicht  zu  zweifeln  scheint,  gehöft 
als  teil  dieser  tragödie  zu  dem  merkwürdigsten  was  ich  kenne,  ich  bitte 
ihn  einmal  recht  scharf  ins  äuge  zu  fassen,  die  kritischen  Schwierigkeiten 
sind,  was  den  lext  betrifft,  nicht  eben  erheblich,  wir  dürfen  nur  1212  L 
Tou  ^eTpiou  Tiap^K  (statt  napek)  Iwfic  (statt  Eüueiv ,  abhängig  voa 
>i^pouc),  1238  KQKWC  (statt  Kaxdiv)  und  1220  ff.  mit  einer  kleinen 
Umstellung  schreiben:  ö  b'  (Hermann)  dnlKOupoCy  |  icoT^XeCTOC  |  'AT- 
boc  ÖT€  fioTp'  ävan^qpnvev,  |  dXupoc,  dx^poc,  ävu^^valOC  j  6d- 
vaTOC  £c  TcXcuTdv.  denn  1231  f.  wird  zu  1ToXu^ox6oc  aus  Ka|iaTU)V 
ein  KQ^aTOC  ergänzt  werden  sollen,  aber  welchen  Inhalt  hat  der  gesang  ? 
'es  ist  thöricht  sich  ein  übermäszig  langes  leben  zu  wünschen,  denn 
das  hohe  alter  bringt  viel  leid  und  gar  keine  freude ,  wenn  jemand  in» 
übermasz  gerathen  ist.  (es  bleibt  sich  ziemlich  gleich,  ob  wir  O^Xovtoc 
oder  mit  Reiske  b^ovTOC  lesen :  viel  sinn  ist  in  beiden  redensarten  nicht, 
und  überflüssig  sind  auch  beide.)  und  der  erlöser,  sobald  es  zum  sterben 
kommt,  ist  der  freudenlose  tod.'  nehmen  wir  gleich  hinzu,  was  der 
chor  nachher  noch  vom  alter  zu  sagen  weisz :  *es  ist  verachtet,  kraftlos, 
ungesellig,  freundlos,  kurz  mit  allen  möglichen  leiden  und  Übeln  ver- 


C. Aldenhoven:  anz.  v. SophocIisOedipusCoIoneus ed. E.Wunder. ed. IV.  449 

knöpft.'   dann  wird  schlieszlich  eine  anwendung  auf  Oedipus  gemacht: 
*nicht  ich  allein,  sondern  auch  Oedipus  wird  immerfort  von  schrecklichen 
helmsuchungen  betroffen'  (zuerst  nur  wie  vom  nordwind,  hernach  von 
allen  vier  weltgegenden).    auf  die  maszlose  übertriebenheit,  ja  Unwahr- 
heit dieser  klage,  sowie  die  geschraubte,  schwerfällige  und  bombastisch- 
phrasenhafte  diction  brauche  ich  nur  hinzudeuten,    zwischen  den  beiden 
stücken  liegt  folgendes:  'am  besten  ist  es  nicht  geboren  zu  sein,  das 
nächstbeste  ist  aufs  schleunigste   hinzugehen,  woher  man  gekommen 
ist.^   (woher  ist  man  aber  gekommen?  nach  der  Sinnesart,  die  das  ganze 
lied  athmet,  ist  jedenfalls  völlige  Vernichtung  gemeint.)    'denn*  —  nun 
haben  wir  die  wähl  zwischen  den  beiden  erklärungen :  '  sobald  die  un- 
verständige Jugend  da  ist%  wobei  die  kindheit  und  das  mannesalter 
übergangen  werden,  oder:  'sobald  man  die  unverständige  Jugend  hinter 
sich  hat',  wo  dann  das  v^OV  auch  die  kindheit  mit  umfassen  kann, 
*  kommen  alle  möglichen  beschwerden ,  als  da  sind  mordthaten,  revolu- 
tionen,  hader,  schlachten  und  neid.'    diese  bringt  nach  der  zweiten  er- 
klarung  das  mannesalter,  bis  wohin  man  denn  doch  eine  gute  weile  ge- 
lebt hat,  und  das  Jünglingsalter  ist  frei  von  diesen  Kd^aroi;  dagegen 
nach   der  ersten    das  Jünglingsalter,    während   das   mannesalter  leer 
auszugehen  scheint,  die  hier  wiederum  in  die  äugen  springende  eiu- 
seitigkeit,  verbunden  mit  der  oberflächlichsten  Unbestimmtheit,  ist  der 
gnome,  welche  begründet  werden  soll,  durchaus  würdig,  die  so  viel  sagen 
will  als:  es  wäre  am  besten,  es  gäbe  gar  keine  menschen,  und  wer  diese 
jammervollen  geschöpfe  ins  dasein  gerufen  hat,  hätte  etwas  besseres  thun 
können,    charakteristisch  für  diese  oft  angezogene  gnome,  welche  mir 
beweist  dasz  auch  das  altertum  den  dämon  der  hypochondrie  und  zwar 
jn  der  widerwärtigsten  gestait  gekannt  hat ,  ist  die  erzählung  bei  Cicero 
Tusc.  1 48,  nach  welcher  gerade  der  alte  Silenus,  ohne  zweifei  im  zustande 
verstimmter  ernüchterung,  gerade  den  obren  des  Midas  den  zu  gar  niclits 
dienlichen  sprach  zum  dank  für  einen  liebesdienst  anvertraute,   dem  hu- 
moristen,  der  das  erfunden,  möchte  ich  die  band  drücken,   dasz  nun 
diese  aller  religiosität  und  sittlichen  kraft  fernstehende  lebensauffassung 
nicht  die  des  Sophokles  ist,  bedarf  keines  be weises,   seine  gnomen  sind 
selbstverständlich  nach  den  personen  die  sie  vortragen  und  nach  der  je- 
desmaligen Situation   zu  beurteilen  und  widersprechen  sich  häufig,   so 
heiszt  es  fragm.  684 :  dem  hohen  alter  ist  verknüpfet  jedes  leid,  unnütze 
werke,  nichtige  sorgen,  Unvernunft ;  und  fr.  500 :  denn  über  langes  leben 
geht  kein  andres  leid ;  aber  dagegen  fr.  238 :  dem  greisenaiter  schlieszt 
sich  gern  vernünftigkeit  und  guter  rathschlag  an,  und  fr.  688:  kein  alter 
gibt  es  für  den  weisen,  dessen  gebt  göttinnen,  sanft  und  hold,  erzogen 
und  genährt  (statt  Oetqi  HüvecTtv  fm^pqi  vermute  ich  OeaTciv  dcTiv 
fm^patc).   wenn  also  diese  litanei  diesem  chor  in  den  mund  gelegt  wird, 
80  frage  ich:  sind  das  dieselben  männer,  die  vorhin  so  viel  religiösen 
eifer  an  den  tag  gelegt,  mit  so  jugendlich  frischer  begeislerung  ihr  vater« 
land  gepriesen  und  in  ihrer  teilnähme  für  den  kämpf  ihrer  jüngeren  lands- 
leuie  so  deutlich  gezeigt  haben,  wie  gern  sie  selber  noch  dreinschlügen? 
jene  hasenherzen,  von  denen  oben  die  rede  war,  ja,  das  könnten  dieselben 


450  C  Aldaiboren :  anz.  t.  Sophoclis  Oedipns  Coloneas  ed.  E.  Wunder,  ed.  IV. 

sein,   sodann  die  frage:  was  hat  dieser  gesang  mil  dem  drama  za  schaf- 
fen? nJchU  ab  dasz  der  chor  alt  ist  ond  Oedipns  auch,  letzterer  hat  seine 
Uittdlieü,  seine  Terbannong ,  sein  ganzes  trauriges  loos  doch  nicht  dem 
alter  znzaachreiben ;  trotz  diesem  konnte  er  ganz  behaglich  daheim  leben, 
also  kann  man  föglich  sagen:  oöbiv  irpöc  Oibnrouv.   nun  stelle  man 
sich  einmal  recht  lebhaft  eine  gesellscfaalt  Ton  fünfzehn  hypochondristen 
Tor,  welche  im  rfickblick  anf  ein  langes  unfruchtbares  leböi  —  denn  wer 
sich  eines  in  edlen  bestrebungen  Terbrachten  bewust  ist,  wdsz  es  ganz 
anders  zu  schltzen — ihre  eigene  erbiirmlichkeit  im  tone  des  bewustseins 
gereifter  lebensweisheit  besingt!   nein,  dieses  lied,  aus  welchem,  wie 
mich  dOnkt,  auch  Mendelssohn  nicht  viel  zu  machen  gewust  hat,  ist  nach 
form  und  Inhalt  ein  hSszlicher  makel  an  der  herlichen  dichtung;  dieses 
hätte  der  dichter  seinen  richtern  nicht  roriesen  dürfen,  in  einer  komddie, 
meinetwegen  *  die  unken'  betitelt,  könnte  der  chor  drastisch  wirken 
(vgl.  die  komische  anwendong  der  maxime  von  Alexis  bei  Athenäos  ül 
124^);  aus  unserer  iragödle  musz  er  wirklich  *des  ehesten  hingehen, 
woher  er  gekommen  ist',   beim  wegfall  dieses  slasimon  wflrde  übrigens 
das  Tierte  epeisodion  noch  nicht  einmal  die  länge  des  vorhergehenden  er- 
reichen. —  S.  XXXI  z.  11  V.  u.:  'nee  sine  deoram  gratis  advenisse' 
schreibt  der  hg.  nach  v.  1505  f.   der  La.  gibt  dcOXfjv  6fiiC€  Tf\cbe.  statt 
nun  umzustellen  würde  ich  6fiK€  inOcTe  verwandeln:  'ein  golt  möge  dich 
für  diesen  gang  segnen',  vgl.  OT.  1478  f.   denn  der  gedanke  *ein  gotl 
hat  dich  glücklich  hergeleitet'  entspricht  doch  kaum  der  kürze  des 
weges.  —  Ebd.  z.  1  v.  u.  vgl.  v.  1530 — 39.    die  erklärongen  von  irpo- 
«p^praroc  durch  'natu  roaiimas',  von  db^oc  durch  ' inexpognabilis', 
von  TTÖXeiC  durch  'cives  excluso  principe',  von  oIkcTv  durch  ^adminis- 
trare'  (wofür  der  hg.  lieber  *  constitutum  esse*  genommen  hat)  und  von 
xaOußpiZetv  und  dqpi^vai  rd  Oeia  durch  'arcana  evulgare  et  profanare' 
geben,  da  sie  über  das  lexikon  hinausgehen,  mir  nur  den  beweis,  dasz 
man  mit  der  stelle  in  der  grdsten  Verlegenheit  gewesen  ist.   dabei  wissen 
mr  noch  nicht,  was  ^upiai,  was  ßabiujc  sagen  will,  auf  welches  gesetz 
oder  herkommen  sich  TrpoqpcprdTip  bezieht,  und  finden  die  bestimmung 
*  wenn  es  zum  sterben  kommt'  höchst  sonderbar,  da  man  das  doch  selten 
wissen  kann,    sodann,  wenn  Oedipus  nur  seinen  eignen  willen  oder  rath 
ausspricht,  wie  kann  er  die  nicbtbefolgung  desselben  als  eine  religions- 
verletzung  darstellen?   endlich  die  worle  Masz  dir  das  nicht  widerfah- 
ren; Ich  lehre  dich  also  (?)  etwas  was  du  weiszt'  klingen  sie  nicht  fast 
albern?   mit  emendationeo  ist  hier  wol  nichts  zu  machen,   man  könnte 
allenfalls  CTraproic,  direl  n^ujpiai  Oeubv  iröXeic  schreiben  und  erklären : 
*die  strafen  der  götter  erniedrigen  die  slädle,  wenn  eine  auch  in  glück- 
licher läge  ist.'    ich  halte  aber  die  ganze  stelle  für  untergeschoben,   was 
Oedipus  will,  ist  nicht  eine  zwecklose  zuflüsterung  über  das  grab  von 
einem  köuig  zum  andern,  sondern  diner,  und  dazu  ist  Theseus  der  geeig- 
netste, soll  bezeugen  können  dasz  Oedipus  wirklich  im  attischen  boden 
■<*uht,  auszer  ihm  aber  niemand,  damit  nicht  etwa  der  feind  die  stelle  er- 
hre  und  sich  den  leichuam  irgendwie,  etwa  auch  durch  bestechung,  zu 
rschalTen  im  stände  sei.   danach  würde  ich  v.  1526  Ktveirat  in  Ktvn* 


€.  Aldenhoveu:  anz.  v.  Sophociis  OedipusCoIoneused.  E.Wunder,  ed.  IV.  451 

T^a  verwandelD  und  erklären:  ^was  geheim  bleiben  und  nicht  weiter 
verbreitet  werden  soll.'  —  S.  XXXII  z.  19  vgl.  1586—1666.  über  die- 
sen bericht  möchte  ich  folgendes  zur  erwSgung  empfehlen,  die  werte 
{XuC€  (nach  zwei  hss.,  La.  (hvce)  bucmveic  croXdc  1597  sind  min- 
destens sehr  verdächtig,  warum  sollte  Oedipus  sich  mit  dem  öffnen  oder 
gar  ausziehen  der  gewänder  —  welches  bild  böte  uns  die  letztere  erklä- 
rung!  —  beschäftigen,  bevor  er  noch  den  töchtern  seine  auftrage  er- 
teilte? aber  auch  xodc  1599  (wofür  der  hg.  in  der  enarratio  wahr- 
scheinlich CToXdc  vor  äugen  gehabt ,  da  er  *  veste  pura '  schreibt)  passt 
nicht,  wäre  eine  wasserspende  vonnöten  gewesen,  so  wäre  gewis  weiter 
unten,  wo  vom  waschen  und  ankleiden  die  rede  ist,  auch  diese  erwähnt, 
dabei  ist  auflallend,  dasz  1603  von  einer  kleidung  so  gesprochen  wird, 
als  verstände  sich  deren  Vorhandensein  von  selbst,  diese  kleider  müssen 
die  töchter  mit  dem  wasser  zugleich  vom  heiligtum  der  Demeter  geholt 
haben ,  wo  vielleicht  priester  oder  tempeldiener  gern  gewänder  für  den 
vorliegenden  zweck  hergaben,  oder  es  würde  sich  irgend  ein  Kolonial 
dazu  verstanden  haben,  zumal  bei  dem  Interesse  des  Theseus  für  den 
greis  und  seine  verheiszungen.  denn  Antigone  hat  keine  kleider  zum 
wechseln,  sonst  hätte  sie  den  vater  nicht  so  schmutzig  gehen  lassen,  und 
fsmene  scheint  keine  mitgebracht  zu  haben,  danach  wäre  mit  Meineke 
CToXäc  herzustellen,  und  man  könnte  1597  f.  als  interpolierte  erweite- 
rung  des  einen  verses  KaHler*'  clia  iraibac  i^viÄT^t  ßuTÜ&v  ansehen, 
allein  wie  weit  ist  überhaupt  der  lange  bericht  echt?  nach  diesem  geht 
Oedipus,  gewis  nicht  sehr  rasch,  eine  strecke,  wo  ihn  die  erde  aufnehmen 
soll,  hier  befiehlt  er  den  töchtern  ihm  wasser  (und  kleider?)  zu  holen, 
sie  waschen  und  bekleiden  ihn ,  erfüllen  überhaupt  seine  letzten  wünsche, 
ein  donnerschlag  hat  zur  folge ,  dasz  sie  sich  lange  auf  die  brüst  schla- 
gen und  wehklagen,  dann  spricht  Oedipus  acht  verse.  darauf  wieder 
webklagen,  sodann  wird  Oedipus  wiederholt  von  einer  göttlichen  stimme 
gemahnt  zu  kommen,  nimt  dem  Theseus  ein  eidliches  versprechen  ab 
sich  der  töchter  treu  anzunehmen  und  heiszt  diese  in  fünf  versen  weg- 
gehen, schlieszlich  blickt  Theseus  ihm  nach,  und  der  böte  kehrt  zurück, 
wie  wenig  man  nun  auch  darauf  bestehen  mag  die  bedingungen  der  pro- 
saischen Wirklichkeit  in  einem  poetischen  kunstwerk  mit  seinen  idealen 
Verhältnissen  beachtet  zu  finden ,  so  scheint  mir  doch  die  Zumutung  sich 
dies  alles  geschehen  und  gesprochen  zu  denken,  während  der  chor  nur 
zwanzig  meistens  sehr  kurze  verse  singt,  über  das  masz  des  billigen 
weit  hinauszugehen,  ich  finde  auszer  dem  schon  erwähnten  unzeitigen 
lösen  der  kleider  noch  dreierlei  im  inhalt,  was  meinen  verdacht  bestätigt: 
1)  wenn  Oedipus  doch  letzte  worte  an  seine  kinder  richtete,  sollte  er 
ihnen  nicht  eher  etwas  tröstendes  gesagt  haben ,  als  dasz  sie  den  lieb- 
reichen vater  vermissen  würden?  2)  nach  der  eidlichen  Versicherung  des 
Theseus  sich  der  kinder  annehmen  zu  wollen  wäre  die  verzweiflungsvolle 
klage  derselben  über  Verlassenheit  und  hülflosigkeit  im  nachherigen  kom- 
inos  durchaus  unmöglich,  es  ist  so  schon  ein  ungemein  leidenschaftlicher 
schmerz  vorauszusetzen ,  wenn  sie  nicht  ohne  weiteres  in  der  teilnähme, 
welche  Theseus  und  die  Koloniaten  gezeigt,  sowie  in  der  bedeutung  des 


452  C.Aldenhoven:  anz.v.Sophoclis OedipusColoneus ed.E. Wunder. ed. IV. 

valers  für  das  land  eine  beruhigung  über  ihre  zukunft  fanden,  auch 
stand  ihrer  rOckkehr  nach  Theben  kein  wesentliches  hindernis  entgegen. 
3}  wird  Oedipus  nicht  mitgejaromert  haben,  wie  man  nach  1621  (ndv- 
T€C)  glauben  milste.  danach  halte  ich  für  Sophokleisch  1686  —  91, 
dann  1606 — 9  (als  nachsatz  zu  diiel  b'  dcpiKTO  idv  xaiappäKTTiv 
öböv)  und  zwar  bis  dpat^ouc.  daran  schlössen  sich  von  q)6^TMQ  >Q 
1623  —  29,  und  daran  schtieszlich  1639  —  66,  so  dasz  \paucac. . 
\ifei  den  nachsatz  bildete  zu  6  b'  djc  dTi^Cder'  usw.  wesentliches 
wird  man  nicht  vermissen  und  der  poetischen  Zeitberechnung  noch  genug 
eingeräumt  6nden.  schiene  der  böte  aber  noch  zu  viel  zu  berichten ,  so 
könnte  man  gern  den  öfter  wiederholten  ruf  des  Hermes  (1548,  gewis 
nicht  des  Charon,  der  wol  t(  ^AXeiC;  rufen  könnte,  wie  Eur.  Alk.  263, 
aber  nicht  ri  fX^XXo^ev ;)  auf  einen  Einmaligen  reducieren ,  indem  man 
auch  1626  striche,  dazu  wäre  um  so  mehr  grund,  da  iroXXaxfl  sehr  be- 
fremdlich zu  TToXXä  hinzugefügt  ist:  denn  wozu  *auf  vielfache  weise' 
oder  *an  vielen  stellen'?  zu  des  hg.  darstellung  des  berichts  möchte  ich 
noch  bemerken ,  dasz  ihm  der  ausdruck  *ad  beatorum  sedes'  s.  XXXllI 
z.  1  V.  u.  wol  nur  als  ein  gerade  hier  ansprechender  entschlüpft  ist: 
das  Sophokleische  drama  kennt  ja  keine  Wohnsitze  der  seligen ,  sondern 
nur  den  allen  gemeinsamen  dustem  hades.  — .  S.  XXXIII  z.  16:  vom 
*matrimonium  infandum'  ist  eigentlich  v.  1671  f.  nicht  die  rede.  *das 
unselige  blut'  kann  wol  nur  das  biut  sein,  in  welchem  sich  die  alte  schuld 
fortgepflanzt  hat,  die  auf  dem  Labdakidenhause  ruht.  —  Ebd  z.  18:  auch 
'in  posterum  etiam  graviores  toleraturae'  gibt  nicht  wieder  was  v.  1675  f. 
steht,  ich  glaube  übrigens  mit  dem  hg. ,  dasz  die  stelle  corrupt  sei.  die 
Worte  der  Antigone  lassen  sich  schwerlich  anders  erklären  als  Vir  sind 
schulderben  des  vaters:  deshalb  haben  wir  bisher  so  viel  not  gehabt, 
und  wir  werden  auch  schlieszlich  unerdenkliches  zu  dem  bisherigen  hin- 
zufügen', d.  h.  wir  werden  auch  ein  wunderbares  ende  finden  wieder 
vater.  da  nun  der  La.  IbövTC  xal  iraOouca  darbietet,  so  würde  ich 
schreiben :  icov  TOKct  iroOoüca.  —  S.  XXXIV  z.  2 :  der  hg.  schreibt 
nach  v.  1711  ff.:  ^quod  non  in  propinquo  sepultus  iaceat,  sed  tarn 
solitarius  mortuus  sibi  sit.'  aber  dasz  der  vater  'verlassen'  gestorben 
sei,  konnte  doch  unmöglich  gesagt  werden,  auszerdem  brauchen  die 
Worte  iui  ^f| . .  dXX'  nicht  deshalb  unecht  zu  sein,  weil  sie  eine  Wieder- 
holung von  1706  f.  enthalten,  gerade  darum  konnte  die  tochter  den  ge- 
danken  'das  fremde  land  ist  für  den  vater  erwünscht  gewesen'  geflisseol- 
lich  wiederholen,  um  nun  den  gegensatz  anzuknüpfen:  'für  mich  aber 
gar  nichL'  die  stelle  ist  zweifelsohne  corrupt,  und  ich  möchte  vor- 
schlagen : 

Kwc  ^€  xp^  Tdv  buCToXaivav  d(pavicai  xocövb '  dx^c. 

cu  Täc  tnX  liyac  Oavciv  fxP^^cc,  dXX* 

fprmOV  ^t1T€C  &b*  i\iL 
dem  entsprechend  in  der  Strophe  1684  ff. : 

vü£  in '  dffmaciv  ß^ßaKC.  ttwc  tdp  f[  Töv  Tiv  *  drriav 
fj  TiövTtov  KXubujv'  dXuü^evai  ßiou 
bucoiCTOv  f^Eo^cv  Tpo(pdv; 


C. Aldenhoven :  anz.  v.  Sophoclis  Oedipus  Coioneus  ed. E.VVunder.  ed.  IV.  453 

wir  befinden  uns  übrigens  hier  in  einer  gegend,  wo  es  mir  gar  nicht  sehr 
Sophokieisch  aussieht,  schon  die  beiden  ersten  strophenpaare  sind  mir  ver- 
dächtig, an  der  unechtheit  des  dritten  aber  zweifle  ich  gar  nicht.  Anti- 
gone  spricht  1673  f.  so  als  ob  Ismene  an  iliren  mflhsalen  teil  genommen 
hatte,  da  sie  doch  nur  die  reise  nach  Athen  gemacht  hat.  soll  man  ihre 
früheren  bemühungen  um  den  vater  in  Theben  in  anschiag  bringen  ?  die 
frage  Antigones  1685  ff.,  wo  sie  und  Ismene  umherirrend  ihren  unter- 
halt finden  sollen,  hat,  wie  schon  gesagt,  keinen  rechten  grund.  dabei 
kommt  die  desperate  frage  so  heraus,  als  ob  sie  erst  jetzt  In  diese  läge 
versetzt  wären,  die  folgende  ebenso  desperate  fluszerung  der  Ismene  ge- 
hört eben  dahiu;  und  sie  kann  nicht  sagen,  dasz  sie  ohne  den  vater 
nicht  leben  könne:  sie  war  ja  daheim  geblieben,  genügt  es  nun  bei 
roädchen ,  welche  die  unverständige  Jugend  wol  schon  ziemlich  lange  hin- 
ter sich  haben,  zu  sagen  ^der  schmerz  beraubt  sie  so  sehr  der  Ober- 
legung'?  statt  sie  in  einfachen  und  klaren  Worten  an  den  ungrund  ihrer 
angst  zu  erinnern,  sagt  der  chor  v.  1695:  oö  KaTd^€MiTT'  ^ßHTOV,  was 
allenfalls  so  viel  heiszen  kann  als  ^ihr  seid  nicht  mit  geringschätzung  auf- 
genommen (und  werdet  nicht  im  stich  gelassen  werden}',  aber  unbe- 
stimmt genug  ist,  um  verschieden  erklärt  zu  werden,  hernach  (1715  ff.) 
spricht  Ismene  noch  einmal  von  ihrer  und  Antigones  Verlassenheit ,  als 
ob  der  vater  bisher  für  sie  gesorgt  hätte,  die  hauptmomente  des  kommos 
sind:  der  schmerz  über  den  vertust  des  vaters  und  der  trost,  der  in  der 
«nrt  liegt  wie  er  geschieden  ist,  sowie  in  seinem  bisherigen  leben,  dessen 
ende  nur  erwünscht  sein  kann,  und  dann  die  frage  Vas  nun  weiter?* 
wobei  ihnen  die  gefundene  auf-  und  teilnähme,  sowie  die  bedeutung  des 
vaters  für  das  land  zur  beruhigung  dienen  konnte,  ist  die  behandlung 
dieses  Stoffes  wirklich  der  art,  wie  wir  sie  von  Sophokles  erwarten  dür- 
fen? ich  würde  das  zweite  strophenpaar  bereitwilligst  preisgeben ,  das 
erste  aber  wenigstens  auszer  ein  paar  kleinen  textesänderungen  so  an- 
ordnen, dasz  den  mädchen  nur  die  klage  und  dem  chor  die  rolle  des 
Irösters  zufiele,  etwa  in  folgender  gestalt: 
Str.  Ant.  aiai  bis  TiaGouca. 

eh.  Ti  b*  icixy;  etiraT'  iL  cpiXai. 

Ism.  ß^ßriKCV  [Xdßoic 

eh.  (sie  unterbrechend)  übe  ^dXicx'  fiv  iw  (Canler  für  €l)  iröGi}) 
(^wie  du  am  liebsten  sterben  würdest')  bis  ffiapipav. 

Ism.  (die  gerade  dieses  räthselhafle  verschwinden  schrecklich 
findet,  rasch  einfallend)  £v  dcpavc!  bis  rpoqpdv; 
antistr.  Ant.  iröGoc  bis  KupVjcijc. 
eh.  ^irpoEev ,  otov  fjGcXev. 

Ism.  TÖ  TTOIOV ; 

eh.  de  ixn^^  J>*s  ÄKXaUTOV  • 

Ism.  (bestätigend)  dvd  fäp  bis  iLb'  i\it 
danach  schlösse  sich  die  mahnung  des  Theseus  v.  1751  ff.  an  1714.  — 
Im  dritten  strophenpaar  aber  findet  man  nicht  blosz  kein  vernünftiges 
besinnen,   sondern  fast    nur   gesteigerte  Verzweiflung  und  haare  Un- 
vernunft.  Antigone  will  das  grab  des  vaters  sehen,   sie  kann  doch  auch 


454  C.  Aldenhoven :  anz.  v. Sophociis Oedipus Coloneus ed.  E.Wunder. ed.iV. 

im  schmerz  nicht  vergessen  haben,  was  derselbe  so  ernst  und  feierlich 
darüber  v.  1522  AT.  und  1640  (T.  gesagt  hat.  Ismenc  erinnert  sie  daran, 
nun  Tvill  Antigonc,  zweimal  durch  die  eriunerung  schmerzlich  berührt, 
Ismene  soll  sie  hinführen  und  töten,  diese  kann  darauf  natürlich  nicht 
eingehen,  zumal  wenn  sie  keine  walTe  bei  sich  führt,  und  antwortet  nur 
mit  einer  klage  über  Verlassenheit  und  hülflosigkeit:  das  alte  lied  und 
zum  teil  mit  denselben  Worten  wie  1715  f.  darauf  weisz  Antigone  nicht, 
wohin  sie  fliehen  soll,  und  der  chor  erinnert  sie  (witzig?),  dasz  vorhin 
der  Untergang  (die  entführung  nach  Theben?)  vor  ihnen  geflohen  sei. 
dann  fällt  ihr  ein,  sie  möchte  nach  Theben  zurück,  der  chor  widerräth, 
ohne  zu  sageu  warum,  und  Theseus  findet  es  nachher  ganz  vernünftig 
und  verspricht  die  beförderung.  Antigone  sagt,  sie  habe  eine  sorge 
(fiÖTOc),  aber  nicht  welche,  der  chor  meint,  das  sei  ihr  nichts  neues, 
sie  erwidert:  ^ich  bin  bald  hülflos  gewesen,  bald  mehr  als  das.'  der 
chor  stimmt  bei:  *es  war  ein  groszes  meer  (von  leiden?),  das  euch  be- 
schieden ward.'  schlieszlich  bleibt  Antigone  dabei  zu  fragen,  wohin  sie 
fliehen  und  woher  sie  eine  holTnung  nehmen  solle,  in  der  that,  ich  wüste 
für  die  echthcit  dieser  partie  auch  nicht  das  geringste  vorzubringen, 
sodann  tritt  Theseus  auf  und  mahnt  von  der  klage  abzulassen,  darauf 
bittet  ihn  die  beharrliche  Antigone  das  grab  des  vaters  sehen  zu  dürfen, 
und  er  wiederholt,  was  wir  und  die  müdchen  recht  gut  wissen,  aus- 
und  nachdrücklich,  warum  das  nicht  angehe,  wozu  diese  Wiederholung? 
dabei  spricht  er  1760  fl*.  von  einem  verbot  des  Oedipus  die  heilige  ruhe- 
statt  ^anzurufen',  von  dem  in  den  an  Weisungen  1522  fl*.,  bei  welchen 
die  kinder  zugegen  sind ,  so  wenig  die  rede  ist  wie  in  den  an  sie  gerich- 
teten Worten  im  bericht  des  boten  1640  fl*.,  und  dann  ziemlich  dunkel 
1766  f.  von  einem  dämon,  der  das  gesprSch  zwischen  ihm  und  Oedipus 
gehört  habe,  und  dem  SpKOC,  obgleich  von  einem  eide  in  dieser  be* 
Ziehung  nichts  vorgekommen  ist.  auch  diese  stelle  (1754  —  67)  halte 
ich  für  unechL  tilgen  wir  sie,  so  bezieht  sich  Antigone  mit  den  Worten 
Svenn  dies  in  Oedipus  sinne  ist'  auf  die  mahnung  des  Theseus  1751  IT. 
der  schlusz  von  1768  an  mag  Sophokleisch  sein,  aber  man  darf  ver- 
muten, entweder  dasz  Sophokles  das  drama  nicht  vollendet  hat,  oder 
dasz  es  von  1670  an  vielfach  erweitert  und  entstellt  worden  ist.  es  ist 
wol  überhaupt  klar,  dasz  es  seinen  ungewöhnlichen  umfang  der  inter- 
polation,  zu  welcher  es  gelegenheit  genug  darbot,  zu  verdanken  hat. 
irren  wir  nun  aber  darin  nicht,  dasz  der  ursprüngliche  Oedipus  auf  Ko- 
lonos  eia  meisterwerk  gewesen,  so  dürfen  wir  um  so  weniger  anstehen 
ein  paar  hundert  verse,  in  denen  sich  der  meister  nicht  erkennen  Iflszt, 
zu  streichen ,  da  wir  das  stück  dadurch  noch  keineswegs  zu  sehr  verkür- 
zen würden,  nach  meiner  ansieht  wird  es  auf  ungeHihr  1500  verse 
reduciert  werden  müssen. 

Uebrigens  ist  der  vom  commentar  begleitete  text  nach  aufnähme  zahl- 
reicher emendationen ,  unter  welchen  nicht  ganz  wenige  des  hg.  selbst 
sind,  der  auch  mehrere  stellen  zuerst  für  Interpolationen  erkUrt  hat, 
nach  maszgabe  der  bisherigen  leistungen  der  kritik  ein  recht  guter  zu 
nennen,    der  hg.  gibt  mit  sehr  wenigen  ausnahmen  auch  die  handschrift- 


C.  Aldenhoven :  anz.  v.  Sophociis  Ocdipus  Coloneus  ed.  E. Wunder,  ed.  IV.  455 

liehen  lesarten  an,  moli viert  jedoch  die  emeudalionen  nicht,  gewis  hat 
er  zu  letzterem  seinen  guten  grund.  aber  ob  man  nicht  auch  dem  jungern 
leser  und  vielleicht  gerade  diesem  eine  wenn  auch  nur  andeutende  ant- 
tvort  auf  sein  ^warum?'  zu  geben  hat?  sie  würde  ihm  in  vielen  fällen 
gewis  nfltzlich  sein,  aus  dem  commentar,  der  völlig  seinem  zweck  ent- 
sprechen dürfte,  will  ich  nur  einiges  hervorheben,  um  desto  langer  bei 
dem  texte  zu  verweilen,  zu  dessen  weiterer  besserung  (vielleicht  auch 
für  eine  fünfte  ausgäbe)  ich  so  gern,  quantulumcunque  est,  beitragen 
mödite,  auch  an  solchen  stellen  die  der  hg.  für  krankhaft  hält,  die  er 
jedoch  so  wenig  wie  sonst  jemand  in  die  cur  genommen  und  bei  denen 
er  sich  darauf  beschränkt  hat  zur  erläuterung  zu  geben,  was  sich  eben 
geben  iSszL 

V.  15  CT^YOUCiv  (*sie  schirmen')  in  CT^qpouciv  zu  verwandeln  ist 
nach  beispielen  wie  Aesch.  sieben  198  und  779,  Thuk.  IV  34  gewis 
nicht  nötig.  —  V.  18  eku)  hätte  erklärt  wenlen  mögen,  nur  nicht  mit 
Schneidewin  durch  *  drinnen  hinein  geflogen',  sondern  durch  *in  der 
richtung  nach  innen',  wie  Kar'  aördv  ist  *den  hain  hinab'.  —  V.  19 
xOüXa  Kd^iTT€tv  kann  wol  nicht  'sitzen'  bedeuten,  sondern  *sich  setzen'. 
—  V.  30  in  d£op^äcOat  scheint  nur  der  begriff  des  aufbruches  von 
einem  ort  zu  liegen ,  nicht  der  des  raschen  ganges,  so  ist  hier  ein  pro- 
thysteron,  worin  das  zweite  particip  den  gegensatz  zu  einer  etwaigen 
ruhe  des  mannes  lebhafter  veranschaulicht:  'kommt  er  heran  und  ist 
unterwegs?'  —  V.  35  wie  zu  construieren ?  ich  denlte,  v.  50  ist  eine 
Wiederholung  der  unterbrochenen  anrede  und  qppdcai  auch  dort  von  dem 
nicht  ausgesprochenen  TrpoCTp^nuJ  abhängig.  —  V.  45:  das  hsl.  üjct' 
würde  ich  nicht  mit  djc  vertauschen,  jenes  gibt  den  sinn  'mögen  sie 
mich  gnädig  aufnehmen,so  dasz  ich  nicht  wieder  wegzugehen  brauchte' ; 
dieses  aber  'sie  mögen  mich  gnädig  aufnehmen  (was  immer  angeneh- 
mer ist  als  ungnädig),  denn  ich  gehe  keinenfalls  wieder  weg.'  dies 
klingt  nicht  sehr  höflich  und  empfehlend,  und  was  wollte  Oedipus 
machen,  wenn  die  Eumeniden  ihn  gar  nicht  aufnehmen  wollten?  zu 
jener  iesart  und  erklärung  passt  die  folgende  frage  'was  ist  das  (warum 
du  nicht  gern  weggiengst)?'  sehr  gut,  und  die  richtige  antwort  ist:  'es 
ist  eine  bestimmung  meines  geschickes.'  denn  bekanntlich  müssen  trotz 
schicksalsbeslimmungen  die  mitwirkenden  mächte  doch  in  die  erfüllung 
einwilligen  und  daher  unter  umständen  vom  menschen  darum  gebeten 
werden,  wie  Oedipus  ja  auch  thut.  yfic  ist  hier  sehr  überflüssig,  und 
bedeutet  es  'land'  oder  'erde'?  und  ist  Tficbc  mit  Sbpac  oder  mit  fi\c 
.zu  verbinden?  ich  würde  unbedenklich Musgraves ye  aufnehmen:  'gerade 
von  diesem  sitze.'  —  V.  52  x<&poc  ist  hier  der  ganze  umliegende  räum 
im  gegensalz  zu  dem  hain  und  dem  sitze,  da  aber  v.  38  mit  denselben 
Worten  x^poc  im  engern  sinne  gebraucht  worden,  so  scheint  hier  eine 
bestimmtere  bezeichnung  nötig  und  das  entlMshrliche  bf\t*  in  irfic  ver- 
wandelt werden  zu  müssen,  sowie  der  E^voc  auch  x^poc  näc  und  8v 
^KiCTCißeiC  TÖTTOV  unterscheidet.— V.  63  itX^ov  würde  ich  lieber  nicht  in 
Oeuiv  verwandeln,  denn  1)  ist  ein  gegensatz  zwischen  traditlon  und  ge- 
genwart  der  götter  kaum  statthaft:  wo  man  Icpol  XÖTOi  hat,  sind  auch  die 


456  G.  Aldeuhoven :  anz.  v.  Sophociis  Oedipus  Coloneus  ed.  E.Wunder,  ed.  IV. 

göUer  gegenwärtig.  2)  bezeichnet  raCra  die  gegenstände  der  Verehrung, 
den  Poseidon,  den  Prometheus  und  den  Koionos,  sowie  die  elierne  schwelle, 
und  man  kann  nicht  fflglich  sagen :  die  götter  werden  durch  ihre  eigene 
gegen  wart  geehrt,  belialten  wirTtX^ov,  so  ist  der  sinn:  wir  verehren 
sie  nicht  so  sehr  wegen  der  traditionen  als  wegen  der  fortwährend  em- 
pfundenen Verbindung  mit  ihnen,  jene  berichten  nur  was  sie  geihan 
haben,  diese  läszt  ihre  Segnungen  unmittelbar  selbst  empfinden.  — 
V.  71  das  hsl.  ixoXcTv  würde  ich  der  conjectur  irapQ  vorziehen,  der 
S^voc  will  wissen,  wozu  der  böte  abgeschickt  werden  soll,  also  fragt 
er:  *zu  welchem  zweck  zu  kommen  soll  er  Theseus  auffordern  oder  zu 
bewegen  suchen?'  und  ibc  würde  mit  den  participien  zu  verbinden  sein: 
^um  zu  welchem  zweck  aufzufordern?'  wäre  der  sinn  *  welchen  zweck 
soll  er  angeben?'  so  würde  im  folgenden  verse  K€pbdvoi  stehen. 

V.  104 :  Hermanns  erldärung  ^wenn  ich  euch  nicht  meiner  schweren 
leiden  wegen  zu  gering  scheine'  halte  ich  nicht  für  richtig,  sie  stimmt  niclit 
mit  der  Vorstellung  von  einer  gottheit,  die  unmittelbar  der  gerechtigkeit 
dient  und  keinen  grund  hat  ferner  zu  zürnen ,  wenn  die  strafe  vollzogen 
ist,  noch  jemand  zurückzuweisen,  weil  er  gelitten  hat.  richtiger  erklärt  ohne 
zweifei  der  scholiast:  *wenn  ihr  nicht  meint  dasz  ich  noch  zu  wenig  von 
den  leiden  der  sterblichen  abbekommen  habe.'  an  dem  dativ  im  folgenden 
verse  würde  ich  keinen  anstosz  nehmen,  er  bezeichnet  die  leiden  als  die 
lierren  denen  Oedipus  unterworfen  sei  und  sich  fügen  müsse.  —  V.  113 
T6  nimt  Meineke  ann.  crit.  s.  140  mit  recht  gegen  toi  in  schütz,  und 
Martins  conjectur  t6ö€  für  iröba  ist  eine  viel  leichtere  änderung  als 
TTOtuJV '  TÖbc  würde  den  hain  als  den  erwähnten  bezeichnen ,  ja  Oedipus 
kann  gern  hinzeigen ,  da  er  weisz  wo  er  liegt.  —  V.  131  AT.  (Dindorf) 
^den  mund  des  stummen  gedankens  (der  lautlosen  andacht)  sendend'  ist 
ein  monströses  unbild.  fassen  wir  das  angedeutete  bild  aber  so:  die 
andacht  hat,  sofern  sie  sich  verlautbaren  kann,  einen  mund;  hier  aber 
verlautbart  sie  sich  nicht,  schlieszt  also  den  mund:  so  liegt  es  nahe 
)iU0VT6C  zu  vermuten ,  wodurch  zugleich  der  vorhergehende  glyconeus 
seine  lange  endsilbe  bekäme.  €uq)fjfiou  aber  wäre  proleptisch  zu  fassen. 
—  V.  139:  für  das  äuszerst  schwer  zu  erklärende  q)aTiZ!6fi€V0V  würde 
ich  ohne  weiteres  xarrlöyieyov  schreiben:  ^durch  die  stimme  (die  zu 
mir  gedrungen  ist)  ersehe  ich. was  ihr  begehrt.'  —  V.  142:  nach  dem 
hg.  wäre  der  sinn:  ^sehet  mich  meines  äuszern  wegen  nicht  für  einen 
frevler  an.'  aber  hier  kommt  es  eben  nur  auf  das  betreten  des  unbetret- 
baren  an,  und  Oedipus  will  wol  vielmehr  sagen:  *ich  bin  kein  verächter 
heiliger  Satzungen'  (vgl.  vö]LiOC  168),  indem  er  sich  bewust  ist  seinem 
Orakel  zufolge  einen  anspruch  auf  den  zutritt  zu  haben.  —  V.  145  gibt 
die  conjectur  TpuJTfjc  eine  schwerHillige  structur.  viel  einfacher  ist 
diese,  wenn  wir  Trpu)Tr)C  behalten:  *ich  bin  keineswegs  ein  mensch  des 
looses,  welches  das  erste  wäre  in  beziehung  a«f  das  preisen',  d.  h.  (als 
litotes)  mein  loos  ist  keineswegs  als  das  beste  zu  preisen.  —  V.  150  ff. 
q)UTdX^toc  kann  schwerlich  bedeuten  *von  gehurt'  und  ^axpaluiv  gewis 
nicht  ^seit  lange',  wenn  wir  aber  mit  dem  hg.  nach  öfi^drujv,  aber 
nicht  mit  ihm  nach  bucoiuiV  interpungieren  und  ebenfalls  mit  Bothe 


C.  AldenhoveD :  anz. v.  Sophoclis  Oedipus Coloneus  ed.E. Wunder,  ed.  IV.  457 

liaxpaiuiv  8'  6c'  schreiben,  so  läszt  sicli,  dunkt  mich,  ganz  einfach 
erklaren:  ^du  unglQcklicher  und  hochbejahrter  mann  warst,  wie  zu  ver- 
muten,  auch  der  erzeuger?*  (vgl.  fragm.  957)  mit  beziehung  auf  Anti- 
gone.  das  8c'  ^TTCiKdcai  kann  sich  nemlich  nicht  auf  öuca(uiv  ^a- 
Kpafuiv  T€  beziehen :  denn  dasz  Oedipus  unglöcküch  sei ,  haben  sie  eben 
von  ihm  selbst  gehört,  und  dasi  er  alt  sei,  ohne  weiteres  gesehen  (143). 
<lie  folgenden  verse  scheinen  mir  der  emendalion  noch  mehr  iieddrftig. 
man  erwlge  nur  diese  gedankenverbindung :  *du  sollst,  so  viel  an  mii: 
liegt,  diese  flache  nicht  hinzufügen,  denn  du  gehst  zu  weit;  sondern 
(aber?)  damit  du  auf  dem  schlflpfrigen  boden  nicht  flilst  und  wir  besser 
mit  einander  sprechen  können,  geh  da  weg.'  in  iriirrciv  liegt  jedenfalls 
der  begrifT  einer  raschen  bewegung ;  daher  halte  ich  die  erkUrung  *damit 
du  nicht  unbesonnen  fortgehst'  nicht  für  richtig,  wahrend  ein  fort- 
stürmst' nicht  auf  den  Oedipus  passen  wfirde.  auszerdem  wäre  es 
seltsam  zu  sagen:  ^geh  weg,  damit  du  nicht  weitergehst.'  sollte  nur 
dies  erreicht  werden,  so  konnte  er  ja  bleiben  wo  er  war.  endlich  beiszt 
irepfiv  auch  nicht  eigentlteh  *zu  weit  gehen',  sondern  *binabergeiieu'. 
ich  denke,  die  Kolooiaten  wollen  den  Oedipus  gern  in  gutem  entfernen 
und  ihm  alle  besorgnis  nehmen ,  dasz  man  ihm  gewalt  anthun  möchte, 
wir  erwarten  deshalb  zunächst  eine  Versicherung  in  dieser  beziehung  und 
dann  grflnde,  die  noch  auszer  dem  rerbot  diesen  platz  zu  betreten  den 
Oedipus  willAhrig  machen  könnten,  daher  vermute  Ich  irpocOfjcet  Tic 
X^pac,  T^puiv  fäp  treppe:  'an  dir  wird  sich,  so  viel  an  mir  liegt,  nie« 
mand  vergreifen,  denn  als  alter  mann  kommst  du  herflber.  aber  du  muszt 
da  weggehen,  damit  du  nicht  fällst  und  wir  uns  verstandigen  können  an 
einem  betretbaren  platze.'  das  lisl.  dparuei  in  iparuot  (Musgrave)  zu 
verändern  sehe  Ich  keinen  grund.  ich  beziehe  es  auf  die  folgenden  worle 
und  erklare:  *du  bist  zu  weit  von  uns  entfernt.'  —  Nach  v.  183  fehlen 
vier  verse,  welchen  199—202  entsprechen  sollten,  ist  es  nicht  blosz 
consequent,  wenn  wir  auch  solche  locken  auszuf Allen  suchen?  ich  denke, 
Oedipus  gibt  zunächst  seine  besorgnis  zu  ericennen  von  dem  haine  weit 
abzukommen,  die  tochter  sudit  ihn  darüber  zu  beruhigen,  es  gelingt  ihr 
aber  nicht  recht,  und  er  spricht  seine  besorgnis  noch  einmal  und  mit  be- 
stimmter beziehung  auf  die  Eumeniden  ans.  ich  viill  ein  paar  verse  dieses 
inhalts  als  aufforderung  bessere  zu  machen  hersetzen : 

Ol.  ^axpav  Sieic; 
AN.  öXitoi  ßTiMard  c'  £K<p^p€i, 
Tv'o*K&T'dcۧf|C?bpa. 

Ol.  OcuDv  ccMvd^v  ftirdv€uO€V ;  — 
V.  192:  für  ävTiYT^Tpou,  das  niemand  recht  erklaren  kann,  am  wenig- 
sten der  scholiast,  schlage  ich  dvTiir^pccv  vor:  ^dem  chor  gegenüber.'  — 
V.  ]  94  ff. :  bei  OÖTUIC ,  das  mit  recht  dem  Oedipus  zurückgegeben  ist, 
musz  &K\C  irpOß^ßTiKa  wo!  so  ergänzt  werden,  dasz  der  chor  den  Oedi- 
pus gleich  unterbricht  und  selbst  das  fiXtc  hinzufügt,  aber  was  soll  das 
U)C  dKOÜeiC?  wird  der  alte  mann,  weil  er  nachfragt,  mit  einem  'du 
hörst  es  ja'  angelassen?  und  wozu  die  nachfrage?  er  kann  wol  nur 
noch  fragen,  ob  er  auch  nahe  genug  sei,  dasz  sie  sich  gegenseitig  ohne 

Jfthrbücher  ttr  elui.  philol.  186S  hft  7.  30 


458  C.Aidenhoven:  anz.  v.SophoclisOe(]ipusCo]onease(].E.Wumler.ed.IV. 

mühe  verstehen  können,  daher  vvrmute  ich  die  ÄKoOciv,  nnd  dasz  der 
chor  dem  Oedipns  die  ganze  frage  bis  auf  o&ru)C  zur  bejahung  aus  dem 
naunde  mmt.,  yfelieicbt  um  ihm  das  laute  reden  mdglichst  zu  ersparen^ 
bedenklieh  ist  sodann  die  frage  des  Oedipiia,  ob  er  sich  setzen  solle,  wa» 
die  Kolonlaien  gewis  nichts  angieng.  noch  bedenklicher  die  sonderbare 
Zumutung,  dasz  0edi|Mt8  sich  ^klein  zusammenkauern'  soll,  denn  öxXd- 
cac  kann  doch,  zumal  in  verbimlung  mit  ßpaxiit,  trotz  der  oberflfich«^ 
lieben  deSnition  des  Phrynrchos  nicht  vom  gewöhnlichen  aufrechten  sitzen 
verstanden  werden,  jene  art  zu  sitze»  aber  hat  augenscheinlich  gar  kei* 
nen  zweck,  mnat  dem  alten  mantfe  bei  längerem  gesprich  sehr  unbequem^ 
werden  und  einen  anbitck  gewähren,  gegen  den  sich  der  gute  geschmack 
entschieden  auflehnt,  der  den  greis  gerade  gegenüber  auf  dem  felsen  in  einer 
wärdigen  haliung,  nicht  koboldartig  ZBsanMnengedrfickt  zu  sehen  rer» 
langt,  statt  fj  cBdu  (was  der  codex  gibt)  würde  ich  deshalb  fj  'cnv  wie- 
derum als  alifang  einer  frage  schreiben:  ^ist  da'  —  worauf  der  chor  fort- 
führt, indem  er  den  inheH  der  fi*age  errSth:  «seitwärts  (für  den  von  der 
seile  kommenden  Oediptt6,.2dso  dem  chor  gegenüber)  oben  auf  dem  felse» 
ßpaxuc  ÖKplßoc»,  eine  kleine  tribflnenartige  erbüäong,.  auf  der  Oedipns 
auch  wol  einen  sitz  fand  zum  reden,  dasselbe  mit  fif^  v.  198»  —  V,  197 
Hermanns  äcuxai<it  für  das  metrisch  anstdszige  f|£ux(9  gibt  einen  wun* 
derlichen  pleonastisch-ellipliischen  ausdrttck:  'füge  (äp^OCOi)  den  schrill 
in  ruhigem  schritt  (nemlieh  an  den  schritt)/  wartim  nicht  lieber  6v  dcu- 
Xocitp  (wid  iy  f)CuX(fi  v.  82):  70^6  gemach  einen  schritt  an  den  andern*? 
V.  204  f.:  dne  codjecUir  scheint  erforderlich,  an  die  erste  und 
nfichste  frage  tic  £qnic  (die  alte  correctur  für  Tic  c'  iq^v)  müste  aidk 
wol  statt  der  dunklen  leztesworte  eine  zweite  anachlieszen ,  die  sich  auf 
die  abstammung  bezieht,  viellei^t  t{  cO  itotc  t^vqc  ^X^ic;  — *  V.  230: 
der  hg.  hat  mit  recht  &v  für  div  hergestellt;  aber  seine  erkiflrung  ^ne- 
mini  poena  fatalis  continglt,  cum  repemiit  iniurias  prius  aecepta»'  würde, 
abgesehen  davon  dasz  tiVetv  für  TivccÖat  stehen  müste,. den ausdruck 
sehr  unklar  erscheinen  lassen,  ich  glaube,  wir  erklären  besser:  'das 
büszen  für  etwas,  was  einer  schon  zuvor  erlitten,  naht  keinem  als  eine 
busze,  welche  die  weltordnung  (das  göttliche  urreclit)  verlangt^  d.  h» 
wir  dürfen  dich  nicht  deshalb  strafen^  weil  du  gestraft  bist,  worauf  wei- 
ter folgt :  *aber  zur  trüglichkeit  sind  wir  lierechtigt,  well  du  uns  betrogen 
hast.*  —  V.  237—253:  diesen  gesang,  wdchen  Cobet  und  Meineke  für 
unecht  halten,  sehe  ich  mit  dem  hg.  ale  echt  an ^  nur  glaube  ich  dasz  er 
zum  teil  corrumpiert,  zum  teil  durch  iiiterpolation  erweitert  ist.  er  hat 
eine  auffallende  ähnlicfakeit  im  rhythmus  mit  207—211  (weniger  frei- 
lich ,  wenn  man  nach  Westphtl  metrik  lU  s.  79  fi*.  abteilt)  und  dann  228 
— 236,  znmal  wenn  man  die  verse  t&v  ivpondOi]  bis  ^KTOtroc  als  lauter 
daetylisohe  ansieht,  wozu  man  um  so  mehr  berechtigt  ist,  da  der  anapü*^ 
stische  tact  nicht  ohne  Störung  sein  würde,  man  hai  dm  freilich  die 
dactylischen  reihen  der  sehr  erregten  sttinmnng  der:  Kolonlatdn  gemäss 
sehr  rasch  vorgetragen  nnd  ähnlich  wie  Ar.  ekkl.  11^9  ff.  inie  ^inen 
vers  fortlaufend  zu  denken ,  während  sich  in  der  monedie  der  AnttgOB€ 
die  tetrameler  alle  sondern  lassen,    ob  dies  und  die  Unterbrechung  durch 


C.  Aldenhoven :  anz.  v.  Sophoclis  OeAipus  Coloneus  cd.  E.  Wunder,  ed.  IV.  459 

212 — 227  ein  Hindernis  ist  eine  antislrophische  corresponsion  ähnlich 
wie  Eur.  Andr.  1173  IT.  anzunehmen,  mögen  Itundigere  entscheiden,  so- 
dann ist  in  diesem  gesang  eine  Störung  des  rein  dactylischen  rhylhmus 
durch  V.  249.  femer  ist  der  inhalt  nicht  ohne  anstosz.  Antigone  ver- 
weist auf  ihre  äugen,  die  eher  miüeid  erwecken  könnten,  weil  sie  damit 
sehen  könne  (doch  wol,  weil  m  nicht  geschlossen  seien),  aber  welchen 
eindruck  können  sie  bei  der  groszen  entfernuug  machen  ?  X^^P^V  bezieht 
sich  offenbar  auf  232,  aber  wie  kann  sie  die  x^^ptc  eine  'unerwartete' 
nennen ,  wenn  sie  selber  daruni  bittet  ?  dazu  ist  das  dreimalige  dvTO^ai 
wenigstens  verdächtig,  ^K  C^8€V,  wofür  Elmsley  oTkoOcv  vermutet,  ohne 
zweifei  falsch,  der  ausdruck  oÖK  dv^TAarc  Tiar^pa  befremdlich,  hinter 
ßpOTÖV  ein  dactylus  ausgefallen,  und  die  6€(![)  iSszt  vermuten  dasz  ur- 
sprCInglich  coi  statt  öjitiv  geschrieben  war.  danach  liesze  sich  vielleicht 
die  stelle  folgendergestalt  herstellen: 

(Jj  E^voi 

dböqppovcc,  äkV  InA 

Tepaöv  fivbpa  xövbe  tujv 

dKÖvTwv  dtovTec  auödv 

?PTUiv  dv^iXare  rflc  dTrclpTCiv, 

dXX '  ißl  rdv  jieX^av  oiKTefpare ' 

Trarpöc  ött^p  fiövou  dvro^ai,  dv  bi  cot 

Ke()it€Oa  TXd^ovcc*  dXX'  dmv€ucaT€, 

irpöc  c '  Sti  coi  (piXov  oTkoOcv,  dvTO^ai , 

fj  T^KVOV,  f\  X^XOC ,  f\  XP^OC ,  f\  e€ÖC. 

oö  Tdp  \bo\c  fiv  dOpuuv  ßpoTÖv  d^^opov, 

SCTIC  &V,  €l  OCÖC 

ÄTOi»  *K<puT€iv  büvaiTO.  — 
V.  262 :  wegen  der  mOszigen  Wiederholung  des  oTac  T€  etyai  in  ^x^tv 
ist  woi  dpiceiv  in  dXicfiv  zu  verwandeln.  —  V.  276  dvccTVicaTC  wird 
.von  Bothe  schwerlich  richtig  erklllrt:  Mhr  habt  mich  aufgerichtet.'  Oedi- 
pus  wird  im  gegenteil  sagen:  'ihr  habt  mich  von  dem  platze,  wo  ich 
mein  heil  finden  soll,  aufgejagt  (vgl.  ^eravacrdc  175},  nun  sorgt  auch 
dasz  ich  mein  ziel  erreiche.'  —  V.  278:  der  hg.  gibt  nach  SchSfer  jiow 
pov  für  das  hsl.  ^o(patc,  halt  es  aber  selber  nicht  fflr  richtig,  ich  ver- 
mute Xyjpouc,  sofern  ja  das  orakei  in  erfflllung  gehea  muste,  oder  die 
götter  hatten  leeres  geschwiUz  gemacht.  —  V.  297-~305:  der  hg.  hält 
V.  301  —  304  för  unecht,  ich  habe  über  diese  ganze  sUife  in  Verbindung 
mit  einer  frühern  eine  ansieht,  die  auf  den  ersten  blick  etwas  abenteuer- 
lich aussiebt,  die  ich  aber  doch  zur  prOfung  verlegen  will,  der  chor  ist 
so  eben  bereitwillig  auf  den  Vorschlag  des  Oedlpus  eingegangen,  dasz 
der  landesherr  entscheiden  solle,  nun  hören  wir  dasz  schon  jemand  ab- 
gegangen sei,  um  den  könig  zum  herkommen  aufzufordern,  wozu  diese 
absendung,  wenn  der  chor  nach  eignem  ermessen  verfahren  wollte  und 
erst  von  Oedipus  gebeten  werden  muste  dem  kenig  die  entscheidung  zu 
übertragen?  Oedipus  spricht  288  ff.  und  296  so,  als  ob  er  nicht  weisz 
dasz  Theseus  der  könig  ist  und  in  Athen  residiert,  obgleich  der  Koloniat 
es  ihm  67  ff.  auf  seine  fragen  gesagt  bat  und  Oedipus  den  könig  569 

30* 


460  €.  Aldenhoven :  anz.  v. Sophoclis  Oedipus  Coloneus  ed.  E.Wunder,  ed.  IV. 

mit  dem  namen  Theseus  anredet  und  607  auch  den  namen  des  vaters  an- 
gibt, warum  sollte  er  so  thun,  als  wüste  er  es  nicht?  der  S^voc  wird 
doch  den  Kolonialen  erzahlt  haben ,  was  er  mit  dem  seltsamen  fremdiing 
gesprochen  habe,  derselbe  will  47  nicht  b(xa  TTÖXeuuc  verfahren,  sondern 
anzeige  machen  und  sich  instruieren  lassen ,  er  will  also  doch  wol  zum 
könig  nach  Athen,  gleichwul  erklärt  er  78,  er  wolle  den  demoten  an- 
zeige machen ,  nicht  in  der  Stadt ,  uro  ihnen  zu  überlassen  was  zu  thun 
sei.  warum  ändert  er  seinen  entschlusz?  hoffte  er,  die  Koloniateu  wür- 
den glimpflicher  verfahren?  warum?  und  sie  bestehen  gerade  ziemlich 
unglimpflich  und  gegen  ihre  zusage  v.  176  f.  auf  seine  entfemung.  zu 
diesen  inconvenienzcn  kommt,  dasz  die  frage  v.  64  nach  der  mitteilung 
V.  58  ff.  gern  entbehrt  werden  kann  und  demnach  auch  die  antwort;  dasz 
zu  der  anachronistischen  frage  v.  66  kein  grund  Ist;  dasz,  nachdem  der 
iiwoc  gesagt,  er  wolle  zur  Stadt  (doch  wol  zum  könige),  Oedipus  nicht 
wol  fragen  kann,  ob  einer  von  den  Kolonialen  hingehen  würde;  dasz, 
wenn  Oedipus  sich  dem  chor  gegenüber  so  unbekannt  mit  dem  namen 
des  königs  zeigt ,  es  dem  chor  sehr  nahe  liegt  ihn  zu  nennen ;  dasz  die 
frage  302  'wer  wird  ihm  toOto  toCttoc  melden?'  nur  sehr  gezwungen 
von  der  geschichte  des  Oedipus  verstanden  werden  kann  und  am  ein- 
fachsten auf  die  anzeige  beim  kÖnige  bezogen  wird ,  darin  aber  an  ver- 
kehrter stelle  steht,  das  unpassende  ckottöc  297 ,  offenbar  eine  remi- 
niscenz  von  35,  wo  es  nicht  etwa  eine  amtliche  function  bezeichnet, 
sondern  der  sinn  ist :  *du  kommst  wie  ein  kundschafler  zu  uns ,  der  über 
das  rccognoscierte  terrain  auskunft  geben  kann',  mag  für  kcivoc  einge- 
treten und  oIx€Tai  CTcXujv  aus  o(ko9€V  ctcXcT  corrumpiert  sein.  v.  69 
ist  erst  später  am  rande  hinzugefügt  und  v.  70 — 75  Oedipus  mit  dem 
S^VOC  vertauscht,  also  confusion  im  texte,  nach  dem  allem  haben  wir, 
meine  ich,  'eine  absichtliche  oder  unabsichtliche  confusion  beider  ge- 
spräche  und  die  Interpolation  mehrerer  verse  anzuerkennen,  mit  einigen 
Umstellungen,  heseitigung  entbehrlicher  oder  störender  verse  und  den 
angegebenen  emendationen  liesze  sich  eine  mutmaszliche  urform ,  ohne 
der  Symmetrie  abbruch  zu  thun ,  in  folgender  weise  herstellen : 

44  dXX  *  tXcifi  \ikv  TÖv  Ik^ttiv  beEdaio. 
(46—48  interpoliert} 

49-63 

45  i&ct'  oöx  ?öpac  Tf^c  (t€?)  Tflcb'  fiv  dKXeoi|i'  ?ti. 
(64—67,  70—74  interpoliert) 

75—296 

302  t(c  b'  ?ce*  6  K€ivi}J  toOto  toöttoc  ättcXäv; 
297.  298  irorpiöov  ficTu  rflc  ?X€f  kcTvoc  bi,  viv, 
5c  KdjLife  bcOp*  ?7r€|Li7r€V,  oTko6€v  cteXci. 
68.  69 
299.  300 
301  Kttl  Kdp9*,  öiav  irep  TOÖvOjn^aTcOnTai  tö  cöv,  (komnu 

statt  des  punctum) 
(303.  304  interpoliert) 
305. 


C  Aldenhoven :  anz.  v.  Sophodis  Oedipus Coloneus ed.  E.Wunder,  ed.  IV.  46 1 

doch  möchte  noch  zu  bedenken  sein ,  wie  man  auch  \6fi\i  68  erklären 
mag,  dasz  Oedipus  nicht  ohne  weiteres  voraussetzen  kann,  dasz  dieser 
könig  wirklich  diese  eigenschaften  habe,  es  wird  daher  eine  weitere  mit- 
teiiung  des  chors  sein,  der,  weil  er  sieht  dasz  jener  vom  könige  nichts 
weisz,  hinzufügt,  er  regiere  durch  sein  wort  und  (falls  dieses  nicht  aus- 
reichen sollte)  durch  seine  macht  (sei  also  ein  respectabler  herr)  und 
heisze  Theseus  usw.   so  w3re  zu  schreiben : 

297  Traipipov  äcxu  Tflc  Ix^v  kcTvoc  bi  viv, 

298  6c  Kä\xk  beöp*  fne^ncv,  oiKoGev  cicXei. 

68  oiJTOc  bi  TOI  XÖTtp  T€  Ka\  c9^vci  KpaiOüv 

69  encciic  KoXeiTai  usw. 

V.  306  f. :  dasz  ßpabuc  cCbei  der  Snderung  bedarf,  ist  wol  klar, 
aber  dasz  mit  ßpabuc  Ti^pcji  Theseus,  dessen  art  aufzutreten  und  zu  spre- 
chen viel  eher  einen  mann  in  den  besten  jähren  vermuten  läszt,  zu  einem 
alten  manne  gemacht  wird ,  will  mir  gar  nicht  zusagen,  v.  890  erkläre 
ich  auch  viel  lieber  Mch  habe  meine  beine  nicht  geschont  um  eiligst  her- 
zukommen' als  *der  weg  ist  mir  sauer  geworden',  was  übrigens  auch 
dem  jüngsten  passieren  kann,  ich  denke,  wir  schreiben  besser:  ßaOuv 
cubct,  sc.  {hrvov  vgl.  die  beispiele  dieser  ellipse  bei  Bosius  eil.  gr. 
8.  316  (Schäfer).  —  V.  318  TäXatva  kann  nicht  fflglich  bedeuten,  dasz 
Antigene  schlimme  nachricht  erwartet :  sie  weisz  noch  nicht  einmal  dasz 
Ismene  es  ist.  viel  lieber  erkenne  ich  mit  Meineke  darin  einen  ausruf, 
den  ihr  die  Spannung  und  nngewisheit  auspresst,  wie  denn  dieser  ausruf 
oft  nicht  so  sehr  viel  sagen  will,  selbst  bei  unserm  ^ich  bin  des  todes' 
denkt  man  nicht  immer  gerade  ans  sterben.  —  V.  327 — 332 :  der  Um- 
stellung von  V.  328  nach  330  kann  ich  nicht  zustimmen,  die  beziehung 
zwischen  bueiv  ö^oC  und  buc^öpou  b*  l\ioQ  TpiTY]C  darf  nicht  gestört 
werden,  auszerdem  ist  die  erklärung  von  Tpo(pai  (nachkommenschaft), 
wenn  ?\  Tf]cbe  k&^oC  und  bucfiöpou  b*  ipiox)  rptnic  darauf  bezogen 
werden  soll,  überaus  künstlich.  Ismene  soll  nemlich  die  abstammung 
meinen ,  Oedipus  aber  an  sein  und  Antigenes  jammervolles  leben  denken 
und  doch  nachfragen,  ob  sie  gemeint  seien,  behalten  wir  dagegen  die  ^ 
hsl.  folge,  so  fragt  Oedipus  im  erneuten  bittern  bewustsein  des  unseligen 
Verhältnisses  zu  seiner  tochter,  nach  welchem  er  ihr  vater  und  bruder 
zugleich  ist  (cT^^p^'  djüiat^ov),  also  gleichsam  zwei  personen  in  sich 
begreift  —  obwol  Ismene  ganz  unbefangen  mit  bueiv  ö^oO  den  vater 
und  die  Schwester  meint  —  in  schmerzlichem  tone:  *  meinst  du  Anti- 
gene und  mich?'  natürlich  geht  Ismene  nicht  weiter  auf  diese  andeu- 
lung  ein,  sondern  antwortet:  'jedenfalls  (umarme)  ich  (euch)  als  die 
dritte  unglückliche.'  danach  wäre  aber  buc^opöc  T*  ^T^  TpiTr)  zu 
schreiben,  und  wenn  die  wiederholte  frage  328  eine  Überladung  und 
die  erwiderung,  dasz  es  mühe  gekostet  zu  kommen,  gleich  bei  der  be- 
grüszung  nicht  recht  passend  scheint,  so  kann  dieser  vers  um  so  eher 
entbehrt  werden,  da  Ismene  noch  361  ff.  von  ihren  mühsalen  spricht, 
danach  würde  denn  aber  die  conjectur  bu*  d6X(iu  rpoqpd  unnötig  wer- 
den. —  V.  362 :  das  kaum  erklärbare  Tpoqpi^v  wird  ursprünglich  rpox^v 
gelautet  haben:  'deinen  lauf  d.  i.  deine  spur  suchend,  (epexege tisch)  wo 


462  G.  Aldenhoven :  anz.  v.  Sophoclis  Oedipus  Coloneus  ed.  C.Wander.  ed.  IV. 

du  dich  niedergelassen  ballest.'  —  V.  367:  der  hg.  nimt  fpuüC  als  not- 
behelf  fQr  Ipic  auf.  Ich  sehe  nicht  ein  warum  fpic  unpassend  sein  sollte : 
dieser  Wetteifer  in  der  entsagung ,  der  durch  den  Zusammenhang  als  ein 
löblicher  erscheint,  bildet  gerade  den  gegensalz  zu  der  Kcucf|  Cpic  372. 
—  V.  369 :  ebenso  wenig  wQrde  ich  XÖTip  mit  9ÖVIU  zu  verlauschen  ge- 
neigt sein  und  es  einfach  erklaren  *in  vernünftiger  erw9gung',  im  gegen- 
satz  zu  dXiTnpoO  (oder  dXiTpiac}  q>p€VÖc 

V.  402:  der  dunkle  ausdruck  bucr^x^^'V,  vielleicht  glossem  zu  ßa- 
puc,  möchte  in  bicraBck  zu  verwandeln  sein:  denn  darauf  eben  kam  es 
an,  dasz  das  grab  von  Theben  getrennt  (entfernt)  war.  —  V.  403:  dasz 
es  sich  von  selbst  verstehe,  den  Thebanern  mflsse  es  schlecht  ergehen, 
wenn  sie  ihn  nicht  bestatteten,  konnte  Oedipus  unmöglich  sagen,  wol 
aber  konnte  er,  dem  das  ganze  orakel  räthselhaft  war,  fragen:  'wer  kann 
dies  ohne  einen  gott  verstehen?*  daher  wol  5v£U  Oeou  Tic  dieser  vers 
aber  müste  auf  401  folgen  und  404  f.  als  eine  durchaus  überflQssige 
Wiederholung  nach  399  f.  getilgt  werden.  —  V.  429  oÖTOtv  liesze  sich 
ja  zur  not  erklären :  *durch  ihre  schuld',  da  sie  es  hätten  verhindern  kön- 
nen, vgl.  444;  aber  die  Zusammenstellung  von  dvdcTOTOC  und  (puTdc 
hat  etwas  überladenes,  daher  wSre  ich  sehr  geneigt  dv£U  CTdc€Uic  aö* 
TOtv  zu  schreiben:  'ohne  dasz  sich  die  beiden  dagegen  auflehnten.*  — 
V.  431—444:  Oedipus  vertheidigt  hier  den  Vorwurf,  den  er  Theben  und 
seinen  söhnen  wegen  der  Verbannung  macht,  gegen  den  etwaigen  ein- 
wand, dasz  er  ja  selber  einst  darauf  gedrungen  ihn  zu  töten  oder  zu  ver- 
bannen, OT.  1378  IT.  dasz  man  den  greis  nicht  um  des  vor  vielen  jähren 
ausgestoszenen  unbedeutenden  Wortes  willen  (firouc  CfiiKpoO  X<ip^v, 
was  Reisig  schwerlich  richtig  erklärt  'es  hätte  ihnen  nur  ein  wort  ge- 
kostet') verbannen  durfte,  brauchte  es  dieser  bemerkung  den  töchtera 
und  dem  chor  gegenüber?  eher  gehörte  sie  in  das  gespräch  mit  Poly- 
neikes,  wenn  dieser  sich  hätte  rechtfertigen  wollen,  was  er  aber  nicht 
thut,  obgleich  Oedipus  ihm  dieselben  vorwürfe  macht  1354  IT.  auch 
Kreon,  dem  er  765  IT.  seine  falschheit  nachweist,  macht  jenen  einwand 
nicht,  so  hat  teils  die  ganze  stelle  keinen  rechten  zweck ,  teils  würden 
wir,  da  441—449  eine  Wiederholung  der  verse  427 — 430  enthalten, 
mit  1354  IT.  dreimal  dieselben  vorwürfe  hören,  teils  ist  das  o\  ToC  ira- 
Tpöc  442  ein  seltsamer,  gesuchter  ausdruck.  wäre  ich  jedoch  im  irtum, 
wenn  ich  diese  ganze  stelle  für  unecht  halte,  so  müste  doch  mindestens 
der  schlusz  erweitert  und  verändert  sein,  der  vielleicht  gelautet:  ol  b* . 
^TTiücpeXeiv  I  ouK  i^OeXncav  buvdjüieyoi  iraibec  irarpi,  worauf  dann 
445  folgen  würde.  —  V.  496  T(j)  \xi\  bOvacOai  in  t^  jütrj'^c  cübK€iv  zu 
verändern  scheint  mir  unnötig.  Oedipus  will  sagen:  ^vom  gehen  musz 
ich  abstehen ,  teils  weil  ich  nicht  die  kraft  dazu  habe ,  teils  weil  ich  blind 
bin.'  —  Y.  500 — 502  sind  wahrscheinlich  die  zugäbe  eines  Interpolators, 
dem  es  um  einen  grund  zu  thun  ^var,  weshalb  Oedipus  nicht  allein  blei- 
ben wollte,  er  bedachte  nicht  dasz  Oedipus  gern  auf  seinem  platze  ver- 
weilen konnte,  bis  die  töcbter  wiederkämen,  wie  er  denn  auch  bis  zu 
seinem  letzten  gange  nicht  wieder  zum  gehen  kommt,  wol  aber  lionnte 

'upt  der  greis  des  belstandes  bedürfen ,  und  selbst  der  fall  dasz  er 


C.  Aldenhoven :  anz.  v.  Sophodis  Oedipus  Coloneus  ed.  £. Wunder,  ed.  IV.  463 

genötigt  Würde  den  platz  zu  verlassen  konnte  eintreten,  aber  eben  dasz 
für  alle  fälle  die  gegenwart  einer  lochter  wünscbenswerth  war,  ist  so 
selbstverständlich,  dasz  es  keiner  begröndung  bedurfte,  und  wird  jeden- 
falls durch  diese  Worte  nicht  hinlänglich  begrfindeL  —  V.  503 :  warum 
TÖv  TÖirov  in  das  ziemlich  schwierige  tujv  -rrOTiIiv  verwandeln?  Ismene 
fragt  nicht,  wo  der  hain  sei,  sondern  an  welchem  platze  sie  das  wasser 
finden  soll,  und  darauf  wird  geantwortet:  'in  dem  baine  dort.'  —  V.  521  f.  : 
dasz  die  stelle  cornipt  sei,  erkennt  der  hg.  an,  Itszt  jedoch,  w&hrend  er 
fflr  das  gänzlich  unpassende  Akuiv  die  conjectur  hühv  aufnimt,  das  fibrige 
unberührt  gegen  diese  conjectur  aber  llszt  sich  einwenden,  daszJdedipus 
völlig  unverständlich  gesprochen  haben  wQrde,  wenn  er  gesagt  hätte: 
^ich  habe  freiwillig,  aber  durchaus  nicht  aus  freier  wähl  gebandelt,  um 
anzudeuten  was  sich  von  selbst  verstand ,  dasz  niemand  ihn  gezwungen 
habe  den  mann  im  hohlwege  zu  töten  und  die  königin  zu  heiraten,  die 
zweite  Schwierigkeit  besteht  darm,  dasz  der  vers  TOirruiV  usw.  mit  dem 
entsprechenden  (511)  in  einer  sehr  seltenen  art  von  responsion  stehen 
wQrde,  von  der  sieh  bei  Sophokles  kein  zweites  beispiel  fände,  nemiich 
^|.w^-|w  —  und  -i  —  |.ww.|w.  ich  finde  einen  dritten 
anstosz  darin,  dasz  rieb  TOt/TUiv  kaum  schicklich  auf  KOUCÖniTa  beziehen 
wOrde.  ich  halte  demnach  mit  Hermann  ad6a(p€T0V  fflr  ein  glossem, 
nur  wfirde  ich  nicht  das  sonst  ungebräucJiliche  i6€Xi|t&v  dafflr  schreiben, 
und  möchte  idie  ganze  stelle  so  gestalten:  fjveincov  kcuc&  raOr',  (b 
S^vot,  JjvcTKov  •^Tili  M^v,  dcöc  Icrui,  |  TOtStuiv  b '  iOeXf)ftöv  oübiv: 
^ ich  bin  es  der  dieses  unheH  (von  dem  die  rede  ist]  gebracht  hat,  aber 
davon  niclil«  IrenvIlHg',  vgl.  266  f.  —  V.  550:  fflr  &Tr€CTdXT]  gibt  der 
hg.  mit  '^ndopf  i<p*  icrd^Ti.  ich  wflrde  dfCOcraXek  vorziehen.  — 
V.  558  f.  schreibi  der  bg.  nacliNaudis  Vermutung  t&  vuv  0'  öbotc  | 
4y  TOicb€  XciOccuiv  Mr  . .  .  ^  TOttcb'  dxotiuiv.  man  könnte  der  hsl. 
lesart  «vol  näher  kommen,  aber  auch  das  iv  Tatcb'  öboic  ist  mir  als 
ziemlich  QberMssigdr  «Matz  anstössjg ,  da  es  nicht  etwa  ^unterwegs'  be- 
deuten kann.  Ich  vermute  daher:  Td  vuv  0'  öfAuic  |  aöröc  bpoxwv  C€. 
—  V.  588:  der  hg.  läszt  i^  'fK)ö  unverändert,  allein  die  frage  des  The- 
fleus,  Mr  leicht  so  viel  wissen  4onnte,  dasz  die  söhne  des  Oedipus  zur 
liersehafi  gekommen,  ist,  da  Oedipus  auf  einen  kämpf  hindeutet,  der 
Jenem  bevorstehe,  vielmehr  die:  ^sprichst  du  von  den  Verhältnissen  zwi- 
schen deinen  söhnen  und  mir?'  und  demnach  mit  Meineke  KdfiOÖ  zu 
«direlben ;  vgl.  «606.  *—  V.  589  f. :  die  conjectur  des  hg.  dvoTKäcoua 
48t  gewis  nolwendlg ,  aber  loh  halte  die  slelle  für  noch  corrupter  und 
vernraxe :  ^KCivot  ßabt£€iv  xeTc'  ivoTK&coud  )U€ ,  und  als  entgegnung : 
^XX'  \6*  iOeXovTifiv'  oöb£  cot  ife&XtW  KOeXdv:  'auch  die  Verbannung 
ist  nkht  rthmllcb  fflr  didi." 

V.  610:  scfllte  nicht  des  gegeneetses  zu  ci6fiaT0C  wcg^lc  ^^X^ic 
«tatt  kxOc  Tftc  itt  schreiben  «ein?  ^  V.  687:  durch  die  conjectur  Ijn- 
iroXtV'fär*£|biiT€fttv  entsteht  eine  Oberbdung  des  ausdrucks,  und  ich  sehe 
•keinen  grund  zur  Bnderung.  das  In  .^ßaXtij  X&pnv  gegebene  bild  wird 
beibehalten  und  Theeeus  sagt:  *ich  will  die  tfi&QK  nicht  von  uns  stoszen, 
sondern  im  gegenteil  (schol.  Ik  toO  ivavrfou)  Im  lande  helmisch  ma- 


464  C.  Aldenhoven :  anz.  v.  Sopliodis  Oedipus  Coloneus  cd. E.Wunder,  ed.  IV. 

chen.'  —  V.  638 — 641 :  ebenso  wenig  anslosz  nehme  ich  an  diesen  ver* 
sen,  die  der  hg.  eingeklammert  hat,  da  sie  sich  einfach  erklären  lassen: 
Svenn  es  dem  fremden  beliebt ,  so  will  ich  dir  (zum  chor  gewendet)  die 
obhut  anbefehlen,  oder  wenn  mit  mir  zu  gehen  dir  beliebt,  so'  (mit  sehr 
gewöhnlicher  und  natürlicher  breviloquenz,  bei  welcher  man  ohne  weite- 
res suppliert:  'magst  du  das  thun,  also)  überlasse  ich  dir,  Oedipus*,  die 
wähl.'  —  V.  467  X^yotc  mit  fiv  ist  Ider  schwerlich  passend,  ich  ver- 
mute T€Xoic  in  Übereinstimmung  mit  tcXoCvti  im  folgenden  verse.  — 
V.  658  f.:  ebenso  halte  Ich  den  sonderbaren  ausdruck  noXXa\  b*  direi* 
Xai  KaTT)7r€iXT)cav  für  eine  corruptel  und  vermute:  iroXXol&i  beiXol* 
—  V.  661 :  desgleichen  ist  hier  eine  so  künstliche  erkUrung  erforderlich, 
dasz  ich  statt  Kcivoic  b'  IcuJC  K€l  belv'  unbedenklich  schreiben  würde: 
Kcivotc  b^  K€i  Ttc  beiv '.  —  V.  664  f. :  für  das  falsche  xfivcu  Tf^c  i^^c 
vermutete  schon  Hermann  x&v  d^fic  fiv€U,  sowie  Brunck  ^ui^TjC  für 
1fVuu^r1C.  allein  eine  ungezwungene  erklärung  l2szt  sich  daraus  kaum 
gewinnen,  vielleicht:  ifw^i  c'  £v€Ka  ificbe  Tf]C  |  TViUMilc:  *ich  bin 
also  der  meinung,  um  dieser  gesinnung  der  Thebaner  willen  darfst  du 
ruhig  sein.'  —  V.  680  äjüi9t7ToXiüV  durch  'peragrans*  zu  erklären  ist 
doch  wol  zu  gewagt  und  der  daliv,  der  sonst  von  truppen  gebraucht 
wird ,  hier  kaum  anwendbar,  ich  sehe  Oeiaic  als  glosse  an  und  schlage 
vor  CUV  d^q>lnöXolC  TiGrivaic  —  V.  718:  nein,  die  'hundertffiszigen* 
Nereiden  kann  man  nicht  dadurch  zweifüszig  machen,  dasz  man  ein 
rechenexempel  (50  X  2  füsze  gibt  richtig  100)  daraus  macht,  der  hg. 
bemerkt  dazu  sehr  richtig:  *quas  propterea  Sophocles  dKaT6^1robac 
satis  insolenter  vocat.'  auch  kann  Plndar  (Athen.  XIII  57309  wel- 
cher Kopäv  är^oiv  ^KaTÖTT^tov,  zu  meiner  freude  nicht  iKOTOTT^tuiV, 
vorgeführt  bat,  nicht  für  den  ausdnick  sprechen,  ebenso  wenig  darf  man 
jetzt  noch  ttoOc  für  etwas  erklären,  was  eigentlich  nichts  bedeute  als 
etwa  dasz  die  Nereiden  tanzen ,  noch  sich  mit  dem  bildlichen  ausdruck 
El.  488  TToXiinouc  xal  noXux€ip  von  der  Erinys,  die  daneben  auch 
XoXköttouc  heiszt,  beruhigen,  am  wenigsten  aber  dürfen  die  hekaton- 
cheiren  erwähnt  werden :  denn  dachten  die  Zuschauer  an  dieses  analogon^ 
so  war  die  heiterkeit  gewis  erst  recht  grosz.  Musgrave  hat  ^KaTOfuiTrö- 
pwv  vorgeschlagen  nach  den  ^irrdnopot  TTXeidbec  (Rhesos  530).  sehr 
ansprechend,  nur  Ist  mir  nicht  klar,  ob  der  ausdruck  von  den  regdmäszig 
wandelnden  Pleiaden  auf  die  regellos  zerstreuten  Nereiden  fibertragen 
werden  darf.  Ich  würde  ^xaTOVCTÖXiiüV  vorziehen :  denn  man  schwankte 
bekanntlich  zwischen  50  und  100  Nereiden,  ob  etwa  auch  iXarofiirö- 
bujv  (^streckfüszig',  wie  die  Okeaninen  Hes.  Th.  364  raväcqpupoi  und 
die  Erinyen  Ai.  837  TaväTTobcc  heiszen)  etwas  für  sich  habe,  bin  ich  in 
zweifei.  —  V.  752 :  der  genetiv  toO  ^TriövTOC  soll  von  einem  zu  den- 
kenden oCca  abhangen,  und  dasselbe  unentbehrliche  wort  wird  auch  bei 
dem  inüuitiv  vermiszt»  die  Schwierigkeit  der  erklärung  beweist  mir,  dass 
eben  dieses  dpndcai  einer  änderung  bedarf,  und  ich  schreibe  getrost 
äpTTOrfOC,  abhängig  von  ?|iiT£ipoc,  welches  man  nicht  mit  recht  anficht^ 
und  erkläre  so:  *was  ehe  heiszt,  weisz  sie  nicht,  wol  aber  weiaz  sie  von» 
nahenden  räuber.'    jene  freuden  und  diese  angst  bilden  den  schünsten 


d Aldenhoven:  anz.v.SophoclisOedipu8Co]oDeused.E.Wunder.ed.lV;  465 

gegeosatz.  —  V.  769 :  der  hg.  schreibt  nach  Blaydes  Xmtdv  fflr  elnuüV» 
dadurch  aber  wird  der  folgende  satz  unklar,  gewis  erklärt  Heineke  ganz 
richtig:  'amanler  urbi  valedicens',  während  qpiXuüC  Xtnuiv  leicht  'gern 
verlassend'  verslanden  würde.  —  V.  800  f. :  den  hsl.  lext  hat  noch  nie- 
mand recht  erklären  können ,  auch  der  hg.  nicht,  namentlich  der  gegen* 
satz  zwischen  ic  rd  cd  und  ic  rd  cauToO  ist  unverständlich,  dem  zu- 
sammenhange wenigstens  angemessen  dürfte  sein :  bucTUX€iv  dv  de  rd 
cd  t\  npdc  ceauToO:  ^meinst  du,  du  würdest  in  deinen  verhältnissea 
durch  meinen  Vorschlag  (vorhin  dv  Ttfi  X^TCtv)  unglücklicher  sein  als 
durch  dich  selbst?'  nemlich  der  du  schon  so  vieles  gethan,  um  dich  un- 
glücklich zu  machen.  —  V.  813:  die  jedenfalls  corrupte  stelle  läszt  sich 
vielleicht  so  herstellen:  juapTupopm  TOÜcb'oöx('  ^P^^  •  •  dvra^eiipei 
usw.  Oedipus  sagte:  *geh  fort:  denn  ich  will  auch  im  namen  dieser 
männer  sprechen'  (deren  beistimmung  ich  voraussetzen  darl).  Kreon  er- 
widert: *auf  ihr  urteil  oder  zeugnis  gebe  ich  nichts,  ich  werde  dich  zu 
denThebanern  schleppen,  und  was  wirst  du  dann  antworten?'  —  V, 907: 
mit  Reiske  oöcnep  fflr  &cn^Q  zu  schreiben  genfigt  niclit.  vielleicht 
vOv  b'  oucnep  elc  aurdc  vöjüiouc.  —  V.  982—984:  die  worle  welche 
besagen:  *als  mich  meine  mutter  gebar,  wüsten  wir  beide  nichts  davon% 
klingen  zu  komisch,  um  echt  sein  zu  können,  entweder  ist  wol,  wie 
Heimreich  (programm  von  Flensburg  1865]  meint,  d)  MOI  fioi  xaKOiv  . . 
cibuia  eingeschoben  und  dem  zweiten  ^tiktc  ein  v  angehängt,  oder 
v.  982  lautete  ganz  anders,  etwa  friKTC  T<ip  M\  ^KTTJcar'  dvöciov 
td^ov.  indesseu  genügt  was  Oedipus  986  f.  sagt,  und  ich  möchte 
lieber  jene  worte  als  eine  effectvolle  einschiebung  ansehen. 

V.  1026  f.:  durch  welche  ungerechtfertigte  list  hat  Kreon  sich 
etwas  erworben,  um  den  sprach  auf  ihn  anzuwenden?  Theseus  kann 
nur  die  töchter  des  Oedipus  meinen ,  welche  Kreon  aber  nur  durch  ge- 
walt  in  seinen  besitz  gebracht  hat ,  die  er  freilich  durch  erfolglose  So- 
phismen zu  beschönigen  sucht,  sodann  aber  welche  exegetische  künste 
erheischt  das  folgende!  'du  wirst  keinen  andern  (d.  h.  helfer)  für  diesen 
zweck  haben  (nemlich  die  roädchen  festzuhalten,  d.  h.  deine  helfer  wer- 
den dir  nichts  nützen}.'  dann  hat  man  bei  sich  zu  denken :  'solche  helfer 
wirst  du  irgendwo  versteckt  haben',  und  Theseus  fährt  fort:  *denn  so 
ungedeckt  und  ungerüstet  hättest  du  so  etwas  nicht  gewagt,  und  dies 
musz  ich  nun  untersuchen ,  dasz  nicht  die  ganze  Stadt  dem  äinen  unter- 
liege.' es  erhellt  augenblicklich,  dasz  diese  höchst  gezwungene  und  will- 
kürliche erklärung  wiederum  der  idee  angepasst  ist,  dasz  Theseus  die  mäd- 
chen  in  der  nähe  versteckt  glaubL  oder  sollte  gar  ein  zwiefacher  versteck 
gedacht  werden,  einer  für  die  mädchen  mit  den  entführern  und  einer  für 
leute  die  dem  Kreon  nötigenfalls  zu  hülfe  kommen  sollten?  waram  sind 
diese  aber  nicht  gekommen ,  als  Theseus  auftrat  und  die  sache  gefährlich 
wurde?  warum  ruft  Kreon  sie  jetzt  nicht?  und  jedenfalls,  wenn  auch 
solche  versteckte  helfer  fehlten,  war  er  mit  denen  gekommen,  welche 
die  mädchen  entführten,  also  verstand  es  sich  von  selbst,  dasz  er  leute 
hatte,  auf  deren  beistand  er  rechnen  konnte,  aber  allerdings  ist  das  lange 
verweilen  des  Kreon  nach  dem  abzug  seiner  leute  bei  den  hülfe  rufenden 


466  C.  Aldenhoven :  anz-v.  Sophociis  Oedipus  Coloneos  ed.  £. Wander.  ed.  IV. 

Kolonialen  sehr  anflallend,  wenn  man  848 — 863,  872  f.  und  876—886 
als  echl  gdien  läszL  streicht  man  dagegen  alles  dies,  so  findet  man  den 
Kreon  nur  noch  ganz  kurze  zeit  nach  der  abfQhning  der  Antigone  allein, 
um  wo  mdgltcb  auch  den  Oedipas  fortzubringen ,  und  seinen  leulen  noch 
nahe  genug  um  sie  abrufen  zu  können,  dann  aber  ersdieint  sogleieh 
Tbeseus  mit  begleitem  und  verhindert  ihn  seinen  leuten  zu  folgen,  die 
ganze  stelle  gewinnt  nun  ein  anderes  aussehen,  wenn  wir  den  versteck 
aufgeben  und  das  unpassende  bökvii  in  Xöxui  verwanddn.  dann  ergibt 
sich  folgende  erklimng:  'sieh  vyas  du  erreicht  hast:  du  hast  einen  besitz 
(die  mftdehen),  aber  dafflr  bist  du  nun  selber  besitz  (der  meinige);  du  bist 
auf  die  jagd  gegangen  und  selber  erbeutet,  denn  ein  erwerb,  der  aus 
ungerechtem  gründe  (Xöt^p  Ttji  ^1[  biicatifi,  vgl.  762  XÖTOU  biiaiiou 
fnix<ivivia  iroudXov)  hervorgeht,  hat  kein  gedeihen,  und  zu  deinem 
mfldchenraub  wirst  du  keinen  andern  (grund)  haben.'  Tbeseus  spricht 
nur  seine  woIbegrOndete  Vermutung  entschieden  aus:  denn  Kreon  hat  sich 
wegen  dieses  raubes  noch  nicht  zu  reditferligen  gesucht  ^aber*  Ahrt 
er  fort  ^irgend  etwas  wirst  du  für  dich  vorzubringen  haheu:  du  wirst 
nicht  so  kahl  und  ungerfistet  (Xöroic,  vgl.  KeWj  869)  an  diese  verwegene 
that  gegangen  sein,  sondern  irgend  einen  XÖTOC  haben,  auf  den  du  ver- 
traut hast,  das  musz  ich  untersuchen'  (äOpi)con)  usw.  es  verstdit  sich 
von  selbst,  dasz  Tbeseus  hier  als  der  gerechte  erschefaien  soll,  der  gern 
bereit  ist  nach  beiden  seiten  hin  gerechte  anspräche  zu  befriedigen,  aber 
die  mädcben  mOssen  erst  wieder  zur  stdle  sein ,  bevor  Kreon  entlassen 
werden  kann,  und  ebenso  selbstverständlich  kann  das  verhör,  da  Kreon 
nichts  triftiges  zu  sagen  hat,  nicht  lange  wfthren,  vgl.  830 — 832  (denn 
850  f.  gehören  zu  der  stelle  die  ich  fQr  interpoliert  halte),  und  Theseus 
kann ,  nachdem  er  Kreon ,  milde  und  gegen  Theben  freundnachbarlieh  ge- 
nug ,  entlassen ,  nach  dem  stasimon  fQglicIi  wieder  auftreten.  —  V.  1054 
— 1078:  eine  euf  grOndliche  heilung  noch  wartende  partie  und  äugen- 
schdnlich  so  corrumpiert,  dasz  zum  tdl  nur  noch  trfimmer  des  urtezles 
übrig  zu  sdn  scheinen,  indessen  läszt  sich  auch  daraus  woi  etwas  ma- 
dien,  was  Sopfaokleiseh  aussieht,  ich  will  meüien  versuch,  ohne  auf  die 
unzureichenden  erklSrungen  einzugehen ,  auf  alle  gefahr  iiin  zum  besten 
geben,  vor  dien  dingen  bringe  ich  ,wol  mit  recht  die  ^unvenutUten' 
frauenzimmer  aus  dem  kampfgewühl  hinter  die  fronte  —  sie  kommen 
nachher  auch  zum  Vorschein  —  und  sclilage  folgende  gestaltung  vor: 

?v8  •  olpm  t6v  d^l^avfi 

'6T]C€tbav  Kai  toc  iröX€uic 

db^flrac  dbeXqpouc      "" 

övraxci  Tdx'  ifiMt^iv  ßoqi 

TOüCb*  dTTttTUlTOUC 

'dort,  glaube  ich,  wird  der  kriegsentbrannte  Tbesdde  (die  Athener,  vgl. 
1066)  und  die  uttbezwmigenen  brfider  der  Stadt  (die 'Koloniaten,  irpöc- 
Xiupot  1065)  bald  in  widertiallendes  4criegsgesclirei  jene  entfahrer  ver- 
wickdtt'  d.  h.  sie 'Zum  kämpf  nötigen,   dann: 

f\  TTpdc  TÖv  iqy^cncpov 

TT^rpoc  vKpdboc  neXCDc ' 


C.  Aldenhoven:  anz.v.SophocHsOcdipusColoneas ed. E.Wunder. ed. IV.  467 

OidTtboc  Ik  vo^oO 

nuuXoictv  f\  ßtjüiqxxpjüidTOic 

CTT€ubovT€C  djiiXXaic. 

dXuiccTm .... 
icp^CTrepoc  bezeichnet  die  westw9rU  wohnenden  Thebaner.   *in  der  rieh* 
tung  auf  diesen  werden  die  Theseiden  und  Koloniaten  dem  schneefelsen 
nahen.*  zu  dXdbccTat  ist  ö  dq)^C7r€poc  das  subject.  ferner  1067 — 1070: 

irfica  b'  öpMorai  xdrui 

djLiTTUKTrjpia  iTOtKiXa 

d^ßactc* 
*die  ganze  reiterei  zieht  abwärts  (in  die  ebene)  mit  bunten  pferdel&opf- 
riemen'  (djüitruKTfipia  acc.  der  beziehung  und  TTOtKiXa  fem.),    endlich 
1074—1078  : 

fpbouctv,  od  ji^XXouav,  d)C 

irpo^värai  ri  jiot 

Tviüfia  xdx*  dvrdceiv  [TidOfi" 

tSv  betvd  rXacSv,  bcivd  h*  eöpoucfiv  7rp6c  auOaljüiuiv 
^sie  sind  thätig,  sie  zaudern  nicht  (ich  spreche  es  zuversichtlich  aus): 
denn  der  ahnende  geist  sagt  mir,  sie  werden  bald  die  mädchen  antrefTen' 
usw.  der  chor  gedenkt  beider,  wie  1097;  den  genetiv  gibt  schon  der 
scholiast.   in  der  antistrophe  1085  f.  aber  würde  Ich  schreiben : 

Id)  Itb  irdvxapxe  8|äv, 

TTavTÖirra,  iiöpoic.  — 
V.  1096  f. :  zu  ibc  ipcuböjüiavTic  ergänzt  der  hg.  €l)ii.  die  erkiärung 
wird  aber  viel  einfacher,  wenn  wir  icri  ergänzen:  'zu  dem  der  nicht 
ilie  Zukunft  vorhersagt,  sondern  meldet  was  er  als  thatsache  mit  eignen 
äugen  sieht,  kann  man  nicht  sagen  dasz  er  falsch  prophezeie'  d.  h.  jetzt 
ist  kein  zweifei  mehr  möglich,  die  «mendation  TÖv  ckoitöv  ist  demnach 
unnötig.  —  V.  1110  f.  eTiiv  dv  kann  nicht  bedeuten  'ich  werde  ge- 
nannt werden*,  und  wozu  diese  beziehung  auf  den  tod?  daher  wird  8vn- 
TUüV  zu  schreiben  sein:  *ich  werde  nicht  ein  ganz  unglücklicher  unter 
den  sterblichen  sein%  vgl.  1135  rote  d^irefpotc  ßpoTUhr.  —  V.  1119 
TTpöc  TÖ  Atirap^c  kann  gewis  auch  nicht  'fere  usque  ad  fastidium'  be- 
deuten, ich  würde  den  dunklen  ausdruck  ohne  weiteres  in  TTpöc  rdbe 
XtTrapd  emendteren.  auch  in  seiner  blindheit  mag  Oedipus  der  äuszern 
liebenswfirdigkeit  seiner  tachter  gedenken,  an  der  er  einst  so  viel  freude 
gehabt.  —  V.  1124:  Itlr  tbc  sclieint  mir  Scov  erforderlich,  in  allen 
dafür  angefahrten  beispielen,  dasz  ibc  auch  das  adjectivisdie  relativ  ver- 
trete, ist  die  adverbiale  bedeutung  zu  erkennen,  am  wenigsten  aber 
läszt  sidi,  was  man  hier  angeführt  hat,  OK.  642  parallelisieren ,  wo  mit 
bibodic  das  substantivische  €d  verbunden  ist  wie  1435.  —  V.  1172 
sonderbare  worte.  der  hg.  gibt  kehie  erktärung ;  sie  können  aber  auch 
kaum  anders  als  sonderbar  erklärt  werden,  ich  meine,  nachdem  die  frage 
des  Theseus,  ob  Oedipus  wol  einen  verwandten  In  Argos  habe,  einen 
eindruck  gemacht,  der  deutlich  zeigt  dasz  seine  Vermutung  das  rechte 
getroffen,  würde  jetzt  passender  gefragt  werden:  Kai  tic  iror'  iciVv, 
ov  t'  ^XCic  6v  at)yiaTi;  (in  der  Verwandtschaft).  —  V.  1187:  die  coa- 


468  C.  Aldenhoven :  anz.  v.  Sophoclis  Oedipus  Coloneus  ed.  E. Wunder,  ed.  IV. 

jectur  KaKU)C  ffir  kqXuuc  bringt  die  stelle  kaum  gehörig  zurecht:  TOt 
will  nicht  recht  passen,  und  wir  vermissen  ein  bindewort.  ich  würde 
vorziehen  rd  t*  OÖ  KaXiöc.  —  V.  1189—91  hAll  der  hg.  für  echt,  mir 
scheinen  die  grflnde  Meinekes  gegen  die  echtheit  gewichtig  genug. 

V.  1249  f.:  warum  ein  Mtlum'  in  diesen  Worten  stecke,  wieder 
hg.  meint,  ist  mir  nicht  klar.   Oedipus  äuszerte  sich  1207  besorgt,  ihm 
möchte  gewalt  angelhan  werden,    dieser  besorgnis  begegnet  Aoligooe 
mit  den  worten  'wie  es  scheint,  kommt  der  fremde  wenigstens  ohne 
begleitende  mflnuer*,  und  dvbpu)V  hebt  gerade  recht  hervor  dasz  Dicht 
an  gewalt  zu  denken  sei.     an  ^ouvoc  mit  dem  genetiv  ist  doch  nach 
pövoc  coO  Aias  511,  wo  man  den  genetiv  nur  höchst  gezwungen  anders 
verbinden  würde,  und  beispielen  wie  fpri|iOC  Eur.  Med.  518  und  ^ovou- 
pevoc  Rhesos  871  mit  diesem  casus,  sowie  bei  dessen  alle  Verhältnisse 
umfassender  bedeutung  kein  anstosz  zu  nehmen.  —  V.  1260:  dagegen 
finde  ich  ^apa(vi)üv  sehr  anstöszig.   dasz  der  schmutz  die  irXcupa  ent- 
kräfte, ist  ganz  undenkbar,   ich  vermute  fxeXaivtuv.  —  V.  1266:  Reislies 
conjectur  rä^dt  ffir  T&XXa  halte  ich  fQr  unnötig.   Polyneikes  bekennt  zu- 
nächst sich  als  schlechten  söhn  bewiesen  zu  haben ,  um  daran  anzulknu- 
pfen  dasz  er  noch  anderes  auf  dem  herzen  habe,  worüber  er  lieber  mit 
dem  vater  sprechen  wolle ,  als  dasz  derselbe  davon  durch  andere  erfalirer 
so  haben  die  fraglichen  worte  Ähnlichkeit  mit  El.  1225,  wo  Orestes  sagt: 
(d9iKÖMiiv) ,  |üit|k^t'  fiXXoOev  ttuGij.  —  V.  1301:  das  rdp  wird  ziem- 
lich künstlich  erklärt,    der  begründende  satz  soll  nemlich  vorangeschicU 
sein,  was  sonst  oft  genug  geschieht,  hier  aber  den  Zusammenhang  höchst 
dunkel  maclien  würde,    klar  ist  anderseits,  dasz  Polyneikes  den  salz,  er 
habe  seine  meinung  von  der  Erinys  des  vaters  durch  seher  bestätigt  ge- 
funden ,  gar  nicht  begründet,   er  nennt  den  Amphiaraos  erst  später  und 
ohne  alle  beziehung  hierauf,    so  nützt  es  für  unser  xdp  auch  nichts, 
wenn  man  1308 — 12  streicht,  wovon  ich  übrigens  nur  1311  f.  als  un- 
echt ansehe,  und  zwar  teils  des  tautologischen  ausdrucks  wegen,  beson- 
ders aber  weil  das  beer  nach  1325.  1371  f.  und  377  IL  noch  erst  im 
anzöge  ist.   und  dasz  er,  wie  man  auch  gemeint  hat,  während  der  er- 
Zählung  vergessen  haben  sollte  was  er  begründen  wollte ,  ist  durchaus 
unwahrscheinlich:  er  wird  vorher  gehörig  überlegt  haben  was  er  sagen 
wollte,   demnach  kann  ich  die  bemerkung  iLv  . .  kXuu)  1300  nur  als  von 
ihm  eingeflochten  ansehen ,  um  das  gehässige  des  bruderzwistes  zu  vail- 
dem  und  den  vater  zu  erinnern ,  wie  sehr  er  dabei  beteiligt  und  zur  noit- 
wirkung  verbunden  sei.    dann  schlieszt  sich  die  erzählung,  dasz  er  nach 
Argos  gegangen  sei  usw.,  an  die  Vertreibung  aus  Theben,  und  ich  viürdt 
nicht  anstehen  ItiA  h*  dnf)X6ov  zu  schreiben.  —  V.  1318  KaTaCKaipqt 
wieder  näher  bestimmt  durch  iTUpi,  wodurch  die  structur  sehr  schwer- 
f^lig  wird,  ist  überdies  bei  bqu)C€tv  ziemlich  überflüssig,    auch  mit 
xaTacKaq>€f  ('mit  zerstörendem  feuer')  erscheint  der  ausdruck  ühe^ 
laden,   vielleicht  wäre  KttT*  dcTpairfiv  ('wie  der  blitz*)  zu  schreiben.  -^ 
V.  1350:  den  Infinitiv  mit  uicT€  als  object  zu  blKQtuüV  zu  fassen  scheint 
mir  unzulässig,   unter  den  von'Matthiä  S  531  anm.  2  angeführten  stelleo 
ist  meines  dafürhallens  keine  dieser  art  zu  finden,   gewis  ist  i&CT£  KXvCtV 


€.  Aldenhoven:  anz.  v. Sophoclis Oedipus Coloneus  ed. E.Wunder. eJ. IV.  469 

mit  TTpoCTT^^ipac  za  verbinden:  *so  dasz  er  worte  hören  könnte'  =  uro 
Worte  zu  hören,  und  biKaiouc  zu  schreiben.  —  V.  1418  f.:  der  hg. 
schreibt  unverändert  ttujc  T&p  aOOic  aO  TrdXtVf  dagegen  fixot^'  &v 
statt  fixot^i.  hesser  hat  wol  Yauvillers  daran  gethan  die  unerträgliche 
tautologie  zu  beseitigen ,  indem  er  &v  fflr  aO  gab.  aber  da  ist  noch  ein 
Ledenlcen.  die  frage  der  Antigone  'warum  mnszt  du  noch  einmal  wieder 
2arneu?'  hat  keine  beziehung  auf  die  Worte  des  bruders,  in  denen  durch- 
aus kein  zorn  zu  finden  ist,  sowie  auch  in  v.  1415  keine  andeutung  liegt, 
dasz  er  nicht  zume.  in  der  that  kann  sich  Antigone  nur  auf  eine  äusze- 
rung  beziehen,  nach  welcher  er  keineswegs  geneigt  war  seinen  anspruch 
auf  die  herschaft  und  seine  räche  aufzugeben,  sondern  nur,  wenn  es 
thunllch  jwSre  —  was  es  aber  nicht  sei  —  den  gegenwärtigen  feld- 
zug  einzustellen,  auf  welchen  eben  der  fluch  des  vaters  gerichtet  sei,  um 
später  den  (leidenschaftlichen)  plan  auszuführen,  mithin  wird  der  sinn 
seiner  worte  sein:  *aber  es  geht  nicht,  denn  wie  wSre  es  denkbar  das- 
selbe beer  —  und  zu  einem  andern  ist  keine  aussieht  —  noch  einmal 
gegen  Theben  zu  fOhren,  wenn  es  mich  einmal  furchtsam  gesehen?*  ich 
zweifle  daher  kaum  dasz  adOtc  dc  TTÖXiv  zu  schreiben  ist.  —  V.  1436 : 
der  hg.  halt  mit  anderen  diesen  vers  für  unecht,  ich  gestehe  nicht  einzu- 
sehen weshalb,  die  ellsion  des  i  im  dativ  sing. ,  die  gegen  die  bekannte 
regel  verstöszt,  mflste  neben  den  flbrigen  stellen,  die  man  erst  emen- 
dieren  musz  um  sie  durchzusetzen ,  eher  gegen  die  regel  als  gegen  den 
vers  sprechen,  oder  man  könnte  mit  Brunck  el  SovövTt  ^ot  TeXetT* 
schreiben,  im  flbrigen  ist  dem  verse  leicht  aufzuhelfen ,  indem  man  nur 
ixox  ZuJVTi  in  |i€  ZwYta  verwandelt:  Mhr  werdet  mich  nicht  als  einen 
lebenden  noch  einmal  so  hallen  oder  umfassen';  vgl.  ^TricxiJC  1432  und 
fxdOecOe  1437.  —  V.  1450  pf)  KtYX<iV€t  (nach  Hermann)  ist  mir  nicht 
recht  verständlich,  zumal  da  das  object  fehlt,  wahrscheinlich  ist  vtv  KiT- 
X&vtx  zu  schreiben:  'wenn  ihn  etwa  sein  Verhängnis  erreicht',  d.  h.  wenn 
er  jetzt  sterben  soll,  der  chor  fflrchtet  in  seinen  Untergang  verwickelt 
zu  werden.  —  V.  1452:  statt  Trdvr'  fflr  TaCr'  aufzunehmen,  hätte  ich 
lieber  das  unpassende  iiteX  fx^v  in  SmcSev  verwandelt ,  so  dasz  au£u)V 
beide  accusative,  Srepa  und  rd  bi,  regierte:  'die  zeit  hat  diese  (dEtuj- 
porra)  stets  im  äuge  und  fördert  sie  empor  (bringt  sie  zur  reife,  zur 
erfQllung],  die  einen  später,  die  anderen  dagegen  nach  einem  tage.'  — 
V.  1457  eT  TIC  ^VTOITOC  kann  Oedipus  nicht  wol  sagen,  da  er  den  gan- 
zen chor  gegenw^ärtig  weisz.  es  fragt  sich  aber,  ob  Tbeseus  am  ort  ist, 
also  gewis:  etirep  ^vroiroc.  —  V.  1466:  för  das  metrisch  falsche 
oöpavia  kann  es  keine  evidentere  emendation  geben  als  Nelnekes  oöpa- 
vöv,  zumal  da  ^X^yei  ein  object  verlangt,  nur  wflrde  ich  nicht  aber- 
setzen Mliustrat',  sondern  *incendit  caelum'.  —  V.  1482  f.:  für  das 
zweideutig  dunkle  dvaicfou  mochte  ich  dvaiTiou  im  gegensatz  zu  dXa- 
•CTOV,  und  fflr  ibibv  (mit  beziehung  auf  dK€pbii  xdptV)  iXeulv  vorschla- 
gen. —  V.  1488:  das  hsl.  q>p€Vt  wflnle  ich  nicht  mit  Edvqi  verlauschen, 
gerade  die  beziehung  auf  9pdvoe  im  vorhergehenden  verse  scheint  beab- 
sichtigt. Oedipus  wfinscht,  er  möge  noch  herr  seines. gelstes  sein,  wenn 
'Theseus  komme,    daher  die  frage  der  tochter:  'was  fflr  eine  Zusicherung 


470  C.  Aldenhoveii :  anz.  v.  Sophoclis  OedipusGoloaeused.  C. Wunder,  ed.  IV. 

(zur  bemhigung)  wünschest  du  dasz  deinem  geist  zu  teil  werde?*  wor- 
auf Oedipus:  ^ich  wänsche  ihm  die  rersprochene  Vergeltung  zu  leisten/ 
—  V.  1491 — 94:  die  ersten  drei  arg  verstümmelten  verse  des  znrufs, 
in  welchen  u.  a.  die  anrede  nat,  welche  jeder  knabe  eher  als  der  konig 
auf  sich  beziehen  würde,  ungehörig  und  TToceibauiviiii  oflenbar  glossem 
Ist,  lieszen  sich,  indem  wir  mit  Hermann  das  iib  verdoppelten,  von  Mei- 
neke  nepl  und  von  Vauvillers  dicpdv  aufoihmen,  allenfalls  so  verbessern: 

liii  iu),  ßae\  AiT^uic  nai,  ßdO*  ilib€,  xcl 

irepl  in^ov  £t'  dxpöv 

^voXiip  0€i|i  iräXtv  TUTX<iveic  - 
irepl  würde  sich  auf  die  Umgebung  der  hügelspitze  von  den  opferglslen 
beziehen.  In  auf  die  Unterbrechung  der  heiligen  handlung,  wenn  sie  noch 
nicht  beendigt  ist,  irdXtv  auf  die  fortsetzung  nach  der  Störung  durch 
Kreon,  aber  ist  überhaupt  der  ganze  zuruf  Sophoklelsch?  ist  uicht  eine 
so  ausführliche,  mit  epitheten  geschmückte  und  umständlich  motivierte 
anspräche  als  zuruf,  um  jemand  herbeizurufen,  durchaus  unnatürlich? 
die  Worte  erinnern  auch  allzu  sehr  an  887.  ist  aber  die  antlstrophe  bis 
etwa  auf  einen  kurzen  zuruf  unecht,  so  wird  auch  die  Strophe  in  frage 
gestellt,  die  man  aber  auch  nicht  vermissen  würde:  neues  enthält  sie 
nicht,  ja  die  bitte  des  Oedipus  den  Tbeseus  zu  holen  wird  bei  jener 
Strophe  zu  lange  unbeachtet  gelassen,  und  der  ruf  des  chors,  der  statt 
der  abseodung  eines  boten  eintril,  schlieszt  sich  am  besten  an  1476  an, 
wo  Oedipus  zum  dritten  male  gebeten  und  den  Kolonialen,  wie  vorher 
den  tdchtern ,  versichert  hat  dasz  sein  ende  nahe  sei.  (denn  wahrschein- 
lich ist  1472  i£  ävbpec  statt  (ü  iratbec  zu  schretbeu  und  1474  mit 
mehreren  hss.  in  der  form  iruic  oTcBa;  ti|i  bk  toOto  ai^ßoXdiv  ^X^tc; 
dem  chor  zu  lassen,  so  dasz  sich  Oedipus  auf  dessen  worte  li  ^dv  dq>fj- 
C€t  T^Xoc ;  beziehL)  auf  den  ruf,  nach  welchem  dem  Theseus  eine  kleine 
frist  gegeben  werden  musz  um  herbeizueilen  wie  das  erste  mal ,  folgen 
dann  passend  v.  1486 — 90.  der  ruf  aber  mag  gelautet  haben: 

idi,  ßaOt,  pae',  AIt^u)C  Trat,  npoßä6', 

äicc*  ijjb\  djVQi.  — 
V.  1516  TToXXä  sähe  ich  gern  mit  ntCTa  vertauscht,  denn  auf  die  menge 
kommt  nichts  an ,  und  Theseus  kann  nur  sagen  wollen :  Heb  erCenne  aus 
den  zeichen,  auf  die  du  dich  berufst,  dasz  du  glaubliches  verkündest.'  — 
V.  1561:  die  lesart  des  codex  fiifJT'  (andere  ^i^noT')  dmniSvui  (ohne  i) 
fjurJT'  diTißapuoExet  wini  nichl  befriedigend  in  iTnnövt))  ^rjr^  hd  ßa- 
puaX€i  verändert,  denn  teils  ist  die  ellipse  auszerordentlich  hart,  teils 
werden  in  scharfer  disjunction  zwei  epitheta  aus  einander  gehalten ,  die 
nichts  weniger  als  wesentlich  verschieden  sind,  wie  wenn  man  im  scherz 
sagt,  etwas  sei  ntoht  hiosz  ärgerlich,,  sondern  auch  verdriesziich.  ich 
würde  vorziehen  ^tik^t'  £iTiiröv«Aic  ßapuaxcT  (und  in  der  antistrophe, 
wo  qpuXaxa  glosse  sein  könnte:  qppoupdv  dbd^ocTOV  itap'  *Atba): 
'dasz  der  fremdltng  nicht  mehr  (wie  bisher)  auf  mühselige  weise  in  leiden- 
vollem tode  (epexegese)  den  weg  vollende.'  —  V.  1568 — 78 :  anstöszig 
ist  hier  1)  die  Wiederholung  in  q>ad  und  XÖTOC  aRv  ^X^i  (nach  Trikli- 
nios  für  aUv  dv^x^i)  mit  dem  übelstand,  dasz  die  beiden  eng  verbünde- 


€.  Aldenhoven :  anz.  v.SophodisOedipusColoneused.  E.Wander.  ed.  IV.  471 

nen  infiDitive  in  der  construction  aus  einander  gehalten  werden  sollen  ;^ 
2)  dasz  zuerst  der  Kerberos  angerufen  wird ,  ohne  eine  bitte  an  ihn  zu 
richten,  dann  aber  mit  8v  usw.  v.  1074  eine  andere  gottheit  gebeten 
wird  ihn  im  zäum  zu  halten ;  3)  dasz  dv  KaOapip  ßfjvat  (nach  dem  Wort- 
laut =:  ^ungehindert  gehen')  ^aus  "dem  wege  gehen'  bedeuten  müste; 
4)  dasz  keine  btUe  in  beziehung  auf  die  Erinyen  vorgetragen  wird,  die 
doch  mit  dem  Kerberos  zugleich  angerufen  [werden ;  5)  dasz  das  TOt 
1578  kaum  passend  scheint,  kommt  dazu  dasz  Thanatos,  den  man  hier 
angerufen  glaubt,  sonst  als  söhn  der  Nacht  und  bruder  des  Hypnos  (Hes. 
Theog.  211  ft,  756  ff.},  aber,  so  viel  ich  weisz,  nicht  als  söhn  der  Ge 
und  des  Tartaros  dargestellt  wurde,  wol  aber  Echidna  als  deren  toch- 
ter  (Apollodor  II  1,  2],  und  dasz  aUvuirvoc  eher  auf  den  Hypnos  hin- 
deutet, so  werden  wenigstens  alle  diese  Schwierigkeiten  beseitigt  und 
eine  passende  anrufung  der  genannten  persönlichkeiten  hergestellt,  wenn 
wir  den  text  so  gestalten : 

ilf  xdöviot  Ocal  ciD^d  t'  dviKdrou 

Ötipdc ,  8v  iy  Trt3Xaict 

Tatet  (Bergk)  ttoXuE^ctoic 

cövScGai  KwZdceaC  t*  il  fivrpujv 

q)poupöv  dbdMorrov  irap'  *Ati>qi  (s.  zu  1561) 

XöToc  attv  ?X€^* 

cö  t\  ü&  räc  iroAKttl Taprdpou, 

xaTCiüxoMai  iv  Ka6ap<p  ßf^vm 

Öp^dl^€vov  vcpT^pac 

töv  iiyfov  vcKpiBv  itXdKac  •' 

et  Kcd  KiKXyicKa),  Tdv  dbiv  Trrvov/ 
über  die  dochmien  v.  1570  und  1575  vgl.  Westphal  metrik  HI  s.  556« 
—  V.  1619:  die  fehlende  silbe  wird  sicher  besser  ersetzt,  wenn  wir, 
anstatt  mit  Elmsley  f[bT\  rdv  ß(ov  zu  schreiben,  hinter  ßfoTOV  ein  oSv 
einfügen.  ^  V.  1683:  das  falsche  q>ax\6\i€^a\  wfirde  ich  nicht  nach 
Knnhardt  mit  q>€pÖM€VOV,  sondern  mit  cpOiVÖ^evov  vertauschen,  vgl. 
schoi.  diroXofi^vqi  und  Antiphon  von  der  ermordung  des  Herodes  $  59 
£v  dq)av€t  Xötui  Zntetc  dTroX^cm.  —  ITit  dem  corruplen  v.  1690  Iflszt 
sich  wol  etwas  glimpflicher  verfahren ,  als  ddsz  wir  trdpo^  an  die  stelle 
von  Ttcrrpl  SüvOoveTv  t^paitfP  setzen,  das  Oberilassige  T^paiip  halte 
ich  fVeilich  auch  far  unecht,  udd  diTOpoC  in  der  antisCrophe  1716  mag 
nach  1735  fOr  das  echte  tvort  eingedrungen  sein,  aber  die  beiden  corre- 
spondierenden  verse  möchten  eher  so  gelautet  haben: 

Str.  EuvOccvdv  ?Xoit'  WJkxc  narpl 

autistr.  aCOic  \bh*  fpnfioc,  dji/jxotvoc. 
Schlieszlich  hat  der  hg.  noch  einen  instructiven  excurs  über  die 
ionischen  formen  Seivoc  und  poOvoc  bei  Sophokles  und  eine  Übersicht 
der  metra  hinzugefügt,  in  welcher  letztem  mir  nur  das  versehen  aufge- 
fallen ist,  dasz  s.  155  z.  tO  ''glyconeus'  statt' 'glyconicus^  steht. 

Und  so  will  ich  hiermit  das  auch  9uszerlich  sehr  befriedigend  aus- 
gestattete buch  bestens  empfohlen  haben  und  verabschiede  mich  mit  dem 
Wunsche,  der  leser  und  insbesondere  der  hochverehrte  hr.  herausgeber 


472  U.  Hagen:  zu  Vergilius  und  Donatus. 

möge  diese  unbefangenen  meinungsftuszerungen  eines  jQngern  begleiters 
—  denn  jener  hat  schon  buchen  herausgegeben ,  als  ich  noch  quarlaner 
war  —  über  die  wege  zu  demselben  ziel  einer  nShern  prfifung  werth 
haken  und  wenigstens  einiges  stichhaltig  finden,  die  allergröste  freude 
aber  wQrde  es  mir  machen ,  wenn  die  porification  des  teites  in  dem  vor- 
geschlagenen umfang  dazu  führte  endlich  einmal  einen  Oedipus  auf  Kolo- 
nos  erscheinen  zu  sehen,  von  ^em  sich  sagen  Hesze:  Ist  es  nicht  völlig 
der  Sophokleische ,  so  könnte  er  es  doch  sein. 

Ratzeburg.  Cabl  Aldenhoven. 

62. 

ZU  VERGILIUS  UND  DONATUS. 


Zu  Verg.  ecL  3,  102  his  cerle  neque  amor  causa  est:  vix  ossihus 
haerent  \  nescio  quis  ieneros  acutus  mihi  fascinat  agnos  bemerkt  Rib- 
beck in  seiner  ausgäbe :  ^fUs  cerie  -r  neque  amor  causa  est  —  vix  ossi- 
hus haerent  nominhtivum  his  inlerpretans  legit  Donatus  ad  Ter.  eun.  ü  2, 
38.'  dieses  alte  zeugnis  wäre  also  bei  ßücheler  lat.  declination  s.  18  dem 
zweifellos  ursprflnglichen  non pos^tin/  mihiminis  tuis  hisce  oculis  ex- 
fodiri  sowie  der  s.  20  aus  Livius  IX  10,9  angeführten  formel  hisce  fiomi- 
nes  hinzuzufügen,  eine  andere  frage  freilich,  die  aber  nicht  unschwer  zu 
beantworten,  wSre  die,  ob  Verg.  eine  solche  form  noch  zuzumuten  sei: 
denn  die  von  Laclimann  zu  Lucr.  s.  56  angeführten  t>formen  sind  dock 
von  ganz  anderer  beschaflTenheit,  und  ferner  wundert  man  sich  immerhin, 
wie  an  der  angeführten  stelle  ein  commentator  darauf  verfallen  konnte 
his  als  nominativ  zu  fassen,  unsere  alten  Virgilerklarer  haben  bekannt- 
lich nicht  selten  gewaltiges  unglück  in  ihren  erkllirungen,  zumal  wenn 
sie  den  schlüpfrigen  boden  der  intcrpunction  betreten,  und  unser  Donat 
trotz  seiner  schulgrammalik  steht  hierin  keineswegs  hinter  den  anderen 
zurück,  so  hat  er  denn  auch  hier  die  einfache,  in  die  äugen  springende 
bezichung  des  his  auf  amor  causa  est  übersehen  und  das  grundgesetz  des 
amöbSischen  liedes,  nerolich  (sachliche  oder  sprachliche)  überbietung  des 
vom  andern  angeregten  themas  unbeachtet  gelassen ,  um  einer  angeblich 
altertümlichen  form  zu  ihrem  bei  Virgil  zweifelhaften  rechte  zu  verhelfen 
(vgl.  Ribbeck  proleg.  s.  184).  Donats  beobacbtung  schlieszt  sich  an  Terenz 
eun,  II  2,  38  hisce  hoc  munere  arbitrantur  suam  Thaidem  esse^  wo 
Fleckeisen  hisce  für  hice  mit  recht  wieder  hergestellt  hat.  denn  Donais 
Worte  hice  pro  hi,  vetuste  Virgilius:  his  cerle  . . .  •  haerent:  quia  hisce 
debebat  dicere  zeigen  trotz  ihrer  offenbaren  corruptel ,  dasz  es  sich  um 
eine  form  hisce  handelte,  der  er  eine  entsprechende  angebliche  form  his 
bei  Virgil  zur  erklärung  an  die  seite  setzt,  somit  ist  zu  schreiben:  hisce 
pro  Ai,  und  dann  am  schlusz  quia  hice  debebat  dicere,  nemlich  nicht 
Virgil,  sondern  Terenz.  das  vetuste  schlieszlich  ist  wol  eher  zum  vorher- 
gehenden zu  ziehen ;  für  Virgil  versteht  es  sich  dann  von  selbst. 

Bern.  Hbsuann  HAasN. 


A.  ▼.  Bamberg :  anz.  t.  ArisL  Plulus  ed.  N.  J.  B.  Kappepe  ▼.  de  Goppello.   473 

63. 

Aristofhanib  Plutus.  ediditN.  J.B.Kappbynb  vandsCop- 
PELLO.  Amatelodami,  apnd  C.  yan  Helden.  MDCCCLXVU. 
VIII  u.  96  8.  gr.  8. 

Endlich  haben  wir  wieder  einmal  eine  Specialausgabe  desjenigen  stfllc- 
kes  des  Aristophanes  erhalten,  weiches,  seit  man  Qber  den  l(flnstlerisclien 
werth  desselben  richtiger  zu  urteilen  gelernt  hat,  von  den  bearbeilern 
des  dichters  allzu  sehr  vernachlässigt  worden  ist.  wir  mdssen  dem  her- 
ausgeber  danitbar  sein,  dasz  er  in  dieser  kritischen  ausgäbe,  welciie  auf 
49  Seiten  den  lext  des  Stückes  und  auf  45  selten  eine  kurze  annutatio 
enthalt,  zum  ersten  male  wieder  nachdracklich  auf  die  maucherlei  schaden 
aufmerksam  gemacht  hat,  von  denen  diese  komddie  zu  befreien  bleibt, 
und  es  ist  anzuerkennen  dasz  durch  ihn  diese  aufgäbe  der  kritik  bereits 
nicht  wenig  gefördert  worden  ist. 

Da  der  commentar  nach  der  vorrede  zunächst  weiter  nichts  sein  will 
als  eine  rechtferligung  der  nicht  handschriftlichen  l«sarten  der  au.sgabe 
und  auszerdem  nur  solche  stellen  berücksichtiget,  wo  der  hg.  einer  frem- 
den  oder  eignen  conjectur  zwar  das  bürgerrecht  nicht  halle  erteilen  kön- 
nen, sie  aber  doch  nicht  ohne  empfehlung  lassen  wollte,  so  wäre  es 
ungerecht,  wenn  wir  der  ausgäbe  daraus  einen  Vorwurf  machen  wollten, 
dasz  sie  nicht  ganz  den  auforderungen  entspricht,  die  wir  an  eine  voll- 
standige  kritische  ausgäbe  zu  stellen  geneigt  sind,  war  ja  doch  auch 
eine  solche,  so  lange  Ad.  v.  Velseiis  auch  von  Kappeyne  sehnlichst  er- 
wartete collationen  nicht  veröflenllicht  sind,  kaum  an  der  zeit,  bedauern 
aber  dürfen  wir  es  doch,  dasz  uns  hie  und  da  der  hg.  über  lesarten,  die 
er  mitteilt,  sein  urteil  vorenthalten  hat.  ich  z.  b.  würde  gern  erfahren 
haben,  ob  ihm  das  von  mir  in  den  ^quaestiones  critic^e  de  nonnullis 
Aristophanis  Pluti  lucis'  im  Miher  miscflliinpus  editus  a  societale  philo- 
logica  Bounensi'  (1864)  vermutete  und  von  ihm  cilierte  in  v.  348  unnötig 
erscheme  und  wie  er  die  von  mir  gegen  die  vulgata  angeregten  liedeuken 
beseitige,  so  hat  er  v.  258  Neineices  y^povrac  Svrac  nicht  in  ilen  lext 
aufgenommen,  im  commenlar  aber  die  b'*gründung  dieser  lesarl  aus  dem 
Windiciarum  Aristophanearum  über'  (1865)  mitgeieilt,  ohne  sich  dafür 
oder  dagegen  auszusprechen,  ich  habe  über  diese  stelle  in  meiner  diss.  Me 
Raveunate  et  Veneto  Aristoph.  codicibus*  (Bonn  18H5}  s.  35  gehandelt. 
▼.  422  tragt  K.  Velsens  Vermutung  übxpOE  jLiatv&C  und  Memekes  sireiciiung 
der  Worte  djxpa  .  .  bOKCiC  ivieder  ohne  eigne  kritik  vor,  was  ich  um  so 
mehr  bedauere,  je  schwieriger  mir  die  stelle  erscheint,  ich  selbst  habe 
zuerst  de  Rav.  et  Ven.  s.  4  im  anschlusz  an  Velsen  ü5  TP^Q«  fiaiväc  ver- 
mutet und  spater  in  einer  recension  von  Meinekes  vindiciae  (Gölt.  gel.  anz. 
1866  s.  148)  dessen  ansieht  nicht  misbilligt;  jetzt  neige  ich  mehr  zu  der 
annähme  hin,  es  möchten  die  worte,  welche  des  Chremylos  Vermutung 
über  die  natur  der  Penia  enthtelien,  ausgefallen  sein  und  an  sie  ursprüng- 
lich die  begründung  übxp^  M^V  T^p  usw.  in  derselben  weise  sirh  ange- 
schlossen haben,  wie  v.  424  auf  die  Vermutung  des  Blepsidemus  folgt, 
an  anderen  stellen  hat  dagegen  der  hg.  in  dankenswerther  weise  die  hsl. 

Jahrbücher  Ar  clui,  phUol  X868  hfU  7.  31 


474   A. V.  Bamber(^ :  anz.  v.  Arist.  Plulus  ed.  N.  J.  B.  Kappeyne  v.  de Goppello. 

flbcrlieferung  gegen  kritische  versuche  schlagend  verlheidigt:  so  v.  531 
dcTiv  . .  dTTopoövxa,  534  ircviav,  660  TrpoOufiaxa,  723  T^Xdcoc, 
994  irdvu,  1119  cu)q>pov€ic.   auch  darin  scheint  er  mir  recht  zu  haben, 
(lasz  er  zu  v.  1197  die  notwendigkeit  bestreitet  hinter  v.  1097  eine  Ificke 
anzunehmen,    nicht  genflgend  widerlegt  ist  dagegen  meine  Vermutung  zu 
V.  215  (Über  misc.  s.  62)  dasz  zu  schreiben  sei  Spa  bi^i\  —  IT  qppövnZe 
\ir\biy  d)'(aQL    was  dieselbe  als  unnütz  erweist,  ist  erst  die  stelle  Sopb. 
OK.  654  öpa  |i€  XeiTTiuv  —  IT  |if|  bibacx'  S  XPH  M^  bpöv.  f  ÖKyoiövi' 
dväTKT].    auch  die  anknOpfung  des  öpa  mit  bi  würde  mir  jetzt  nicht 
mehr  gefallen;  ich  würde  dXXa  erwarten,   zu  v.  799  weist  er  nur  kurz 
die  Vermutung  von  van  Gent  fTretr"  aurouc  ^irayaTKdZeiv  T^Xäv  mit 
vollem  recht  als  überflüssig  zurück  und  läszt  v.  891  desselben  gclelirteu 
TrXT]Oujp<ji ,  welches  schon  von  Meineke  vind.  s.  217  misbilligt  war,  ganz 
unerwähnt,  wShrend  er  sonst,  wie  begreiflich,  seinen  landsleuten  viel 
einflusz  einräumt,  manchmal,  wie  mir  scheint,  zu  viel,    wenn  er  z.  b. 
V.  24  ÖCTtc  für  jioi  TIC,  V.  53  und  54  yjfirov  für  Kai  toC,  v.  1171 
(ppdcet'  ÖTTOu  'cTi  für  q)pdc€ie  noO  ^cri  schreibt,  so  folgt  er  der  echt 
hollandischen  ansieht  welche  z.  b.  R.  B.  Hirschig  philol.  V  s.  276  ent- 
wickelt, dasz  in  der  indirccten  frage  die  relativen  formen  der  fragewörter 
zu  setzen  seien,    dasz  dies  bei  weitem  das  gewöhnlichste  ist,  soll  nicht 
bestritten  werden;  dasz  aber  der  gebrauch  der  formen  Tic,  TroC  usw.  in 
der  indirectcn  frage  möglich  ist,  wird  nicht  nur  hei  uns  allgemein  ge- 
lehrt ,  sondern  ergibt  sich  auch  specicll  für  Aristophanes  aus  ganz  zuver- 
lässigen stellen:  Ach.  648  i^putiTiicev  TTpiIiTa  fi^v  aäTOUc,  nÖTcpoi 
TaTc  vaucl  KpaToOciv  etTa  bk  toOtov  töv  7T0iiiTf|v,  noT^pouc 
€17101  KaKd  TToXXd,  ri.  71  (ppovTicujjüiev,  Tioiav  6bdv  vu)  TpeTTT^ov 
Kai  TTpöc  Tlva,  frl.  20  imSv  bd  t'  «I  Tic  olb'  ^^oi  KaTCindTU), 
nöOev  fiv  irpiaifiiiv,  361  q)^pe  bfj  KUTibu),  noT  touc  X(6ov,c  äq>^- 
Eojiev,  881  oöniü  X^T€0'  u^eic,  Tic  ö  cpuXdEuJV,  vö.  403  Kdvairu- 
9i£)|i€8a  Toucbe,  Tivec  noii  Kai  TiöOev  fjnoXov  in\  Tiva  t*  dm- 
voiav,  Thesm.  801  ßdcavov  biöjicv,  TiÖTcpoi  x^ipouc,  frö.  932  töv 
EouOöv  ZiiTUJV  Tic  dcTiv  öpvic,  1454  Tf|V  TTÖXiv  vöv  jiOi  qppdcov 
TTpwTOV  tIci  XP^*^^^*     derselbe  Hirschig  halte  an  demsellien  orte  zu 
v.  205  eben  das  vermutet,  worauf  jetzt  auch  K.  gekommen  ist:  dx  xfic 
oiKtac.   ich  habe  darüber  Gott.  gel.  anz.  1866  s.  156  gehandelt   v.  957 
folgt  er,  wie  auch  Meineke  gethan ,  Hamaker,  der  diesen  vers  mit  uurechl 
gestrichen  hat.   ibujv  ydp  aÖTÖv  TVii)C€Tai  kann  nichts  anderes  heiszen 
als  *er  wird  ihn  als  person  erkennen',  es  kann  aber  hier  verständiger  weise 
nur  davon  die  rede  sein,  dasz  der  bader  ganz  ebenso,  wie  es  oben  v.  862 
der  gerechte  gethan  hatte,  den  sykophanten  an  seinem  aufzug  auf  der 
stelle  als  einen  menschen  von  der  schlechten  sorte  erkennen  wird ,  und 
diese  beziehung  auf  v.862  liegt  ganz  deutlich  in  dem  £k€(vou  v,957.  — 
Noch  weniger  zu  verwundern  ist,  dasz  der  hg.  der  überwiegenden  auto* 
rilät  seines  groszen  landsmannes  Gobet  mancherlei  ungerechtfertigte  Zu- 
geständnisse gemacht  hat    so  würde  ich  nicht  mit  K.  Cobets  anordnung 
in  V.  171.  174.  176  statt  b'  ouxi  überall  hi  f*  oö  zu  schreiben  folge 
geleistet  haben,    was  ich  schon  Gott  gel.  anz.  1866  s.  137  ausgesprochen 


A.  V.  Bamberg :  anz.  v.  Arist.  Plutus  ed.  N.  J.  B.  Kappeyne  v.  de  Goppdlo.   475 

habe,  halle  ich  noch  jetzt  fest,  die  drei  verse  schützen  sich  Sn  der  flber- 
lieferten  gestalt  gegenseitig ;  die  bedenlLÜchlieit  des  trocliAischen  Wortes 
an  dieser  stelle  wird  gemildert  durch  die  regelmässig  nach  dem  siibject 
eintretende  diäresis,  und  für  Cobets  bl  f*  bu  erwarte  ich  erst  noch  die 
bestatigung  seitens  des  Sprachgebrauchs,  v.  46  kann  ich  ebenso  wenig 
zugeben  dasz  das  hsl.  (ppdZoucav  notwendig  nach  Cobet  in  9päZovTOC 
umzuändern  sei.  f|  ^irivoia  toO  0€oO  ist  nicht  die  absieht  des  gottes, 
sondern  seine  erfindung,  der  orakelspruch,  und  vou  diesem  kann 
man  sehr  wol  das  prädicat  9pd£eiv  gebrauchen,  v.  44  aber  hat  der  hg. 
sehr  mit  unrecht  Cobets  conjectur  aufgenommen,  nach  welcher  Karion 
sagt :  K$Ta  HuvavT^c  bflxa  TrpoiTiji  TourtpC*  elx'  oü  £uvi6ic  usw.  Co- 
bets zweifei  an  der  Überlieferung  beruht  lediglich  darauf,  dasz  er  es  ab- 
geschmackt findet,  wenn  Karion  nach  etwas  fragt,  was  ihm  und  den  Zu- 
schauern auszer  aller  frage  stehen  solUe.  ganz  im  gegenteil  haben  wir 
an  der  Überlieferung  anzuerkennen,  dasz  sie  uns  einen  lebendigen  ton 
der  Unterhaltung  bewahrt  hat,  den  Cobet  aufheben  will.  Karion  weisz, 
worauf  des  Chremylos  bericht  schliesziich  hinauskommen  musz ;  er  hat 
sogar  schon  eine  orakeldeutung  in  bereitschaft ;  aber  eben  darum  will  er 
die  Sache  durch  seine  frage  kqI  T(j)  HuvavTijic  bf\Ta  Trpdrrif) ;  abkürzen. 
Übrigens  will  es  mir  scheinen,  als  ob  erstens  bf\Ta  allein  in  der  über- 
lieferten frage  eigentlich  berechtigt  wäre,  und  zweitens  auch  das  cTt' 
nur  dann  an  seinem  platze  stände ,  wenn  damit  erst  die  rede  des  Kanon 
beginnt,  selbst  v.  338  würde  ich  die  leichte  änderung  des  ^ttI  ToTct 
Koupeiotct  in  dv  t.  k.  an  K.s  stelle  wahrscheinlich  Cobet  nicht  nachge- 
macht haben,  allerdings  steht  in  ähnlichen  Verbindungen  tnl  meist  mit 
dem  genetiv,  wie  bei  Aeschiues  g.  Tim.  40  ^KaOiiTO  . .  inX  töG  6u0u- 
biKOu  latpelou  vgl.  %  41 ,  ebd.  74  toüc  iiA  Tuiy  olwmdxujv  xaOeCo- 
fx^vouc.  allein  Cobet  hat  doch  eben  niqht  weniger  als  drei  stellen  zu 
emendieren  gehabt,  auszer  der  unsrigen  noch  Isokr.  g.  Kallim.  9  KaOi- 
Zuuv  in\  TOic  dptacTTipCoic  und  Lysias  XXX  30  (?)  dwl  TOic  biKacTT)- 
piotc,  und  fast  scheint  das  inl  nicht  zußlllg  so  häufig  mit  den  namen 
dflentlicher  locale  verbunden  zu  sein,  wir  würden  vielleicht  eine  sach- 
liche Unrichtigkeit  iu  den  text  bringen,  wenn  wir  iy  herstellten,  filr 
V.  498 ,  wo  K.  mit  Cobet  liest :  Ti  &v  dSeiipot  Tic  fifxetvov,  verweise 
Ich  auf  die  z.  f.  d.  gw.  1866  s.  224. 

Von  seinen  eignen  Vermutungen  hat  der  hg.  die  kleinere  hälfte  auf- 
genommen, die  gröszere  nur  im  commentar  veröffentlicht,  wir  wenden 
uns  zunächst  den  letzteren  zu,  indem  wir  ons,hie  und  da  einen  einwurf 
erlauben,  v.  59  will  er  6  oder  noch  Fieber  8,Tt  (pr]av  lesen  für  Sc 
qpr)Civ:  *nam  seuex  ille  caecus  et  sordidus  est  TÖ  oi^U)Z!€iv.'  ich 
scbHesze  daraus  dasz  ihm  der  ganze  Zusammenhang  der  stelle  nicl^t 
vollkommen  klar  isL  Karion  hat  seinerseits  das  orakel  kurzweg  da- 
hin gedeutet,  dasz  es  seinem  herm  anrathe  den  söhn  die  inode  mit- 
machen zu  lassen  und  ihn  zu  einem  schlechten  menschen  zu  erziehen. 
Chremylos  aber  ist  viel  gewissenhafter  und  umständlicher:  er  will  erst 
hinter  die  person  des  blinden  kommen,  der  ungeduldige  Karion  fragt 
also  barsch  den  unbekannten  wer  er  sei ,  und  er  erhält  von  diesem  eine 

31» 


476   A.V.Bamberg :  an;.  v.ArisLPIutus  e(i*N. J.B.Kappeyne  v.deCoppello. 

ebenso  derbe  Zurückweisung,  auf  diese  erfolglosigkeit  der  von  Chremylos 
vorgeschlagenen  bemQbung  weist  der  sklave  triumphierend  hin ,  wenn  er 
sagt:  ^av6äv€lC,  öc  9TICIV  €Tvai;  das  Sc  v.  59  entspricht  in  diesem 
zusammenhange  genau  dem  öcnc  v.  53  und  dem  Tic  v.  24  and  ist  fest- 
zuhalten.  V.  119  f.  stellt  K.  nur  zweifelnd  die  Vermutung  auf:  ö  Zevc 

jifeV    OÖV  Olb'  ibc  TQ  TOUTWV  jlUJp*  iwf\  1TU9op€VOC  dmTpll|l€l  p€, 

welche  ich  schon  wegen  des  gebrauchs  von  lm\  niclit  billigen  würde, 
mir  ist  noch  immer  das  plausibelste,  was  ich  in  diesen  jahrb.  1867  s.  403 
vermutet  habe:  ö  Zeuc  \iiv  oSv  bebiujc  T&  toutujv  jiuip'  lli*  cl  ni- 
Oöit'  fiv  dmTpii|i€t£.  V. 264—267  will  K.  hinter  270  stellen,  mich  be- 
friedigt diese  Umstellung  namentlich  deshalb  nicht,  weil  der  vers  fcnv  hl 
bf|  tI  Ktti  TTÖGev  TÖ  TTpÖTlia  T0O8'  8  (priciv;  nur  hinler  v.  263  recht 
passt,  und  ich  halte,  bis  etwas  besseres  vorgeschlagen  wird,  an  meiner 
behandlung  dieser  stelle  fest,  wie  ich  sie  im  über  misc.  s.  63  f.  ent- 
wickelt habe.  v.  436  gestehe  ich  zu  dasz  die  construction  von  raic 
KOTuXatc  dei  jue  bioXiijiaiveTat  schwierig  ist,  allein  K.s  t&c  KOTuXac 
del  T^  biaXujüiaiV€Tai  ist  mir  wenig  wahrscheinlich,  und  das  beige- 
brachte fragmeul  des  Alexis  bei  AthenSos  IV  164'  niml  dem  Y€  doch 
nicht  vollständig  das  aussehen  eines  Iflckenbflszers.  v.  492  sehe  ich  für 
K.s  Vermutung  toutou  b*  f|M€ic  dTri8ujio0vT€C  ^öXic  €upo^€V  Acre 
T€V^c8'  fiv  in  der  Überlieferung,  die  ich  tadellos  finde,  keinerlei  veran- 
lassung; die  construction  ist  einfach:  toOto  oOv  djCTC  Y€V^c6at' fmcic, 
dm6u^o0vT£C  ^öXtc  €0po|i€V  ßouXcu^a  xaXöv.  v.  578  will  ich  zwar 
die  von  mir  z.  f.  d.  gw.  1866  s.  224  aufgestellte  Vermutung  ofirui  bia- 
TiTViüCKeiv  XQ^CTTÖv  irpfiTM*  ^cx*  aÖToTc  tö  bfxaiov  keineswegs  un- 
bedingt festhalten;  so  viel  aber  weisz  ich  und  jeder  kenner  des  Aristopha- 
nischen Versbaues  mit  mir,  dasz  Aristophanes  nicht  das  von  K.  vermutete 
auToTc  oÖTiu  xot^CTTÖv  biaTiYViOcKCiv  dciiv  tö  b(Katov  geschrieben 
hat.  ähnlich  habe  ich  v.  689  gegen  sein  iit\pe  nur  einzuwenden ,  dasz 
es  den  trimeter  zerstört.*)  v.  897  fügt  er  zu  Velsens  und  Meinekes  con- 
jecturen  eine  neue  hinzu:  itieX  TObi  T*  d^qp^ScTai  tö  rpißtuviov  und 
will  V.  1044  lesen :  TdXaiv '  ^tw  Tfjc  cf^c  ößpeuüc  •  alcxuvoMm.  v.  1082  f. 
kann  ich  ihm  nicht  unrecht  geben,  wenn  er  für  o ÖK  lieber  oöb '  will,  und 
wenn  er  den  folgenden  vers  emendiert:  vrcö  jiuptuiV  £tujv  T€  xai  re- 
Tpup^vr) ,  so  ist  diese  Vermutung  gewis  sehr  scharfsinnig  und  sein  nach- 
weis  dasz  die  Überlieferung  gefälscht  sei  einleuchtend,  mir  ist  indes 
wahrscheinlicher ,  dasz  in  rpicxtXiuiv  der  gen.  plur.  eines  andern  Sub- 
stantivs steckt,  welches  mit  druiv  verbunden  das  überlieferte  T€  Kai  und 
vielleicht  zugleich  das  auch  bei  K.  anstuszige  öiTÖ  reditfertigen  würde. 
V.  1144  will  er  die  untadelliche  lesart  der  hss.  ändern  in  oi)  fäp  vif* 
€lX€C  rdc  usw. 

An  andern  stellen  ist  der  hg.  meiner  meinung  nach  glücklicher  ge- 
wesen. V.  26  ist  er  auf  dieselbe  Vermutung  gekommen  wie  ich,  dasz 
nemlich  die  lesarten  des  Bav.  ofi  Ti  und  der  übrigen  hss.  ofi  C€  zu  cona- 
binieren  und  oÖK^Tt  zu  lesen  sei;  nur  dasz  er  daneben  oö  ci'X€.  ver- 

[vgl.  unten  s.  481.] 


A.  V.  Bamberg :  anz.  v.  Arist.  Plutus  ed.  N.  J.  B.  Kappeyne  v.  de  Coppello.   477 

mulet,  kann  ich  nicht  billigen,  v.  27  unterliegt  es  mir  iceinera  zweifei, 
dasz  er  die  worte  Ka\  KÄeirrkTarov  ganz  mit  recht  dem  Karion  zuzu- 
teilen vorgeschlagen  hat.  v.  265  möchte  auch  ich  lieber  &f{jjv  als  fx^V 
lesen,  und  v.  371  ist  Ix^^  ^^^^^  oicht  als  notwendig  nachgewiesen,  em- 
pfiehlt sich  jedoch  selbst  auch  v.  400  sind  wir  mit  unsern  Verbesserungs- 
versuchen einander  ziemlich  nahe  gekommen,  wir  beide  wollen  diesen 
vers  ganz  dem  Cbremylos  zuteilen  und  dv  T4J  |Li€TaboGvai  schreiben; 
während  aber  ich  \iä  Aia  zu  diesen  worten  ziehe,  setzt  K.  hinter  |Li€Ta- 
boOvai  ein  fragezeichen.  v.  727  geht  es  mir  ganz  wie  dem  hg.,  der 
sich  von  der  richtigkeit  des  überlieferten  TTXouTUiVi  nicht  überzeugen 
kann ,  und  ich  würde  mich  freuen ,  wenn  sich  seine  Vermutung  Y^povTt 
durch  irgend  welchen  glücklichen  zufall  einmal  bestätigen  sollte,  der  ge- 
danke  an  eine  interpolation  drängt  sich  einem  hier  unmittelbar  auf.  so 
spricht  mich  auch  v.  886  sein  dXX'  ouWv  icvx  cuKOqxivTOU  bfjTM*  ^Ti 
auszerordentlich  an. 

Auch  von  den  verhältnismäszig  weniger  zahlreichen  Verbesserungen, 
welche  K.  bereits  in  den  text  aufgenommen  hat,  sind  manche  zu  billigen, 
so  hat  er  v.  188  d&CT*  oöW  juccTÖc  coö  t^TOv'  oöbdc  Tru)7T0T€  mit 
recht  in  klammern  eingeschlossen  und  darf  bei  v.  475,  welchen  er  ebenso 
als  unecht  bezeichnet,  jedenfalls  als  verdienst  in  anspruch  nehmen  richtig 
nachgewiesen  zu  haben,  wie  wenig  derselbe  zu  dem  übrigen  auftreten  der 
Penia  passt.  ich  hatte  über  diesen  vers  schon,  ehe  mir  diese  ausgäbe 
durch  die  gute  des  hg.  zukam,  jahrb.  1867  s.  405  f.  ausführlich  gebandelt 
und  daselbst  fast  dieselben  bedenken  gegen  ihn  gehend  gemacht,  die  ich 
bei  K.  wiederfinde,  ich  glaubte  den  allzu  lange  unbemerkt  gebliebenen 
fehler  auf  rechnung  des  dichters,  nicht  auf  den  der  Überlieferung  setzen 
und  namentlich  den  versuch  abweisen  zu  sollen,  diese  unvollkommenbeit 
aus  einer  mischung  zweier  bearbeitungen  unseres  Stückes  herzuleiten; 
es  würde  mich  indes  freuen,  wenn  ich  aus  einer  von  K.  in  aussieht  ge- 
stellten neuen  besprechung  des  Verhältnisses  der  beiden  redactionen  zu 
einander  eines  bessern  belehrt  werden  sollte,  v.  521  bin  ich  sehr  geneigt 
mit  ihm  irapa  Xijctoiv  KdvbpoTTobiCTOiv,  worauf  schon  Bergk  gekom- 
men war,  V.  934  neptX^Xetmiiai ,  v.  1036  bieXKUceiac  &w  (wenn  ich 
auch  zweifelhaft  bin,  ob  er  v.  1134  diese  form  der  zweiten  person  sing, 
opt.  aor.  I  act.  auf  -aic  mit  recht  in  der  weise  beseitigt  hat,  dasz  er  liest 
dp'  dxpeXt^cetc  oOv  rt),  v.  1046  ttoXXoG  xpovou,  was  auch  Meineke 
vind.  s.  221  vermutet  hat,  v.  1102  ävoiSac  |Li*  f<p6acac  für  die  richtige 
lesart  zu  halten,  auch  v.  856  möchte  ich  ihm  den  vorzug  vor  Meineke 
zugestehen,  wenn  er  (Ven.  TrpdTjiaTa  TP-  XP^II^^t'^a)  ir^TTOvÖa  vOv,  Tot 
Xpi^juaTa  schreibt,  während  Meineke  in  engerm  anschlusz  an  die  lesart 
der  hss.  vuv\  XP^jiCiTa  vermutet  hatte. 

Andere  neuerungen  im  texte  kann  ich  nicht  unbedingt  billigen. 
V.  199  interpungiert  K.  TrXf|v  Sv  ^övov  ftÄoiKa  —  XP€.  <ppdZ€ 
TOÖ  TT^pL  er  hat  nicht  nachgewiesen ,  dasz  und  inwiefern  der  Wechsel 
der  constructlon  von  b^boiKa  fehlerhaft  sei.  nachdem  Plutos  gesagt, 
dasz  er  nur  öines  fürchte,  kann  Cbremylos  recht  wol  fragen,  wofür  er 
fürchte,  anderseits  würde  nach  K.8  interpunction  Plutos  sagen,  dasz  ihm 


478    A.  ▼.  Bamberg :  anz.  ▼.  AhsL  Piotus  ed.  N.  J.  B.  Kappeyne  t.  de  Coppello. 

mit  einer  einzigen  aosnabme  Chremylos  und  Karion  recht  zu  haben  schie* 
nen,  nährend  doch,  was  er  dann  vorbringt,  von  den  beiden  noch  gar 
nicht  berührt  worden  ist.  auch  die  aufTordening  des  Chremylos  ist  in 
der  vulgata  besser  motiviert  als  bei  K. ,  wo  Piatos  mit  bd^otxa  schon 
von  selbst  die  auseinandersetzung  des  Cv  fiövov  beginnt.  ▼.  349  liest 
R.  noiöc  TIC;  XP6.  fmoiOCi  und  hat  darin  gewis  recht,  dasz  oioc 
nicht  als  Tragewort  genommen  werden  dürfe,  ich  habe  GölL  gel.  anz. 
1866  s.  150  das  oloc,  welches  ohne  alle  interpunctiou  zu  schreiben  ist, 
eriilart  und  namentlich  betont,  dasz  die  Infinitive  TrpdtTeiV  und  ditiTC- 
TpupOai  davon  abhingig  seien,  dasz  aber  K.s  ÖttoToc  nicht  zu  dulden 
ist,  glaube  ich  de  Rav.  et  Yen.  s.  27  f.  nachgewiesen  zu  haben.  ▼.  878 
schreibt  R.  oTraciv  icd*  ''QXiiciv  6  Ocöc  oOtoc  ei  usw.,  ohne  im  com- 
mentar  einen  andern  grund  anzugeben  als  dasz  in  der  vulgata  der  artikel 
TOtC  vor  "CXXticiv  nicht  stehen  dürfe,  und  die  hss.,  wenn  auch  nicht  ge- 
nau an  dieser  sielle ,  doch  icnv  darböten,  letzteres  bat  für  mich  keinen 
werth ;  ersteres  aber  ist  mir  nicht  vollkommen  klar,  den  einzigen ,  aber 
nicht  hinreichenden  aufsclilusz  gibt  die  anmerkung  zu  v.  546,  in  welcher 
er  für  näciv  TOic  dvOpuiirotc  vermutet  f|piv  TOic  dvOptuTrotc  und  hin- 
zufügt: 'diflert  aliquid  utrum  irävTCC  fivOpumoi  dicatur  an  irdvrec  fiv- 
OpuiTioi ;  illud  enim  est  homines  omnes  certi  cuhtsdam  generis^  hoc  vero 
homines  universi*  ich  gestehe  dasz  ich  diesen  unterschied  nachzufühlen 
noch  nicht  feiofählig  genug  bin.  recht  überflüssig  scheint  es  mir  v.  921 
f)cuxiav  ^x^V  in  f|.  Syuiv  zu  verändern,  wie  R.  gethan  bat.  nach  der 
Überlieferung  fragt  der  gerechte  den  sykophanten,  der  viel  von  seinen 
wichtigen  amtsgeschäften  geredet  hatte,  ob  er  nicht  wünsche  ein  ruhi- 
ges leben  führen  zu  können,  während  er  nach  R.s  lesart  fragt,  ob  er 
lust  habe  der  gewohnten  thätigkeit  zu  entsagen,  ich  sehe  nicht  ein, 
warum  diese  Wendung  jener  vorzuziehen  sei.  wenn  ferner  R.  v.  550 
BpacußouXiu  Aiovuctov  in  GpacußouXov  Atovuciiji  verwandelt,  so 
kann  ich  darin  nur  ein  stück  unberechtigter  pedanterie  finden,  auch 
V.  597  scheint  mir  dpiräZctv  npiv  KaTaGcTvai,  wofür  R.  nptv  Korra- 
KetcOai  geschrieben  hat,  das  einzig  richtige  zu  sein,  wenn  den  armen 
vorgeworfen  wird,  sie  raubten  der  Hekate  die  ihr  gebührenden  mahl- 
zeiten,  bevor  sie  dieselben  niedergesetzt,  so  heiszt  das  natürlich  nichts 
anderes  als  sie  brächten  überhaupt  keine  mahlzeiten.  die  art  des  aus- 
drucks  aber  soll  daran  erinnern,  was  nicht  geradezu  ausgesprochen  zu 
werden  brauchte ,  dasz  die  armen  sogar  noch  weiter  zu  gehen  und  die 
Hekate  auch  um  die  mahlzeiten  zu  betrügen  pflegten ,  welche  ihr  von  den 
reichen  gespendet  wurden,  v.  456  hat  R.  das  überlieferte  XotbopcT 
gegen  das  vom  schoiiasteu  ausdrucklich  auf  Unkenntnis  der  kritiker  zu- 
rückgeführte XoiöopcTc  aufgegeben,  ohne  dafür  einen  andern  grund  an- 
zuführen als  dasz  das  activum  stärker  sei  als  das  medium,  man  wird 
schwerlich,  wie  R.  gethan  hat,  das  verbum  ^.schmähen'  von  fijuiv  trennen 
und  dieses  lediglich  mit  TTpoceXGoOc*  verbinden  dürfen,  v.  1180  schreibt 
R  £6u€V  äv  für  £Ouc€V  und  findet  den  grund  für  seine  Sndernng  im  fol- 
genden, wo  allerdings  in  den  diesem  parallel  laufenden  Sätzen  zweimal 
"^rfectum  steht,    solcher  üniformität  zu  liebe  würde  indes  Aristo- 


N.  J.  B.  Kappeyn^  van  de  Coppello :  analecta.  479 

phanes  schwerlich  das  äv  ganz  unnötzer  weise  wiederholt  haben,  ob  er 
V.  323  mit  recht  carrpöv  In  caOpöv  verändert  habe,  wage  ich  nicht  zu 
entscheiden. 

Zum  schlusz  will  ich  die  conjecturen  nur  anführen,  welche  gelegent- 
lich in  dem  commentar  mitgeteilt  worden  ^ind.  zu  v.  441 ,  wo  er  q)€u- 
TU)M€V  liest,  vermutet  er  vögel  1639  7ToX€jLiricuj|Li€V  jiiäc,  zu  v.  535 
Kokalos  fr.  I  (s.  1092  Bergk)  Trapd  col  KOT^Tpiße  9aljLidTia,  zu  v.  598 
Thesm.  870  |if|  CTTcOM  ji'  li  ZeO,  zu  v.  695  ekkl.  502  ^x^^V  cü,  zu 
v.  1044  Vögel  438  cu  hl  TOÖcJ)'  iq>*  öroicl  rrep  XÖTOic  und  wespen 
235  rrdpecO*  8ti  xrcp  fx'  icci  Xontöv  usw.,  zu  v.  1134  ebd.  291 
dOcXriccic  biböv*  oöv  und  vögel  419  f.  fj  tiv'  dxÖpöv  f{  (piXov  Tiv' 
dücpeXciv  ?X€»v. 

Berlin.  Albbrt  von  Bamberg. 


64. 

ANALEOTA. 


in  proximo  horum  annalium  volumine  (a.  1867  p.  459)  F.  C.  Heri- 
lein  emendationem  tenlavit  loci  InLysiae  orationc  de  caedeEratosthenis 
S  20,  qui  legitur  sie:  Kttl  t6t€  bf|  irpöc  td  T^vard  juioi  xrecoOca  (sc. 
f|  Ocpdiraiva)  . .  KatiiTÖpei  (I.  xatiiTÖpcuc  cum  Cobeio)  Trpwiov  juiev 
ujc  |ui€Td  Tf|V  «iKCpopdv  ttÖT^  {I.  aÖT^  cum  Dobraeo)  rrpodoi  (sc.  6 
'GpaTocO^vnc) ,  liT€iO*  UJC  aurfi  tcXcutüüc*  elcaYT^iXcie ,  xal  ibc 
iKcCvTi  (sc.  fj  Ttivf))  Tui  xpoviw  TreicOeiTi ,  xai  rdt  dcöbouc  olc  rpö- 
TTOic  Ttpocioi,  Kai  djc  Gecjiocpopioic  dfioö  dv  dtpiu  övtoc  ibxer* 
elc  t6  Updv  ^€Td  iflc  iirytpöc  rflc  dKEivou.  in  his  alierum  illud 
TTpoctot  corruptum  esse  consentiunt  omnes,  quare  Reiskius  nototr]? 
Dobraeus  TrpoceiTO,  quem  sequitur  Herwerdenus  (proba  tamen  forma 
TTpocovro  recepta),  Cobelus  TrotoiTO  legere  suaseruut,  quibus  conieclu- 
ris  Hertlinus  1.  1.  adiecit  suam  corrigens  eiciot.  sed  vereor  ut  locus  iani 
emendatus  sit.  non  ^nim  video  (pace  viri  clarissimi  disputatum  sit)  quid 
illa  locutio  rdc  elcöbouc  eici^vai  aliud  slgnificare  possit  nisi  aditus 
vel  ianuas  int  rare,  quod,  etiam  si  huic  loco  aptum  esset,  dictum 
foret  de  £ratosthene.  verum  non  is,  sed  dKcivr]  est  subiectum  verbi 
aeque  ac  sequentis  C^x^'^?  ^^  ^  ^^^^  sentenliae  nexu  perspicuum  est, 
quodque  sensit  Dobrdeus  quoque  advers.  t.  I  p.  194  annotans:  *forsan 
cicdbouc  8v  TpÖTTOV  notricaito  (Eratosthenes).'  cf.  iam  correclio  Co- 
beti.  'sed  cum  concinnius  sit  omnia  ad  uxorem  referri,  an  TTpocciTO 
sc.  i\  fuvf)  TÖv  jbiotxöv?'  sin  minus,  subiecti  mutationem  expresse  in- 
dicare  debuit  orator.  veram  autem  iectionem  invenisse  mihi  videor: 
suspicor  enim  Lysiam  scripsisse:  rdc  elcööouc  olc  tpönoic  irapd- 
cxoi.  quae  lectio  nuUam  quidem  habet  difficultatem  palaeogra^hicam : 
nam  praepositiones  irapd  iT€p(  irpöc  ttpö  saepius  inter  se  confusae  sunt, 
et  Httera  X  ^^  ^  ^^^  di£Pert  nisi  una  lineola  transversa;  tum  arguitur  uxor 
Euphileli  ipsa  aduUero  aditus  (rdc  ckdbouc,  senel  atque  iterum) 


480  N.  J.  B.  Kappeyne  van  de  Goppello:  analecU. 

praebuisse.  paene  igitur  mea  quidem  opinione  rem  acu  tetigit  T.  L 
UaJbertsma  cooicieDs  iroptZot  (Mnemos.  v.  XI  p.  208).  [alque  in  eandem 
sententiam  iam  antea  C.  Scheibe  in  borum  annalium  siippl.  l  p.  365  sq. 
=  lecUiinum  Lysiacarum  p.  71  sq.  correxerat  iropicatTO.]  in  Xeno- 
pbontis  HeJI.  IV  4,  7  narrantur  Pasimelus  et  Aicimenes  Praxilae  dixisse 
se  ei  aditum  posse  praebere  intra  muros:  quod,  quippe  semel  fac- 
tum, est  TTopacxeTv  elcobov. 

Allerum  ex  eadem  hac  oralione  locum  tractare  mibi  liceat,  qui,  quod 
equidem  sciam,  neminem  adhuc  offendit:  in  %  dico  38  haec  verba  quibus 
grave  iuhaeret  vitium  grammaücum:  cuiq)pov€Tv  djuauTÖV  f|TOU|LiT)V. 
quid  autem  vitii  inhaereat  statim  videbis  collata  $  snperiore,  ubi  reos 
dicit  biKaiov  ji^v  fiv  iroictv  f|TOu^iiv,  non  MKaiov  ji^v  &v  ttoicTv 
i\xa\rTÖy  f)TOU|LHiv.  videlicet  f)YOU|üniv  et  iroieiv  idem  habent  subiec- 
tum,  neque  nlla  datur  oppositio:  cf.  Krnegeri  gramm.  p.  11  $  55,  2. 
igitur  quanlocius  pronomen  illud  librario,  qui  parum  graece  sciebat, 
reddendum  est,  et  post  cuKppovcTv  ex  eodem  exemplo  auctore  Mark- 
lando,  cui  obtemperanint  Francicenius  (comm.  Lys.  p.  30)  et  Herwer- 
denus,  inserenda  particula  Sv.  at  ?ide,  quaeso,  ex  innumeris  locis  in  hac 
ipsa  oratione ,  quam  frequens  atque  adeo  Lysiae  quasi  proprius  sit  usus 
furmarum  iliarum  ^iLtauToO  ccauToC  dauroO  cet.,  ubi  alii  scriptores 
aut  formas  pronominum  personalium  plenas  vel  encliticas  aut  pronomina 
possessiva  vel  etiam  siropiieem  arliculum  possessivum  usurpant:  vide  L 
or.  SS  5.  6.  10.  15  alias,  quales  idiotismos  librarii  in  additamentis  suis 
miuime  solebant  observare.  sed  nihil  neque  eiciendum  neque  inserendum 
est,  verum  pro  ei  in  Ciuq)pov€Tv  reponendum  a,  ut  legatur  COUPON  AN 
(i.  e.  cu)q)pov'  &v)  ^Mauröv  f|TOiijiT]v.   quo  facto  omnia  sana  babebis. 

lu  S  40  pro  praesenti  KcXeueiv  legere  roalim  aorislum  KcXeOcat, 
quemadmodum  in  antecedeniibus  KaTaX€iq>Of)vai  et  ^ev^cOat,  in  sequen- 
tibus  irapOTT^^Xat  et  KeXeOcai  le^untur.  assenlior  autem  viro  doctis- 
simo  Halberisma  1.  1.  p.  209  afBrmanti  verba  Kai  KcXeCcm  auTOUC 
putidum  esse  eroblema ;  sed  ipse  ille  aoristus  probare  videlur  interpola- 
torem  in  nostro  loco  legisse  KeXcOcai.  cf.  etiam  aoristos  in  S  42,  in 
qua  dubilari  nequit  quin  delendum  sit  participium  6vTac,  vide  modo 
S  23  Touc  fi^v  Ivbov  KarAaßov ,  et  supra  in  $  41  oök  eUxbc  5v 
Tiv  *  oIkoi  KaToXt^qiOMm. 

Attendamus  iam  pauca  quaedam  in  oratione  contra  Eratosthenem. 
in  fine  S  15  editur:  dbÖKCi  |Liot  rauTi]  Treipac6ai  cu>8fivat,  dvOupou- 
\Uv\^)  Sri,  föv  }xiy  XdOuj,  cuj6/jcoMai,  ddv  bk.  Xn^Oui)  fiTOUjiiiiv,  el 
\iky  6^0TVic  tXr\  TreTreicju^voc  xmö  toC  AojiviiTTrou  xp^^^ira  Xa- 
ßeiv,  oubiv  fJTTOV  äq>€6J^C£c6at,  el  bi  jurj,  6|lio(ujc  &7ro6av€tc6ai 
(quod  exemplum,  si  testimonio  opus  esset,  probare  posset  regulam  de 
simplici  inßnitivo  non  mutalo  subiecto  post  verbum  f)Y6ic0at  sim.,  quam 
supra  tuiti  sumus).  in  bis  autem  adverbium  öjioiuic  corruptum  esse 
primus  vidit  Herwerdeuus,  cuius  tamen  suspitio  Lysiam  scripsisse  db^tZiC 
(coli.  or.  c.  Agor.  S  63)  minus  probabilis  mihi  quidem  videtur:  nam  cap- 
tus  non  quaerit  utrum  saeva  an  miti  morte  periturus  sit,  sed  secum 
reoutat,  utcumque  eveniat  fugiendi  periculum,  nulio  modo  sibi  potis 


N.  J.  B.  Kappeyne  van  de  Coppeilo  :  aaalecla.  481 

fore  peius  (cf.  finis  S  13];  quod  exprimitur  per  adverbium  ä|LiiJUC. 
conrusionem  vocabulorum  öfioiiuc  et  öpujc  haud  raram  esse  oslendit 
Schaeferus  ad  Greg.  Cor.  p.  631. 

In  verbis  $  20  oöruic  eic  fmäc  bid  t&  xP^M^it'  i£r\ix&p'vavoVy 
i&CTTCp  öv  iTcpoi  H€T(iXiüV  dbiKTijLidTiJüV  öpT^jV  IxovTCC  laoguere 
senleniiam,  nisi  in  posteriore  periodi  parte  addalur  negatio,  recte  vidit 
Sauppius;  quare  legere  iubet  ÜJCirep  OUK  &v  Srepoi,  quod  recepit 
Herwerdenus;  equidem  praetulerim  oub'  &v  Irepoi,  adeo  in  nos  sae* 
vierunt  propter  pecuniam^  ac  ne  aln  quidem  fecisseni^  qui  ob  graves 
sihi  iUaias  iniurias  essent  irali,  quo  acrius  eliam  notatur  sceleratorum 
illorum  avaritia.  [pib*  &v  ^Tcpoi  coniecit  iam  Westermannus  in  quaest. 
Lys.  111  p.  11.  sed  v.  Funkhaenel  in  bis  annalibus  1861  p.  Ö71  et  Heutz- 
ner  ibidem  1865  p.  673.1 

In  S  60  narranlur  ol  öXitoi  ad  perniciem  civitatis  irdvTac  dv- 
Optunouc  condttxisse.  dubito  an  adiectivum  iräc  ita  poni  possit  pro 
navTOtoc.  au  reponendum  iravToiouc  aut  TravtaxöBev?  et  in 
S  65,  ubi  de  Hagnone  patre  Theramenis  dicitur  twv  7rpoßoOXu)V  UJV 
laÖT*  ?7rpOTT€V,  rescribendum:  TttÖT*  iTTpcmcv,  easdem  partes 
sequebatur,  cui  opponitur  TdvavTia  updireiv?  pro  raörd  Ttpärreiv 
etiam  in  usu  erat  locutio  Td  d|Lioia  TTpdTTCiv :  cf.  $  74.  [sie  iam  Clas- 
senus  et  Frohberger  in  ed.  reposuerunt.] 

In  Agoratum  %  13  pro  fiaOövrec  £tvu)|li€V  procul  dubio  scrip- 
tum fuit  perfectum  £ifV(&iKa|Li€V,  re  ipsa  experti  novitnus ^  quod  ex 
aoristo  participii  fia66vT€C  satis  apparet. 

Ex  eiusdem  orationis  $76  duo  mihi  videntur  vocabula  excidisse. 
libri  haec  exhibent:  £p€c6'  atÖTÖv  bi*  6  Ti  <f^r]c\v  'AGtivaToc  TTOiriWlvai. 
iäv  bt  nf|  Ixq  dTTobeiEai,  xiMiwpcTce'  aördv  öti  Ka\  ibiKOle.  Ka\ 
iieKKr\ciale  Ka\  icuKO^dvret  iroXXodc  die  'AOrivaioc  ToCvoiia  im- 
TpaqxS^evoc  igitur  Agoratus  oök  uiv  'A6T]vaioc  (vide  $  73)  Urnen 
(bc  'AGrivaioc,  ac  si  esset  civis  Jtheniensis,  Kai  ibiKoZe  Kai  dScKXri- 
cioZc  Ka\  icuKO^dvTCi  ttoXXouc  roGvoiia  dirtTpa^öiievoc. 
quod  nomen?  vel  cuius?  respondebit  %  73  bis  verbis:  ouK  ibv  'AGt]- 
vaioc  Ka\  dbiKoZe  Kai  dSexXiiciaZe  Kai  tpcupdc  rdc  ii  dvBpibTruiv 
£Tpdq>€TO,  £7TiTpaq)d|Li€VOC  'Avatupdcioc  etvai.  e  quibus 
S  76  post  voc.  To()vo|Lia  addendum  esse  censeo  toO  bfjiiouet  comma 
ponendum  post  'A6i)vaioc. 

Finem  facio  in  versu  Aristophanis  Ploti  689 

Tf|V  X€ip'  öqngP^^'  ^^^  cupiSac  ifii) 
quem  in  editione  mea,  quae  ante  hos  aliquot  menses  prodiit,  non  satis 
accurate  tractavi.    scilicet  opinionem  meam  protuli,  pro  verbu  öq>i^pei  e 
scholiasta  rescribendum  esse  ^Effpe,  sed  versus  totius  constructionem 
indicare  neglexi,  quam  talem  fuisse  suspicor: 

dö^pe  Tf|v  X€tp**  ctia  cupiSac  4tw- 
Amstblodami.         N.  J.  B.  Eafpetne  vait  db  Coppbllo. 


482  H.  Blfimner:  zti  Lukianos. 

65. 

ZU  LUKIAN08. 


Hr.  gymnasialdirector  Sommerhrodtia  Posen  hat  im  vorigen  Jahr- 
gang dieser  Zeitschrift  s.  753  ff.  einige  stellen  meines  schriftchens  'archäo- 
logische Studien  zu  Luciau'  besprochen  und  meine  ansichten  über  einige 
stellen  im  texte  des  Luctan  zu  widerlegen  gesucht,  ich  möchte  mir  hier- 
mit erlauben  seinen  cinwondungen  folgendes  zu  erwidern. 

Die  erste  stelle,  welche  Sommerbrodt  behandelt,  ist  meine  crktäning 
der  Luclanschen  Charakteristik  der  archaischen  kunst,  im  ^r)T6puJV&i- 
bdcKaXoc  c.  9.  was  hier  zunächst  den  punct  anlangt,  dasz  Lucian  'im 
gelste  der  moderedner  seiner  zeit  die  guten  eigenschaften  der  alten  schule 
mit  gerihgschätzung  erwähne  und  deshalb  in  gehässigem  lichte  darsteile', 
so  kann  ich  dieser  auffassung  der  betreffenden  stelle  nicht  beistimmeD. 
nicht  die  lelstungen  der  alten  schule  werden  getadelt,  im  gegenteil,  er 
nennt  sie  sogar  iieTciXa  kqI  uirlp  touc  vOv  nur  der  weg,  auf  dem  jene 
alten  redner  zum  ziele  gelangten ,  wird  als  zu  mühselig  verworfen ,  da 
man  jetzt  mit  weit  weniger  anstrengung  ein  groszer  redner  werden 
kAune.  Lucian  gibt  sogar  zu,  dasz  jene  beispiele  der  alten  redner  'nicht 
leicht  nachzuahmen'  seien,  und  er  nennt  diese  irapabciTMaTa  nur  darum 
Hwka  ^abgestanden',  weil  die  spuren  des  weges,  auf  dem  man  zu  dieser 
redeweise  gelangt,  wie  er  etwas  vorher  sagt,-  äfiaupä  fjbr)  Ka\  äcacpf) 
Ta  TToXXä  inö  toO  XPÖVOO  sind,  wenn  nun  der  vergleich  mit  der 
archaischen  piästik  kein  hinkender  sein  soll,  so  musz  das  was  von  dieser 
gesagt  wird  in  einem  ahnlichen  gegißnsatz  zur  modernen  bildhauerkunst 
aufgefaszt  werden.  w9hrcmi  die  archaischen  kunsiwerke  durch  die  attri« 
bule  dncccpiTM^va  Ka\  veupifibri  Kai  ocXripd  einfach  charakicrisicri 
werden  sollen  in  ihrer  ahnlichkeit  mit  der  strengen  redeweise  jener  allen 
redner,  bezeichnet  das  letzte,  dKpißuJC  diTOT€Ta|Li^va  xaic  ypo^^**^^^ 
eben  jene  mühselige,  sorgfältige  arbeit  der  alten  meister,  die  zwar  an 
sich  ganz  lobenswerth ,  aber  für  die  neueren  künstler  nach  der  ansieht 
des  sprechenden  entbehrlich  ist. 

Ich  habe  diese  letzten  worte  durch  *scharf  proportioniert'  erklärt 
und  halte  diese  erkiarung  auch  jetzt  noch  aufrecht ,  wenn  ich  auch  zn- 
gebe  dasz  meine  Übersetzung  'genau  gesondert  in  den  umrissen',  die  ich 
im  anschlusz  an  die  Brunnsche  Übersetzung  gegeben  habe,  der  von  mir 
aufgestellten  deutung  nicht  völlig  entspricht,  in  der  ariiberknng  s.  5 
habe  ich  die  ansieht  ausgesprochen ,  dasz  dKOTCfvCtV  rdc  Ypafüifidc  ein 
terminus  technicüs  der  alten  kunstkritiker  gewesen  sei,  wie  aus  Zeuxisc.  5 
hervorgehe ,  und  dasselbe  bedeute  wie  dneuOuveiV.  Sommbrbrödt  sagU 
dasz  dtroTeivlEtV  rdc  TpctMMdc  nichts  hcisze  als  *iinien  ziehen',  dew- 
nach  die  worte  dKpißJjc  dnoT€Ta|i^va  tqTc  Tpcc^ftalc  bedeuten  'mit 
peinlicher  Sorgfalt  gezeichnet',  dasz  der  ausdruek  von  der  maierei  ent- 
lehnt ist,  unterliegt  wol  keinem  zweifei ;  ich  glaube  abtr  kaum*,  dftfo  dTio- 
T€iv€iv  Tdc  TPOMM^C  bei  den  malern  eben  weiter  nichts  bedeute  als  das 
blosze  ^linien  ziehen',   was  sollte  es  denn  bedeuten,  wenn  an  der  citierten 


H.  BiQmner:  zu  Lukianos.  483 

stelle  des  Zeuxis  das  dTTOTcTvai  räc  TpoMl^^c  de  tö  cäOuraTOV,  was 
dann  etwa  hiesze  *ganz  gerade  linien  ziehen',  als  ein  l)esonderer  vorzug 
gerühmt  wird?  der  för  das  ^linien  ziehen'  der  maler  gebraucldiche  aus- 
drück war  vielmehr  nach  Pollux  VII 128  Tpot|ii|Lif|V  dXKÖcm. 

Meiner  ansieht  nach  ist  sowoi  an  dieser  stelle  das  dKOTelvm  de  TÖ 
euGuTOTOV,  als  in  den  ?puJT€C  c.  14  das  dir*  eöOü  reiveiv  ganz  identisch 
mit  dem  worle  direuGuvetv.  dTrcuOüveiv  nun  ist  in  dieser  anwendung 
ursprünglich  von  den  arbeiten  der  ziramerleute  entnommen,  und  zwar 
wird  es  bei  diesen  gebraucht  vom  gerademacthen  der  balkeu.  so  in  Lucians 
Ikaromenippos  c.  14  inA  Ka\  touc  T^KTOvac  iToXXdKic  diüpaK^vai 
jLioi  boKu»  Gaxdpqi  täv  ö(p8aX|Liuiv  fificivov  irpöc  toijc  Kavovac 
dueueövovrac  xd  EÖXa  (im  überiragenen  sinne  in  den  cIkövcc  c.  12 
u)C  Trpöc  Toic  dKctvtJV  Kttvövötc  dTTCueOvai  TÖ  ÄToX^a).  dies  direu- 
Guveiv  kann,  auch  wenn  nicht  npöc  TÖv  Kavöva  dabeisteht,  keine 
andere  bedeutung  in  einem  bestimmten  zusammenhange  haben  als  diese 
des  richtcps  der  halken  mit  hülfe  des  richtscheites,  und  darum  nennt  Pol- 
Jux  VII  119  unter  den  beschäftigungen  der  zimmerleute  auch  ohne  jeden 
weltern  zusatz  blosz  das  dlT€uGi3v€lV  und  dicht  dabei,  offenbar  als  ein 
synonymon ,  diroTeivetv.  demnach  hat  auch  dies  an  und  für  sich  schon 
die  bedeutung  des  drrcuGOvciv  Trpöc  töv  Kavöva  gehabt,  wenn  nun 
dieser  ausdruck  von  der  baukunst  übertragen  wurde  auf  die  maierei,  so 
gieug  seine  grundbedeulung  natürlich  verloren ;  es  behielt  nun  blosz  die 
bedeutung  'das  richtige  Verhältnis  herstellen';  und  wollte  man,  wie  dort 
Td  l\3Xa,  so  auch  hier  ein  object  dazu  setzen,  so  war  eben  das  ent- 
sprechende rdc  TpaiLiiidc,  die  umrisse  der  figuren,  die  linien  durch 
welche  die  richtige  proportion  der  einzelnen  teile  des  bildes  hergestellt 
wurde,  so  hat  denn  dnoretvEiv  seine  ursprüngliche  bedeutung  Mang 
hinstrecken',  die  es  beim  gebrauch  des  richtscheites  hatte,  verloren;  und 
<larum  konnte  es  auch  Lucian  an  der  angefahrten  stelle  des  Zeuxis  als 
besondern  kunstausdruck  bezeichnen ,  der  nicht  jedem  verständlich ,  aber 
den  Tpoiqpdujv  TiaTbec  gelaufig  sei,  olc  ?pTOV  etedvat  rd  TOiauTO. 
dieselbe  bedeutung  wie  in  der  maierei  hat  drroTeivctv  rdc  tpap^dc 
auch  in  der  plastilc  erhallen:  es  heiszt  auch  da  'die  richtige  proportion 
in  den  umrissen  anwenden';  eine  wörtliche  Übersetzung  kann  deswegen 
nicht  gut  gegeben  werden,  weil  wir  eben  diesen  ausdruck  des  gerade- 
richtens  der  balken  nicht  in  diesem  übertragenen  sinne  gebrauchen,  so 
kann  ich  auch  die  stelle  der  ?pu)T€C  c.  14  jiTipoO  T€  Ka\  Kv/iilTic  trt '  €uGu 
T€Ta|i^VTic  ÖXP*  troböc  i^Kpißtu^^VOi  ^uGjUOl  unter  der  Voraussetzung 
dasz  in*  eöGü  Tclveiv  synonym  mit  diteuGiJveiv  ist,  nicht  anders  über- 
setzen als  'die  genauen,  richtigen  Verhältnisse,  welche  der  schenket  und 
das  trefflich  proportionierte  Schienbein  bis  zum  fusze  aufweisen' ;  doch 
laszt  sich  dxpt  TToböc  ohne  groszen  unterschied  der  bedeutung  auch  mit 
TeTafi^vric  verbinden. 

An  der  andern  von  Sommerbrodt  behandelten  stelle  "Hpöboroc  c.  4, 
wo  ich  die  lesart  der  hss.  zu  vertheldigen  bemüht  war,  will  Sommer- 
brodt die  anstöszigen  worte  Kai  Td  TcXeirrata  raOra  ganz  beseitigen. 
vor  allem  ist  ihm  das  TaCra  bedenklich,  welches  nur  temporale  bedeu- 


484  H.  BlOnmer:  zu  Lukiaoos. 

toDg  haben  könne,  wie  hie  im  lateinischen,  so  dasz  rä  TcXcuraia  TOÖTa 
heisze  'jetzt  zuletzt*,   wenn  das  TaGra  nur  so  aufzufassen  w9re,  könnte 
es  allerdings  nicht  gehalten  werden ;  ich  möchte  aber  das  raOra  ebenso 
wenig  wie  das  Td  TeXcurma  temporal  fassen,  dasz  tq  TcXeuraia  ein- 
fach ohne  chronologische  bedeutung  im  smne  von  *schlieszlich',  den  letz- 
ten ponct  einer  aufzihlung  andeutend,  gebraucht  werden  kann,  ist  wo! 
kaum  zu  bezweifeln ;  und  wenn  das  der  fall  ist ,  so  können  wir  auch  das 
TaCra  in  demselben  sinne  nehmen ,  nicht  hinweisend  auf  die  gegenwarl 
des  sprechenden  oder  schreibenden ,  sondern  unmittelbar  auf  das  in  der 
rede  oder  schrift  gleich  folgende ,  wie  wir  dergleichen  aufzfthlungen  wol 
schlieszen  mit  den  werten  *und  damit  sei  es  genug'  iL  l.  —  Sommer- 
brodt  nimt  ferner  anstosz  an  dem  doppelten  KaL    das  zweite  kqi  vor 
'AcTiuiva  ist  vollkommen  klar:  'auch  Aötion  hat  gethan,  was  jene  alten 
Philosophen  usw.  gethan  haben.'    das  andere  kqC  aber  steht  meiner  an- 
sieht nach  in  engster  Verbindung  mit  Sttou  und  ist  demnach  nicht  mit 
dem  folgenden  rä  TcXeurala  Taöra  zu  verbinden,    dasz  xai  gern  zu 
solchen  partikeln  wie  djcnep,  Sttujc  u.  l.  gesetzt  wird,  ist  bekannt,  und 
wenn  es  auch  sonst  In  dieser  Verbindung  mit  önox)  nicht  direct  nach- 
weisbar ist  (denn  in  der  stelle  imip  ToO  Iv  irpocar.  irr.  6  gehört  Kai 
zu  'Enucoupoc,  wie  an  unserer  stelle  das  Kai  vor  'AcTiuiva),  vielmehr 
Sttou  In  causaler  bedeutung  lieber  mit  Y€  verbunden  wird  (wie  s.  b.  Xen. 
Kyrop.  VIll  4,  31],  so  zweifle  ich  doch  nicht  daran,  dasz  eine  solche  Ver- 
bindung wie  önov  Kai  In  der  bedeutung  'da  ja,  quoniam^  quandaqui- 
dem*  recht  gut  möglich  war.    ich  kann  mich  daher  nicht  entschlieszen 
die  lesart  der  hss.  aufzugeben  und  das  erste  Ka\  sowie  das  xaGra  zu 
streichen,  noch  weniger  aber,  das  zwar  nicht  notwendige,  aber  doch  hsl. 
bezeugte  und  unverdächtige  ra  TeXeurafa  ohne  weiteres  für  einen  spä- 
tem Zusatz  zu  halten. 

Sommerbrodt  macht  es  mir  schlieszlich  zum  Vorwurf,  dasz  ich  die 
stelle  *HpöboTOC  c  4  durch  die  imif)  ToO  £v  TTpocay.  irr.  6,  welche  die 
werte  Ta  TcXeuraia  TauTa  nicht  enthält,  vertheidigte.  ich  habe  aber 
diese  stelle  zur  vergleichung  nur  deswegen  herangezogen ,  weil  hier  wie 
dort  ein  mann  in  gegensatz  gestellt  wird  zu  anderen,  welche  nodUzioi  ge- 
nannt werden ,  wo  wir  bei  dem  verhältnismäszig  geringen  Zeitraum ,  der 
zwischen  den  epochen  der  angeführten  personen  liegt,  eine  solche  gegen- 
überstellung  nicht  erwarten  würden,  ich  habe  also  durch  die  zweite 
stelle  nicht  das  rä  TcXeirrafa  rauTa,  sondern  das  an  sich  schon  auf- 
fallende naXaiouc  Im  Herodotos  erklären  wollen. 

Ich  benutze  diese  gelegenheit  um  einen  lapsus  memorlae  in  meinem 
schriftchen  zu  berichtigen,  ich  habe  nemlich  auf  s.  7  die  Panthea  als 
geliebte  des  kaisers  Marcus  Aurelius  bezeichnet;  sie  war  aber  bekanntlich 
die  des  kaisers  Lucius  Verus  (vgl.  schol.  zu  Luc.  eiKÖvec  bd.  IV  s.  164 
Jacobilz;  M.  Aotoninus  comm.  VIII  37). 

Breslau.  Huoo  Blümkbb. 


0.  Keller:  zu  Ciceros  Rosdana  und  Pompeiana.  485 

Zu  CICEROS  R08CIANA  UND  POMPEIANA. 


Es  ist  nicht  meine  abstellt  einen  panegyricus  auf  die  allgemein  aner- 
kannten, durch  fünf  auflagen  constatierlen  vorzQge  von  K.  Halms  ausgäbe 
der  in  der  iSberschrift  genannleq.  reden  zu  halten,  noch  weniger  bedeu- 
tende aussteliungen  an  derselben  machen  zu  wollen ;  aber  bei  einer  lang- 
samen lectflre  in  der  sciiule  sind  mir  einige  gedanken  aufgestoszen ,  die 
sich  zum  teil  schon  lange  in  mir  festgesetzt  hatten  und  die  ich  jetzt  ein- 
mal vor  das  allgemeine  forum  bringen  möchte. 

Zu  p.  Sexto  Roscio  $16  finden  wir  folgende  anmerkung:  Uumultu, 
im  bflrgerkrieg  zwischen  Marius  und  Sulla,  der  tumuUus  heiszt  als  ein 
innerhalb  Italiens  gefOhrter  krieg;  s.  zur  or.  CaL  Hl  %  4.'  dort  steht: 
Uutntiltus  Gallici^  im  cisalpinischen  Gallien,  vgl.  die  hauptstelle  bei  Cic. 
Phil.SlW  c.  1,  wo  es  unter  anderem  heiszt:  iiaque  maiores nosiritumul- 
tum  Gallicum^  quod  erat  Italiae  finitimus^  praeterea  nuUum  nomina- 
bant^  d.  h.  das  wort  lumültus  wurde  von  jeder  kriegerischen  bewegung 
In  Italien  und  auch  in  der  benachbarten  Gallia  cisalpina  gebraucht,  sonst 
über  bellum  von  jedem  kriege  gesagt.'  diese  erklSrung  von  tumultus 
scheint  mir  unrichtig,  wenigstens  sehr  unvollstHndig.  oder  warum 
heiszen  denn  die  Samnitenkriege ,  warum  der  krieg  mit  Pyrrhus  nie- 
mals tumultus^  ja  warum  lieiszt  nicht  selbst  der  zweite  punische  krieg 
a  parle  potiore  tumultus  statt  bellum^  die  in  meinem  Wörterbuch  ver- 
zeichneten stellen  führen  das  wort  tumultus  für  folgende  kriege  an: 
1)  für  bflrgerkrlege ,  2}  für  sklavenkriege,  3)  fflr  kriege  mit  den  galli- 
schen und  namentlich  mit  den  germanischen  barbaren.  tumultus  ist  zu- 
nächst ein  unregelm9sziger  krieg,  ein  plötzlich  ausbrechender,  wobei 
die  heiligen  fetialceremonien  nicht  in  anwendung  kommen ,  ein  Überfall 
durch  barbaren,  durch  empörte  Sklaven,  durch  eine  feindliche  partei  unter 
den  mitbörgern  selbst,  seit  dem  flberfall  durch  die  Gallier  *dem  galli- 
schen l9rm  oder  schrecken'  —  denn  das  wird  doch  tumultus  Gallicus 
zunäclist  bedeuten  —  seil  dem  lag  an  der  Alia,  den  die  Cimbern  und 
Teutonen  zu  wiederholen  drohten,  blieb  dieser  ausdruck  der  steheude 
und,  wird  man  sagen  können,  schrecklicliere ,  wodurch  man  stets  an 
jenen  unglQckstag  erinnerte  und  an  die  gefahren  welche  immer  noch  von 
einem  einfall  der  Völkermassen  hinter  den  Alpen  drohten,  daher  steigert 
Cicero  in  Cat,  IH  $  4  seinen  ausdruck  bellum  transcUpinum  durch  tumuU 
tus  Gallicus.  nimt  man  also  den  ursprünglichen  begriCT  von  tumultus 
Märm,  schrecken  und  Verwirrung'  man  könnte  mit  ^inem  worle  sagen 
'panik',  zusammen  mit  dem  des  unregelmäszigen  kriegs ,  so  wird  man 
leicht  entdecken,  dasz  man  damit  die  wirkliche  bedeutung  des  wertes 
richtiger  erfaszt  hat,  als  wenn  man  behauptet,  tumultus  sei  ein  krieg 
innerhalb  der  grenzen  Italiens,  die  kriege  mit  Tarent,  den  Samniten 
und  den  Puniern  waren  regelmflszige  kriege,  der  seerftuberkrieg  hat  keine 
panik  verursacht,  wol  aber  der  sklavenkrieg,  die  bflrgerkriege;  und  meh- 
rere kriege  gegen  die  Galller  und  Germanen  waren  danach  angethan,  dasz 


4Sß  0.  Keller:  za  Cieeros  Bosciana  und  Pompciaoa. 

der  naroe  (umulius  GalBeus  selbst  für  minder  bedeutende  oder  im  keim 
ersückle  empömngsversuche  in  geltung  geblieben  ist. 

$  20  'guadriduo  quo]  im  Terlaiif  der  Wer  läge,  wibrend  wdcber' 
(nemlicb  der  mord  vorßel,  wurde  die  nacbrichi  dem  Chrrsogonos  fiber- 
bracht),  dazu  wird  verglichen  %  105  ad  Volaterras  in  castra  L.  &iüae 
mors  Sex,  Roten  quadriduo^  quo  is  occisus  esij  Chrysogono  nuniiatur 
and  Suet.  lul.  35  quem  Mitkridaiis  Magni  filium  .  •  quaUuor  qwbus  in 
conspectum  venit  horis,  una  proßigavH  ade^  Madvig  spr.  $  276  anm.  4. 
in  allen  diesen  ßllen  und  an  der  noch  von  Madvig  düerten  stelle  CUars 
b*  g.  V  26, 1  diebus  circiter  JTF,  quibus  in  Mbema  venlum  estj  initium 
defeelioms  ortum  est*)  sieht  das  relativum  genau  für  posi  quam  quo 
{qua) ;  post  ist  ausgefallen  wie  sonst  häufig  genug  bei  solchen  zablan- 
gaben,  z.  b.  Liv.  III  33, 1  anno  ireceniesimo  aUero^  quam  condita  Roma 
est^  Herum  mutalur  forma  civitatis,  ich  glaube  nicht  dasz  man  berech- 
tigt ist  dem  Lateiner,  wenn  er  sagen  will  'vier  tage,  nachdem  etwas  vor- 
fiel, ward  es  gemeldel',  eine  ausdrucks weise  in  den  mund  zu  legen, 
welche  sowol  den  tag  des  Vorfalls  als  den  der  meidung  ganz  im  unklaren 
Uszt;  denn  wenn  ich  sage  'im  verlauf  derselben  vier  tage,  während 
welcher  der  mord  vorfiel,  wurde  die  sache  auch  gemeldet',  so  könnte 
der  mord  am  zweiten  tage  vorgefallen  und  am  dritten  gemeldet  worden 
sein,  ohne  dasz  der  lateinische  ausdruck  irgend  welche  deutliche  auf- 
klärung  böte,  ich  glaube  dasz  der  strenge  verstand  mit  obiger  ausdrucks- 
weise  so  wenig  zu  scbaflen  hat  als  mit  andern  arten  der  attractiou ,  wie 
sie  in  den  lateinischen  vergleichungssätzen  vorkommen,  dasz  obige  aus- 
druclLSweise  so  wenigstreng  logisch  ist  als  die  salze  Z.  AemilU  contio  fuit 
verior  quam  gratior  populo  oder  patrem^  quom  fervit  maxume,  tarn 
placidum  quam  ovem  reddo.  so  gut  mau  in  diesen  beiden  flllen  darauf 
verzichteu  musz  strenge  logik  des  lateinischen  ausdrucks  nachzuweisen, 
so  gut  wird  man  es  in  dem  analogen  fall  oben  auch  thun  müssen,  es  isl 
eine  willkürliche  attraclion ,  mit  hinwegsetzung  Ober  die  strenge  logik. 
die  vollsUndIge  und  ursprüngliche,  auch  logisch  richtige  ausdrucksweisc 
wäre,  um  das  vorletzte  der  angeführten  beispiele  zu  nehmen:  diebus  XV 
post  quam  quo  in  hibema  ventum  est,  initium  defectionis  ortum  est: 
post  fällt  auch  sonst  aus,  quam  fällt  aus  bei  amplius^  plus  und  minus^ 
und  nach  dieser  analogie  kann  es  wol  auch  hier  ausfallen :  so  erhalten 
vi\t  diebus  XV  quo,  dieses  qiui  aber  wird  durch  eine  von  selbst  gegebene 
attraclion  in  quibus  umgewandelt,  hätte  der  römische  schriflsteller  sagen 
wollen  *im  verlauf  der  vier  tage,  während  deren  er  ermordet  wurde*  und 
nicht  vielmehr  'nach  verlauf  eines  quadriduom  seit  er  ermordet  wurde', 
so  würde  er  wahrscheinlich  intra  quadriduum  gesagt  haben,  wie  es 
dem  sonstigen  Sprachgebrauch  der  voraugusteischen  autoren  gemäss  war. 


*)  [eine  gröszere  auswahl  anderer  beispiele  dieses  sehr  eigentüm- 
lichen spr&chgebranchs  gibt  schon  Perizonins  zu  Sanctii  Minerva  n  9,  6 
und  IV  6,  18  (fi.  211  und  688  der  Amsterdamer  ausgäbe  von  1714);  vgl. 
B"'^^  ^"***nt  gramm.  §480  undBeisigs  vorleaongen  ober  lat.  spfaehwlaa. 
{.,  welcher  letztere  eine  sowol  von  cler  Madyigaphen  als 
vorgetragenen  abweichende  erklärung  aufstellt.       A.  F.] 


0.  Keller:  zu  Ciceros  Rosciana  und  Pompeiana.  48*7 

$  31  certum  est  deliberaiumque^  quae  ad  causam  pertinere  arbi" 
tror^  omnia  non  mqdo  dicere^  verum  etiam  libenter^  audacter  libere- 
que  dicere.  dazu  die  aum.  Uibenter  in  der  seltenen  bedeulung  «oacli 
freiem  belieben,  ungeniert».'  libenler  wurde  ^gern'  bedeuten,  'ungeniert' 
aber  heisit  licenier^  und  das  würde  ich  in  den  text  gesetzt  haljen. 

$  145  ii  spoliorum  causa  vis  hominem  occidere^  spoliasli:  quid 
quaeris  ampiius?  anm.  ^hominem  nidit  «einen  mensdien»,  sondern  den 
Roscius,  den  Cic.  eben  redend  eingeführt  hatte.'  gegen  diese  auffassung 
der  ganz  stereotypen  phrase  hominem  occidere  musz  entscliiedeoe  Ver- 
wahrung eingelegt  werden,  ^morden'  absolut  heiszt  nicht  occidere^  son- 
dern hfin^inem  occidere:  vgl.  $  128  aliquot  post  menses  et  homo  occi' 
sus  est  (Gel  der  mord  vor)  et  borta  veniisse  dicuntur,  %  100  nuUum 
modum  esse  hominis  occidendi  (zu  morden],  quo  itte  non  aliquot 
(eine  ziemliche  anzahl)  ocdderit^  mulios  ferro  ^  mültos  veneno,  %  93 
erat  tum  mulUtudo  sicariorum^  id  quod  commemoravit  Erucius^  et 
h 0 min e s  impune  occidebantur  (wurc^e  gei^ordet).  S  ^0  eius  modi 
tempus  eral^  inquit^  ut  homines  vulgo  impune  occidereniur.  Hör. 
epist.  I  16,  48  non  hominem  occidi  (ich  hab,e  ke^ien  mord  auf  dem 
gewissen},  ebd.  I  2,  32  ut  iugulent  hominem,  surgunt  de  nocte 
latrones  (um  einen  mord  zu  verüben). 

Le  imperio  Cn.  Pompei  %  16  cum  publicani  fam^Uas  maximas^ 
quas  in  saltibus  habent,  quas  in  agris^  quas  in  poriubus  atque  ciisto 
diis,  magno  periculo  se  habere  arbilrentur  ?  anm.  Un  saltibus  «auf  den 
Viehtriften» ;  so  oder  in  silvis  ist  stall  der  unpassenden  lesart  in  salinis 
zu  schreiben.'  saltibus  wird  unbedingt  vorzuziehen  sein :  die  viehlrifleu 
sind  ein  ^auptbegriff  und  dürfen  in  diesem  Zusammenhang  nicht  fehlen: 
das  zeigen  schon  die  worte  in  $  15  ita  neque  ex  portu  neque  e^  cfe- 
cumis  neque  ex  Script ura  (weidegeld)  vectigal  conservari polest,  so 
notwendig  der  begriiT  weidelund ,  $o  werthlos  ist  hier  der  begriff  wald. 
denn  die  in  den  silvae  etwa  zur  ausbeutung  des  harz-  und  holzertrags 
verwendeten  sklaven  kommen  numerisch  gegenüber  von  den  auf  den  Vieh- 
triften [saltus)  verwendeten  Sklavenmassen  nicht  in  betracht.  man  wird 
zur  berubigung  der  leser  die  wor^e  'oder  in  silvis^—  die  einen  total  andern 
sinn  geben  als  in  saltibus  —  am  besten  in  d^r  anmerkung  ganz  fallen  lassen. 

S  21  Sinopen  atque  Amisum,  qUibus  in  oppidis  erant  domicUia 
regis^  omnibus  rebus  ornalas  atque  refertas^  ceterasque  urbes 
Ponti  et  Cappadociae  permultas  unp  aditu  adventuque  esse 
captas.  es  ist  sehr  wol  möglich ,  da3z  die  in  der  note  gegebene  Über- 
setzung 'und  andere  stadte  .  .  in  selir  groszer  anzahl'  den  sinn  richtiger 
trifft  als  die  Vermutung,  die  ich  doch  nicht  ganz  unterdrücken  möchte,  ob 
uichtzu  übersetzen  sei  'und  die  (^hrigen  zahlreichen  bedeutenderen  stAdte 
von  P.  und  C  so  wäre  ceteri  in  seinem  gewöhnlichen  sinne  belassen  und 
urbs  in  der  bekannten  prägnanten  bedeutung  'gruszere  Stadt'  zu  fassen. 

%  32  socUs  ego  nostris  mare  per  hosce  annos  clausum  fuisse 
dicam-,  cum  exerdtus  vestri  numguam  a  Brundisio  nisi  hieme  summa 
transmiserint?  qui  ad  vos  ab  exteris  nationibus  iffn^rent,  capiqs 
querc^r,  c^m  le.ga iipopuli  Romani  redempti sint?  n^caforibus 


488  0.  Keller:  za  Ciceros  Rosciaiia  und 

tutum  mare  non  fuisse  dieamj  cum  duodtdm  $ecures  in  praedonum 
potesiaUm  pervenertni?  aom.  *legati]  ^egaium  futndam  oppresntm 
a  piraiis  pretio  uxor  Uberavit»  schol.  in  ermangelang  anderer  qndlen 
ist  unsicher,  ob  diese  notiz  auf  alter  fiberliefemng  beruht;  ebenso,  ob 
der  plural  wörtlich  zu  fassen  oder  ein  rbetorischer  ist,  wie  Uberos  $  33. 
wahrscheinlich  betraf  der  nnfall  nicht  einen  eigentlichen  ge- 
sandten, sondern  einen  militSrischen  legaten,  lielleicht  ge- 
rade jenen  (oder  jene),  der  mit  den  sogleich  erwihnten  zwei  pritorpn 
in  die  binde  der  seerluber  gerathen  war.  dies  zeigt  besonders  $  53  cum 
popuU  Romani  legati^  quaestores  praetoresque  capiebantur/  liei  der 
doppelbedeotuog  von  ügaius  bat  sidi  der  Lateiner  vielfach  durch  zositze 
vor  misdeutung  geschützt:  man  sprach  von  legatiimperaiaris^  legionum^ 
pro  praeiore^  das  waren  generale;  aber  die  legati popuU  Romam  sind 
doch  wol,  so  weit  die  römische  litteratur  reicht,  'gesandle  des  römiscben 
Volkes'  gewesen,  und  niemals  Unterbefehlshaber,  gerade  durch  den  zusatz 
poptili  Romani^  wenn  man  ihn  beachtet,  hat  Cicero  über  jedes  misver- 
ständois  uns  hinausgehoben;  keineswegs  äberOflssig  stellt  daher  auch 
S  53  der  vollsUndige  ausdruck  populi  Romam  legati^  und  wie  viel  kern- 
bafter  durch  unsere  auffassung  der  aussprach  in  %  32  wird :  qui  ad  vos 
ab  exieris  nationibus  venirent^  capios  querar^  cum  legati  populi  Ro' 
mani  redempti  sintf  als  wenn  man  legati  populi  R,  von  unterfeldherm 
versteht,  das  wird  jeder  leser  selbst  empfinden,  so  erklärt  sich  auch, 
warum  Cicero  im  folgenden  die  quistoren  libergebt:  er  nimt  nur  das  bla- 
mierendste  aus  dem  gegebenen  stoflTe  heraus :  die  gefangennehmung  einer 
gesandtschafl  des  römischen  volkes  und  die  von  zwei  prfttoren;  in  beiden 
fällen  war  die  ehre  des  volkes  aufs  schmählichste  veruuglimpft  worden. 
Öhringen.  Otto  Ebller. 

67. 

IN  CICERONIS  DE  ORATORE  LIBRÜM  TERTIÜM. 

c.  9  S  32  videtisne  genus  hoc  quod  Ht  Antoniif  forte  ^  vehemens^ 
commotum  in  agendo,  praemunitum  ei  ex  omni  parte  causae  saeptum^ 
acre^ acutum^  enucleatum^  in  una  quaque  re  commorans^  honesie  CC' 
denSy  acriter  inseqtiens^  lerrens^  supplicans^  summa  oraHonis  varietate, 
nülla  nostrarum  aurium  satielate.  recte,  ul  opinor,  Baklus  animadvertit, 
quod  Antonius  in  una  quaque  re  commorans  dicalur,  id  vix  cum  celeris 
quae  de  Antonü  genere  dicendl  praedicentur  conspirare:  hoc  enim  magis 
convenire  Grasso,  qui  de  se  mox:  quibus  vestigOs  primum  insiiiij  in  eis 
fere  soleo  perorare,  sed  idem  vir  doctus  quod  suspicalnr  negalionem  ex- 
cidisse  scriptumque  fuisse  non  in  una  quaque  re  commorans^  In  eo  vide- 
tur  errasse.  Crassus  enim  in  ceteris  laudibus ,  quibus  Antonium  omatam 
esse  dielt,  non  quid  evitaverit  ille,  sed  quid  praestiterit  commemorat. 
quare  ego  sie  existimo  scripsisse  Ciceronem:  in  summa  quaque  re 
cornrnnrans  i.  e.  in  rebus  gravissimis  atque  inter  ceteras  eminentibus  sive 
capitibus. 

DAE.  CaBOLUS   SoHEIBE. 


th.  Kode  t  metrische  kleinigkeilen.  489 

68. 

METRISCHE  KLEINIGKEITEN.  ♦) 


I. 

Warum  lassen  nach  griechischem  gebrauche  die  iambischen  verse  in 
den  ungeraden,  die  trochSiscben  in  den  geraden  stellen  den  spondeus 
statt  des  ursprflnglichen  fuszes  zu?  diese  frage,  deren  Inhalt  später  noch 
genauer  formuliert  und  ergänzt  werden  wird,  ist  wiederholt  erörtert  wor- 
den; doch  scheinen  die  bisher  gegebenen,  mir  bekannt  gewordenen  ant- 
worten zum  teil  sehr  künstlich ,  zum  teil  ungenflgend.  darum  möge  es 
erlaubt  sein  hier  eine  erkUrung  zu  versuchen,  die  begreiflicher  und  natür- 
licher scheint  als  die  bisherigen. 

Warum  ist  im  hezameter  der  spondeus  im  vorletzten  fusze  weit  sel- 
tener als  in  den  vorhergehenden?  warum  ist  im  anapftslischen  tetrameter 
der  spondeus  vor  der  katalexis  spater  wie  verschollen?  warum  läszt  der 
peutameter  in  seiner  ersten  hälftc  den  spondeus  zu,  während  er  ihn  aus 
der  zweiten,  bei  Griechen  und  Römern  wenigstens,  unerbittlich  ver- 
bannt? warum  schlieszt  der  trimeter  der  griechischen  komiker  den  sonst 
Überali  zulässigen  unapästen  vom  letzten  fusze  aus?  warum  ist  endlich 
z.  b.  in  den  Asclepiadeischen  versen  bei  den  Griechen  die  basis  so  wan- 
delbar, der  ausgang  aber  unveränderlich  lambisch? 

Alle  diese  bekannten  thalsachen  haben  4inen  gemeinsamen  grund, 
den  nemlich,  dasz  der  schlusz  jeder  metrischen  reihe  vollkommen  rein 
gehalten  werden  musz.  wie  in  der  prosa  der  numerus  der  rede  am 
Schlüsse  des  satzes  am  vernehmlichsten  ist,  so  würde  in  der  poesie  der 
vers  bis  zur  Unkenntlichkeit  eotslellt  werden,  wenn  nicht  sein  schlusz 
das  metrum  in  seiner  ursprünglichkeit  bewahrte. 

Sein  schlusz:  dies  wort  bedarf  noch  einer  genauem  bestimmung« 
im  akataleklischen  iambischen  vers  wird  die  letzte  sllbe,  auch  wenn  sie 
kurz  ist,  durch  das  ende  des  verses  und  die  damit  verbundene  pause  zur 
länge  gedehnt:  der  letzte  fusz  ist  mithin,  wenn  nur  die  thesis  kurz  ge- 
halten wird,  stets  ein  reiner  iambus.  im  akatalek tischen  trochäischen 
vers  ist  umgekehrt  der  letzte  fusz  aus  ganz  demselben  gründe ,  weil  die 
letzte  Silbe  abgesehen  von  ihrer  natürlichen  beschaflTenheit  durch  den  vers- 
schlusz  verlängert  wird,  nie  ein  trochäus.  in  den  akatalektisch •  iam- 
bischen versen  wird  daher  stets  der  letzte  fusz  das  reine  masz  zeigen 
können,  in  den  akatalektisch  -  trochäischen  und ,  wie  sich  von  selbst  ver- 
steht, in  sämtlichen  katalektischen  versen  immer  nur  der  vorletzte, 
daraus  folgt  dasz  in  den  akatalektisch -iambischen  versen  die  thesis  des 
letzten  fuszes,  in  den  trochäischen  und  ebenso  z.  b.  im  heroischen 
hezameter  und  im  anapästischen  tetrameter  der  vorletzte  fusz  rein  er- 
hallen werden  musz. 

Diese  notwendigkeit  ist  weniger  zwingend  in  dem  T^voc  Icov ,  d.  h. 
in  den  rhylhmengattungen  in   welchen  arsis  und  thesis  dem  zeitmasz 


*)  ein  vertrag  gebalten  in  der  Berliner  gymnasiallehrergesellschaft, 
JfthrbQcher  für  eUts.  philol  1868  hit  7.  32 


490  Tb.  Kock:  metrische  kleinigkeiten. 

nach  gleich  sind ,  also  z.  b.  in  den  dactylen  und  anapästen :  denn  wenn 
hier  statt  der  gelösten  ihesis  eine  zusammengezogene,  d.  h.  statt  der  zwei 
kürzen  die  gleicbwerthige  länge  eintritt,  so  ist  der  vers  dadurch  weit 
weniger  wesentlich  verändert  als  wenn  in  dem  T^VOC  biTiXäciOV,  in  den 
galtungen  mit  doppeizeiliger  arsis,  also  z.  b.  in  iambischen  und  irochäi- 
schen  versen ,  die  4ine  kurze  silbe  der  thesis  mit  einer  ihr  niciit  gleich- 
werlhigen  länge  vertauscht  wird,  daher  ist  in  dem  soliden ,  unzerstör- 
baren bau  des  heroischen  hezameters  der  spondeische  schlusz  Uomer  noch 
Jiäufig  genug,  und  in  dem  anapästischen  tetrameter,  wo  er  bei  den  dori- 
schen dichtem  vielleicht  nicht  viel  seltner  war,  hat  er  sich  noch  bis  auf 
Kralinos  in  vereinzelten  beispielen  erhalten,  wäiirend  im  iambischen  tri- 
meter  und  im  trochäischen  tetrameter  der  spondeus  Im  schlusz  unerhört 
ist,  weil  er,  wie  am  besten  der  choliambos  zeigt,  den  ganzen  Charakter 
des  verses  vollständig  verändern  wQrde. 

Nun  kommt  noch  eine  zweite  divergenz  üi  betracht.  well  in  dem 
T6V0C  Tcov  die  arsis  der  thesis  dem  zeitmasze  nach  gleichwerihig  ist, 
so  kann  ohne  Verdunkelung  des  metrums  in  jedem  fusze  vor  dem  letzten 
ganzen  die  zusammenziehung  der  thesis  und  danach  der  spondeus  statt 
des  dactylus  oder  anapästen  eintreten,  in  dem  y^voc  blirXäciov  geht  das 
nicht  an,  weil  arsis  und  thesis  ungleichwerthlg  sind,  wenn  also  in  iam- 
bischen und  trochäischen  versen  der  Charakter  des  metrums  erkennbar 
festgehalten  werden  sollte,  so  muste  mindestens  ein  fusz  um  den  andern 
rein  bleiben,  und  auch  um  deswillen  verbinden  sich  hier  stets  zwei  fusze 
zu  einem  metrum,  von  denen  nur  einer  den  irrationalen  spondeus  auf- 
uimt.  da  nun  ferner,  wie  wir  gesehen  haben,  in  den  akatalekliscli-iam- 
bischeti  versen  der  letzte,  in  den  trochäischen  der  vorletzte  fusz  der 
maszgebende  ist,  so  muste  im  iambischen  metrum  stets  der  zweite,  im 
trochäischen  der  erste  fusz  der  dipodie  rein  sein,  oder,  was  dasselbe  ist, 
in  den  iambischen  dipodien  konnte  nur  an  der  ersten ,  in  den  trocbäischen 
nur  an  der  zweiten  stelle  der  irrationale  spondeus  eintreten. 

Eine  kleine  und  sehr  begrelQicIie  modi6cation  erleidet  dieses  geselz 
in  den  iambisch-katalektischen  versen.  nicht  in  den  trochäisdi*katalek- 
tischen:  denn  da  in  der  trochäischen  dipodie  der  vorletzte,  d.  h.  der  erste 
fusz  der  maszgebende  ist,  so  hat  eine  kurzung  des  zweiten,  nicht  masz- 
gebenden  um  seine  thesis  auf  die  Zusammensetzung  des  verses  keinen 
einflusz.  wenn  dagegen  in  iambischen  versen  durch  den  abfall  der  letz- 
ten Silbe  die  vorletzte,  die  im  akataiektisdien  vers  eine  reine  kürze  war, 
die  letzte  und  damit  auch  bei  natürlicher  kürze  zur  länge  wird,  so  musz 
nunmehr  statt  des  frühern  letzten  der  vorletzte  fusz  den  reinen  iambus 
zeigen  und  demgemäsz ,  so  sollte  man  schlieszen ,  in  den  vorangeheaden 
dipodien  eine  umkehrung  der  stellen  für  die  reinen  iamben  und  die  irra- 
tionalen spondeen  eintreten,  das  letztere  ist  aber  nicht  geschehen ,  son- 
dern nur  das  erstere,  und  mit  recht:  denn  der  versus  acataleclus  ist,  wie 
er  '  h  der  früliere  war,  so  auch  in  dem  Wechsel  der  irrationa- 

n  füszen  der  bestimmende  geblieben,  so  kam  es  dasz  in 
Jambischen  versen  die  letzten  beiden  ganzen  filsze 
chlossen. 


Th.  Kock :  metrische  kleinigkeiteh.  491 

Eine  ähnliche  erscheiniing  zeigt  die  trochäische  iripodle,  der  ithy- 
phaliicus,  der  den  spondeus  bekanntlich  nnr  ganz  am  ende  znlSszt.  der 
grund  liegt  auf  der  hand.  wenn  in  einem  irochSischen  verse  von  drei 
ffiszen  das  metrnm  als  troehSisches  erkennbar  bleiben  sollte,  so  muste, 
da  der  letzte  fusz  durch  den  versschlusz  stets  zum  spondeus  wird ,  der 
vorletzte  d.  h.  der  zweite,  an  dessett  stelle  sonst  der  spondeus  treten 
konnte,  rein  bleiben,  da  der  erste  Aach  dem  entwickelten  allgemeinen 
gesetz  gleichfalls  unvertauschbar  ist,  so  hat  der  ilhyphallicus  nur  die 
letzte  Silbe  anceps  (richtiger  stets  lang),  wie  umgekehrt  in  der  seitnern 
jambischen  tripodie  nur  die  erste  kflrze  verlängert  werden  kann. 

n. 

Während  in  dem  tragischen  trimeter  der  Griechen  eine  silbe  mit 
kurzem  vocal  durch  die  sog.  schwache  position  verlängert  werden  kann, 
hat  der  komische  trimeter  diese  ticenz  auf)gegeben ;  und  es  ist  eines  der 
erkennungszeichen  für  die  parodie  tragischer  stellen  in  der  komödie,  wenn 
sich  in  einem  verse  diese  Verlängerung  durch  schwache  position  findet. 

Wie  Oberhaupt  der  menschliche  gelst  sich  bei  der  erkenntnls  des 
8ti  nicht  beruhigen  kann,  bis  auch  das  btön  gefunden  ist,  so  f^llt  es 
bei  dieser  erseheinung  um  so  schwerer,  wenn  man  von  der  allerdings 
falschen,  aber  weit  verbreiteten  meinung  ausgeht,  als  ob  der  komische  ä 

trimeter  die  strenge  gesetzmäszigkeit  des  tragischen  gelockert  und  an 
stelle  der  anverbrfichlichen  regel  eine  gewisse  freiheil  und  willkOr  ein- 
gefQhrt  habe,  freilich  besieht  diese  Willkür  in  der  Wirklichkeit  nicht: 
der  komische  vers  hat  andere,  aber  ebenso  feste  geselze  wie  der  tra- 
gische, der  letzlere  hat  mancherlei  Wandlungen  durchgemacht,  nament- 
lich hat  Euripides  seinen  Charakter  durch  die  immer  zahlreichere  Zulas- 
sung der  auflösungen  in  den  späteren  tragödien  erheblich  verändert ;  der 
trimeter  der  atiischen  komilter  ist,  so  viel  wir  sehen  können,  im  gan- 
zen und  groszen  derselbe  geblieben. 

Ha»  mnsz  die  differenz ,  wenn  man  sie  erklären  will ,  mit  einer  an- 
dern zusammenstellen,  die  Zulassung  des  kyklischen  anapäslen  an  stelle 
des  iambus  ist  bekanntlich  in  der  iragödie  nicht  unbedingt  gestattet,  nnr 
in  eigennamen,  und  zwar  bei  den  älteren  tragikern  auch  nur  in  solchen 
die  sonst  dem  melrum  widerstreben  würden,  wie  'AvTiTÖvr]  und  ähnlichen, 
hat  der  anapäst  an  allen  stelleni  mit  ausnähme  des  letzten  fuszes  zniriit: 
es  war  das  eine  concession  die  der  iambrsche  vers  nicht  verweigern 
konnte,  da  die  eigennamen  des  mythos  durch  die  epische  poesie  dem 
daclylischen  masze  entsprechend  znm  groszen  (eil  in  der  form  von  Cho- 
riamben und  anderen  dem  trimeter  fremden  Alszen  ausgeprägt  waren,  in 
anderen  Wörtern  gestattet  der  tragische  vers  den  anapäslen  nur  an  d^r 
ersten  stelle ,  und  auch  da  nur  mit  den  bekannten  einschränkungen.  der 
komische  trimeter  dagegen  nimt  ihn  in  den'  ersten  ffinf  fQszen  nicht  nur 
ohne  jeden  passzwang  auf,  sondern  verwendet  ihn  mit  Vorliebe,  so  dasz, 
wenngleich  der  vers  in  den  wespen  (979)  KQT&ßa,  Kardßa,  xardßa, 
KOTdßa,  xaTaß/jcoiütai  noch  in  der  komödie  komisch  ist,  sonst  selbst 
drei  anapäslen  in  einem  verse  nicht  zu  den  Seltenheiten  gehören. 

32* 


492  Tb.  Rock:  metrische  kleioigkeiteD. 

Wenn  oon  die  komiker  bei  dieser  Dachgibigkeit  gegen  den  kjkli- 
scben  anapSsUn  uod  zugleich  der  nicht  ganz  so  starken  neignng  zur  auf- 
Idsung  der  arsis  in  zwei  kurzen  auch  noch  die  schwache  position  zuge- 
lassen bitten,  so  wäre  durch  diese  übertriebene  liberalitit  gesetz  ofld 
Ordnung  tn  dem  Staate  der  poesie  zu  bedenklich  geßhrdet  worden,  so 
z.  b.  hatte  man  den  vers  der  wölken  638  nÖTcpov  irept  ^drpuiv  fj  ^u6- 
fiUfV  fj  TT€pl  ^iTiüv  doppelt  lesen  können,  entweder  norepöv  itepi 
fiCTpuiv  fi  ^uO^uiv  i)  n^pi  ^iTUiv,  wie  er  wirklich  zu  lesen  ist,  oder 
TTOTepöv  trept  ^^rpujv  usw.  ebenso  642  f)T€t'  irörepov  TÖrpipc- 
Tpov  f\  TÖ  T€Tpä|i€Tpov  entweder  f|T€i'  TTOTepöv  to  Tpifieipov  tj 
TO  T^Tpafterpov  oder  f[T€i'  irorepöv  to  Tpi^^tpov  usw.  ähnlich  645. 
651  o.a.  m.  bei  anderen  würde  oft  wenigstens  im  anfang  der  recitierende 
Schauspieler  zweifelhaft  gewesen  sein:  wie  z.  b.  wespen  1155,  ob  er 
lesen  solle  KOiaOoü  T€  fti^VTOi  Koi  xpcärpov  oder  xat  Kpeorrpav,  bis 
er  aus  dem  folgenden  Ttf|  tI  bf\  erkannt  hätte,  dasz  der  dichter  gemeint 
bat  KaTaOoü  je  ^^vroi  Kat  Kpcorpav.  Ti/j  ti  br\.  das  einzige  miitel 
eine  solche  amphibolie  des  verses  zu  vermeiden  war  mit  der  frelzugigkeit 
des  kyklischen  anapästen  zugleich  die  ausweisung  der  schwachen  posi- 
tion zum  gesetz  zu  erheben,  wodurch  in  der  that  erreicht  worden  ist,  dasz 
ein  jeder  der  komischen  trimeter  nur  auf  einerlei  ganz  bestimmte  weise 
und  keiner  willkürlich  nach  zweierlei  verschiedener  manier  gelesen  wer- 
den kann,  es  sei  erlaubt  hieran  die  bemerkung  zu  knüpfen ,  dasz  an  der 
Unmöglichkeit  diese  manigfaltigkeit  und  diese  beslimmtheit  zugleich  nach- 
zuahmen die  bisherigen  versuche  einen  dem  griechischen  ähnlichen  tri- 
meter der  komödie  im  deutschen  zu  schaffen  gescheitert  sind,  die  neue* 
ren  Übersetzer  des  Aristophanes  schlieszen  den  kyklischen  anapästen  nebsi 
dem  dem  genins  unserer  spräche  widerstrebenden  tribrachys  möglichsi 
aus  und  kleiden  die  komödie  in  den  tragischen  trimeter,  was  etwa  den- 
selben eindruck  macht,  wie  wenn  man  Sir  John  Falstaff  im  talar  wollte 
auftreten  lassen;  und  Droysen,  welcher  die  heitere  manigfaltigkeit  des 
komischen  Irimeters  beibehielt,  konnte  seine  gesetzmäszigkeit  nicbt  be- 
wahren und  hat  so  verse  gebildet ,  die  man  oft  auf  drei  und  mehr  ver- 
schiedene arten  scandieren  kann. 

m. 

Warum  ist  der  einschnitt  KaTOi  TpiTOV  TpoxotTov  im  lateinischen 
heiameter  so  viel  seltener  als  im  griechischen? 

Einer  der  Vorzüge ,  welche  die  griechische  spräche  vor  der  lateini- 
schen in  betreff  ihrer  brauchbarkeit  für  die  poesie  voraus  hat,  ist  die 
weit  gröszere  manigfaltigkeit  der  betonung ,  indem  die  lateinisclie  aller- 
dings den  accent  auf  der  drittletzten  mehrsilbiger  Wörter  auch  bei  der 
länge  der  letzten  silbe  zuläszt,  dafür  aber  die  betonung  der  letzten  aus* 
scblieszt  und  die  ebner  langen  paenultima  zum  gesetz  macht,  so  haben  die 
beiden  sprachen,  wenn  man  die  beziehungen  der  quantität  zu  der  betonung 
ins  äuge  faszt,  folgende  formen  gemeinsam:  die  zweisilbigen  barytona 
üIIp  iinH  von  den  mehrsilbigen ,  von  denen  ich ,  wie  sich  von  selbst  er- 
ur  die  drei-,  höchstens  auch  die  viersilbigen  formen  erwähne, 


Th.  Kock :  metrische  kleinigkeiten.  493 

ctujüiaTOC  corporis^  qpiXoOvTOC  amantis^  qpiXotJvTUüV  amanies.  dem 
lateinischen  allein  eigentümlich  sind  milites^  comites^  ancipites;  dagegen 
dem  griechischen  allein  angehörig  Ttfirj^  TP<^<Pn9  KOivöc,  K€VÖc,  dXa- 
2ij&v,  flTCftwv,  KTibccTi^c,  KUKCiuv,  femer  formen  wie  Kövuivoc, 
KUiviuTTOc,  KQvövoc,  Kavövwv,  IwTfp&tpoc^  li)j*fp&€pwy  ^  f)T£M<ivoc, 
f]TCfiövuJV. 

Eine  notwendige  folge  dieses  Unterschiedes  ist,  dasz  im  griechi- 
schen hexameter  der  wortacccnt  von  dem  ictus  des  verses  auch  in  den 
letzten  beiden  fflszen  auf  das  manigfaltigste  abweichen  kann,  dasz  da- 
gegen in  dem  lateinischen  verse  mit  kaum  nennenswerthen  ausnahmen 
beides  vom  fünften  fusze  ab  zusammenfallen  musz.  denn  da  bei  trochSi- 
schem  ausgang  eines  wort^s  im  lateinischen  der  accent  auf  der  vorletzten 
silbe  stehen  musz,  so  kann  in  dem  letzten  fusze  des  hexametcrs  ein 
widerstreit  nur  in  den  verbal tnismaszig  verschwindend  seltenen  Hillen 
eintreten ,  in  denen  der  vers  mit  einem  einsilbigen  worle  schlieszt  {nas- 
ceiur  ridiculus  mus),  im  vorletzten  fusze  aber  wird,  wenn  das  letzte 
wort  des  verses  ein  trochflisches  ist,  nur  dann  die  Übereinstimmung  feh- 
len ,  wenn  dem  trochSiscben  ein  iambiscbes  worl  vorhergeht ,  und  auch 
das  ist  verhallnismiszig  selten  (Vergilius  ac  tua  nautae ^TihuWus  lumeant 
freta  ventis) ;  wird  der  vers  durch  ein  wort  von  dem  masze  eines  bac- 
chius  oder  amphibracbys  geschlossen,  so  musz  jeder  widerstreit  zwi- 
schen accent  und  ictus  aufhören,  abgesehen  von  dem  wiederum  höchst 
seltenen  falle,  dasz  dem  baccheischen  worte  ein  einsilbiges  vorausgeht  [qui 
non  stültus.  quid  avarus^  Horalius).  endlich  ist  noch  der  ionisclie  vers- 
schlusz  zu  nennen  {coniferae  q/parissi)^  der  aber  gleichfalls  wenigstens 
nicht  häufig,  mit  lateinischen  Wörtern  [femineo  ululatu)  sogar  sehr  selten  ist. 

Nun  soll  hier  nicht  der  alte  streit  erneuert  werden ,  ob  die  alten  in 
ihren  versen  neben  dem  versiclus  auch  den  wortaccent  haben  hören  lassen 
oder  nicht,  nur  beiläufig  will  ich  erwähnen,  dasz  Lucian  Müller,  welcher 
der  letztern  meinung  ist,  nach  meiner  ansieht  irrt,  wenn  er  glaubt, 
die  Sache  werde  durch  ein  zeugnis  des  Quintilian  (1,  5,  28)  abgemacht, 
die  stelle  lautet:  evenii  ul  meiri  quoque  condicio  mutet  accentum^ 
ut  *pecudes  pictaeque  volucres^:  nam  vclücres  media  acuta 
legam^  quia^  etsi  brems  natura^  tarnen  positiane  longa  esi^  ne  faciat 
iambum ,  quem  non  recipit  versus  herous.  Lucian  Müller  meint  (de  re 
metrica  s.  206  f.) ,  danach  sei  es  klar  dasz  in  den  versen  der  wortaccent 
nicht  hörbar  gewesen  sei,  da  man  ja  doch  gewöhnlich  gesprochen  habe 
vöiucres,  aber  Quintilian  redet  überhaupt  nicht  vom  ictus  und  dessen 
zwange,  sondern  lediglich  vom  accent,  und  er  sagt  dasz,  da  durch 
die  schwache  position  die  vorletzte  silbe  verlängert  worden  sei,  der 
accent  des  wortes  (nach  dem  allgemeinen  gesetze  der  laleinisdien 
Sprache  und  auch  ganz  abgesehen  von  dem  einflusz  des  ictus]  von  der 
drittletzten  auf  die  vorletzte  übertrete,  und  also  auch  dem  accente  nach  zu 
lesen  sei  volikres. 

Meine  Überzeugung  ist  im  gegensatze  zu  der  Lucian  Müllers  die, 
dasz  Griechen  wie  Römer  in  ihren  versen  beides,  accent  und  ictus,  neben 
einander  hören  lieszen ,  und  dasz  gerade  in  folge  dessen ,  in  folge  der  aus 


494  Th.  Kock:  melrische  kleinigkcitea« 

dem  widerstreite  beider  elemenle  stets  wiedergeborenen  erneuenuig  der 
barmonje  ihre  verse  wek  schöneren  klang  hatten  als  unsere  deutschen, 
in  welchen  mit  ganz  geringen  ausnahmen  ein  widerstreben  nicht  möglidi 
Ist.  doch  wie  dem  auch  sei  —  denn  die  beantwortung  dieser  frage  Ist 
für  die  vorliegende  betrachtung  nicht  notwendig  —  die  römische  kunsl- 
poesie*)  hat,  da  am  Schlüsse  des  hexameters  nach  den  gesetxen  der 
Sprache  die  Übereinstimmung  des  wortaccentes  und  des  ictns  in  der  weit 
fiberwieg^den  mehrzahl  der  Alle  notwendig  war,  nunmehr  in  den  ersten 
zwei  drilteilen  des  verses  die  disharmonie  der  beiden  elemente  zur  norm 
gemacht  und  dadurch  einen  von  dem  griecliischen  verse  bedeutend  ab- 
weichenden, aber  gleichfalls  sehr  schönen  neuen  hexameter  gebildet,  In 
welchem  innerhalb  eines  kleinen  rahmens  nach  wiederholtem  auf-  und 
abwogen  des  kampfes  am  schlusz  eine  in  oftmaliger  Wiederholung  etwas 
monotone,  aber  dodi  sehr  liebliche  Versöhnung  der  gegensStze  stattfin- 
det, es  gibt  nur  sehr  wenige  verse,  in  denen  wort-  und  verston  so  übe^ 
einstimmen  wie  Verg.  Aen,  4 ,  486  spargens  umida  metta  soporiferum- 
que  papaver  oder  gar  Hör.  epUt.  2, 1, 162  el  post  Punica  heUa  qtäeius 
quaerere  coepit. 

Gibt  man  nun  dem  verse  den  weiblichen  einschnitt  KOrä  Tphov 
Tpoxottov,  so  wird  schon  in  dem  dritten  fusze  der  widerstreit  zwischen 
accent  und  ictus  gehoben ,  da  ja  das  trochSisch  auslautende  wort  auch 
den  accent  auf  der  paenultima  haben  musz  {infandum^  regina).  ja  noch 
weiter.  Iflszt  man  auf  den  dritten  trochSus  ein  mehr  als  zweisilbiges 
wort  folgen,  so  ist,  da  auch  in  den  beiden  letzten  fOszen  die  Überein- 
stimmung herscht,  von  dem  ganzen  weitem  verlauf  des  verses  der  ge- 
suchte widerstreit  ausgeschlossen,  wie  die  folgenden  verse  zeigen:  prae- 
öipiiani  suttdenlque  atdenUa  sidera  somnum;  incipiuni  agüata  tumes- 
cere  et  aridus  altis;  nee  gregibus  noctumus  obambulat:  acrior  iüum. 
zuweilen  bilden  dann  zum  ersatz  die  dichter  das  ende  des  verses  unregel- 
mäszig ,  wie  ipse  mit  dentesque  Sabeüicus  exacuit  sus  und  nee  salici 
lotoque  neque  Idaeis  eyparissis.  nur  in  Einern  falle  kann  die  durch  die 
harmonie  des  Schlusses  aufzulösende  disharmonie  der  ersten  vier  fösse 
nach  der  cäsur  im  dritten  trochäus  noch  fortgeführt  werden ,  wenn  nach 
derselben  ein  iambisches  wort  eialrit,  durch  welches  dann  zugleich  die 
hephthemimeres  in  der  vers  gebracht  wird:  infandum^  regina,  iubes 
renovare  dolorem. 

Hieraus  weit  mehr  als  aus  einer  besondern  verliebe  für  minnliche 
einschnitte  ist  es  zu  erklären,  dasz  1)  die  cisur  Kora  Tpirov  Tpox^iov 
im  römischen  hexameter  im  vergleich  mit  dem  griechischen  so  selten 
ist ,  und  dasz  sie  2}  überwiegend  in  Verbindung  mit  der  hephthemimeres 
auHrlt. 

IV. 

Auch  in  betrelT  eines  andern  gegenständes  bin  ich  mit  Lucian  Mulier 
nicht  einverstanden,    er  nimt  wiederholt  gelegenheit  das  verdienst  des 


rede  hier  übernll,  auch  in   den  folgenden  abscliniUen,   nur 
'sehen  dichtkonst  der  Augusteischen  zeit. 


Th«  Kock:  metrische  kleinigkeiten.  495 

VergiJius  in  der  versbildnerei  lierabzusetzen ;  er  nennt  ihn  einen  bessern 
«lichter  als  versificalor  (de  re  metr.  s.  370)  und  spricht  es  offen  aus,  dasz 
er  die  verse  d^  Ovidius  weit  schöner  und  anmutiger  finde,  nach  mei- 
ner Überzeugung  liegt  dieser  auflassung  ein  irtum  zu  gründe,  ein  irlum 
wie  er  in  ähnlicher  weise  nicht  selten  bei  der  beurleilung  plastischer 
kunstwerke  sich  elnschleichl. 

Es  ist  bekannt  dasz  die  marmorwerke  des  Hadrianischen  Zeitalters 
sich  durch  eine  grosze  glStte  und  eleganz  auszeichnen ,  durch  eine  un- 
gewöhnliche Sorgfalt  und  technische  Sicherheit  in  der  behandlung  des 
einzelnen,  welche  das  äuge,  zumal  des  noch  ungeübten,  bestechen  und 
unwillkürlich  fesseln,  aber  wenn  man  viele  kunstschöpfungen  dieser 
periode  kennen  lernt  und  namentlich  nach  einander  betrachtet,  so  fin- 
det man  dasz  sie  alle  eine  auffallende  ähnlichkeit  haben ,  dasz  die  künst- 
lerischen motive  sich  wiederholen,  dasz  auch  eine  bestimmte  regel  der 
technischen  behandlung  in  allen  hervortrit,  und  dasz  die  erfindungskrafl 
auf  dem  gebiete  künstlerischer  stolTe  und  gedanken  nicht  eben  sehr  reich 
und  fruchtbar  ist.  mit  ^nem  werte:  es  ist  mehr  manier  in  ihnen  als 
Stil,  vergleicht  man  sie  nunmehr  mit  den  werken  einer  Altern  zeit,  die 
leider,  namentlich  die  statuen,  oft  nur  in  copien  von  verschiedenem 
werlh  und  verschiedener  treue  auf  uns  gekommen  sind ,  so  findet  man  an 
diesen  weit  weniger  von  jener  gefälligen  glätte  und  zierlichkeil,  aber 
desto  mehr  Wahrheit,  relchtum  der  erfindungskraft,  individuelle  gestal- 
tung,  manigfaltigkeit  und  Unabhängigkeit  der  motive,  volle  Übereinstim- 
mung der  idee  des  kunslwerkes  mit  der  darstelhiog  und  bei  aller  Sicher- 
heit in  der  handhabung  der  künstlerischen  mittel  ebenso  volle  freiheit  der 
abweichuug  von  der  regel  in  den  fidlen ,  wo  die  idee  des  werkes  sie  ver- 
langt, über  jene  herscht  ein  conventioneller  geschmack ,  in  diesen 
waltet  das  durch  conventionelle  regeln  nie  zu  erschöpfende  kunstgefühl. 

Ein  ganz  ähnlicher  unterschied  ist  nachweisbar  zwischen  Vergilius 
und  Horalius  einerseits  und  Ovidius  und  seinen  nachalimern  anderseits, 
ich  rede  hier  nicht  von  der  kunst  im  groszen;  die  dlchtergrösze  des 
Vergilius  erkennt  auph  Lucian  Müller  mit  warmen  worten  an.  aber  auch 
in  den  darstellungsmitteln  der  kunst  ist  der  unterschied  sehr  bemerkbar, 
namentlich  auch  in  der  archltektonik  der  verse. 

Glatter,  flieszender,  eleganter  sind  unzweifelhaft  die  verse  Ovids, 
und  auf  diese  cigenschafl  gibt  Lucian  Müller  so  viel,  dasz  er  überhaupt 
eine  starke  Vorliebe  für  die  späteren  dichter  hegt,  auch  für  die  späteren 
inelischen  dichter  gegenüber  dem  Horatius,  dem  er  es  z.  b.  einigermaszen 
zu  verdenken  scheint  (s.  301),  dasz  er  in  den  äolischen  metren  die  eli- 
sion  in  der  cäsur  zugelassen  hat,  während  sie  die  späteren  grösten teils 
vermeiden,  aber  diese  glätte  und  eleganz  ist  manier  ebenso  in  der  poesie 
wie  in  der  plastischen  kunst;  sie  ist  die  fertigkeit  des  handwerks  im 
gegensatz  zu  der  vollen  beherschung  der  manigfaltigen  mittel  der  kunst. 
sie  hat  eintönigkeit  und  damit  langeweile  im  gefolge ,  und  sie  entmannt 
die  zeugungskraft  des  dichlers,  dem  die  manier  und  die  einhaltung  der 
regel  zum  leichten,  mühelosen  spiel  geworden  ist;  sie  entwöhnt  ihn  die 
darslellungsmitlel  stets  und  überall  mit  dem  darzustellenden  in  überein- 


496  Th.  Kock:  metrische  kleinigkeiten. 

Stimmung  lu  bringen  und  die  enteren  lediglich  nach  der  durch  die  nalor 
des  letz  lern  gegebenen  notwendigkeit  zu  bemessen,  so  kommt  es  dasx 
der  dichter  zuletzt  nur  eine  und  dieselbe  darsteilungsfonn  fflr  alles  hat, 
und  dasz  er  nicht  Im  stände  ist  das  hohe  und  erhabene  und  jedes  unge- 
wöhnliche von  dem  gewöhnlichen  auch  durch  die  Suszeren  mittel  des 
Vortrags  zu  unterscheiden,  ich  meine  hierbei  nicht  den  ausdrucke  die 
Worte,  diese  stehen  dem  Ovidlus  auch  fflr  die  erregte  leidenschaft  und  das 
pathetische  ebenso  zu  geböte  wie  etwa  dem  Euripides,  mit  dem  er  in  der 
art  und  in  der  begrenzung  seiner  begabung  manche  Shnlichkeit  haL  aber 
die  behandlung  des  verses  mit  der  ganzen  bei  Lucian  Müller  so  hochge- 
stellten regelmSszigkeit,  mit  der  gleichmSszigkeit  der  cSsnren  und  sonsti- 
gen geslaltungsformen ,  mit  dem  flberfeinen  gefflhl  für  alles  anstöszige 
in  elisionen  und  hiatus,  wovon  er  vielfach  nur  die  Spielarten  hat,  mit  der 
Vermeidung  alles  schroffen  und  ungewohnten  ist  jener  französischen  gar- 
tenkunst  nicht  unähnlich  mit  der  merkwürdigen  Vorliebe  ffir  die  reine 
mathematische  linie ,  mit  den  sorgfältig  verschnittenen  hecken ,  den  ab- 
gezirkelten blumenbeelen ,  den  künstlichen  kugelkronen  der  bäume,  an 
denen  sich  kein  zweig,  kein  blatt  hervorwagen  darf  über  die  gebotene 
Peripherie,  als  ob  die  schöne  oatur  mit  aller  ihrer  fülle  nur  für  die 
schere  des  menschen  geschaffen  wSre.  man  kann  solchen  zierlichen 
künsteleien  eine  flüchtige  bewunderung  nicht  versagen;  aber  wenn  man 
sie  lange  ansieht,  so  musz  man  unwillkürlich  gfthnen.  all  diesem  künst- 
lichen wesen  musz  man  nicht  gerade  die  verse  der  Aeneis  gegenüber  stellen : 
die  Aeneis  ist  weder  eine  originale  noch  eine  vollendete  Schöpfung  und 
darum  noch  kein  vollgiltiges  zeugnis  für  das  ideal  das  dem  dichter  vor- 
schwebte ;  Ovid  würde  in  seinen  melamorphosen,  deren  unfertigkeit  er  so 
oft  beklagt ,  wol  am  wenigsten  in  dem  flusz  der  verse  zu  ändern  gehabt 
haben,   aber  versen  der  georgica,  wie  jenen  bekannten 

flumina  atnem  süvasque  inglorius.   o  übt  campt 
Spercheosque  et  virgmibus  bacchaia  Lacaenis 
Taygeta ,  o  gut  me  gelidis  convaUibus  Baetni 
sistat  et  ingenii  ramorutn  proiegai  utnbra^ 
solchen  versen,  wie  sie  doch  in  der  that  in  den  büchern  der  georgica  nicht 
selten  zu  finden  sind,  namentlich  in  den  herlichen  episoden,  z.  b.  vom 
glück  der  landleute,  vom  ersten  frühling,  von  der  Schönheit  Italiens,  den 
Staaten  und  kämpfen  der  bienen ,  solchen  versen ,  denen  auch  Lucian  Mül> 
1er  (s.  141)  wenigsteüs  in  betreff  der  schönen  abwechselung  von  dactylen 
und  spondeen  gerechtigkeit  widerfahren  läszt,  die  aber  ebenso  bewun- 
dernswürdig sind  in  der  regelmäszigkeit  und  unregelmäszigkeit  des  gan- 
zen haus,  in  der  bezeichnenden  anwendung  des  hiatus  und  ungewöhn- 
licher cäsuren  und  diäresen,  in  dem  schönen  widerstreit  zwischen  ictus 
und  accent,  in  der  vollkommenen  congruenz  der  form  mit  dem  Inhal l: 
solchen  versen  kann  man  in  der  that  aus  Ovid  nichts  gegenüberstellen, 
der,  wenn  er  einmal  aus  der  glatten  trivialität  der  sogenannt  geistreichen 
conversationsschwatzhafiigkeit  hinausgeht,  nur  Spielereien  hervorbrmgt, 
etwa  nach  dem  modell  quamvis  sint  sub  agua^  sub  aqua  male  dicere 


Th.  Kock:  metrische  kleinigkeiten.  497 

V. 

Der  umfang  eines  kunstwerkes  musz  in  einem  bestimmten  veriiäll- 
nis  stehen  zu  der  behandlung  seiner  einzelnen  teile,  wenn  wir  ein  bild 
auf  einer  groszen  lein  wand  sllhen  und  darauf  eine  menge  sehr  sorgßltig 
ausgeführter  gegenstände  in  winzigen  dimensionen,  wie  sie  einem 
kleinen  bilde  Tortrefflich  stehen ,  so  wflrde  sich  ein  jeder  Aber  den 
Unverstand  eines  kQnstlers  wundern ,  der  nicht  begriff  dasz  schon 
der  grosze  rahmen  ein  anderes  bild  verlangt  als  der  kleine,  und  fer- 
ner: je  kleiner  ein  knnstwerk  ist,  desto  sorgflltiger  und  zierlicher 
musz  es  in  seinen  einzelnen  teilen  ausgeführt  sein,  und  umgekehrt, 
der  grund  liegt  nicht  allein  in  der  leichtem  Übersichtlichkeit  auf  klei- 
nem räume,  welche  jede  abweichung  von  der  norm,  jede  Unebenheit 
bemerkbarer  macht;  auch  sonst  musz  bei  stärkerer  dilTerenz  der  grösze 
die  künstlerische  behandlung  sich  anders  gestalten,  der  köpf  der 
Juno  Ludovisi  konnte^  ganz  abgesehen  von  der  Verschiedenheit  des  ob- 
jcctes ,  nicht  in  der  art  der  Mediceischen  Venus  ausgeführt  werden ;  die 
zierliche  Ordnung  der  haare,  die  weiche  formung  und  glflttung  der  kör- 
perteile,  die  an  einer  Statuette  gefflllt,  würde  an  dem  Farnesischen  He- 
rakles auffallen;  und  wenn  man  die  vielverschlungenen  arabesken,  die 
an  den  pompejanischen  Wandgemälden  so  reizend  erscheinen,  mit  all 
ihrer  anmut  im  kleinen  auf  die  architektonischen  Ornamente  der  tempel 
von  Paestum  übertragen  wollte,  so  würden  sie  den  eindruck  des  klein- 
lichen machen ,  auch  wenn  man  die  roasze  nach  Verhältnis  vergröszerte. 
die  grösze  verlangt  eben  nicht  blosz  einen  andern  modulus,  sondern  auch 
einen  andern  slil ,  wenn  sie  ihres  eindrucks  nicht  verfeiüen  soll. 

Ebenso  ist  es  in  der  metrik.  mit  recht  haben  die  römischen  elc- 
giker ,  hat  namentlich  der  in  der  kunst  sehr  fein  fühlende  Tibull  einen 
beträchtlichen  teil  der  freiheilen,  welche  in  dem  groszen  stil  heroischer 
gedichte  deu  vers  emporheben,  in  dem  engern  rahmen  der  elegie  aufge- 
geben ;  während  der  vers  des  epos  und  der  vers  des  dialogs  der  tragödie 
eine  grosze  manigfaltigkeit  der  bildung  erfordern,  ist  in  dem  Sapphischen 
und  Alcäischen  hendecasyllabus ,  zumal  bei  den  Römern ,  fast  jede  silbe 
durch  ein  unverbrüchliches  gesetz  geregelt;  und  derselbe  hexameter,  den 
Horaz  m  den  satiren  scheinbar  wild  wuchern  und  ranken  läszt,  gleiciit 
in  den  öden  dem  am  spalier  gezogenen  epheu,  die  üppigen  triebe  sorg- 
sam an  das  gitter  gebunden. 

Kleinere  metrische  massen  verlangen  mehr  regelmäszigkeit ,  mehr 
ruodung,  mehr  feile;  hiatus  und  elision,  die  in  den  längeren  versen 
grösserer  gedichte  selbst  ein  schmuck  werden  können ,  werden  in  einem 
kleinern  ganzen,  ebenso  oft  verwendet,  den  eindruck  der  rauhheit  und 
eines  mangels  an  Vollendung  machen ,  der  der  Wirkung  sehr  nachteilig 
wäre,  so  sehen  wir  Horaz ,  was  er  in  den  gröszeren  gedickten ,  die  frei- 
lich auch  der  *Musa  pedeslris'  angehören,  mit  vieler  nachgibigkcit  zu- 
läszt,  in  den  meliscben  maszen  mit  einer  Sorgfalt  meiden,  die  an  Pein- 
lichkeit grenzt. 

Es  mag  für  jetzt  nur  ein  ganz  kleines  beispiel  folgen.  Horaz  hat 
die  Archilochische  Strophe,  in  welcher  der  hexameter  mit  dem  kleinern 


498  Th.  Kode:  metrische  kleinigkeiteiu 

Archilochius  abwechselt  [arhoribusque  comae)^  uur  Einmal  angewendet, 
und  es  ist  deswegen,  beilSufig  bemerlil,  weil  zu  einer  nur  irgend  ge- 
nügenden inducUon  der  Stoff  nicht  ausreicht,  sehr  kühn,  wenn  C.  W.  Nauck 
behauptet  dasz  diese  Strophe  ^elegisch'  sei  ^niit  überwiegender  wehmul, 
indem  die  fallenden  rhythmen  auch  des  kürsem  verses  die  Snszerste 
hoffnungslosigkeit  und  resignation  zu  versinnlichen'  scheinen.'  die  l)e- 
hauptung  würde  wol  fester  stehen,  dasz  in  dem  verse  der  ipondeus  für  den 
dactylus  unzulässig  ist,  weil  nemlich  hier  zur  InducUon  noch  ein  grund 
kommt:  lloraz  bildet  alle  kleineren  Terse  weit  fester  und  constanter. 
ich  machte  zufällig  noch  eine  andere  bemerkung:  sämtliche  vierzehn  Ar- 
chilochiker  des  kleinen  gedichtes  sind  ohne  ellsion.  da  alle  vienelm 
hexameter  desselben  die  nemliche  eigentümlichkiit  zeigen  (bis  auf  die 
ganz  unerhebliche  ausnähme  infernis  neque  tfntm),  so  würde  es  mir  selir 
zweifelhaft  sein,  ob  die  thatsache  zufiUlig  ist  oder  auf  absieht  berulil, 
wenn  nicht  das  letztere  durch  zwei  andere  beobachtungen  fast  zur  ge- 
wisheit  erhoben  würde. 

Es  gibt  bei  Horaz  noch  zwei  ebenso  kleine  verse  wie  den  Archilo- 
chius minor,  gleichfalls  von  sieben  silben :  den  Aristophaneus,  der  nur  in 
einem  gedichte  (1,8)  in  acht,  und  den  Pherecrateus,  der  in  sieben  gedieh- 
ten  in  35  exemplaren  vorkommt  [grato^  Pyrrha^  sub  antra);  auch  diese 
beiden  hat  der  dichter  ohne  jede,  auch  die  leichteste  elision  gebildet. 

Wer  noch  nicht  überzeugt  ist,  gegen  den  musz  ich  meine  uUima 
ratio,  einen  zweihundertundfünfpfünder,  ins  gefecht  bringen,  der  fünf- 
silbige  versus  Adonius  {terruit  urhem)  begegnet  dem  metrischen  botani- 
ker  bei  Horaz  in  205  wol  erhaltenen  exemplaren,  und  in  keinem  einzigen 
ßndet  sich  eine  elision,  mit  ausnähme  der  stelle  2,  16,  8,  wo  die  vui- 
gata  lautet  neque  purpura  venale  neque  auro^  Bentley  aber  auf  grund 
einer  von  ihm  zu  3,  11,  43  entwickelten  beobachtung  und  In  Überein- 
stimmung mit  einigen  handschriften  nee  auro  liest,  überdies  ist  die  eli- 
sion so  unerheblich,  dasz  sie  als  ausnähme  gar  nicht  gerechnet  wer- 
den kann. 

VI. 

^  Grosz  ist  gott  im  gröszesten  und  kleinsten '  singen  die  cicaden  in 
Herders  lieblichem  gedieht  von  dem  heiligen  Franciscus  von  Asisi;  uod 
wer  möchte  dem  nicht  beistimmen ,  wenn  er  von  den  enldecknngen  im 
wassertropfen,  in  der  weit  des  mikroskopes  hört?  so  ist  auch  die 
wahre  kunst  des  menschen  —  denn  sie  ist  etwas  gottgegebenes  —  be- 
wundernswerlh  im  kleinsten  wie  im  groszen;  und  wol  ist  es  eine  edle 
aufgäbe ,  auch  den  kleinsten  eigentümlichkeiten  ihres  wesens  mit  mikro- 
skopisch geschärftem  blicke  nachzuforsdien. 

Auch  in  der  metrik  sind  diese  mikroskopischen  Untersuchungen  (ich 
erinnere  nur  an  die  von  Immanuel  Bekker  über  die  formen  des  Homeri- 
schen hexameters)  lohnend  und  notwendig;  und  wenn  es  Bentley  nicht 
verschmähte  die  berechtigung  des  Vorkommens  von  neque —  neque,  nee— 
nee  einerseits,  von  neque  —  nee  und  nee  -*  neque  anderseits  eingehend  xu 
*sl  es  sicherlich  keine  überflüssige  arbeit,  die  eliea  begonoeo 


Th.  Kock:  oielrische  kleinigkeilen.  499 

hat,  aber  noch  lange  nicht  abgeschlossen  ist,  die  statislik  der  verschie- 
denen an  sich  möglichen  formen  eines  und  desselben  verses  auftuklären 
und  festzustellen. 

Von  den  kleineren  fersen  der  melischen  Systeme  hei  Horaz,  so  weit 
sie  nicht  ehi«  beRtimmte  cäsur  haben,  scheint  man  die  meinung  zu  hegen, 
dasz  es  bei  ihnen  gkichglltig  sei,  auf  welche  weise  sie  sich  aus  den  einzel- 
nen Worten  zusammensetzen,  d.  h.  wo  in  die  metrische  reihe  ein  wort- 
ende einschneidet,  jede  mögliche  form  scheint  man  auch  für  zulässig  zu 
halten:  wenigstens  erinnere  ich  mich  nicht  irgend  etwas  erhebliches  über 
diesen  gegenständ  gelesen  zu  haben,  dasz  diese  meinung ,  wenn  sie  be- 
steht, irrig  ist,  mögen  einige  kleine  beispiele  beweisen. 

Ich  wühle  den  Alcaicus  enneasyllabus  und  decasyllabus,  die  schlusz- 
verse  der  Alcäischen  Strophe,  angenommen  ein  dichter  hätte  in  einem 
frählingsgedicht  folgende  zwei  verse  gebildet:  nam  vere  floreni  cuncta^ 
iurgeni  vere  liguaia  fluenta  rivi  y  so  würde  trotz  der  metrischen 
rictitigkeit  der  erstere  dieser  beiden  verse  mindestens  ein  höchst  sel- 
tenes und  zweifelhaftes  ezemplar  (Uoraz  hat  drei  sehr  ähnliche,  kei- 
nen ganz  gleichen),  der  zweite  vollständig  unerhört  und  die  verbin- 
düng  zweier  verse  dieser  art  auch  unter  der  Voraussetzung  der  zu- 
lässigkeit  des  zweiten  unmöglich  sein,  vielleicht  erinnert  der  zweite 
an  einen  (auch  von  Lucian  MüUer  s.  218  misßllig  erwähnten)  Horazl- 
schen  hexameler  {epist  1,9,  4)  dignum  mente  domogue  Ugentis  ho- 
nesla  Neronis,  oder  an  jenen  von  fast  gleichem  falle  {epist  2,  2,  1) 
Flore  y  bono  claroque  fideJis  amice  Neronu  jener  erstere  ist  meines 
Wissens  der  einzige  seiner  art  in  der  gesamten  poesle  des  Augusteischen 
Zeitalters,  vielleicht  der  lateinischen  poesie  aller  Zeitalter,  und  ich  habe 
mich  stets  gewundert  Ihn  in  einem  der  kürzesten  zugleich  und  der  fein- 
sten und  gefeiltesten  Horaziachen  briefe.  In  demjenigen  zu  finden,  den  er  an 
den  Stiefsohn  des  kaisers  Augustus,  den  spätem  kaiser  Tiberius  gericiilet 
hat.  das  unzweifelhaft  unschöne  des  verses  liegt  in  der  häufung  der 
amphibrachischen  wortformen,  die  uns  Deutschen  ziemlidi  geläufig  sind 
aus  Bürgers  ^kaiser  und  abt' :  ^ich  will  euch  erzählen  ein  märchen  gar 
schnurrig;  es  war  mal  ein  kaiser,  der  kaiser  war  kurrig;  es  war  auch 
ein  abt'  (hier  erholt  man  sich  einmal),  *eln  gar  stattlicher  herr;  nur 
schade,  sein  schäfer  war  klüger  als  er.'  dieselbe  unschöne  Wiederholung 
amphibrachischer  wortformen  entstellt  auch  den  oben  erwähnten  deca- 
syllabus (per^  liquaia  fluenta  rivt);  da  aber  die  Wiederholung  nicht 
eben  übermäszig  ist,  so  verdienen  nicht  hauptsächlich  ttm  ihretwillen  die 
beiden  verse  tadel.  das  fehlerhafte  wird  vielleicht  durch  seinen  gegen- 
satz  deutlicher  werden,  gesetzt  ein  dichter  wollte  die  anstrengungen 
der  Schiffer  ihr  boot  unter  segel  zu  bringen  durch  den  enneasyllabus 
schildern:  nauiae  voiant^  ardent^  labcrani^  so  wäre  dies  ein  vers,  wie 
er  sich  unter  den  317  neunsilbigen  Alkaikern  bei  Horaz  auch  nicht  in 
einziges  mal  findet,  nicht  einmal  einen  solchen  wie  ingenlium  foniem 
laborum  oder  et  vuliurum  rüu  iremeniig  hat  Horaz  je  gebildet ;  der  ähn- 
lichste, aber  doch  noch  himmelweit  von  diesen  verschiedene  ist  sars  exi- 
iura  et  nos  in  aetemum  ewiium  usw.,  und  selbst  dieser  hat,  ganz  ab- 


500  Th.  Kock:  metrische  kleinfgkeilen. 

gesehen  von  der  hypermetrie)  sonst  schon  nicht  mehr  seines  gleichen. 
wie  nemlich  alle  die  zuletzt  genannten  verse  an  dem  Abennasz  der 
männlichen  einschnitte  leiden,  so  war  an  den  zuerst  vorgefQlirten  die 
überfülle  der, weiblichen  wortenden  tadelnswerth ,  die  übrigens  Horaz  in 
dem  zehnsilbigen  Alcaicus  noch  mehr  als  in  dem  neunsilblgen  vermieden 
hat.  solche  wie  etwa  membra  quiete  refecta  pandit  hat  Horaz  gar  nichts 
und  aus  diesem  gründe  ist  mir  auch  Meinekes  Vermutung  (1,  37,24) 
solUciiare  paravii  ortis  für  classe  cita  reparavit  oras  mehr  als  zweifel- 
haft: denn  auch  för  diesen  schon  um  eine  weibliche  cflsur  Srmem  vers 
hat  Horaz  nur  iin  und  zwar  ein  auch  nicht  ganz  conformes  beispiei:  m 
dchorea  Uvesque  malvae, 

Manigfaltigkeit  in  der  einheit,  beruhend  auf  der  harmonie  der  ge- 
gensitze, ist  das  oberste  g^elz  der  form  in  den  kleinsten  und  unschein- 
barsten wie  in  den  groszen  kunstscböpfungen.  darum  hat  der  iambische 
trimeter  bei  seinem  mfinnlichen  schlusz  lauter  weibliche ,  der  hexamelcr, 
der  weiblich  endet,  gröstenteils  männliche  haupteinschnitte,  so  dasz  sie 
beide  in  zwei  grosze  hälften  mit  entgegengesetztem  anfang  und  schlusz 
zerfallen ;  darum  liebt  der  hexameter  in  seinem  ersten  teile  choriambisch- 
anapftstischen ,  im  zweiten  dactylisch  -  trochSIschen  rhythmus,  und  ans 
demselben  gründe  herscht  im  Sapphischen  verse  die  männliche,  un  elf- 
silbigen  Alcäischen  die  weibliche  cäsur  vor.  der  lieliliche  Wechsel  der 
männlichen  und  weiblichen  einschnitte  macht  den  vers  schön ,  durch  das 
einseitige  aberwuchern  der  einen  wird  er  unschön,  am  unerträglichsten 
aber  ist  die  hälftenteilung  mit  ganz  gleichem  schlusz.  wenn  man  z.  b.  bei 
Vergilius  {Äen.  9 ,  160)  in  dem  verse  cura  daiur  Messapo  et  moenia 
cingere  flammis  die  partikel  et  ausliesze,  so  zerfiele  der  vers  mit  Ver- 
lust seiner  einheit  in  zwei  gleiche  teile  cura  datur  Messapo  und  moenia 
cingere  flammis;  und  wer  in  dem  iambischen  trimeter  stets  die  diärc- 
sis  nach  dem  dritten  iambus  anwendet  (die  griechischen  tragiker  haben 
ihn  ganz  vereinzelt  so,  zu  ganz  bestimmten  zwecken),  der  macht  aus 
dem  schönen  vers  der  iragödie  den  unerträglichen,  steifleinenen  Ale- 
xandriner. 

Doch  bleiben  wir  bei  den  Alcäischen  vcrsen  stehen,  fflr  den  ennea- 
syllabus,  der  im  steigenden  rhythmus  beginnt  und  im  fallenden  schlieszi, 
kann  man  in  anwendung  des  eben  erwähnten  gesetzes  a  priori  sagen, 
dasz  die  schönste  form  für  ihn,  einen  neunsilblgen  vers,  die  Verbindung 
von  drei  dreisilbigen  fflszen  (amphibrachys  oder  palimbacchius ,  molossus 
und  bacchius)  sein  musz  {deprome  quadrimum  Sabina);  und  in  der  Ihat 
hat  Horaz  nach  dieser  norm ,  die  sich  ebenso wol  durch  die  schöne  ab- 
wechsetung  von  weiblichen  und  männlichen  einschnitten  —  man  beachte 
auch  dasz  der  vorangehende  elfsilbige  Alcaicus  stets  männlich  scblieszt 
—  wie  durch  ihre  edle  Symmetrie  auszeichnet,  wenn  man  die  durch 
loslösung  von  präpositionen  und  conjunctionen  entstehenden  Spielarten 
mitrechnet  (ceu  flamma  per  taedas  vel  eurus)^  unter  317  versen  148, 
also  fast  die  hälfte  gebildet,  und  vielleicht  hStte  er  sie  noch  öfter  an- 
'"t,  wenn  nicht  auch  das  schönste,  allzu  oft  wiederholt,  ermüdete. 
d  in  dem  zehnsilbigen  Akaicus  die  beiden  formen  die  schönsten, 


Th.  Kock:  metrische  kleinigkeiten.  501 

deren  eine  mit  dem  Choriambus  beginnend  zum  anapästen  oder  dritten  päon 
übergeht  [Sardiniae  segetes  feraces^  so  39  verse,  conposiia  repeian- 
iur  hora^  73  verse),  während  die  andere  auf  einen  dactylus  den  Cho- 
riambus folgen  läszt  (flumina  constiterint  acuta  y  34  verse).  doch  ist  in 
dem  decasyUabus  eine  grössere  manigraltigkeit  schon  durch  die  Verschmel- 
zung zweier  verschiedener  rliythmen,  des  dactylischen  und  des  trochii- 
sehen,  bedingt,  nur  beiläufig  sei  noch  bemerkt,  dasz  die  form,  die  den 
vers  in  seine  einzelnen  bestandteile  auflösen  und  dadurch  seine  einheit 
zerstören  würde,  also  eine  form  wie  occidit  Hasdruhal  inier  hostes^ 
gar  nicht  und  selbst  die  daraus  durch  die  Zusammenfassung  der  beiden 
trochäen  in  einen  ditrochäus  entstandene  erträglichere  nur  Einmal  und 
zwar  unter  mildernden  umständen ,  nemlich  mit  elision  vorkommt  {nofm- 
nis  Hasdruhale  interempio),  d  i  e  Spielart,  welche  den  zehnsilbigen  vers 
in  fünf  zweisilbige  worte  zerlegt  {dura  fugae  maJa^  dura  belli)  ^  findet 
sich  neunmal. 

vn. 

Die  griechische  poesie  ist  ein  naturwüchsiges  product  ihres  bodens, 
die  römische  eine  acclimatisierte  pflanze ,  und  zwar,  wie  viele  anzeichen 
beweisen,  eine  mit  groszer  mühe  und  arbeit  gezogene,  die  dichtkunst 
ist  von  den  Römern  angelernt,  und  das  mittel,  woran  sie  dieselbe  gelernt 
haben,  war  der  hexameter,  von  welchem  die  andern  in  Latiura  eingeführ- 
ten versarten  noch  in  ganz  anderem  sinne  abhängig  sind  als  bei  den  Grie- 
chen, denn  bei  diesen  scheint  die  lyrische  dichtung  von  der  epischen 
ziemlich  unabhängig  gewesen  zu  sein;  und  wenn  das  drama  sich  melir 
an  das  epos  anlehnt  und  Aeschylos  seine  dichtungen  dankbar  und  beschei- 
den nur  brocken  (TCfidxil ,  Athenäos  8 ,  347  *)  nennt  von  des  Mäoniden 
reich  besetzter  tafel ,  so  war  sein  lebrmeisler  Homer  der  dichter  und  nicht 
der  vers.  von  dem  hexameter  sind  die  formen  der  verse  in  drama  und 
lyrik  gleich  unabhängig. 

Nicht  so  bei  den  Römern,  da  diese  an  dem  hexameter  nicht  blosz  ihren 
poetischen  geschmack  bilden ,  sondern  auch  Ihre  silben  scharf  ausmessen 
und  ihr  ohr  an  den  rhythmus  gewöhnen  lernten ,  so  sind  seine  normen 
und  formen  ihrem  gefühl  so  tief  eingeprägt  worden ,  dasz  sie  dieselben 
unwillkürlich  auch  auf  die  behandlung  anderer  verse  von  sehr  verschie- 
dener art  übertrugen. 

Dazu  kommt  noch  eine  andere  eigentümlichkeil  der  römischen  dicht- 
kunst ,  die  auch  als  eine  folge  des  lernens  anzusehen  ist :  die  beschrän- 
kung  der  formen  und  die  befestigung  des  technischen  gebrauches  durch 
beseitigung  der  licenzen.  ich  meine  hier  nicht  die  beschränkung  der 
Strophenformen ,  von  welchen  die  lateinischen  dichter  nur  sehr  wenige, 
und  zwar  die  kürzeren,  aus  dem  griechischen  herübemahmen  —  die  noch 
weniger  zahlreichen  neu  gebildeten  sind  poetiscli  nicht  sehr  werthvoll  — 
sondern  ich  meine  die  beschränkung  der  formen  in  den  herübergenommenen 
Versen  selbst,  also  die  spoudeische  feststellung  der  basen  in  den  Ascle- 
piadeischen ,  Glyconeischen  und  Pherecrateischen  versen,  die  Verlängerung 
der  miltelzeitigen  silben  in  dem  Sapphischen  und  Alcäischen  verse,  die 
einföhrung  regelmäsziger  cäsuren  da  wo  sie  bei  den  griechischen  dichtem 


502  Th.  Kockr  metrische  kleioigkeiten. 

fehlen,  und  andere  gleichfalls  allgemein  bekannte  änderongen.  wie  sehr 
die  manigfaUigkeil  in  der  versbildung  dadurch  abgenommen  hat,  erhellt 
uttler  auderm  aus  der  thaisaclie,  dasz  allein  in  den  heute  erhaltenen,  doch 
nicht  eben  sehr  zahlreichen  fragmenten  der  üolischen  lyriker,  wenn  ich 
recht  gezfthU  habe,  gegen  20  formen  des  Sapphischen  hendecasyilabas  sieb 
erhalten  haben ,  zu  denen  in  den  615  Sapphischen  versen  des  Horaz  auch 
nicht  ein  einziges  beispiel  sich  findet. 

Beides,  ^e  »eigung  zur  beschrftnkung  der  formen  und  der  einßnsz 
des  hexameters,  bat  auf  die  gestaltung  etUcher  der  kleineren  verse  merli- 
wördig  eingewirkt,  wovon  einige  beispiele  folgen  mdgen. 

Der  Adonius  ist  bekanntlich  identisch  mit  dem  schlugt  des  hexame- 
lers  von  d<v  bukolischen  dil^esis  ab.  gerade  dieser  teil  ist,  wie  wir  oben 
gesehen  haben,  luei  den  Römern  anders  gebildet  als  bei  den  Griechen; 
und  so  auch  der  Adonius.  bei  Hora«  finden  sich  unter  205  Adonischen 
versen  nur  18,  welche  von  den  drei  allergo  wohnlichsten  ausgangsformen 
des  hexameters  [terruit  urhetn^  rara  iuvenius^  voUus  in  hosiem)  abwei- 
chen, von  der  Sappho  sind  uns  22  sichere  Adonische  verse  erhalten, 
und  von  diesen  22  haben  nur  10 ,  also  weniger  als  die  h&lfte ,  diese  bei 
Horaz  flbiichsten  drei  formen. 

Die  drei  angegebenen  arten  der  schluszbildung  {terrtrit  urbem^  rara 
hiveniuSy  voUhs  in  boetem)  sind  m  dem  lateinischen  hexameter  deswegen 
die  gewöhnlichsten,  weil  in  ihm  die  flbereinstimmung  von  accent  und 
ictus  in  den  beiden  letzten  filszen  vorherseht,  aus  diesem  gründe  hat 
Horaz  auch  da,  wo  er  den  Sapphicus  mit  dem  Adonius  durch  hinflber- 
g reifen  eines  wortes  aus  dem  erstem  in  den  letztern  enger  verbindet, 
stets  daMr  gesorgt,  dasz  diese  Übereinstimmung  (des  accentes  und  ictos) 
erhallen  blieb,  d.  h.  er  hat  stets  mehr  als  eine  silbe  in  den  Adonius 
hinfibergezogen.  so  1,  2,  20  love  non  probante  uxmius  amnis\ 
1,  25,  12  Thrctcio  hacchanie  magis  sub  interlunim  venia \  2,  16,8 
non  gemmis  neque  purpura  venaie  nee  auro^  wozu  noch  3,  27, 
59  koffiOMn  wQrde,  wenn  dort  eUdere  eottum  statt  laedere  zu  lesen  ist. 
ganz  im  gegenteil  bat  Sappho ,  die  in  22  Adonien  diese  engere  Verbin- 
dung fünfmal  anwendet,  stets  nur  ^ine  sillie  des  letzten  wortes  von 
dem  Sapphischen  verse  abgezweigt  (cpuivcicac  läirOKOUCi) ,  was  Im  latei- 
nischen einen  mit  dem  gewöhnlichen  schlusz  des  hexameters  nicht  ^be^ 
einstimmenden  Adonius  ergeben  würde. 

Neben  den  genannten  drei  häufigsten  ausgingen  des  hexameters  gibt 
es  noch  einen  verkaitnismÜBzig  nicht  gerade  seltenen,  nemlieh  den  in 
welchem  die  arais  des  (ttnften  fuszes  aus  einem  einsilbigen ,  die  ibesis 
desselben  a«8  einem  zweisilbigen  werte  besteht,  im  ersten  bvche  der 
georgica  (514  verse}  ist  dieser  ausgang  fünfmal  angewendet  (29  üc  tua 
nautae;  63.  150.  356  aui  freta  ponti;  380).  solcher  Adonii  {te  duee 
Caesar^  cum  lare  fundus)  bat  Horaz  12,  darunter  zwei  im  carmen  sae- 
culare:  32  et  lovis  aurae^  48  et  decus  omne^  Sappho  aiszer  eiaem 
unsichern  (Sc  6 Act'  C|üI)üI€c)  nur  dann,  wenn  der  Adonius  mit  deto 
verbunden  ist:  alG^poc  b\a  fi^ccui,  Aubtov  xdXov  fpTOV, 
Henen ,  im  ersten  buch  der  georgica  (80)  nur  Einmal  entbal- 


Th.  Kock:  metrische  kieinigkeiten.  503 

tenen  hexameterschlusz  entsprechen  würde:  pingui  pudeai  sola  neve, 
dagegen  die  von  Sappho  unter  22  sechsmal  gebrauchte  form,  auf  ein 
einsilbiges  (langes)  wort  ein  viersilbiges  (ionicus  a  minore)  folgen  2u 
lassen  (Vdnq)"  dbiid^ci,  od  biäficiirrov)  hat  Horaz  unter  205  Adonien 
nur  ein  einziges  mal,  in  dem  carmen  saeculare,  das  mit  den  gedieh« 
ten  des  vierten  buches  auch  sonst  im  versbau  von  denen  der  drei  ersten 
erbeblich  abweicht,  und  zwar  iq  einem  worte,  das  an  der  stelle  fast 
nomen  proprium  Ist,  seu  geniialis,  einmal  besteht  bei  Sappho  der  ganze 
Adonius  aus  einem  worte  (olvoxocOca) ;  ein  solcher  schlusz  ist  auch  im 
lateinischen  hexameter  namentlich  in  namen  nicht  ganz  unerhört,  und  so 
hat  auch  Horaz  vier  solche  Adonier,  dreimal  in  namen  Bellerophontem 
(4, 11,  28)  und  mit  que  Fabriciumque  (1,  12,  40),  Mercuriusque 
(1 ,  30,  8) ;  einmal  milüiaeque  (2,6,8).  ganz  vereinsamt  endlich  steht 
disr  keinesweges  schöne  vers  (4,  11,  4)  est  ederae  vis^  höchstens  mit 
imhriferum  ver  {georg.  1,  313)  zu  vergleichen. 

vm. 

Der  Pherecrateus  hat  zwar  seinen  Standort  nur  in  choriambischen 
Systemen ,  wird  aber  von  Horaz ,  bei  dem  die  basis  stets  spondeisch  ist, 
{^anz  wie  die  zweite  hälfle  eines  hexameters  behandelt  {grato  Pyrrha  sub 
antra  =  lamentabüe  regnum^  duri  tniiea  Ulixi^  tarn  nox  umida  caelo). 
die  35  Pherecrateen ,  die  bei  ihm  vorkommen ,  variieren  in  zehn  verschie- 
denen formen;  darunter  ist  nicht  eine,  die  nicht  unverändert  und  voll- 
kommen passend  In  jeden  wolgebildelen  hexameter  eingeschoben  wer- 
den könnte,  dies  gilt  nicht  blosz  von  Persas  atque  Britannos^  nigris 
aequora  vewUSj  vix  durare  carinae^  cras  donaberis  haedo^  Buspen- 
disse  poientiy  sondern  auch  von  casio  Bellerophonii  ^  von  fidit^  tu  wsi 
ventis^  über  welchen  versschlusz  schon  gesprochen  wurde,  und  von  »t- 
gris  aut  Erymanthi^  obwol  ein  einsilbiges  wort  vor  dem  ionicus  im 
schlusz  des  hexameters,  wie  in  an  Meliboei^  o  Bymenaee^  selten  ist 
(in  den  vier  buchern  der  georgica  meines  Wissens  gar  nicht),  auch  nee 
quisquam  citus  aeque  (nur  einmal)  wird  durch  non  puppis  tua^  Tar- 
chon  {Aen,  10,  302)  und  endlich  partum:  nanne  vides  ut  (auch  nur 
(Einmal)  durch  furar  additus,  inde  lupi  ceu  (Aen,  2,  355)  gerecht- 
fertigt (vgl.  L.  Maller  de  re  metr.  s.  220  AT.  Fröhde  im  philol.  XI  s. 
539  ff.  Grain  ebd.  X  s.  256  IT.).  aber  noch  zwingender  fast  als  dieser 
positive  beweis  ist  der  negative,  ich  habe  von  griechischen  Pherecrateen 
28  gesammelt  (Horaz  hat  nur  sieben  mehr) ,  aus  Anakreon,  den  komikern 
Krates,  Pherekrates,  Eupolis  und  endlich  aus  Kallimachos.  darunter  sind, 
ganz  abgeselien  von  den  differenzen  der  basis,  sechs  formen,  ]die  bei 
Horaz  nicht  vorkommen,  zum  teil  vielleicht  zuHlllig,  die  häufigste  aber 
sicherlich,  weil  sie  dem  hexametrischen  bau  widersprach,  der  molos- 
sus  nemlich  mit  dem  ionicus  a  minore  verbunden  (iroi^aiveiciroXifjtac, 
€äxtuXf)cäiTaKOU€lV,  X^^MulivCC  KttTOTOUCtv)  findet  sich  hei  Anakreon 
in  14  Versen  siebenmal ,  in  den  14  nicht  Anakreon  tischen  noch  viermal, 
hei  Horaz  dogegen  aucli  niclit  ein  einziges  mal,  der  ionicus  nemlioh  am 
versschlusse  ist  im  hoxaroeter  in  griechischen  Wörtern  nicht  sehr  selten, 


504  Th.  Rock :  metrische  klefnigkeiteo. 

sowol  mit  Forausgeheodem  Choriambus  [navifragum  Soflaeeum^  amife- 
rae  cyparitH^  ferrugmeos  hyacmthos)  wie  mit  vorausgehendem  molos- 
sus  {georg.  4,  137  iondebai  kyacinihi^  bei  Catull  despexü  kymenaeot^ 
opiatos  hymenaeoij  cusiodibant  calaMsci),  in  lateinischen  Wörtern  bt 
er  bei  weitem  ungewöhnlicher  {femineo  ululatu^  semiviro  camitatu^ 
multo  gemiiu  lacHmisque  Verg.,  forUsque  habeatur  Hör.};  und  in  Ver- 
bindung mit  einem  vorangehenden  molossus  weiss  ich  aus  dichtem  der 
Augusteischen  zeit  kein  beispiel.  demnach  dörfien  lateinische  Pherecra- 
teen  nach  dem  schema  noctumis  ululaia  oder  myrtetii  suh  opads^  auch 
et  quercu  sub  opaca  dem  geiste  römischer  poesie  schwerlich  entsprechen. 

IX. 
Eine  einwirkung  des  hexameters  hat  endlich  ohne  iweifei  auch  statt- 
gefunden im  Sapphischen  hendecasyllabus.  es  ist  schon  erwjibnt  worden, 
dasz  gegen  20  in  den  äolischen  versen  dieser  art  noch  heute  nachweis- 
bare formen  für  Horaz  verschollen  sind;  11  von  diesen  entbehren  der  bei 
ihm  fiblichen  cSsuren.  die  consequente  anwendung  dieser  c&saren  unter- 
scheidet haupisftchlich  den  Horazischen  vers  von  dem  der  griechischen 
meiik ,  und  sie  alle  sind  dem  lateinischen  hexameter  entlehnt,  unter  615 
Sapphischen  versen  haben  bei  Horaz  567  die  m&nnllche  trevOrviifiCpflCi 
die  bekanntlich  auch  im  hexameter  die  weit  überwiegende  ist  {dexlera 
sacras  iaeuiatus  arces^  neu  sinas  Medos  equitare  inulios,  ire  deiec- 
ium  monumenta  regis)^  die  übrigen  48  haben  sämtlich  die  weibiicbe 
xard  Tpirov  Tpoxoctov,  kein  einziger  entbehrt  beider,  die  reizeodeD 
formen  der  Sappho  also  juoXivuiv*  aiGuccOfi^vuiv  hk  q)uXXuiv,  näcov 
fiTp€i,  x^^poT^P<i  ^  TTo(ac ,  Kopbiov  iy  crddcciv  ^irröacev ,  iroiKi- 
XöÖpov'  dOdvar'  'AqppobiTa,  irai  Aiöc,  boXoTrXöxe,  Xicco^aice, 
ficibidcaic'  ddavdTtp  irpocumui  sind  dem  absoluten  despotismus  der 
hexametrischen  analogie  zum  opfer  gefallen,  aber  noch  beachtenswer- 
ther  ist  folgendes,  in  den  vier  bflcbem  der  georgica  d.  h.  in  2188  beia* 
metern  findet  sich  die  weibliche  cäsur  allein  in  lateinischen  einfachen 
Wörtern  nur  dreimal  (incipiunt  agitata  iumescere.  1 ,  357.  2 ,  400. 
3,  538);  in  Wörtern  an  die  que  gehftngt  ist  fünfmal  {induiae  caeduni- 
que  securibus  umida  vina  3,  364.  3,  255.  447.  4,  175.  496),  in  grie- 
chischen namensverzeichnissen  fünfmal  (4,  336.  8.  9.  343.  463),  mit 
folgendem  einsilbigem  wort  {feriur  equis  auriga  neque  audit  currus 
häbenas)  dreimal  (1 ,  514.  2,  123;  zugleich  mit  que  2,  84);  an  vier 
stellen  (2,  244.  3,  4.  240.  4,  369)  könnte  es  zweifelhaft  sein,  ob  nichi 
auch  die  hephthemimeres  anzunehmen  ist.  in  2188  hexametern  also  fin- 
det sich  der  weibliche  einschnitt  für  sich  allein  höchstens  zwanzigmal. 
dem  entsprechend  ist  er  auch  im  Sapphischen  verse  sehr  selten  (12  mal) 
der  allein  herschende  [concinei  maiore  poeta  pleciro^  haec  lovem  sen- 
tire  deosque  cunclos^  faia  donavere  bonique  divi^  laurea  donandus 
ApoUinari  usw.),  wobei  gewis  auffallend  ist  dasz  diese  formen  allein 
dem  vierten  buch  der  öden  und  dem  carmen  saeculare  angehören ,  als  ob 
^af  Ainhta,-  sich  spater  bemüht  hatte  sich  aus  der  Sklaverei  des  bexa- 
Veien  und  zu  der  leichten  anmut  der  Griechen  zurflckzu- 


Tb.  Kock :  metrische  kleinlgkeiten.  505 

kehren,  in  der  groszen  mehrzahl  der  n&Ue  ist  die  cSsur  Kara  rpiTOV 
TpoxaTov  verbunden  mit  der  ip\Qr\ii\iX€pf\c  und  der  ^qp6ii|üii|üi€pr)C ,  ganz 
nach  der  analogie  des  so  oft  wiederkehrenden  Schemas  infandum  re- 
gina  \  iubes  \  renovare  dolorem^  oder  wenigstens  mit  der  IqpBrijiifiepfjc 
allein,  wie  in  4>mma  fanda  nefanda  \  malo  \  permixia  furore.  so 
kommt  die  der  ersten  entsprechende  form  Mercuri^  facunde  nepoi  AU 
laniis  mit  ihren  Spielarten  23  mal ,  die  der  zweiten  entsprechende  fervet 
inmensusque  ruit  profunda  12  mal,  die  semper  ut  ie  digna  sequare 
ei  nitro  Einmal  vor.  auf  diese  weise  ist  die  ganze  gestaltung  des  Sapphi- 
schen  hendecasyllabus  bei  Horaz,  da  sie  volislftndig  durch  die  cSsuren 
bedingt  ist,  abhängig  geworden  von  dem  heroischen  verse. 


Lange  nachdem  der  vorstehende  aufsatz  geschrieben  war,  erhielt 
ich  durcli  die  gute  des  herausgebers  dieser  biätter  die  abhandlung  von 
W.  Christ  'die  verskunst  des  Horaz  im  lichte  der  allen  Überlieferung' 
(aus  den  Sitzungsberichten  der  k.  bairischen  akademie  der  wiss.  1868). 
obwol  der  hauplsache  nacli  auf  durchaus  verschiedene  gegenstände  ge- 
richtet  haben  die  beiden  aufsStze  doch  einige  sehr  wesentliche  bertih- 
rungspuncte,  und  es  freut  mich  dasz  was  ich  (in  VIL  Vlll.  IX,  vgl.  vor- 
zuglich VIII)  Über  die  abhangigkeit  der  melischeu  verse  des  Horaz  von 
dem  römischen  hexameter  gesagt  habe ,  eine  sehr  wesentliche  stütze  er- 
hält durch  eine  bemerkung  Christs  (s.  18  f.  seiner  schrift),  die  ich  als  eine 
mit  meinen  ermittelungen  im  innigsten  zusammenhange  stehende  ergän- 
zung  für  die  leser  meines  aufsatzes  hier  (gewis  ohne  die  misbilligung 
des  hm.  vf.  furchten  zu  müssen)  auszuschreiben  mir  erlaube:  'die  eigen- 
tümlichkeit  des  wiederkehrenden  spondeus  im  anfang'  des  Asdepiadeus 
minor  'hängt  mit  der  cäsur  mnig  zusammen';  denn  mit  der  Zerlegung 
des  verses  in  zwei  hälften  'bezweckten  zugleich  die  melriker  eine  zurück- 
führung  der  einzelnen  teile  des  verses  auf  die  gewöhnlichen  gleichartigen 
metra;  und  so  fanden  sie  auch  in  dem  ersten  komma  unseres  verses  den 
ersten  abschnitt  des  dactylischen  hexameters,  die  TOfAf| 
7T€v6imi|üi£prjc;  damit  war  der  iambus  und  trochäus  aus  dem  ersten 
fusze'  (d.  h.  der  basis)  'ausgeschlossen,  und  eben  deshalb  hat  auch  Horaz 
vor  dem  ersten  Choriambus  nur  einen  spondeus  gesetzt  somit  haben  wir 
denn  auch  zugleich  den  schlüssel  gefunden  zur  erklärung  der  eigentüm- 
lichen erscheinung,  dasz  der  Glyconeus  und  der  Pherecraleus  bei  Horaz 
immer  die  form wv._>^v/  und ^  ^ hat;  und  ver- 
stehen nun ,  wie  Plotius  III  62  und  VIII  2  zwischen  dem  lateinischen  und 
griechischen  bau  des  Glyconeus  unterscheiden  und  in  jenem  dactylischen, 
in  diesem  anlispastischen  rhythmus  erkennen  konnte.' 

Bbrlin.  Theodor  Kook. 


JahrbQeher  f&r  dasf.  philol.  18C8  hfl.  7. 


33 


506  Q.  fNlatter:  lo  Horatios. 

(ßO.) 

zu  HOBATTUS. 


*«v  - 


Dm  der  dichter  $mL  11  3, 1  nicht  geschrieben  haba  ktte  t: " 
icribis^  ut  ioio  non  qumter  «fiiio,  scheint  answeirelhafl,  da  die  ^'- 
vorlIngeniDgen  in  der  arsis  bei  ilun  ganz  anderer  art  sind,  lie  dr  - 
prSsens  der  sog.  dritten  conjugation  bei  ihm  gelängt  erscfaciiL  r.- 
neben  scribis  Oberlieferte  icHbes  ladet  dem  dichter  ungebährtid::'^ 
und  auch  Neinelies  von  Ritter  aufgenommenes  tu  ut  ist  ein  sefaleci  - 
helf,  mag  man  tu  zu  icHbis  oder  tum  folgenden  ziehen.  Hor.sdim 
zweifei  sie  raro  scribis^  tato  non  ut  guater  anno  mit  der  ^e: 
nachsctzung  des  u/,  wodurch  hier  toto  eine  i>esonders  nacbdrl. 
Stellung  erhält,    die  Ungung  des  ^at  -e/  -it  ist  freilich  eine  liberk'  l: 
freiheit  der  dichter,  aber  Hör.  wird  sich  derselben  doch  nur  di  U 
Jiaben,  wo  sie  unvermeidlich  war,  und  am  wenigsten  in  den  mein« 
reinen  dritten  buche  der  öden,    wie  bitte  er,  dem  die  iSnge  der  fi 
Silbe  in  den  beiden  ersten  versen  der  Alcäischen  Strophe  so  fest  >::  ^ 
sich  zu  dem  verse  verstehen  können  (III  5,  17):  si  non  petirtt  i»-- 
rabilis  ?  man  hat  perires  und  perirent  versucht ,  wovon  das  letzter? 
Vorzug  verdient,  aber  auch  dieses  bleibt  immer  etwas  gezwungen.  S->^ 
bäum  versucht  iam  rmserabüiSj  aber  miterabHis  scheint  dem  ganzeei^ 
zuwider.    Hör.  schrieb  iam  immiserabilis.   fiber  den  gebrauch  von  y-  " 
vgl.  Hand  Turs.  IH  s.  141.    durch  die  einschiebung  eines  iam  ki>: 
man  auch  dem  verse:  sifigit  adamantinos  III  24,  5  aufhelfen,  wo^cr^ 
die  gleiche  iflngung  an  derselben  stelle  des  gröszern  verses  im  er>> 
buche  in  perrupit  Acheronia  Hercüleus  labor  (carm,  13,  36}  d: 
durch  ein  ungeschicktes  perrupiique  zu  entfernen  Ist.   aber  in  dem  ^^' 
carm.  III  16,  26  schreibe  ich  unbedenklich:  quam  si  quidquid  arat  ff*' 
;>f^f*r  AppuIuSy  obgleich  diese  lesart  auf  einer  weit  schwachem  ül« 
lit^forung  beruht  als  rmpiger:  denn  nicht  der  Überlieferung,  sondern  «i^ 
notwendigkeil  wegen  schreibe  ich  non  piger  statt  impiger,    ähnlich  sie! : 
HÖH  piger  I  15,  26,  und  zur  Vermeidung  des  hiatus  epod.  12,  25  o «v 
Htm  /W#.r,  wo  freilich  auch  sdion  früh  infelix  eintrat   dagegen  ffi«* 
Ich  II  13»  16  ca&ca  timet  aiiunde  fata  gegen  das  von  Lachmann  vorgt 
»chlagt*n«  timet%>e  trotz  Meineke  und  Lucian  Malier  beibehalten,   des  let: 
t«»ni  «usmhrung  (de  re  metr.  s.  330),  dasz  der  sinn  timetve  rerlang« 
i^eruhl  auf  misverstlndnis :  denn  uUra  k»nn  hier  nur  örtlich  ffenommö 
WHsnIen,  lUer  den  Bosporus  ''{»«"*  (tr<pav  ^oo  eoctr/Snmi  t«:v6 
MCVOC),  und   wenn   derJlhe  begritr  hier  doppelt,  ^inwai^'l^^f^^^  ^T^ 

dann  beim  subjecte,  auf  versciii-dene  weise  bezeichnet  wird    TL  ^'"'T 
eben  dem  steheodeii  dicliiergehrauche  gemäaz.  '         ''«l  die 

^^^  HBmBICH  Döntieä, 


.  C.  Heraeus :  zu  Herodotos  Vlll  25.  507 

In 

ZU  HERODOTOS  VH!  25. 


Bei  Uerodotos  VUI  25  steht  geschrieben  und  gedruckt:  £9r)e0vTO 

'*öi€Ei6vT€C  Touc  vexpouc  ndvT€C  hk  i^mcT^aTO  touc  Kci^evouc 

'  'elvai  TrdvTac  AaicE^ai^oviouc  kqI  Oeciri^ac  öp^ovrec  Kai  touc 

'•"'  'eiXurrac.  ov  iiiy  oub'  dXdvBave  touc  buxßcßnKÖTac  E^p£iic  TaÜTa 

■    JlQfjjEaC   TTCpi  TOUC  V€KpOUC  TOUC  iuiUTOO'  Kttl  TÖP  ^^  Kttl  T^XotOV 

'  'nv  Toiv  libf  xtXioi  £q>aivovTo  vexpol  Kciftevoi,  ol  bi  Trdvrec  ^KteTo 
'  dX^€c  cuTKiKo^ic^^voi  ic  Td)UTÖ  x^ipiov,  T^ccepec  x^^tdbec. 
'  an  den  beiden  letzten  worlen  hat  Stein  in  seiner  so  verdienstlichen  aus- 
'-  gäbe  gerechten  anstosz  genommen  und  meint,  Her.  habe  sich  wahrschein- 
lich durch  die  fassuBg  des  —  doch  deutlichen  —  epigramms  auf  die 
peloponnesisdien  Thermopylenkümpfer  (VII  228  xtXidbec  T^TOpcc)  teu- 
'-'    sehen  lassen,    das  heiszt  aber  Her.  einer  groben  fahriflssigkeit  und  argen 

'?■     gedankenlosigkeit  zeihen.    Abicht  hat  denn  auch  auf  dies  für  Uerodols 

'  r:    schriftstellerruf  wenig  schmeichelhafte  auskunflsmittel  verzichtet,  aber 

freilich  in  seiner  rechtfertigung  des  verdächtigten  Schriftstellers  sich  mit 

'     einer  erklärung  beholfen ,  die  mehr  vertuscht  als  aufklärt,   er  unterstellt 

ncmlich,  Her.  gebe  die  zahl  4000  als  gesamtsumme  der  in  dem  drei- 

1.  tag  igen  kämpfe  bei  den  Thermopylen  gefallenen  an,  so  dasz  also  un- 
'  serm  autor  zufolge  allein  an  den  ersten  beiden  schlachttagen  3000 
mann  auf  selten  der  Hellenen  geblieben  wären,  mithin  an  jedem  der- 
selben im  durchschnitt  500  mehr  als  an  dem  letzten  im  eigentlichen  ver- 
nichtungskampfe.  so  unwahrscheinlich  dies  schon  an  und  fOr  sich  klingt, 
so  läszt  es  sich  auch  noch  mit  zahlen  als  unmöglich  nachweisen,  damals 
d.  h.  an  den  beiden  ersten  tagen  können  doch  nur  2800  Peloponnesier 

V  und  der  heerbann  der  opuntischen  Lokrer,  dessen  stärke  von  Her.  nicht 
angegeben  wird  und  der  sich  höchstens  auf  ein  paar  tausend  mann  be- 
laufen haben  mag  —  Diodor  XI  4  gibt  1000,  Tansanias  X  20,  2  6000 
mann  an  —  auszer  den  300  Spartiaten  und  den  700  Thespiern  gefochten 
haben,  da  selbstverständlich  die  400  als  geiseln  von  Leonidas  mitgefuhr- 
len  Thebaner  und  die  1000  Phokier  oben  auf  der  'Avöiraia  wenigstens 
nicht  als  eigentliche  Thermopylenkämpfer  gezählt  werden  können,  macht 
mau  sich  nun  von  den  bei  gefechtsverlusten  obwaltenden  zahlenverhält- 
nissen  eine  klare  und  richtige  Vorstellung,  so  wird  es  einem  nicht  in  den 
sinn  kommen,  dasz  von  300  Spartiaten  +  700  Thespiern  +  2800 
Peloponnesiern  -f-  2000  (höclistens  3000)  Lokrern ,  im  ganzen  also  von 
5800  (höchstens  6800)  mann  volle  4000  tote  das  Schlachtfeld  hätten 
sollen  bedeckt  haben,  so  dasz  auf  verwundete  und  dienstfähige  nur  ein 
rest  von  1800  (höchstens  2800)  mann  zu  verrechnen  wäre,  die  mislich- 
keit  dieser  rechnungsweise  hat  der  recensent  im  litterarischen  central- 
blatt  1867  sp.  1168  wol  gefühlt  und  ist,  um  doch  die  4000  leichen  für 
die  geschichte  zu  retten ,  zu  der  annähme  gekommen,  es  wären  auf  jeden 
Spartiaten  des  königlichen  kriegsgefolges  der  sog.  Ittttcic  —  wie  bei 
Platää  —  sieben  heloten  gekommen  und  gefallen,    so  rechnet  er  2100 

33* 


508  G.  Heraeus:  zu  Herodotos  VIII  25. 

helotenleicben  heraus  und  behält  dann  immer  noch  900  tote  hoplilen 
für  die  an  den  beiden  ersten  gefechlstagen  mitl^ampfenden  Peloponnesier 
und  Lolirer  übrig ,  also  nur  100  hopliten  weniger  als  für  den  rnänner- 
mordenden  Ares  am  dritten,  dem  hauptschlachtlage.    aber  auch  gegen 
diese  rechnungsart  dürften  sich  gewichtige  bedeniten  erbeben,   erstlich 
hat  Her.  offenbar  von  den  Verlusten  der  Hellenen  an  jenen  beiden  tagen 
nur  eine  geringe  meinung:  von  den  Spartiaten  sagt  er  VH  211  ausdrück- 
lich: Ittitttov  bt  Ktti  aÖTföv  Tiöv  CTrapTHixiiuv  dvOaOra  öXixoi. 
sind  doch  hei  PlatSä,  wo  die  terrainverhaltnisse  ungleich  weniger  gün- 
stig für  die  Hellenen  lagen,  von  14500  Spartiaten,  Tegeaten  und  Athe- 
nern, welche  die  hauptarbeit  hatten,  nur  159  hopliten  gefallen  (IX  70), 
im  ganzen   von   110000  mann  wol  nur  1360  mann  (Plut.  Arist  19). 
hiemach  läszl  sich  gar  nicht  annehmen ,  als  ob  Her.  an  einen  verlost  von 
900  mann  auf  eine  truppe  von  4800  (höchstens  5800)  hopliten  gedacht 
hatte ,  ohne  eines  so  starken  procentsatzes  ausdrücklich  erwShnung  zu 
thun.   ferner  aber  ist  es  auch  mit  den  2100  toten  heloten  eine  hedenli- 
llche  Sache,    wenn  Her.  nicht,  wie  bei  Plataa,  ausdrücklich  die  zahl  an- 
gibt,  so  hat  man  doch  wol  im  durchschnitt  auf  jeden  Spartiaten  nur 
einen  heloten  zu  rechnen :   vgl.  VH  229  (X^TCTai)  CfipUTOV  \iiy  iruOö- 
fievov  Tfjv  Tfjjv  TTepc^iuv  rrepiobov  alxyicavTd  t€  toi  6itXa  küi  iv- 
buvra  firetv  ctöröv  KcXeOcat  tovefXujTak  toöc  ^axo^i^vouc  und 
Stein  zu  der  stelle,    es  kommen  also  nach  der  wahrsciieinlichsten  be- 
rechnung  nur  300  Spartiaten  +  300  heloten  +  700  Thespier  =:  1300 
tote  +  die  geringe  zahl  der  an  den  beiden  ersten  tagen  gebliebenen 
Peloponnesier  und  Lokrer  +  die  paar  gefallenen  Thebaner  (VH  233), 
Im  ganzen  etwa  1500  tote,  aber  nicht  lauter  unbeerdigte 
heraus,   die  zahl  der  unbeerdigten  toten  war  natürlich  eine  noch  gerin- 
gere,  bei  der  totenschau,  von  der  Her.  an  unserer  stelle  berichtet,  han- 
delt es  sich  nun  aber  überall  nur  um  unbeerdigte  tote  (touc  Kei^€- 
vouc).   die  an  den  beiden  ersten  tagen  gefallenen  Spartiaten  und  sonsti- 
gen Hellenen  waren  natürlich  samt  und  sonders  von  Ihren  kameraden 
unter  den  üblichen  leichenehren  bestattet,    dies  ist  auch   der  grund, 
warum  Her.  nur  von  tot  daliegenden  Spartiaten,  Thespiern  und  helo- 
ten spricht,  welche  letztere  von  den  besuchern  des  leichenfeldes  für  gerai- 
lene  hellenische  hoplilen  gehalten  worden  seien ,  und  warum  er  die  zahl 
der  HeUenenleichen  nicht  ausdrücklich  angibt,  da  er  eben  keine  künde 
von  der  zahl  der  gleich  nach  den  ersten  beiden  gefechten  begrabenen 
toten  gehabt  hat.   aber  —  wird  man  mir  einwenden  —  es  steht  ja  bei 
Her.  zu  lesen:  vier  tausende  lagen  tot  da.     allerdings  steht  T^CC6p€C 
XiXtdbec  in  unseren  hss.  geschrieben  und  in  allen  ausgaben  gedrudct, 
es  ist  aber  nicht  ein  ausdruck  des  Verfassers ,  sondern  ein  byzantinisches 
glossem,  dergleichen  z.  b.  IX  98  in  den  schluszworten  TOtci  "CXXnci  von 
den  neueren  hgg.  erkannt  ist.   nach  ausscheidung  der  worte  T^cc€p€C  X^' 
Xidbec  und  unter  beachtung  der  echt  Herodoteischen  sptax  bei  erklärung 
unserer  stelle  wird  auch  nicht  der  schatten  eines  makels  am  scbriftslelle- 
ife  des  klugverständigen  Herodotos  haften  hieilien  und  mehreren 
on  hellenischen  freiheilskflmpfern  das  leben  gerettet  werden. 


C.  Heraeus :  zu  Herodotos  VIII  25.  509 

Jener  Schreiber  des  stammcodex,  vermutlich  ein  Byzantiner  von  ge- 
ringem verstände  und  noch  geringerer  akribie,  vericannte  den  Herodo- 
teischen  Sprachgebrauch  und  bezog  die  worte  o\  bk  irdvTCC  dK^aro 
dXeec  cutkckomicm^voi  ic  nhxnö  xu)piov  auf  die  toten  Hellenen, 
wie  natürlich ,  nachdem  der  zusalz  T^ccepec  xtXiabcc  einmal  gemacht 
war,  auch  die  abendl&ndischen  gelehrten  und  ungelehrten  leser  Herodots 
ihun  musten.  da  jener  im  gegensatz  zu  den  tausend  Perserleichen  eine 
angäbe  der  toten  Hellenen  in  dem  zweiten  satzgliede  vermiszte,  so 
machte  er  unter  Verwechslung  der  t o t e n z a h  1  mit  der  streiterzahl 
—  was  einem  byzantinischen  grammatisten  oder  handschriften  copieren> 
den  klosterbruder  wol  zuzutrauen  ist  —  aus  dem  dorischen  xtXtdbec 
T^Topec  im  epigramm  des  Simonides  (VH  228)  ein  ionisches  und  pro- 
saisches T^ccepec  x^^i^^c  und  setzte  es  als  notiz  an  den  rand  oder 
Aber  die  zeile,  von  wo  es  —  für  ein  glossem  bezeichnend  —  an  den 
schlusz  des  satzes  in  den  text  gerathen  ist. 

Worauf  sind  denn  nun  aber  jene  worte  zu  bezichen,  wenn  nicht  auf 
die  Hellenen?  —  auf  die  von  Xerxes  aus  zwei  myriaden  toter  ausgewähl- 
ten ,  auf  einen  häufen  zusammengetragenen  tausend  Perserleichen, 
dies  kleinliche  teuschungsmlttel  des  barbarenfflrsten ,  die  angebliche  an- 
zahl  der  gebliebenen  Perser,  allesamt  dicht  bei  einander,  auf  ^inen  fleck 
hinlegen  zu  lassen ,  nennt  Her.  mit  fug  und  recht  gar  zu  lächerlich,  die 
mannschaften  der  persischen  flotte — schlaue  Phdnlkier,  durchtriebene 
Aegypter,  aufgeweckte  lonier  —  lieszen  sich  aber  durch  die  künstliclie 
gruppiening  der  leichen  nicht  über  die  grdsze  des  wirklichen  Verlustes 
teuschen ,  wie  Her.  deutlich  zu  verstehen  gibt.  *man  merkt  die  absieht, 
und  man  wird  verstimmt.'  übrigens  war  ein  Schriftsteller,  der  sich  einer 
geordneten  darslellungs weise  befleiszigte  und  nicht  das  schon  in  dem 
einen  teile  des  berichtes  besprochene  noch  einmal  mit  dem  andern  teile 
seines  Vortrags  zusammenwarf,  gar  nicht  in  der  läge  in  dem  schluszsatze 
von  neuem  auf  die  Hellenenleichen  zurückzukommen,  nachdem  er 
weiter  oben,  wo  von  der  besichtigung  der  loten  Hellenen  die  rede  ist, 
abgemacht  hat,  was  er  davon  zu  sagen  wüste,  ohne  freilich  aus  dem  be- 
reits angeführten  gründe  —  weil  er  eben  keine  genaue  künde  hatte  — 
die  zahl  der  unbeerdigten  toten  anzugeben,  geht  er  mit  den  werten  ou 
liiy  (=  ^f)v)  oöb'  dXdv6av€  usw.  auf  die  toten  Perser  Ober  (irepi 
TOuc  vexpouc  Touc  dwuToC).  der  genetiv  tüjv  im  anfang  des  auf 
die  parenüiese  (Ka\  ydp  bf|  Kai  T^Xotov  f^v)  folgenden  satzes  ist  de- 
monstrativ, wie  c.  40  TÜJV  \iky  eupov  oöb^v  ^öv,  ol  bl  ^ttuv- 
ÖdvovTO  TÖv  "IcB^dv  aurouc  TCix^ovrac  usw.  und  VU  6  d  ^^v  Tt 
dv^oi  ccpdtXfia  cp^pov  r(b  ßapßdpip,  tuiv  \ik.y  Ikcf^,  oöb^v,  b  bi 
rd  euTux^CTOtra  ^kActö^cvoc  ^6T€  usw.,  und  das  beziehungswort  zu 
TUIV  ist  in  TOUC  V€Kpouc  TOUC  dwuToO  (d.  i.  die  gesamtzahl  der  persi- 
schen loten ,  buo  liupidbcc  c.  24)  enthalten.  *sie  lagen  aber'  fahrt  nun 
Her.  fort  *alle  dicht  beisammen  auf  einen  und  denselben  fleck 
gelragen'  —  nicht  da  wo  oder  so  wie  sie  im  kämpfe  gefallen  waren, 
dieser  besondere  umstand  ist  der  allgemeinen  angäbe  des  ersten  Satz- 
gliedes, dasz  man  nur  1000  von  den  20000  toten  Persem  habe  offen 


510  F.  Lödecke :  ein  ungedruckler  brief  von  Casaubonus. 

daliegen  sehen,  in  echl  Uerodoteischer  synlax  mil  Ol  bt  nävTec 
^K^aro  dX^€c  cuTK€KOfiic|yi^Voi  ic  xdimö  xu)p(ov  enigegengeseizt, 
während  em  Aitiker  mil  rrdvTec  bk  oder  dXX&  irdVT€C  fortgefahren 
wXre.  dieser  Sprachgebrauch^  der  sich  bei  Her.  und  bekannllich  noch 
weit  liäufiger  bei  Homer  findet,  ist  ron  KrOger  (poellsch-dialektiscke  syn- 
lax  S  &0,  1,  10]  und  von  den  berausgebern  Herodots,  wie  Abicht  zu  der 
oben  aus  Vil  6  aosgeseliriebenen  sleüe  und  Stein  zu  1  17,  des  weiteren 
erörtert,  das  subject  xiXiOl  ist  und  bleibt  für  beide  Satzglieder  dasselbe, 
aber  das  pridicat  des  einen  Satzteiles  ist  dem  prjidicat  des  andern  ent- 
gegeftgesetzt,  und  dieser  gegensatz  spielt  nun  mit  ol  bk  aueh  in  das 
subject  über  —  nicht  gerade  logisch,  aber  energisch  und,  wenn  man 
will,  naiv. 

Wenn  somit  Herodots  historische  genailigkeit  und  besonnenheit 
gegen  eine  ober  das  ziel  htnaussdiieszende  behauptung  gewahrt  und 
erhärtet  werden  aiuste,  so  gebührt  doch  jedenfalls  dem  Scharfsinne 
Steins  das  verdienst  zuerst  auf  den  faulen  fleck  bestimmt  hingewiesen 
zu  haben,  der  bei  genauerer  kritischer  Untersuchung  an  dem  fiber- 
lieferten texte  Herodots  nachgewiesen  und  von  jetzt  an  exstirpiert 
sein  dürfte. 

Hamm«  Carl  Hbrabus. 

70. 

EIN  UNGEDRUCKTER  BRIEF  VON  CASAUBONUS. 


Von  Gasaubonus  briefen  gibt  es  drei  verschiedene  ausgaben:  die 
erste  755  briefe  enthaltend  und  von  J.  F.  Gronov  veranstaltet  erschien 
1638  im  Haag,  die  zweite  von  Oraevius  1656  in  Magdeburg  und  Helm- 
stedt veröffentlicht  enthält  82  briefe  mehr,  erschwert  aber  insofern  die 
benutzung,  als  sie  die  briefe  nicht  nach  den  adressaten  geordnet  sondern 
in  chronologischer  folge  gibt,  die  dritte  von  Theodor  Janson  ab  Almelo- 
veen  in  Rotterdam  1709  besorgt  hat  diese  anordnung  leider  beibehalten 
und  ist  noch  unbequemer  geworden,  da  300  neue  briefe  und  andere 
zugaben  sie  zu  einem  ganz  besonders  wuchtigen  folianten  haben  an- 
schwellen lassen,  ein  im  Verhältnis  dazu  verschwindend  kleiner  nachtrag 
ist  ein  an  Gottfried  Jungermann  (s.  oben  s.  69)  gerichteter  brief,  dessen 
original  die  Bremische  bibllothek  (vgl.  Verzeichnis  der  manuscripte  s.  5 
nr.  8)  besitzt ,  und  der  wie  die  oben  s.  70  ff.  abgedruckten  briefe  bisher 
noch  nirgends  veröffentlicht  ist.') 

JnSC,  BBUDITI8SIM0  VIBO   GOTHOFR&DO  lUNGBBMANO  AJiICO  OPTIMO 
ET  LONGE   0HABI8SIM0  HANOULAM. 

Isaacus  Gasaubonus  Gotholredo  lungermano  S.  D.  Si  quantum 
voluptaUs  slncerae  tuae  mihi  litierae  afferunt.  Vir  erudiüssime,  tan  tum 


^  von  andern  briefen  des  CASaab^nus  otf  JvM^trmvtti  finden  sich 
on  ab  Almeioreeii  nw  drn« 


F.  Lüdecke:  ein  ungedruckter  brief  yod  GasauboDas.  511 

otii  suppeterel  a4  paria  tecum  faciendum;  facile  euincerem  assidua  ac 
proUxa  scriplioiie,  ut  quantum  obieclamenli  ex  tuis  capiam  oognoscfres. 
Nunc  curia  quotidiania  obrutus  ac  tanlum  non  oblritua,  pro  reapondcndi 
officio,  ueniam  te  orare  cogor,  ne  mihi  siientium  meam  apud  te  ^l  fraudi. 
Sciio  autem  binas  tuaram  a  proximis  oundijiis  me  accepisae;  qnibus 
respendebo  (krepov  irpötcpov  O^vipiKUic  Nam  quod  posteriore  epi- 
slola  acribebaa  de  codicibus  nonnullis  Arabicis,  id  cuiuamodi  sk  ueliin 
ex  te  plenius  diacere.  Meque  enim  me  fugil  solere  isUik  et  ubique  loco- 
rum  id  genus  libros  pretio  impenso  uaenire.  oui  quidem  noa  parcere 
noilemus,  si  quam  spem  aut  fiduciam  baberemua  posse  illos  Codices 
nostria  stodiis  esse  utiles.  Erunt  autem ,  si  non  eorum  e  nnmero  fuerint, 
quos  ipsi  dudum  penes  nos  babemus.  Optarem  igitur,  si  posset  fieri,  et 
moram  res  patitur,  titulos  eorum  codicum  mibi  indicari;  priusquam  de 
Ulis  aiierutram  in  partem  statuo.  Alcoranum  quidem  diu  eat  ex  quo  pos- 
sidemns,  et  quicquid  in  eo  genere  literarum  Romae  eat  editum.  Sunt 
etiam  in  museolo  nostro  aliquot  libri  manu  exarati ,  quales  fere  a  Turcis 
solent  cireumferri,  preces  et  aUos  ritus  suporstilionis  Nnbamedanae  cuo- 
tinentes.  Quare  eiuscemodi  librorum  nobis  iam  aat  est  aat  supereat  po- 
tius.  At  paraphrases  librorum  sacrorum  mtriusque  Testamenti  multos 
iam  annos  frustra  quaero:  pauca  enim  adbuc  inueni,  qnae  quidem  edka 
non  essent.  Extant  praeterea  ea  lingua  scripti  multi  de  rebus  philoso- 
phicis  libri,  aut  de  re  medica,  vel  etiam  de  geograpbia.  Ad  unum  aliquod 
ex  bisce  argumentis  si  spectarint  illi  amici  tui  codfces,  idque  tu  mihi 
litteris  tuis  significaueris ,  rem  feceris  longo  gra^issimam  teque  adeo  ut 
ita  facias  oratum  uelim.  PoUucem  istbic  editiim  uidimus:  sed  factum 
male,  quod  non  simul  tuae  Notae  in  lucem  prodleriot.  Earum  tu  mihi 
exspectationem  ternis  iam  literis  incredibilem  commouisti.  Video  enim 
uersari  in  tuis  manibus  codicem  siagularis  bonitatis,  et  cuius  ope  de 
praestante  illo  scriptore  optima  te  meriturum  nullus  dubito.  Locus 
Cratini  apud  Pollucem  IIb.  VI  cap.  II  AXX'  fjv  ÖT^  dv  q>.  mihi  quoque 
est  obscurus:  neque  succurrit,  quod  de  eo  pronuntiem. '}  Sed  obeeoro 
te  initio  eiusdem  capitis  satin'  proba  tibi  uidetur  uox  Kpdbicoc?  ego  et 
mendae  suspectam  habeo  et  quod  ex  Xenophonle  affertur  falsum  puto. 
olvov  fifiibeeic  apud  Xenoph.  legere  memini  in  primo  Avaßac.')  Kdbi- 
COC  quid  Sit  nescio,  neque  iroö  KCiraL  Exspecto  quid  tuus  itie  codex 
nos  dpcebit.^)  nam  eruditiss.  quidem  Seberus  beic  tacel.  qui  non  uide- 
tur obseruasse  paullo  post  irvOuivac  perperam  scribi,  pro  mOtüvac^) 
a  iriOoc  mOübv  ut  ab  oTvoc  olvujv,  item  Icruiv  et  plurlma  id  genus. 
Ibidem  cum  alt  PoUux  dixisae  Aristopbanem  ^PX^C  olvou ,  respicit  hunc 
uersum  e  Vespis*)  Ypxäc,  olvov,  bdmbac,  etc.  neque  dublnm  aüter 
legisse  Pollucem  quam  editur  hodie:  etsi  uelus  soholiafilea  hodiemam 
lectionem  agnoscit.   hoc  non  mirabitur,  qui  in  antiquis  grammaUüis  et 


9)  vgl.  Jungermanna  note  zn  PoU^y^c  ed.  Lederliii  et  Hevsterlmis  I 
a.  674,  61 :  exfmio  CkuaffbcnOi  lump  looum  obscurm»  esse  ew  ipeiue  indido  ua^i, 

8)  1,  9,  26.  4)  die  worto  egß  et  bis  docebU  ciUert  Jupigonnaiiii  zu 
PollwK  ebd.  0.  671  na^e  13.  6)  vgl.  ebd.  s.  572  note  27.  6)  v.676. 
vgl.  jedoch  ebd.  s.  571  oote  22. 


512  F.  Lüdecke :  ein  UDgedrucktcr  brief  von  Casaubonus. 

eorum  Rege  Alhenaeo  usum  oiediocrem  habuerit.  XeiavicTiipOC  ibidem 
vera  et  gennana  lectio  est.  IIa  uocanint  uinum  e  dulci  acre  siue  auste- 
rum:  uü  solenl  Laiini  exprimere  illam  saporum  aat  culorum  contrario- 
rum  mixluram.  Sic  apud  Plinium  leges  tnel  ex  dulci  acre  et  radicem 
ex  ausiero  dulcem  Hb.  XXI  cap.  YIII.  alibi  idem  Plinius  toe  XeiaOcTilpcE 
uocat  dulcia  cum  quadam  acrimonia^  ut  Üb.  XXIV  cap«  XIV.  Similia 
apud  Celsum  mulla.')  Mox  ibidem  dpiCTOUCioc  pro  Aptoucioc  male 
scribi^,  neque  te  latel:  neque  Seberum,  ut  exlstimo:  etsi  fugit  eniditum 
Virum  id  monere.  Quod  att  PoUux  ueteres  Graecos  uina  Italiae  parum 
babuisse  nota:  id  ipsum  pluribus  obseruare  memini  Galenum  in  breui 
dissertatione  de  uinis  Asiallcis.  TTept  dvnbÖTUiv,  pag.427.')  Rex  Polis 
cuius  statim  meminit  Pollux,  etiam  Alhenaeo  memoratur  libro  primo,  sed 
eum  facit  Atbcnaeus  Argiuum;  secus  ac  PoIIux,  cui  diuersa  sunt  uomina 
Polas  et  Polis.  ^°)  Cap.  VIII  ad  uocem  Xitvoc,  quae  minus  frequenter 
apud  ueteres  scriplores  occurrit  pro  Xixvoc,  non  Inutiliter  haec  Eustathii 
adnotentur  ad  III  Nicomacheorum ,  pag.  48  ircpi  Xat^öv  f|  TUiV  ßpuifid- 
TUJV  f)bovf|,  iv  oTc  f)  XiTveia*  trepi  hk.  rd  aiboTa  rd  dq>pobicia,  iv 
ok  f)  XaTVeia. ")  Gap.  IX  sub  finem  aut  doce  me  quae  sit  ratio ,  quae 
analogia  uocis  ^KirorXatJ^eiv ,  aut  scribe  mecum  dTraTXat2[eiv.'')  Scio 
esse  apud  poetam  f kttotXoc  ;  sed  eo  non  dimoueor  a  senlentia.  De  fine 
capitis  XI  tecum  sentio:  puto  tarnen  accurate  inquirenti  non  fore  adeo 
difficile  pleraque  €UCTÖXU)C  emendare.  Age,  facundum  concule  pectus: 
spondeo  non  defuturum  tibi  quod  doctis  probes.  nota  mihi  tua  djX^* 
voia:  aude  modo.  Expendi  omnia  loca  de  quibus  erat  aliquid  a  te  iu 
aliqua  Irium  epislolarum  tuarum  pronuntiatum.  Nihil  eiusmodi  inueni, 
öirep  d^^n^ov  dfieivov:  cerle  nihil  quo  possem  ipse  aliquid  melius. 
Itaque  frustra  meas  pulsas  fores:  hominis  usque  adeo  TÖ  vGv  cTvai  ab 
illis  studiis  allen!,  ut  iure  dicat  aliquis  alium  esse  ab  eo  qui  in  Athenaeum 
scripsit;  el  Tt  Tt&v  XÖTUüV  dK€iV(JüV  dq>€Xoc.  Nunc  omnis  nostra  in  eo 
desudat  induslria,  ut  nobilissimas  disdplinas  Tf|V  IToXmKfiV  xai  Tf|V 
CTpOTiiTiKf|V  nouis  obseruationibus  iliustremus.  Absoluta  enim  edilione 
conteilus  Polybii,  supersunt  Obseruattones  meae;  quarum  finem  optatum 
uidere  det  ö  lir\  iräciv.  De  Commenlariis  magni  Camerarii  quos  PoIIucis 
editioni  als  te  additurum  multum  te  amo.  Fac  promissi  memorem  te 
agnoscamus.  Quin  sl  quid  apud  te  gralia  ualeo ,  dabis  operam ,  ut  quae- 
cunque  a  summo  illo  et  omni  laude  dignissimo  uiro  unquam  prodierunt, 
prout  se  occasio  dabit,  reuoces  in  lucem.  Vale  et  me  ama.  Lutetiae 
Parisiorum  Pridie  Non.  Sept.  GI0.I3.CV1IL  Scripsi  raplim  et  occupatus. 
Si  fuerit  olim  de  aliquot  Pollucis  locis  ad  te  alias  scribam.  Salmasium 
summi  ingenii  adolescentem  istbic  puto  esse :  uelim  eures  quas  ad  ipsum 
scripsi ,  et  bis  adiunxi. 

7)  Ua  vocarufit  bis  midta  ist  wörtlich  von  Jongermann  wiedergegeben 
ebd.  0.  572  note  87.  8)  vgl.  ebd.  note  40.  9)  quod  alt  usw.  von 

Jungermann  citiert  ebd.  s.  573  note  44  mit  dem  znsate:  aii  in  Htterit, 
qua»  iertfOf  Casauboma  nonter.  10)  vgl.  ebd.  note  47.  11)  Tgl.  ebd. 
s.  587  note  22.        12)  vgl.  ebd.  s.  602  note  52. 

Bremen.  Fbiedrioh  Lüdsgkb. 


ERSTE  ABTEILUNa 
FÜR  CLASSISCH£  PHILOLOGIE 

HKBAüSaKaEBBN  VON  ALFBED  FlECKBISKN. 


71. 

DIB  NEUESTE  LITTERATÜR  ÜBER  DIE  ÄLTERE  GRIE- 
CHISCHE SOPHISTIK. 


1)  Die  SOPHISTEN  utn>  die  sofhistik  naoh  den  angaben  Platos. 

EIN  THBIL  einer  GEKRÖNTEN  PREIS80HRIFT  HERAUSGEaEBBN  ALB 
INAUGURAL- DISSERTATION    VON    N.    WeOKLEIN.      WüTzburg, 

druck  von  F.  E.  Thein.    1866.    VIII  u.  104  s.   gr.  8. 

2)  Beiträge  zub  yorsokratisohen  Philosophie  aus  Plato  von 
DR.  Martin  SoHANz.  i.  heft:  ^dib  Sophisten.'  aus  einer 
gekrönten  preissohrift.  Göttingen,  verlag  von  Ad.  Rente. 
1867.  VIu.  160  8.  gr.8. 

Die  lösung  einer  von  der  Wärzburger  philosophischen  fuculUit  ge- 
stellten preisaufgabe  *  was  läszt  sich  aus  den  Schriften  Platona  fflr  die 
vorsokratische  phiiosophie  entnehmen?'  hai  den  beiden  gekrönten  ver^ 
fassern  den  anstosz  gegeben  den  auf  die  Sophisten  bezfiglichen  teil  ihrer 
arbeiten  nunmehr  der  öffentlichkeit  zu  flberliefern.  so  vvolgewählt  in- 
dessen auch  diese  aufgäbe  ffir  ihren  zweck  war  die  kräfte  begabter  stu- 
dierender an  ihrer  lösung  zu  üben ,  so  sehr  kann  man  doch  zweifeln ,  ob 
die  Veröffentlichung  einer  so  allseitig  durchgeführten  behandiung  dieses 
gegenständes  wirklich  im  Interesse  der  Wissenschaft  ist,  und  ob  nicht 
eine  mehr  aphoristische  bearbeituug  der  noch  jetzt  wirklich  streitigen 
selten  desselben  ihr  in  höherem  grade  gedient  hätte,  denn  gewis  gehört 
derselbe  zu  denjenigen  partien  der  griechischen  litteratur  -  und  Sittenge- 
schichte, welche  bereits  am  meisten  vom  lichte  der  forschung  erhellt 
worden  sind ,  und  man  sieht  nicht  ohne  bedenken  die  mooographien  über 
derartige  gebiete  in  einer  so  unverhflltnismaszigen  weise  von  tage  zu 
tage  sich  anhäufen ,  dasz  es  selbst  dem  speciellsten  sach-  und  fachkenner 
unmöglich  wird  sie  ins  detail  zu  verfolgen,  während  so  viel  anderes  noch 
im  allerdich testen  dunkel  liegt,  es  war  nicht  die  schuld  der  Verfasser^ 
wenn  sie  auf  diese  weise  sich  genötigt  sahen  sehr  vieles  zu  wiederholen, 
was  anderswo  ebenso  gut,  ja  zum  teil  besser  gesagt  ist.  denn  mit 
vergnügen  erkennen  wir  an  dasz  sie  ihren  gegenständ  niclit  blosz  mit 

Jahrbücher  für  class.  philol.  1868  hft.  8.  34 


514  F.  Susemihl :  anz.  v.  N.  Wecklein  und  M.  Schanz  über  die  sophislen. 

liebe,  sondern  auch  mit  einsiebt  und  methode  bebandelt  haben,  und  wir 
wünschen  den  Piaionischen  Studien  glück  zu  dem  Zuwachs  dieser  beiden 
tüchtigen  und  frischen  jungen  krSfte.     auch  ist  ihr  bemühen  keines- 
wegs ohne  mancherlei  gute  frucht  geblieben:  nicht  blosz  eine  sehr  be- 
rechtigte erneute  erwigung  mancher  wichtiger  einzelner  puncte  haben 
sie  angeregt,  sondern  namentlich  Schanz  auch  manchen  derselben  teils 
richtiger  teils  wenigstens  genauer  bestimmt  als  es  bis  dahin  geschehen 
war.   dabei  haben  ihre  beiden  bearbeitungen  neben  einander  platz,  wie 
sie  nach  der  ausdrücklichen  erklSrung  von  S.  (s.  V)  völlig  unabhängig 
von  einander  entstanden  sind,  ja  S-  hat  auch  nicht  nachträglich  —  man 
sieht  nicht  ein  warum  —  auf  die  früher  erschienene  schrift  von  Weck- 
lein  rücksicht  genommen,    beide  behandeln  den  stoff  von  verschiedenen 
gesteh ispuncten  und  in  verschiedener  Verteilung:    W.  geht  die  einzelnen 
Sophisten  der  reihe  nach  durch  (Protagoras  s.  1 — 38,  Prodikos  s.  39 — 46, 
Hippias  s.  46  —  52,  Gorgias  s.  52 — 72,    Thrasymachos  s.  72 — 78, 
Theodoros  von  Byzanz  s.  78,  Euenos  s.  78  —  80,  Polos  s.  80  —  82, 
Euthydemos  und  Dionysodoros  s.  86  —  94]  und  flicht  so  in  die  darstel- 
lung  des  persönlichen  alles  sachliche  ein.    S.  dagegen  handelt  von  die- 
sen einzelnen  Vertretern  der  sophislik  zuerst  nur  die  mehr  Suszeren  ver- 
hSltnisse,  u.  a.  ihr  leben  und  ihre  schriflen,  ab  und  ordnet  datin  den 
übrigen  stolT  nach  sachlichen  kategorien,  indem  er  die  tbatigkeit  der 
sophistik  nach  allen  ihren   verschiedenen  richtungen,   erkenntnislehre, 
eristik,  ethfk,  specieller  tugeudlehre,  rhetorik  und  grammalik,  verfolgt, 
ihm  ist  es  also  darum  zu  thun  die  allseitige  ausbreitung  des  wesens  der 
sophislik  systematisch  darzustellen;  W.  dagegen  hat  den  hauptgesichts- 
punct  zu  zeigen,  dasz  die  Sophisten  nur  die  anschauungen  ausdrucklich 
aussprachen,  welche  thalsSchlich  die  denkweise  ihrer  ganzen  zeit  be- 
herschten,  und  dasz  Piaton  sie  wesentlich  nur  von  diesem  gesichtspnnct 
aus,  in  ihrem  Zusammenhang  mit  der  materialistischen  richtung  des  prak- 
tischen lebens  der  gegenwart  bekämpfte,   dieser  gedanke  ist  bekanotlich 
nicht  neu,  er  wird  vielmehr  jetzt  ziemlich  überall  als  richtig  anerkannt; 
immerhin  aber  ist  seine  ausführung  hier  im  ganzen  eine  glückliche  zu  nen- 
nen und  mag  nach  manchen  selten  hin  auch  heute  noch  keine  ganz  über- 
flüssige sein,   recht  geschickt  ist  auch  die  art,  wie  W.  die  verschieilenen 
sflge,  mit  denen  Piaton  die  einzelnen  sophislen  zeichnet,  möglichst  voll- 
ständig und  unter  möglichster  beibehaltung  seiner  eignen  ausdrucksweise 
und  doch  kurz  und  gedrungen  zu  gesamtbildern  derselben  zusammenstellt. 
Was  nun  zuerst  die  chronologischen  Verhältnisse  anlangt,  so  meint 
W.  s.  4  f.,  die  bemerkung  in  Piatons  Protagoras  (327"*),  die  *  wilden' 
des  Pberekrates  seien  im  vorigen  jähre  aufgeführt,  sei  zu  bestimmt  und 
jedem  lesenden  von  vorn  herein  in  die  äugen  springend,  als  dasz  man  in 
ihr  einen  bloszen  anachronismus  erkennen  könne,  und  das  jähr  420  oder 
419  sei  daher  vielmehr  die  zeit  in  welche  Piaton  das  gespräch  versetzt, 
und  alle  abweichenden  Zeitbestimmungen  desselben  aoachronismen.    zur 
Widerlegung  dieser  behauplung  und  dor  auf  sie  gebauten  fol^erungen  ge- 
nügt die  Verweisung  auf  die  auseinandersetzungen  Kroscliels  in  seiner 
*  diülogs  s.  19 — 23.    aus  denselben  erhellt  auch,  dasz  jene 


F.  Susemilil:  anz.  v.  N.  Wecklein  und  M.  Schanz  über  die  sopbisten.  515 

beslimmung  die  einzige  ist,  welche  unbestreitbar  nicht  auf  das  jähr  434 
(oder  wenn  man  lieber  will,  433  oder  432)  passt,  und  von  den  meisten 
anderen  gilt  was  Bdckh  (Berliner  sommerkatalog  1839  s.  13  f.)  sagt: 
*baec  quidem  in  tpsa  scenographia  posuitPlato,  cui  admiscere  anachro- 
nismos  absurdum  est';  hier  mQste  also  vollends  auf  diese  weise  die 
skenographie  selbst  aus  lauter  anachronismen  zusammengeseict  sein, 
gewis  haben  nun  ferner  W.  s.  3  und  S.  s.  23  anm.  1  recht  darin,  wenn 
sie  in  der  bemerkung  des  Protagoras  (317^),  er  sei  alt  genug  um  jedes 
der  anwesenden  —  also  auch  des  Sokrales  —  valer  sein  zu  können,  keine 
leere  prahlerei  erkennen  wollen;  aber  etwas  übertreibend  kann  es  darum 
noch  immer  gesprochen  sein,  das  liegt  durchaus  nicht  ausserhalb  des 
Charakterbildes  des  sophislen,  wie  Piaton  hier  es  zeichnet,  danach  wflrde 
also  die  annähme,  dasz  sein  process  und  tod  ins  jähr  411  fiel,  immer 
noch  haltbar  sein,  obwol  er  dann,  wenn  er  nahezu  70  jähre  alt  ward 
(Menon  91  *} ,  nur  um  etwa  elf  jähre  älter  als  Sokrates  gewesen  wSre. 
allein  diese  annähme  ruht  bekanntlich  auf  sehr  unsicheren  stützen ,  und 
ein  etwas  froheres  todesjahr  ist  nach  jener  ihm  in  den  mund  gelegten 
Suszerung  wahrscheinlicher,  mich  wundert  dasz  noch  niemand  an  415, 
die  zeit  des  Hermokopidenprocesses ,  und  an  die  damals  erregte  religiöse 
verfolguugssucht  der  Athener,  die  sich  ja  auch  gegen  einen  andern  be- 
kannten 'atheisten',  den  Diagoras,  entlud  (Diod.  XIU  6  vgl.  Aristoph.  vögel 
1072  mit  den  scboJien) ,  gedacht  hat. '}  dann  wAre  er  schon  etwa  485 
geboren  und  zählte  fast  41  jähre,  als  er  gesetzgeber  von  Thurii  ward. 

Unrichtig  ist  auch  der  schiusz  den  W.  s.  39  aus  Prot.  314^  zieht, 
dasz  Prodikos  und  Hippias  älter  als  Sokrates  gewesen  seien.  Sokrates 
sagt  dort,  ob  Hippokrates  sich  dem  Unterricht  irgend  eines  Sophisten 
anvertrauen  dOrfe,  darüber  wollten  sie  beide  noch  mit  älteren  zu  rathe 
gehen,  und  dann  fährt  er  fort:  vOv  ^^VTOi,  iXicirep  (bp^rjcajiev, 
Ittifiev  Kai  dKouctu^€V  toO  dvbpöc,  inena  dtKOucavrec  koI  dXXoic 
&voucoivujc(i)^€6a '  xai  fäp  oü  ^övoc  rTpuixaTÖpac  aötöOi  dcrlv, 
ctXXd  xal  'Iniriac  6  'HXeToc  —  oljuai  bi  mx  TTpöbiKOv  tdv  Keiov  — 
Ka\  äXXoi  TToXXot  Kai  coqpoi.  hier  hat  W.  offenbar  das  fiT£tTa  als 
gegensatz  zu  vOv  gefaszt ,  aber  grammatisch  kann  ebenso  gut  als  gegen- 
satz  zu  firetTa  vielmehr  hinter  vCv  fi^VTOi  ein  irpuiTOV  hinzugedacht 
werden,  und  logisch  empfiehlt  sich  dringend  diese  letztere  construclion. 
denn  nicht  bloss  davon,  ob  Hippokrates  zu  Protagoras,  sondern  oh  er 
überhaupt  zu  einem  Sophisten  in  die  schule  gehen  soll,  ist  ja  im  vorigen 
die  rede  gewesen ,  und  darüber  wird  doch  wol  nicht  der  rath  von  leuten, 
die  selber  sopbisten  sind,  eingeholt  werden  sollen,  der  sinn  ist  also: 
später  wollen  wir  über  diese  frage  ältere  zu  rathe  ziehen,  für  jetzt  aber 
zunächst  den  Protagoras  anhören  und  dann  das  von  ihm  vorgebrachte  in 
gemeinschaft  mit  den  andern  dort  anwesenden  Sophisten  in  erwägung 
nehmen,  in  bezug  auf  Hippias  hat  übrigeus  Mähly  (rhein.  museum  XV 
s.  521)  umgekehrt  zu  zeigen  gesucht,  dasz  derselbe  sogar  viel  jünger 


1)  Ueberweg  schreibt  in  der  3n  aufläge  seiner  gesch.  der  phil.  I 
B.  78:  'am  316  oder  311?':  ich  weiss  nicht  worauf  die  erstere  saht  beruht. 

34» 


516  F.  Susemihl :  anz.  v.  N.  Weckleiu  und  IL  Schanz  fiber  die  sopliislen. 

als  Sokrales  und  sein  auflreten  in  diesem  dialog  um  334  ein  anachro- 
nismus  sei.  Isokrates,  bekanntlicti  436  geboren,  habe  im  aller  seine 
witwe  Piathane  geheiratet  und  seinen  söhn  Aphareus  adoptiert,  Hippias 
könne  mitbin  kaum  vor  450  geboren  sein,  allein  es  fragt  sich,  ob  der 
hauptberichlerslalter ,  Pseudoplutarchos  im  leben  der  zehn  redner,  dies 
wirklich  sagt:  denn  838*  steht  vielmehr  TTXaOdviic  Tf)c  Imrlou  ToG 
l^yJTOpoc,  und  so  wird  auch  839^  in  den  worten  TTXa6aviiv  Tf|v  linriou 
ToO  ^TiTOpoc  TuvaiKa  i^T<ShrcTO  das  xuvaiKa  vielmehr  mit  i^y^cto  zu 
verbinden  sein  ,  zumal  Zosimos  im  leben  des  Isokraies  (Westermann 
ßtOTp-  s-  253)  die  Piathane  ausdrücklich  tochter  des  Hippias  flinriou 
ToO  (^rJTopoc  ä1roT€WUJ^^V1lV}  nennt:  s.  H.  Sauppe  in  d.  z.  f.  d.  aw. 
1835  s.  405  f.  es  bleibt  also  nur  noch  Suidas  (u.  'Aqpapeüc),  bei  dem 
allerdings  Aphareus  söhn  des  Hippias  und  der  Piathane  heiszt.  aber 
gleichviel  ob  weih  oder  tochter  des  sophisien  Hippias,  immer  war  doch 
Piathane  keine  athenische  bürgerin.  wie  konnte  also  Isokrates  mit  ihr 
eine  rechtsgültige  ehe  —  und  von  einer  solchen  scheint  doch  die  rede  zu 
sein  —  schlieszen?  auffallend  ist  auch,  dasz  auszer  bei  Suidas  Hippias 
in  den  berichten  bei  dieser  gelegenbeit  nicht,  wie  man  doch  erwarten 
sollte,  coqptCTrjc ,  sondern  durchweg  ^/JTiup  genannt  wird,  fast  kommt 
man  also  auf  den  gedanken ,  dasz  der  vater  oder  erste  mann  der  Piathane 
in  Wahrheit  eine  andere  gleichnamige  person,  ein  in  Athen  eingebür- 
gerter redner  war.  endlich  ist  es  wenigstens  nicht  geradezu  unmöglich, 
dasz  der  sophist  Hippias  schon  etwa  460  geboren  war  und  der  dann 
etwa  24  jähre  jüngere  Isokrates  dennoch  seine  witwe  ehelichen  konnte, 
auf  jeden  fall  wird  man  auch  hier  einen  anaehronismus  mitten  in  der 
skenographie  des  dialogs  nicht  zuzugeben  brauchen. 

Was  sodann  die  Schriften  des  Prolagoras  anlangt,  so  sind  die  wie- 
derholten  anspielungen  Piatons  auf  die  im  hauptwerk  enthaltene  dXV|6€ia 
desselben,  auch  wenn  dies  nicht  dessen  titel  war,  doch  voiistAndig  durch 
die  auch  von  W.  s.  8  gebilligte  annähme  erklärlich,  dasz  Protagoras  in 
ihm  mit  besonderer  prahlerei  sich  rühmte  nun  erst  die  rechte  Vahrbeit' 
gefunden  zu  haben,  dasz  freilich  dieser  titel  keineswegs  so  unpassend 
hatte  erscheinen  müssen,  wie  W.  meint,  hat  S.  s.  30  durch  analoglen 
(Antiphon,  Antisthenes)  gezeigt,  dasz  femer  aus  Sextus  Emp.  math.  VII 
60  s.  560  wiederum  der  titel  KaraßäXXoVTCC  keineswegs  mit  Sicherheit 
hervorgeht,  hat  er  nicht  minder  erfolgreich  gegen  Bernays  u.  a.  darge- 
than.  ob  hiernach  der  ursprüngliche  gesamttitel  KaraßdXXovTec  oder 
äXriOeia  i)  KaraßäXXovTec  oder  biosz  dXfjBeta  oder  nepl  dXriOeiac  und 
in  einem  der  beiden  letzleren  falle,  wie  S.  s.  31  vermutet,  KaraßäXXov- 
T€C  nur  der  titel  eines  teiles  war,  bleibt  völlig  zweifelhaft,  wenn  anders 
dies  werk  nidit  dasselbe  war,  welches  bei  Laertios  Diogenes  vielmehr 
ävTiXoTtotl  oder  ävTiXoTiKCt  genannt  wird,  war  es  dagegen  dasselbe, 
so  ist  buchst  wahrscheinlich  dieser  titel  der  echte,  da  schon  Aristoxenos 
(bei  La.  Diog.  III  37)  das  buch  unter  demselben  anführte,  für  die  zuerst 
von  Bernays  behauptete  identiiat  spricht  nun  aber  entschieden,  dasz  in 

A «^i^nis  jier  Schriften  bei  Diogenes  (IX  55),  in  welchem  doch  nicht 

'iptwerk  fehlen  wird,  kein  anderer  titel  sich  findet,  unter 


/ 


F.  Sosemihl:  anz.  v.  N.  Wecklein  und  M.  Schanz  Ober  die  Sophisten.  617 

dem  man  es  suchen  könnte,  gegen  die  einerleiheit  macht  S.  s.  32  frei- 
lich geltend^  dasz  in  dem  hauplwerk  auszer  der  erkennlnislehre  dann  noch 
sehr  eingehende  politische  erörteruogen  gestanden  haben  milsten,  da  ja 
Aristoxenos  den  Piaton  beschuldigte  in  seiner  republik  wesentlich  nur 
das  schon  von  Protagoras  in  den  dvTiXoTtKd  gesagte  wiederholt  zu 
haben,  und  dasz  doch  der  räum  von  nur  zwei  büchern,  wie  ihn  die  an- 
tilogien  umfaszten,  zu  schmal  dazu  war,  um  trotzdem  auch  noch  die 
ganze  erkenn tnistheorie  aufzunehmen,  allein  die  anschuldiguogen  des 
Aristoxenos  gegen  Sokrales  und  Piaion  pflegen  bekanntlich  so  völlig  aus 
der  luft  gegriffen  zu  sein,  dasz  auch  diese  wol  nur  eine  sehr  geringe 
thatsSchliche  grundlage  gehabt  haben  wird,  die  benennung  KQtaßdXXov- 
TCC  wird  hiernach  ahnlich  wie  Piatons  anspielungen  auf  die  dX^jOeia  des 
Protagoras  zu  erklären  sein:  letzterer  hat  vermutlich  innerhalb  dieser 
seiner  schrifl  ruhmredig  seine  erörterungen  als  solche  ^niederschmelterude' 
bezeichnet,  jedenfalls  ein  grundverkehrler  einfall  von  W.  s.  10  ist  es, 
dasz  der  titel  dvriXoYiwv  büo  bei  Diog.  nur  aus  dem  geflossen  zu  sein 
scheine,  was  im  soph.  232"^  über  die  schriA  ir€p\  TrdXnc  bemerkt  wird. 
Die  frage  nun ,  wie  weit  Piaton  im  Theätetos ,  wo  er  die  in  jenem 
hauplwerk  enthaltene  erkennlnislehre  des  Protagoras,  welche  demselben 
einen  höchst  bedeutenden  und  ehrenvollen  platz  in  der  geschichte  der 
Philosophie  sichert,  einer  eingehenden  darstellung  und  kritik  unterzieht, 
unmittelbar  den  gedankengang  des  Sophisten  selbst  wiedergebe,  ist  von 
W.  s.  14  —  32  und  namentlich  von  S.  s.  65 — 80  (vgl.  s.  110—112) 
gründlicher  noch  als  bisher  untersucht  worden ,  wobei  beide  in  einigen 
slficken  zu  verschiedenen  ergebnissen  gelangen.  Piatun  Iftszt  es  nicht 
an  audeutungen  darilber  fehlen,  wo  er  ausdröcklich  Protagoreisches 
berichtet  und  wo  er  dagegen  selbst  weitere  folgerungen  aus  demselben 
zieht  und  die  lehre  selbständig  ausspinnt,  und  so  kann  ich  denn  auch  S. 
8.  110  ff.  gegen  W.  s.  23  f.  27  f.  30  ff.  nur  darin  beipflichten,  dasz  die 
anwendung  auf  die  ethik,  welche  172*  ff.  vgl.  177 '^  gemacht  wird'),  und 
die  verlheidigung  des  Protagoras  gegen  den  einwurf ,  dasz  sein  auftreten 
als  lehrer  seiner  eignen  erkenn  tnistheorie  widerspreche  (166* — 168*), 
zufolge  solcher  andeutungen  nicht  schon  von  Protagoras  selbst  herrühre, 
während  W.  die  erstere  sogar  zum  eigentlichen  ausgangspuncte  desselben 
macht,  bei  einigen  puncten  lassen  uns  freilich  diese  andeutungen  im 
stich ,  und  man  kann  z.  b.  darüber  zweifelhaft  sein ,  ob  der  unterschied 
in  der  Schnelligkeit  oder  langsamkeit  der  bewegungen  (156''),  wie  W. 
s.  20  f.  meint,  von  Piaton  als  ergänzung  hinzugefügt  oder,  wie  S., 
der  diese  schwierige  stelle  s.  73  f.  gut  erklärt,  doch  wol  richtiger  an- 
nimt ,  schon  von  Protagoras  selbst  geltend  gemacht  worden  sei.  es  ist 
S.  gelungen  die  bisherigen  auffassungen  dieser  ganzen  Protagoreischen 
lehre  und  der  Platonischen  darstellung  derselben  noch  in  erheblichen 
stücken  zu  berichtigen,  so  zeigt  er  dasz  Protagoras  die  passive  bewegung 
nur  den  subjecten  und  die  active  nur  den  objecten  beigelegt  hat;  so  hat 
er  die  bisher  vielfach  misverstandene ,  jedoch  auch  von  Zeller  (phii.  d. 


2)  vgl.  in  bezng  auf  diese  anch  Zell  er  phil.  der  Griechen  I  s.  779. 


518  f.  Sitsemihl:  m.  ▼.  H.  Wecklem  nsd  IL  Schaox  aber  die  sophistea. 

Gr.  I  s.  757  anm.  1)  in  der  haupisacbe  sdioa  richlig  aorgefaszle  stelle 
156 '  ipxi\  hij  ä  fjc  Kcd  &  vCv  bf|  A^omcv  irdtvra  fymrrai,  l^be 
aÖTwVy  die  TÖ  irav  Ktvncic  ?|v  xal  dXXo  irapa  toOto  ovbiv  rdUig 
ina  reise  gebracht,  indem  er  in  dem  imperfecl  fjv  den  rtickweis  anf  15S' 
benrorfaebty  so  dasx  die  worte  keineswegs,  wie  man  wol  geglaubt  bat, 
bezeichnen,  dasz  es  nur  eine  bewegung  obne  bewegtes  (ohne  aubstrat)  gebe, 
sondern  nur  mit  einem  allerdings  nicht  gans  passenden  ansdnick  dasselbe 
sagen,  was  an  jener  frühem  stelle  so  bezeichnet  nird:  {cn  jikv  jifi 
oöb^TTOT*  oöb^v,  dct  hl  Titverat,  wonach  denn  wie  das  irfiv  KtVff|Cic 
dem  dtel  TtTVCrat  so  das  fiXXo  iropd  ToOra  oiLibiv  dem  {cn  oub^iror' 
ouö^v  entspricht:  es  gibt  nichts  seiendes,  ausserhalb  der  bewegong 
und  des  werdens  befindliches,  binzuzufflgen  war  der  von  S.  gegebenen 
darlegung  dieser  ganzen  Protagoreiscben  Philosophie  Qbrigens  noch  das 
^ine,  dasz  wegen  der  steten  Yerlndening  sowol  des  subjects  als  der 
dinge  die  qualitAten  der  letztern  und  die  anschauung  derselben  seitens 
des  erstem  immer  nur  momentane  sind ,  dasz  fAr  jedes  Individuum  das 
jedesmalige  object  so,  wie  es  ihm  erscheint,  auch  nur  so  lange  ist,  als 
es  ihm  so  erscheint,  und  ihm  mit  gleichem  recht  bald  so  bald  anders  er> 
scheinen  kann. 

Aus  Kratylos  391  *  hat  S.  s.  29. 156  f.  geschlossen,  dasz  Protagoras 
sich  in  eben  dieser  nemlichen  schrilt  auch  Ober  den  Ursprung  der  spräche, 
fiber  dieöpOörncövo^ccTUiv  in  d^m  sinne  dieses  ausdrucks,  nach  welchem 
er  bezeichnet,  ob  die  Wörter  wirklich  ihren  begriflen  entsprechend  oder 
nur  von  convenlioneller  gAlligkeit,  ein  gebilde  der  natur  (q)iiC€t)  oder 
bloszer  willkGrlicher  Satzung  (6^C€i)  seien,  ausgelassen  und,  wie  aus 
385^  erhelfe,  diese  6p8ÖTr)C  nur  im  sinne  der  EuvO^Kr)  anerkannt  had^e. 
allein  an  der  letzlern  stelle  wird  lediglich  diese  ansteht  des  Vertreters  der 
gewöhnlichen  praxis  Herroogenes  auf  den  Protagoreischen  salz ,  dasz  der 
mensch  das  masz  aller  dinge  sei ,  gerade  ebenso  ais  auf  Ihr  eigentliches 
priocip  zurflckgefahrl,  wie  es  hinsichtlich  der  in  der  gewöhnlichen 
praxis  herschenden  morai  Theit.  172*  ff.  in  der  dort,  wie  wir  so  eben 
sahen,  von  S.  ganz  richtig  beurteilten  weise  geschieht,  unter  diesen 
umstanden  aber  ist  es  auch  an  der  erstem  stelle  schwerlieb  emsthaft  ge- 
meint dasz  Kallias ,  der  freund  und  jünger  des  Protagoras ,  von  lelzlerm 
etwas  der  dX^Oeta  desselben  entsprechendes  Ober  die  öpOöniC  övo^d• 
TUiV  in  dem  obigen  sinne  habe  lernen  können,  d.  h.  dasz  Protagoras  sich  je 
Aber  sie  mündlich  oder  schriftlich  ausgesprochen  und  aus  seiner  Philo- 
sophie nach  dieser  richtung  hin  die  folgerangen  gezogen  habe,  danach 
Ist  denn  auch  eine  drille  stelle  384^  ganz  anders  zu  beurteilen,  als  es 
von  S.  8.  156  geschehen  ist.  wenn  Sokrates,  so  heiszl  es  hier,  den  Vor- 
trag für  50  drachmen  und  nicht  bloss  den  für  ^ine  dracitme  von  Prodikos 
gehört  hSlte,  so  würde  er  schon  wissen,  wie  es  in  wahrhdt  mit  jener 
öpOÖTTlC  övo^dTUiV  stehe,  daraus  schlteszt  denn  S.  wieder,  dasz  auch 
Prodikos  in  dem  erstem  Vortrag  die  genannte  frage  abgehandelt  habe, 
den  ganzen  thatsichlichen  anhält  bildet  aber  in  wahrheil  för  den  ver- 
fA««pp  Aam  Kratylos  nur  der  umstand ,  dasz  Prodikos  regeln  Aber  dit  6p* 
'  TUiv  in  einem  ganz  andern  sinne ,  nemiich  Aber  den  rieh- 


F.  Sosemihl:  anz.  v.  N.  Wecklein  und  M.  Schauz  Ober  die  Sophisten.  519 

tigen  gebrauch  der  worle,  d.  h.  Aber  synoaymik,  ausföhrticher  und 
genauer  in  der  gröszem  und  theurem ,  kflraer  und  oberflächlicher  in  der 
wolfellem  Vorlesung  und  Protagoras  Ober  6p8o^Tr€ia,  d.  h.  die  gram- 
matisch*rbetor(8che  correcl^U  des  ausdriicks  (der  elocutio)^  den  rich- 
tigen gebrauch  der  genera  des  nomen ,  der  modaliUlen  der  aussage  usw. 
(S.  s.  141  — 143)  gab.  diese  beschäfiigung  beider  mit  sprachlichen 
dingen  genügt  dem  Verfasser,  um  ironisch  vorauszusetzen,  beide  mästen 
sich  auch  um  die  öp6dTT|C  övo^druiV  in  jenem  hdhern,  philosophischen 
einne  bekdmmert,  oder  Prodikos  mflsse  es  doch  wenigstens  in  seinem 
h(»herB  lehrcursus  gethan  haben.*)  ob  man  diese  einkleidung  geschmack- 
voll finden  will  oder  nicht,  ist  eine  sache  fQr  sich;  auf  jeden  fall  hat 
man  keinen  grund  mit  Schaarschmldt  (samlung  d.  Plat.  sehr.  s.  267) 
anzunehmen,  dasz  der  Verfasser  aus  Unwissenheit  beiden  Sophisten 
geliehen,  was  ihnen  nicht  zukam,  und  die  beiden  bedeutungen  von  öpOö- 
TTfC  6vo^6tuiv  nicht  gekannt  und  daher  die  ihm  allein  bekannte  ver- 
kehrterweise auch  auf  Prodikos  angewandt  habe  und  auch  deshalb  nicht 
Piaton  selber  sein  kdnne.  es  ist  die  sache  hier  ja  nicht  anders  als  wenn 
im  Menon  %'  Sokrates  sagt.  Prodikos,  sein  lehrer  in  der  tugend,  habe 
ihn  niciit  gut  genug  Ober  das  w^sen  derselben  unterrichtet,  und  Aber 
diese  stelle  macht  S.  s.  42  f.  selbst  (gegen  Weicker)  die  allerrichtigsten 
foemerkungen.  selbst  wenn  der  Menon  unecht  wflre,  würde  man  bei  der 
hier  wenigstens  unverkennbar  hervortretenden  ironie  nicht  glauben  kön- 
nen, der  urheher  desselben  habe  nicht  gewust,  dasz  Prodikos  sich  nie 
mit  versuchen  die  tugend  zu  definieren  beschäftigt  hat. 

Man  kann  es  sich  kaum  anders  denken  als  dasz  Protagoras  diese 
seine  lehren  Aber  die  öpOo^ireia  (PhSdros  267^),  wie  auch  W.  s.  9 
annimt,  in  einer  besondern  schrift  niedergelegt  habe,  es  ist  mir  nicht 
lilar  geworden,  ob  die  polemik  von  S.  s.  «14  auch  gegen  diese  annähme 
oder  nur  gegen  die  Vermutung  von  Frei  (quaest.  Protag.  s.  187),  dasz 
diese  schrift  geradezu  den  titel  nepl  öpOocTrdac  geführt  habe,  gerichtet 
sein  soll,  noch  weniger,  in  wie  fem  er  glauben  kann  durch  seine  aus- 
lahrungen  s.  141  — 143  auch  nur  die  letztere,  geschweige  die  erstere 
widerlegt  zu  haben,  wie  aber  auch  immer  das  buch  iietilelt  war ,  in  dem 
Verzeichnis  der  schriflen  bei  Diog.  fehlt  es,  es  ßodet  sich  In  diesem  über* 
haupt  nur  Mne  höchst  wahrscheinlich  rhetorische  schrift:  iT€pl  Tf)C  iv 
^X4  KaTacTdc€U)C,  a.  Bemays  im  rhein.  museum  VU  s.  466  a.  1.  dasz 
übrigens  die  von  Protagoras  unterschiedenen  modalitäten  der  aussage 
(Dlog.  IX  53)  noch  nicht  die  eigentlich  grammatische  Unterscheidung  der 
roodi  des  verbnms  in  sich  schlieszen,  ist  unstreitig,  aber  zu  weit  geht  S. 
s.  141  f.,  wenn  er  auch  den  ansatz  zu  derselben  in  ihnen  bestreitet: 
denn  der  von  Protagoras  gegen  Homeros  erhobene  tadel,  in  der  anrufdng 
der  Muse  die  befelil  -  statt  der  Wunschform  gebrauclit  zu  haben  (Arietot. 
poetik  c.  19),  bezieht  sich  ja  eben  auf  die  anwendung  des  imperative. 

Eine  dritte  schrift  des   Protagoras  Ticpl  iTdXr)C ,  die  sich  wirklich 


3)  mehr  und  was  ich  (Plat.  phil.  I  s.  165)  hineingelegt  habe,  liegt 
Dicht  in  der  stelle. 


520  F.  Susemibi:  anz.  v.  N.  Wecklein  und  M.  Schanz  über  die  Sophisten. 

im  katalüg  bei  Diog.  findet,  lernen  wir  durch  Piaton  soph.  232'  etwas 
ntfier  kennen,  und  die  guten,  einander  ergänzenden  bemerkungen  von  W. 
8.  9  f.  und  S.  s.  33  f.  über  dieselbe  dürften  durchweg  billigung  verdieoen. 

Was  aber  die  schriflen  des  Prodikos  i>etrifft ,  so  glaubt  W.  s.  41 
im  pseudoplaionischen  Axiochos  zwei  verschiedene  vortrjige  desselben  be- 
zeichnet zu  sehen ,  einen  Aber  die  übel  des  lebens  und  einen  darflber  dasx 
der  tod  kein  abel  sei,  und  in  der  that  drückt  sich  Sokrates  hier  369^  so 
aus,  als  hatte  Prodikos  über  den  letztern  gegenständ  bei  einer  andern  ge- 
legenheit  —  ttot^  sagt  er,  nicht  tÖtc  —  gesprochen,  indessen  die 
natur  der  sache  lehrt,  dasz  dieser  letztere  gegenständ  nur  die  natürliche 
fortfflhrung  des  erstem ,  dasz  beides  dasselbe  thema  war ,  und  entweder 
bat  also  der  Verfasser  des  Axiochos  wie  Öfter  so  auch  hier  nur  el>en  un- 
geschickt sich  ausgedrückt  oder  es  ist  ttot^  geradezu  in  tÖtc  zu  andern. 

Verdienstlich  sind  die  Untersuchungen  die  S.  s.  49 — 53. 143^147. 
151  f.  über  die  lehrgegenstande  und  schriflen  des  Hippias  angestellt  hat. 
mit  triftigen  gründen  kommt  er  hinsichtlich  der  wichtigen  stelle  des  klei- 
nem Hippias  366^  f.  zu  dem  ergebnis,  dasz  Piaton  hier  eine  selbst  schon 
übertreibende  marktschreierische  auszerung  des  Sophisten  seinerseits  selbst 
noch  wieder  karikierend  übertrieben  habe,  dasz  dem  rühm  der  band- 
Werksgeschicklichkeit  und  den  angeblichen  epen ,  dramen  und  dithyram- 
ben  des  Hippias  nichts  thatsachliches  zu  gründe  liege,  letzteres  ist  indessen 
doch  vielleicht  etwas  zu  beschranken:  denn  dasz  er  poetischen  versuchen 
nicht  ganz  fern  blieb,  erbellt  aus  Pausanias  V  25,  4.  mit  vollem  recht 
erklart  S.  ferner  die  angaben  im  kleinem  Hippias  für  viel  zuverlässiger 
als  die  in  dem  unechten  gröszern  und  weist  mit  dem  besten  erfolge  gegen 
Osann  (rh.  mus.  H  [1843]  s.  508)  und  Hahly  (ebd.  XV  s.  531)  nach,  dasz 
dort  363*  von  einem  ganz  andern  aufsatz,  nemlich  über  die  charakter- 
Zeichnung  bei  Homeros  und  andern  dichtem ,  die  rede  sei  als  dem  hier 
286*^  berührten,  in  welchem  Hippias  vielmehr  durch  Nestor  dem  jungen 
Neoplolemos  eine  Unterweisung  zu  rilterlicber  tugend  geben  liesz,  obwol 
der  Verfasser  des  gröszern  Hippias  selbst  beide  offenbar  identificiert.  'un- 
ter den  Studien  des  Hippias  wird  auch  erwähnt  irepi  ^uO/ii&v  Kai  dppo- 
viiDv  Ka\  Tpa^iM<iTUJV  öpOÖTiiTOC  (kl.  Hipp.  368  "*]  oder  irepi  T€  TPQ^' 
jidTiuv  buvd^eiuc  Kai  cuXXaßujv  Kai  ^uO^üuv  Kai  dpfioviuiv  (gr.  Hipp* 
285  ^].  wie  dpOÖTiic  övo^druiv  in  der  einen  bedeutung  der  richtige 
gebrauch  der  Wörter  heiszt,  so  öpOÖTiic  fpQ}i}x&TWV  der  der  buchsta- 
ben,  die  Orthographie,  es  handelt  sich,  wie  man  aus  Xen.  apomn.  IV  4,7 
deutlich  sieht ,  um  die  einteilung  der  lautelemente  nach  ihrer  verschiede- 
nen qualitat  in  vocale,  halbvocale  und  mulae  und  deren  Unterabteilungen 
und  wieder  die  der  vocale  und  silben  nach  der  quantiiat.  wegen  der  engen 
Verbindung,  in  welche  nun  aber  das  puSfiiuv  Kai  äpfioviU)V  hier  mit 
dem  TpciftMdTUiV  gesetzt  wird,  glaubt  S.  s.  157  f.  auch  bei  den  ersteren 
ausdrücken  nicht,  wie  bisher  geschehen  ist,  an  theorie  der  musischen 
kunst  denken  zu  müssen,  sondern  an  den  natürlichen  sprachrhythmos 
und  den  wortaccent ,  an  den  wollaut  der  ungebundenen  rede,  es  ist  dies 
eine  gute  bemerkung,  und  insofern  ist  es  ganz  richtig  dasz  sich  für  die 
anspielung  auf  theorie  der  musischen  kunst  als  lehrgegenstand  des  Hip* 


F.  Susemihl:  anz.  v.  N.  Wecklein  und  M.  Schanz  über  die  sopliisten.  521 

pias  im  Prot.  318'  iiein  ausdrflcklicher  beleg  anderweitig  ßndet;  allein 
da  jene  anspielung  für  alle  anderen  lehrgegenstände ,  die  sie  in  sich 
schlieszt,  arithmetik,  georoelrie,  astronomie,  sich  durch  anderweitige 
belege  als  zutreffend  erweist,  ist  es  nicht  wahrscheinlich  dasz  sie  nach 
dieser  richtung  allein  thatsächlich  unrichtig  sein  sollte,  und  man  wird 
also  doch  annehmen  müssen,  dasz  Hippias  von  der  natürlichen  melodie 
und  dem  natürlichen  rhythmos  der  spräche  aus  auf  die  strengeren  gesetze 
des  rhythmos  und  der  melodie  im  hereiche  der  kunst  eingieug,  dasz  er  im 
rhetorischen  Interesse  auch  rhythroik  und  harmonik  heranzog  und  lehrte.^) 
Auffallend  ist  es  dasz  weder  W.  noch  S.  sich  die  wichtige  frage  vor- 
gelegt haben ,  ob  die  skeptische  philosophie  des  Protagoras  blosz  erson- 
nen war,  um  seinen  eristisch- rhetorischen  beslrebungen  eine  arl  von 
wissenschaftlicher  rechtferligung  und  begrdndung  zu  geben ,  oder  ob  sie 
umgekehrt  ein  ergebnis  seines  ernsten  und  ehrlichen  wissenschaftlichen 
nachdenkens  war  und  vielmehr  erst  in  folge  seines  ihm  dergestalt  zur 
Überzeugung  gewordenen  skepticismus  sich  ihm ,  so  zu  sagen ,  die  philo- 
sophie in  rhetorik  auflöste  und  erst  als  consequenz  seiner  philosophischen 
Weltanschauung  sich  ihm  jene  obersten  grundsfltze  seiner  eristik  und 
rhetorik  ergaben,  von  welcher  mit  anderen  ausdrücken  die  sikelischen 
rhetoren  Korai  und  Tisias  von  vorn  herein  ausgegangen  waren,  dasz 
jede  Sache  ihre  zwei  entgegengesetzten  gleichberechtigten  seiten  habe, 
und  dasz  es  die  höchste  aufgäbe  des  redners  und  disputierkünstlers  sei 
die  unwahrscheinlichere  sache  dennoch  siegreich  durchzufechten  und 
wahrscheinlich  oder,  wie  er  es  ausdrückte,  die  schwächere  zur  starkem 
zu  machen,  mir  will  es  scheinen ,  als  ob  für  die  erstere  annähme  der 
philosophische  standpunct  des  Protagoras  eine  viel  zu  grosze  innere  be- 
recbtigung  habe  und  ein  viel  zu  notwendiger  durchgangspuuct  im  entwick- 
lungsgange des  griechischen  und  damit  überhaupt  des  menschlichen  den- 
kens  sei.  auch  würde  es  bei  ihr  schwer  zu  begreifen  sein,  dasz  er  trotz- 
dem die  sittlichen  consequenzen  seines  subjectivismus  nicht  nur  nicht 
zog,  sondern  sich  nach  der  Schilderung  Piatons  im  gleichnamigen  dialog 
auf  das  lebhafteste  gegen  jede  egoistische  moral  erklärte,  wie  dem  nun 
aber  auch  sei ,  jedenfalls  ist  es  das  gemeinsame  von  Protagoras,  Hippias, 
Prodikos,  Euenos  u.  a.  im  gegensatz  zu  Gorgias,  dasz  sie  nicht  blosz 
lehrer  der  rhetorik,  sondern  überhaupt  der  dp€Trj,  mit  andern  Wor- 
ten alles  dessen  sein  wollten ,  was  der  mann  auszer  dem  gewöhnlichen 
jugendunlerricht  noch  bedarf,  um  tüchtig  zu  werden  für  sein  wirken 
im  hause  und  zumal  im  Staate,  um  sich  als  solche  lehrer  von  pro- 
fession  zu  bezeichnen,  nannten  sie  sich  Sophisten,  ausschlieszlich  in 
dieser  eigenschaft  würdigt  Piaton,  wie  W.  s.  2.  13  f.  richtig  hervor- 
hebt, den  Protagoras  neben  Hippias  und  Prodikos  im  Protagoras,  als  Phi- 
losophen in  seinem  unterschiede  von  allen  andern  sophisten  im  Theätetos. 
Gorgias ,  aus  der  schule  der  sikelischen  rhetoren  hervorgegangen ,  ver- 
zichtet bereits  ausdrücklich  darauf  lehrer  der  äp€Tirj  oder  sophist  zu 


4)  die  einteilnng  der  lautelemente  und  Silben  selbst  ward  znr  metrik 
gerechnet,  s.  Aristot.  poetik  c.  20,  1466^  33  f.  87  f. 


522  F.  Susemihl:  anz.  y.  N.  Wecklein  und  M.  Schanz  Qber  die  sophisten. 

heiszen  (Nenon  96^)^  nur  redner  und  lehrer  der  beredsamkeit  will  er 
genannt  sein,  nicht  etwa  aus  bescheidenheit ,  sondern  abgesehen  davon 
dasz  der  sopbistenname  bereits  früh  in  einen  etwas  flblen  gerucb  zu  kom- 
men begann,  gerade  umgekehrt,  weil  ihm  die  beredsamkeit  für  die  alle 
andern  känste  beherschende ,  umfassende  und  gewissermaszen  enlbebrlicfa 
machende  kunst  gilt  (Gorgias  456*.  Philebos  58*}.  die  gewöhnliche, 
auf  den  bezeichneten  unsittlichen  principien  beruhende  rbelorik  absor- 
biert also  bei  Ihm  bereits  ausgesprochenermaszen  alle  anderen  bestre- 
buugen.  gegen  ihn  zeigt  daher  Piaton  im  Gorgias,  dasz  diese  rhetorik, 
weit  entfernt  wirklich  über  die  sophistik  erhaben  zu  sein ,  selber  nichts 
anderes  als  die  angewandte  sophistik  sei.  als  philosophen  würdigt  weder 
er  noch  Aristoteles  —  denn  das  schriftchen  über  Gorgias  unter  des  leti- 
tem  namen  ist  doch  schwerlich  echt  —  ihn  irgend  einer  beröcksicfa- 
tigung.  S.  s.  38  begnügt  sich  diesen  umstand  so  auffallend  zu  nennen, 
dasz  er  sehr  einer  befriedigenden  erkUrung  bedürfe;  W.  s.  57  ff.  bemüht 
sich  selbst  eine  solche  zu  geben,  er  schlieszt  gerade  aus  diesem  schwei- 
gen des  Piaton  (und  Aristoteles),  dasz  die  philosophische  sehrifl  des 
Gorgias  eine  Jugendarbeit  war  und  aus  einer  zeit  stammte,  in  welcher  er 
sich  noch  nicht  mit'der  rhetorik  beschäftigte  oder,  falls  sie  eine  blosie 
Vorschule  und  Vorbildung  für  seine  rednerische  ausbildung  sein  sollte, 
doch  noch  nicht  als  lehrer  der  beredsamkeit  aufgetreten  war,  und  dasz 
sie  in  jedem  fall  nicht  geschrieben  wurde ,  um  seinen  rhetorischen  betrieb 
zu  rechtfertigen  oder  zu  begründen,  man  sieht  hieraus  dasz  W.  die 
obige,  hinsichtlich  des  Protagoras  übergangene  frage  bei  Gorgias  wol 
in  betracht  zieht  und  sie  hinsichtlich  desselben  In  keiner  der  beiden  vor* 
hin  bezeiclmeten  weisen ,  sondern  in  einer  dritten  entscheidet,  man  Ihue 
unrecht,  meint  er,  den  philosophischen  standpunet  des  Gorgias  dem  des 
Protagoras  und  sein  Verhältnis  zur  eleatischen  dem  des  letztern  zur  Hera- 
kleitischen  philosophie  an  die  seite  zu  setzen,  es  finde  zwischen  dieser 
Schrift  des  Gorgias  und  der  lehre  der  Eleaten  kein  anderes  verhillnis  statt 
als  zwischen  der  sophistischen  eristik ,  wie  sie  uns  in  Piatons  Euthyde- 
mos  enlgegentrit ,  und  der  eleatischen  dialekllk.  Piaton  habe  sie  daher 
auch  für  nichts  als  eine  jugendliche  Spielerei  und  ohne  bedeutung  für 
die  Philosophie  halten  und  ihr  daher  auch  keine  andere  berücksichtigung 
widmen  können ,  als  er  jener  sophistischen  eristik  überhaupt  zuwende. 

Man  kann  nicht  verkennen  dasz  in  diesen  bemerkungen  viel  berech- 
tigtes liegt,  als  begründung  der  rhetorik  des  Gorgias  kann  die  schrift 
allerdings  unmöglich  gedient  haben :  dazu  schieszt  sie  viel  zu  sehr  ober 
das  ziel  hinaus,  denn  wenn  nach  ihr  das  gehörte  schlechthin  ein  anderes 
sein  soll  als  das  ausgesprochene,  so  wird  damit  nicht  bloss  die  mittel- 
lung  wirklicher  erkenntnis,  sondern  ebenso  gut  die  blosze  flberredong 
anderer  zu  den  eigenen  subjectiven  meinungen,  überhaupt  also  jede 
geistige  einwirkung  auf  andere  unmöglich,  war  die  schrift  also  irgend- 
wie ernst  gemeint  nnd  nicht  eine  blosze  erislische  Spielerei,  so  musE  sie 
wol  allerdings  aus  d^r  periode  des  rhetors  stammen ,  in  welcher  er  die 
rhetorik  noch  nicht  zum  gegenständ,  geschweige  denn  mit  solchem  stolz 

einzigen  gegenständ  seiner  bestrebungen  gemacht  hatte,   anderseits 


F.  Susemibl :  anz.  v.  N.  Wecklein  und  M.  Schanz  über  die  sophlslen.  523 

waren  indessen  Zenon  und  Meiissos ,  deren  argumente  er  in  diesem  buche 
gegen  sie  selber  wandte,  kaum  viel  5ller,  vielleicht  sogar  etwas  jünger 
als  er,  und  dasselbe  ist  mithin  schwerlich  vor  seinen  vierziger  jähren  ab- 
gefaszt;  doch  fällt  die  eigentliche  ausbildung  einer  theorie  der  redekunst 
auch  überhaupt  erst  in  seine  Jugendjahre,  und  es  kann  kaum  ein  zweifei 
sein,  dasz  er  sich  in  ihr  erst  dem  wahrscheinlich  jungem  Tisias  anschlosz. 
nun  ist  es  ferner  wahr  dasz  Protagoras  als  philosoph  ungleich  höher  als 
Gorgias  steht,  der  skepticismus  des  erstem  ist  von  vorn  herein  jedem  als 
ehrliche  Überzeugung  klar  und  begreiflich ,  in  den  nihilismus  des  letztem 
musz  man  sich  erst  kflnstlich  von  den  gegebenen  historischen  Voraus- 
setzungen aus  hineinversetzen.  Gorgias  ist  ausschlieszlich  zerstörend  und 
seine  beweisffihrung ,  wenn  sie  auch  zum  teil  wirkliche  Schwierigkeiten 
berührt,  doch  durch  und  durch  sophistisch,  der  satz  des  Protagoras  vom 
menschen  als  masz  aller  dinge  enthält  zugleich  einen  groszartigen  posi- 
tiven Wahrheitskeim,  der  in  Sokrates  und  Piaton  auFgieng,  und  seine 
erkenn  Inislehre,  auf  die  Wahrnehmung  beschränkt,  ist  vollständig  richtig. 
Protagoras  zieht  die  auflösenden  conseqnenzen  der  Herakleitischen  lehre 
so,  dasz  noch  immer  gewisse  grundvoraussetzungen  derselben  i)ei  ihm 
bestehen  bleiben;  Gorgias  macht  mit  elealischen  mitlein  auch  mit  der 
eleatischen  lehre  wie  mit  jeder  andern  reinen  tisch,  aber  anderseits  liegt 
doch  diese  Verschiedenheit  in  Wahrheit  in  der  jener  beiden  alleren  Systeme 
selbst  von  denen  beide  ausgiengen  begründet,  und  auch  Protagoras  warf 
an  dem  des  Herakleitos  gerade  das  was  an  ihm  das  eigentümliche  ist, 
das  gesetz  des  stetigen  gleichmaszes  der  Umwandlung  umt  rückwandlung, 
jenes  einzige  sein  im  werden ,  das  sich  aber  eben  im  werden  als  ein  vol- 
leres sein  bethäligt.  Über  den  häufen;  die  argumente  des  Gorgias  ferner 
sind  nicht  sophistischer  als  die  des  Zenon  und  Meiissos ,  und  genauer  be- 
trachlet  liegt  in  ihnen  dasselbe  neue  princip  des  empirischeu  subjectivis- 
mus,  nur  noch  schärfer  und  sclmeidcnder  ausgesprochen  als  bei  Protago- 
ras: bei  letzterm  bleibt  der  objective  faclor  noch  eben  so  einfluszreich  wie 
der  subjective  und  der  mensch  eben  so  sehr  von  den  dingen  abhängig  wie 
die  dinge  von  ihm ,  Protagoras  steht  eben  dadurch  noch  im  Widerspruch 
mit  seiner  eignen  lehre  von  dem  empirischen  Individuum  als  alleinigem 
masze,  er  ist  positiver  nur  darum,  weil  er  noch  nicht  ganz  mit  dem  dog- 
matismus  der  altera  naturphilosophie  gebrochen  hat;  Gorgias  ist  couse- 
quenter,  indem  er  auch  diese  letzte  schranke  umstöszt  und  damit  diesen 
Widerspruch  hebt,  freilich  nicht  ohne  sich  eben  dadurch  in  andere,  um  so 
gröszere  zu  verwickeln,  indem  das  erwähnte  neue  princip  durch  ihn  zu  sei- 
ner äuszersten  consequenz  gelangt,  zeigt  es  sich,  so  aufgefaszt,  in  seiner 
vollsten  innero  nichtigkeit,  nicht  als  ein  wirklich  neues,  sondern  nur  als 
die  vollendete  selbslauflusung  jener  alten  naturphilosophie,  und  zu  dem  was 
es  in  seiner  Umwandlung  durch  Sokrates  zum  wirklich  weltbewegenden 
ipositiven  neuen  princip  aus  dem  alten  wieder  in  sich  aufnehmen  kann  und 
musz,  dazu  hat  allerdings  Gorgias  keine,  wol  aber  Protagoras  bedeutende 
beitrage  geliefert,  und  das  ist  denn  auch  wol  der  eigentliche  grund, 
weshalb  Plalon  sowol  als  Aristoteles  es  nicht  der  mühe  werUi  erachten 
sich  irgendwie  mit  Gorgias  als  philosophen  noch  weiter  zu  besciiäfligen. 


524  F.  Sasemihl:  anz.  v.  N.  Wecklein  und  M.  Schanz  Aber  die  Sophisten. 

mit  der  Widerlegung  der  eleatischen  philosophie  und  der  elealischen  ar- 
guniente  fieien  ja  ohne  weiteres  auch  die  seinigen  ihrem  ersten  teile  nach 
in  sich  zusammen,  positive  ergebnisse  lieszen  sich  aus  einer  eignen  kritiic 
derseliien  för  Piaton  und  Aristoteles  nicht  gewinnen,  da  es  doch  wol 
auch  noch  auszerhalb  ihres  gesichtskrebes  lag  —  und  das  zeugt  fOr  die 
nicht  geringe  philosophische  bedeutung  des  Gorgias  —  die  wirklichen 
Schwierigkeiten,  die  namentlich  im  dritten  teile  derselben  angeregt  waren, 
als  solche  zu  erkennen  und  sich  an  ihrer  lösung  zu  versuchen,  bei 
einem  eingehen  auf  die  philosophische  schrift  des  Gorgias  hfttle  also 
Piaton  ihn  in  der  that  nur  als  eristiker  behandeln  können,  er  hat  es  nicht 
gethan.  sein  schweigen  beweist  daher  nur,  dasz  er  dies  für  unrecht, 
und  in  Verbindung  mit  dem  bilde  das  er  im  Gorgias  von  ihm  entwirft, 
dasz  er  ihn  dafflr  zu  gut  hielt,  aus  dem  obigen  erhellt  dasz  der  philo- 
sophie des  Gorgias  kaum  eine  geringere  geschichtliche  berechtigung  zur 
Seite  stand  als  der  des  Protagoras;  wer  aber  einen  wirklidi  geschicht- 
lichen bereit  ausObt,  wie  immer  derselbe  auch  sein  mag,  pflegt  auch  an 
ihn  zu  glauben  und  nicht  blosz  nur  so  mit  ihm  zu  spielen,  auch  in  die 
Weltanschauung  der  Eleaten,  so  ernst  es  ihnen  mit  derselben  war,  müs- 
sen wir  heute  uns  erst  künstlich  hineinversetzen,  dasz  überdies  Gorgias 
auch  später  keineswegs  den  inhalt  jenes  buches  als  eine  Jugendsünde  zu- 
rücknahm, sondern  sich  fort  und  fort  zu  demselben  bekannte,  dürfen  wir 
mit  Wahrscheinlichkeit  daraus  abnehmen,  dasz  noch  der  schüler  des 
greises,  dasz  Isokrates  es  als  eine  durchaus  ernst  gemeinte  lehre  seines 
meisters  hinstellt,  dasz  nichts  existiere  (Helene  S  3-  v-  vermögenstansch 
S  268),  man  wird  unter  diesen  umständen  urteilen  müssen,  dasz  auch 
bei  Gorgias  das  Verhältnis  seiner  rhetorik  zu  seiner  philosophie  kein 
anderes  war  als  bei  Protagoras ,  zumal  auch  er  nach  Piatons  Schilderung 
die  unsittlichen  consequenzen  der  erstem  nicht  nur  nicht  zieht,  sondern 
im  vollen  widersprach  mit  sich  selbst  sich  gegen  jede  unsittliche  anwen- 
dung  der  redekunst  ausdrücklich  verwahrt  (Gorgias  456  **  ff.),  ja  es  wird 
wenigstens  teilweise  auch  als  folge  seines  viel  radicalereu  skepticismus 
zu  erklären  sein,  dasz  er  ungleich  dem  Protagoras,  wie  bemerkt,  es 
ausdrücklich  von  sich  abwies  die  äpcTyj  oder  überhaupt  irgend  etwas 
anderes  lehren  zu  wollen  als  eben  die  beredsamkeit.  die  stelle  im  Gor- 
gias 460%  die  hiermit  in  Widerspruch  zu  stehen  scheint,  ist  wol  kaum, 
w*ie  Zeller  a.  o.  I  s.  776  für  möglich  hält,  dahin  zu  deuten,  dasz  er  dies 
erst  in  späteren  jähren  gethan  habe,  sondern  soll  uns  nur  zeigen,  wie 
Gorgias  durch  folgerechte  kritik  dahin  gedrängt  werden  würde  dennoch 
unter  umständen  auch  lehrer  der  dpeTTJ  sein  zu  wollen,  wenn  anders  er 
den  von  ihm  verleugneten,  aber  sonst  unausbleiblichen  consequenzen 
seines  standpunctes  entgehen  wolle,  wenn  S.  s.  122  meint,  Gorgias  habe 
blosz  einen  Unterricht  in  der  äpei^)  im  allgemeinen  geleugnet,  weil  er 
eben  einen  allgemeinen  begriif  der  äpcTt^  leugnete  (Menon  71  *  IT.  Aristol. 
Politik  I  13,  1260*  27  IT.),  unmöglich  aber  habe  er  das  lehren  einzelner 
äpeToi  oder  fertigkeilen  in  abrede  stellen  wollen,  da  er  ja  selbst  eioe 
solche  lehrte,  nemlich  die  redekunst,  so  ist  dies  ganz  richtig,  sofern  man 
nur  festhält  dasz  wenigstens  er  für  seine  person  ausdrücklich  keinerlei 


F.  Susemihl :  aiiz.  v.  N.  Wecklein  und  M.  Schanz  über  die  sopiiisten.  525 

andere  ferligkeit  als  eben  nur  diese  lehren  wollte,  was  die  stelle  des 
Menon  95*  unzweideutig  besagt,  natürlich  konnte  ihn  seine  radicale 
leugnung  alles  erkennbaren  und  aller  erkenntnis  nicht  daran  hindern  als 
subjective  meinungen  auch  naturphilosophische  (Menon  76*  ff.)  und  ethi- 
sche bestimmungen,  wie  z.  b.  über  die  unterschiede  der  besonderen  dp€- 
Tai  (s.  die  obigen  stellen)  auszusprechen,  hinsichtlich  der  worte,  die 
ihm  im  Gor^ias  452  *  über  die  macht  der  beredsamkeit  in  den  mund  ge- 
legt werden,  entscheidet  sich  S.  s.  149  f.  mit  guten  gründen  dahin, 
dasz  sie  nicht  blosz  gleichfalls  dem  Inhalt  nach,  was,  wie  W.  s.  61  f. 
wahrscheinlich  zu  machen  sucht,  auch  von  456  f.  gilt,  aus  einer  wirk- 
lich von  Ihm  gehaltenen  epideiktischen  rede  zum  preise  der  redekunst 
stammen,  sondern  dasz  bei  ihnen  auch  sogar  die  form,  der  stil  des  Gor- 
gias  bewahrt  ist,  so  dasz  wir  vielleicht  geradezu  seine  eigenen  worte  vor 
uns  haben,  dagegen  zeigt  S.  s.  147  ff.,  dasz  von  der  rede  des  Agathon 
im  gastmahl  nur  der  schlusz  diesen  stil  wiedergibt  und  wiedergeben  soll, 
vermutlich  gieng  also  Agathon  in  seinen  eignen  werken,  so  sehr  er  sich 
an  Gorgias  gebildet  halte,  doch  nur  stellenweise  zu  einer  solchen  platten 
unmittelbaren  nachahmung  desselben  fort. 

Auch  die  frage ,  ob  Gorgias  ein  förmliches  lehrbuch  (t^XVTI)  ^^ 
rhetorik  geschrieben,  hat  S.  s.  129  — 131  einer  erneuten  gründlichen 
Untersuchung  unterzogen  und,  wie  es  scheint,  mit  erfolg  nachgewiesen, 
dasz  die  von  Spengel  (artium  scr.  s.  81  ff.)  hiergegen  geltend  gemachten 
gründe  wenigstens  nicht  zwingend  sind,  dasz  vielmehr  die  fluszerungen  des 
Aristoteles  ir.  cocpiCT.  t\.  c.  34,  183  ^  37  ff.  auch  die  deutung  zulassen, 
Gorgias  habe  in  diesem  lehrbuch  statt  der  regeln  meistens  nur  beispiele 
gegeben,  allein  so  viel  richtiges  er  auch  zu  gunsten  d^r  ansieht  beibringt, 
dasz  wir  durch  Phadros  261^''  genötigt  würden  wirklich  an  ein  solches 
buch  auch  von  Gorgias  zu  denken,  so  iSszt  doch  die  thatsache,  dasz 
nicht  blosz  von  einer  T^XVH  ^^^  Nestor  und  Odysseus,  sondern  auch  des 
Palamedes  hier  die  rede  und  unter  letzterer  eben  nicht  ein  rhetorisches 
lehrbuch,  sondern  die  philosophische  Streitschrift  des  Elealen  Zenon  ver- 
standen ist,  immer  vielleicht  noch  die  mögllchkeit  offen  aucli  bei  Nestor, 
d.  h.  Gorgias,  an  rhetorische  Schriften  anderer  art,  specieile  theore- 
tische abhaudlungen  sowie  epideiktische  reden  zu  denken,  freilich  wird 
anderseits  geradezu  darauf  hingedeutet,  dasz  unter  Odysseus  Thrasymachos 
und  Theodoros  und  unter  Nestor  Gorgias  zu  verstehen  seien,  bei  Pala- 
medes aber  Zenon  nicht  so  geradezu  genannt,  sondern  versteckter  261'' 
durch  den  nachträglichen  beisatz  der  ^eleatische'  Palamedes  zu  verstehen 
gegeben,  dasz  er  gemeint  sei.') 

Ich  habe  (Plat.  phil.  I  s.  135  f.  165;  übers,  des  Kratylos  s.  717  f.) 
sogar  fiür  einen  teil  der  eHstischen  sfttze  des  Eulhydemos  eine  gewisse 


6)  der  versneb  von  Cope  (Journal  of  class.  philol.  III 1867  s,  264  ff.) 
zu  zeigen,  dasz  Piaton  vielmehr  den  Alkidamas  bezeichnen  wolle  und 
für  'EXcaTiKÖv  wol  '€Xai(TT]v  zu  lesen  sei,  bedarf  kaum  einer  Widerlegung, 
dasz  Piaton  unter  den  verschiedenen  rhetorischen  lehrbüchern  das  des 
Alkidamas  nicht  mit  erwähnt,  erklärt  sich  am  einfachsten  durch  die 
annähme,  dasz  es  noch  nicht  existierte,  als  er  den  Phädros  schrieb. 


526  F.  Susemihl :  anz.  v.  N.  Wecklein  und  M.  Schanz  über  die  Sophisten. 

philosophische  bedeulung  und  einen  Zusammenhang  mit  der  elealischen 
lehre  in  ansprach  genommen,     dies  will  nun  S.  s.  100  f.  entschieden 
nicht  zugeben,   nflher  kommt  meiner  auffassung  W.  s.  91  ff. ,  aber  auch 
mit  ihm  kann  ich  durchaus  nicht  in  allen  slflcken  fibereinstimmen.  zu- 
vörderst ist  doch  90  viel  gewis ,  was  auch  W.  besonders  hervorbebt ,  dasz 
nichts  so  sehr  der  entslehung  der  eristik  jorschub  leistete  als  die  nega* 
tive  dlalektik  des  Zenon ,  und  dasz  Piaton  selbst  zugleich  auch  dies  io  der 
eben  besprochenen  stelle  des  Phadros  deutlich  genug  hervorhebt,     und 
ebenso  gewis  ist  es  dasz  schon  Parmenides  den  satz  aussprach,  das 
nichtseiende  könne  auch  nicht  gedacht  und  ausgesagt  werden,  und  dasz 
eben  dieser  satz  der  ganzen  eristischen  beweisfQhrung  im  dialog  Euthy- 
demos,  welche  auf  die  Unmöglichkeit  von  falscher  Vorstellung  und  aus- 
sage,  Widerspruch  und  Widerlegung  gerichtet  ist,  wesentlich  mit  zu 
gründe  liegt,  s.  bes.  284 *~^.  286*.     ein   teil   dieser  von  Piaton  dem 
Euthydemos  und  Dionysodoros  in  den  mund  gelegten  beweisfflbruDg  ge- 
hört nun  freilich  nachweislich  erst  dem  Antisthenes  an ,  aber  aus  Erat. 
386^  ersehen  wir  dasz  auch  Euthydemos  aasdrflcklich,  nur  in  veränder- 
ter form,  sich  jenes  satzes  bediente,    schon  Heindorf  hat  daher  mit  reclit 
bemerkt  dasz,  wenn  es  Euthyd.  286^  heiszt,  die  behauptung,  Wider- 
spruch und  die  Unwahrheit  sagen  sei  unmöglich,  werde  auch  von  den 
anhängern  des  Protagoras  und  den  noch  älteren  im  munde  geführt,  unter 
diesen  noch  älteren  vorzugsweise  an  die  Eleaten  zu  denken  sei ,  indem 
diese  behauptung  der  sache  nach  mit  jenem  ihrem  satze  zusammenfalle, 
verstöszt  es  nun  aber  sonach  wol  nicht,  wie  auch  W.  urteilt,  gegen  alle 
Wahrscheinlichkeit ,  dasz  trotzdem  Euthydemos  jenen  satz  nicht  von  den 
Eleaten  aufgegrilTeu,  sondern  selbst  erfunden  haben  sollte?  richtig  bemerkt 
allerdings  W.  auch  noch  dies ,  dasz  diese  bestreitung  der  möglichkeit  des 
Widerspruchs  usw. ,  die  eigentlich  der  grundsatz  der  eristik  und  zugleich 
auch  wieder  ihre  Widerlegung  ist,  von  Dionysodoros  285^  ff.  nur  wie 
irgend  ein  anderer  fangschlusz  angeführt  wird,     aber  er  irrt,  wenn  er 
meint  dasz  Plalon  diesen  grundsatz  auf  die  Protagoreische  lehre  vom 
reinen  subjeclivismus  als  sein  eigentliches  logisches  princip  zurück- 
führe,    im  gegenteil,  die  betreffende  stelle  Euthyd.  286^  besagt  nach 
dem  eben  bemerkten,  dasz  verschiedene  von  verschiedenen  ansgangs- 
puncten  aus,  vom  elealischen  und  vom  Herakleitisch-Protagoreischen,  zu 
dieser  folgerung  nicht  blosz  gelangt  jseien,  sondern  auch  gleich  gut  ge 
langen  konnten,     umgekehrt  geht  daher  aber  auch  W«  nach  der  andere 
seile  hin  viel  zu  weit,  wenn  er  daraus,  dasz  Sokrates  2u  Euthydemos 
und  Dionysodoros  nichl  ausdrücklich  von  Protagoras  selbst,  sondern  nur 
von  o\  dficpl  TTpuiraTÖpav  spricht  und  erstere  auch  nicht  auf  das  leiseste 
zu  den  letztem  in  beziehung  setzt  noch  auch  sie  irgend  einen  ihrer  trug- 
schlüsse  —  und  so  auch  diesen  nicht  —  irgendwie  mit  Protagoreiscben 
mitlcln  zu  stände  bringen  läszt'),  die  andeulung  herleitet,  die  erisük 
habe  ihren  historischen  ausgangspunct  trotzdem  nur  von  der  eleati- 


6)  Anffallend  ist  es  dasz  noch  Zeller  a.  o.  I  s.  764  f.  vgl.  799  diese 
klar  sa  tage  liegenden  thatsachen  so  vollsUindig  verkennen  konnte. 


F.  Suseniihl :  anz.  v.  N.  Wecklein  und  BI.  Schanz  Ober  die  sophisteo.  527 

sehen  dialeklik  und  nicht  auch  von  Protag oras  genommen,  für  die  eristik 
des  Euthydemos  und  Dionysodoros  ist  dies  richtig,  aber  sie  waren  doch 
schwerlich  die  einzigen  Vertreter  der  eristik ,  und  wir  haben  keinen  gruud 
an  der  richtigkeit  der  nachricht  zu  zweifein ,  dasx  auch  Protagoras  eine 
Anweisung  zu  ihr  geschrieben  habe  (DIog.  IX  55  vgl.  52).  vielmehr,  wie 
die  sophistische  skepsis  sich  teils  an  die  Herakleitische  und  teils  an  die 
eleatische  lehre  anhieng,  so  kann  föglich  auch  von  der  sophistischen 
eristik  ein  gleiches  gegolten  haben,  wenn  auch  fOr  diese  der  bedeuten- 
dere anknQpfungspunct  allerdings,  wie  gesagt,  die  eleatische  dialektik 
war.  im  Rratylos  a.  o.  aber  wird  die  summe  der  lehre  des  Euthydemos 
ausdrücklich  von  der  des  Protagoras  unterschieden^),  selbst  aber  doch  als 
eine  form  des  sophistischen  skepticismus  bezeichnet,  ob  nun  freilich  erst 
Piaton  diese  summe  gezogen  hat,  was  durch  das  kot'  €u6ubi]fiOV  noch 
keineswegs,  wie  S.  meint,  angedeutet  ist,  da  ja  S.  selbst  $.  36  f.  das 
KOT^  '€jLtiT€bOKX^a  Im  Menon  76^  ganz  anders  erklärt,  oder  ob  der  mit 
ihr  ausgesprochene  satz  wirklich  ernst  von  Euthydemos  gemeint  war 
und  die  begründung  seiner  eristik  bilden  sollte,  wie  ich  annahm,  darüber 
läszt  sich  streiten;  aber  auch  im  erstem  falle  musz  derselbe  als  eine 
ebenso  wol  berechtigte  consequenz  der  eleatischen  lehre  bezeichnet  wer- 
den wie  die  von  Gorgias  gezogene  und  wie  die  von  Protagoras  aus  der 
Herakleitischen  entwickelte,  und  wir  haben  in  den  verschiedenen  eristi- 
schen  Wendungen  desselben  auch  so  noch  eine  dritte  —  freilich ,  wenn 
man  will,  noch  gröbere  —  form  der  sophistischen  skepsis  anzuerkennen, 
nach  Protagoras  ist  alles  relativ,  nach  Euthydemos  alles  absolut,  nach 
Gorgias  ist  gar  nichts,  der  sache  nach  kommt  dies  freilich  alles  im  gründe 
schlieszlich  auf  dasselbe  hinaus,  noch  eine  vierte,  sehr  abgeschwächte 
form  trit  uns  bei  Antiphon  entgegen :  s.  Bernays  rhein.  mus.  IX  s.  255  f. 
Nicht  ohne  Scharfsinn  sind  die  bemerkungen,  durch  welche  W. 
s.  73  f.  zu  zeigen  sucht,  Piaton  habe  selbst  genügend  angedeutet,  dasz 
solche  lehren,  wie  Thrasymachos  sie  im  ersten  buche  der  republik  aus- 
spricht, zwar  ganz  seinem  Charakter  angemessen,  aber  doch  nie  ihatsäch- 
lich  im  ernst  von  ihm  aufgestellt  und  vertreten  seien,  allein  wäre  dies 
richtig,  so  könnte  trotz  jener  wenigen  andeotungeu  Piatons  darstellung  nur 
als  ein  pasquill  bezeichnet  werden,  und  das  wäre  wol  der  einzige  fall 
dieser  art  bei  ihm,  wie  denn  auch  S.  s.  54  f.  107  meint,  dasz  er  den 
Charakter  des  Thrasymachos  wol  etwas  grell  gemalt,  aber  sicher  nicht 
ganz  aus  der  luft  gegriffen,  seine  lehren  aber,  wie  es  scheine,  ohne 
Übertreibung  dargestellt  habe,  und  sind  denn  jene  andeutungen  wirklich 
so  durchschlagend?  dasz  Thrasymachos  unverschämt  genug  ist  von  der 
Vertretung  solcher  ansichten  noch  gar  rühm  und  beifall  zu  erwarten 
(338*),  beweist  doch  noch  nicht  dasz  er  sie  nur  zu  diesem  zwecke  vor- 
tragt, obwol  er  sie  gar  nicht  selber  hegt,  und  dasz  Sokrates  ihn  ermahnt 
ihm  so  zu  antworten  wie  er  wirklich  denke,  und  nicht  so  wie  er  glaube 
seine  sätze  am  besten  aufrecht  erhalten  zu  können  (346*),  kann  auch 

7)  was  sollte  sonst  oöb^  heiszen?  Proklos,  gegen  den  sich  Zeller  a.  o.  I 
8.  764  Anm.  2  erklärt,  bemerkt  aUo  gAuz  richtig,  ProtagorAS  nnd  Euthyde- 
mos stimmten  wol  im  resaltat,  aber  nicht  in  den  ausgangspnncten  überein. 


528  F.  Susemihl:  anz.  v.  N.  Wecklein  und  M.  Schanz  über  die  sophisleo. 

sehr  wol  d^o  sinn  habeo ,  dasz  er  seiner  eitelkeit  und  seinen  nicht  blosz 
ernst  von  ihm  gemeinten ,  sondern  gerade  mit  besonderer  Vorliebe  von 
ihm  gepflegten  sStzen  zu  gefallen  auch  erschleichungen  und  tragerische 
künsle  mit  vollem  bewustsein  niclit  scheuen  wflrde.  vollends  11  358^ 
kann  kaum  anders  gedeutet  werden ,  als  dasz  Thrasymachos  dreist  genug 
dazu  war  das  öffentlich  auszusprechen ,  was  tausend  andere  auch  dachten, 
aber  doch  nur  in  vertrauten  kreisen  zu  äuszern  wagten,  mit  mehr  recht 
glaube  ich  a.  o.  il  s.  84  andeulungen  in  der  republik  dafür  gefunden  zu 
haben ,  dasz  nach  Plalons  ansieht  umgekehrt  der  Charakter  des  Thrasy- 
machos im  gründe  immer  noch  besser  als  seine  grundsitze  war. 

Von  dem  was  S.  s.  128 — 143  in  eingehender  Untersuchung  zur 
erkUrung  der  bemerkungen  Piatons  im  Phildros  ober  die  Verfasser  rhe- 
torischer lehrbOcher  beibringt ,  hebe  ich  hier  nur  noch  die  richtige  Ver- 
besserung TT(&c  Kfiiy  cppäcojLiev  267  °  hervor,  die  erörterung ,  was  er 
im  übrigen  wirklich  haltbares  neues  geleistet  und  wo  er  Spengel  wirklich 
etwa  ergSnzt  oder  berichtigt  habe,  wflrde  mich  hier  zu  weit  fahren,  da 
mein  berichl  ohnehin  schon  zu  grdszerer  ausdehnung ,  als  ich  wünschte, 
angewachsen  ist. 

Greifs  WALD.  Franz  Subbxihl. 


72. 

Zu  SOPHOKLES  PHILOKTETES. 


V.  227  f.  sind  in  folgender  gestalt  fiberliefert: 

dXX  *  olKxicavTcc  fivbpa  biicnivov,  jitövov, 
fpriMOV  dib€  KäqpiXov  KaXou^€VOV 
qpuJVf^caT'. 
dies  wflrde  heiszen  *und  der  freundlos  genannt  wird',  aber  die  in  Ka- 
Xou^6VOV  enthaltene  möglichkeit  dasz  Philoktetes  nur  so  genannt  werde, 
nicht  aber  in  Wahrheit  fiqpiXoc  sei,  widerstreitet  dem  Zusammenhang, 
der  statt  einer  abschwächung  eher  eine  Steigerung  in  der  beschreibung 
seiner  unglflcklichen  läge  erfordern  wflrde.  KaXou^6VOV  ist  daher  fast 
von  allen  herausgebem  als  unrichtig  erkannt  worden ,  und  man  hat  statt 
dessen  vielerlei  vorgeschlagen:  KaKOU^6VOV,  kukXo0^6VOV,  KÜuXou^e- 
vov,  1^UJXou^€VOV ,  KaXou^evoi,  was  alles  nicht  recht  befriedigen  will 
oder  sich  von  der  flberlieferung  zu  weit  entfernt,  ich  möchte  vorschlagen 
KdXuJ^evov  zu  schreiben,  wie  v.  174  in  der  Schilderung  von  Phi* 
loktetes  zustand  äXu€i  gesagt  war.  das  gefuhl  der  einsamkeit  entsteht 
bei  äXäcGai  in  geschärftem  masze.  auch  das  auseinanderlegen  des  freund- 
losen  umherirrens  in  zwei  selbständige  parallele  giieder  (freundlos  und 
umherirrend]  ist  passend:  die  häufung  von  bezeicbnungen  seiner  läge 
entspricht  dem  immer  neu  sich  aufdrängenden  gefflhle  der  Verlassenheit 
das  KoXaijievov  der  voralexandrinischen  handschriften  gieng  durch  einen 
naheliegenden  reflexionsfehler  in  KaXou^evov  Aber. 

Tübingen.  Wilhelm  Teüfpel. 


J.  H.  Gh.  Schubarl:  Verschiebungen  im  Pausanias.  529 

73. 

VERSCHIEBUNGEN  IM  PAUSANIAS. 


'Non  uno  loco  verba,  versus,  sentenüae  per  incuriam  omissae,  dein- 
ceps  margini  adscriptae  in  locum  ineptum  se  insinuarunl  maiimasque 
turbas  procrearunC :  so  halle  ich  mich  in  der  Teubnerschen  ausgäbe  des 
Pausanias  geäuszert,  und  auch  an  einem  andern  orle  (bruchslücke  zu 
einer  melhodologie  der  dipl.  krilik  s.  83  IT.}  habe  ich  anlasz  genommen 
auf  diese  Störungen  hinzuweisen,  welche  sich  durch  Versetzungen  von 
gröszeren  oder  kleineren  salzteilen  beseitigen  lassen,  bei  der  bedcutung, 
welche  die  sache  für  die  lexleskritik  möglicherweise  haben  kann ,  dürfte 
es  nicht  unersprieszlich  sein  auf  eine  genauere  Untersuchung  dieses 
gegenständes  einzugehen  und  durch  Zusammenstellung  einer  reihe  von 
beispielen  aus  einem  einzelnen  schriftslelier  nachzuweisen,  dasz  durch 
eine  berichtigende  Stellung  verschobener  satzteile  manche  Schwierigkeiten 
gehoben  und  den  Schriftsteller  verletzende  urteile  als  unbegründet  nach- 
gewiesen werden  können,  ich  wähle  dazu  wieder  den  Pausanias:  Haus 
in  amore  mori.' 

Was  zuerst  deu  anlasz  solcher  Versetzungen  betrifft ,  so  ist  derselbe 
manigfacher  art,  und  es  wird  wol  kaum  thunlich  sein  geselze  oder  regeln 
aufzustellen ,  wo  blosze  Zufälligkeiten  eine  so  bedeutende  rolle  spielen, 
dennoch  aber  möchte  es  rdlhlich  erscheinen  wenigstens  gewisse  gesichts- 
puncte  festzustellen,  wodurch  eine  metliode  begründet  und  die  willkür 
in  möglichst  enge  grenzen  eingeschlossen  wird,  diese  schüdllcbste  feiudin 
jeder  wahren  Wissenschaft,  die  um  so  schädlicher  fortwirkt,  je  blendender 
sie  auftrit. 

Selbst  dem  sorgfälligsten  abschreiber  kann  es  begegnen,  dasz  er 
bei  augenblicklich  nachlassender  aufmerksamkeit  hie  und  da  im  contexte 
Wörter  anders  stellt  als  er  sie  im  originale  vorfand,  hatte  diese  Umstel- 
lung auf  den  sinn  keinen  einQusz,  so  enthob  er  sich  der  berichtigung  um 
so  leichter,  da  er  seine  abschrift  durchaus  nicht  in  der  absieht  verfaszte, 
um  künftigen  editoren  malerial  zur  lexleskritik  zu  liefern,  fand  sich  eine 
solche  Umstellung  in  der  handschrift,  welche  allen  unsrigen  zu  gründe 
liegt,  so  wird  eine  abhülfe  kaum  möglich  sein,  und  wir  werden  uns 
trösten  müssen ,  wenn  wir  etwa  irgendwo  ytifa  Kai  xaXöv  finden ,  wo 
der  Verfasser  selbst  xaXöv  Kai  ^ii'fOi  geschrieben  hatte.  *)  freilich  sind 
aber  nicht  alle  fälle,  wo  einem  abschreiber  solche  Umstellungen  unwill- 
kürlich in  die  feder  kamen,  von  gleicher  befleutungslosigkeit  wie  in  dem 
angeführten  beispiele;  es  kann  im  gegenteil  die  Versetzung  eines  wört- 
chens einen  wesentlich  veränderten  sinn  herbeiführen,  so  erzählt  Pausa- 
nias (5,  11,  9),  Pheidias  habe  sich  nach  Vollendung  seines  Zeusbildes 
vom  gölte  ein  zeichen  erbeten,  ob  er  mit  dem  werke  zufrieden  sei;  so- 
gleich habe  da  ein  blitz  eingeschlagen,  Iv6a  ubpia  Kai  diriGima  ic  i\ik 
fjv  f|  X^^K^  sagen  alle  ausgaben  bis  auf  die  Bekkersche  einschlieszlich ; 


*)  ich  spreche  überall  nur  von  Prosaschriftstellern. 

Jahrbacher  für  elus.  philol.  186S  hft.  8.  35 


530  J.  B.  Ch.  Sehubart:  verschiebusgen  im  Pausaoias. 

wir  dürfen  also  annebmeo,  dasz  sieb  so  in  der  hs.  von  Venedig  und  einer 
von  Paris  findet.  Siebeli«  nennt  dies  ein«  ^noUbilis  sUuetura';  freilich^ 
aber  auch  der  sinn  wäre  *hoUbi1is' :  denn  die  worte  können  nichts  ande- 
res bedeuten,  als  an  der  stelle  sei  eine  ubpia  und  ein  diriOnMOi  gewesen ; 
was  fftr  ei»  dwi^po  denn?  alle  vergnehene»  hss-.  haben  ^Ocpöbpia 
na\  ic  ifjA  iftt^pia  fjv  f|  x<]AKf)i'  <K&  eherne  hyifaia  also,  welche  Fama- 
nias  msibsl  noch  sah,  war  ebea  das  dTriOr^^ef.  Ihnlieh  ist  die  stelle  8, 
11,  6.  hier  heiszt  es  nm  Grylos,  dem  Mhne  Xenophons,  der  in  der 
Schlacht  bei  Mantfnela  den  Epameinondas  getötet  haben  seilte :  ^orfvovrott 
o\  Mctvttvcic  rpOXov  iMijüiodqe  T€  ednlioevTCC  kqI  fvOet  Arecev  dva- 
Mrrec  cIköv«  irA  cti\lkr\c.  .nun  aber  war  Grylos  drauszen  aruf  dem 
schlachtlelde  g'cfallen,  und  seine  stele  stand  in  der  stadl,  nahe  beim 
tbeater  (8,  9, 5).  gewis  hat  daher  A.  Schaefer  (rfaeini  museum  V  [1647] 
s.  61  s:^  Demosthenes  und  seine  zeit  III  2  s.  13}  das  richtige  gefmden, 
wenn  er  Ka\  hinter  ^Ttecev  versetzt,  neeh  mag  eine  in  der  kunatge- 
scbkhte  hamfigf,  und  zwar  wie  es  seheint  ohne  anstosz,  benutzte  stelle 
2,  4,  5  besprochen  werden,  es  heiszt  hier  von  den  werken  des  Didaloa, 
sie  seien  zwar  diOTruiTCpa  tfp^  Äipiv ,  irnnp^ei  bk  finufc  ti  Kat  iv- 
6€0V  TOUTOic.  so  können  die  worte  ursprünglich  nicht  gestanden  haben, 
will  man  TOtJTOic  beibehalten  (nach  der  herkömmlichai  Wortstellung 
mfiste  es  notwendig  aÖToTc  heiszen),  so  musz  k(x\  seinen  platz  hinter 
IvOeov  einnehmen;  und  da  Ti  zu  fvSeov  gehört,  so  werden  wir  wol 
die  wahre  Wortstellung  dem  Pausanias  wiedergeben ,  wenn  wir  sehreiben 

flm»C  £v6€6v  Tl  KOA  TOUTOIC. 

Weit  hanfiger  als  diese  unwillliärlich  sich  einschleichenden  wort- 
umstellnngen  sind  die  verscbrebongen ,  welche  durch  berichtigungen  am 
rande,  die  am  ungehörigen  orte  eingefügt  wurden,  ihre  erkl&rung  finden, 
diese  setzen  in  der  regel  eine  lOcke  im  texte  voraus,  hatte  der  abschreiber 
oder  ein  eorrector  bemerkt,  dasz  im  texte  ein  salz,  ein  wort  oder  selbst 
nur  ein  Wertteil  ausgelassen  sei,  so  trug  er  dieses  am  rande  nach ;  war  der 
ausfall  klein,  so  geschah  es  an  der  seile;  nahm  er  einen  gröszem  räum 
in  anspruch,  am  obern  oder  untern  rande,  und  zwar  oft  genug  ohne  ver- 
wetsunfszeichen.  hier  erforderte  es  schon  eine  gewisse  nicht  Immer 
vorauszusetzende  achtsamkeit,  wenn  eine  solche  berichtlgung  gehörigen 
orles  eingefügt  werden  sollte,  besonders  wo  es  sich  um  ein  wörteben 
oder  den  bmcbteil  eines  wertes  handelte,  diese  brachte  man  leicht  im 
texte  da  unter,  wo  sie  ohngefahr  am  rande  standen,  da  ich  über  diese 
art  von  Verderbnissen  an  einem  andern  ort  ausführlicher  gehandelt  und 
die  erforderlichen  beweise  beigebracht  habe ,  wird  es  genügen  hier  nur 
auf  einige  stellen  beispielsweise  hinzudeuten,  von  den  stympbalischen 
vögeln  stellt  Pansanias  8,  22,  6  die  Vermutung  auf:  buvaiTO  &v  ttcto- 
}iiyr\  iTorfe  äiröfiotpa  Ü  auTuiv  Ic  'ApKabfoev  d<piK^cGai.  hier  ist 
mehreres  bedenklich ;  was  soll  denn  1T6T0^^vr|  bedeuten  ?  auf  das  fliegen 
kam  ja  gar  nröhls  an.  und  dann  das  wort  dTr6^0Ipa!  im  Sprachschätze 
des  Pausanias  fand  es  sich  schwerlich,  wie  er  diesen  begriff  ausdrückt, 
sehen  wir  7,  3,  8  lijuvujv  d<piKO|i^vuJV  poTpa  li  auroiv  irXavu/jLi^vii. 
9, 19, 1  TeXxivujv  äqpixojit^vujv  jitoTpa.   zudem  deuten  auch  die  varian* 


J.  H.  Ch.  Schubart:  Verschiebungen  im  Pausanias.  531 

ten  ^oipa,  fijütoipa,  dtröfioipa  eine  liefer  liegende  eorraptel  an.  Pausa« 
nias  mag  wol  gesehrieben  haben:  buvatTO  ftv  äTrorrcTO^^vii  ttot^ potpa 
li  aindjy.  -^  Es  mag  mir  erlaubt  sein  nochmals  auf  die  fielbesprochene 
stelle  1,  19,  1  zurfickznkommen.  Ich  hatte  hier  anstosz  genommen  an 
dem  ausdruc^  de  liiiniXÖTCpOV,  welcher  dem  in  solchen  dingen  ziemlich 
feststehenden  sprachgebrancbe  des  Pausanias*)  zu  widerstreitoB  schien, 
und  glaubte  den  sonstigen  Schwierigkeiten  der  stelle  dadurch  abzuhelfen, 
dasz  ich  £c  für  ein  an  unrichtiger  stelle  elngefdgtes  wörtchen  hielt,  dem 
ich  seinen  richtigen  platz  vor  töv  6poq>ov  anwies,  noch  bin  ich  der 
ansieht,  dasz  dies  die  einfachste  herstellung  ist,  zumal  da  sie  die  ent- 
stehung  des  verschiebens  erklärt,  ein  kOrzlich  gewagter  Vorschlag  statt 
TÖV  dpocpov  zu  schreiben  TÖ  dptoevov  mag  auf  sich  beruhen. 

Gehen  wir  zur  Verschiebung  ganzer  sätze  über,  se  wird  sidi  diese 
kaum  anders  erkl&ren  lassen  als  dadurch  dasz  sie  an  den  rand  geschrieben 
(an  den  seitem  - ,  obem  oder  uniern  rand ,  je  nachdem  der  eine  oder  der 
andere  den  bequemsten  räum  darbot)  und  dann  am  ungehörigen  orte  einge^ 
fdgt  wurden,  ausdrücklich  mag  es  dabei  ausgesprochen  sein,  dasz  solche 
dem  rande  beigeschriebene  bemerkungen,  nachtrage,  bericfafigungeii 
möglicherweise  schon  von  dem  Verfasser  selbst  herrühren 
konnten;  wenigstens  bei  Pausanias  kommen  mehrere  stellen  vor  (dar- 
unter einige  der  unten  zu  besprechenden),  ^e  ich  mir  nur  durdk  diese 
annähme  eiicUren  kann,  die  durch  nachlässigkeit  der  abschreiber  ver«* 
schuldeten  ausfSlle  hangen  zwar  groszen  teils  von  unberechenbaren  zu^ 
nilligkeiten  ab;  dennoch  aber  wird  es  gerathen  bleiben  auch  hier  wenig- 
stens einige  merkmale  festzuhalten ,  damit  nicht  die  annähme  von  lücken 
und  ganz  besonders  deren  stets  mlsliche  ausfüllung  unwissenschaftlicher 
beliebigkeit  unbedingt  anheim  gegeben  werde,  es  braucht  nicht  in  abrede 
gestellt  zu  werden,  dasz  unter  den  abschreibern  sich  manche  recht  un- 
wissende leute  befunden  haben ;  man  kann  unbedenklich  zugestehen,  dasz 
auch  bei  den  besseren  und  besten  ermfidung  oder  Zerstreuung  alle  arten 
von  irtümern,  und  also  auch  auslassungen ,  verursacht  haben  mag;  den- 
noch aber  erfordert  es  die  gerechtigkeit ,  in  den  abschreibern  im  allge- 
meinen immerhin  vernünftige,  ja  gebildete  mflnner  vorauszusetzen,  ver- 
fuhren sie  bei  ihrer  arbeit  lediglich  mechanisch  und  ohne  kritik,  so  sollten 
eigentlich  ihre  strengen  tadler  gerade  dafür  dankbar  sein,  indem  ihnen 
selbst  eben  dadurch  das  feld  für  die  schönsten  conjecturen  eröflbet  wor- 
den ist.  als  häufigste  Ursachen  von  lücken,  und  in  zweiter  reihe  von  Ver- 
schiebung der  ausgelassenen  Satzteile  dürfen  wir  wo!  das  auslassen  von 
einer  oder  selbst  zwei  zeilen  und  das  abspringen  von  einem  gleich  lauten- 
den oder  gleich  endigenden  worte  zu  anderen  annehmen,  je  wahrschein- 
licher sich  eine  dieser  Veranlassungen  nachweisen  iSszt,  desto  begründeter 

*)  aas  demselben  gründe  babe  ich  auch  8,  32^  6  ^c  OcTcpov  bean- 
standet; nie  sagt  Pausanias  so;  ganz  in  seiner  art  ist  es  aber,  wenn 
wir  ic  TiXioy  Ücrepov  schreiben,  auch  9,  d4,  2  ist  mir  ic  Tplc  ^mX^et 
anstöszig;  die  meisten  hss.  haben  ic  Tpelc.    vielleicht  war  in  der  urbs. 

ßiufiöv,  Tp^ic  4iiiA^T€i  geschrieben;  die   übergeschriebene  correctur  ic 
gleng  dann  in  ^c  über. 

35* 


532  J.  H.  Ch.  Schubart:  Verschiebungen  im  Pausanias. 

ist  auch  die  annähme  einer  übrigens  schon  sich  empfehlenden  Verschie- 
bung, dennoch  aber  darf  man  nicht  auszer  acht  lassen  dasz,  so  wie  es 
manche  conjecturen  gibt,  die,  trotzdem  sie  sich  paläographisch  nicht 
begründen  lassen,  doch  die  gröstmdgliche  evidenz  haben,  ebenso  auch 
lacken  und  in  deren  folge  Versetzungen  möglich  sind,  deren  anlasz  sich 
einer  diplomatischen  nachweisung  entzieht,  und  die  nichtsdestoweniger 
aus  anderen  gründen  den  höchsten  grad  von  Wahrscheinlichkeit  haben 
können,  es  soll  nicht  in  abrede  gestellt  werden,  dasz  der  gröste  teil  der 
zu  besprechenden  stellen  dieser  art  ist ,  dasz  sie  also  mehr  in  der  innem 
Wahrscheinlichkeit  als  in  diplomatischen  beweisen  ihre  begründung  suchen, 
es  sind  sämtlich  in  sich  abgeschlossene  sStze. 

Im  17n  capitel  des  ersten  buches  spricht  Pausanias  %  2  —  6  vom 
Theseustempel  in  Athen,  nachdem  er  ein  gemälde  des  Mikon  beschrie- 
ben, welches  eine  begebenheit  aus  der  Jugend  des  Theseus  darstellte, 
geht  er  ohne  alle  Vermittlung  auf  die  verschiedenen  sagen  über  den 
tod  des  heros  über,  knüpft  hieran  einige  notizen  über  das  thesprotische 
land  und  anderes,  und  schlieszt  mit  der  bemerkung,  der  tempel  sei  erst 
erbaut  worden  nachdem  Kimon  Skyros,  um  den  tod  des  Theseus  zu 
rächen,  verwüstet  hatte,  hier  vermiszt  man  allen  richtigen  gedanken- 
gang,  der  aber  genau  hergestellt  wird,  sobald  man  die  worte  6  jbi^v  hi\ 
6r|c^uic  C11KÖC  bis  t&  öcrä  KO^icavroc  Ic  'AOi^vac  vom  ende  des 
capitels  heraufholt  und  $  3  hinter  iK  Tf)c  GaXdcoiC  einschaltet,  es 
bleibt  freilich  für  jeden  fall  das  doppelte  bedenken,  dasz  höchst  aaf- 
fallenderweise  das  wort  cr)KÖc  bei  Pausanias  nur  an  dieser  einzigen 
stelle  vorkommt,  und  dasz  der  ausdruck  ct)köc  ^T^veTO  'A6r)vaioic 
beispiellos  zu  sein  scheint. 

1,  24,  3 — 6.  sehr  ansprechend  hat  K.  F.  Hermann  vermutet,  dasz 
die  Worte  TTerroinTai  bi  Kai  tö  cpuTÖv  bis  dvacpaivujv  TToceibwv  von 
ihrem  ursprünglichen  platze  verdrangt,  hinter  öir^p  Tf)c  nllC  (S  5)  ein- 
zufügen seien,  geben  wir  dem  worte  KÜ^a  den  artikel ,  der  ihm  ebenso 
wol  gebührt  als  dem  qpUTÖV ,  so  wSre  es  eine  zeile  von  61  buchstaben, 
welche  übergangen,  dem  rande  beigeschrieben  und  dann  am  ungehörigen 
orte  eingefugt  wäre:  vgl.  SW.  i  s.  XXVIU.  Hermanns  Vermutung  hat 
Kayser  mit  beifall  aufgenommen. 

3,  18,  11  — 15.  schweren,  zwiefachen  tadel  hat  sich  Pausanias 
wegen  dieser  stelle  von  einem  namhaften  archäologen  zugezogen ,  der  es 
unverantwortlich  findet,  dasz  der  perieget  den  Minotauros  und  den  mara- 
thonischen stier  nicht  zu  unterscheiden  verstanden  habe,  und  dasz  er 
einem  künstler  wie  Bathykles  zutraue ,  er  könne  an  einem  und  demselben 
kunstwerke  eine  scene  zweimal  angebracht  haben,  an  einem  andern  orte 
glaube  ich  den  armen  schriftsteiler  in  bezug  auf  beide  vorwürfe  zur  ge- 
nfige verlheidigt  zu  haben ;  vielleicht  gelingt  es  den  zweiten  gänzlich  zu 
beseitigen,  wodurch  selbst  der  vorwand  zum  tadel  wegfallen  würde, 
nicht  die  zweimalige  darslellung,  jedenfalls  in  ganz  verschiedener  auf- 
fassung  des  moments,  kann  anstöszig  sein,  wol  aber  der  umstand  dasz 
S  11  die  Worte  töv  bfe  Mivui  KaXou^evov  TaOpov  . .  drÖMevov  öttö 
ÖTjc^UJC  iluiVTa  völlig  zusammenhangslos  dastehen.    vortrefOich  aber 


J.  H.  Ch.  Schubarl:  Terschiebuiigen  im  Pausanias.  533 

fögeB  sie  sich  $  15  hinter  6r]c^iüc  rrpoc  TaOpov  töv  Mivu)  ein.  es 
wären  91  buchstaben  ausgefallen;  die  lüciie  5 ,  1,  10  in  M  enthält  69 
buchstaben. 

4,  12,  4.  in  dem  Orakelspruch  versetzt  Kayser  (z.  f.  d.  aw.  1848 
sp.  1083]  den  5n  vers  hinter  den  7n ,  wo  er  allerdings  passender  steht. 

4,  27,  4.  G.  Kräger  (in  diesen  jahrbfichern  1861  s.  484)  meint,  die 
Worte  d)c  bk  f)  TcXeTrj  ccptciv  äv€upr]TO  . .  KaTertOcvro  ^c  ßißXouc 
stehen  hier  auszer  allem  zusammenhange  und  dürften  daher  nach  Strei- 
chung der  Partikel  jüi^v  vor  8cot,  welche  erst  nach  eingetretener  Ver- 
schiebung durch  das  folgende  bi  hervorgerufen  sein  möge,  4,  26,  8 
hinter  die  worte  irap&  M€Ccr|vT)V  Tf)V  Tpiöira  zu  stellen  sein,  mir 
scheint  bei  der  hergebrachten  lesart  alles  vollkommen  passend ;  die  Ver- 
bindung tritt  noch  deutlicher  hervor,  wenn  man  den  abschnitt  mit  übe 
hi  f)  TcXcTf)  beginnt  und  hinter  ßißXouc  die  kleinere  interpuncUon 
setzt,  wie  es  in  der  Teubnerschen  ansgabe  geschehen  ist.  daaz  abschrei- 
her  durch  ein  fi^v  veHeitet  im  folgenden  de  suo  ein  bi  einfügten,  mag 
wol  dfler  vorgekommen  sein;  ob  aber  ein  ^^v  wegen  eines  folgenden  b^? 

5,  15,  12  unterbrechen  die  worte  örröca  hk  ^bouciv  . .  oi)  X^- 
fouav  den  richtigen  Zusammenhang;  sollten  sie  nicht  $11  hinter  tc 
TÖV  XöfOV  zu  setzen  sein?  die  ähnlichkeit  der  schluszworte  in  beiden 
Sätzen  kdnnte  die  auslassung  verursacht  haben. 

5,  19,  7.  M.  Zink  (in  Urlichs  Verhandlungen  der  philol.  gesellschaft 
in  WQrzburg)  schlägt  vor  die  worte  K^VTQupoc  bk . .  dvbpöc  ^CTtv  vor 
X^T€Tai  b^  S  ^  einzuschalten,  dasz  die  beiden  stellen  in  beziehung  zu 
einander  stehen,  scheint  mir  schon  durch  den  artikel  töv  vor  KdvTaupOV 
bewiesen  zu  werden ;  es  fragt  sich  nur,  ob  es  nicht  sich  empfehlen  sollte 
lieber  die  zweite  stelle  hinaufzurücken  und  den  werten  ävbpöc  dcTiv  an- 
zuschlieszen.  die  reihenfolge  der  gruppen  dürfte  so  passender  erscheinen. 

5,  21,  8.  an  einem  andern  orte  habe  ich  schon  nachgewiesen,  dasz 
die  worte  o\'tiv€C  . .  i£rwu&^  an  dieser  steile  durchaus  sinnlos  sind 
und  nur  %  5  hinter  Zri^icic  imö  'HXeiuJV  einen  richtigen  platz  finden, 
die  Sache  scheint  mir  zweifellos  und  hat  auch  mehrfachen  beifall  ge- 
funden, namentlich  von  Kayser.  übrigens  hat  die  notiz  an  sich  auch  noch 
ein  weiteres  interesse,  in  bezug  auf  die  quellen  des  Pausanias  und  auf 
die  abfassung  seines  buches ;  zugleich  ersehen  wir,  mit  welcher  gewissen- 
haftigkeit  und  Sorgfalt  er  dabei  zu  werke  gieng.  gerade  solche  unwill- 
kürliche äuszerungen  in  unbedeutenden  dingen  beweisen  am  sichersten. 

6,  21,  3 — 5.  es  ist  bekannt  dasz  man  mehrere  Schwierigkeiten, 
welche  die  route  von  Arkadien  nach  Olympia  bietet,  durch  die  annähme 
einer  Verwirrung  in  den  notizen  des  reisenden  zu  beseitigen  gesucht  hat, 
und  man  darf  wol  hinzufügen,  wenigstens  teilweise  mit  erfolg ;  immer  aber 
bleiben  noch  bedenken  genug  und  rechtfertigen  den  verdacht  einer  tiefer 
liegenden  Störung,  die  worte  btaßdvTUiv  iroTa|Liöv  'Epu^avGov  S  3 
bis  iyrbc  Tf)c  £cr)  Tf)c  TTicaiac  verfolgen  die  route  von  Arkadien  nach 
Olympia,  während  sie  so  gegeben  werden,  als  führe  uns  der  Wegweiser 
nach  seiner  üblichen  weise  von  Olympia  als  ausgangspunct  nach  der 
grenze  hin.   hier  haben  wir  die  erste  Verwirrung  in  den  notizen;  der 


534  i*  H.  Ch.  Schubarl:  Verschiebungen  im  Pausanias. 

perieget  bat  die  Umstellung  seiner  roule  unterlassen,  uns  aber  gerade 
dadurch  den  beweis  gegeben ,  dasz  er  selbst  von  HerSa  aus  nach  Olympia 
gekommen  ist.  hat  diese  Vermutung  ihre  berechtigung ,  so  fallen  damit 
die  von  E.  Gortius  (Pelop.  II  s.  115  n.  80)  ausgesprochenen  sitze,  und 
man  darf  daraus  vielleicht  folgern  dasz  selbst  iKcnntnis  des  landes  allein 
nicht  hinreicht  den  text  des  Pausanias  kritisch  festzustellen,  hat  man 
nun  die  angedeutete  Umstellung  vorgenommen,  $q  bleibt  ein  weiteres 
bedenken  S  ^  iQ  den  worten  biaßi^cq  •  .  töv  'AXq>ei6v.  nicht  der 
Alphei^s  ist  zu  Aberschreiten,  sondern  der  Leukyanias.  Curtius  (Pelop.  II 
s.  106  n.  50}  schlug  daher  vor  TÖV  itoTa^6v  (d.  h.  AeuKuaviov)  zu 
schreiben,  und  es  fand  dieser  verschlag  den  beifall  Kaysers  (in  diesen 
jahrbOchem  bd.  70  [1854]  s.  413).  Michaelis  dagegen  (philologus  XXIV 
s.  166  f.)  Uszt  t6v  'AXq>€iöv  unberührt,  will  aber  thc  OpiHaioc  ge- 
sctirieben  wissen  statt  tt^c  TTtcaiac.  es  fahrt  dieses  zu  der  hier  nicht 
zu  erörternden  frage,  in  wie  weit  mau  thatsSchliche  berichtigungen  zu 
teitesinderungen  verwenden  dürfe,  dasz  ein  irtum  hier  obwaltet,  ist 
unbestreitbar;  ob  dieser  aber  von  einem  abschreiber  oder  von  Pausanias 
selbst  herrühre  (d.  h.  von  einem  Schreibfehler  des  Pausanlas :  denn  dasz 
er  den  Leukyanias  gemeint  habe,  ist  auch  mir  sehr  wahrscheinlich), 
wird  sich  schwerlich  durch  eigne  beaugenscheinigung  der  localitftt  fest- 
stellen lassen,  bei  der  Verwirrung,  welche  diese  ganze  partie  des  buches 
st&rt,  wird  es  wol  das  sicherste  sein  den  text  unberührt  zu  lassen  und 
die  berichtigung  der  interpretation  zuzuweisen  —  ein  setz  welcher  der 
überhebung  mancher  reisenden  gegenüber,  nicht  an  dieser  stelle  allein, 
aufreciit  erhalten  werden  musz.  mag  sich  übrigens  diese  sache  verhalten 
wie  sie  will,  noch  bleibt  ein  anderes  bedenken,  nach  %  3  war  der  perie- 
get über  den  Kladeos  gegangen  (von  Olympia  aus)  und  beschreibt  nun 
das  grabmal  usw.  des  Oenomaos;  dann  fahrt  er  fort:  öpot  bk  Tipdc 
'ApKdbac  Tfic  xuipac  Tä  ^kv  iropövra  'HXeiotc ,  ra  bk  II  äpx^ic  o\ 
ainol  TTtcaioic  KaOecrfJKCcav  dv^xovTec  icarä  Tdbe.  demnach  würde 
der  Kladeos  die  grenze  zwischen  Arkadien  einerseits  und  Elis  oder  früher 
Pisa  anderseits  gebildet  haben,  was  unmöglich  ist.  ich  vermute  nun, 
dasz  der  angeführte  satz  verschoben  und  %  5  hinter  ivrdc  T^C  icq  Tfic 
TTicafac  einzufügen  ist.  hier  ist  die  bemerkung  vollkommen  ricbtig,  und 
wie  auf  dem  linken  Alpheiosufer  der  Diagon,  würde  auf  dem  rechten  der 
Leukyanias  grenzflusz  gegen  Arkadien  sein. 

8, 12,  1.  dasz  dieser  excurs  über  die  verschiedenen  eichenarten 
Arkadiens  hier  ohne  allen  Zusammenhang  steht,  ist  einleuchtend,  ich 
hatte  daher  eine  Verschiebung  angenommen  und  vorgeschlagen  diese 
ganze  noUz  cap.  11,  1  hinter  bid  Ttliv  bput&v  einzuschieben,  die  Ver- 
mutung hat  die  biUigung  Krügers  erhalten.  Kayser  dagegen  (in  diesen 
Jahrbüchern  bd.  70  [1854]  s.  421),  auf  dessen  urteil  ich  groszen  werth 
lege,  meint  *auch  dort  unterbreche  der  excurs  in  anstösziger  weise 
den  gang  der  reisebeschreibung'.  die  bemerkung  ist  allerdings  richtig; 
jedoch  darf  man  nicht  auszer  acht  lassen,  dasz  jede  solche  gelegentliche 
Dotlz  den  Zusammenhang  unterbrechen  musz ,  und  dasz  es  schon  genügt, 
wenn  die  episode  überhaupt  nur  motiviert  ist.    im  vorliegenden  falle 


J.  H.  Gh.  Schubart:  Verschiebungen  im  PausaniM.  535 

lehlt  an  der  stelle,  wo  wir  sie  jeut  finden,  jeder  anlas«;  einen  soldien 
finden  wir  wenigstens  «ap.  ll ,  1.  in  der  orhandschrift  »ilste  .  .  &i& 
Tuiv  tfn}&y  in  einer  der  ersten  zeilen  der  seite  gestanden  haben,  die 
notiz  von  den  eioben  asn  unlern  rande. 

8, 18,  7.  dasz  die  worte  Oucioic  T€  diroppHTOic  xal  ica0af»Mdic 
nicht  Mer,  sandern  hinter  4v  ^Apr^boc  kpi})  ihren  ridlitig«ia  plata 
haben^  habe  kh  schon  in  der  Teubnerschen  ausgäbe  bemerkt,  nicht  ohne 
hilligung  EU  finden,  ebenso  0,  5, 14  die  versetsung  der  worte  ic  Kai- 
icau  «ebiav  iXotuvovri  lunter  das  vorhergehende  xai  töv  6^pcavb|K>v 
»it  der  notwendigen  Änderung  iXaüvovra  und  «infflgung  von  dicoOaveiv. 

9,  25, 2  <bciicvvrai . .  iat&Tr\y  Ik  Atdc  ist  hier  ein  ganz  unpassen- 
des, den  znsaminenhang  zerreiszendes  einschiebsei;  doch  habe  ich  noch 
flicht  gefunden,  wo  der  satz  einzureihen  ist;  vielleicht  am  ende  des  $  2 
toter  iiK\^4pifriv  ti^v  mipdv.  wenigstes^  sehe  ich  in  der  nAhe  keine 
stelle  die  bessere  ansprflcbe  hätte. 

10,  23,  3.  diesen  ganzen  paragraph  von  äir^tovov  bis  ic  AeX» 
q>ouc  versetzt  Krflger  an  das  ende  des  %  10  uirö  toC  At^oG,  und  es 
iäszx  sich  nicht  leugnen  dasz  seine  jeizige  stelle  ebenso  unpassend  ist, 
als  die  nen  angewiesene  unn-  und  saahentaprechend  sein  wdrde. 

10,  S^,  5.  kfirzlich  ist  der  vorsohhig  gemacht  worden  vor  ^c ^ 
ToO  vooO  lö  kuiTdru)  den  ganzen  3n  paragraph  des  ISn  capitek  t&v 
•&i  dTTÖ  AeXcpäiv  . .  cqnav  inoit\C€  einzuschieben,  aber  angenommen 
auch,  es  läge  fOr  diese  Versetzung  eme  innere  wahrscheinJicfakeit  im  höch- 
sten grade  vor,  so  würde  doch  die  fri^e,  wie  in  aller  weit  «in  Im  teate 
ausgelassener  satz  sich  ao  weit  weg  habe  verirren  können,  hinreichen 
am  die  unzulAssigkeit  des  Vorschlags  darzuihun.  alles  was  Ober  den 
räum  einer  seite  der  handschrift  hinausgeht,  führt  ins  bodenlose  und  ver- 
langt positive  beweise,  wenn  man  ihm  wahracheiniichkeit  zugestelien  soIK 

Kassbl.  Joh.  fisiNBiGK  Ch.  Sorubast. 


74. 

SPRACHVESGLEICHENDES  ÜBER  DIE  NUMEBALIA. 

Zu  den  rAthseUiaftesten  eracheinungen  auf  dem  gebiel«  der  spräche 
gehören  die  zaiil  w<ör  ter.  wo  ist  Jiier,  bei  dem  schlechthin  be^grif- 
lasen,  ^ualilätslosen,  das  medium  zwischen  laut  oder  lantgefOge  und 
•den  gfisgenstAnden,  welches  sonst  in  der  Ähnlichkeit  der  empfindungen, 
die  gewisse  lautverbindungen  und  die  durch  sie  bezeichneten  dinge  nüt 
deren  lebenaftuszerungen  in  uns  hervorrufen ,  last  überall  sich  uns  naehr 
oder  minder  deutlich  zu  erkennen  gibt  und  auch  da,  wo  von  unmittelbarer 
nachahmung  der  laute  durch  laute,  hie  und  da  auch  der  formen  der  dinge 
durch  die  gestalt  die  beim  reden  der  mund  anniml,  nicht  mehr  die  rede 
sein  kann,  einen  schlflssel  für  das  geheimnis  der  sprachbildung  darbietet? 

Und  wie  wunderbar,  dasz  doch,  wie  vrillkürllcb  hier  immer  die 
sprachen  in  festtteUnng  der  iiedeutung  der  laute  verfahren  zu  sein  schei- 
nen, dieselbe  sprachfamilie  —  ich  erinnere  an  die  vornehmlich  von  Bopp 


536       Eduard  Müller:  sprachvergleichendes  über  die  numeralia. 

vergleichende  gramroatik  band  H  s.  55 — 100  der  2n  ausgäbe  und  J.Grimm 
geschichie  der  deutschen  spräche  s.  239  ff.  auf  das  klarste  und  vollstän- 
digste nachgewiesene  öbereinstimmung ,  die  in  den  arischen  indogerma- 
nischen sprachen,  namentlich  sanskrit,  griechisch,  lateinisch,  deutsch, 
rflcksichtlich  ihrer  Zahlwörter  herscht  —  im  wesentlichen  gleiche,  nur 
nach  den  allgemeinen  gesetzen  der  lautumwandlung  verluderte  Zahlwör- 
ter hat,  so  zwar  dasz  auch  die  einfachsten  und  notwendigsten  derselben, 
bei  denen  an  eine  entlehnung  von  auszen  her  nicht  wol  zu  denken  ist, 
die  derselben  familie  angehörenden  sprachen  mit  einander  gemein  haben ! 

Doch  ich  beabsichtige  hier  nicht  die  vielen  mehr  oder  minder  glfick- 
lichen  versuche  dem  geheimnis  der  entstehung  der  Zahlwörter  auf  die 
spur  ZU  kommen  mit  einem  neuen  zu  vermehren,  nur  auf  eine  merk- 
würdige Übereinstimmung  zweier  sonst  in  ihren  Zahlwörtern  wie  auch 
überhaupt  weit  auseinandergehender  spracbfamilien ,  der  semitischen  mit 
der  arischen*),  möchte  ich,  da  ich,  soweit  meine  litteralurkenntnis  reicht, 
ihr  noch  nicht  die  genügende  beachtung  gewidmet  gefunden  habe,  die 
aufmerksamkeit  der  Sprachforscher  hinlenken. 

Ich  meine  die  Ähnlichkeit  der  sprachlichen  bezeichnung  der  6  und  7 
in  beiden  spracbfamilien:  denn  dasz  nicht  nur  schibea^  scheba  nebst 
den  ganz  ahnlich  lautenden  syrischen  und  arabischen  bezeichnungen  der 
siebenzahl  ifiit  saptan^  iTrrd,  Septem  usw.,  sondern  auch  schischaj 
schesch  usw.  mit  schasch^  SE,  sex  usw.  wesentlich  eins  smd,  wird 
wol  niemand  bezweifeln  wollen;  während  die  ersten  5  zahlen,  nur  etwa 
die  1  ausgenommen,  für  die  allerdings  sanskrit  und  hebräisch  fast  gleich- 
lautende bezeichnungen  darbieten ,  in  beiden  ganz  verschieden  lauten. 

Hier  liegt  denn  nun  wol  die  annähme  ganz  nahe,  dasz  die  Völker 
arischer  abkunft  zunächst  bis  5  zu  zählen ,  oder  wenigstens  nur  so  viel 
Zahlwörter,  durch  deren  Zusammensetzung  ja  leicht  auch  immer  noch 
gröszere  zahlen  bezeichnet  werden  konnten,  zu  bilden  sich  begnügten  — 
wofür  ja  auch  das  griechische  1^€^1Td£6lV  für  ^zählen'  spricht  —  die 
Völker  semitischer  abkunft  aber  schon  ihre  nicht  blosz  für  das  jüdische 
volk,  sondern  auch  für  Babylonier,  Phönikier,  Araber  hinreichend  be- 
zeugte siebentägige  woche  (s.  A.  v.  Humboldt  kosmos  HI  s.  471.  E.  Cur^ 
tius  griech.  gesch.  I  s.  33)  von  vorn  herein  für  alle  sieben  ersten  zahlen 
besondere  lautbezeichnungen  zu  schaffen  antrieb ,  diese  Zahlwörter  aber 
dann  durch  das  schon  in  ältester  zeit  so  weit  umherschweifende  handeis- 
volk  der  Phönikier  (s.  Gesenius  scripturae  linguaeque  Phoenicum  monu- 
menta  p.  1  praef.  s.  XVH)  auch  zu  den  Völkern  arischen  Stammes  gebracht 
und  von  diesen  ihrem  sprachvorrate  einverleibt  wurden,  die  darauf  fol- 
genden zahlen  aber  bis  10  bezeichnete  dann  wieder  selbständig  jede  von 
beiden  Völkerfamilien  mit  aus  eigenen  Sprachmitteln  gebildeten  Wörtern. 

LiEGNiTZ.  Eduard  Müller. 


*)  [anderer  meinung  ist  Rudolf  ▼.  Kaum  er,  von  dem  so  eben  die 
'xweite  fortsetzüng  der  nntersuchangen  über  die  Urverwandtschaft  der 
semitiBchen  nnd  indoeuropäischen  sprachen'  (Frankfurt  a.  M.  1868)  er- 
schienen ist,] 


Th.  PJüss:  sex  sulTragia.  537 

75. 

SEX  SÜFFRAGIA, 


Die  reform  der  Servianischen  Verfassung  oder  besser  die  entwick- 
lung  derselben  seil  dem  dritten  Jahrhundert  bis  zum  Untergang  der  re- 
publik  ist  noch  immer  ein  rSthsel ,  und  es  ist  als  ob  diese  fruchtbarste 
aller  antiquarischen  Streitfragen  sich  immer  von  neuem  aus  sich  selber 
gebare,  eine  nebenfrage ,  die  sich  vielleicht  auszerhalb  der  gesamtunter- 
suchung  lösen  iSszt,  deren  lösung  aber  vielleicht  auch  letztere  zu  fördern 
vermag ,  ist  die  frage  nach  bedeutung  und  geschichte  der  sex  suffragia. 

Was  die  bedeutung  betrilTt,  so  ist  meines  Wissens  allgemeine  still- 
schweigende Voraussetzung,  dasz  darunter  die  sechs  rittercenturien  der 
JRamneSy  Tiiies^  Luceres  priores  posteriores  zu  verstehen  seien,  im 
gegensatz  zu  den  zwölf  fibrigeu  rittercenturien ,  mit  denen  zusammen  sie 
seit  Servius  achtzehn  centurien  bilden.  *)  von  dieser  Voraussetzung  aus- 
gehend stöszt  man  nun  für  die  geschichte  der  sex  suffragia  auf  einen 
directen  Widerspruch  der  alten  tradition:  nach  der  einen  angäbe,  die  von 
allen  historikern  und  von  Cicero  vertreten  wird,  sind  sie  von  dem  altem 
Tarquinius  gestiftet,  der  die  drei  Roniulischen  abteilungen  durch  hin- 
zufflgung  der  posteriores  in  sechs  umschuf;  auf  der  andern  seite  berichtet 
Festus  s.  334 :  sex  suffragia  appellantur  in  equitum  centuriis^  quae 
sunt  adiectae  ei  numero  centuriarum ,  quas  Priscus  Tarquinius  rex 
constituit\  danach  sind  die  sex  suffragia  die  Schöpfung  des  Servius,  die 
ihnen  entgegengesetzten  übrigen  centurien  die  des  Tarquinius.  dieser 
Widerspruch  wird  nur  scheinbar  beseitigt,  wenn  man  mit  Rubino  a.  o. 
s.  235  und  andern  (z.  b.  Schwegler  a.  o.  anm.)  annehmen  will,  Tarquinius 
Priscus  sei  der  eigentliche  begründer  der  sog.  zwölf  centurien  der  Ser- 
vianischen Verfassung,  die  sechs  übrigen,  also  die  sex  suffragia^  seien 
von  Servius  hinzugefügt  worden;  ich  sage  nur  scheinbar:  denn  abgesehen 
von  dem  Widerspruch,  in  welchem  die  grundansicht  Rubinos,  dasz  es 
niemals  mehr  als  zwölf  centurien  eigentlicher  Staatsritter  gegeben ,  mit 
der  auflTassung  aller  unserer  quellen  steht,  nach  welcher  immer  von  acht- 
zehn wesentlich  gleichartigen  centurien  des  Servius  die  rede  ist,  werden 
auch  in  der  Festusstelle  die  sex  suffragia  ausdrucklich  der  zahl  der 
von  Tarquinius  eingerichteten  centurien  entgegengesetzt;  dasz  aber 
die  zahl  dieser  centurien  zwölf  gewesen ,  sagt  keiner  der  alten  Schrift- 
steller —  diese  sprechen  von  drei  oder  sechs  —  und  behauptet  auch 
Rubino  nicht,  der  Widerspruch,  der  also  in  dieser  weise  nicht  entfernt 
wird,  ist  nun  höchst  aufi^Uig;  ja  wenn  wir  bedenken,  wie  eng  [die  tra- 
dition, dasz  drei  abteilungen  der  Ramnes,  Tities,  Luceres  von  Romulus, 

1)  Niebuhr  röm.  gescb.  I^  s.  480.  Peter  epochen  s.  12  anm.;  248.  252. 
Bein  in  Paulys  realencycl.  III  s.  210.  212.  Becker  röm.  alt.  II 1  s.  245  f. 
Bnbino  z.  f.  d.  aw.  1846  s.  212  ff.  235  f.  Gerlach  hist.  Studien  II  s.  207  ff. 
Schwegler  röm.  gesch.  I  s.  756  m.  anm.  4.  Mommsen  röm.  tribus  s.  97. 
röm.  forsch.  I  s.  135  f.  139  (röm.  gesch.  I^  s.  796).  Lange  röm.  alt.  I' 
8.  384.  418.  n  s.  16.  Ihne  forschnngen  s.  122  f.  symb.  philo!.  Bonn.  s.  634  ff. 


538  Tb.  PlOss:  sex  suffragia. 

aechs  abteilungen  derselben  sodann  von  Tarquinios,  achtsabn  abteilungen 
endlich  von  Seirius  gebildet  seien,  rusammenhängt  mil  aller  und  jeder 
tradition  über  die  sUmmlnliiis,  mit  der  ganzen  Systematik  der  ältesten 
römischen  geschichte ,  speciell  noch  mit  der  enihlung  vom  augnr  Attos 
liavius,  wie  allgemein  sie  bezeugt  ist:  so  muss  eine  solche  umkehrang 
der  tradition  durch  Festus  geradezu  unmöglich  erscheinen^  und  es  iön- 
iien  daher  weder  die  versuche  die  autoriUU  des  Festus  geigen  die  der 
historiiber  (oder  umgekehrt)  einlach  preiszugeben  (vgl.  Becker  a.  o.  s.  247  L) 
irgendwie  befriedigen,  noch  der  versuch  Mommsens  (röm.(orach.l  s.  139  X.) 
den  Widerspruch  des  Festus,  betreffend  das  alter  der  sechs  centurien  der 
Ramnes,  Tities  und  JLioeres,  aus  dem  geringem  ansehen  derselben  zu  er- 
klSren;  gab  es  doch  filr  jenen  unterschied  des  ansebens  eine  weit  ein- 
fachere ecklärung :  kann  nicht  gerade  das  jüngere  durch  frische  lehens- 
fihigkeit  das  Utere  veralten  lassen?  somit  würde  als  letzter  ausweg 
der  von  Rein  eingeschbgeoe  einer  teztünderung*}  übrig  bleiben,  wenn 
nicht  Jener  ganze  höchst  bedenl^liche  widersprach  auf  einer  ebenfalls  be- 
denklichen Voraussetzung  beruhte. 

Stillschweigend  werden  die  sex  suffragia  den  sechs  abteilungen 
der  Raomes,  Tities,  Luceres  gleichgesetzt,  den  zwölf  andern  centurien 
entgegengesetzt,  demnach  würden  sie  nichts  anderes  sein  als  sechs 
centurien,  wie  denn  Livius  1  36  für  seine  zeit,  I  43  schon  für  Ser* 
vius  Verfassung  ausdrücklich  die  Zahlung  der  Ramnes,  Tities  und  Luceres 
als  sex  ceniuriae  berichtet:  woher  dann  aber  der  besondere  name  suf- 
fragial  seit  Servius,  unter  dem  doch  zuerst  von  den  ritterabteilu^gen 
als  Stimmkörpern  die  rede  ist,  war  ja  eben  oenUtria  zugleich  technische 
bezeichnung  der  stimmabteilung ;  wober  dann  sogar  ein  gegensata  im 
aprachgebrauche  zwischen  sex  suffragia  einerseits  und  centuriae  eqwäum 
anderseits?  denn  dieser  gegensatz  findet  sich  erstens  ausdrücklich  bei  Ci- 
cero de  re  p.  U  22,  39  nach  der  lesung  zweiter  hand  equüum  cetUmnme 
cum  sex  suffragüs^  deren  richtigkeit  nach  Mommsens  erörterung  (röm. 
Xorsch.  1  s.  135,  3)  mir  endgültig  /estgesiellt  scheint;  sodann  aber  auch 
stillschweigend  in  dem  namen  sex  suffragia ^  worin  die  hervorhebung 
der  zahl  nach  Festus  und  €icero  offenbar  stehend  ist,  während  bei  equi- 
tum  ceniuriae  die  zahl  regelraüszig  fehlt'}:  hier  musz  die  zahl  selbst- 
verständlich, dort  musz  sie  in  besonderen,  niclit  von  vorn  herein  ge- 
gebenen verbAllnissen  begründet  sein,  wenn  nun  der  name  suffragia  im 
unterschied  von  ceniuriae  darauf  hindeutet,  dasz  hier  sUmmkörper  und 
militärische  abteilung  begrifflich  nicht  zusammenfallen,  so  deutet  die 
stehende  beifügung  der  zahl  in  sex  suffragia  gegenüber  dem  blossen 
ceniuriae  equiium  darauf,  dasz  numerisch  die  einzelne  rittercenljirie  ent- 
weder ein  multiplum  oder  eine  quote  des  sufl'ragium  ist.  dabei  ist  von 
vorn  herein  unwahrscheinlich,   dasz  name  und  begriff  des  suffragium 

2)  vgl.  Paulys  realeacycl.  III  8.  211;  er  corrigiert  bei  Festus  das 
haAdschriftliche  adfeotme  ei  numero  in  tfftttae  ex  numero»  3)  vgl. 

aaszer  der  im  texte  angeführten  Cicerostelle  noch  p.  Mur,  26,  öi.  dS, 
73.  epUL  ad  fam.  XI  16,  3.  Phü.  YII  6,  16.  Q.  Cicero  de  pei,  com,  8. 
anderer  art  sind  natürlich  Livias  I  43.  XLHI  16. 


Th.  Plüss:  sex  suffragla.  539 


'O 


3choii  von  Scrvius  geschaffen  worden,  da  für  die  ursprOngliche  Serm- 
niscbe  Verfassung  eben  centurie  die  stimme  bezeichnete  (wahrscheinlich 
hat  Cicero,  der  einzige  der  schon  fflr  jene  zeit  die  suffragia  zu  bezeugen 
scheint,  den  namen  aus  dem  sprachgehrauche  seiner  zeit  übertrageo); 
unwahrscheinlich  femer,  daaz  jemals  zu  gleicher  zeit  ein  teil  der  ritter- 
ableilungen  centurienweise,  der  andere  suffragienweise  gestimmt  habe. 

Wenn  also  die  Voraussetzung  von  der  identität  der  sex  suffragia 
mit  jenen  sechs  centurien,  eiae  zufUlige  ideenverbindung  mit  der  zahl 
sechs,  durch  das  sprachliche  und  historische  bedenjken  beseitigt  wird, 
so  mflasen  wir  nun  methodischer  weise  von  der  Festusstelle  ^wff^t^h^^ 
dXt  allein  eine  definition  der  sex  st^ragia  enthält,  es  heiszt  daselbst; 
^sex  suffragia  werden  unter  den  rlttercenturien  di<|jenigen  genannt, 
welche  zu  der  zahl  der  von  Tarquioius  gestifteten  hmzugefügt  worden 
sind.'  wolgemerkt,  Festus  sagt  von  der  zahl  der  centurien,  welche  sex 
suffragia  genannt  wurden,  durchaus  nicht  wie  grosz  sie  gewesen,  son- 
dern nur  dasz  sie  nach  Tarquinius  Pnscus  hinzugeiLommen  sei;  der  hln- 
zttfOgende  kann  nur  Servius  gewesen  sein;  dieser  hat  aber  nach  einhel- 
liger äberlie£erung  die  zahl  von  sechs  abbeilungen  auf  achtzehn  erhöht; 
f  Ollglich  werden  zwölf  centurien  des  Servius  als  sex  suffragia  bezetchnet. 
es  wird  dabei  nicht  ausgesprochen,  dasz  Servius  selbst  sie  so  genannt  — 
es  heifzt  appeüaniur  —  und  wir  haben  also,  wie  schon  angedeutet,  an 
eine  spätere  entwicklu^g  »i  denken,  in  welcher  jene  zwölf  centurien  des 
Servios  nicht  mehr  zwölf  stimmen,  äuffragien,  entsprachen,  sondern 
je  zwei  centurien  zusammen  öin  suffragium  bildeten:  eine  comhinatioti 
für  welche,  wie  wir  sehen  werden,  die  doppelcenturlen  des  Tarquinius 
jnehr  als  hloszes  analogen  sind. 

Wie  verhält  sich  jetzt  zu  Festus  die  übrige  tradition?  —  Livius 
braucht  den  nameo  sex  s$iffragia  nicht;  wenn  er  aber  sagt,  die  sechs 
abteiiungen  der  Ramnes,  Tities  und  Lueeres  wärden  zu  seiner  zeit  sex 
centuriae  genannt,  so  wird  man  darin  bei  einem  Zeitgenossen  des  Ver- 
rius  Fhicous,  der  die  sex  suffragia  als  noch  bestehend  zu  bezeichnen 
.scheint,  bei  einem  genauen  ausschreiber  des  ^genauen'  anliquars  Gin- 
cius,  bei  einem  rhetor  der  vor  antiquarischen  dingen  ehie  so  tiefe  ehr- 
furcht  uad  zugleich  eine  so  ängstliche  bescheidenheit  empfindet,  dasz  er 
die  Worte  seines  gewährsmannes  wart-  und  stUgetreu  herübernimt'), 
Tiel  mehr  eine  Unterscheidung  von  den  sex  suffragia  als  eine  ungenaue 
identische  bezeichnung  erkennen. 

Ausdrücklich  erwähnt  werden  die  sex  suffragia  bei  Cicero  an  der 
3chon  angefahrten  stelle  de  re  p.  11  22 ,  39 ,  in  der  handschriftlichen 
lesart  des  alten  correctors ,  und  an  der  nicht  weniger  umstrittenen  stelle 
Phil.  II  33,  82,  ebenfalls  nach  der  handschriftlichen  lesung  und  deren 
einfachster  erklärung.  dort  sagt  Scipio ,  nachdem  er  vorher  die  achtzehn 
rlttercenturien  erwähnt  hat,  von  der  Servianischen  einrichtung:  rationem 
videiis  esse  ialem,  ut  equiium  centuriae  cum  sex  suffragiis 
ei  prima  classisaddUa  centuria  .  .  LXXXVIIIIcenturias  habeat.  hier 


4)  vgl.  neues  schweizerisches  rauseom  VI  s.  49  ff. 


540  Th.  PIüss:  sex  suffragia. 

wird  deutlich  zwischen  eguitum  eenturiae  im  engem  sinne  und  sex  suf" 
fragia  unterschieden^),  doch  musz  diese  Unterscheidung  nicht  notwendig 
schon  för  Servius  gelten;  sodann  Iflszt  die  Verstümmelung  der  voraus* 
gehenden  erzfthlung  nicht  mit  gewisheit  erkennen,  welchen  hruchteil 
der  achtzehn  centurien  Cicero  mit  eguitum  eenturiae^  welchen  mit  sex 
suffragia  hezeichnen  will,  jedoch  aus  der  ausdrucksweise  kann  man  ver^ 
muten,  dasz  mit  eguitum  eenturiae  im  engem  sinne  diejenigen  ablei- 
lungen  bezeichnet  werden,  welche  als  die  eigentlich  militArischen  be- 
trachtet werden  können ,  mit  sex  suffragia  die  welche  ihre  eigentliche 
bedeutung  in  den  comitien  haben ;  dasz  ferner  der  nominativus  das  alte, 
ursprüngliche,  der  zusatz  cum  das  neue  bezeichne;  somit  würde  auch 
Cicero  die  sex  suffragia  genannten  centurien  als  die  bildung  des  Servius 
betrachten,  von  ihm  gebildet  zum  behuf  der  comitien:  die  eenturiae 
eguitum  würden  aus  der  frühern  zeit,  wo  es  nur  militärische  ritler- 
abteilungen  gab ,  beibehalten  sein. 

Dem  scheint  nun  auf  den  ersten  blick  zu  widersprechen ,  was  sich 
aus  einer  combination  der  zweiten  oben  angeführten  stelle  Phil,  ü  33, 82 
mit  de  re  p.  II  20,  36  ergibt,  an  letzterem  orte  wird,  wenn  wir  der 
handschriftlichen  lesart  folgen ,  von  den  Veränderungen  der  erkllrer  ab- 
sehen*}  und  blosz  die  aus  ihrem  Zusammenhang  verschlagenen,  hier  sinn- 
losen Worte  atgue  etiam  Corinthios . .  diligentis  entfernen^,  von  Tarqui- 
nius  Priscus  folgendes  erzählt:  eguitatum  ad  hunc  morem  amstituity 
gui  usgue  adhuc  est  retentus:  nee  potuit  Titiensium  et  Bhamnensium  et 
Lucerum  mutare^  cum  cuperet,  nomina^  guod  auctor  ei . .  Attus  Navius 
non  erat;  sed  tarnen  prioribus  eguitum  partibus  secundis  additis  oo  ae 
CC  fecit  eguites  numerumgue  duplicavit,  pastguam  hello  subegit  Ae- 
guorum  magnam  gentem  .  .  idemgue  Sabines  .  .  eguitatu  fudit  beUo- 
gue  devicit,  also  Tarquinius  hat  die  ritterschaft  (oder  reiterei)  in  der 
weise  organisiert,  die  bis  auf  Ciceros  zeit  geblieben  ist  dieser  gedanke 
wird  ausgeführt  in  dem  gegensatze  nee  potuit .  .  sed  tarnen  d.  h.  *und 
zwar  konnte  er  aUerdings  die  namen  nicht  ändern,  obschon  er  es 
wünschte;  aber  er  fügte  doch  die  zweiten  abteilungen  hinzu'  usw.  Tar* 
quinius  ist  demnach  der  begründer  der  sp9tem  einrichtung,  obschon 
er  die  namen  zu  andern  nicht  vermochte  —  spftter  sind  also  die  namen 
geändert  —  er  ist  es  dennoch,  weil  er  die  sechs  abteilungen  stiftete 
und  ihre  stSrke  nach  einigen  kriegen ,  in  denen  er  die  bedeutung  der  rei- 
terei schätzen  gelernt,  verdoppelte:  zu  Ciceros  zeit  bestehen  also  über* 
haupt  nur  sechs  abteilungen ,  jede  mit  dem  doppelten  der  normalstarke, 
also  zusammen  in  der  starke  von  zwölf  normalabteilungen.^    soweit 


5)  es  könnte  auch  erklärt  werden  'die  rittercentnrien  mit  einschloss 
der  sechs  snffragien';  anch  dann  würde  unter  den  rittercentnrien  im 
allgemeinen  unterschieden  werden  swischen  solchen  die  ohne  weiteres 
imter  dem  namen  begriffen  werden,  und  solchen  die  ihn  nar  im  weitem 
sinne  führen.  6)  vgl.  Bchwegler  I  s.  689  ff.  mit  den  anmerknngen. 

7)  vgl.  Schwegler  s.  691  anm.  1;  auch  nach  reteniut  st(>rt  der  sats, 

der  sich  wol  anf  die  Servianische  einrichtung  besieht.  8>  gegen 

^njectnren   braucht   sich   eine  logische  Interpretation  nicht  an   reebt- 


Th.  Plflss:  sex  suffragia.  541 

diese  stelle,  wenn  nun  aber  die  sechs  doppelabteilungen  der  Ciceroni- 
schen zeit  nicht  mehr  die  alten  namen  Bamnenses  usw.  führen,  wie 
heiszen  sie  denn  ?  doch  wol  eben  sex  suffragia :  denn  diese  sind  ja  nach 
Festus  als  sechs  stimmkdrper  zu  denken ,  von  denen  jeder  zwei  normal- 
abteilungen  der  ritter,  zwei  centurien,  umfaszt,  und  dann  stimmt  damit 
Cicero  selbst  an  der  zweiten  stelle  überein ,  wo  er  die  acte  einer  abstim- 
mung  in  den  comilien  seiner  zeit  folgendermaszen  aufzählt:  sortiiio 
praerogativae  ..  .prima  classis  vocaiur^  renuntiatur;  deinde^  ita 
ui  ad s ölet,  suffragia:  tum  secunda  classis  vocatur,  folgen  wir 
auch  hier  einfach  der  handschriftlichen  Überlieferung:  die  suffragia  kön- 
nen gewis  keine  anderen  suflragien  seiu  als  die  sex;  in  diesen  ist  die 
staatsritlerschaft  der  Ciceronischen  zeit  vollständig  inbegriffen,  indem 
von  andern  rittercenturien  keine  rede  ist  und  achtzehn  rittercenturien  un- 
möglich mit  suffragia  bezeichnet  werden  können ,  während  die  zahl  sex 
wol  wegfallen  kann,  wenn  die  ihnen  entgegengesetzten  sechs  stimmen- 
centurien  nicht  mehr  vorhanden  sind;  und  endlicii,  die  gesamte  staats- 
ritterschaft  stimmt  jetzt  nach  der  ersten  classe.  wenn  auch  hier  manig- 
fache  änderungen  oder  küustliche  erklärungen  versucht  vrorden  sind ,  so 
haben  dieselben  keine  stütze  als  die  Voraussetzung,  dasz  seit  Servius  jeder- 
zeit achtzehn  centurien  gewesen  und  geblieben  seien ') ;  dagegen  ergibt 
sich  uns  aus  beiden  stellen  zusammen  das  resultat,  dasz  erstens  zu  Ci- 
ceros  Zeiten  nur  die  sex  suffragia  bestanden,  die  übrigen  rittercenturien 
•und  die  alten  namen  verschwunden  waren,  dasz  zweitens,  wie  nach 
Festus ,  die  sex  suffragia  nach  ihrer  nominellen  stärke  zwölf  centurien 
entsprachen ,  und  dasz  drittens  Cicero  die  sex  suffragia  schon  angelegt 
fand  in  der  institution  des  Tarquinius. 

Freilich  nur  angelegt:    denn  zahl,  name  und  bedeutung  wurden 
durch  Servius  modificiert :  aus  den  sechs  doppelabteilungen  wurden  wirk- 


fertigen; letztere  ist  freilich  unmöglich,  so  lange  das  einschiebsei  atque 
etiam  nsw.  beibehalten  wird,  wenn  sodann  nee  potuit  usw.  bedeuten  soll, 
dasz  die  namen  auch  für  die  spätere  zeit  geblieben  seien  —  wie  z.  b. 
auch  Knbino  erklärt  —  was  soll  sed  tarnen?  dieses  fordert  ein  con- 
cessives  Verhältnis,  die  concession  wiederum  einen  hanptgedanken,  der 
die  einschränknng  erleidet;  da  nnn  in  dem  satze  mit  sed  tarnen  die 
eigentliche  ^Constitution'  der  ritterschaft  enthalten  ist  (während  zu  dem 
vergleiche  mit  der  korinthischen  einrichtong  sogar  die  verglichene  rö- 
snische  fehlen  würde],  die  ^Constitution'  aber  von  Cicero  mit  der  ein- 
richtung  seiner  zeit  identificiert  wird,  so  erleidet  eben  diese  Identität 
eine  einschränkung  durch  die  beibehaltung  der  namen;  Horaz  (n.  p.  341) 
kann  für  Ciceros  zeit  nichts  beweisen.  —  Für  eine  nochmalige  Ver- 
doppelung der  1200  hat  man  mit  recht  das  handschriftliche  postquam 
geltend  gemacht,  weil  sonst  der  nachschleppende  temporalsatz  stilistisch 
und  logisch  ungeheuerlich  ist;  que  ist  ganz  passend,  weil  die  damit 
verbundenen  gedankengUeder  znsammen  den  einen  hanptgedanken  or- 
geben: 'Tarquinius  hat  die  jetzige  form  und  zahl  der  ritterschaft  be- 
gründet'; auch  die  normalzahl  2&0  ist  also  zu  Ciceros  zeit  dieselbe; 
übrigens  ist  ac  nicht  so  unerhört,  sobald  man  nicht  Cicero  und  Livius 
auch  für  das  einzelne  glaubt  in  einklane  bringen  zu  müssen. 

9)  so  zuletzt  Mommsen  röm.  gesch.  I*  s.  796  anm.;  vgl.  röm.  forsch.  I 
a.  186,  6.  140,  13.  zu  res  gestae  divi  August!  s.  35. 


542  Tb.  Plüss:  sex  suffragia. 

liehe  zwölf  centurien''^);  diese  hatten  mehr  eine  civile  als  eine  mili- 
tärische bedeutung,  indem  sie  namentlich  als  slimmabteiliingen  des 
höchsten  census  vor  der  ersten  classe  stinmuten ;  die  miülSrfsche  bedeu- 
tung  und  demgemSsz  auch  die  alten  namen  der  Ramnes  usw.  glengen 
aber  auf  sechs  andere  centnrien,  die  equitum  centuriae^  welche  auch 
den  höchsten  census  und  das  Stimmrecht  vor  der  ersten  classe  besaszen. 
somit  sind  die  equitum  centuriae  Ciceros  das  alte  und  das  neue  zugleidi, 
die  sex  suffragia  ihrer  form  nach  von  Tarqainlus  angelegt,  nach  centu- 
rienzahl  und  comitialer  bedeutung,  sowie  nach  der  damit  verbundenen 
namensänderung  ein  werk  des  Servius,  und  so  löst  sich  der  scheinbare 
Widerspruch  in  den  stellen  Ciceros  von  selbst,  auch  steht  dieser  Gieero- 
nischen  auffassung  Livius  sehr  nahe,  wenn  er  den  $ervius  zuerst  und 
ex  primoribus  civiiatis  zwölf  centurien  *  einschreiben '  und  dann  erst 
sechs  andere  mit  jenen  alten  namen  ^schaffen'  l9szt:  bei  beiden  sind  die 
zwölf  eine  organische  Weiterbildung  der  einrichtung  des  Tarquinius ,  die 
sechs  anderen  eine  neubildnng  dem  inhalte  nach ,  zu  dem  zweclte  altehr- 
würdige namen,  vielleicht  auch  die  eigentliche  militürische  bedeutung 
fortzupflanzen."}  selbst  bei  Pestus  wäre  diese  auffassung  denlcbar:  denn 
er  spricht  nur  von  der  zahl  die  durch  Servius  zur  frfihem  zahl  hinzu- 
gekommen sei,  und  in  diesem  sinne  hat  auch  bei  Cicero  Servius  zwölf 
centurien  hinzugefügt. 

Bei  dieser  entstehung  und  bedeutung  der  sex  suffragia  I9szt  sich 
ihre  geschichte  wenigstens  im  umrisz  herstellen,  die  sex  centuriae 
der  Ramnes,  Tities  und  Luceres,  von  Servius  so  zu  sagen  zur  antiqultät 
geschaffen ,  musten  immer  mehr  in  den  hintergrund  treten ,  je  mehr  die 
ursprüngliche  milildrische  bedeutung  der  ritter  sich  verlor,  vrefche  die- 
sen abteilungen  vorzugsweise  zukam ,  je  mein*  namentlich  die  seit  Camil- 
lus  bestehende  reiterei  mit  eignen  pferden  neben  der  Staatsritterschaft 
zur  bedeutung  gelangle ,  je  mehr  endlich  auch  die  älteste  tribusehiteilnng 
mit  ihren  namen  in  Vergessenheit  gerieth;  als  nun  die  verfassongsreform 
um  das  jähr  241  die  ah  gewordene  centurienverfassung  verjüngte ,  indem 
sie  dieselbe  auf  den  bodeu  der  tribusverfassung  pflanzte^  da  wurde  wol 
jener  abgestorbene  zweig  beseitigt,  so  finden  wir  denn  im  zweiten  Jahr- 
hundert, im  jähre  169,  nur  noch  zwölf  centurien  der  rüter  öbrig, 
weiche  noch  ebenso  viele  prärogativstimmen  repräsentieren. ")  aus  der 
zeit  des  jungem  Gracchus  hören  wir  von  der  absiclit  der  popularpartel, 
die  ritter,  wenn  sie  in  den  senat  eintraten,  ihr  staatspferd  zurückgeben 
zu  lassen ;  nach  der  art  wie  Cicero  (de  re  p.  IV  2}  davon  spricht  su 
schlieszen,  ist  die  absieht  dem  Senate  diese  stimmen  zu  entziehen  nach 
129  wirklich  ausgeführt  worden,  und  es  musz  damit  ein  starker  ausfaD 

10)  so  auch  Rubine  a.  o.  s.  228  ff.;  nur  findet  er  nicht  auch  die 
doppelte  nnmerische  stärke  der  zwölf  centurien  schon  in  den  gex  partes 
vor;  auch  sieht  er  in  den  sex  suffragia  nur  sechs  centurien.  11)  vgl. 
Rnbino  a.  o.  s.  215.  12)  Livins  XLUI  16,  14.  auch  hier  ist  einfach 
eine  historische  entwicklnngsstufe  anzuerkennen :  vgl.  Halm  im  excora 
zu  Cic,  PhiL  II  33.  gegen  diese  anerkennnng  hat  man  wiederum  nor  die 
vorauf  Setzung  von  den  18  centurien  geltend  gemacht;  vgl.  Peter  epo- 
chen  8.  60  f.  254  f.  Becker  II  1  s.  249.  Mommsen  röm.  forsch.  I  s.  136. 


Th.  Plüss:  sex  suffragia.  543 

in  der  zahl  der  ritler  eiagelreten  sein,  die  sich  fortan  nur  aus  dem  jfln- 
gem  adel  recrutieren  konnte  ^') ;  dasz  aber  die  an  zahl  und  bedeutung  so 
sehr  gesunkene  staatsritterschafl  dennoch  ihre  ztvdlf  stimmen  behalten 
bähe,  ist  bei  dem  sinne  jener  maszregei  Röchst  unirahrscheinifch:  viel- 
mehr musz  damals  conseqaenter  weise  die  beschrSnkung  auf  sechs  stim- 
men, attf  die  sex  suffragia^  und  die  Verweisung  hinter  die  erste  cYasse, 
in  welcher  ja  nun  die  höchste  nobflität,  der  senat,  stimmte,  eingetreten 
sein,  hl  dieser  gestalt  und  Stellung  finden  wir  die  staatsrilterschaft  zur 
zeit  der  comitien  die  Cicero  JPhil,  II  39  beschreibt,  innerlialb  der  ein- 
feihiog  in  sechs  suflVagien  nnisz  die  In  zwölf  centnrien  gebHeben  sein, 
da  Cicero  an  anderen  stelkn  (s.  oben  anm.  3)  von  ceniuriae  equitum  als 
noch  bestehenden  und  stimmenden  spricht;  da  diese  aber  nicht  wie  de 
re  p.  1122  neben  den  sex  suffragia  genannt  werden  und  ceniuriae 
equitum  nur  dnrch  einen  gegensatz  seinen  engern  sinn  bekommt,  so  haben 
wir  eine  fSr  diese  zeit,  wo  eben  die  equitum  centuriae  im  engern,  mili* 
tsrischen  sinne  nicht  mehr  existieren ,  ganz  natflrliche  identische  bezeich- 
Bvmg  anzunehmen ,  in  jener  stelle  der  republik  dagegen  eine  ungenauig- 
keit  insofern,  als  Cicero  fttr  sich  zwar  aus  dem  spracbgebrauche  sei- 
ner zeit  heraus  von  sex  suffragia  sprechen  kann,  nicht  aber  schon 
Sdpio  davon  darf  reden  lassen,  selbst  wenn  schon  fflr  die  zelten  vor 
Gains  Gracchus,  ja  für  die  Servianische  zeit  ebe  combfnation  der  zwölf 
centmien  zn  sechs  hauptabteilungen  von  uns  anzunehmen  oder  von  Cicero 
angenommen  sein  sollte.  '^) 

Was  die  zaM  der  ritter  in  diesen  späteren  zelten  der  republik  be- 
trifft, so  müssen  wir  nach  dem,  was  wir  oben  über  Ciceros  erzahlung 
von  der  Tarquinischen  ritlerschaft  ausgeführt  haben,  annehmen  dasz  die 
von  Tarqoinius  festgesetzte  zahl  wenigstens  bis  129  sich  erhalten,  d.  h. 
—  wie  Zumpt  richtig  erläutert  und  wie  sich  ahnlich  für  Llvhis  nachwei- 
sen läszt  —  dasz  die  annalistische  quelle  Ciceros  den  nonnalbestand  der 
ipMerft  zeit  auf  die  königazeit  zurückgeführt  habe,  daaach  würde  »eh 
dieser  normalbestand  nach  der  hsl.  lesarl,  die  von  1200  ritterft  mit  nach- 
traglicher Verdoppelung  erzahlt,  auf  2400  mann  stellen,  nach  den  Ver- 
mutungen der  erklarer  auf  1200,  1800  oder  3600.  jedenfalls  ist  aber 
später  der  nonnalbestand  selten  oder  nie  erreicht  worden ;  ein  approxi- 
mativum  an  die  norm  von  2400  war  wol  die  zahl  von  2200  ritterstellen, 
welche  Cato  nach  einer  altern  gesetzlichen  beslimmung  als  niedrigsten 
effectivsatz  wieder  einzuführen  empfahl  ^^) ;  gewöhnlich  waren ,  wie  der 
a&trag  zeigt,  weit  weniger:  Q.  Cicero  spricht  in  nachgracchischer  zeit 
von  Venigen'  rittern. 

18)  vgl.  Q.  Cicero  de  pet,  cons,  8.  Becker  II  1  8.  257  m.  anm.  521. 

14)  dasE  Cicero  eine  solche  combination  für  Servins  angenommen 
habe,  könnten  atiszer  der  erwilhnung  der  sex  suffragia  unter  Servias 
auch  die  worte  de  re  p,  II  20,  36  qui  usque  adhuc  est  retentus  andeu- 
ten, nur  wäre  jedenfalls  der  name  suffragia  anzeitig.  15)  s.  66  bei 
Jordan:  nunc  ego  arhiiror  oportere  restiiuif  quin  minus  duohus  milibus  du" 
eentis  sii  aerum  equestrium.  ich  kann  in  diesen  worten  unmöglich  eine 
bestlltigang  der  ansieht  von  den  1800  ritterstellen  finden,  wie  Mommsen 
röm.  gesch.  I^  s.  797  anm. 


544  TIi.  PlOss:  sex  sulTragia 

Eine  durchgreifende  Veränderung  des  damaligen  bestandes  oder  — 
wie  es  wenigstens  die  Itaiserlichen  hofhistoriographen  darstellten  —  eine 
völlige  Wiederherstellung  des  ältesten  bestandes  nahm  Augustus  vor. 
unter  ihm  bestanden  die  sex  ceniuriae  der  Ramnes ,  Tities  und  Luceres 
wieder ,  wie  Livius  I  36  und  Horatius  a.  p.  342  zeigen ;  sie  wurden  von 
ihm  wie  so  manches  andere  graue  alterlum  aus  der  antiquit&tenkammer 
hervorgesucht,  um  die  ehrgeizige  jugend  an  das  restaurierte  Icöniglum  zu 
fesseln,  und  namenllidi  die  Ramnes  stellten  in  ihren  sechs  türmen  die 
biate  der  vornehmen  jugend  dar;  sogar  knaben  wurden  Staatsritter,  und 
dieses  aristokratische  cadetlentum  war  der  anfang  zu  jeder  höhern 
Staatslaufbahn.**)  neben  dieser  jungem  und  jQugsten  altersclasse,  aus 
der  sich  zum  teil  schon  in  den  letzten  zeilen  der  republik  die  staatsriUer- 
schaft  recrutiert  halte,  wurde  jetzt  auch  wieder  eine  Siliere  und  älteste 
classe  beigezogen,  so  dasz  wie  knaben  so  auch  greise  und  gebrechliche 
in  dem  ritleralbum  eingetragen  waren  und  bei  der  muslerung  erscheinen 
rousten.*^  bei  dieser  Ausdehnung  des  dienstallers  nach  oben  und  unten 
war  es  möglich,  dasz  neben  den  sex  centuriae^  die  für  sich  schon 
1800  mann  stark  waren ,  auch  die  zwölf  centurien  der  sex  suffragia 
fortbestanden  und  somit  wieder  wie  einst  achtzehn  centurien  zählten; 
in  der  ihat  gibt  uns  die  Livianische  geschichte  der  rittercenturien, 
welche  die  centurie  zu  300  mann  ansetzt  und  so  für  Servius  auf  eine 
gesamtzaiil  von  5400  rittern  gelangt,  nur  die  uominelle  stärke  der  Au- 
gusteischen achtzehn  centurien  wieder.  *^)  wenn  nun  Festus  anzudeuten 
scheint ,  dasz  noch  in  der  kaiserzeit  die  zwölf  centurien  in  den  sex  suf- 
fragia combiniert  sind ,  die  sex  centuriae  aber  von  anfang  an  drei  dop- 


16]  für  die  jungem  altersclassen  sind  Hör.  a.  p.  312.  VaL  Max.  n 
2,  9  za  vergleichen,  sowie  der  name  princeps  itwentutiSf  den  ein  kaiser- 
licher prlnz  als  erster  der  setfiri  iurmarum  und  oberanführer  der  sechs 
elitetnrmen  der  Ramnes  führte  (n.  Schweiz,  mnsenm  VI  s.  56  ff.),  ganze 
centurien  bestanden,  wie  es  scheint,  aus  knaben:  denn  was  Dionjsios 
VII  72  von  den  vornehmen  römischen  epheben  der  ältesten  repablica- 
nischen  zeit  erzählt,  dasz  sie  zn  pferd  in  türmen  and  centurien,  b\bo 
genau  in  der  Ordnung  der  ritter  (Bubino  s.  226  m.  anm.  2)  den  festsag 
circensischer  spiele  eröffneten,  scheint  ans  der  Augusteischen  zeit  über- 
tragen (vgl.  m.  diss.  de  Cinciis  s.  13  f.):  dahin  weisen  ausser  dem  durch- 
weg Homerisch'griechischen  festapparat  mit  dem  durchweg  grieohischen 
göttersystem,  wie  beides  gerade  von  Augustus  ausgebildet  wurde,  be- 
sonders die  erwähnung  des  rittercensus  und  die  deutliche  beziehung 
auf  den  ludus  Troiae  (vgl.  Mommsen  röm.  gesoh.  1^  s.  231  anm.;  Säet 
Aug,  48,  wo  sogar  die  worte  prisd  decorique  marU  .  .  noteteere  ganz  den 
Dionysischen  fva  <pav€pd  TivoiTO  .  .  i^v  entsprechen);  endlich  bezeugt 
Cassius  Dlon  LIII 1  für  Augustus  ausdrücklich  einen  circensischen  anf* 
zug,  in  welchem  knaben  und  männer  zugleich  auf  ritten.  17)  Snet. 

Aug.  38.  auch  nnter  den  centuriae  seniorum  bei  Horaz  a,  p.  341  sind 
im  gegensatz  zu  den  jungen  Ramnes  am  einfachsten  rittercenturien  sn 
verstehen:  die  staatsritter  sind  das  vornehme  theaterpublicum.  i^) 

Schweiz,  museum  a.  o.  s.  54  ff.  wenn  Dionysios  VI  13  am  feste  der 
Dioskuren  zuweilen  bis  5000  staatsritter  aufziehen  sah,  so  waren  das 
anlasse,  wo  alle  altersclassen  sich  vereinigt  hatten  und  die  normalsshl 
ungefähr  erreicht  wurde;  gewöhnlich  ritt  nur  das  elitecorps  der  sechs 
türmen. 


Th.  Plüss:  sex  suffragia.  545 

pelableiluDgen  bilden,  so  sind  jelzt  alle  achtzehn  cenlarien  paarweise, 
also  in  neun  corps,  geordnet,  das  princip  der  Ordnung  ist  nach  dem  was 
oben  von  den  altersclassen  bemerkt  worden  und  besonders  nach  der  Ho- 
razslelle,  welche  den  jungen  Ramnes  die  centurien  der  altern  ritter  gegen- 
überstellt, höchst  wahrscheinlich  für  alle  abteilungen  das  altersprincip, 
zumal  da  je  nach  dem  alter  die  art  und  die  häufigkeit  des  auftretens  ver- 
schieden sein  muste;  es  liesze  sich  vielleicht  nach  gewissen  spuren  eine 
neunstufige  altersscala  mit  Intervallen  von  je  sechs  jähren  vom  laufenden 
zwölften  bis  zum  vollendeten  fünfundsechzigsten  lebensjahre  aufstel- 
len.'^) was  den  namen  der  doppeicenturien  betrifft,  so  ffihren  drei  jener 
neun  die  namen  der  ältesten  tribus;  nach  Dionysios  ritten  aber  am  feste 
der  Dioskuren  die  gesamten  5000  Staatsritter  in  tribus  und  centurien 
auf:  wahrscheinlich  also  nannte  man  jene  neun  combinationen  tribus.'^) 
<es  wird  diese  Vermutung  dadurch  bestätigt,  dasz  Dionysios  und  Florus 
ischon  bei  der  Umgestaltung  der  ritterabteilungen  durch  Tarquinius 
Priscus  nicht  allein  die  schon  bestehenden  und  von  ihm  verdoppelten  ab- 
teilungen als  tribus  bezeichnen,  sondern  auch  dem  könige  die  absieht  bei- 
legen, neue  Uribus'  der  ritter  zu  schafften:  auch  hier  die  Übertragung  von 
Sache  und  namen  aus  der  kaiserzeil  in  die  königszeit.'^) 

Einer  gesamtuntersuchung  über  die  geschieh te  der  Servianischen 
Verfassung  bleibt  es  vorbehalten  zu  zeigen,  wie  mit  dieser  entwicklungs- 
geschichte  die  Veränderungen  der  staalsritterschaft  in  bezug  auf  zahl  und 
bedeutuog,  im  besondern  die  entwicklung  der  sex  suffragia  und  die 
Kombination  der  centurien  zu  tribus  im  engsten  Zusammenhang  stehen. 


19)  den  ludus  Troiae  führte  unter  Cäsar  und  Augiistos  eine  iurma 
duplex  oder  ein  delectus  maiorum  minorumque  puerorum  auf  (8uet.  Caeg.  39. 
Aug.  43);  die  minores  scheinen  vom  beginn  des  zwölften  Jahres  an  (Snet. 
Aug.  41)  bis  ins  siebzehnte,  die  tnmoreM,  da  der  begriff  puer  auch  über 
das  18e  jähr  hinansreicht,  bis  zum  vollendeten  23n,  die  ümenes  sodann 
bis  znm  vollendeten  29n  zu  zählen:  wenigstens  sind  auch  sonst  das  18e 
and  das  30e  jähr  anfange  von  lebensabschnitten.  in  den  iuvenes  möchte 
man  die  iuoentus  der  ritter,  die  Ramnes,  erkennen,  welche  dann,  im 
besten  militärischen  alter  stehend,  recht  passend  das  ständige  elitecorps 
bilden  würden;  die  Tities  und  Lnceres  würden  den  knaben  zufallen, 
ganz  ebenso  besteht  im  ludus  Troiae  bei  Vergilios  Aen,  V  560  ff.,  wo  die 
3X2  abteilungen  vollständig  den  3X2  centurien  der  Bamnes,  Tities, 
Lnceres  entsprechen,  ^ine  doppelabteilung  aas  ittvenes,  die  beiden  an- 
dern also  ans  pueri.  das  35e  jähr  sodann  wird  von  Sneton  (Aug,  38) 
ausdrücklich  als  schlaszjahr  einer  altersstafe  der  Staatsritter  angegeben; 
diese  mit  den  beiden  folgenden  stufen  bis  ins  47e  jähr  würden  die  mW, 
die  drei  letzten  die  setdores  enthalten.  20)  danach  würde  sich  modi- 
ficieren,  was  ich  a.  o.  von  drei  groszen  tribus  zu  je  sechs  centurien 
vermutet  habe ;  an  die  drei  stammtribas  denken  Becker  II 1  s.  248.  261 
Anm.  538  und  Rnbino  s.  225  ff. ,  was  für  18  centurien  nicht  aasreicht, 
da  nach  Livius  I  36  die  stammtribas  nur  sechs  centarien  umfassen  in 
der  stärke  von   1800  mann.    vgl.  Mommsen  röm.  gesch.  I'  s.  797  anm. 

21)  Dion.  III  71.  72.  Florns  I  5  (nach  der  hsl.  lesart).  auch  die 
tribas  bei  Festus  s.  169  u.  fiavia  and  Zonaras  VII  8  sind  wol  von  diesen 
rittertribus  zu  verstehen:  vgl.  Rabino  s.  225  m.  anm.  2;  anders  Becker 
II  1  8.  241  anm.  494. 

Posen.        Theodor  Plüss. 

ifthrbttcher  für  clftss.  pbilol.  1868  hft.  8.  36 


546  W.  Studeiuund:  über  die  edilio  princeps  der 

76. 

ÜBER  DIE  EDITIO  PRINCEPS  DER  TERENZSCHOLIEN 

DES  CODEX  BEMBINÜS. 


Nachdem  L.  Schopen  1832  den  dürftigen  auszug  aus  den  Terenz- 
schollen  des  codex  Bembinus  veroffentlichl,  welchen  Petrus  Victorius  in 
sein  exemplar  der  Mailänder  Donatusausgabe  eingetragen  hatte,  hat  F. 
Umpfenbach  im  vergangenen  jähre  im  Hermes  II  s.  337 — 402  die 
erste  vollständige  ausgäbe  der  sämtlichen  schollen  nach  eigener  lesoog 
der  jetzt  im  Vatican  befindlichen  originalhandschriA  veranstaltet,  dasz 
diese  verdienstliche  ausgäbe  nicht  für  abschlieszend  gelten  kann ,  daran 
ist  einmal  der  üble  zustand  des  codex  Bembinus  selbst  schuld :  denn  ein 
groszer  teil  der  an  dem  rande  stehenden  schollen  ist  durch  spätere  be- 
schneidung der  ränder  jetzt  lückenhaft,  und  wegen  der  ungewöhnlichen 
feinheit  der  buchstaben  ist  durch  zu  häufige  benutzung  des  codex  und 
durch  das  alter  manche  erhaltene  stelle  wenn  nicht  unleserlich ,  so  doch 
schwer  lesbar  geworden,  eine  erneute  prflfung  der  hs.  wird  dem  im  ent- 
ziffern alter  lateinischer  manuscripte  geüblen  nachfolger  eine  lohnende 
nachlese  gewähren ;  den  codex  aber  für  die  scholien  ausgenutzt  zu  haben 
^ird  erst  der  behaupten  können ,  dem  es  vergönnt  sein  wird  mit  chemi- 
schen reagenlien  *)  die  unleserlichen  stellen  wieder  lesbar  zu  machen. 
ein  solcher  versuch  musz  freilich  unterbleiben ,  so  lange  die  direction  der 
Vaticaniscben  bibliothek  es  vorzieht  dem  pergament  mehr  als  den  antiken 
autoren  zu  nützen,  immerhin  aber  gewährte  eine  in  diesem  jähre  in  Rom 
von  mir  vorgenommene  zweitägige  prüfung  der  sämtlichen  scholien  zum 
Phormio  und  zum  Hautontimorumenos  bis  I  1,  100,  des  grusten  teils 
der  scholien  zu  dem  reste  des  Hautontimorumenos  und  zu  den  Adeiphoe 
so  wie  einiger  weniger  zum  Eunuchus  die  Überzeugung  von  der  zweck- 
mäszigkeit  einer  solchen  revision ;  sie  auf  sämtliche  scholien  auszudehnen 
hinderte  die  beschränkte  zeit. 

Ein  zweiter  grund,  weshalb  die  Umpfenbachsche  ausgäbe  eine  wei- 
tere beschäftigung  nicht  überflüssig  macht,  ist  das  verkennen  von  dem 
werthe  zweier  uns  handschriftlich  erhaltener  früherer  abschriflen  der 
Bembinus-scholien,  welche  aus  der  zeit  des  Angel us  Politianus  herrühren. 
zwar  waren  die  ränder  des  Bembinus  schon  damals  ebenso  weit  beschnit- 
ten wie  jetzt;  allein  um  die  dünnen  pergamentblätler  beim  umschlagen 
der  Seiten  nicht  dem  zerreiszen  auszusetzen,  ist  nach  der  zeit  des  Poli- 
tianus an  den  äuszerslen  rändern  hin  und  wieder  neues  pergament  auf- 
geklebt, so  dasz  die  lesung  einiger  weniger  stellen  für  uns  ebenso  an- 


1)  an  verschiedenen  stellen  der  hs.  scheint  galläpfeltinctnr  in  fr^~ 
beren  Jahren  angewandt  worden  zn  sein;  es  wird  am  zweckmXsxlgsten 
sein,  die  verloschenen  stellen  mittels  eines  pinsels  mit  einer  anflösiuig 
Ton  1  teil  schwefelcyancalinm  in  15  teilen  bmnnenwatsers  mit  hinsQ- 
fügnng  weniger  tropfen  Salzsäure  leicht  zn  benetzen;  die  sohriftsa^ 
werden  dann  auf  wenige  minnten  röthlich  hervortreten,  ohne  dasz  dem 
pergament  daraus  ein  schade  erwächst 


Tereoz-scholien  des  codex  Bembinus.  547 

möglich  ist  als  sie  für  Politianus  leicht  war;  an  andern  stellen  sind  die 
schriflzüge  jetzt  erloschen ,  wShrend  sie  damals  noch  lesbar  waren,  von 
diesen  beiden  froheren  abschriften  ist  die  eine  in  einem  exemplar  der 
folioausgabe  des  Terenz  von  1475  in  der  Magliabecchiana  in  Florenz,  die 
andere  in  einem  exemplar  derselben  ausgäbe  in  der  Ambrosiana  in  Mai- 
land; beide  wurden  von  Umpfenbach  eingesehen,  aber  als  unbrauchbar 
bei  Seite  gelassen ,  weil  in  beiden  nur  ein  auszug  aus  den  schollen  steht 
und  der  herausgeber  in  den  zußllig  gewählten  stellen  nichts  neues  fand, 
dasz  sie  selbständigen  werth  für  die  kritik  der  schollen  besitzen ,  wird 
aus  der  besprechung  einzelner  stellen  weiter  unten  klar  werden,  ich 
habe  das  Mailander  exemplar  (es  heisze  M)  fflr  alle  comddien ,  das  Floren- 
tiner (F)  nur  für  die  Adelphoe  mit  dem  Uropfenbachschen  texte  verglichen, 
es  fragt  sich:  welche  glaubwürdigkeit  haben  die  abschriften  in  F  und  M, 
und  in  welchem  Verhältnis  stehen  beide  zu  einander?  zunächst  sind  F 
und  M  von  olTenbar  verschiedenen  bänden  geschrieben,  F  schwerer  lesbar 
als  M.  zum  schlusz  der  Adelphoe  steht  in  F:  'Ego  Angelus  Politianus 
contuleram  codicem  hunc  Terentianum  (d.  h.  die  gedruckte  ausgäbe) 
cum  uenerandae  uetustatis  codice  (d.  h.  mit  dem  codex  Bembinus)'  usw. 
ist  also  F  von  der  band  des  Politianus  geschrieben ,  so  kann  nicht  auch 
M  von  der  band  des  Politianus  herröhren,  dennoch  soll  nach  Umpfenbach 
(s.  339)  in  M  neben  eun.  V  4,  21  bezeugt  sein:  *Angh  PI.  scr.'  allein 
diese  bemerkung  entscheidet  nichts  für  die  schreiberhand  in  M.  im  text 
des  verses  eun.  V  4,  21  steht  nemlich  im  druck  Proh  mit  einem  unnöti- 
gen h  am  ende;  dazu  steht  am  rande  'pro  Angh  pl.  scpt'  (so)  d.  h. 
Angelus  Politianus  wollte  pro  ohne  h  geschrieben  wissen.  —  In  M  un- 
terscheidet man  wegen  der  Verschiedenheit  der  tinte  zwei  verschiedene 
zelten ,  um  nicht  zu  sagen  zwei  verschiedene  bände :  und  zwar  ist  der 
hauptteil  der  schollen,  welcher  in  der  auswahl  im  ganzen  mit  der  aus- 
wahl  in  F  stimmt,  ohne  weitere  beischrifl;  ein  anderer,  durch  die  tinte 
verschiedener,  kleinerer  teil  in  M,  welcher  in  F  ganz  fehlt,  und  der  wegen 
oflTenbar  schlechterer  erhaltung  der  schollen  meist  lückenhaft  ist,  hat  fast 
constant  den  beisatz  eines  N.  die  band  kann  dieselbe  sein,  welche  den 
übrigen  gröszern  teil  der  schollen  In  M  schrieb,  oder  ist  doch  eine  gleich- 
zeitige, sehr  ähnliche,   nun  bemerkte  Umpfenbach  richtig,  dasz  in  M  s.  40 

beigeschrieben  steht  'Uhi  N  littera,  ea  glosa  a  me post  discessü 

politiani';  allein  seine  Vermutung,  an  der  punctierlen  stelle  stehe  der 
unleserliche  name  des  copisten,  ist  schon  deshalb  unwahrscheinlich ,  weil 
m  dem  salze  dann  das  verbum  fehlt,  es  steht  vielmehr  da:  'Ubi  «N-  lit- 
tera,  ea  glosa  ameeritlecta  post  discessü  politiani'  (vor  Mecta'  steht 
ein  durchstrichenes  p).  von  dem  namen  dieses  '  me '  d.  h.  des  mannes 
welcher  die  schollen  in  M  schrieb,  kennt  man  also  nur  den  anfangsbuch- 
staben  N;  dieser  N  scheint  entweder  aus  dem  exemplare  F  selbst  oder  aus 
einem  andern  exemplare,  von  dem  F  auch  nur  copie  ist,  die  von  Politianus 
eigenhändig  excerpierten  schollen  flüchtig*)  copiert,  später  aber  'post 


2)  M  ist  weit  flüchtiger  in  dieser  ersten  abschiift  als  F:  e.  b.  ad, 
HI  2,  16  vergiizt  M  allein  qvod  iupra  m7;  III  4,  81  cum  qua;  IV  5,  6S 

36* 


548  W.  Studemund:  Qber  die  edilio  prioceps  der 

discessum  Politiani'  nach  selbsUindiger  einsieht  des  cod.  Bembinus  neae, 
meist  schwerer  iesbare  scholien  hinzugeffigt  und  einige  alte  von  Poli- 
tianus  nur  ifid^enhaft  gelesene  teils  aus  dem  codex  selbst'}  teils  aus  con- 
jectur^}  aasgefulit  zu  haben,  wo  in  M  ein  N  beigeschrieben  ist,  werde 
ich  die  band  im  folgenden  MN  nennen,  es  ist  zuzugeben ,  dasz  M  (and 
auch  teilweise  F)  in  der  wiedergäbe  orthographischer  einzelheiten^)  un- 
zuverlässig sind,  dasz  M  zuweilen  allzu  flöchtig*)  copierl,  ja  dasz  M 
hin  und  wieder  aus  eigener  Vermutung  teils  richtig  teils  falsch  lucken 
des  codex  stillschweigend  ausgefüllt  hat;  an  einzelnen  stellen^  hat  er 
aber  aus  dem  oben  angegebenen  gründe  sicher  noch  mehr  lesen  können 
als  wir. 

Der  dritte  und  hauptsächlichste  grund  endlich,  weshalb  Umpfen* 
bachs  editio  princeps  einer  revision  bedarf,  ist  die  zu  schroffe  vorstel* 
lung  von  der  unßhigkeit  des  zusammenstellers  der  scholien  im  cod.  Bern* 

noua\  IV  5,  78  orhem\  III  3,  2  hat  M  raptus  st.  actu$',  V  1,  2^  M  netpie 
squaleat  st.  nee  sgualeat;  V  3,  61  aequus  st.  aeqiatm;  IV  5,  75  hat  M  in 
sinu,  F  richtig  nnuj  nsw. 

3)  vgl.  ad.  III  2,  16*;  ebenso  setzt  N  ad.  Y  3,  68  laeii  carpanmt  hinzu, 
wofür  FM  nur  puncte  hatten,  nsw.  4)  so  setzt  M  ans  vermatong  fun.* 
I  1,  12  hinter  amor  uero  ein  eät  ein;  kaui,  I  1,  72  hatte  er  aus  seinem 

original  richtig mus  copiert,  schreibt  dann  über  die  pnncte  c  (d.  b. 

conicio)  adside,  usw.  6)  so  schreibt  M  falsch  z.  b.  tun,*^  pro!.  4  con- 

uitium  statt  conuicium^  eun,^  pro!.  7  penitus  st.  paerdius'^  haut.  prol.  7  keau- 
torUimorwnenon  statt  eaut.,  22  as$idue  st.  adsidue;  36  zweimal  siatariae  Jm^ 
das  zweite  mal  personae  st.  -e\  45'  que  st.  quae\  1 1,  54  consuHudine  st 
coruuUudinem;  I  2,  1  extimatione  st.  estimatione\  II  1,  15  improbis  st.  inpro- 
bisi  II  3,  55  illuuie  st.  inluuie;  57  schlusz  internuncü  st.  intemuntü;  102 
nunquam  st.  numquam;  II  4,  11  iis  st.  Ms;  IS  ki  st.  kü;  III  1,  21  nunäari 
st.  nuntiari]  Sb*  coniemplu  statt  contemiu;  III  2,  27  parelcon  st.  parkekon; 
Phorm.  prol.  4  impudentiam  st.  inpudentiam  usw.  usw.  6)  z.  b.  sohreibt 
M  eun.«  I  1,  22  dicUur  st.  dicia\  II  2,  69  dicitur  st.  dicimu»\  I  2,  4*  seuero 
st.  securo\  II  3,  29  das  den  zügen  des  Bembinus  nach  auch  denkbare 
includüur  st.  inuadtiur;  V  2,  6  dumos  st.  domus;  II  3,  45  läszt  er  ut  aus; 
haut,  prol.  3  dederim  st.  poeta  d.  (d.  h.  poeta  dederit)]  8  antiqaa  st.  anti- 
que]  12  agens  actor  statt  accusator;  I  1,  50  iUud  iltud  st.  iUud;  II  1|  II 
vergiszt  er  non;  13'  riam  statt  hone;  II  3,  4  eondiciones  st.  condicionis\ 
49  dixü  st.  <2ict7;  72  vergiszt  er  est;  127  eacf^yn  st.  eademque;  127*  adiiäas 
st.  adicies  uetuste;  II  4,  13  «e  a(i  uo«  adplicant  st.  ««  adpUcant;  22*  ^<ft'' 
^ü/t  st.  dedisti]  III  1,  21  deinde  st.  postea;  41*  amatorem  st.  am/tfortf"; 
45  articula  st.  particula;  52  Mollidtos  habere  st  solUeitus  tUferi;  54*  v^^^ 
st.  v/  e  contrario  facit;  69  abundat  tuum  animum  st.  ^uvm  ammum  abundßti 
76  läszt  er  cogiiabü  aus;  III  2,  38  «ctVtctf/  st.  £ftaV;  PAorm.  (iuit.) /tf«  ^t. 
<o/a;  prol.  1*  /uciu«  lanuinus  st.  lusdus  lamtuinus;  23*  t2^«  st.  t^;  11«^ 
adplicuit  st.  adpHcat;  I  2,  4*  Ate  st.  üf  und  aduersum  st.  apucf;  acf.  HI  3, 
43  N  /Wu«  St.  [na]rt^u«,  MF  ad.  III  4,  18  tii^<f^  st.  tfi^eniit;  MF  III  4* 
56  congregabantur  st.  ciö«  .  .  rabantur;  M  arf.  V  3,  3*  coniäncar  st.  cö»- 
uincor ;  MN  flrf.  V  6,  1  uocantur  st.  t<oca&aii[/iir]  usw.  wo  M  nichts  lesen 
kann,  setzt  er  puncte,  deren  anzahl  meist  beliebig  ist.  zum  teil  ändern 
FM  aber  auch  bewust  die  citate  nach  einsiebt  der  autoren :  so  MF  ad. 
III  4,  63  aequali  gut  st.  aegui  usw.  7)  ob  MN  ad.  V  6,  10  statt  des 

von  Umpfenbach  vermuteten  [quidam]^  welches  der  schmale  räum  der 
hs.  nicht  gestattet,  aus  noch  vollständigerer  lesung  oder  aus  geschick- 
ter conjectur  nam  schrieb,  läszt  sich  nicht  mehr  entscheiden;  fut[liber- 
tiJi]  (so  U.)  ist  in  diesem  scholion  ebenso  wenig  räum. 


Terenz-scholien  des  codex  Bembinus.  549 

binus  (wir  nennen  ihn  A),  welche  der  berausgeber,  zum  teil  in  folge 
der  mialungenen  lesung  einer  anzahl  von  stellen ,  sich  zur  norm  bei  der 
ausQbung  der  krilik  gemacht  hat.  es  erwachst  ihm  jedoch  daraus  liein 
Vorwurf,  weil  dieses  wfiste  conglomerat  von  trivialscholien  eine  so 
grosze  menge  des  unsinnigen  enthält,  dasz  ein  noch  überdies  durch  die 
ungewöhnliche  schwierigiteit  der  lesung  geplagter  herausgeber  leicht  da- 
hin kommt,  seinem  autor  noch  mehr  uncorrectheiten  zuzutrauen,  als  die- 
ser in  Wirklichkeit  verdient,  allerdings  ist  die  band ,  welche  die  scholien 
zu  dem  texte  des  Bembinus  (der  in  den  anfang  des  fflnflen  jb.  zu  gehören 
scheint)  beischrieb,  entschieden  junger;  ob  sie  aber  um  volle  drei  Jahr- 
hunderte von  der  schreiberhaud  des  codex  selbst  entfernt  sei ,  wie  der 
herausgeber  meint,  ist  die  frage:  eine  andere  art  zu  schreiben  ziemt  für 
texte,  eine  andere  art  für  scholien ;  für  jene  eine  kalligraphische,  für  diese 
eine  tachygraphische.  es  genügt  auf  die  gleichzeitigen  tachygraphischen 
beischriften  im  Ambrosianisch-Vaticauischen  Fronto,  im  Veroneser  Gaius 
und  im  Veroneser  Vergilius  zu  verweisen,  aber  abgesehen  davon ,  wel- 
chem jb.  speciell  die  scholienschrift  des  A  angehört,  man  kann  einem 
spaten  Schreiber  ein  barbarisches  überwuchern  späterer  vulgärlateinischer 
formen")  zutrauen,  ohne  deshalb  auch  dem  zusammensteller  oder  (wenn 
man  will)  redactor  der  scholien  Unverstand  und  Unkenntnis  der  elemen- 
tarregeln der  lateinischen  grammatik  zuzumuten,  der  bg.  würde  sicher- 
lich einen  andern  weg  in  der  kritik  dieser  scholien  betreten  haben ,  wenn 
nicht  die  verunglückte  lesung  einiger  stellen  ihn  zu  der  niedrigen  ansieht 
über  den  redactor  veranlaszt  hätte;  vielleicht  findet  er  selbst  nach  Vollen- 
dung der  kritischen  ausgäbe  des  Terenz  die  musze ,  die  stellen ,  welche 
ich  aus  Zeitmangel  nicht  einsehen  konnte,  nach  der  durchsieht  von  F 
nochmals  mit  dem  codex  zu  vergleichen.  —  Soll  somit  im  folgenden  der 
redactor  von  dem  Vorwurf  der  Unfähigkeit  in  der  handhabung  der  denk- 
und  schreibformen  gereinigt  werden,  so  soll  damit  doch  kein  lob  über 
das  geringe  wissen  ausgesprochen  sein,  welches  in  diesen  an  Donat  an- 


8)  Umpfenbaeb  bat  die  orthographischen  Varianten  nicht  alle  an- 
gegeben; aus  den  von  mir  verglichenen  stellen  läszt  sich  folgendes 
nachtragen:    so  hat  A  eun.*  II  2,  59  promuntorium  (so  copierte  auch  M) 

piran 
oder  w,  ebd.  ircipav  (so:  in  den  Graeca  fehlen  natürlich  alle  accente); 

n  3,  29  praeeario;   II  3,  45^  abent;   kauL  prol.  2  adulüceniium  wie  oft; 

6*  greca\  12  propriae\  13*  betusie;  25  potentes;  27  eguontm;  36  zweimal 

sttUarie;  persone\  I  1,  7  preter\  13  abet-,  20  peniieat\  72  pregidemus;  ebd. 

commisse'f    79  preier\   I  2,  31  unnismodo  st.  uniusmodi^   II  2,  7  preaagit^ 

presagua  und  presdus;  II  3,  55  abitu;  72  guerimus;  92  querUur\  117  pre- 

terquam;  125  eorepta;  TL  4,  17  conparation;  22  prebebit]  III  1,  21  ystero- 

proieron;  pre\  32  greee^  62  fl*m;  76  eaiimabit;  99  abaolbi;  100  (oder  89) 

pretermisit;  III  2,20'  meiui  a  cryayde',  Phorm,  prol.  4*  pre[ierita];  8  comedia; 

18*  übet;  14  pretermisit-,  I  1,  4  abere\  7  abent\  I  2,  4«  abeo\  V  1,  6  aegea- 

tote;  ad.  III  3,  1  peri  (nicht  perii),    43*  eonpoaitio  nnd  uitabit',  47  ad- 

tteruialiter ;   III  4,  16  abendum;    25  eaiimat;    33^  obere;    37  iUtuerunt;  56 

preacribtio;  63  oratiua;  IV  6,  65  leuaque\  59  abet-^  66*  diaiderio;    IV  6,  3' 

grece;   IV  7,  4*  uüiacit;  28*  abeat;  43  prebendae;    V  1,  2  aegeatate;  13* 

petdUt;   V  3,  3^  quaerellae;   38*  ab[ere]  aduliacenü;   41«  und  42  grece; 

51  iniqus]  63  meatitiae;   V  5,  4*  preterguam;  4*  hec;  haut.  I  2,  35  caaoa. 


550  W.  Sludemund:  über  die  editio  princeps  der 

klingenden  schölten  steckt ;  sie  sind  ein  sprechendes  zeugnis  fär  die  arm- 
selige art,  wie  man  in  späten  Jahrhunderten  den  Terenz  in  schulen  inter- 
pretierte :  viel  äx^P^  ^^^  wenig  CTdxuec 

im  folgenden  werde  ich  der  Ordnung  der  Umpfenbachschen  ausgäbe 
folgend  durch  besprechung  der  einzelnen  stellen  die  belege  für  die  oben 
ausgesprochene  ansieht  geben.*)  wenn  zu  einem  verse  mehrere  scholien 
vorkommen ,  so  bezeichne  ich  die  zahl  durch  hinzufflgung  einer  kleinen 
entsprechenden  Ziffer  hinter  der  verszahl ;  im  Eunuchus  nenne  ich  die  von 
der  *  jungem '  band  herrührenden  scholien  eun,%  die  der  '  altern '  hand 
(so  scheidet  der  hg.  die  zeitlich  sicher  einander  sehr  nahe  liegenden  bände} 
eun.^.  wenn  die  lesung  eines  buchstaben  unsicher  ist ,  so  habe  ich  ein 
fragezeichen  darüber  gesetzt.  *^) 


9}  für  den  spStem  vergleicher  sei  bemerkt,  dass  aoszer  den  scho- 
llen zum  Eunuchus  und  zum  Hautontim.  bis  1 1,  100  nnd  den  im  folgen- 
den nnd  gelegentlich  in  den  anmerkungen  berührten  sonstigen  stellen 
die  richtigkeit  der  Umpfenbachschen  lesung  von  mir  für  folgende 
scholien  verificiert  worden  ist:  eun,*  prol.  1.  8.  4.  6;  I  1,  14;  II  I,  59; 
eun.^  proL  3.  4.  7;  V  2,  36;  haut,  I  1,  117;  II  1,  10.  11.  13.  16;  H  2» 
2>.  3.  8.  9;  II  3,  8.  21.  44.  49.  60*.  63.  67.  60.  68 1.  91.  106.  111*.  127. 
139;  II  4,  13.  14.  19«.  22»;  IH  1,  29.  36«.  37«.  37«.  39.  44.  46.  46.  54. 
65.  69.  70».  72.  75.  87.  91.  98«;  HI  2,  4.  6.  20«.  30.  37;  ad,  I  2,  29.  38; 

II  4,  13.  21;  Ul  2,  2.  2P.  22«.  23«.  24.  26.  26.  28.  29.  31.  33.  39.41.46. 
47«.  63;  m  3,  46.  48  ^  49.  68.  63.  64.  66.  67«.  73.  86.  90.  92;  DI  4,  3. 
11.  14.  17.  18.  20.  26.  27.  29.  30.  32«.  33.  37«.  40».  40«.  41.  58.  69;  IV 
2,  4.  6.  22.  25.  26.  34«.  37;  IV  3,  1«;  IV  6,  44.  49.  64.  66.  62.  63.  66«. 
74.  76;  IV  6,  2«.  3«.  4;  IV  7,  1.  4'.  8«.  9.  10.  11.  13«.  27.  34.  40.  42;  V 
1,  1«.  2«.  3.  9.  12.  13*;  V  2,  2—8.  11«;  V  3,  2.  3«.  3«.  8.  41».  43.  44.52. 
67».  68;  V  4,  2«.  2«.  6».  6.  12».  12«.  12».  18.  24.  26.  27;  V  6,  1;  V  6,  i. 
6.  8.  9;  V  7,  1.  16.  17;  V  8,  2.  10)  von  druckfehlem  und  kleinen 
berichtigungswerthen  einzelheiten  habe  ich  bei  ü.  folgende  bemerkt: 
lies  eun*  prol.  10  Thensauro;  24  fefellisse;  I  1,  11«  dwri  st.  dari;  U  3,  18 
ti]hi  [eM$e];  (drackfehler  ist  wol  auch  II  3,  33  bomu  a  statt  boma  o;) 
eutL^  V  2,  32  solidtan]  firmum  statt  firmum]  solidam  (im  tezt  des  Terenz 
steht  soiidum)',  haut.  prol.  3«  gw)d\  statt  quodz;  4»  integra  ffraeea]  statt 
iiUegra  graecai;  17  einfach  oorrupiMte;  1  1,  15«  einfach  fuU;  18  remU- 
ies]  omUtei;  60»  einfach  ininäci;  60«  ebenso  tumituri  64  ebenso  nam;  87 
pareens:  aeruans]  91  ntmpt[u];  98  Ferri[ni»;  I  2,  31  notunt  st.  uolunt;  31 

in  der  anmerkung  qui  gint  tolerahÜU  A;   II  1,  6«  casus (das 

Bcholion  gieng  noch  weiter);  II  2,  3  ex  ä:pro;  II  3,  66  inhade;  11  »eesr. 
(so)  d.  h.  mit  abkürzung  bat  A;  102  einfach  male  und  datur\  102  pottkae 

Bi.  posthoc;  IXl'scüicet^  ^sdre  liceV\  II  4,  4  schlusz  hat  A:  Xaa€T[ ]\ 

III  1,  21  hat  A  a  Td.  h.  aut  oder  an)  ioculanter;  27?  28?  mer lefa; 

34  quandocumque  (mit  A) ;  41»  schreib  pulerei ter  ut  [ ^ 

p]ulcro]  III  2,  31  einfach  subaudimui\  Phorm,  init.  z.  2  schreib  pottundo 

täsro  (oder  ätjfro  oder  a/r«o) agentibus  und  am  schlusz  einfach 

coruuUbu8;  prol.  7  casum  statt  earum;  8  einfach  uitioea;  9  in  der  note  zu 
erwähnen,  dasz  A  dicitur  st.  dici  cur  hat;  10  in  der  note  laed\et  A;  17* 
18  in  der  note  peierasticos  st.  pelerasticos;  20«  in  der  note  sind  die  werte 
Bene  eertasse  A  zu  streichen  (A  hat  hinten  gut  certatset);  20«  tezt  ae' 
mulu[s  eW];  20«  definitur,  Fer[aiUus:;  24  manifeste;  28  note  setze  ex  (st. 
et)  vor  maximae  A  hinzu;  30  [addidit  ^per  säenttum*]\  33»  locurn]  bene: 
uilauit,  ne  per;  33«  actar]em,  dann  Uotiens  animum  non  abiecerit];  1  h^ 

a  fortu]na;    13  r]ettum  und  dicitu]r   bene  se ur;   I  2,  3  wo*« 


Tereiiz-scholien  des  codei  Bembinus.  551 

ZUM  EÜNUCHUS. 

Die  beiden  bände,  welche  der  hg.  scheidet,  sind  nicht  immer  genau 
auseinandergehallen;  zuweilen  ist  auch  die  Scheidung  schwer,  weil  die 
form  mehrerer  buchstaben  nur  wenig  verschieden  ist  und  die  von  frü- 
heren angewandte  tinctur  zur  Wiederbelebung  erloschener  zöge  in  der 
färbe  der  tinlen  manigfache  Variationen  bewirkt  hat.  so  scheint  gleich 
<ia8  erste  scholion  zu  prol.  1  nicht  der  'Jüngern'  sondern  der  'altern' 
hand  und  umgekehrt  das  erste  scholion  der  (nach  Umpfenbach)  ^altern' 
band  (s.  353  zu  prol.  3)  vielmehr  der  ^Jüngern'  hand  anzugehören,  doch 
4oramt  bei  der  fast  durchgängigen  trivialität  der  schollen  hierauf  wenig  an. 

A.  die  schollen  der  jOngern  hand. 

Zu  prol.  36,  wo  unter  den  in  comödien  besonders  häufig  wieder- 
lehrenden  personen  auch  der  currens  seruus  erwähnt  wird,  gibt  U. 
das  scholion:  curreniem  seruum]  quod  in  plurimis  comoediis  ser- 
Mtcum  est,  aus  der  anmerkung,  worin  über  das  neu  gefundene  wort 
berichtet  wird:  ^ seruicus  nach  analogie  von  ciuicus'y  ersieht  man 
^asz  die  Übersetzung  dieses  scholions  etwa  lauten  sollte:  'was  in 
«ehr  vielen  lustsplelen  sklavenart  ist.'   so  sehr  auch  bereicherungen 


dlebitum   [soUtiiur:  p€nMio]ne   und   zum   schlusz   fehle  conueniet;  7  argw 

fwientum];  8  iempo ;  I  4,  62  ero  sueceniuriatus']  [para]ius;  V  1,  5 

4!onf[identiasime];  V  3,  3  hat  A  iuuasti;  oif.  III  2,  20  amamus  id  e.  origi- 

nem;  23 <  numquam  (mit  A);  23'  querito:  saiis;  32'  [ ]  'nusquam; 

HI  3,  2  raptio  st.  rapio ;  III  3,  65  note  hinzuzufügen,  dasz  A  ap[ ]ptit 

hat;  85 (nicht 83)  [apud\  AtinienseM,  z. 3  [mense]s,  z.  5  [menjses  und  [XU]; 

?     ?     ?    T 

III  4, 10  patronug:  defensor;  31  a.  h,'i.  /*.  statt  u.  u.  i.  s.;  III  4,  45  z.  3 
q]uaero  (kaum  q]uaeso),  z.  4  la[timi]mj  z.  5  facere  st.  faUere  (facere  steht 
wirklich  ad.  III  4,  61),  z.  6  hat  A  queadmo[dym\  decei;    56  onerat  eum 

^uem  St.  onerai  cum  quem,  und  gegen  den  schlusz  Areo[pd\gUae\  62  L  e» 
fehle;  64  «um[iRi]  fastigia  st.  summt  fastiga;  IV  1,  21  Ferg,  [uox  qu]oque 
in.  i.  (d.  h.  iam  hat  A  st.  tarn)  f.  \i.  lup]i  merim  ui[der]e  priorü,  IV  2,  17 

^anrdl:  lacri[ma]bundu9\  39*  [noua]uerat  in  ge[ner]e\  IV  3,  1*  molimi{ne\\ 

IV  5,  59  dormienti:  Menandri  und  que[. . . .]  KDjAvaTepav  [....]  ttoXov; 
^  tarn  misere:  tarn  nwuM;  IV  6,  1  in  der  note  copioaiui  A;  2^  [mo]strtan; 

3*  utque:  plus\  3^  erpeton  serpenM  [dici]tur\  6  hat  A  quem  non  uidet  is  qtd 

'^htideret  (U.  ergänzt  falsch);   IV  7,  4  [i]romcos\  5  pericu[,.,]ndnantia\ 

8  uir[iuii]8;  13^  [ma]rilus\  18  metum:  qm\  43  note  eseo[,..]o  A;  43  «a[4i'~ 
iu;  V  1,  7  uerba  fundia:  eUgantior  (so  A);  8  dis]  [di]ues\  V  2,  9  hat  A 
M  statt  scüicei;  10  plurali[ter\]  11*  edormiscam:  dormiendo\   V  3,  3'  quid 

4:lam[an\do\  5  omni*\päiam\  10  traciemut  st.  tractamui\  34  queror  [de  iät]üs; 
38'  [licet]  statt  [liet];  42  hat  A  at  oder  u/;  48  inmoderata\  V  4, 1  [$ubd]ucta 
und  nume\ru8  sup]puiatur;  2*  usus:  lUUiias]  6'^  tristem  st.  tristam;  \%  fructi: 

uetustai  V  5,  4'  salu[tatio]\  V  6,  1  uoeaban[tur]\  7  usus:  utiiitatis;  V  7,  2 
Student]  st.  studens]^  4  et[...]  st.  e[ius]  nnd  [anim]o;  5  zum  schlusz  ist 
kein  räum  in  A;  V  7,  12  traduce]  analogieum  est  duee  [mag]is  quam;  23 
p[uerum  pe]perü;  V  8, 5  »/  ui  oder  ut  uu  statt  ut  cui;  V  3, 35  A  adoHscenlumu 


562  W.  Sludemund :  über  die  editio  princeps  der 

des  lateinischen  Sprachschatzes  aus  den  comikern  erwünscht  sind,  so 
mislich  ist  es  solche  aus  spSten  scholien  zum  Terenz  zu  entnehmen; 
wenn  aber  auch  ein  seruicus  (seruus)  *nach  analogie  von  ciuicus  {ciuisY 
existiert  hatte ,  so  ist  doch  die  andere  frage,  ob  es  lateinisch  wäre  zu 
sagen  quod  in  plurimis  comoediis  ciuicum  (bürgerart)  est,  die  zuge 
der  hs.  sind  zwar  etwas  verloschen  und  lassen  sich  allenfalls  mit  der 
U.schen  deutung  vereinigen,  fflgen  sich  aber  leichter  zu  der  offenbar 
echten  fassung  des  scholions:  ,quod  in  plurimis  comediis  (so)  scrib' 
tum  est.  das  neue  wurt  seruicum  schwindet  somit  wieder  aus  dem 
Sprachschatze. 

Zu  1  1,  12  liest  man  bei  U.  folgende  definilion  des  amor:  amor 
uero  inciiat  amens  \  [et  est"]  \  hominis  furor  praesens  mentis  sanita- 
1i[s]  I  nudatus,  nam  nescit  fixum  habere  ")  consilt[um\ ,  qui  amore  fit 
uagus.  die  worte  amor  incitat  amens  sind  völlig  unverständlich ;  der 
leser  wird  von  selbst  die  wortableilung  gemacht  haben,  welche  die  zOge 
der  hs.  ebenso  gut  zulassen:  amor  uero  incitata  mens  [est  uet]  ho- 
minis furor  praesens  mentis  sanitate  nudatus.  das  verbum  nudare 
kann  unmöglich  mit  dem  genetiv  verbunden  werden,  und  selbst  wenn 
die  zöge  des  codex  hart  am  rande ,  welche  ebenso  gut  die  form  sanitate 
wie  die  form  sanitatis  zulassen,  uuabweislich  an! sanitatis  führten,  so 
würde  die  endung  doch  nur  als  verschreibung  wegen  des  unmittelbar 
voraufgehenden  genetivs  mentis  aufzufassen  sein,  in  dem  gleich  darauf 
folgenden  cilat  aus  Verg.  ecL  2, 68,  welches  im  codex  als  besonderes  scho* 
lion  geschrieben  ist,  ist  quis  enim  modus  adsit  amanti  wol  nur  Schreib- 
fehler U.s  statt  amori^  wie  die  hss.  des  Verg.  geben  und  auch  A  hat. 

Zu  I  1,  31  steht  vor  stoicorum  ober  der  zeile  noch  ein  undeutliches 
hi  oder  in^  das  wol  nichts  weiter  bedeutet,  histoicorum  oder  insioico- 
rum  steht  wol  nur  statt  istoicorum  mit  häufigem  vulgärlateinischem  ver- 
schlag eines  i  im  eingange  der  mit  st  sp  usw.  beginnenden  Wörter ;  sonst 
könnte  es  auf  ein  irtümlich  versuchtes  historicorum  deuten. 

Zu  1  1,  34  steht  bei  calamitas  Einmal  als  interlinearglosse  euersio; 
am  rande  stehen  dann  ferner  wenige  in  den  zeilenanfängen  verstümmelte 
fragmente  eines  scholions,  das  U.  beispielsweise  so  ergänzen  will:  cala- 
mitas'] [damnum  per  tem'jpora,  damnum  sa[ne  .  .]  |  trus?  esse  putat 
si  quid  [Uli  do^lminus  donat,  bei  der  Vermutung  damnum  per  tempora 
ist  vielleicht  an  das  Donatische  scholion  zu  dieser  stelle  gedacht,  in  wel- 
chem esheiszt:  proprie  calamitatem  rustici  grandinem  dicunt^  quod 
comminuat  calamum  usw.  die  worte  damnum  per  tempora  lassen  sich 
doch  aber  nimmermehr  in  dem  sinne  von  ^schaden  durch  unwetter*  er- 
klären ;  diese  bedeutung  kann  tempora  nie  haben ;  welche  andere  bedeu- 
tung  der  hg.  gemeint  hat,  vermag  ich  nicht  zu  errathen.  wie  ferner  bei 
dieser  oder  einer  beliebigen  andern  bedeutung  der  nächste  satz  durch 
sane  angekudpft  werden  kann,  falls  dies  wort  nicht  ganz  müszig  dastebeo 


11)  der  codex  schreibt,  wie  oft,  obere,  mit  senkrechten  strichen 
bezeichne  ich  hier  nnd  im  folgenden  zeilenenden  resp.  -anfange,  die 
an  den  jetzt  beschnittenen  rand  des  blattes  grenzen. 


Terenz-scholien  des  codex  Bembious.  553 

soll,  leuclitet  ebenso  wenig  ein.  die  fassung  des  scholions  bleibt  un- 
verständlich; nur  so  viel  ist  sicher,  dasz  von  einer  definilion  wie  damnum 
per  iempora  nicht  die  rede  war.   statt  \pora  damnum  sa\  steht  vielmehr 

uorax  damnum  su  da,  statt  \irus  vielleicht  eher  \tret;  wie  grosz  die 
iQcken  zu  anfang  der  zeilen  seien,  kann  auf  keine  weise  gesagt  werden, 
dagegen  lautet  zu  diesem  verse  in  A  das  der  Donalischen  fassung  nahe 
stehende  scholion  so :  calamitas  dixii  (so :  schreib  dicitur)  grando  ab  eo 
quod  calamos  frangit,   so  von  der  älteren  band. 

In  dem  scholion  zu  I  2,  7.  8  hat  der  codex  gut  oeconomice  autem 
dixii  exclusionem^  nicht  dictt. 

Zu  1  2,  26  proin  heiszt  die  erklärung  in  A  nicht  propterea ,  son- 
dern propterg^  d.  h.  propier  quod. 

Zu  I  2,  98  lesen  wir  das  unverstandliche  scholion:  labascit:  labt 
incipit.  reprehendit  moUis  animi  dominum  seruus ^  qui  eo  iurgato- 
r  is  personam  sumii ,  quo  amoris  nutrialur  inlecebra.  gegen  das  wort 
iurgator  freilich  ist  nichts  einzuwenden,  obwol  ich  mich  nicht  entsinne 
es  anderswo  gelesen  zu  haben ;  die  femininale  form  iurgatrix  und  die 
Weiterbildung  iurgatorius  lassen  keinen  zweifei  zu  an  seiner  einstigen 
existenz.  was  aber  bedeutet  der  schlusz  des  scholions,  und  wie  kann  der 
mit  amoris  nutriaiur  inlecebra  ausgesprochene  gedanke  durch  (das  auf 
ein  im  vorhergehenden  satze  vorkommendes  eo  bezügliche?)  quo  mit  dem 
vorhergehenden  verknüpft  werden?  wie  kann  dadurch,  dasz  der  sklave 
die  rolle  eines  schellenden  seinem  verliebten  herrn  gegenüber  annimt,  die 
Verlockung  zur  liebe,  auch  nur  nach  des  dichters  absieht,  genährt  oder 
verstärkt  werden?  als  der  herr  in  folge  der  schmeichelnden  rede  seiner 
geliebten  trotz  seinem  entgegengesetzten  vorsatze  und  trotz  den  früheren 
gegenvorstellungen  seines  sklaven  sich  wieder  ganz  seiner  alten  willen-, 
losigkeit  hingibt,  ruft  der  sklave  aus  (v.  98) :  labascit^  uicius  uno  uerbo^ 
quam  cito!  und  dazu  bemerkt  der  sclioliast  richtig:  labascit:  labi  in^ 
cipil.  reprehendit  mollis  animi  dominum  seruus ,  qui  obiurgatoris 
personam  sumit.  denn  obiurgatoris^  nicht  eo  iurgaioris^  hat  die  hs.  gut» 
im  nächsten  verse  (99)  sagt  dann  die  geliebte  zu  dem  herrn:  ego  non  ex 
animo  misera  dico?  quam  ioco  Rem  uoluisti  a  me  iandem  quin  per- 
feceris?  und  bei  dem  ersten  dieser  verse,  zufällig  unmillelbar  an  das 
obige  scholion  grenzend,  steht  das  scholion:  quo  amoris  nutriiur 
(Dicht  nutriaiur)  inlecebra.  dies  ist  also  von  dem  vorigen  zu  trennen^ 
und  gehört  als  besonderes  scholion  zu  dem  worle  ioco  in  v.  99. 

Zu  I  2, 107  entnehme  ich  aus  MN  das  neue  (von  mir  in  A  nicht  ver- 
glichene) scholion:  macerabo:  adienuabo^  macrum  faciam. 

Zu  II  3,  45  schreibt  U.  mit  dem  codex:  labiis  demissis]  labellum 
pueri  habent.  ui  Vergilius  (ecl.  2,  34)  ^calamo  iriuisse  labellum*.  la- 
hrum  iuuenes  necdum  t7/t[f]")  labra  ä,  labia  mulieres  siue 
senes.  die  gesperrt  gedruckten  worte  ändert  U.  in  der  anmerkung  fol- 
gendermaszen :  labrum  iuuenes  necdum  Uli  labra  habent;  welchen  sinn 


12)  der  codex  hat  deutlich  ilHs,  nicht  illi\  die  eckige  klammer  mnss 
U.  hier  in  anderm  sinne  als  gewöhnlich  angewandt  haben. 


554  W.  Sludemund:  Gber  die  edilio  princeps  der 

bliese  änderuDg  herbeifahren  soll,  selie  ich  uiclil;  wenn  U.  unter  ifli  die 
pueri  versteht,  wie  kann  dann  necdum  als  verbindungspartikel  aoge* 
wandt  werden  ?  das  abgekürzte  ä  aber  des  codex  wies  schon  an  sich  auf 
«in  citat,  wie  denn  in  A  ein  groszer  teil  der  citierten  dichterfragmente 
^bbreviiert,  mit  bloszer  angäbe  der  anfangsbuchstaben  der  worle  ge- 
schrieben steht,  das  hier  verborgene  citat  für  labrum  ist  Verg.  ecl 
3,  47  necdum  iUit  labra  admoui,  es  ist  zu  schreiben:  labrum  iuue- 
nes:  ^necdum  Ulis  labra  admoui*;  labia  mulieres  usw. 

Zu  II  3,  66  schreibt  U.  senem  muliereml  tar[dum'i']  moVi»  cor- 
poris, was  soll  hier  iardum?  der  vers  des  Tereoz  heiszi:  Pab.  etinu- 
4:hum.  Gh.  illumne  obsecro  Inhonestum  hominem ,  quem  mercatus  est 
here^  senem^  mulieremf  A  gibt,  obwol  undeutlich,  einfach  richtig 
tarn  mollis  corporis. 

Zu  V  2,  6  in  der  erklflrung  des  angiporlus  weisen  die  zQge  in  A 
4illerdings  wehr,  wie  11  las,  auf  locum  angustum  als  auf  das  keineswegs 
unmögliche  uicum  angustum. 

Zu  V  2,  51  paululum  opperirier  Si  uis^  iam  f rater  ipse  hie 
<iderit  uirginis  heiszt  nach  U.  das  scholion  zu  opperirier  als  iofiniliv 
■expectare.  A  aber  hat  den  imperativ  expecta;  der  scholiast  sah  also  in 
opperirier  einen  infinitiv  statt  des  imperalivs  und  construierte :  paululum 
4)pperirier^  si  uis:  iam  frater  ipse  hie  aderit  uirginis. 

B.   die  scholien  der  altern  hand. 

Bei  eun.  V  2,  60  dabit  hie  pugnam  aliquam  denuo  steht  nach  U. 
-das  scholion:  pugnando  stuprum\  die  ausdrucksweise  wire  nicht  ge- 
schickt ;  mir  schien  vielmehr  einfach  pugnam  dixit  stuprum  dazustehen, 
und  so  las  auch  M. 

ZUM  HAUTONTIMORUMENOS. 

Zu  prol.  1  ü.:  seni]  id  est  mihi^  ut  Vergilius  pro  (?) debat 

'^ilum  pro  mih iSszt  sich  noch  herstellen;  der  greis,  welchem  die 

rolle  des  prologs  zugeteilt  ist,  nennt  sich  im  dativ  ebenso  seni  statt  mihi^ 
^ie  Aeneas  bei  Vergilius  11  674  in  seinem  bericht  an  Dido  sagt:  par- 
uomque  patri  iendebat  lulum  statt  mihi,  das  sdiolion  ist  also  so  her- 
zustellen: seni"]  id  est  ^mihP^  ut  Vergilius^*):  'paru[pmque patri  ten]- 
^ebat  lulum*  pro  *mfA[f]'.  auszerdem  steht  am  obern  rande  der  seile  zu 
diesem  seni  das  schoKon  seni:  hoc  illud  est  contamina\re  fabulas.  U. 
verlas  rem  statt  seni^*)  und  bezog  das  dann  unverstludliche  scholion 
zweifelnd  auf  prol.  18  id;  weshalh  er  den  text  des  regelrechten  senars 
hoc  illud  est  contamina\re  fabulas  unterbrach,  indem  er  am  zeileoende 

-eine  locke  [contamina re  steht  gedruckt)  annahm,  weisz  ich  nicht 

zu  sagen. 


13)  der  codex  schreibt  diesen  namen  fast  conseqnent  tir^.,   selten 

u 
^^9'    gleich  darauf  hat  er  richtig  pmii  und  ihan  (so).        14)  die  bacb« 

Jitaben  r  und  t  sind  in  dieser  schrift  schwer  su  scheiden. 


Terenz-scholien  des  codex  Bembinus.  555 

Zu  prol.  4  iniegr  com  (d.  h.  integram  comoediam):  nouatn  in 

■s sam  ut  Cicero  usw.  läszl  sich  wol  noch  sicher  ergänzen  durch 

nouatn  in  s\caena  nondum  ut]sam  usw.,  da  U.s  puncto  ebenso  wenig 
wie  in  dem  gleich  folgenden  citate  aus  Cicero  die  zahl  der  verlorenen 
buchstaben  bezeichnen. 

Zu  prol.  7  nouam]  eautontimorumenon  nouum  apud  Latinos  ist 

nouum  offenbar  nur  druckfehler  statt  des  richtigen  nouam  in  A. 

Zu  prol.  7  nouam  esse  ostendi  et  quae  esset]  ist  die  lesart  in  A  ge- 
?  ?  ?? 

Dauer:  *jwi'  acut\e  pro'lnuntialndum']  et  prositinf.  ,  .liiuum  es[,  .  .  .] 

iantum  pra^,  .  .  .]  cum  ergo  [..••]  grauia  et  [. .]  'Troiae  qui  plri" 
mus]  ab  oris*,  ob  und  welches  citat  in  den  Worten  von  tantum  an  steckt, 
vermag  ich  fem  von  allen  hölfsmitteln,  wie  ich  hier  bin,  nicht  zu  sagen; 
sollte  aber  nicht  in  den  zügen  hinter  pronuntia[ndum]  eine  Verderbnis 
stecken  und  etwa  et  postpositiuum  est  zu  ergänzen  sein?  die  stelle  wird 
mit  hülfe  von  tinctur  herstellbar  sein. 

Zu  prol.  9  (lef}]  in  hoc  syllaba  moram  rylhmus  accipit  ist  statt  in 
hac  nach  den  zagen  von  A  auch  denkbar  die  lesart  id:  ab  ac  (verschrie- 
ben, wie  oft,  statt  ab  hac)  syllaba  moram  rythmus  accipit. 

Zu  prol.  10  didicerim:  docet  poela^  discit  actor^  edunt  magist ri 
sei  zur  kennzeichnung  der  kritik  welche  M  ausübte  erwähnt  dasz  in  M 
magislri  aus  dem  offenbar  conjicierten  magistratus  corrigiert  ist. 

Zu  prol.  19  ist  als  doppeltes  scbolion  so  zu  schreiben:  aulumat] 
conftrmat^  dann:  diis  credit^  confidit. 

Zu  prol.  28  date  Crescendi  copiam]  honorem  polestatem  hat  A 
vielmehr  honore  potestatem. 

In  der  nähe  des  verses  24  etwa  stehen  noch  einige  fast  erloschene 
scholienfragmente,  in  denen  der  name  furü  vorzukommen  scheint;  auch 
hier  ist  das  endurteil  bis  zur  anwendung  von  tinctur  zu  verschieben; 
aller  Wahrscheinlichkeit  nach  waren  hier  die  freunde  des  Terenz  genannt, 
unter  denen  Scipio,  Lälius  und  Furius  nadi  der  Suetonischen  vita  eine 
hervorragende  stelle  einnahmen. 

Zu  prol.  32  decesse  kommt  aus  A  neu  hinzu  das  scbolion  decessisse. 

Zu  prol.  36  U. :  statariam"]  —  ut  siatariae  dicuntur  personae  aut 

moljori^ae.     statariae  dicuntur^  ubi personae  tranlquiliae"]  sunt,  mo- 

toriae  autem  ubi  sunt  [concfjtaltae  perso'jnae.     im  anfang  ist  ohne 

zweifei  einfach  zu  ergänzen  [a]ut  statariae  dicuntur  personae  aut  mo- 

Vtori^ae-,  die  erste  hälfte  des  folgenden  salzes  ist  von  U.  richtig  vervoll- 

twtt 
sländigt;  A  hat  statarie  dicuntur,  ubi persone  tranlq'juiUe  sunt,  dann 

aber  fährt  A  vielmehr  so  fort:  motoriae  autem  ubi  sunt ,.,  al Jui 

mali.  statt  des  Schlusses  von  sunt  ab  hat  M:  pro  (oder  po)  .  .  .  .  serui 
mali'y  M  hat  sunt  offenbar  nur  aus  versehen  vergessen,  sollte  demnach 
etwa  motoriae  autem,  ubi  sunt  proca[ces  (oder  periurt)  ser^ui  mali 
oder  dgl.  hergestelll  werden  müssen? 

Zu  prol.  60  ü. :  seruire"]  seruiendi  [uerbo  ueterum"]  more  (so  bat 

A  gut,  nicht  mora)  usus  eljstl,  cum  nos  [inseruire  dicamus"]  kann  das 


556  W.  Sludemund :  über  die  editio  princeps  der 

erste  wort  nach  teruiendi  nicht  richtig  ergänzt  seio;  nach  sicheren 
festen  begann  es  mit  s\  vielleicht  war  es  der  anfang  des  wertes  saepius^ 
welches  einfach  einzuschalten  wSre. 

Zu  I  1 9  1  quatnquam  haec  inier  nos  nuper  notitia  admodumst. 

dazu  steht  bei  Ü.  das  scholion dicat itur 

ciius;  A  scheint  nach  dicat  noch  ein  t  zu  haben,  und  am  schlusz  gibt  er 
vielmehr  ctiuo.  vielleicht  hiesz  das  scholion  also :  [injdicatiluus  ponlf- 
lur  pro  coniun[ctiuo;  der  inhalt  wSre  freilich  bei  der  construclion  mit 
quamquam  seltsam  genug. 

Zu  I  1,  20  kann  das  \ui\  bei  U.  einfach  mit  A  fehlen. 

Zu  1 1,  21  laszt  sich  das  scholion  nicht  mehr  herstellen;  die  geoaae 

f 
lesung  in  A  ist:  consumis]  [ ]rf  inpenditur  [ li«  dic/i 

.  .  .  .Jr  (oder  s)  quod  finiiur  [ ]e  consumi  [ ]  tervia 

' ^^' 

Dagegen  iSszt  sich  das  scholion  zu  1  1,  30  völlig  heilen;  U.  liest 

lahoris:  calamitatilsi]  «/....  breuiier  t Joes 

tremum  a  la .  die  locke  von  30  buchstaben  ist  nicht  vorhan- 
den; räum  im  codex  w9re  da,  aliein  es  ist  nichts  da  geschrieben  gewesen, 
überhaupt  sind  mehr  oder  weniger  alle  Umpfenbachschen  buchstaben- 
zahlen als  unsicher  anzusehen.  A  gibt:  lahoris :  calamitaiis,  ui  urg.  ei 
breuiter  /[ro]iatf  supremum  a.  lalhorem].  gemeint  ist  Verg.  Aen.  11 H 
et  breuiter  Troiae  supremum  audire  laborem. 

Zu  I  1 ,  72  gibt  U.  in  dem  citat  aus  Verg.  Jen.  XH  15  als  lesart 
von  A  sedent  spectantque  Latini;  A  aber  hat  ubereinstinraoend  mit  den 
hss.  des  Vergilius :  sedeant  spectentque  Latini. 

Zu  l  1,  76  vermutet  ü.  [ffora'jtius  mit  dem  citat  im[pium]lenite 
[clamorem'].  was  A  gewollt  habe,  ist  von  hier  aus  nicht  herauszubringen; 
nur  das  kann  gesagt  werden,  dasz  hinter  tius  weder  im  noch  t/i,  sondern 

wahrscheinlich  an  stand,  und  statt  knite  hat  er  lento.  vielleicht  gehören 
noch  zum  Schlüsse  dieses  scholious  nach  dem  ausfall  eiuer  kleinen  zeile 

folgende  unsichere  fragroente,  die  am  rande  von  v.  81  schimmern:  toto 
.  .  .  .  tur  (oder  tus)  [ ]. 

t  TT  Tt    t    ' 

Zu  I  1,  78  hat  A  genauer:  sumpto suman  [ ]  |  flrf  ü^ 

|_.  .  .  .J. 

Zu  I  1 ,  86  interea  usque]  parhelcon  ti  .  .  .  .  num  repetiuit  [us- 
que"].  das  wort  usque  kommt  nemlich  im  texte  schon  v.  84  vor.  der 
codex  hat  nam,  nicht  num\  danach  wird  herzustellen  sein:  parheld^ 
ui\  (d.  h.  uideturi);  nam  repetiuit  [usque']. 

Zu  I  1,88  inde  et  prorsa  oratio  dicitur^quae  recta  pr[o]/'er[fl]- 
tur  ne[c]  inflexa  cantilenis.  ü.  schreibt  In  diesem  scholiasteolatein 
den  conjunctiv  proferla^tur  gegen  das  zeugnis  von  A  statt  des  indicativs 
profertur^  obwol  er  ihm  sonst  z.  b.  im  gebrauch  der  conjunction  c«*« 
die  grösten  freiheiten  gestattet   auszerdem  hat  A  neque^  nicht  nee. 

Zu  I  1,  89  relinquo  steht  am  rande  das  scholionfragment:  re/i..*| 
^«J« ?  welches  vielleicht  so  zu  ergänzen  ist:  reli[nquo  pro  re^U^- 


Terenz-scholien  des  codex  Bembinus.  557 

Zu  I  1,  94  steht  auszer  dem  randscholion  zu  exerceo  nochmals  als 
glosse  adfligo. 

Zu  I  1,  108  adfuiurutn  esse  hie  gibt  U. :  ^hic*  nota^  non  *hoc^;  da 
das  ^hoc*  sinnlos  ist,  so  hat  MN  offenbar  richtiger  gelesen,  wenn  er  *hic* 
nota^  non  *huc*  schreibt;  ich  selbst  verglich  dies  scholion  nicht  mit  A. 

Zu  II  2,  2  U.:  uereor]  ^uereor*  dicitur  qui  raiionabüiter  ierre^ 
tur^  ^formido*  qui  sine  ratione,  wie  kann  aber  über  einen  menschen 
der  erschreckt  wird  gesagt  werden  *ich  fürchte  mich'?  dies  kann  doch 
nur  der  erschreckte  selbst  sagen;  es  musz  also  heiszen:  ^uereor*  dicit 
qui  rationabiliter  ierrelur  usw.  zum  flberflusz  hat  A  auch  richtig  dicit^ 
das  U.  stillschweigend  in  dicilur  änderte,  wenn  Calphurnius  mit  Infini- 
tiven erklärt:  uereri  dicitur  qui  raiionahiUter  ierretur^  formidare  qui 
sine  ratione,  so  ist  diese  ausdrucks weise  natörlich  in  der  orduung;  es 
wird  geboten  sein  nicht  hierin  die  quelle  der  (J.schen  änderung  zu  sehen, 
sondern  einen  einfachen  Schreibfehler  des  hg.  vorauszusetzen. 

Zu  II  3 ,  4  steht  nach  U.  in  A :  ancillarum  gregem]  ut  minorum 

pecorum  greges  et  maiorum  armenta  dicuntur,  ita  et  humilUmae  con- 
dicionis  homines  greges  appellantur»  der  ausdruck  wäre  bedenklich 
schief:  man  kann  doch  nicht  menschen  von  niederem  stände  an  sich  ^her- 
den'  sondern  nur  *vieh'  nennen;  nur  eine  Vereinigung  vieler  gleich- 
sam viehischer  menschen  aus  niederem  stände  kann  eine  'herde'  heiszen. 
der  scholiast  wollte  offenbar  sagen:  ^wie  man  beim  kleinvieh  von  greges 
und  beim  groszvieh  von  armenta  spricht,  so  spricht  man  auch  bei  men- 
schen von  ganz  niedrigem  stände  von  greges* ;  und  diesen  gedanken  er- 
reichte er,  indem  er,  wie  A  auch  bezeugt,  schrieb:  ut  minorum  pecorum 
greges  et  maiorum  armenta  dicuntur,  ita  et  humilUmae  condicionis 
hominum  greges  appeüantur,  es  würde  ein  verslosz  gegen  den  paral- 
lelismus  der  Satzglieder  sein ,  wenn  man  hinter  hominum  noch  ein  worl 
wie  etwa  congregationes  einschieben  wollte,  es  wird  das  wahre  treffen, 
wenn  wir  auch  in  dem  homines  U.s  nur  einen  schreib-  oder  druckfehler 
sehen. 

Zu  II  3,  16  inlerea  loci']  ^loci^  parhelcon,  nam  ^loci*  omni 
significationi  addi  solet,  Ennius  *  flamma  loci  postquam  concussa 
preturbine  saeuo*.  in  der  anmerkung  schlagt  U.  folgende  Änderung 
des  Ennianischen  verses  vor:  flamma  rogi postquam  concussast  turbine 
saeuo,  allein  es  ist  sicher  mehr  als  bedenklich ,  auf  diese  weise  kritik 
an  Ennianischen  fragmenten  zu  üben,  wir  kennen  den  vers  des  Ennius 
nur  aus  diesem  einzigen  citat;  er  wird  gerade  für  den  abundanteu  zusatz 
von  loci  zu  postquam  angeführt;  das  archaische  Latein  liebt  auch  sonst 
in  ähnlichen  Zusammenstellungen  den  zusatz  von  loci:  vgl.  interea  loci 
Plaut.  Men,  446;  Pseud.  266;  truc.  I  1,  11;  Ter.  eun.  1  2,  46  und 
II  2,  24;  haut,  II  3,  16 ;  Pacuvius  v.  76  R. ;  PI.  eist,  II  1, 53  ibidem  loci; 
Lucr.  V  438  inde  loci;  PI.  Stich,  758  postidea  loci,  ebenso  eist,  grex  3; 
übi  loci  PI.  rud,  1161,  capt.  958,  merc,  986  usw.  wenn  also  in  dem 
verse  des  Ennius  etwas  siciier  ist,  so  sind  es  die  zwei  zusammengehörigen 
Worte  loci  postquam.  dasz  loci  voransteht,  kann  in  dem  masze  des  hexa- 


558  W.  Sludemnni] :  über  die  editio  princeps  der 

meters  nicht  befremden,  sehr  wol  kann  sich  der  vers  auf  die  flamme 
eines  vorher  erwähnten  Scheiterhaufens  beziehen ,  und  mit  rCicIssicht  dar- 
auf, dasz  der  stofT  welcher  die  flamme  nährte  vorher  genannt  sein  wird, 
ist  auch  concussast  nicht  mit  früheren  in  conclusast  zu  ändern;  vgl.  z. K 
Plinius  episL IV  9, 11  ui  faces ignem  adsidua  concussione  cuüaditmt. 

Zu  11  3,  40  U.:  interuentum]  inieruenire  salutil  uenire  et  oppri- 
mere  aliquid  [celan]tetn  quod  celari  twn  possiL  statt  sa/ti/i  hat U. 
schon  richtig  subiio  vermutet,  und  so  hat  A  wirklich;  [ce/a»]fem  aber 
ist  nur  dem  sinne  nach  richtig  ergänzt;  das  wort  scheint  auf  -entern  aus- 
zugehen, so  dasz  vielleicht  an  [teg]entem  zu  denken  ist.  mehr  als  drei 
buchstaben  haben  vor  -entern  kaum  platz. 

Zu  n  3,  50  ist  es  für  die  lesaRl  des  scholiasten ,  der  capülos  pas- 
SOS  prolixos circum Caput  reiectos  neglegenter vor  sichgeliabt  zuhaben 
scheint,  während  wir  den  nom.  sing.  [capiUus  usw.)  lesen,  interessant, 
dasz  A  im  scholion  schreibt:  reiectos:  retro  iactos  an  iterum  iactos 
(oder  (actus,  unentscheidbar) ;  U.  las  stets  -us  als  endung. 

Zu  U  3,  52  U.:  subtemen  dictum  ab  eo  quod  subeat  stame[tt 

sub  (?)]  te(^)men  est  .  .  am  (?)  stamen  quod läszt  sich  bis  auf 

den  verloren  gegangenen  schlusz  sicher  vervollständigen:  A  nemlich  gibt 

a 
hinter  subeat  folgendes:  stame^. .  . .]  temen  est  [JJram  [.]  siemen{^o) 

quod .    danach  ist  zu  schreiben :  subtemen  dictum  ab  eo  quod 

subeat  stame[n;  sub^temen  est  [ßraml/t],  stamen  quod ■•  ^^^ 

schlusz  ist  nicht  errathbar.  zu  trama  vgl.  Servius  zu  Jen.  111  483  und 
die  bedeutung  des  italiänischen  trama,  an  tram[e]  d.  h.  tramen  statt 
trama  mit  vergleichung  von  nolae  Tir.  s.  160  zu  denken  ist  unnötig. 

Zu  II  3,  54  inluuie]  propter  [inlu]uiem  hat  A  richtig  die  endung 
'Uiem,  nicht  -titae,  wie  U.  angibt. 

Zu  II  3,  68  sciebam :  horum  uerborum  quae  tertiae  coniugalionis 

sunt  ....  cer tempora  declinaiionem  habent.    seruimus  [itr- 

tit]em[ti«] ,  scimus  sciemus,  nutrimus  nutriemus.  der  hg.  begnägtsich 
mit  der  milteilung  dieser  fragmente.  in  der  einleitung  musz  notwendig 
ausgesprochen  sein,  dasz  es  eine  doppelte  art  der  tempusbildung  bei 
diesen  vcrhen  gibt,  die  zfige  in  A  sind  an  den  punctierten  stellen  aller- 
dings sehr  verloschen,  doch  glaubte  ich  folgendes  zu  erkennen:  sciebam: 

horum  uerborum  quae  tertiae  coniugationis  sunt  dupplicem  abent  tem- 
pore declinationem  abent.    seruimus  [serui']em[us^,  scimus  sciemuSj 

5 
nutrimus  nutriemus  {so),   damit  stimmt  im  allgemeinen,  was  M  copierle: 

er  schreibt  coniugationis  sunt duplicem  habent  (so)  tempore» 

declinationem  abent  usw.  die  Schreibfehler  dupplicem  und  abent  (ao 
erster  stelle)  verbesserte  M  stillschweigend ;  er  sah  auch  ein  dasz  das  eine 
der  beiden  ahent  zu  viel  steht  und  strich  daher  das  erste  gut;  eBdlicn 
hat  M  tempore  stillschweigend  in  temporum  geändert,  ob  nach  sunt 
eine  Iflcke  anzunehmen  ist  oder  nicht,  kann  nicht  gesagt  werden,  v' 
damit  jetzt  der  beschnittene  rand  der  seile  erreicht  ist;  war  keioelScite 
da,  so  wird  man  zu  schreiben  haben:  horum  uerborum,  quae  tertiae 


Terenx-scholien  des  codex  Bembinus.  559 

coniugationis  suni^  dupUcem  iempora  declinationem  habent;  war  aber 
eine  lAcke  da ,  so  könnte  man  z.  b.  an  horum  uerborum  q.  U  c.  $.  [non' 
nulla]  duplicem  temporum  declinationem  habent  denken,  was  das 
durchstrichene  9  in  A  Ober  nutriemus  soll ,  weiss  ich  nicht,  es  folgen 
dann  in  A  zwei  beispiele  aus  Vergilius  fär  die  formen  nutribani  and  tn* 
tignibai  (so  schon  M  gut,  A  hat  insignibant);  dahinter  schimmern  noch 

die  unverstandlichen  zflge:  hie  (oder  ine)  adr.  nem^  welche  wahrschein- 
lich fragmente  eines  dritten  citates  aus  Vergilius  enthalten. 

Zu  II  3,  79  ü. :  enimuero:  no[(a  enirn\uero  semper  [uerba]  sto- 
machant[i8  introdu]eere.   die  beiden  letzten  ergSnzungen  sind  unrichtig; 

A  hat  jetzt  semper  f[ ]  sihoma€anti[8 ]/ere.    zur  zeit 

des  Polilianus  kann  die  erste  stelle  sehr  wol  noch  weiter  lesbar  gewesen 

sein;  daher  verdient  es  beachtung  dasz  M  schreibt:  semper  initi 

siomachantis tere;  vielleicht  ist  zu  schreiben:  enimuero:  no[ta 

enim^uero  semper  iniii[o  uerborum"]  stomachanti[s  compe^tere  oder  dgl. 

Zu  II  3,  82  U. :  haut  stuUe  sapis"]  ironice  hat  A  vielmehr  stülie] 
ironia,  wie  es  gleich  darauf  zu  v.  92  heiszt  stomachosa  ironia  est  (in 
diesem  scholion  ist  die  Iticke  zwischen  modo  und  amaio  als  viel  gröszer 
anzugeben.) 

II  3,  111  hebzt  es  bei  Terenz:  immOy  Syre^  Et  me  et  meum 
amorem  et  famam  permitto  tibi.  Tu  es  iudex:  ne  quid  accusandus 
sis  uide,  dazu  steht  in  A  nach  U.s  herstellung  folgendes  widersinnige 
scholion:  iudex:  magna  necessitas  äbstinendi peccato  est  iudicem  dici, 
^nam  quis  huic  ignoscat  qui  uindex  debeat  esse  peccati?*  inqui[t  cui 
omnis  (?}]  poiestas  est  et  in  eo  rei  sunt  fama  fortuna  res  positae  (?). 
das  inquit  mit  den  vorhergehenden  an fQhrungss trieben  läszt  keinen  zweifel 
daran ,  dasz  U.  die  worte  nam  quis  bis  peccati  von  dem  spät  nachfolgen- 
den inquit  abhängig  machte,  aber  wie  kann  denn  derjenige,  in  dessen 
handen  die  macht  und  ruf,  glück,  ergehen  des  angeklagten  liegt,  d.  h. 
wie  kann  der  iudex  selbst  (d.  h«  in  diesem  falle  der  sklave  Synis)  den 
gedauken  aussprechen:  *wer  möchte  dem  einen  fehler  verzeihen  qui 
uindex  debeat  esse  peccatiV  diesen  gedauken  kann  doch  nur  der  an- 
dere Sprecher  (Clitipho),  welcher  dem  iudex  Syrus  sein  ganzes  woler- 
gelien  in  die  band  gibt,  kundgeben,  und  Clitipho  spricht  ihn  im  texte  des 
Terenz  auch  wirklich  aus.  vor  der  Sinnlosigkeit  des  gedankens  kommt 
die  seltsam  nachklappende  Stellung  des  Wortes  inquit  gar  nicht  einmal  in 
betracht.  der  codex  ist  zwar  an  der  entscheidenden  stelle  Iflckenhafi, 
zeigt  aber  doch  wenigstens  den  weg  zur  emendation.  statt  des  Umpfen- 
bachschen  inqui{t  cui  omnis]  hat  er  vielmehr  ein  den  buchslaben  %n  ahn- 
liches zeichen,  welches  wol  den  anfang  eines  neuen  scholions  bezeichnet, 

und  dann  quia  ;  der  rest  des  randes  ist  abgeschnitten,    wir 

haben  also  zwei  scbolien:  das  erste  zu  iudex  heiszt:  magna  necessitas 
äbstinendi  peccato  est  iudicem  dici.  nam  quis  huic  ignoscat^  qui  uin^ 
äex  debeat  esse  peccati?  das  zweite  scholion  (zu  ne  quid  accusandus 
sis  uide)  wird  so  herzustellen  sein :  quia  [penes  eum]  potestas  est  et 
in  eo  rei  sunt  fama  fortuna  res  positae. 


560  W.  Studemund:  Qber  die  editio  princeps  der 

Zu  11  3,  117  U.:  scilicet  faciurum  tne  esse]  ^scilicet*  naturalHer 
infinitiuo  modo  seruiL  U.  änderte  infinitiuo  modo  stiUschweigeod 
gegen  die  lesart  in  A  infinito  modo,  auch  hier  liegt  wo]  nur  ein  Schreib- 
fehler des  hg.  vor,  und  es  ist  öberflQssig  daran  zu  erinnern,  dasz  dieser 
modus  in  der  lateinischen  spräche  besser  inßnüus  als  infinitiuus  heisil. 

Zu  11  3,  120  corriglert  ü.:  perdoctasl  probe]  aut  ^per^  parhel- 
con  abundat  aut  ^probe\  siMparhelcon  las  U.  in  kpoeca^  A  iiat  aber 
vielmehr  poeta ,  die  buchstaben  c  und  t  sind  in  dieser  scholienschrifl  oft 
scliwer  zu  unterscheiden,  die  änderung  parhelcon  liegt  sicher  zu  weit 
von  der  lesart  poeta  ab ;  es  ist  einfach  poetice  dafür  herzustellen,  dasz 
U.  auf  diese  nächstliegende  correctur  nicht  verfiel,  ist  um  so  auffallender, 
weil  ein  wörtlich  mit  dem  unsrigen  ilbereinslimmendes  scholion  des  Cal- 
phurnius  schon  poetice  hat.  vgl.  das  von  mir  s.569  zu  ad.  V  3,7  bemerl^te. 

11  3,  129.  130  patrem  nouisti  ad  has  res  quam  sit perspicax: 
Ego  te  autem  noui  quam  esse  soleas  inpotens,     nach  U.  beiszen  die 

fragmente  eines  scholions  zu  perspicax  so:  adperspic minor 

poie suum  inp aliter tens.    obwol  ich  es 

nicht  mit  A  verglich,  so  wird  es  doch  gewis  in  zwei  scholien  zu  zerlegen 
sein,  deren  erstes  zu  perspicax^  und  deren  zweites  zu  inpotens  gehört; 
M  nemlich  gibt  als  note  zu  inpotens  an:  minus  potens^  und  das  tninor 
pote  —  bei  U.  ist  offenbar,  da  or  und  us  so  ähnlich  in  der  hs.  sind, nur 
statt  minus  potel/is]  verlesen. 

Zu  II  3,138U.:  saltim:  ultima  \linear].  der  hg.  fugt  hinzu:  'Unea 
vermutet  nach  eun.  IV  2,  12.'  in  dem  verse  des  Haut,  heiszt  der  teil: 
Glit.  sine.  St.  non  sinam,  inquam.  Glit.  quaeso^  paulisper.  Sr. 
uelo.  Glit.  Sattem  salutare.  Glitipho  wönscht  also  das  mädcben 
wenigstens  zu  begruszen,  wenn  ihm  nicht  mehr  gestattet  sei.  was  siebt 
nun  im  Eunuchus  an  der  von  U.  zur  begründung  seiner  conjectur  herbei- 
gezogenen stelle?  si  non  tangendi  copiast^  Eho  ne  uidendi quidem eriV 
si  illud  non  licet ,  Sattem  hoc  licebit.  certe  extrema  linea  Amare 
haud  nihil  est.  zu  certe  extrema  linea  heiszt  Donats  scholion:  ei^ 
rede :  quia  quinque  lineae  perfectae  sunt  ad  amorem.  prima  uisus^ 
secunda  loqui^  tertia  tactus^  quarta  osculari^  quinta  coitus.  an  sie 
dixit  ^extrema  linea* ^  quemadmodum  dicitur  Uongis  lineis*  quid  fieri^ 
id  est  ^de  longinquo*.  die  worte  extrema  linea  im  Eunuchus  sind  docb 
nimmer  gleichbedeutend  mit  sattem,  wenn,  wie  U.  wol  wirklich  annimt? 
sattem  hoc  licebit  genau  entspricht  dem  cert€  extrema  linea  amare  haud 
nihil  est,  so  entspricht  doch  dem  sattem  nur  das  certe,  und  das  extrema 
linea  amare  dem  hoc.  in  dem  texte  des  Eunuchus  hat  sattem  mit  dem 
formelhaften  extrema  linea  nichts  gemein  als  dasz  es  zufällig  in  dem- 
selben verse  vorkommt  eine  andere  möglichkeit,  um  zu  erkläreo  wie 
U.  auf  diese  reslitution  verfiel,  wäre  an  die  worte  des  Donatus  ober 
die  fünf  stufen  auf  dem  liebeswege  zu  denken ;  die  worte  ultima  [lineo] 
würden  dann  aber  nicht  sowol  zu  sattem  als  vielmehr  zu  salutare  ge* 
hören;  gilt  aber  einmal  die  Donatische  Stufenfolge,  so  kann  das  salutare 
nicht  die  ultima  sondern  nur  die  prima  oder  secunda  genannt  werden, 
ganz  einfach  zeigt  auch  hier  A  den  weg  zur  Verbesserung :  hinter  uUinK^ 


Terenz-scholien  des  codex  Bembinus.  561 


T? 


folgt  noch  pet[^ — "],  es  ist  also  zu  schreiben  sallim:  ultima  pet\itio\. 
Clitipho  bringt  als  letzte  bitte  die  vor,  das  Mädchen  wenigstens  be- 
grOszen  zu  dürfen. 

Zu  II 4, 5  U. :  in  animo]  abunda  t  hat  A  vielmehr  ebenso  gut  abun  de. 

Zu  11  4,  7  et  U08  esse  istiusmodi  soll  in  A  das  scholion  boni  scilicet 
sieben,  das  schon  U.  in  bonos  scilicet  corrigierte ;  A  selbst  aber  hat  schon 
deutlichst  bonos. 

Zu  114,  11  schreibt  U.  das  scholion  ab  his  gut  ob  amorem  fre- 
quentes  erant  zu  dem  worte  prospectum  in  dem  verse  nisi  si  prospec- 
tum  interea  aliquid  est ,  desertae  uiuimus  durchaus  gegen  den  sinn  der 
stelle;  es  bedarf  nur  der  einfachen  erinnerung,  um  es  zu  desertae  zuge- 
schrieben zu  erachten. 

Zu  111  1,  5 — 7  hat  A  genauer  ut  celem  t.  ins.  g  oder  tarn  s,  g^  und 
11  wiridlch  uel  quod  sacris  (nicht  sacres^  kaum  sacras)  eminent. 

Zu  III  1,  17  sed  ipsum  foras  egressum  uideo:  f6o,  odloguar 

gibt  ü.  das  scholionfragment:  haec tis  indic ;   hinter 

haec  erkennt  man  noch  asynde^  womit  der  beschnittene  rand  der  seite 
erreicht  ist;  also  kann  man  wol  schreiben:  haec  (d.  b.  die  beiden  worte 
ibo  und  adloquor)  asyndetis  indicantur. 

Zu  III  1,  35  musz  irgend  ein  augenblickliches  versehen  U.s  vor- 
liegen; er  stellt  das  scholion  so  her:  commeare:  ad[fector]e^  uenire. 
legitur  [etiam']  commetore  quod  (so  A  gut)  uenit  usw.  fär  die  Ver- 
mutung adfectore  citiert  er  als  parallelstelle  haut.  II  3,  60  qui  adfec- 
iant  uiam.  da  steht  doch  aber  nicht  adfectore  aliein,  sondern  adfectore 
uiom  im  sinne  von  commeore ;  ebenso  in  dem  vom  Bembinus-scholiasten 
zu  haut.  II  3,  60  angeführten  citate  aus  Verg.  georg.  IV  562  steht  wie- 
der uiamque  odfectat  Olympo.   der  codex  Uszt  uns  auch  hier  nicht  im 

Stiche;  er  gibt  commeore:  odsi\.  ue  uenire  d.  h.  commeore:  odsilcßue 
uenire. 

Zu  III  1,  40  ist  es  mindestens  kühn,  wenn  U.  das  kleine  scholion- 
fragment argitot(l)iy  dessen  lemma  man  nicht  einmal  weisz,  zu  [(]orgitoti 
durch  eigene  coi^ectur  ergänzt,  und  dabei  bemerkt  '/ar^iton*  ist  Plaut. 
Irin,  ill  3,  14  nach  dem  Ambr.  in  largiri  gebessert',  ist  aber  lorgiri 
statt  largit€uri  an  jener  stelle  des  Trinummus  eine  wirkliche  'besserung', 
so  schwindet  damit  jede  beglaubigung  für  die  conjectur  largitoH\  an  der 
stelle  des  Trinummus  ist  lorgitori  nur  Vermutung  von  Camerarius ,  keine 
hs.  bestätigt  sie;  eine  form  von  lorgitori  steckt  also  nicht  in  unserm 
fragment,  welches  nach  anwendung  von  tinctur  sicher  lesbar  sein  wird; 
ist  die  iesung  U.s ,  die  ich  nicht  verificiert  habe,  richtig,  so  vgl.  man  das 
scholion  des  Calphurnius:  quiduis  dare  cupis"]  et  hoc  est  nimioe  lar- 
gitotis. 

Zu  III  1,70  U.:  proditurum:  obiecturum otque  negoturum,  nam 
prodere  est  porro  dore  (das  letzte  wort  ist  sicher  in  A).  man  sieht 
nicht  ein,  wie  proditurum  hier  durch  negoturum  erklärt  werden  kann; 
der  vers  lautet:  prius  proditurum  te  tuam  uitom  et  prius  Pecuniom 
cmnemj  quom  obs  te  omiltos  filium.    die  buchstaben  sind  allerdings 

jAhrbachttT  mr  clast.  philol.  1868  hfU  8.  37 


562  W.  Studemund :  Ober  die  editio  princeps  der 

nicht  sehr  deutlich,  doch  erkennt  man  unschwer  das  richtige  neglecturum 
statt  negaturum. 

Zu  111  1,  76  in  der  nole  zu  putabit  heiszt  es  nach  U.:  proprio 


ie  d.  [esse  dici 
Va]  es9e  dicitur  vor; 


4amen  putare  purgare  est^  unde  arbor  pute[ia 
tur).  es  liegt  zunächst  ein  druckfehler  sUXi  puta 
aber  wer  gebraucht  in  diesem  falle  den  Infinitiv  des  perfecta?   A  hattin^i^ 

arbor  puta\'i  id,^  das  man  wol  auch,  falls  nicht  mehr  fehlt,  alsjm/orf 
dicitur  deuten  darf.  M  lialf  sich,  indem  er  gegen  die  zQge  in  A  abschrieb 
putatur. 

Zu  III  1,  99  als  beispiel  für  den  gebrauch  von  dissolui  hat  A  nach 
vervollständigter  lesung:  Cicero  ^dissot[ui  nut]lo  modo  possuni*  inin- 

T  TT 

ueciiuis m  prim  (oder  princ) die  erste  IQcke 

liesze  sich  etwa  durch  inuectiuis  [in  Caiüina']m  ausfüllen ;  was  aber  mit 
den  folgenden  resten  zu  machen  ist,  welsz  ich  nicht,  da  das  citat  aus  Cic 
in  Cat,  II  8,  18  entnommen  ist. 

Zu  III  2,  3  bezog  U.  ein  von  ihm  ergänztes  scholion  est  de  insidns 
[struere  et]  bene  dicitur  auf  das  wort  struere  im  texte  des  v.  3 ;  es  be- 
zieht sich  aber  dies  scholion  auf  intendenda  in  v.  2 ;  hinter  insidOs  ist 
vielleicht  gar  keine  Iflcke,  und  nicht  est  steht  zu  anfang  in  A,  sondern  et. 
danach  wird  man  schreiben:  2  intendenda"]  et  de  insidiis  bene  dicitur. 

Zu  III  2 ,  27  U. :   quippe  qui]  parhelcon.    si  i itaqu^ 

{abun]dat  [qut],  statt  sit  hat  A  zwei  wie  it  oder  allenfalls  qq  aas- 
sehende Züge;  geroeint  ist  vielleicht  parhelcon  q,  q.  (d.  h.  quippe  qui; 
toCto  ist  nicht  wahrscheinlich);  itaq[ue  abun]dat  q[ui]. 

Zu  III  2,  38  das  scholion  in  promis[sio]ne  dicit,  non  [in]  falUndo 
gehört  nicht  zu  melior^  wie  U.  meint ,  sondern  offenbar  zu  mentiri. 

ZUM  PHORMIO. 

Die  genaue  Übereinstimmung  mit  Donat  macht  die  ergSnzung  Ificlsen- 
hafter  noten  in  dem  eingange  dieser  comödie  leichter;  doch  lehrt  ein  blick 
auf  das  scholion  zu  prol.  1 ,  dasz  im  einzelnen  nicht  völlige  Übereinstim- 
mung mit  unseren  hss.  des  Donatus  hergestellt  zu  werden  braucht;  so 
ist  es  aus  räumlichen  gründen  wahrscheinlicher,  dasz  zum  Schlüsse  dieses 
scholions  in  A  etwa  stand :  [quamqua]m  sunt  qui  [postquam  pro  q]uO' 
niam  ac[cipiant]  als  accipi  uelint^  wie  Donat  hat. 

Zu  prol.  2  liest  U. :  transdere]  trarde  (sie)  ueteres  sonantius,  nem 
nos  lenius  tradere^  ut  e  contrario  Uli  tralatum  ^  nos  iranslatum,  die 
form  trarde  wäre  seltsam  schnarrend,  r  und  s  sehen  sich  in  A  sehr  ähn- 
lich, A  hat  trasde,  was  man  in  trasdere  zu  verbessern  hat;  im  folgenden 
schreibt  U.  mit  Donat  lenius^  A  aber  hat  leuius,  und  diese  lesart  scheint 
durchaus  nicht  verwerflich,  da  die  silbe  durch  ausfall  der  consonanien 
recht  eigentlich  'erleichtert'  wird. 

Zu  prol.  13*  ist  die  lesart  in  A:  lacessisset]  suffecerat  Uacessisse^ 
(verbessere  lacessisset)  an  etiam  prior  potuisset.  zu  dem  an  vgl.  scbo). 
Bemb.  zu  haut.  II  3,  50  ^ 


Terenz-scholien  des  codex  Bembinus.  563 

Zu  prol.  17. 18  in  der  erklärung  von  amnibus  schreibt  A.:  plaUcae 
(oder  flaticae  odeT^^aiieae)  et  nouis  eiueteribus;  statt p/a/ica«  schlägt 
U.  vor  poeiis;  sollte  nicht,  wie  auch  sonst,  einfach  poeiice  gemeint  sein? 

Zu  prol.  18  vermutet  U.:  ad  famem]  [probt]  uendere  solebani 
poetae  quidquid  scribiissent\  es  fällt  namentlich  die  isolierte  voran- 
Stellung  des  worles  probi  auf.  U.  entnahm  es  aus  Donat,  wo  es  heiszt: 
nam  poetae  probt  suas  uendebant  fabulas.  A  gibt  natürlicher:  ad 
famem]  nam  uendere  solebant  poetae  usw. 

Zu  prol.  24  uelim  kommt  neu  hinzu  das  scholion:  deesi  queris^ 
welches  in  deest  quaeritis  zu  corrigieren  ist. 

Zu  prol.  26'  sind  folgende  lesefehler  U.s  zu  berichtigen:  z.  1  dici' 

tur  (gut)  statt  dicatur;  t,  2  tiel  ex  [ ]\capacitaie;  z.  3  syllaba 

(gut)  apud  ApoUodorum  e[9t^  non  a  for]mula\  z.  7  q)apfiiovv€M ; 
z.  8  non  qpuipfiov  (oder  non  q)ap^ov);  z.  8.  9  producimus  (gut). 

Zu  1 1, 1'  im  citat  heiszt  es  nicht  sordidum  popularemque  eignem] 
in  A ,  sondern  sordidum  popularemque  ciuitaii  |. 

Zu  1  1,  2.  3  verzweifelte  U.  an  dem  anfang  des  scholions;  wenig- 
stens der  eingang  desselben  läszt  sich  aber  wol  mit  hülfe  Donats  heraus- 
bringen, ich  glaubte  in  A  zu  erkennen dimi 

TT  » 

in  ser  .  .  .  summar pausUlulum:  lquartu]8  gradus  di- 

[minuiionis] ,  pauJum  [paululum  pausiUum  p<m]xinulum ;  der  Wortlaut 
selbst  wird  nicht  sicher  herstellbar  sein;  dem  sinne  nach  wird  etwa  da- 
gestanden haben:  ratiuncula]  [opporiuna]  dimi[nutio]  in  8er[uo]rum 
fnax[ima  paupertate].  pausillulum  usw. 

Zu  I  1,  4  U.  mit  Donatus:  [conficerem:  prop]rie.  nam  [fieri  pe- 
cunid]  dicebatur,  [Sallustius  usw.]  allein  die  angäbe  über  die  reste  in  A 

ist  ungenau ;  A  hat riae,  nam  [fieri  pecunia]m  diceba[,  .  .  . 

.  .  .];  danach  wird  man  versuchen  müssen:  [conficerem : prop]rie.  nam 
[fieri  pecunia]m  diceba[nt.   Sallustius  usw. 

Zu  I  1,  7  ergänzt  U.  so :  [dicit  potius]  generaliter  [M  qui  m{]nus 
habent^  diui[tioribus :  ne]  dicat  serui  domi[nis];  da  aber  A  dicit  statt 
dicat  deutlich  darbietet,  so  ist  das  scholion  so  herzustellen:  [dicit po- 

tiu]s  generaliter  *[äi  qui  mi]nus  habent  diui[iioribu8^^  non]  dicit 
*  serui  domi[nis]\ 

Zu  II, 8  U.:  mire  ^addant*  non  *denf,  non  ^aliquando*  sed  ^sen»- 
per^  fügt  A  gut  et  vor  non  ^aliquando*  ein  (ebenso  auch  Donatus). 

Zu  1 1 ,  9  läszt  sich  die  fassung  des  scholions  nicht  mehr  errathen, 

TTTT 

die  lesart  von  A  aber  etwa  so  angeben: boten  expenis J 

er[.]t  Sic  sester  [t a]ssis  in  sester[t ]  ario  assis  [ — 

T  TT 

]d  ergo  ype[rbolicos ]  unciam  dixit   die  lücken  zu 

anfang  der  zeilen  waren  wahrscheinlich  immer  gleich  grosz. 

Zu  I  2,  4 '  redibitio  debiti  hoc  agitj  ne  oderimus — rem^ 

läszt  sich,  da  die  zahl  20  viel  zu  hoch  gegriffen  sein  kann,  vielleicht  so 
ergänzen :  ne  oderimus  [debito]rem. 

37  • 


564  W.  Studemuod :  Aber  die  editio  priDceps  der 

Za  1  2,  4*  kommt  ror  tit  Jndria  aas  A  hinzu  et;  zu  fl  2,  5  scheint 
mehr  aUquit  als  reliquii  dazustehen ,  also  Tielleicht  et  de[est']  [aKquit  ut 

];  zu  Ul  3,  10  iriumpho]  g audio  hei  U.  ist  verlesen  statt 

gauifeo,  was  auch  der  sinn  erfordert,  da  triumpho  Terbum  ist 

IV  3,  42  parui  rettulit  nan  suscepitte  (sc.  fiHam).  zu  sus- 
cepisse  soll  nach  U.  die  seltsame  glosse  uouisse  heigeschrieben  sein; 
A  hat  vielmehr  richtig  abuisse  d.  h.  habuisse, 

IV  4,  9  quid  minus  uiihüe  fuit  quam  hoc  uolnus  (so  der  Bembinus, 
die  andern  hss.  ulcus)  tätigere?   zu  diesem  verse  erkannte  U.  folgendes 

scholionfragmenl:  uiliosum cti/i,  das  er  in  uitiosum  uulnus  andern 

zu  dürfen  glaubt;  es  gäbe  das  einen  seltsamen  gedanken;  A  hat  vielmehr 

uitiosum  e eulosum ,  was  man  auf  minus  utibile  zu  beziehen  und 

so  zu  ergänzen  haben  wird :  uitiosum  e[t  per{]cuJosum, 

Zu  V  1,  5  scheint  der  genetiv  nicht  mit  U.  georgicon  sondern  geor- 
gicor.  d.  b.  georgicorum  in  A  gelautet  zu  haben ;  V  3 ,  3  re]  pecunia 
uel  argento  fehlt  das  uel  in  A ,  es  ist  auch  überflOssig. 

ZU  DEN  ADELPHOE. 

Zu  111 2, 4  U. :  ^uällata*  enim  dicimus  terrae  aggerem^  int  er  quem 
latentes  figimus  uallos.  A  hat  statt  inter  besser  intra  und  vielleicht 
latenter  statt  latentes;  111  2,  15  am  scblusz  fehlt  ulciscar  in  A;  zu  111 2, 
16  U. :  hoc  est  quod  supra  ait  ^familiam  dari  m.  s.*  liat  A  vielmehr  rich- 
tig: hoc  est  quod  supra  ait  *  tot  am  familiam  dari  m.  6.  (d.  h.  mihi 
obuiamy. 

Zu  III  2,  16'  U.:  produxit  scelusl  non  dicit  sceleratum^  sed  no- 
mine facinoris  appe^Jlauit"] ;  A  hat  zunächst  dixit  statt  dicit^ 

wie  aucli  gleich  darauf  das  perfectum  appellauit  folgt ;  der  schlusz  hinter 
appe  ist  jetzt  abgeschnitten,  kann  aber  zur  zeit  des  Polilianus  noch 
lesbar  gewesen  sein;  F  schlieszt  das  scholion  schon  mit  facinoris;  M 
aber  gibt  appellauit  hominem^  womit  jedenfalls  das  richtige  sei  es  aus 
erneuter  einsieht  von  A ,  sei  es  aus  conjectur  getroffen  ist. 

Zu  111  2,  23  U.:  notandum  ^quisquis  es*  de  femina  dici,  an  incer- 
tus  [a]  (dies  a  fehlt  in  A  ohne  lücke  aus  versehen)  quo  reuocetur^  uirum 
pulat?  sed  uoce  discemitur.  das  fehlende  subject  des  letzten  satzes 
ergänzt  A  selbst  gut;  er  hat:  sed  sexus  uoce  discernitur;  auch  v.  30 
kommt  vor  dem  ausruf  inpudentiam  singularlem"] !  wol  noch  eine  aus- 
rufpartikel  o  hinzu,  falls  dies  nicht  etwa  ein  zeichen  ist,  um  die  stelle 
des  texles  zu  bezeichnen,  zu  der  die  bemerkung  beigeschrieben  ist; 
sicher  dagegen  kommt  das  zweite  negat  neu  aus  A  hinzu  32'  decepta 
promissis  negat  fidem  rerum^  negat  fidem  esse  personae,  und  ebenso 
hdrte  v.  37  das  cilat  aus  Verg.  Jen.  XII  156.  157  nicht,  wie  U.  meint, 
mit  Saturnila  ii/no]  auf,  sondern  gieng  noch  weiter  fort  so :  satum,  i. 
a,  et  f.  [s,  q,"]  m.  [e,  m.]  d.  h.  Saturnia  luno  Adcelera  et  fratrem ,  si 
quis  modus,  eripe  morti. 

Zu  111 3,43 ü. :  olfecissem"]  [na'jribus essem  scrutatus  [et  est^ca- 
^  sagacitas;  durch  welche  conjunction  die  canina  (denn  so  scheint  A 


Terenz-scholien  des  codex  Bembious.  565 

eher  zu  haben  als  canum)  sagacitas  anzuknflpfen  sei,  ist  zweifelhaft; 

hesser  wol  so :  scrutatus ,  [ut]  est  canina  sagacitas  oder  Ähnlich. 

Zu  111  3,  46  ergänzt  U.:  pulat  oportune  fieri,  cum  praeuide[t 
fu]tura  serio;  was  diese  erg9nzung  hier  soll,  verstehe  ich  nicht;  mir 
schien  in  A  vielmehr  zu  stehen :  pulat  oportune  fieri^  cum  preuideatur 
a  seruo^  und  so  (nur  mit  der  orthographischen  besserung  praeuideatur) 
las  auch  MN. 

III  3,  47  heiszt  es  bei  Terenz:  ahigam  hunc  rus,  tarn  dudum  alt- 
quid  ruri  agere  arbitror,  wenn  nun  in  A  zwei  schollen  stehen,  deren 
erstes  sich  auf  rus,  und  deren  zweites  sich  auf  ruri  bezieht,  und  darauf 
von  einem  unterschied  die  rede  ist,  so  ist  doch  a  priori  anzunehmen, 
dasz  dieser  unterschied  sich  auf  rus  und  ruri,  nicht  aber  auf  eine  andere 
von  rus  abgeleitete  form  bezieht,  dennoch  liest  man  bei  U.:  rus']  ad 
uiÜam.  est  enim  aduerbialiter,  ruri']  in  rure,  et  (dieses  ^auch'  bezieht 
sich  doch  auf  das  eben  erklärte  rus)  hoc  ad\uerb{]ale  est,  sed  haec 
d[i/feren]tia  est:  ^rure  ue[nio  uel  redeo^  motum  significat.  ^ru[ri 
degoY  uel  ^ruri  sum*  situm  significat,  also  U.  glaubt,  es  könne  trotz 
dem  oben  auseinandergesetzten  jetzt  von  dem  unterschied  zwischen  dem 
hier  gar  nicht  vorkommenden  rure  und  ruri  die  rede  sein,  hätte  A  wirk« 
lieh  rure ,  so  müste  es  durch  conjectur  in  rus  verwandelt  werden ;  nach 
sicheren  spuren  in  A  ist  aber  einfach  zu  schreiben :  sed  haec  d[ifferen]tia 
est:  ^rus  eo  et  r[us  abigoy  motum  significat ,  *ru[ri  ago]'  uel  ^ruri 
sum*  situm  signi(ficat]. 

Zu  III  3,  50  will  U.  die  lesart  von  A  iurgium  proprie  dicitur  ius 
(hier  ist  der  beschnittene  rand  erreicht)  taconlio  in  iusta  contentio,  FN 
aber  in  iuris  contentio  ändern,  ich  vermute  iuris  actio ;  auch  nach  Fes  Ius 
8.  103  und  Gellius  XX  1,  30.  43  ist  iurgatio  =  iuris  actio,  vgl.  auch 
Huschke  in  z.  f.  rechtsgesch.  VII  (1868)  s.  168. 

Zu  III  3,  54  U. :  ftagitia]  infamia.  nam  fiagitium  a  fiageUando  est 

dictum,  pati  autem  huiusmodi  dispi  . . . lebant  corrupti  pudo' 

ris  läszt  sich  noch  herstellen,  zumal  da  hinler  dispi  die  buchstaben  cat 
schimmern,  man  lese:  pati  autem  huiusmodi  despicat[um  so]lebant 
corrupti  pudoris. 

Zu  III  3,  67  hat  k  putescant,  nicht  putrescant  (wie  U.);  zu  III  4, 

am 
32  U. :  [pro  certo  d\ixit  certa,   nam  (A  hat  genauer  non  d.  h.  nam  aus 

tum  corrigiert)  pro  cer\to  est]  ad  imaginem  certi,  cert[um  u]ero  est 

tottun  uerüate  \fT\ixum,   es  wird  aber  offenbar  in  diesem  scholion  gerade 

erklärt,  weshalb  Terenz  in  v.  32  sagte  pro  certon  tu  istaec  dicis  und 

nicht  certan  tu  istaec  dicis;  man  niusz  also  vorn  ergänzen:  pro  certo] 

[non  d]ixit  ^certa\  statt  U.s  [/]ixum  vermutete  M  ansprechend  [n]ixum. 

Zu  III  4,  37  ü. :  abduce]  ueteres  hanc  habuerunt  analogi[am :  a]6- 

duco  abduce  ut  lego  lege,  [nam  i]n  utroque  uerbo  teriia  con[iugati]o 
est.    nos  autem  dicimus  [abdu]c,  non  ratione  sed  lectione  ....  nti, 

o 


quia  ipse  Terentius  [aUbt 
letzte  locke  durch  lectione 


^abduc  duc  quantum  p.'    U.  schlägt  vor  die 
'consta]nti  oder  [indu]cti  auszufQlien ;  allein 


566  W.  Studemund:  aber  die  editio  princeps  der 

das  wort  gieng  in  A  auf  -enli  oder  -mii  aus ;  man  wird  z.  b.  leelme 
[conQenii  versuchen  können. 

Das  scholion  zu  HI  4,  40*  sieht  hinler  40*  in  A.  ob  40'  quania 
Signa  ueritati  succurrunt  (so  U.)  oder  quanta  Signa  ueriiaiis  occurrunt 
(so  FM)  geschrieben  war ,  iLann  weder  aus  den  unsicheren  zQgen  Ton  A 
noch  aus  dem  gedanlLenzusammenhange  sicher  entschieden  werden. 

Zu  IV  2, 1 et  meis  in  p) onibus  loca 6t 

fratrem iurus  inueniam  läszl  sich  wol  etwa  noch  so  hersteUea 

(stall  et  hat  A  nt  und  vor  dt  hat  er  noch  ein  ti):  [resistu]nt  meis  in[ues' 

tigati']onibus  laca  [omnia"],  ubi  fratrem  [inuestigayums  inueniam  oder 
ähnlich. 

Zu  IV  2, 12  l(ommt  zu  committam  als  giosse  hinzu  credam,  ebenso 
steht  in  A  fol.  109*"  am  obern  rande  bald  darauf  noch  ein  verblaszles 

scholion,  in  welchem  ein  cital  aus  Vergilius  steckt,  ich  las  u.  a.  sie  urg. 
Zu  IV  2,  29  U.:  idem  quod  ego  sensit}  filium  non  esse  degenerem 
et  idem  sentire  quae  (sie)  pater  (adde  dieit),  in  A  ist  keine  Iflcke,  U.s 
ergänzung  aber  ist  dem  sinne  kaum  entsprechend;  da  U.  zu  dem  qwu 
ein  'sie'  beigescbrieben  hat,  so  hat  er  dies  wol  in  quod  zu  verändern  nur 
vergessen:  allein  es  ist  nicht  wahrscheinlich,  dasz  der  greis  sagt  *der 
söhn  fühle  dasselbe,  was  er  (der  greis)  sagt';  der  greis  wird  gesagt 
haben  Mer  söhn  fühle  dasselbe,  was  auch  er  (der  greis)  fühle',  da  nun 
A  vielmehr  eadem  statt  et  idem  zu  haben  scheint ,  so  wird  man  vorsciila- 
gen  können:  filium  non  esse  degenerem  [«/]  eadem  sentire  quae  \st] 
pater  [putat"]  (oder  didt). 

Zu  IV  3,  4  sieht  das  scholion  in  reatu  ferunt  bei  v.  4  in  M,  seUt 
also ,  wie  Donatus ,  im  texte  die  lesart  expostulant  voraus. 

Zu  IV  5,  50  liest  ü.:  [negllegenti  ad\haer']et  et  crimen^  [sed]  in- 
diligenti  uitium,   aber  für  sed  scheint  kein  platz;  es  wird  also  besser 

fehlen:  [neg^egenli  ad^haerlet  et  crimeln]^  indiligenti  uitium. 

Zu  IV  5,  65  U. :  deos  comprecare"]  nuptiarum  aui\di]  deos  requi- 
runt,  u[nde']  (man  könnte  dem  räum  nach  auch  u[t]  vermuten)  Vergi- 
lius Uu  m[pd6]  posce  d[(eos  uel^niam*.    om^, .  .yione^  et  5ti[.  .  .]ofle 

a^.  .  .]re.  der  schlusz  läszl  sich  z.  b.  als  synonym  mit  comprecare 
so  vervollständigen:  om[ina]tione  et  su[pplicati']one  ad[ßrede\re\  zu 
ominatio  vgl.  Plautus  Amph,  722  ominator^  das  verbum  ominare  oder 
ominari^  und  Festus  Pauli  s.  88  M.  fauentia  honam  ominationem 
significat,  die  ergänzung  ist  freilich  unsicher;  man  könnte  auch  an 
om[ni  precayione  oder  dgi.  denken.  ^  ^ 

Zu  IV  5,  73  miratur  ad[ules']cens^  quod  ta[m  cito"]  sibi per  patretn 

ob[fera']tur  felicitatis  hablendae"]  occasio\  da  A  aber  stall  hab\endae\ 

vielmehr  ob hat,  so  ist  vielleicht  obltinendael  zu  schreiben. 

Zu  IV  5,  78  ne  morae  meis  nuptiis  egomet  siem]  [sensu'\s  hie  de 

dr']o  uenit^  qui  cum  [esse']t  interrogatus  ^  orbem  qua  ratione 
r']espondisse  fertur  ^nihil  in  crastinum  [diffe]rens*.    talis 


Tereoz-scholien  des  codex  Beinbinus.  567 

TT 

:$ensus  est  [ jano  ^semper  nocuii ....  rre  paratis*.    den 

^sicherlich  schon  zur  zeit  des  Politiaous  ebenso  weit  wie  lieute  verstdm- 
melten  hexameteraasgang  schlägt  U.  vor  so  zu  vervollstSodigen:  semper 
juacuU  \mora  ab^re  paratis.  welcher  dichtername  in  adjeclivischer  form 
▼or  dem  so  viel  ich  weisz  unbekannten  citate  steclit,  läszt  sich  nicht  sicher 
bestimmen.  MF  d.  h.  Politiauus  traf,  zumal  da  in  Alexanders  Worten  dif- 
ferens  eben  vorhergeht,  gewis  das  richtige,  wenn  er  schrieb:  semper 
nocuii  [diffe\rre  paraiis. 

Zu  IV  6 ,  3  U. :  [latijne  auiem  repere  dicun[iur  terr]ena  quae 
uentre  se  ira[hunt]  et  kuiusmodi  animantia  ,  ,  ,  t  herba  quae  pau' 
2atim  usw.  statt  ei  hat  A  vielmehr  e/,  also  ist  zu  schreiben :  quae  uentre 
3e  1ra[kunt  u']el  kuiusmodi  animantia;  [ita  e\i  herba  usw. 

Zu  IV  7,  21 ->  23  dlea  enim  res  incerta  [esi\^  consilium  certum, 

O        A 

nes auiem  certo  corrig incertum  est.    ü.  Suszert  die 

Vermutung  hes[cinus']  (d.  h.  Aeschinus)  auiem  cerio  corrig[et  quod'] 
incertum  est.  abgesehen  von  der  befremdlichen  ausdruclcs weise  ist  das 
4:orrigere  nicht  sowol  saehe  des  Aeschinus  als  des  Micio ;  A  gibt  nach 
-corrig  noch  iq.  danach  vermute  ich:  nes[cit']  auiem  certo  corrigi^  q\uod'\ 
incerium  est. 

T 

Zu  IV  7,  24  correcior:  ironicos.  non  enim  u[. .  .]  est  profusio  ' 
sed  tii7tt[ ...?].  Demea  nennt  den  Micio,  welcher  gezeigt  hat,  wie  in 
dem  einem  Würfelspiel  analogen  menschlichen  leben  ebenso  wie  im  spiel 
korrigierend  zu  verfahren  sei,  hdhnisch  einen  'corrector*.  wie  kann  nun 
4lazu  die  von  U.  vorgeschlagene  änderung  passen:  non  enim  u[eri']  est 
professio  sed  uiiii  [exprobratio'},  ganz  abgesehen  davon  dasz  in  A  hinter 
uiiii  nichts  fehlt?  mit  bezug  darauf,  dasz  eben  vom  Würfelspiel,  welches 
mit  dem  weine  verbunden  ist,  die  rede  war,  Icönneu  wir  dem  scholiasten 
hier  wol  ein  etymologisches  spiel  zutrauen,  der  alte  sagt:  'du  magst 
beim  Würfelspiel  und  wein  wol  ein  guter  correcior  sein ,  aber  nicht  im 
leben;  es  handelt  sich  hier -nicht  um  die  profusio  des  uinum  sondern 
tim  die  des  uitium^^  also:  non  enim  u[ini']  est  profusio  sed  uiiii. 

Zu  IV  7,  25  U.:  psaltria']  [psaliria  graece']  quae  fidicina  diciiur 
Ijlatine'].  psaliria  uoce  canit ,  fidicina  [chordas  tempiai^.  die  letzte  er- 
gSnzung  machte  U.  nach  dem  schol.  Bemb.  zu  ad,  111  3,  51  psaliria'] 
fidicina.  nam  Graeci  a  uoce  nomen  inposuerunt^  Latini  a  manu, 
fpttkkeiv  enim  caniare  dicimus^  fides  uero  chordae  sunt  quae  manu 
iemperantur  (U.  will  hier  iemptaniur^  als  ob  Ovid  nie  gesagt  hätte 
iemperare  citharam  neruis^  als  ob  Uoraz  nie  gedichtet  hätte:  o  iesiu- 
Ainis  auretie  Dulcem  quae  sirepitum^  Pieri^  iemperas).  in  unserm 
«cholion  sind  die  räume  von  U.  nicht  genügend  berücksichtigt;  vor  U.s 
quae^  wofür  A  vielmehr  laiine  hat,  fehlt  vielleicht  gar  nichts;  A  gibt 

TTTT 

^Iso  etwa:  psaliria j  laiine  fidicina  diciiur;  [sed psat]tria  uoce  canit, 

fidicina  [fidibu]s. 

Zu  IV  7,  41  kommt  aus  A  in  inefe  t7/a  Ci[ceron']is  ecfonesis  noch 
«in  est  hinler  inde  hinzu;  zu  V  1, 1  ist  genauer  so  zu  schreiben:  [Syru'js 


568  W.  Studemund :  über  die  edilio  prioceps  der 

seruus  egredüur  iambico  [metrö]  luxuriöse  adludens,   \tnol(^us  enint 

metrum  (so  A)  iem[^ ]ti«  anapesticis  (so  A]  sonat  [ ]  uliima 

Claudicat  syllaba. 

Zu  V  1,6  schreibt  U.:  iristis]  [iraiu']s»  seuerus,  iratus  uuUu 
[oslendit]  irisiiiiam ,  seuerus  [autem  uerbys  canfiietur.  U.  denkt  hier 
also  an  die  defioition  des  Unterschieds  zwischen  iralus  und  seuerus^  wie 
das  von  ihm  eingeschobene  autem  zeigt;  allerdings  fragt  man:  wie  kommt 
der  scholiast  dazu  den  unterschied  von  iratus  und  seuerus  hier  zu  de6- 
nieren,  wo  nach  U.s  eigner  herstellung  iratus  und  seuerus  synonyme'^) 
definitionen  des  worles  tristis  sind  (U.  schreibt  im  eingauge  tristis"]  [ira» 
iu']s.  seuerus)!  im  texte  des  Terenz  selbst  kommt  weder  iratus  noch 
seuerus  vor.  allein  die  scholien  enthalten  gar  oft  nicht  streng  zur  sache 
gehörige  erklärungen,  und  so  vielleicht  auch  hier,  die  stelle  ist  allerdings 
zu  lückenhaft  überliefert ,  um  mit  Sicherheit  hergestellt  werden  zu  kön- 
nen ;  doch  19szt  sich  aus  folgender  genauerer  angäbe  der  lesart  in  A  viel- 

leicht  etwas  wahrscheinliches  vermuten.    A  gibt:  is  seuerus 

iratus  uuUu  [.  .  .  .]6  tristitiam  seuerus  a[.  .  .  .]j  confttetur^  d.  h.  viel- 
leicht z. b.:  [tristes:  seuerus^  [iratus^:  iratus  uultu  [et  or']e  tristitiam^ 
seuerus  a[ctibu^s  confitetur. 

Zu  V  3,  4  U. :  0  caelum ,  o  terra ,  o  maria  Neptum]  caelum  pro 

OK 

loue  a terram  pro  contestatione  uehement maria 

postea  infert  et  Neptunum  ad ut  fiat  ausesis  praecem  fundit 

ira ut  aut  fulmine  [tot]um  pereat  aut  motu  terrae  cuncta 

intercidant  aut  diluuio  maris  omnia nia  uel  medium  fiat 

\marT\e,  so  bedenklich  der  versuch  einer  herstellung  dieses  scholions 
scheint,  wenn  man  mit  U.  annimt  dasz  25  buchstahen  fehlen,  so  einfach 
wird  er ,  wenn ,  wie  A  lehrt ,  möglicher  weise  an  den  zeilenenden  nur 
wenige  buchstahen  unlesbar  geworden  sind ;  vielleicht  ist  uur  die  letzte 
lücke  (hinter  omnia)  wirklich  gröszer  gewesen;  so  gut  wie  ü.  an  den 
übrigen  zeilenenden  gröszere  locken  annahm,  hätte  er  eine  solche  auch 
nach  motu  terrae  annehmen  müssen,   vielleicht  lassen  sich  die  fragmenie 

so  ergänzen :  maria  Neptuni:  caelum  pro  loue  ap[pellai\ ,  terram  pro 

TT 

contestatione  aelimentori.  .]  (d.  h.  elementorum) ;  maria  postea  infert 
et  Neptunum  ad[dit^  (oder  adipellat'])^  ut  fiat  auxesis  {ausesis  A).  pre- 

TT  T 

cem  {praecem  A)  fundit  tra [/««],  ut  aut  fulmine  t[pt']um  pereat  aut 
motu  terrae  cuncta  intercidant  aut  diluuio  maris  omnia  [deüantur . . .] 
nia  uel  medium  fiat  m[ar'\e,  die  letzte  lücke  läszt  sich  beliebig  ergän- 
zen ;  vielleicht  war  [om]nia  aus  versehen  doppelt  geschrieben,  bei  dem 
ausdrucke  preces  fundere  dachte  der  scholiast  übrigens  wol  an  Jen.  V 
234  fudisseique  preces  diuosque  in  uota  uocasset. 


15)  Ter.  Andr.  V  2,  16  heiszt  es:  iristis  seueriias  inest  in  uoliu  nni 
so  ist  auch  bei  Nonius  s.  409,  20  und  Donatus  za  eun,  Y  1,  28  statt 
uei-iir    '  '•'n,  weil  Nonius  eben  triste  durch  seuerum  erklärt;  an- 

der 'esen  jahrb.  1864  s.  200;  Servius  zu  Aen,  X  612  una 

zu  ert  den  yers  richtig. 


Terenz-scholien  des  codex  BemLinus.  569 

Zu  V  3,  7  nostrum  liberum  (gen.  plur.)  gibt  U.  das  scholion:  in 
^erutn'  poeia  exigit  accu[saii']uum singularem pro geneti[uo plu]rali : 
liberum  pro  Hberor[um ,  nos'jirum  pro  nostrorum  usw.  allein  es  be- 
fremdet diese  ausdrucksweise,  weil  doch,  was  für  liberum  gilt,  auch  fdr 
nostrum  gilt,  nosirum  aber  geht  nicht  auf  erum  aus;  A  gibt  besser 
nosirum  liberum]  metrum  poeia  exigit  accu[8atiluum  singularem 

pro  geneti\uo  plu'jrali  usw.;  das  metrum  poeia  wird  man  in  metrum 
poeticum  verwandeln  dürfen,  zumal  wenn  man  sich  erinnert  dasz  auch 
zu  haut  II  3,  120  in  k  poeia  siM  poetice  verschrieben  ist. 

Zu  V  3,  34  ergänzt  U.  so:  consuetudinem']  [prudentis  Tiominisl 
enim  est  qui  adulescens  didicerii  helluari  {elluari  A)  consu[etU' 
dinem  pr']ofusionis  (A  hat  vielmehr  consuitudinem  [.  J]ofimonis) 
ui  {X  nach  U.  aut^  er  hat  aber  haut)  des  erat  {deserit  A).  conuenit 
deinde  parsimoniae  senili  [luxuriam  nimiam"]  (aber  A  hat  nur  eine 
lücke  von  etwa  fünf  buchstaben,  kaum  uitam,  eher  mores  oder  dgl.) 
adulesceniium  {adülisceniium  A)  frugalitaie  constringere.  mendacitatis 
iimore  (aber  A  scheint  mehr  timor  co  zu  haben)  [facile  ait  consuetudy^ 

nem  (aber  A  hat  nur  eine  lücke  von  fünf  buchstaben ,  dann  folgt  minem) 
fieri  parciorem,  mit  engerem  anschlusz  an  die  Oberlieferung  kann  man 
schreiben:  [consuetudinem:  noium  (oder  etwas  ahnliches)]  enim  est: 
qui  adulescens  didicerii  helluari^  consuetudinem  profusionis  haut  de- 
serit. conuenit  deinde  parsimoniae  senilis  [mores']  (oder  z.  b.  uitia 
oder  dgl.)  adulesceniium  frugalitaie  constringere.  mendicitatis  Umor 
co[ßii  h6]minem  fieri  parciorem. 

Zu  V  3,  37  U. :  duo  cum  idem  faciuni]  hi  eadem  re  peccani.  das 
seltsame  und  fiberflüssige  At  entfernt  A  selbst;  es  ist  verlesen  statt  in 
eadem  re  peccani. 

Zu  V  3,  53  U.:  exporge  froniem]  quem  corrugauit  senilis  ruga 
maestiüae  gibt  A  vielmehr  mit  regelrecht  femininalem  frons  so:  quam 
conrugauii  usw. 

Zu  V  3,  55  cum  primo  luct]  primo  lud:  alterum  datiui  ca[sus 


est] ,  alterum  geneiiui.   nam  Uuci 
ui  Vergüius  s[aepe'\  (A  hat  se[pe' 


Ha  de'jclinauii  (oder  ita  fehle  auch) 
oder  rel.  .])  ^AchilW  [AdUi  A)  ei 


ülixi' m. Achim  {Acilli  A)  'aut  (A  hat  a 

abgekürzt)  duri  mili[s  ülixC].  U.  erkannte  richtig  dasz,  wie  am  schlusz 
ein  citat  für  die  form  Ulixi  aus  Vergilius  steht,  so  in  der  lücke  ein  citat 
für  die  form  Achilli  stecken  müsse;  er  vermutete  darin  Verg.  Aen.\l  839 
[jgenus  ar]m[ipoientis']  Achilli.  aber  dem  widerspricht  der  beschränkte 
räum  in  A;  dort  nemlich  stehen  ziemlich  dicht  hinter  dem  ersten  ülixi 
die  buchstaben  mn  oder  mm ,  und  nach  einer  lücke  von  nur  vier  buch- 
staben folgt  gleich  AcWi;  ohne  zweifei  ist  einer  der  beiden  gleichlauten- 
den versausgänge  [i']mm[iiis']  AchilliWerg.  Aen.  i  30  oder  ill  87  gemeint. 
V  4,  3  vermag  ich  ebenso  wenig  wie  U.  sicher  herzustellen ,  obwol 
einiges  mehr  lesbar  wurde ;  der  vers  des  Terenz  heiszt :  aliquid  moneaiy 
ui  illa  quae  te  scire  credas  nescias.  dazu  hat  A  nach  U.  das  scholion : 
[monereT]  dixii  pro  confir^mar'je  (U.  vermutet  confutare  gegen  A); 


570    W.  Studemund:  über  die  editio  princeps  der  Terenz-scholieo  usw. 

ergo  quemadtnodum  {refui]amur  [a  8ct]entibu9y  [sie  nes]eire 

cogimur  quod  [nas  scijre  crediäimus.   allein  wie  U.  selbst  sah,  hat  A  in 

dem  zweiten  satze  hinler  der  ersten  iQcke  aller  wabrscheinliclikeit  nach 

t 
amus  (genauer  etwa  eamus)  statt  amur^  und  nach  der  letzten  IQcke  se 

«latt  re\  endlich  schienen  mir  vor  dem  entäfus  die  buchslaben  eu  zu 

«chimmern;  danach  kann  man  vielleicht  versuchen:  ergo  quemadmodum 

£ ^amus:  euenUbus  [nes]cire  cogimur  quod  [8Ciuis]8e  credi- 

dimus. 

V  4,  10  vermutet  U.:  nuüi  laedere  os]  [laedimu']8  os  alteriuSy 

cum  [laei]is  a[lit]8  fron[tem  corjn^omt^,  id  est  [morosi]  sumus. 
allein  einmal  ist  es  unlateinisch  zu  sagen  laetis  aliis  froniem  corruga^ 
mus^  dann  aber  inconsequent  alns  zu  sagen,  nachdem  eben  allertus  vor- 

TtTTT 

hergegangen  ist;  statt  a[lit]s  scheint  A  alicuius  zu  haben,  erinnert  man 
sich  zugleich  an  Donats  scholion  zu  dieser  stelle:  id  est  nuttum  prae- 
seniem  laedere^  so  wird  man  vielmehr  so  corrigicren  dfirfen:  [laedi- 
mu']s  08  alteriuSj  cum  [praesentys  alicuius  fron[tem  con]rugamu8^ 
id  est  [molestt]  (oder  morosi  oder  dgl.)  sumus. 

V  4,  17  patria  potitur  commoda]  poiitur:  adsequitur,  o[.  .  .] 
ablatiuo  usus  est  ei  [,  ,  .  .']ui  potitur.  den  zweiten  satz  ergänzt  U.  un- 
glücklich so:  a[libt]  ablatiuo  usus  est.    ita  ^[propria]  ui  jpoli[re]fifr' 

^Ter.  Phorm.y  5,2).  A  hat  zu  anfaug  statt  des  a  vielmehr  ein  unsicheres  u, 

und  nach  et  noch  ein  unsicheres  a ;  dieses  u  ist  oflenhar  als  t<[r^.]  d.  h. 

Vergilius  zu  ergänzen ,  und  Aen.  UI  55  (Polydorum  obtruncatj  ei  auro 

ui  potitur  eitlen ;  man  schreibe:  potitur:  adsequitur.    V[ergihu82  abla- 

iiuo  usus  est:  *et  a\ur6\  ui  potitur.^ 

Zu  V  4,  22  potitur  gaudia  kommt  ein  neues  scholion  hinzu:  [po- 
i%\iur:  in  pos8[essi']one  habet. 

Zu  V  6,  1  U.:  prouiso']  progrediar,  ui  uideam;  A  aber  hat  gut 
progredior;  daraus  geht  hervor,  dasz  der  scholiast  die  lesart  proiit^o, 
nicht  das  in  anderen  hss.  vorkommende  prouisam  erklären  wollte. 

Zu  V  7,  7*  U.:  tibicina  et  hymenaeum  qui  canient]  [non  dijxit 
^tibicen*.  mulieres  [enim  p^lerumque  canir[t]ces  nuptiis  [adAf]6e[6an- 
iur"]»  aber  U.  selbst  las  statt  plerumque  in  A  —  ieriq.  (richtiger  wire 
—  leriq.),    man  schreibe:  mulieres  efnim  pllerique  canirTilces  nuptiis 

ladhi]bebant. 

Zu  V  7,  7*  ü.:  hym\en']e[u\m  qui  [can]tent:  quos  uulgo  ballaio* 
[res  uolcani,  nam  hymen  dicitur  .  .  .  a  .  uoi^)tum  quo  pene  optantur. 
nach  genauerer  lesung  iSszt  sich  dies  scholion  vielleicht  herstellen:  ^- 

meneum  qui  [cante^it:  quos  uulgo  baUato[res  uo^cant.   nam  hymen 

(A  hat  wol  ymen)  dicitur  [nupti^ale  uotum,  quo  bene  opiatur  (viellelchl 
fehlt  dahinter  noch  ein  kurzes  wort). 

Zu  V  7,  8  face  kommt  das  neue  scholion  aus  A  hinzu:  ueieres  sie 

"  (diclinabani  k)  *faco  facis'  ut  ^lego  legi[s\\ 

^0  maceriam  iübe  dirui  setzt  U.  folgendes  scholion:  ma- 


M.  Hertz:  xuiscellen.  571 

ceriam  det^ete^  id  est]  lapide  factum  inieruaJlum^  iumuUvarii  parieteSy 
^uam  uulgo  saepetn  uocani\  die  Iflcke  zu  anfaog  tat  unriclitig  ausge- 

füllt;  mir  schien  A  zu  haben:  tnaceriam :  de  luio  ei  lapide  fticium  inier' 
uallem  usw. ,  und  so  las  auch  Polilianus. 

Verona.  Wilhelm  Studemund. 


(34.) 

MISCELLEN. 


16. 
Ich  weisz  nicht  ob  es  bemerkt  ist  dasz  Horaz  an  einer  sicher  unver- 
«Iflchtigen  stelle  serm.  11  1,  71  ff.  quin  ubi  se  a  volgo  ei  scaena  in 
secreia  remorani  vtritts  Sdpiadae  usw.  offenbar  das  vorschwebt  was 
Cicero  vom  illern  Africanus  sagt  {de  off,  HI  %  2} :  üle  enim  requiescens 
a  rei  püblicae  pulcherrimis  munerihus  oiium  sibi  sumebat  aliquando 
ei  e  coeiu  hominum  frequeniiaque  inierdum  iamquam  in  porium  se  in 
solitudinem  recipiebat.  einige  beachtung  aber  möchte  es  bei  der  enl- 
scheidung  der  schwierigsten  frage  auf  dem  gebiete  der  interpolation 
Horazischer  lyrik  in  bezug  auf  carm.  IV  8  als  seitenstflck  zu  den  incen* 
dia  Carihaginis  impiae  (v.  17),  die  dort  auch  auf  das  conto  des  altern 
Africanus  gesetzt  werden,  verdienen.*)  von  jenem  verse  dürfte  man  nun 
woi  nidit  mehr  behaupten,  dasz  gegen  ihn  ^ebenso  laut  die  geschichte 
als  die  Horazische  metrik ,  ein  weit  strengeres  gesetz  als  die  metrik  für 
sich  allein,  aufschreit'  (Butlmann  mythologus  11  s.  367),  wenn  die  ge- 
schichte noch  bei  einem  andern  Horazischen  verse  einen  ähnlichen ,  wenn 
auch  vieUeicht  nicht  ganz  so  lauten,  schrei  erheben  darf  —  Niebuhr  (vor- 
trage über  rom.  gescb.  U  s.  309)  traute  dem  Horaz  den  irtum  auch  ohne 
solchen  doppelgänger  zu ;  wie  er  sich  sonst  mit  Bentlev  in  bezug  auf 
diesen  vers  abfand ,  wissen  wir  nicht  —  und  auch  damit  wäre  bekannt- 
lich jene  frage  noch  lange  nicht  zum  austrag  gebracht. 

17. 
Dasz  der  bericht  des  Aurelius  Victor  de  viris  ilU  49  über  den  Scipio- 
nenprocess  nicht  von  Livius  abhängig  ist,  wird  nach  den  auseinander- 
setzungen  Mommsens  im  Hermes  1  s.  168  nicht  unsicherer,  auch  wenn 
er  nicht  den  zweiten  namen  des  anklägers  gibt,  den  Livius  nicht  kennt: 
denn  immer  nennt  er  dann  noch  ^inen  Petillius,  wo  Livius  von  duo  Q. 
Petillii  spricht**),  und  das  andere  von  Mommsen  angegebene  kriterium 
(^der  ebenfalls  bei  Livius  fehlende  zug ,  dasz  Scipio  den  auftrag  ihn  nicht 
in  Rom  beizusetzen  seiner  gattin  gibt')  bleibt  daneben  in  ungeschwächter 
kraft  bestehen,  nach  Mommsens  angaben  (ebd.  s.  189, 1)  kann  man  bei  der 
frage  nach  der  lesung  der  stelle  von  allerlei  überliefertem  variantenkram 

*)  dieselbe  verwecbslaiig  ist  aach  Poljänos  VIII  16  passiert,  der 
freilich  in  dergleichen  stark  ist. 

**)  vgl.  jedoch  darüber  Mommsen  a.  o.  s,  189,  4. 


572  M.  Heriz:  miscellen. 

absehen :  *a  Petüto  Jteio  iribuno  pJebis*  sagt  er  'steht  bei  Victor  49, 16 
in  beiden  recensionen,  so  dasz  die  lesung  nicht  wol  von  den  abschreibern 
wesentlich  entstellt  sein  kann;  eher  mag  das  seltsame  cognomen  von  Victor 
oder  von  Antias  selbst' —  den  Mommsen  als  quelle  annlmt:  s.  s.  168  — 
Mn  irgend  einer  weise  verdorben  sein,  auf  keinen  fall  darf,  wie  oft  ge- 
schieht, a  Peiilio  ac  Naevio  ir,  pL  hergestellt  werden.'  das  PetiUo 
Jteio  ist  wol  nicht  nur  ^seltsam',  sondern  ebenso  falsch  wie  die  gluck- 
lich beseitigten  Aurelii  Propertii  und  Porcii  Licinii;  fflr  das  nomen  fordert 
Mommsen  die  Schreibung  Peiiüio  nach  den  capitolinischen  fasten  und  deo 
münzen;  auch  handschriften  geben  es  hSufig,  oft  zwischen  beiden  Schrei- 
bungen schwankend ;  sollten  wir  vielleicht  auch  hier  nichts  anderes  vor 

aV  Ho 
uns  haben  als  eine  solche  Variante  Petib'o  ir,  plA  war  erst  das  aV  Uo  in 
den  text  gerathen  und  erschien  nicht  mehr  als  varia  lectio,  sondern  als 
cognomen ,  so  lag  es  nahe  es  Mlio  zu  lesen ,  das  dann  eben  kaum  etwas 
anderes  als  Ateio  konnte  bedeuten  sollen,  demnach  hätte  man  erlaubnis 
sich  auch  im  texte  des  Aurelius  Victor  der  bestbeglaubigten  schreiboog 
anzuschlieszen  und  a  PetilUo  Ir,  pl,  zu  lesen. 

18. 
Gewis  wird  ein  jeder  philolog,  der  auf  dem  grenzgebiete  zwischen 
Philologie  und  Jurisprudenz  thätig  ist ,  die  hülfe  der  kenner  des  rdoi- 
schen  rechts  von  fach  nicht  nur  dankbar  annehmen,  sondern  geflissentlich 
suchen,  aber  dafür  darf  er  anderseits  wol  in  anspruch  nehmen ,  auf  sei- 
nem gebiete  nicht  ungehdrt  verurteilt  zu  werden,  wenn  das  genügende 
material  zu  einem  urteil  nicht  vorliegt,  zu  dieser  bemerkung  gibt  mir 
eine  stelle  der  vielfach  lehrreichen ,  überall  anregenden  abhandlung  von 
0.  Kar  Iowa  *die  formen  der  römischen  ehe  und  manus'  (Bonn  1868} 
veranlassung,  in  welcher  (S  12  s.  65  ff.)  von  der  bedeutung  des  usus  und 
von  seinem  Verhältnisse  zur  coämpHo  gehandelt  wird,  der  vf.  bespricht 
dabei  eingehend  die  betreffende  stelle  des  Gellius  111  2,  12  ff.  er  ver- 
gleicht die  Überlieferung  des  Gellius  mit  der  des  Hacrobius  Sat  I  3,20*., 
der  aus  Gellius  geschöpft  hat;  aus  jenem  führt  er  die  citierten  werte  des 
Mucius  Scaevola  in  folgender  weise  an :  lege  non  isse  usurpatum  muHe- 
rem  quae  usw.  und  bemerkt  dazu  (s.  67  anm.  175)  'dieselbe  stelle  lautet 
bei  Gellius  III  2  etwas  abweichend :  lege  non  esse  usurpatam.  die  be^ 
ausgeber,  auch  nocli  Hertz,  substituieren  dem  handschriftlichen  lege  legi. 
um  ein  wort  zu  haben ,  von  dem  das  vorhergehende  Quintum  Mucium 
abhängen  kann;  aber  mit  recht  hat  Erb  (Hugos  civ.  magazin  V  s.  213) 
nach  Pontanus  und  Otto  bemerkt,  dasz  zu  lesen  sei  dicere  soIHum  legi, 
lege  usw.'  aber  die  handschriftliche  lesart  bei  Gellius  ist  dies  voo  mir 
^statt  der  handschriftlichen  lesart  substituierte'  legi  durchgehends*),  und 
bei  Macrobius  ist  lege  nur  durch  das  stillschweigen  von  Jans  collationen, 
durch  kein  ausdrückliches  Zeugnis,  bezeugt,  wie  die  anordnung  seiner 
varianipn  zeigt;  dasz  die  conjectur  legi  lege  leicht  sei,  will  ich  nicht  be- 

^en  ausgaben  des  Macrobius  erscheint  dasselbe  seit  Stephsnos. 
iufl  schöpfte  auch  wol  Scxoppius  sein  lege  bei  Gellius. 


C.  Heraeus :  zu  Gellius.  573 

streiten ,  notwendig  ist  sie  sicher  nicht ,  da  das  lege  durch  die  im  folgen- 
den $  ausdrücklich  erfolgende  nennung  der  zwölf  tafeln  überflüssig  ge- 
macht wird.  hr.  K.  sagt,  es  sei  für  das  folgende  unentbehrlich,  Venn 
man ,  wie  es  viele  erkUrer  mit  recht  thun,  der  lesart  des  Macrobius  isse 
usurpaium  folgt'  —  aber  esse  usurpatam,  wie  die  bss.  des  Gellius, 
haben  sämtliche  hss.  des  Macrobius  bei  Jan,  auch  nach  ausdrück- 
lichem Zeugnisse  Jans  die  Cambridger  hs. ,  aus  der  Pontanus  isse  usur- 
paium  anführt ;  dies  selbst  liat  nur  das  wahrscheinlich  Irügliche  schwei- 
gen der  collation  des  Paris.  6371  für  sich  aufzuweisen,  esse  usurpaium 
bietet  eine  Mediceische  hs.  ich  glaube  demnach  hm.  K.8  ausführungen 
gegenüber  mit  rflcksicht  auf  den  ermittelten  handschriftlichen  befund  an 
der  zuletzt  von  R.  Scholl  legum  XII  tabularum  reliquiae  s.  103  f.  ent- 
wickelten ansieht  K.  0.  Müllers  über  usurpare  festhalten  zu  dürfen,  da  für 
mich  eben  die  lesarten  bei  Gellius  nichts  '  verdächtiges '  haben ,  die  auch 
Scholl  a.  0.  s.  134,  4  in  den  text  gesetzt  hat.  für  hrn.  K.  tritt  freilich 
noch  das  lemma  des  capitels  als  stützpunct  seiner  ausführungen  hinzu: 
dasz  die  *  band  schriftliche  lesart'  quid  Q.  Mucius  scripserit  super  ea  mu- 
liere^  quam  maritus  non  iure  usurpavissei^  falls  die  rubrik  wirklich  von 
Gellius  herrühre  [was  unzweifelhaft  ist],  nicht  richtig  sein  könne,  habe 
man  längst  erkannt;  nach  seinen  obigen  ausführungen  musz  ihm  Erbs 
conjectur  quae  a  marito  non  iure  usurpaium  issei  'besser  gefallen'  als 
die  meinige  quae  a  mariio  non  iure  se  usurpavissei;  wird  er  bei  diesem 
urteil  und  bei  jenen  ausführungen  auch  dann  noch  stehen  bleiben ,  wenn 
er  erfährt  dasz  die  hss.  der  ersten  classe ,  die  das  lemma  enthalten ,  die 
lesart  bieten  quia  mariio  non  iure  se  usurpavissei,  die  schlechteren  quia 
(andere  quae)  mariium  non  iure  usurpavissei  ^  die  vulgata  quam  mari- 
tus non  iure  usurpavissei  nur  das  stillschweigen  der  unvollständigen 
und  unzuverlässigen  collationen  Dresseis  in  bezug  auf  eine  dieser  schlech- 
ten hss.  für  sich  hat? 

Breslau.  Martin  Hertz. 

77. 

Zu  GELLIUS. 


In  dem  aufsatze  'über  ein  gesetz  des  Solon'  (oben  s.  52)  setzt 
F.  Lüders  ein  fragezeichen  hinter  das  allerdings  sinnlose  wort  dividi  bei 
Gellius  II  12,  4  nam  si  hom  omnes^  qui  in  principio  coercendae  sedi- 
iioni  impares  fuerint ,  populum  perciivm  ei  amenieni  non  deseruerini^ 
ad  alierutram  parlem  dividi  sese  adiunxerini^  ium  eveniei  usw. 
wenn  das  wort  nicht  dastände ,  würde  niemand  etwas ,  das  für  die  Ver- 
vollständigung des  Sinnes  der  stelle  absolut  nötig  wäre,  vermissen,  es 
steht  nun  aber  einmal  da  und  trägt  durchaus  kein  kennzeichen  einer 
diltographie  oder  eines  glossems.  wol  aber  braucht  Gellius  in  dem  kurz 
vorhergeheuden  passus  qui  in  eo  iempore  in  eoque  casu  civilis  discor^ 
diae  non  alieruira  parte  {ad  alierutram  pariemVj  sese  adiunxerii^ 
sed  soliiarius  separaiusque  a  communi  malo  civitatis  secesserit. 


574  A.  Fleckcisen :  zu  Gellius. 

is  domo  pairia  foriunisque  Omnibus  careiOj  extd  exiorrisque  esio  die 
gesperrt  gedruckten  worte  soUiaritss  separatusque  ebenfalls  mit  rheto- 
rischem nachdruck ,  ohne  dasz  sie  zum  logischen  verstSndnis  des  gedan- 
kens  absolut  erforderlich  sind,  ich  glaube  daher  eupr^Ka  ausrufen  zu 
dürfen ,  wenn  ich  also  zu  lesen  vorschlage :  nam  si  boni  omnes . .  ad 
alterutram  pariem  individui  sese  adiunxerint  usw.  als  beleg  für  die 
bedeutung  von  individuui  'in  unzertrennlidier  gemeinschaft,  als  unzer* 
trennlicher  genösse'  will  ich  blosz  die  stelle  aus  Tacitus  ann,  VI  16  [10] 
anführen:  nee  secus  apud  principem  Fescularius  Flaccus  ac  lulius 
Marinas  ad  mortem  aguntur^  e  vetustissimis  familiarium,  Bhodum 
secuti  et  apud  Capreas  individui  usw. 

Hamm.  Carl  Heraeus. 

*    •    * 

Aus  dem  annales  betitelten  epischen  gedichte  des  Aulus  Furius  Antias 
citiert  bekanntlich  Gellius  XVllI  11 ,  4  sechs  hexameter,  deren  vierter  in 
den  hss.  also  überliefert  ist: 

sicut  fulica  levis  volitat  super  aequora  classis, 
die  auflösung  der  arsis  im  zweiten  fusze  hat  mit  recht  anstosz  erregt  und 
eine  reihe  emendationsversuche  veranlaszt,  die  Hertz  jahrb.  1862  s.  719 
aufzählt  (ich  vermisse  darunter  den  von  Heindorf  zu  Hör.  sat.  11  5, 40  hie 
fulica  levius  und  von  Weichert  poet  lat.  rel.  s.  350  sie  fulica  levior\  um 
daran  seinen  eignen  zu  knüpfen ,  der  mit  substituierung  eines  insects  an 
die  stelle  eines  vogels  lautet:  ui  tippula  levis,  alle  diese  änderungsver- 
suche  entfernen  sich  zu  weit  von  der  Überlieferung;  das  richtige  hat  ohne 
zweifei  schon  Johann  Isaac  Pontanus  getroffen,  der  nach  Gronovius  mittei- 
lung  dieser  stelle  beigeschrieben  hat:  Yu/capro  fulica  leg.',  und  diese 
alte  emendation  wieder  zu  ehren  zu  bringen  ist  der  zweck  dieser  zeilen. 
allerdings  war  das  y/ori  fulica  ursprünglich  dreisilbig:  das  zeigt  die  durch 
das  geselz  der  lautverschiebung  constatierte  Identität  mit  ahd.  pelicha, 
mhd.  und  nbd.  belche  (s.  Jacob  Grimm  im  deutschen  Wörterbuch  I  sp. 
1439,  der  auch  griech.  (paXapiC  in  die  Verwandtschaft  zu  ziehen  geneigt 
ist);  aber  so  gut  wie  neben  calicatus  calecandam  deealicatus  (von  ccdx 
=  X&K\i)  die  spräche ,  abgesehen  von  calcarius  ealculus ,  auch  decalco 
decalcatis  zuliesz  (vgl.  Ritschi  de  titulo  Aletrinati  s.  XHI) ,  so  konnte  der 
dichter  die  berechtigung  für  sich  in  anspruch  nehmen ,  das  im  nomioativ 
für  das  dactylische  metrum  unbequeme  fütiea  in  fülca  zu  verwandeln. 
hat  doch  auch  Cicero  sich  mit  eben  diesem  Worte  eine  ganz  ähnliche  frei- 
heit  erlaubt,  indem  er,  gleichfalls  dem  hexameter  zu  liehe,  den  nominativ 
fuiix  bildete  de  div.  I  8, 14  cana  fulix  itidem  fugiens  e  gurgile  ponü  \ 
nuntiat  horrtbilis  clamans  instare  proeellas.  interessant  ist  es  zu  be- 
obachten, wie  die  romanischen  sprachen  sich  dies  wort  angeeignet  haben: 
span.  ist  fulica  unverändert  geblieben,  ital.  übergegangen  in  folaga, 
franz.  in  foulque^  prov.  in  folca,  also  zwei  sprachen  haben  zwischen 
der  liquida  und  muta  einen  vocal  belassen ,  zwei  nach  dem  Vorgang  des 
alten  dichters  aus  Antium  sich  die  syncope  gestattet 

Dresden«  Alfred  Flecksisbn. 


A.  Riese:  zur  lateinischen  anlhologie.  575 

78. 
ZUR  LATEINISCHEN  ANTHOLOGIE. 


Nr.  210  Vt  belli  sonuere  tubae^  violenta  peremif 

Bippolyie  Teuthranta^  Lyce  Clanon^  Oebalon  Ake^ 
Oebalon  ense^  Cimon  iaculo^  TetUhrania  sagitta  usw. 
für  dieses  Carmen  ludicrum  ebenso  wie  fflr  das  ahnliche  nr.  263 
Jlmo  Theon  Thyrsis  orti  sub  colle  Pelori 
setnine  disparili  Laurente  Lacone  Sabino  usw. 
geht  die  Überlieferung  auf  handschriflen  des  neunten  jh.  zurück;  für  den 
letzten  ?ers  von  253  Nisa  rosas^  Glauce  piolas  dai^  lüia  Nais  ist  durch 
Lucian  Hüller  (jahrb.  1867  s.  486)  ein  noch  etwas  Älteres  zeugnis  in  der 
nachahmung  durch  Theodulfus,  den  Zeitgenossen  Karls  Ae&  groszen  (IH  1, 
97)  Berta  rostxs  Crodrudk  violas  et  lüia  Gisla  nachgewiesen,   aber  ein 
beleg  von  ganz  anderem  alter  nicht  nur  für  diese  dichtungsgattung  über- 
haupt, sondern  für  ein  mit  210  sehr  nahe  verwandtes  gedieht  ISszt  sich 
aus  dem  Carmen  de  figuris  vel  schematibus  bringen,  in  welchem  v.  166  f. 
(Halm)  die  rhetorische  figur  nexum  so  beschrieben  wird: 
nexum  est^  si  varias  res  uno  nectimü'  verbo: 
^Oebalon  ense,  Lycon  ferit  hasta^  Pedason  arcu.^ ') 
also  in  einer  schrift,  die  anerkanntermaszen  auch  in  ihrem  letzten  teile 
spätestens  der  Augusteischen  zeit  angehört,  ja  die,  wie  ich  betonen 
mochte,  in  hohem  grade  den  Charakter  gerade  der  Lucilischen  darstel- 
lungsweise an  sich  trägt,  finden  wir  einen  vers  eitlen,  der  dem  dritten 
des  obigen  gedichtes  in  einer  doch  mehr  als  zufälligen  weise  Suszerst 
ähnlich  ist.   wir  dürfen  also,  wenn  der  jenem  gedichte  210  in  der  Pariser 
hs.  8069  gegebene  titel  Traiani  imperatoHs  richtig  ist  (und  welchen 
grund  haben  wir  ihm  zu  mistrauen?)  annehmen  dasz  dieser  kaiser  eine 
Variation  über  ein  altes,  ein  schon  der  republicani sehen  zeit  ange- 
höriges  epigramm  dieses  genres  dichtete ,  wobei  er  den  namen  Oebalos 
beibehielt  und  die  Lyce  v.  2  vielleicht  durch  den  Lycos  des  Originals 
veranlaszt  wurde,   der  vollständige  titel  der  hs.  Traiani  imperatoris  de 
bello  Partico  versus  decori  (vielleicht  versus  ludicri  zu  lesen?)  ist  ent- 
weder, mit  der  änderung  in  de  bello  Poniico^  wirklich  auf  den  Amazonen- 
krieg bezüglich ,  oder  aber ,  und  dies  halte  ich  für  viel  wahrscheinlicher, 
es  ist  ein  gedieht  das  der  kaiser  auf  seinem  parlhischen  feldzuge ,  also 
in  seinen  letzten  lebensjahren  verfaszte  und  de  oder  e  bello  an  seine 
freunde  nach  Rom  schickte.   Hadriani  ist  nur  conjectur*);  Trajan  ist  als 


1)  ferit  lycon  astapidason  arci  die  bandschrift. 
2) 


2)  wenigstens  hat  die  angäbe  von  G.  Fabricias  in  seiner  Borna  s.  234 
^duo  epigrammata  leguntur  sub  nomine  Hadriani  Imp.  in  manascripto. 
ultimum  [253]  in  marmore  Siciliense  repertnm  scribit  Hnttenns'  bis  jetst 
in  keiner  weise  bestätig^ng  gefanden  and  wird  sie  gewis  auch  ebenso 
wenig  finden  wie  Scaligen  willkarlicbe  Überschrift  zu  263  'epigramma 
de  pastoribns  a  Citerio  Sidonio  oratore  factum'  nebst  allen  daran  ge- 
knüpften folgemngen;  vielmehr  wird  dieser  Citerius  aas  der  reibe  der 
lateinischen  dichter  einfach  zu  streichen  sein. 


■ 


576  fl«  Hag«n:  zur  lateüiischen  anthologie. 

dichter  sonst  zwar  nicht  bekannt,  aber  wäre  das  gnind  genug  ihm  diesen 
scherz  abzusprechen?  wissen  wir  doch  z.  b.  aus  Plfnius  episL  III  3,  t^ie 
beliebt  gerade  bei  dilettanten  eine  gelegentliche  bescbaftignng  mit  solchen 
nugae  war.  fQr  die  so  spärlich  erhaltene  epigrammatische  lilteratur  der 
voraugusteischen  zeit  aber  ist  diese  bereicherung  mit  einem  für  sie  bisher 
unbekannten  genre  nicht  ohne  l>edeutung;  mau  vgl.  z.  b,  den  anlang  tod 
Vergilius  siebenter  ecloge. 

HEUyELBBRG.  ALEXANDER    BlE8£. 


Die  von  Lucian  Mflller  in  diesen  Jahrbüchern  1867  s.  485  (Sammel- 
surien XXX}  aufgefOhrten  parodien  des  gedichla  JlmoTheonThj/rsis\isv>\ 
anth.  253,  nemlich  210  und  870  kann  ich  um  eine  bisher,  wie  es  scbeisU 
nicht  veröfTenÜichte  vermehren,  die  sich  im  codex  Bernensis  102  saec  X 
auf  der  letzten  seite  be6ndet  und  also  lautet: 

Noctis  ui  horrentes  rupit  lux  oria  ienebras^ 

Surgit  ab  excelsa  Tyrso  Porus  Otho  Tolosa. 

Tyrso  canes  parat  atque  capum  Porus  ^  Otho  sagittas: 

Aprum  Tyrso  Porusque  gruetn^  ceruutn  necal  Otho. 
6   Vectus  equo  Tyrso ^  mula  Porus:  at  pedes  Otho. 

Tyrso  Tuscus  erat^  Gaüus  Porus  ^  Otho  Sicamber: 

Crine  niger  Tyrso ^  Porus  albus ^flauus  et  Otho; 

Otho  Tyrso  Porus  iuuenis  barbatus  ephebus. 

Nisae  Tyrso  placetj  Megalae  Porus  ^  Otho  Suaui. 
10  Suaui  ceruus^  grus  Megalae  datur  et  fera  Nisae, 

Thrax  Megale  genus^  Angla  Suauis^  Nisa  Toringa: 

Nisa  lyram^  Megale  citharam  gerity  Organa  Suauis; 

Nisa  ferit  Megaleque  trahit^  tonat  ore  Suauis. 

Nisa  rosas^  Megale  violas  ölet  et  thyma  Suauis, 
15  Nisam  Tyrso  ^  Porus  Megalen  rapit^  Otho  Suauim , 

Et  sie  noctumae  redierunt  omnibus  horae. 

V.  1  orrentes        2  tlrso  willkürlich  mit  tyrso  abwechselnd         otiko 
9  fdse        megale        10  megale        11  trax        18  tndt        14  tima        15 
megalem 

die  vergleichung  ergibt,  dasz  das  vorstehende  zunächst  eine  parodie  von 
253  ist,  mit  dem  es  die  gröste  Verwandtschaft  zeigt;  femer  dasz  nach 
V.  14  dort  V.  8  fflr  uiolas  dat  vielmehr  uiolas  ölet  zu  lesen  ist.  dar- 
auf fflhrt  auch  die  corruption  in  der  nachahmung  des  Theodnlphus  (Müller 
a.  0.  s.  486):  Berta  rosas  Crodrudh  uiolas  et  lilia  Gisla^  wofür  Müller 
det  vermutete. 

Bern.  Hermann  £[aoen. 


ERSTE  ABTEILUNa 
FÜR  CLASSISCHE   PHILOLOGIE 

HERAUSOEGEBEN  VON  ALFRED  FlECKEISEN. 


7». 

!HOMER  AND  THE  IlIAD  BT  JOHN  StUART  BlACKIE.  VOL.  1: 
HOMERIC  DISSBRTATI0N8.  VOL.  2  AND  3:  THE  IlIAD  IN  EkO- 
LISH  VERSE,    BOOKS  1 — 24.     VOL.  4:    NOTES  PHILOLOGICAL    AND 

AROHAI OLOGiOAL.    London,  Edmonston  and  Douglas.    1866. 
XVIII  u.  441,  406,  440,  451  s.   gr.  8. 

Ueberblickt  man  die  Homerische  litteratur  Englands  und  Deutsch- 
lands, so  scheint  es  fast  als  ob  von  anfang  an  beide  nationen  eine  art 
arbeilsteilung  vorgenommen  hätten.  England  hat  Einmal  eine  unendliche 
menge  von  fibersetzungen  hervorgebracht,  von  den  Chapman,  Thomas 
Hobbes,  Pope  bis  auf  die  Derby,  Litlleton  und  Gladstone  unserer  tage, 
dann  eine  kaum  geringere  anzahl  von  schriften  welche  das  Verständnis 
«des  dichters  den  jedesmaligen ,  nicht  blosz  philologischen ,  Zeitgenossen 
«ahe  bringen  wollten,  den  anrang  machte  hier  Robert  Wood  mit  seinem 
'^essay  on  the  original  genius  and  writings  of  Homer'  (1769),  einem 
werke  welches  Goethe  in  ^Wahrheit  und  dicbtung^  nicht  genug  erheben 
konnte;  und  von  da  ab  setzt  sich  die  reihe  der  'essays'  und  ^studies' 
über  Homer  bis  in  die  neueste  zeit  fort,  die  Deutschen  dagegen  haben 
seit  Wolf  fast  ausschlieszlich  die  gelehrte  seite  am  Homer  culti viert  und 
so  emsig  gepQegt,  dasz  Bernhardy  mit  recht  die  disposition  der  gesamten 
einschlägigen  litteratur,  was  aufwand  an  zeit  betrifft,  der  abfassung  eines 
selbständigen  Werkes  gleich  achten  konnte,  ganz  freilich  ist  diese  tei- 
lung  der  arbeit  nicht  eingehalten,  denn  gehen  wir  hinler  Wolf  zurQck, 
so  finden  wir  auf  unserer  seite  die  namen  Lessing  und  Voss,  auf  der  andern 
Wolfs  groszen  Vorläufer  Bentley  und  neuerdings  einen  ebenso  scharf- 
sinnigen wie  gelehrten  bekämpfer  des  erstem,  George  Grote.  nichts- 
destoweniger wird  im  ganzen  die  gemachte  Scheidung  richtig  das  that- 
sächlich  verschiedene  Interesse  ausdrücken,  welches  beide  nationen  zu 
den  Homerischen  Studien  geführt  hat,  und,  setzen  wir  hinzu,  nicht 
minder  richtig  andeuten,  dasz  der  schwierigere  und  wichtigere  anteil 
an  der  gemeinsamen  aufgäbe  den  Deutschen  zugefallen  ist. 

John  Stuart  Blackie  lebte  in  jOngeren  jähren  lange  in  Italien, 
wo  er  mit  den  groszen  deutschen  gelehrten  verkeiirte :  er  war  befreundet 
mit  Weicker  und  dem  nun  verstorbenen  Gerhard;  dem  erstem  widmet  er 
in  erster  linie  sein  werk,    in  Italien  gab  er  sich  dem  Studium  der  kunsL 

Jahrbücher  f&r  clasi.  philol.  186S  hA.  9.  38 


578  A.  Pbilippi :  anz.  v.  Homer  and  Ihe  iliad  by  J.  St.  Blackie.  vol.  1—4. 

und  der  lilteraluren  hin  und  legt  jetzt,  als  professor  des  griechischen  io 
Edinburgh  die  resultate  seiner  Studien,  welche  er  seit  frühester  zeit  auf 
Homer  bezog,  den  gebildeten  unter  seinen  iandsleuten  vor.  so  schlieszt 
er  sich  an  die  oben  genannten  an,  ohne  ein  im  sinne  unserer  continentaiea 
schule  gelehrtes  buch  zu  liefern,  das  ganze  werk  ist  mit  aller  Solidität 
und  pracht  englischer  typographie  hergestellt  und  so  auf  einen  für  unsere 
Verhältnisse  unerhörten  preis  gebracht  (42  sh.).  in  England  bewahrheitet 
sich  eben  nicht,  was  Lessing  als  Deutscher  sagte,  dasz  auch  die  glück- 
lichste autorschafl  das  armseligste  handwerk  sei,  was  von  philologischer 
schriflstellerei  mit  wenigen  ausnahmen  bei  uns  noch  heute  gilt,  und  doch 
dürfen  wir  diese  diflerenz  wol  nicht  ausschlieszlich  dem  gröszem  ioter- 
esse  zuschreiben,  das  unsere  nachbarn  jenseit  der  Nordsee  den  resui- 
taten  classischer  Studien  widmen ;  wir  zweifeln  sogar  ob  bei  allem  guten 
willen  derselben  der  vf.  einen  in  jeder  hinsieht  glucklichen  wurf  gelban 
hat.  solche  werke  scheinen  vielmehr  ihr  leben  dem  groszen  publicum 
reicher  liebhaber  zu  verdanken,  welches  bücher  kauft,  um  sie  als  zierde 
hinzustellen ,  wo  der  deutsche  gelehrte  als  einziger  käufcr  an  dem  etwa 
zu  lernenden  für  seine  ausgäbe  sich  schadlos  halten  musz. 

Ein  hinweis  auf  das  werk  und  seinen  inhalt  schien  mir  nicht  unan* 
gemessen,  es  mag  den  gelehrten  interessieren,  die  auffassung  desseo, 
was  vielleicht  zum  teil  seine  arbeil  ist,  aus  dem  munde  eines  Vertreter» 
der  classischen  bildung  in  England  zu  vernehmen,  auszerdem  aber  wird 
mancher,  der  das  buch  zur  band  nimt,  gefallen  finden  an  den  bemerkun- 
gen  allgemeineren  Inhalts,  die  ein  mann  von  groszer  belesenheit  und  fei- 
nem geschmack  —  denn  das  ist  der  vf.  in  jeder  hinsieht  —  uns  hier  vorlegt. 

Um  des  gelehrten  teils  willen,  welcher  die  grundlage  der  disser- 
tationen  (band  I)  bildet,  muste  der  vf.  über  die  ^Homerische  frage'  eine 
Übersicht  geben  und  konnte  auch  sein  eignes  urteil  nicht  vorenthalten, 
er  hat  mit  sorgftltigem  fleisze  die  spuren  verzeichnet,  welche  auf  die 
Wolfsche  iheorie ,  vorahnend  oder  deutlich  bewust,  hinführen,  man  mag 
es  auch  hier  dem  Engländer  zu  gute  halten,  dasz  er  mit  den  Worten 
'so  viel  über  den  englischen  Ursprung  der  Wolfschen  theorie'  abscblieszL 
ob  wir  aber  seinen  Iandsleuten  glück  wünschen  dürfen ,  wenn  sie  gegen 
die  resultate  dieser  Wolfschen  theorie  B.s  eigne  ansieht  über  die  ent- 
stehung  der  Homerischen  gedichte  eintauschen,  ist  eine  andere  frage, 
denn  während  sonst  die  'einheit'  der  Homerischen  gedichte  in  der  früher 
beliebten  fassung  längst  aufgegeben  ist,  auszer  wo  der  Unverstand  in  ver- 
einzelten erscheinungsformen  auf  das  feld  der  Homerischen  krilik  sich 
gewagt  hat :  treffen  wir  hier  eine  ansieht  an ,  für  welche  die  Wolfsche 
theorie  eigentlich  nie  dagewesen  zu  sein  scheint.  In  der  4n  diss.  weist 
B.  auf  Stoffe  hin  welche  Homer  vorlagen,  und  gibt  (s.  137)  sogar  lieder 
zu,  deren  erbe  der  dichter  gewesen;  aber  das  hindert  ihn  nicht  iioen 
dichter  und  ein  einheitliches  gedieht  in  der  6n  diss.  zu  beweisen,  wun- 
derlich genug  sucht  er  (s.  206)  Wolfs  beweis,  dasz  schriftliche  fixiening 
solcher  gedichte  in  so  früher  zeit  unmöglich  gewesen,  auf  grund  ioszerst 
dürft* —  ' — «^sslücke  umzustoszen ,  und  hält  sogar  eine  om  900  unier- 
n^  Snung  der  ganzen  llias  und  Odyssee  für  möglich,  und 


A.  Philipp! :  anz.  v.  Homer  and  ihe  Iliad  by  J.  St.  Blackie.  vol.  1—4.  579 

doch  ist  das  erste  beispiel  eines  umfassenden  schriflgebrauchs  der  ge- 
setzescodex  des  Zaleukos  664  vor  Ch.  (vgl.  Wolf  s.  66  ff.),   das  gewagte 
einer  solchen  behauplung  ist  um  so  verwunderlicher,  als  B.  von  letzterer 
keinen  gebrauch  macht,   'sie  brauchen  nicht  geschrieben  gewesen  zu 
sein'  sagt  er  gleich  darauf  und  nimt  nun  mündliche  tradition  Jahrhunderte 
hindurch  an ,  bis  schriftliche  aufzeichnung  durch  spätere  Homeriden  ein- 
getreten sei.    beiläufig  erfahren  wir  dasz  Bathurst,  bischof  von  Norwich, 
als  Schüler  die  ganze  Ilias  aus  dem  gedächtnis  hat  aufsagen  können.  Wolf 
leugnete  bekanntlich  die  möglichkeit,  dasz  geschlossene  gedichte  solches 
umfanges  ohne  schrifl  entstehen  und  überliefert  werden  könnten ;  seine 
gegner  und  viele  seiner  nacbf olger  fochten  den  schlusz  an ,  und  so  ist 
man  denn  allmählich,  aber  jetzt  allgemein,  zu  der  ansieht  gekommen, 
dasz  die  gedichte  selbst  für  die  entscheidung  der  frage  letzte  Instanz 
sind,   wer  nun  in  ihnen  eine  bedeutende  ursprünglichkeit  der  einzelnen 
Partien  bei  stets  gestörtem  zusammenhange  Gndet,  der  wird  auf  eine 
allmähliche  entstehung  des  ganzen  aus  einzelnen  Hedern  geführt  werden, 
jver  einen  durchgehenden ,  nur  hie  und  da  gestörten ,  erweiterten ,  ver- 
nachlässigten grundplan  zu  entdecken  glaubt,  wird  an  die  möglichkeit 
einer  einmal,  vielleicht  auch  von  öinem  gefoszten  conception  denken  kön- 
nen,  wer  schlieszlich  die  immerhin  bemerkbare  Störung  des  Zusammen- 
hanges aus  der  Verbindung  gröszerer  massen  sich  erklären  kann^  bat 
gröszere  selbständige  gedichte,  nicht  blosze  lieder,  als  ursprüngliche 
teile  anzunehmen,   jenen  ersten  weg  gieng  Lachmann ;  an  die  zweite  enl- 
stehungsart  dachte  wenigstens  Wolf  seihst  (praef.  Hom.  1795  s.  XXVI), 
was  B.  s.  227.  245  nicht  erwähnt,    den  letzten  weg  schlug  Grote  ein, 
indem  er  eine  liias  und  eine  Achilleis  als  bestandteile  unserer  Ilias  vor- 
aussetzte,  nichts  von  alledem  bei  unserm  vf.    er  ficht  zuerst,  wie  vor 
ihm  schon  Grote  und  andere,  s.  216  Laclimanns  ansieht  an,  dasz  erst 
seit  Peisistratos  die  Ilias  in  gegenwärtiger  gestalt  existiere  und  früher 
keine  schriftliche  aufzeichnung  stattgefunden  habe,    und  in  der  that  wird 
man  das  wenigstens  verneinen  dürfen,  dasz  diese  Peisislrateische  auf- 
zeichnung zugleich  die  erste  anorduung  der  bisher  zerstreuten  lieder 
gewesen  sei:  denn  werke  des  epischen  kyklos,  wie  die  lliupersis  und 
Aethiopis  des  Milesiers  Arktinos  (775  vor  Gh.),  ferner  die  Solonische 
festslellung  des  liedervortrages  an  den  Panathenäen  sind  frühere  Ihai- 
sachen,  welche  einen  gewissen  geschlossenen  Zusammenhang  der  Ilias 
und  Odyssee  voraussetzen,   wenn  wir  nun  ferner  annehmen,  dasz  etwa 
um  650  schon  eine  aufzeichnung  erfolgte ,  die  Peisistrateische  also  nicht 
die  erste  war,  so  iäszt  sich  ein  positiver  beweis  dagegen  von  den  anhän- 
gern  Lachmanns  nicht  bringen,    schlieszlich  kann  —  was  auch  der  vf. 
annimt  —  der  Zusammenhang,  welchen  Peisistratos  etwa  herstellte,  ein 
nur  abhanden  gekommener  gewesen  sein,  und  die  exislenz  der  Lachmann- 
schen  einzellieder  mflste  mindestens  weit  jenseit  der  zeit  des  tyrannen 
liegen  und  dazwischen  schon  eine  später  wieder  gestörte  einigung  statt- 
gefunden haben,   diesen  argumenten  gegenüber  bleibt  aber  doch ,  wenn 
wir  die  gedichte  selbst  betrachten,  eine  wichtige  thatsache  der  Wolf- 
Lachmannschen  lehre  stehen :  es  musz  eine  zeit  gegeben  haben ,  wo  das 

38* 


580  A.  Philippi:  anz.  r.  Homer  and  ihe  IIUJ  by  i.  Sc  BUckie.  rol.  1—4. 

jetzt  rerdDigte  getrennt  war,  wo  einzellieder  ezistierten ,  gldcbviei  ob 
wir  dieselben  noch  durch  analyse  berstellen  können,  denn  die  oneben- 
heften,  welche  den  gegenwärtigen  zasanunenbang  unterbrechen,  werden 
nicht  durch  die  annähme  allmihlich  hinzugetretener  Interpolationen  er- 
klärt ein  grundpian ,  wie  er  das  kennzeichen  eines  einheitlichen  werkes 
wäre,  ist  nicht  vorhanden,  wenn  man  dafür  nicht  die  historische  aofeiii- 
anderfolge  nehmen  will,  ohne  welche  aber  eine  reihe  von  thatsachen 
überhaupt  nicht  vorzutragen  ist.  die  Grolescbe  tbeorie,  welche  die  ent- 
stefaung  aus  einer  IHas  und  AchUleis  annimt,  entspricht,  weil  sie  verhält- 
nismäszig  conservativ  ist ,  am  meisten  der  ansidit  des  vf.  ehe  er  seine 
eigne  tbeorie  aufstellt,  bekämpft  er  indes  auch  sie  (s.  245 — 259),  wobei 
freilich  zu  bemerken  ist,  dasz  ihr  von  anderer  seite  schon  genögeodes 
entgegnet  worden ,  und  dasz  die  verständige  betrachtong  des  gedidites 
selbst  stets  wieder  auf  eine  der  von  Lachmann  gewollten  ähnliche  ent- 
slehungsweise  zurückführt,  der  vf.  aber  findet  im  gegenteil  (s.  211 — 
215)  einen  einheitlichen  plan  in  der  Ilias:  das  eigentliche  sujet  ist  der 
troische  krieg ,  und  der  zom  des  Achilleus  vom  dichter  gewählt,  um  den- 
selben  zu  veranschauliclien*  (embody) ,  weil  dieser  zom  fruchtbar  war 
dramatische  Situationen  hervorzurufen,  wir  dürfen  uns  hiernach  nicbl 
wundern ,  wenn  der  vf.  sogar  wieder  auf  eine  tragisclie  ^idee'  in  der  Dias 
zurückkommt  (s.  215).  gibt  er  selbst  mit  diesem  ergebnis  seiner  analyse 
sich  zufrieden,  so  beruht  doch  dasselbe  nur  auf  subjectivem  ermessen  und 
hat  nur  für  die  welclie  seiner  autorität  unbedingt  folgen  geltung.  be- 
weisende kraft  hat  das  ganze  raisonnement  nicht,  und  wenn  B.  zum 
schlusz  John  Wilsons  worte:  ^manche  glauben  an  zwanzig  Homere,  ich 
an  ^inen;  die  nalur  ist  nicht  so  verschwenderisch  mit  ihren  grossen 
dichtem'  —  wenn  er  diese  worte,  welche  ein  recht  hübsches  argument 
für  einen  epigrammaliker ,  aber  ein  herzlich  schlechtes  für  einen  gelehr- 
ten forscher  abgeben,  zu  den  seinigen  macht,  so  kennzeichnet  das  auf  das 
treflTendsle  den  subjectiven  Charakter  solcher  art  von  beweisfühning. 

Nach  solchen  ergebnissen  weichen  natürlich  auch  seine  Überzeugun- 
gen betreffs  der  person  Homers  wesentlich  von  den  unsrigen  ab.  die 
3e  diss.  handelt  über  diesen  gegenständ,  der  vf.  fügt  s.  82  den  acht 
Homerischen  biographien  bei  Westermann  eine  neunte  anonyme  hinzu 
und  wählt  nun ,  ohne  rechenschaft  über  seine  wähl  zu  geben ,  die  sog. 
vIta  Hemdoti  aus,  uro  aus  ihr  das  leben  seines  dichters  zu  construieren. 
dazu  nimt  er  als  'Innern  beweis'  s.  108  die  von  Robert  Wood  gemachte 
bemerkung ,  dasz  II.  I  4  der  Zephyros  mit  dem  Boreas  von  Thraclen  her- 
überweht, und  schlieszt  so  auf  einen  'minstrel',  der  an  der  kleinasiali- 
schen  küste  um  Smyrna  etwa  900  vor  Ch.  wohnte,  die  einzelheilen,  mit 
denen  er  das  leben  seines  ^epischen  arlislen'  ausstattet,  erlassen  wir  dem 
leser;  das  factum  ist  nur  ausgewählt,  um  die  kritiiilose  methode  des  vf. 
in  behandlung  litlerargescbichtlicher  fragen  zu  kennzeichnen,  hätte  er 
die  unschätzbaren  ^Homericae  dissertationes'  unseres  landsmannes  Senge- 
busch gekannt,  so  würde  er  aus  der  Zusammenstellung  der  überlieferten 
nacb»''''*^»«'»  über  Homer,  verglichen  mit  den  zeilausälzen  (1  s.  1 — 13. 

T)  gesehen  haben ,  dasz  eine  tradition  über  Homer  als 


A. Philipp!:  anz.  v.  Homer  and  the  lliad  by  J.  St.  Blackie«  vol.  1 — 4.  581 

person  nur  von  denen  geglaubt  werden  konnte,  welche  vereinzelte  Zeug- 
nisse aus  dem  zusammenhange  rissen  und  mit  eignen  hypothesen  erläu- 
terten, etwas  anderes  aber  hat  B.  auch  nicht  gethan,  und  deshalb  können 
diese  resultate  seiner  Forschung  nicht  einmal  den  anspruch  machen  wider- 
legt zu  werden. 

Es  bleibt  noch  ein  wort  zu  sagen  über  die  art  wie  B.  seine  leser 
auf  seine  positiven  ergebnisse  vorzubereiten  und  die  entgegenstehenden 
ansichten  zu  entkräften  sucht,  das  letztere  konnte  auf  zwei  weisen  ge- 
schehen: durch  summarisches  referieren  und  anschlieszen  der  gegen- 
beweise  in  ihren  hauptpuncten  oder  durch  Widerlegung  im  einzelnen, 
der  erste  weg  empfahl  sich  fflr  ein  gröszeres  publicum,  der  zweite  dem 
lernenden  und  gelehrten  gegenüber,  der  vf.  hat  beide  methoden  unzweck- 
mäszig  vermiscliL  Wolf,  Lachmann,  Köchly,  Grote  werden  in  der  weise 
bekämpft,  dasz  einzelne  thesen,  und  nicht  immer  die  stärksten,  mit  fast 
philologischer  genauigkeit  kritisiert  werden,  hat  der  vf.  hier  sich  philo- 
logische leser  gedacht,  so  passte  doch  die  unvollständigkeit  der  discus- 
sion  ebenso  wenig  für  solche,  wie  anderseits  die  ausfallenden  allgemeiuen 
bemerkungen,  welche  manchmal  in  einen  geradezu  unpassenden  ton  über- 
gehen, doch  nur  einem  grdszern  publicum  imponieren  können,  oder 
was  wird  mau  von  folgenden  Worten  s.  237  denken?  'aber  worin  be- 
steht die  von  Köchly  gewollte  inconsequenz  in  Agamemnons  benehmen 
an  dieser  stelle?  es  scheint  freilich  dasz,  wenn  prof.  Köclily  das  zweite 
buch  geschrieben  hätte  statt  Homers,  er  den  könig  der  menschen  in  einer 
mehr  königlichen  und  majestätischen  hallung  vorgeführt  hätte,  das  glaube 
ich  wol.  auch  der  könig  der  götter  spielt  in  diesem  buche  eine  gleich 
unkönigliche  rolle;  er  schickt  einen  trügerischen  träum,  und  Agamemnon 
hält  eine  lügenhafte  rede.  prof.  Köchly  würde  das  nicht  gethan  haben, 
das  ist  Homers  Unglück,  er  schrieb  sein  gedieht ,  ehe  man  von  deutschen 
Universitäten  wüste'  usw.  oder  s.  244 :  *  ich  glaube  annehmen  zu  dür- 
fen ,  dasz  jeder  englische  leser  mit  mir  einen  groszen  teil  dieses  titanen- 
haften aufwandes  fruchtloser  gelehrsamkeit  (derWolfianer)  einem  speciel- 
len  fehler  in  der  intellectuellen  anläge  der  Deutschen  zuschreiben  wird, 
ähnlich  jener  wunderbaren  hergebrachten  subtilität',  welche  die  Deut- 
schen so  hüiflos  in  politischen  dingen  erscheinen  lasse,  'grosze  gelehr- 
samkeit hat  sie  nicht  gerade  verrückt  (mad)  gemacht,  aber  übersubtil, 
spürlustig,  tadelsüchtig  und  unpraktisch.'  und  so  geht  es  noch  eine 
weile  fort,  das  verleiht  dann  die  nötige  folie  dem  ^general  uncorrupted 
instinct  of  the  English  mind',  dessen  bemühungen  um  die  Homerkritik 
s.  246  weiter  verfolgt  werden,  so  ist  es  doch  ebenfalls  mindestens 
nichtssagend,  was  wir  s.  129  als  abschlieszendes  urteil  über  Welckers 
'epischen  cyclus'  und  ähnliche  arbeiten  lesen :  *sie  werden  die  bewunde- 
rung  einiger  englischer  gelehrten  erregen,  andere  zum  lächeln,  keinen 
zur  nachahmung  auffordern.'  und  s.  367  heiszt  es  von  einer  classe  deut- 
scher kritiker :  'sie  scheinen  zu  glauben ,  dasz  beine  nur  dazu  da  sind, 
um  von  ihnen  abgeschnitten  zu  werden',  und  fechten  lieber  ä  la  Don 
Quixote  gegen  Windmühlen  oder  den  schatten  ihres  eigenen  speers  als 
gar  nicht«   was  wir  s.  382  über  die  Engländer  lesen ,  ist  zwar  für  die- 


582  A.  Philipp!:  anz.  ▼.  Homer  and  Ihe  Uiad  by  J.  St.  Blackie.  vol.  1—4. 

selben  auch  nicht  schmeichelhaft;  doch  dieses  abwägen  im  austeilen 
kritischer  Wahrheiten  kann  uns  mit  dem  tone  nicht  aussöhnen,  der  vf. 
musie  doch  bedenken,  dasz  er  auf  den  schultern  der  mftnner  steht,  wel- 
chen er  die  fusztritte  versetzt,  und  seine  manier  erinnert  stark  an  die 
fabricale  gewisser  deutscher  Schöngeister,  mit  welchen  billiger  weise 
ein  Professor  des  griechischen  nicht  auf  solchen  pfaden  zusammentreffen 
sollte,  in  der  vorrede  vergleicht  der  vf.  seine  dissertationen  einem 
schiffe  auf  dem  er  seine  leser  in  ein  fremdes  land  bringt,  angesichts  sol- 
cher phrasen  kann  man  kaum  die  bemerkung  unlerdrticken,  dasz  er  durch 
erstere  seine  fahrgäste  schadlos  halten  zu  wollen  scheint  ffir  die  freilich 
langweiligen  und  breitspurigen  pfade,  die  er  sie  manchmal  fuhrt. 

Wenn  wir  bei  den  bisher  besprochenen  abschnitten  uns  einen  eng- 
lischen Studenten  als  leser  vorstellten  tmd  um  so  weniger  von  dem  dort 
vorgetragenen  erbaut  waren ,  je  weniger  wir  auf  jenen  standpunct  uns 
zu  versetzen  wüsten,  so  möchten  wir  nun  noch  auf  andere  teile  der 
dissertationen  aufmerksam  machen,  weil  sie  entschieden  beachtung  ver- 
dienen,   es  sind  besprechungen  einzelner  ästhetischer  und  historischer 
fragen,  welche,  durch  die  betrachtung  der  llias  angeregt,  meist  auch 
nicht  allzuweit  von  ihrem  ausgangspuncte  sich  verlieren ,  excurse  über 
epische  kunst  und  darstellung,  über  versmasze,  über  die  bedeutung 
Homers  für  sein  volk  und  die  späteren,    hier  ist  recht  eigentlich  das 
feld,  auf  welchem  der  vf.  seine  belesen  hei  t  und  seineu  kunstgeschmack 
entwickeln  konnte,    über  alle  gebiete  der  kunst  und  der  schönen  litte- 
ratur  ist  er  orientiert,  auf  vielen  gründlich  bewandert,  namentlich  gilt 
das  von  der  englischen  und  der  italiänischen  lilteratur;  und  die  Streif- 
lichter ,  welche  er  von  hier  aus  auf  die  entwicklungsgeschichte  des  grie- 
chischen epos  fallen  läszt,  sind,   wenn  sie  den  brennpunct  der  Home- 
rischen frage  auch  nicht  unmittelbar  treffen,  doch  vom  standpuncte 
vergleichender  litteraturgeschichte  aus  gesehen  höchst  beiehrend,    sollen 
wir  eins  bedauern ,  so  ist  es  dies ,  dasz  viele  hübsche  und  feine  bemer- 
kungen  durch  die  anreihung,   welche  durch  das  auf  bestimmte  puncte 
gerichtete  raisonnement  gefordert  war,  den  blicken  mehr  entzogen  als 
vor  ihnen  aufgedeckt  scheinen,    sie  würden  jedenfalls  in  form  einzelner 
essays  mehr  zur  geltung  gekommen  sein,    dasz  unter  diesen  abband- 
lungen  manches  zu  allgemeine,  einzelnes  nicht  einmal  richtige  sich  findet, 
darf  freilich  nicht  verschwiegen  werden,    zu  der  ersten  classe  gehört, 
was  in  der  5n  diss.  über  gleichnisse,   epitheta  und  darstellungsmittel 
überhaupt  gesagt  ist,  ferner  die  meisten  der  in  diss.  6  eingereihten  argu- 
■^enle,  welche  den  beweis  liefern  sollen  dasz  Homer  ^epischer  artisl' 
gewesen  sei.     falsch  sind  schlieszlich  die  gesichtspuncte,  nach  denen 
ebenda  die  llias  mit  der  Aeneis,  dem  ^zerstörten  Jerusalem',  Miltoos 
'paradlse'  einerseits,  anderseits  mit  des  Quintus  Smyrnaeus  Poslhomerica 
zusammengestellt,  und  nun  aus  jenen  in  erster  reihe  genannten  epen  die 
eigenschaften  eines  kunstepos  abstrahiert  werden,    wenn  endlich  im  ein- 
gange der  8n  diss.  die  achlung,  in  der  ein  dichter  sieht,  nicht  allein  auf 
seinen  ir  sondern  auch  auf  das  Verhältnis  zu  seiner  nation 

zurück^  ist  das  für  viele  fälle  zuzugeben ;  dasz  aber  die 


A. Philipp!:  anz.  v.  Humer  and  the  Iliad  by  J.  St.  Blackie.  voi.  1^4.  583 

Oeutsdien  Goethe  deshalb  Schillern  vorziehen,  weil  sie  in  jenem  ^some 
characteristic  virtue  of  Gerinan  life'  finden ,  kann  doch  nur  ein  Engländer 
glauben ,  dem  es  mit  seinem  Shakespeare  so  gehen  mag. 

Der  vierte  band  bringt  uns  noten ,  philologische  und  arch&ologiache, 
wie  der  vf.  sie  nennt,  sie  sind  sachlicher  art :  denn  sie  sind  zunächst  für 
ieser  bestimmt ,  welche  erst  durch  die  Übersetzung  zu  Homer  geführt 
werden,  wenn  sie  auch  für  solchen  zweck  mit  zu  groszem  aufwände 
stofflicher  gelehrsamkeit  zusammengearbeitet  scheinen,  so  sind  sie  doch 
im  ganzen  bequem  und  praktisch  eingerichtet,  dasz  sie  gelegentlich  den 
in  den  dissertationen  verfochtenen  tendenzen  entgegenkommen,  ist  natOr- 
Jich.  uns  freilich  musz  es  unbegreiflich  sein,  wie  jemand  z.  b.  an  der 
Identität  des  Homerischen  Ilhaka  mit  dem  local  der  heutigen  insel  fest- 
hallen kann,  wie  es  doch  B.  s.  97  nach  anleitung  seines  landsmanus  Geil 
thut.  um  mit  dem  irtum  aufzuräumen,  sollte  man  meinen,  hätte  es  kaum 
Aoch  der  meisterhaften  auseinandersclzung  bedurft,  welche  R.  Hercher 
im  Hermes  I  s.  263—280  gegeben  hat.  und  doch  hätte  vielleicht  B., 
4uch  wenn  er  jenen  aufsatz  schon  hätte  lesen  können,  für  dessen  Ver- 
fasser ein  ähnlich  kräftiges  wörtlein  in  bercitschaft  gehabt,  wie  es  s.  97 
einen  andern  ketzer  (Völcker)  triflTl:  'solche  grille  konnte  nur  im  hirn 
eines  bflchervolkes  entstehen,  welches  durch  fortwährende  heschäftigung 
mit  unpraktischer  speculation  eine  wunderbare  fähij^keil  sich  angeeignet 
hat,  entweder  etwas  aus  nichts  oder  nichts  aus  etwas  zu  machen,  wie 
<)ie  laune  will  oder  die  gelegenheit  verlangt.' 

Seiner  Übersetzung  liat  der  vf.  die  lOe  disscriation  vorausge- 
schickt, hier  seine  ansichten  zu  hören  ist  für  manchen  vielleicht  um  so 
interessanter,  als  eigne  Studien  und  reichliche  litterarische  Unterstützung 
meist  gleichgesinnter  landsleute  ihn  besonders  ausführlich  sich  verbreiten 
lassen,  von  den  englischen  Homerübersetzungen  standen  zwei  in  beson- 
derer aclitung  bei  ihren  jeweiligen  Zeitgenossen:  die  von  Ghapman  und 
^ie  spätere  von  Pope,  letzterer  urteilte  über  das  ehrwürdige  werk  seines 
Vorgängers  einseitig  in  seinen  beiszenden  witzworten,  so  wenn  er  sagte 
^Ghapman  schreibe  manchmal,  wie  Homer  geschrieben  haben  müsse,  ehe 
<r  zu  verslande  gekommen  sei',  denn  bei  allen  fehlem,  die  der  Über- 
setzer machte,  spricht  die  wärme  echter  dichterempfindung  aus  Ghapmans 
TCrsen,  während  Popes  vielgelesene  und  noch  mehr  gerühmte  Übersetzung 
ihren  künstlich-steifen  gang  ohne  bewegung  von  anfang  bis  zu  ende  geht. 
B.  spricht  sich  s.  429  über  Pope  vorurteilsfrei  und  richtig  aus;  heutzu- 
tage begreift  es  sich  allerdings  schwer,  wie  ein  unbefangenes  lesepubli- 
'Cum  in  seiner  Übersetzung  alle  jene  Vorzüge  wiederfinden  konnte,  die 
deutsche  und  englische  kritiker  hineinzusehen  bemüht  waren,  man  denke 
-z.  b.  an  Lichtenbergs  enkomiastische  ausspräche,  weniger  einsichtsvoller 
beurteiler  nicht  zu  gedenken,  der  gezierte  Charakter  der  Popeschen  über- 
isetzung  wird  durch  das  versmasz  noch  mehr  hervorgehoben:  es  ist  der 
fünffüszige  iambus  mit  parweisen  reimen  (blank  verse).  Mlltons  paradise 
ist  in  demselben  versmasze  geschrieben,  aber  ohne  reime,  und  darum 
gerade  ist  die  form  des  englischen  kunslepos  bei  weitem  weniger  laug- 
^veilig  und  eintönig  als  die  des  Popeschen  Homer.    Ghapman  dagegen 


584  A.Philippi:  anz.  v.  Uomer  and  tlie  liiad  by  J.  Sl.  Blackie.  voJ.  1 — 4» 

hatte  den  stehen rQszigen  iambus  der  altern  ballade  gewShIt  und  auch  deo 
parweisen  reim  beibehalten ;  er  kommt  so,  was  natörlichkeit  des  tons  be- 
trifft ,  dem  Homer  um  einen  guten  schritt  näher,  doch  auch  andere  vers- 
masze  sind  in  England  angewandt  worden,  über  die  verwendbarkeil  des 
hexameters  gibt  es  sogar  eine  kleine  litteratur;  aber  bei  verschiedenem 
urteit  der  einzelnen  stimmen  blieb  diese  frage  nur  eine  theoretische,  and 
der  vf.  hat,  wenn  er  bestimmt  ausspricht  dasz  tribrachische,  anapSsliscbe, 
trochSische  und  vor  allem  hexametrische  metra  der  englischen  spräche 
nicht  angemessen  seien,  daffir  nicht  nur,  wie  mir  scheint,  fiberzeugende 
gründe  beigebracht,  sondern  auch  die  erfahrung  völlig  auf  seiner  seile, 
er  selbst  kehrte  nach  längerer  prüfung  zu  dem  versroasze  Chapmans  zurück, 
er  fand  nemlich  för  die  wähl  der  Übersetzungsform  anhaltspuncte  in  der 
allen  ballade  (Ghaucer)  einerseits ,  anderseits  freilich  auch  in  dem  epos 
Hiltons.  dort  sieht  er  die  einfachheit,  hier  die  erhabenheit  Homerischer 
darstellung,  aber  die  ballade  ist  nicht  groszartig,  die  epopöe  nicht  unge- 
künstelt genug,  es  bedarf  einer  form ,  welche  die  naivetät  der  ballade 
mit  der  erhabenheit  des  epos  verbindet,  diesen  anforderungen  scheinen 
nuu  einzelne  balladische  masze  bis  zu  einem  gewissen  grade  zu  entspre- 
chen, und  sie  verdienen  deshalb  entschieden  vor  dem  iambischen  ffinf- 
fQszler  den  vorzug.  dort  konnte  er  wählen  zwischen  dem  siebenfQszler 
Chapmans,  dem  trochaischen  kataleklischen  tetrameter  der  neueren  Ober- 
Setzungen  von  Aytoune,  Litllelon,  Gladslone  und  der  achtsilbigen  stanze 
Walter  Scotts,  den  Chapmanschen  vers  nahm  er  mit  recht:  denn  er  ent- 
spricht an  umfang  am  meisten  dem  hexameter,  und  wenn  auch  hie  und 
da  ein  überschusz  an  Worten  auf  seilen  der  Übersetzung  hervorlrit  — 
B.  gibt  das  s.  423  zu  —  so  wird  im  ganzen  vers  mit  vers  sich  decken, 
wie  war  nun  der  reim  zu  behandeln?  denn  dasz  derselbe  überhaupt 
nicht  fortbleiben  durfte,  darüber  konnte  der  vf.  nach  den  auf  dem  ge- 
biete seiner  litteratur  gemachten  erfahrungen  nicht  in  zweifei  sein.  Chap- 
man  und  Pope  waren  ihm  hier  schon  vorangegangen ,  und  nur  Gowper 
war  neuerlich  in  die  fuszslapfeu  des  alten  Thomas  Hobbes  getreten  und 
zu  dem  reimlosen  blank  verse  zuräckgekehrt.  einzelnes  allerdings  ist 
auch  gegen  den  reim  eingewandt  worden ,  vor  allem  dasz  er  kleinere 
einheilen  schafft  und  so  etwas  dem  original  fremdes  in  die  fiberselznng 
bringt,  dasz  trotzdem  B.  den  reim  beibehalten  hat,  kann  man  nur  blUigeUr 
wenn  man  auch  kein  besonders  treffendes  argument  für  die  getroffene 
entscheidung  in  dem  seiner  meinung  nach  (s.  413}  analogen  zusammen* 
klingen  bestimmter  vocale  in  dem  Homerischen  verse  erkennt  jenen^ 
Übelstande  aber  glaubt  der  vf.  durch  eine  besondere  anwendung  des 
reims  zu  begegnen,  er  hat  nemlich  beobachtet,  dasz  Homer  nicht  stets 
KQTa  CTiXOV,  sondern  auch  nach  einheilen  von  2, 3, 4  versen  componiere, 
ja  er  glaubt  nachweisen  zu  können ,  dasz  das  vers  paar  (couplet) ,  die 
lieblingsform  des  Volksliedes,  auch  fundamentaltypus  des  Homerischen 
verses  sei  (?).  er  leitet  daraus  die  notwendigkeit  ab,  diese  abschnitte 
durr.h  den  reim  zu  bezeichnen,  und  hat  nun  parweise,  drei-  und  vierfache 
n  seiner  Übersetzung  angebracht,  hier  kann  ich  freilich  die  be- 
nicht  unterdrücken  —  und  ich  glaube,  wer  B.s  Übersetzung  zur 


A.  Philippi:  anz.  v.  Homer  and  thc  Iliad  by  J.  St.  Blackie.  vol.  1 — 4.  585  ' 

band  nimt  wird  sie  bestätigt  finden  —  dasz  dies  aufeinanderschlagen 
ungleich  gezählter  reime  etwas  absonderlich  unruhiges  in  den  Vortrag 
bringt ,  was  mit  der  epischen  ruhe  des  erzählenden  lones  sich  nicht  ver- 
trägt, das  princip  aber,  welches  das  verfahren  rechtfertigen  soll,  ist 
künstlich,  denn  angenommen,  diese  reime  wären  dem  ohr  nicht  unange- 
nehm, wer  wird  diese  ihre  besondere  anwendung  für  ein  äquivalentes 
ausdrucksmiltel  der  feinen  sinnlichen  beziehungen  nehmen ,  nach  denen 
sich  bei  Homer  freilich  hie  und  da  verse  zu  zweien ,  dreien  usw.  an  ein- 
ander stellen,  andere  aber  sich  abheben  von  früheren  oder  folgenden? 
wie  unbestimmt  und  schwankend  sind  auszerdem  die  gcenzen  dieser  ab- 
schnitte, und  wo  bleiben  schlieszlich  in  der  Übersetzung  die  verse,  welche 
im  original  wirklich  allein  (Kard  ct(xov)  stehen?  einzelne  reimlose  verse 
würden  unerträglich  sein,  und  sie  an  ihre  nachbarn  hinten  oder  vorn  an- 
zuscblieszen ,  das  heiszt  dann  wieder  dieses  subtile  gcsetz  übertreten^ 
welches  Übereinstimmung  zwischen  original  und  Übersetzung  auch  in  der 
gruppierung  hervorbringen  soll,  es  bleibt  also  wol  nichts  übrig  als  mit 
dem  reime  auch  die  dem  original  fremde  parung  der  verse  zuzulassen, 
da  jenes  auskunftsmittel  als  durchaus  unzweckmäszlg  sich  erweist. 

So  hat  sich  denn  B.  mit  seiner  Übersetzung  in  eine  gewisse  concur- 
renz  mit  Ghapman  begeben,  soweit  zeitlicher  abstand  und  unterschied 
sonstiger  Verhältnisse  zwischen  beiden  einen  vergleich  erlauben,  wir 
mögen  das  urteil  derer,  für  die  diese  Übersetzung  bestimmt  ist,  abwarten, 
wollen  aber  am  Schlüsse  noch  eine  bemerkung  machen,  zu  welcher  wir 
berechtigt  zu  sein  glauben,  wo  nemiich  B.  die  verschiedenen  wege  an- 
deutet ,  welche  man  in  England  und  in  Deutschland  bei  der  Übersetzung 
Homers  einschlug,  sagt  er  dasz  das  verhalten  der  Deutschen  und  die  hier 
beliebte  anwendung  antiker  metra  für  England  kein  präcedenzfall  sei. 
letzteres  wird  jeder  zugeben,  aber  ein  anderes  ist  es,  ob  B.  dies  verhalten 
selbst  richtig  zu  beurteilen  im  stände  ist.  denn  wenn  er  hinter  den  deut- 
schen hexameterübertragungeu  nur  eine  'mechanical  idea  of  repeating  Ibe 
rhythm  of  the  original'  sieht  und  Goethe  und  Schiller  tadelt,  weil  sie 
einem  neuerungsversuche  Klopstocks  die  autorität  ihrer  groszen  namen 
geliehen,  so  zeugt  das  zunächst  nicht  von  tiefem  einblick  in  die  litteratur- 
geschichte.  denn  die  bedeulung,  welche  die  Übersetzung  von  Voss  und 
ähnliche  an  sie  sich  anlehnende  arbeiten  für  das  freiwerden  des  ausdrucks 
und  die  dichterische  spräche  überhaupt  hatten ,  Ist  so  sehr  thatsache  ge- 
worden, dasz  wir  ihrer  manchmal  kaum  noch  als  eines  auszerordentlichen 
umstandes  uns  bewust  sind ,  und  was  den  selbständigen  werth  des  deut- 
schen hexameters  betrifft,  so  wird  nach  Goethe  und  Schiller  kein  ver- 
ständiger wol  im  ernste  behaupten ,  dasz  in  dieser  dichtungsform  unsere 
spräche  auf  freie  bewegung  verzichten  müsse,  anderseits  glaubt  B.  in 
Rinnes  ^Homers  Odyssee  In  stanzen'  einen  beweis  zu  haben,  dasz  auch 
die  Deutschen  ihrer  gelehrten  übersetzerlaune  entsagt  hätten,  damit 
miszt  er  aber  doch  wol  einem  (mir  übrigens  unbekannten)  buche  eine 
allzugrosze  bedeulung  bei.  dasz  überhaupt  moderne  masze  die  alten  uns 
näher  brächten,  wird  jeder  bezweifeln,  der  die  erfolge  dieser  art  von 
arbeiten  kennt,  unter  denen  meiner  ansieht  nach  Gravenhorsts  Sophokles- 


586     G.  Ciieudl:  bemerkuogeD  zu  II.  Haymans  ausgäbe  der  Odyssee. 

Übersetzung  die  beste  ist.  ein  Homer  vollends  in  stanzen  ist  nach  J.  H. 
Voss  höchstens  ein  curiosum.  dasz  aber  auch  die  Vossische  Übersetzung 
in  Deutschland  nie  so  populär  werden  konnte,  wie  es  Popes  llias  in  Eng- 
land wirklich  wurde,  hat  gründe  welche  tiefer  liegen  als  in  der  metri- 
schen form ,  welche  indes  auseinanderzus$etzen  hier  nicht  der  ort  ist. 
Beelin.  Adolf  Philippi. 

80. 
EINIGE  BEMERKUNGEN   ZU   HENRY   HAYMANS  AUS- 
GABE DER  ODYSSEE. 


Eine  anzeige  im  litt,  centralblatt  (1867  nr.  25)  über  ^the  Odyssey 
of  Homer  edited  wilh  marginal  references ,  various  readings ,  notes  and 
appendices  by  Henry  Hayman,  B.  D,  vol.  1.  books  I  to  Vi'  (London 
1866)  schlleszt  mit  den  werten:  'das  einzige  dankenswertlie  der  ausgäbe 
scheint  uns  das  Verzeichnis  der  parallelstellen  am  rande,  das,  wean  es 
Tollständig  wäre,  eine  lückc  in  unsern  Homersludien  ausfüllen  würde, 
leider  ist  es  das  nicht.'  weit  davon  entfernt  die  in  vorstehendem  be- 
merkte unvollsländlgkeit  durchgehend  hier  nachweisen  zu  woUeu,  ist 
es  vielmehr  meine  absieht  in  diesen  zeilen  nur  an  wenigen  versen  tlle 
mangelhafte  auswahl  und  Zusammenstellung  der  parallehtelleu  hervorzu- 
heben ,  unter  der  Versicherung  freilich ,  dasz  es  nicht  schwer  sein  würde 
<lasselbe  überall  von  dieser  ausgäbe  zu  zeigen.  Vollständigkeit  erstrebte 
hr.  Hayman  in  seinen  randbemerkungen  nicht,  die  dürfen  wir  also  von 
vorn  herein  darin  nicht  suchen;  seine  absieht  war  eine  andere,  und  diese 
teilt  er  uns  s.  XCIl  des  Vorwortes  in  folgenden  werten  mit:  'in  der  vor- 
liegenden ausgäbe  ist  der  versuch  gemacht  mittels  randbemerkungen, 
welche  parallel-  und  erklärende  stellen  (parallel  and  illustrative  passages) 
enthalten ,  Homer  so  weit  als  möglich  als  seinen  eignen  scholiasten  dar- 
zustellen (!)  und  die  bemerkenswertbe  eigentümlichkeit  seines  Stiles  her- 
vorzuheben, dasz  er  nemlich  niemals  von  einer  redensart  abgeht,  so  lange 
es  möglich  ist  dieselbe  zu  benutzen  und  anzuwenden,  wie  bereits  oben 
erwähnt  ist  s.  VII. '^)  für  diejenigen,  welche  die  musze  und  ausdauer 
haben  diese  randbemerkungen  zu  benutzen,  hoffen  wir,  möciiten  die  noten 
einen  hui  freichen  beistand  leisten,  beim  zusammentragen  derselben  ent- 
stand eine  zehnmal  gröszere  Schwierigkeit,  wo  aus  einer  menge  von 
stellen  auszulesen  war,  als  da  wo  sich  eine  beschränkte  auswahl  bot. 
alle  Wiederholungen  und  gleichheiten  der  stellen  aufzu- 
zeichnen wurde  beschwerlich,  ja  unmöglich  sein,     einige 


*)  diese  behauptun^  folgt  aus  der  ansieht  des  hg.,  dasz  die  einheit 

der  Homerischen  gedichte  unzweifelhaft  sei.     er  fahrt  dort  vier   bei- 

Bpiele  au,  die  unvollständig  nachgewiesen   sind  und  durch  treffendere 

EU  ersetzen  wären:    1)  B  721   cf.  €  13.   €  396.    2)  Y  187  (hier  fehlt  » 

"     '^^)   cf.   <p  862.  353.   a  368.  369.   X  362.  868.     3)  8  134  (?  135)  cf. 

^  122  (voUständifrer  wäre  wol:    K  673.   c  89.  fi  248.   x  173.  406. 

=  N  61  cf.  76].  P  541.  0  463).    4)  A  416  cf.  N  573.   x  *13   (soll 

3;  auch  hätte  wol  o  276  angeführt  sein  können). 


G.  Ellendt:  beinerkuogen  su  H.  Haymans  ausgäbe  der  Odyssee.    587 

sind  eben  zu  trivial,  um  selbsl  einer  einfachen  anfQhrung 
benötigt  zu  sein,  und  der  dafür  verwandte  räum  hat  besser 
verwerthet  werden  Icöunen  für  andere,  welche  einer  weit- 
läufigeren beleuchtung  bedürfen,  dennoch  wird  manclie  stelle 
notwendiger  weise  von  sehr  ungleichem  werthe  sein  müssen ,  doch  hoffe 
icli  dasz  für  den  forscher  Homers  jede  derselben  wenigstens  einigen  werth 
haben  dürfte,  dem  weniger  genau  studierenden  mag  gerathen  sein  die 
randbemerlcungen  nur  zu  benutzen,  wenn  in  den  nolen  darauf  bezug  ge- 
nommen ist.'  ohne  weiter  mit  den  einzelnen  sStzen  dieses  Vorwortes  zu 
reclUen,  lasse  ich  hier  die  ersten  zehn  verse  des  ersten  buches  folgen,  die 
darthun  werden,  wie  wenig  der  hg.  auch  nur  dön  ansprüclien  genügt, 
tlie  man  nach  seinen  werten  an  die  ^marginal  references'  machen  darf. 

Zu  V.  1  wird  auszer  B  761 cü  jiot  €vv€7r€ ,  MoOca  und  cf. 

b  642  VT]M€pT^c  jioi  ?viCTT€  ciliert;  cf.  b  331 Koi  ^oi  VT^epitc 

^vicirec.  das  findet  sich  schon  f  101,  dann  noch  \i  112.  x  166.  i(i  35. 
^  470  und  Ahnlich  noch  oft.  ist  denn  das  aber  eine  parallele  far  ävbpa 
poi  ?vv€TT€,  MoOca  —  ? 

Bei  V.  2  fehlt  zu  TrXdYX^H  ^^  rande  oder  unten  die  angäbe,  dasz 
diese  form  nur  noch  A  351  (vgl.  im  particip  E  120.  Z  278.  v  278}  vor- 
kommt. —  Zu  ^Trepcev  steht:  cf.  ö  494—520.  x  230  —  jene  den  ge- 
sang  des  Demodolcos  von  der  Zerstörung  Trojas  enthaltend,  dieses  c^  b* 
f\k\jj  ßouXq  ('Obucrfuic)  TTpidfiou  ttöXic  eupuAtw»«  —  das  gehört 
nur  in  die  anmericung  und  dort  hatte  auch  bemerlct  werden  müssen: 
«^Trepccv  nur  hier  mit  augment.» 

V.  3  vor  den  zu  den  ersten  werten  angeführten  stellen  fehlt  bei  e 
ein  *cf.',  da  die  angezogenen  parallelen  heiszen:  iroXXä  ßpoTUiv  i'n\ 
ÄCT€*  — ,  man  vergleiche  übrigens  auch  i  128  acte'  Ire*  dvGpdiTruJV 
tKV€ÜM€vai,  oW  T€  TToXXd  — .  ZU  vöov  finden  wir  citiert  b  493  oöbl 
baf)vai  ^^dv  vöov. 

V.  4  fehlt  in  der  angäbe  am  rande  vor  allem  v  90  TroXXä  irdO ' 
dXtea  8v  Kaxd  Gu^öv,  dann  k  458  . . .  dv  TTÖVTtp  TidOet*  dXtea  . . 
die  unter  a  angeführten  vier  stellen  enthalten  alle  nur  öv  KUTd  Gujiiöv. 
ZU  vergleichen  wäre  auch  v  263  . .  irdGov  dXT€a  Gu^qi,  o  487  .  .  öca 
br\  TtdGec  fiXtea  Gu|i«J»,  ferner  I  321.  TT  55.  C  397  usw. 

V.  5  ohne  stelle;  es  fehlt:  dpvu^€VOC  nur  hier  in  der  Odyssee  cf. 
Z  446  vgl.  A  159  usw.,  dann  zu  Kai  vöcTOV  diatpiuv  cf.  k  15  —  Kai 
vöcTOv  *Axaiuuv. 

V.  6  fehlt  zu  6  dXX'  oub'  u)C  k  291  usw.  H  263.  I  587.  M  432. 
P  697.  dppucaTO  kommt  nur  noch  Y 194  vor,  Wjiievöc  Tiep  noch  x  246. 
£  142  cf.  X  409  IcMevTiv  Tiep. 

V.  7  finden  wir  angefahrt:  A  409  K€ivoi  bk  cq)eT^pijciv  dxacGa- 

XirjCiv  öXovTO,  cf.  k  27 oüriliv  tdp  diriüXöficG'  dq)pabiijciv. 

cf.  X  317  =  416  Tijj  Kai  dtacGoXiriciv  dciK^a  ttötiliov  dTr&Trov,  cf. 
\\f  67  rtS)  bi'  dracGoXiac  firaGov  xaKÖv.  wir  vermissen  den  hin  weis 
-auf  a  34  cqp^civ  dracGaXlqciv  vnip  ^öpov  dXte'  ?xowciv,  ferner 
K  437 icai  Keivoi  dxacGaXiriciv  öXovto. 

V.  8  von  den  zu  vrjiTtoi,  0*1  .  .  angeführten  vier  parallelen  ent- 


588     G.  EUendt:  bemerkungen  zu  H.  Haymans  ausgäbe  der  Odyssee. 

baUen  nur  zwei,  nemlich  0  177  und  0  104  diese  worte;  in  P  497 
sieht  vi^TTioi  oub*,  in  t  146  vtimoc  oubi  — .  gilt  letztere  stelle  (?), 
so  fehlt  wieder  B  38  cf.  X  445.  TT  8.  Y  466  usw.  In  der  nachweisung 
von  Tirepiovoc  "HeXioio  steht  0  480  und  \i  133;  wir  hatten  stau 
dessen  lieber  gesehen:  0  480.  )i  263  (beide  stellen  enthalten  allein  ^Yit€> 
piovoc  'HeXioio),  und  dann:  cf.  |li  176  ('HeXiou  Tircpiovibao),  zu- 
letzt erst:  cf.  ^  133.  346.  374  CHeXf^i  TTiepiovi). 

V.  9  fehlt  die  angäbe,  dasz  ainäp  ö  TOiciv  H  383  am  ende  des 
verses  steht;  ferner  dasz  dqpeiXcTO  VÖCTI^OV  fj^ap  noch  t  369  vor- 
kommt, wir  finden  citierl:  a  168  toO  b'  UiX€TO  v6cTi)iOV  f^ap  (hier 
fehlt  p  253],  a  354  dTrübXece  v.  fj.  cf.  Z  455  dXcOGepov  Tj^ap  dnou- 
poc  (?  hier  fehlt  =  TT  831.  Y  193),  cf.  TT  836  dftiivui  |  ^juiap  Ävcrf- 
kqTov  (??  cf.  Z  463  dfiOvui  bouXiov  fj^ap). 

V.  10  zu  9uYGtT€p  Aiöc  fehlt:  ^sonst  von  der  Athene  €  348.  815. 
H  24%  dagegen  steht  zu  kqI  f)fiiv :  (ohne  cf.)  a  33  o\  bk  kqI  auToi  und 
a  47  . .  Kttl  dXXoc  (?)  usw. 

Dasz  es  in  allen  sechs  von  hrn.  Hayman  bis  jetzt  herausgegebenen 
bflchern  nicht  anders  aussieht  als  an  dieser  stelle,  hat  mir  eine  verglei- 
chung  des  ganzen  ersten  buches  und  verschiedener  beliebig  ausge- 
wählter abschnitte  der  anderen  bücher  gezeigt,  nicht  nur  bei  häufig 
vorkommenden  versen  fehlt  der  hinweis,  wo  sie  zuerst  und  zunächst 
oder  zuletzt  sich  wiederfinden,  sondern  auch  bei  den  versen,  die  nur 
ein  oder  zwei  mal  sich  wiederholen,  wird  meistens  eine  solche  an- 
gäbe vermiszt.  wir  finden  bei  späteren  stellen  frühere  berücksichtigt, 
ohne  dasz  bei  diesen  auf  jene  bezug  genommen  wäre,  ganze  verse  sind, 
obwol  der  räum  am  rande  völlig  dazu  ausreichte,  ohne  nicht  unwichtige 
belege  geblieben,  andere  aber,  und  hier  in  recht  bedeutender  anzahl,  sind 
mit  parallelen  versehen,  die  keinen  anhält  bieten,  doch  das  wird  jeder, 
auch  ohne  dasz  jetzt  und  hier  besondere  belege  dafür  angeführt  werden, 
bei  dem  gehrauche  des  buches  bestätigt  finden. 

Königsberg.  Georg  Ellendt. 

81. 
ZU  DEMOSTHENES  REDE  18  UND  19. 


Den  verdiensireichen  bemfihungen  des  ehrwürdigen,  seit  mehr  als  vier 
decennien  seine  musze  mit  beharrlichstem  Aeisz  und  mit  eindringendem 
Scharfblick  dem  Demoslhenes  widmenden  Vdmel  in  Frankfurt*)  verdan- 

*)  [leider  sollen  die  äugen  des  hier  mit  verdientem  lobe  genannten 
mannes  nicht  mehr  auf  dies  blatt  fallen,  da  sie  in  der  nacht  vom  8  auf 
den  9  april  d.  j.  sich  für  ewig  geschlossen  haben,  aber  onTergänglich 
wird  sein  andenken  fortleben  in  der  Wissenschaft  und  in  den  henen 
seiner  freunde,     geboren  in  Hanau  am  6  october  1791  und  auf  dem 

Symnasinm  dieser  seiner  Vaterstadt  vorgebildet  bezog  Jobann  Theo- 
or  YÖmel  1809  die  Universität  Heidelberg,  um  theologie  und  pbilo- 
log^ie  zu  studieren,  in  letzterer  Wissenschaft  waren  vornehmlich  Grenzer 
und  Böckh  seine  stets  mit  warmer  pletät  verehrten  lehrer,  nach  be- 
endigten  Studien  begann  er  seine  lebrerwirksamkeit  an  der  erziehungs- 


R.  Bauchenstein :  zu  Demoslhenes  rede  18  und  19.  589 

ken  die  freunde  des  redncrs  eine  lange  reihe  von  resultaten ,  von  denen 
ohne  zweifei  der  grösle  teil  sich  unangefochten  erhalten  wird,  dennoch 
gibt  es  auch  stellen,  in  denen  eine  abweichung  von  Vdmels  entschcidun- 
gen  wol  begründet  erscheinen  kann,  und  einige  solcher  stellen  sollen  hier 
besprochen  werden. 

R.  18  S  134  wird  erzfihlt,  dasz  zwar  die  volksversamlung  den 
Aeschines  zum  cuvblKOC  an  die  delische  amphiktyonie  bereits  gewählt 
hatte,  dasz  aber  der  Areopag  die  sache  in  die  hand  nahm  und  den 
Aeschines  verwarf,  dagegen  den  Hypereides  abordnete.  f|  ßouXf)  f)  ils, 
*Ap€lou  Trdrou  . .  x€ipoTOviicdvTUiV  aÖTÖv  t5|lhS>v  cOvbiKOv  . .  &nö 
Tfjc  aörfic  dtvotac  ^CTicp  TioXXäi  irpotccGe  tujv  koivujv,  tbc  Tipo- 
ciXecOe  KdK€tvT]V  Kai  ToO  TTpdY^aToc  Kuplav  iTTOl/jCaTC,  TOU- 
Tov  \iky  €Ö6üc  dirriXaccv  usw.  hier  Ist  TrpociXecOe,  obwol  lesari  aller 
hss. ,  sowol  wegen  der  sache  als  wegen  der  construction  der  folgenden 
Worte  unmöglich,  denn  nachdem  die  dKxXrida  gewählt  hatte,  gieng  es 
flicht  an  zu  sagen  dasz  sie  den  Areopag  vorzog,  und  gienge  es  auch  an, 
so  müste  doch  statt  KdKeivriv  geschrieben  werden  ^KciviiV.  auch  Hier. 
AVoIfs  TrpOC€(X€c6€  hilft  nicht,  da  nach  der  athenischen  Verfassung  un- 
ilenkbar ist,  wie  die  ^KxXiicia  nach  schon  getroffener  wähl  noch  den 
Areopag  hinzuziehen  konnte,  entstand  nach  der  wähl  zweifei  über  ihre 
Gültigkeit  oder  über  die  zulässigkeit  der  person,  so  sollte  man  einen  aus- 
druck  erwarten  wie  ibc  aär^  dTreTp^ipaTE.  da  nun  aber  Droysen  aus 
Delnarchos  I  $  50  nachgewiesen  hat,  dasz  TrpoaipeTcOai  der  förmliche 


■anstatt  seines  nachmaligen  Schwiegervaters,  des  kirchenraths  und  pro- 
fessors  der  theologie  dr.  Schwarz  in  Heidelberg,  and  setzte  sie  fort  an 
den  g^mnasien  in  Wertheim  und  Hanau,  von  wo  er  im  herbst  1818  an 
das  gymnasium  in  Frankfurt  am  Main  berufen  wurde,  zunächst  als  pro- 
rector;  1821  wurde  er  als  nachfolger  G.  F.  Grotefends  zum  conrector 
und  im  jabre  darauf  nach  Ch.  F.  Matthias  tode  an  dessen  stelle  zum 
rector  des  gymnasiums  befördert,  in  diesem  amte  hat  er  31  jahie  lang 
'mit  strenger  gewissenhaftigkeit  und  unwandelbarer  überzeugungs treue' 
(werte  seines  am tsnachf olgers,  meines  th euren  freundes  Classen,  im 
osterprogramm  1854)  segensreich  gewirkt«  bis  er  im  herbst  1853  nach 
40jähriger  dienstzeit  auf  seinen  wünsch  die  ehrenvolle  entlassung  er- 
hielt und  sich  in  ein  otium  cum  dignitate  zurückzog,  in  dem  er  bei 
Tin geschwächtem  besitz  aller  geistes-  und  körperkräfte  nur  der  Wissen- 
schaft, der  pflege  seines  gartens  und  dem  Umgang  mit  seiner  familie 
und  seinen  freunden  lebte,  über  VÖmels  Verdienste  um  die  philologie, 
namentlich  um  kritik  und  ezegese  des  Demosthenes ,  bedarf  es  hier  als 
in  einer  fachzeitschrift  keiner  worte.  weniger  bekannt  dürfte  es  sein 
dasz  er  auch  als  theologe  ein  ebenso  umfangreiches  wissen  wie  uner- 
schütterliche überzeugungstreue  besasz.  im  jähre  1844  wurde  ihm  von 
der  theologischen  facultät  der  Universität  Erlangen  die  würde  eines 
doctors  der  theologie  verliehen,  jahrelang  war  er  mit  einer  deutschen 
Übersetzung  des  neuen  testaments  in  Verbindung  mit  kritischer  feststel- 
lung  des  urtextes  beschäftigt,  die  sich  druckfertig  in  seinem  nacblasz 
vorfindet  und  hoffentlich  noch  veröffentlicht  werden  wird,  eine  probe 
davon ,  den  Galaterbrief ,  hat  er  zum  200jährigen  Jubiläum  des  gymn.  in 
Hanau  am  21  febr.  1865  noch  selbst  drucken  lassen.  —  während  meines 
mir  unvergeszlichen  aufenthalts  in  Frankfurt  in  den  jähren  1854—1861 
hatte  auch  ich  das  glück  dem  verewigten  nahe  zu  stehen ,  darum  war  es 
mir  herzensbedürfnis  ihm  diesen  anspruohlosen  nachruf  zu  widmen.   A.  F.] 


590  R.  Rauchenstein:  zu  Demoslhenes  rede  18  und  19. 

ausdruck  dafür  war,  wenn  der  Areopag  ein  geschäfl  aus  eigener  bewegung 
in  die  hand  nahm  und  die  initiative  ergriff,  so  ist  Vdmels  irpoeiXero  eine 
treffende  emendation,  und  die  entstehung  des  irpoeiXccOe  erklSri  sieb 
aus  dem  vorausgegangenen  TrpotecOe.  dagegen  können  dann  die  folgen- 
den Worte  nicht  unverändert  bleiben,  nach  TtpoeiXero  musz  notwendig 
das  subject  in  KdKcivilv . .  dTioificaTe  mehr  hervorgehoben  werden ,  was 
geschieht,  wenn  wir  statt  des  lastigen  ical  vor  toO  irpdtMOCTOC  schrei- 
ben u^eic.  dann  heiszt  es  in  gehuriger  construction :  f\  ßouXf|  .  .  vbc 
TipoelXeTO  KdKetvTiv  ö^eic  toC  irpdTM<xToc  Kupiav  dTroiticore. 

$135  liest  man  bei  Bekker  nach  den  meisten  hss.  ouKoOv  öie  toutou 
fiAXovTOc  X^T€iv  dTTTiXacev  auTÖv  f|  ßouXf|  Kai  Tipoc^ToEev  ixepiü. 
im  cod.  £  aber  fehlt  X^Y^iv  und  auTÖv.  auch  hatte  er  ursprünglich  X^fov- 
TOC,  welches  dann  aber  von  alter  hand  in  ^^XXovTOC  corrigiert  worden  ist. 
mit  recht  haben  nun  Dobree  und  die  Zflrcher  fi^XXoVTOC  beibehalten,  da- 
gegen X^T^tv  und  auTÖv  gestrichen,  denn  nach  dem  was  §  134  vorausge- 
gangen und  vermutlich  so  eben  noch  von  den  zeugen  wiederholt  worden 
war,  empfahl  sich  dem  redner  die  knappste  kurze,  vvozu  aucli  der  gen. 
abs.  TOUTOU  jiAXovTOC  diente,  wofür  man  unnötig  toOtov  X^yovTa 
wollte,  auch  X^f^tv,  welches  nach  jii^XXovTOC  Westermann  noch  beibe- 
hielt, ist  entbehrlich,  da  sich  bei  fi^XXovTOC  von  selbst  hinzuversteht :  'als 
cuvbtKOC  zur  amphiktyonie  zu  reisen  und  für  Athen  das  wort  zu  fahren/ 
Vömel  aber  hätte  das  offenbar  ursprünglich  aus  verschreibung  in  £  stam- 
mende X^YOVTOC  nicht  aufnehmen  sollen,  denn  was  soll  das  präseiis 
X^tovTOC  in  toOtou  X^tovtoc  dirriXacev  f|  ßouXii?  dies  wird  auch 
aus  VÖmels  Übersetzung  *cum  hoc  dicente  senatus  eum  repulerit'  nicht 
verständlich,  wenigstens  würde  ein  fut.  dpoOvTOC  erfordert,  weit  besser 
ist  {iAXovTOC,  wobei  alles  was  zur  abordnung  als  gesandter  gehört  hio- 
zuverstauden  wird. 

R.  19  S  34  f|  \iky  TOivuv  ßouXf|  TaÖTa  TipoßcßouXetJKei ,  tt^c  b' 
IkkXticIoc  YtTvo^^vTic  xai  toO  OiXiTnrou  TrapövTOC  ^v  TTiiXcac  fjbn 

—  fjV  Tdp  TOÖTO  TrpÜLJTOV  dTtdVTWV  TUJV  dblKTjjLldTUiV,  Td  TÖV  4>i- 

XiTiTiov  ^TTiCTT^cat  ToTc  TTpdTMact  TOUTOic  usw.  80  interpungieren  mit 
recht  Bekker  und  die  Zürcher.  Vömel  dagegen  setzt  ?\y  fäp  bis  dbi» 
KimdTUJV  in  Parenthese  und  faszt  die  folgenden  infinitive  £TriCTf)cai. 
dKOueiv,  TTapeivat,  ^dbtov  elvat  als  ausrufe,  welche  den  nachsatz 
bilden  sollen,  allein  das  toOto  in  der  angeblichen  parenthese  erfordert 
seine  inhaltserklärung.  zwar  ist  toCtO  durch  das  vorausgegangene  0i- 
XiTTTTOU  irapövTOC  ^v  TTuXatc  ffix]  veranlaszt,  allein  gerade  dieser  um- 
stand musz  in  der  bedeutung  seiner  schweren  folgen  auseinandergesetzt 
werden ,  und  das  geschieht  in  grammatisch  üblicher  form  durch  die  an 
TOOto  mit  TÖ  sich  anschlieszenden  infinitive.  mit  recht  hat  daher  Bekker 
eine  anakoluthie  angenommen,  es  geht  auch  nicht  an  mit  Shilletu  die 
parenthese  vor  Trpöc  hk  toutoic  zu  schlieszen.  denn  mit  eben  diesen 
Worten  knüpft  sich  an  die  durch  die  infinitive  bezeichneten  Verlegenheiten 
und  hemnisse  ein  neues  an,  dasz  nemlich  weder  das  TrpoßouX€U|üia 
'orgelesen  wurde  noch  man  den  Demosthenes  wegen  der  teuschung  und 
efangenheit  zu  worte  kommen  liesz. 


R.  Fauchenstein:  zu  Demostlienes  rede  18  und  19.  591 

S  50  in  den  worien  )i€VÖVTUJV  jii^v  \)^wv  oTkoi  Kai  ouk  iUh]' 
Xu6ÖTU)v,  dircXrjXuGÖTUiV  bk  tuiv  AaKcöai^oviuiv  kqI  Trpor|c6n)i^vu)v 
nimt  Voroel  an  dem  uCT€pov  TrpÖT€pov  austosz  und  glaubt,  entweder 
sei  xal  zu  tilgen  oder  dTreXiiXuOÖTUJV  und  irpoijcOriM^vuiV  sollten  ihre 
platze  wechseln,  es  scheint  aber  diese  Wortfolge  absichtlich  so  gewählt, 
auf  das  positive  )i€v6vTUiv  folgt  das  gleiche  nach  hSufigem  gehrauch  iii 
negativer  form,  um  im  gegensatz  darauf  folgen  zu  lassen  dTieXnXtiOÖTUJV 
bk  TUIV  AaKe5ai)Lioviu)V  mit  dem  zusatz  xai  irpogcOiifi^vuJV  Tf|v  dTrd- 
Tr)v,  weiches  an  letzter  stelle  um  so  beiszender  für  die  Athener  war, 
je  mehr  sich  diese  auf  ihre  gcscheldheit  zu  gute  thaten.  vgl.  auch 
S  53  a.  e. 

S  86:  Veii  ihr  von  diesen  euren  gesandten  geteuscht  wurdet,  so 
kämet  ihr  in  die  läge  eure  frauen  und  Itinder  zur  Sicherheit  in  die  Stadt 
zu  bringen  und  zu  beschlieszen  die  feier  des  Heraklesfestes  innerhalb  der 
Stadtmauern  zu  begehen,  und  das  in  friedenszeit' ;  8  Kai  OaupdZui,  €t 
TÖv  jüin^^  Toöc  0€otJc,  KaO'  8  Tidipiov  fjv,  TiMficGai  Troi/jcavio  toO- 
Tov  dTi^uiprjTOV  dq>y)C€T6.  die  worte  ei  bis  dq>iiC€T€  läszt  Vömel  mitZ 
weg.  aber  dann  werden  die  worte  8  Kai  6au)idZui  so  völlig  kahl,  dasz 
man  auch  sie  wegwflnschen  möchte,  auf  der  andern  seite  ist  die  con- 
struction,  an  die  Vömel  erinnert,  8  Kai  OauftdZuj  nemlich  TÖb*  dcTiv 
'worüber  ich  mich  neben  anderm  auch  noch  verwundere,  ist  folgendes, 
nemlich  wenn  ihr  ihn  freisprechen  werdet'  hier  auch  nicht  statthaft,  da 
man  eher  eine  wendung  erwarten  nsüste  wie  'so  dasz  ich  mich  sehr  ver- 
wundern müste,  wie  ihr  ihn  loslassen  könntet',  dagegen  passt  alles  sehr 
gut,  wenn  man  nur  jLiäXXov  nach  Kai  einsetzt,  womit  ein  noch  schwere- 
res, die  Verhinderung  an  der  herkömmlichen  feier  heilfger  gebrauche  ein- 
geführt wird,  es  heiszt  dann :  *in  welcher  beziehuug  ich  mich  noch  mehr 
verwundere,  weiiu  ihr  den,  der  Ursache  war  dasz  man  sogar  opfer  in  her» 
kömmlicher  weise  nicht  verrichten  konnte,  ungestraft  entlassen  werdet.' 
so  kann  das  prSsens  6au)id£uj  vor  dq>rjc€T€  nicht  auffallen,  und  über  6 
Mn  welcher  beziehung'  vgl.  Madvig  gr.  syntax  %  195^ 

8  99  oub^va  Tdp  td  KOivd  npdTTCiv  U|i6ic  k€X€\j€T€.  ^und 
noch  andere  hss.  geben  ^KcXeOcTC.  Vömel  glaubt,  €  sei  aus  dem  voraus- 
gegangenen c  entstanden,  was  möglich  ist.  indessen  könnte  auch  öpcTc 
T€  K€X€U€T€  darin  stecken,  da  der  sinn  ist:  Venu  ungeeignete  leule  sich 
zum  Staatsdienst  hinzudrängen,  so  seid  ihr  wenigstens  nicht  schuld.' 

S  153:  hütte  man  sich  der  Phokier  gehörig  angenommen,  so  folgte 
daraus ,  dasz  Philippos  weder  zu  land  noch  zu  schifT  €ic  Tf)V  *ATTiKf|V 
f^Eeiv  fjLieXXev,  6|li€Tc  5'  ^Kcfvou  napaxpf^M«  •  •  kXcicciv  rd  d^rröpia 
xai . .  iv  TroXiopxtqi  irdXiv  auröv  KaxacTriceiv,  &ct*  dKCivoc  6  5ou- 
Xcucujv  ?M€XX€v  Ic€c0ai  toTc  dud  Tflc  elp/jviic  XuciTeXoOciv,  oux 
i&^eTc.  Vömel  streicht  l^eXXcv,  das  ursprünglich  in  ^  fehlt,  aber  von 
alter  band  hinzugefügt  ist.  aus  jenem  ersten  ^^eXXev  nach  f\E€lv  ver- 
steht sich  ganz  natürlich  d^^XX€T6  zu  u^cTc  b^,  aber  hart  wSre  nun  die 
Zumutung  ^)i€XX€V  wieder  zu  i&CT*  ^KCivoc  erganzen  zu  lassen,  noch 
weniger  aber  könnte  man  die  construction  &ct€  mit  dem  Inf.  ?C€c9ai 
dulden,  da  hier  keiu  nom.  c.  inf.  zulassig  ist,  sondern  ulkt'  ^Keivov 


592  R.  Rauchenstein:  zu  Demoslhenes  rede  18  und  19. 

töv  bouXeücovTa  fcecOat  erfordert  würde,   wir  können  also  IjuieXXev 
vor  Ic€c6ai  nicht  entbehren. 

S  206  oi)biy  Top  ttuittot*  out'  i^vuux^icoi  oöxe  |if|  ßouXoji^- 
vouc  xiiiac  ßeßiacjLiai.  hier  möchte  ich  i^vuixXiiKa  schreiben,  wie  schon 
ßeßiac^at  rSlh  und  iruiiTOT€:  'zu  l^einer  zeit  noch  habe  ich.'  nicht  mit 
grund  berief  sich  Schäfer  auf  $  205.  dort  findet  sich  Iteine  vermengung 
der  tempora,  sondern  diese  sind  in  ihrer  eigentlichsten  bedeutung  ge- 
braucht: ävTcTirov  einmal  in  der  vollcsversamlung ,  irpoc^Kpouov : 
mehrmals  auf  der  reise  gerieth  ich  mit  den  gesandten  in  streit,  und  dann 
das  perfect  fiiravTa  töv  xP<ivov  i^vavxiui^ai. 

S  237  Kai  oöb€^iäc  KOKtac  toOtq,  dXX'  oubfc  CTpaxnTtoc  t' 
äixoi.  Vömel  schreibt  mit  H  oö  statt  ovbl.  es  soll  nicht  geleugnet  wer- 
den dasz  oö  genflgt.  aber  wenn  V.  sagt  ^equidem  oi)bi,  non  inteilego', 
so  ist  doch  oibk  —  ye  gewis  nicht  so  unverständlich,  der  redner  sagt: 
diese  untergeordneten  lebensstellungen  und  berufsarten  (nemlidi  der  brü- 
der  des  Aeschines)  verdienen  zwar  keine  beschimpfung,  aber  gewis  auch 
nicht  eine  feldherrn würde,    also  so  wie  jenes  nicht,  so  auch  das  nicht. 

%  244  öcui  fäp  aG  c^  TiXeiouc  f\  KeTvov  aiTtüjvTai,  O€uipr]cov 
tbc  ?X^t.  für  ^x^i  hat  2J€iCTii,  aber,  wie  Vömel  sagt,  ^c  est  in  erasa 
liltera,  quae  quidem  x  esse  non  potest.'  DQbner  glaubte  T  darin  zu  er- 
kennen, die  Zürcher  und  jüngst  auch  Rekker  schreiben  elci] ,  was  Vömel 
wol  mit  recht  unpassend  für  den  Zusammenhang  findet,  er  selbst  sclireibt 
&€i  und  vergleicht  II.  A  762  &c  fov,  €i  ttot*  ?0V  T€,  |ii€t'  dvbpdciv, 
und  sagt:  'slructura  autem  paululum  inversa  est:  0€uipr)COV  übe  &€i 
loco  TOCOUTip  KaKiov  fc€t.  je  mehre  dich  beschuldigen,  desto  übler 
wirst  du  dran  sein  (bei  bevorstehender  aburteilung].'  doch  dieses  tbc 
£c€t  erscheint  zu  nackt ,  und  die  rasur  Iftszt  vermuten  dasz  etwas  ausfiel, 
etwa  CGI,  also  ibc  i^ex  coi.  denn  ^x^t  steht  auch  im  2^  mit  fp.  am 
rande.  'je  mehre  dich  beschuldigen  als  den  Timarchos,  betrachte  wie  es 
für  dich  steht.' 

S  268  ei  b*  6  ^liv  Katpouc  ö  bk  npdTftaTa  6  bk  crpaTiuiTac 
TTpobtttüciv ,  iLv  fiv  ^KacTOC  ü|LiiBv  KÜpioc  T^viiTtti ,  TttOra  btaq>6€i- 
p€i.  mit  recht  hat  man  schon  längst  ujiiuiv  anstöszig  gefunden.  Sdiäfer 
will  es  streichen,  Vömel  aber  vermutet  irap'  tJ)iÜJV,  zwar  ganz  sinnge- 
mäsz,  aber  das  nemliche  wird  auf  leichterm  wege  erreicht  durch  djiTv: 
'worüber  immer  ein  jeder  euch  mit  gewalt  versehen  ist.* 

S  342  o^i  top  ol6^€voi  biKqy  vcpiHxv  toioöt*  ^irpo^av,  toO- 

Touc,  fiv  Tä  TTttp'  ujnujv  ouToTc  dq)€0(|,  Ti  oTccOe  TTOii^ceiv.    eine 

notwendigkeit  toi  irap'  läftibv,  wie  Vömel  rälh,  in  rd  irap'  vyXv  zu 

verwandeln  sehe  ich  nicht  ein.   er  erklärt:  ^si  res  domeslicas  iUis  commi- 

seritis'  und  beruft  sich  auf  S  289,  wo  er  ebenfalls  fiv  TOi  irap'  ö^Iv 

VTiocCvi]  schreibt,  während  £  auch  hier  U)iUJV  hat,  Trap'  ö^Tv  aber  den 

Vorzug  darum  verdient,  weil  von  krankhaften  inneren  zuständen  die  rede 

ist.    dagegen  §  342  ist  von  solchen  nicht  die  rede,  sondern  von  den 

"n  welche  von  den  Athenern  (irap'  ujliuiv)  den  gesandten  anver- 

'«n ,  also  von  der  äuszern  politik. 

y.  ßuDOLP  Rauchenstein. 


N»  Wecklein :  anz.  v.  Sopboclis  Oedipus  rex  cd.  H.  van  Herwerden.     593 

82. 

SopHOCLis  Oedipus  rex.  edidit  et  adnotavit  Henricus  van 
Herwerden.  bditio  maior.  aocedunt  analecta  traoica 
et  anecdota  Ambrosiana.  Traiecti  ad  Ehennm  apud  L.  C. 
Bosch.    1867.    216  s.   gr.  8. 

Diese  ausgäbe  des  Oedipus  tyrannos  bringt  viel  neues,  nicht  ebenso 
viel  wahres,  die  erklärung  der  worte  und  redensarten  gewinnt  durch  die 
parallelstellen,  welche  der  hg.  in  retchlicliem  masze  beibringt;  eine  bemer- 
kenswerthe  neue  auffassung  des  sinnes  hat  ref.  nicht  zu  verzeichnen,  es 
gibt  ein  gewisses  bestreben  an  jeder  stelle  eine  neue  conjectur  zu  bieten, 
welches  das  urleil  oft  befangen  macht  und  einer  ruhigen ,  aufmerksamen 
betrachtung  keinen  räum  Idszt.  von  diesem  bestreben  ist  der  hg.  nicht 
frei  und  lüszt  an  manchen  stellen  gröszere  grQndlichkeit,  vorsieht  und 
umsieht  vermissen,  denn  conjecturen  wie  v.  35  doiboö,  bac^öv  1} 
7tap€(xo|Li€v ,  166  q)XÖT'  d^fjxovov,  221  koök  Ixov  ti  cu|ißoXov, 
420  4c9dXiKU)V  (d. !.  fcxai  '€XiKiiv),  446  ko^iJ^tu)  bf\T'  dKirobidv 
cu  tap  Kttpujv  öxXcic,  602  |li€t'  fiXXou  'pwvtoc  (d.  i.  ^pujvioc}  fiv 
CToinv  TTOT^,  623  ek'  i\  ce,  832  irpöcOe'  ftf}  xotav  m'  tbeiv,  923 
dic  Ku߀pviTtT?|v  Xeuüc-,  937  oöx;  Sm*  dcxaXcTc  b*  Tctuc  wie  1438 
TcOi  t\  (944  \i,fw  tdXtiO^C  als  versanfang  ist  s.  76  zurückgenommen) 
951  TÖvbe,  1244  ^mppdHaca  xpic,  1279  xciXaE^c  atMÖTUiV,  1405 
dv€iT'  ätXtitov,  1485  dpor/jp  oder  Ant.  721  q)öv'  aÖTÖv  dvbpa 
sind  auf  keinen  fall  Verbesserungen,  teilweise  aber  zerstören  sie  auch 
alle  poesie  oder  sind  geradezu  falsch,  auch  die  bemerkung,  ßuOuiv  v.  24 
könne  als  particip  betrachtet  werden  (iröXlC  caXeuei  ßuOwv)  hatte  weg- 
bleiben dürfen,  die  Vermutungen  zu  v.  49.  270.  510.  741. 1423. 1494. 
1519  sind  schon  von  anderen  gelehrten  aufgestellt  worden,  mag  man 
es  einem  kritiker  nicht  verargen,  wenn  er  seine  eignen  conjecturen  wie 
seine  kinder  liebt  und  mit  weniger  scharfem  äuge  betrachtet,  so  musz 
man  streng  von  ihm  fordern  dasz  er  fremde  Vermutungen  nicht  leichthin 
aufnehme,  als  gälte  es  den  text  nach  eignen  wünschen  herzustellen,  auch 
in  diesem  puncte  können  wir  dem  hg.  nicht  die  nötige  umsieht  nach- 
rühmen. V.  74  wird  die  conjectur  Porsons  aufgenommen  ToO  fäp  €iKÖ- 
TOC  TTCpci  mit  tilgung  des  folgenden  verses.  die  veranlassung  zu  dieser 
Vermutung  gab  Suidas  u.  TOÖ  KaOrJKOVTOC^  ToO  KaOViKOVTOC  Ti^pa  xpö- 

VOU  TOÖT*  fCTI  TOÖ  ÖpicO^VTOC*  X^TCTttl  bk  KOl  TOO  cIkÖTOC  TldpO. 

will  man  hieraus  etwas  folgern ,  so  musz  man  nach  meiner  meinung  zu 

cIkötoc 
einem  ganz  andern  schlusz  kommen.  Suidas  hat  gelesen:  toC  KaOrJKOVTOC 
TT^pa  xpövou,  und  der  ursprüngliche  text  war:  Ktti  jii"  fiftap  fjbii  SujLt- 
jLi€Tpou)Lievov  XP^^vtp.  I  XuTTei  Ti  irpäcc€i  toO  KaGrJKOVTOC  ir^pa  man 
müste  also  annehmen,  dasz  die  zur  erklärung  beigeschriebeuen  worte  toO 
cIkötoc  und  xpövou  die  bildung  eines  neuen  verses  zur  folge  gehabt 
haben,  v.  198  hat  H.  die  conjectur  von  Arndt  dci  (yap  el  ti  vug  dq>Q, 
toOt'  dir"  f|)Liap  fpx€Tai)  statt  T^Xet  in  den  text  gesetzt.  T^Xct  ist 
richtig,  nur  musz  es  erklärt  werden  ^durch  ihr  ende,  wenn  die  nacht  nur 

Jahrbücher  fUr  clasi.  ph'ilol.  1868  hft  9.  39 


594    N.  Wecklein :  anz.  v.  Sophoclis  Oedipus  rex  ed.  fl.  van  Herf?erden. 

in  folge  davon  dasz  sie  endet  elwas  übrig  läszt' ;  man  beachte  die  Stel- 
lung von  T^Xei  und  das  bittere  und  schmerzliche  welches  bei  solcher  er- 
kl9njng  in  dem  ausdruclce  liegt  v.  591  durfte  Heimsoelhs  änderung 
ÖKVUiv  für  dKUiv  wegen  der  eigentlichen  bedeutung  von  ÖKV€iv  (zau- 
dern) mindestens  zweifelhaft  sein  (ÖKWV  heiszt  'mit  innerem  wider^ 
streben',  blosz  aus  furcht  vor  gegnem).  v.  696  hat  für  die  herstellung 
der  responsion  Naucks  andening  in  v.  667  rä  TTpöcqxzTa  mehr  wahr- 
sclieinlichkeit  als  die  von  Blaydes  oder  Heimsoeth  &v  T^oio.  v.  788 
schreibt  H.  mit  Heimsoeth  xai  ^€  OoTßoc,  zu  Kai  )i'  ö  (t>oißoc  vgl. 
£1.  38.  V.  1209  ist  ircceTv  mit  demselben  in  n^Xeiv  geändert,  der  poe- 
tische ausdruck  in  den  prosaischen. 

Die  Sitte  in  der  adnotatio  ohne  irgend  einen  bezug  fdieses  wort 
erinnert  mich  an')  conjecturen  zu  allen  möglichen  stellen  griechischer 
Schriftsteller  unterzubringen  kann  nicht  gefallen,  die  meisten  dieser 
conjecturen  hätten  eine  bessere  stelle  in  den  am  Schlüsse  angeblngten 
'analecta  tragica'  gefunden,  auch  im  auszerlichen  dieser  ausgäbe  zeigt 
sich  ein  gewisser  mangel  an  Sorgfalt:  v.  947  wurde  die  Vermutung  einer 
iücke,  welche  ref.  beim  lesen  machte,  glänzend  bestätigt:  v.  948  fehlt 
nemlich  nicht  in  den  hss. ,  wol  aber  in  dieser  ausgäbe,  an  dnickfehlem 
mangelt  es  nicht  (gleich  v.  38  im  texte);  1155  IT.  sind  die  personen- 
bezeichnungen  in  Unordnung  gerathen ;  öfters  steht  die  bezeicimung  der 
person  am  untersten  rande  der  seile  und  auf  der  folgenden  beginnt  die 
rede  derselben,  was  einen  unangenehmen  eindruck  macht. 

Doch  genug  der  ausstellungen.  ohne  anstand  haben  wir,  was  uns 
tadeloswerth  erschien,  getadelt;  bereitwillig  heben  wir  auch  das  lobens- 
werthe  hervor,  vor  allem  musz  man  den  Scharfblick,  das  kritische  talent 
des  hg.,  seine  bekanntschaft  mit  dem  Sprachgebrauch  der  tragiker  aner- 
kennen und  rühmend  erwähnen ,  dasz  viele  stellen  seinem  scliarfsinn  eine 
glückliche ,  teils  sichere  teils  höchst  wahrscheinliche  Verbesserung  ver- 
danken, besonders  gilt  dies  von  den  zu  andern  Schriftstellern  mitgeteilten 
conjecturen,  welche  wir  hier  nicht  weiter  berühren,  von  den  vorschlagen 
welche  H.  zu  Sophokles  macht  dürften  vornehmlich  folgende  hervorzu- 
heben sein:  v.  108  irö9'  für  TÖb'  ('de  roeo  dedi  et  ita  Meinekius'),  172 
KttUTäc  för  KXuTäc,  523  idxa  für  xdx*  Sv,  681  äXXwc  för  dTVtbc, 
780  irapoiV(£iv  für  irap'  oTvip  (so  aucli  Heimsoeth)  —  für  koXci  ebd. 
schreibt  H.  XdcK€l'  KaXei  ist  richtig  und  steht  älmlich  wie  OK.  294 
ojvö^acxai  (für  eipTjTai)  — ,  789  dOXlip  für  die  vulg.  fiöXia,  La-  pr. 
m.  dOXiu)  duabus  super  U)  litteris  erasis;  1279  dpprjxvuTO  für  dr^y- 
Y€TO,  1301  ^dccova  für  ^eKova  (?),  1340  dKTrobdiv  für  dKTÖmov  (?). 
Ai.  647  q)aiv€t  t'  db^Xa  fOr  q>ve\  t'  d.  (Herwerden  schreibt  q>a(v€i 
TdbrjXa).   El.  81  KdiraKO\JCUJfi€v;  (so  hat  schon  Nauck  verbessert). 

Wir  benützen  diese  gelegenheit,  um  zu  einzelnen  stellen  dieses 

Stückes  einige  bemerkungen  mitzuteilen,    v.  7  hält  H.  mit  Meineke  dX- 

Xu;v  für  unrichtig,  ohne  Meinekes  änderung  liivjv  zu  billigen,   mit  recht 

hebt  er  hervor,  dasz  ^|LiÜJV  an  der  ersten  stelle  des  verses  hier  eine  zu 

inung  erhalte,    wenn  er  aber  meint,  dXXu)V  könne  epexege- 

^eXXövTUJV  stehen ,  so  erlaubt  das  der  Sprachgebrauch  nicht. 


N.  WeckleiD:  anz.  v.  Sophociis  Oedipus  rex  ed.  H.  van  Herwerden.     695 

dasz  die  für  die  andere  erklSürung  irap'  äXXiUV  angeführten  stellen  nichts 
beweisen,  hat  Meineke  gezeigt :  äXXoc  verlangt  ein  gemeinsames  prädicat. 
hier  wird  dXXiuv  verderbt  sein  aus  dTTU)V :  es  stehen  sich  Tiap '  äfT^- 
Xuiv  —  aÜTÖc,  dTTUiv  —  Jibe  gegenüber.  —  V.  159  hat  H.  die  correctur 
einer  spätem  band  im  La.  K€kXojli(^viu  aufgenommen ;  einer  solchen  nach- 
besserang  wSre  das  anakoluth  um  jeden  preis  vorzuziehen,  aber  dieses 
k€kX6^€V0C  ist  ein  fingerzeig  für  die  Verbesserung  von  äjiißpoT'  'AOdva. 
schon  Heimsoeth  hat  darauf  aufmerksam  gemacht,  dasz  d^ßpor'  eine 
wiederiiolung  des  im  vorausgehenden  verse  stehenden  d^ßpore  (<t>dfia) 
ist;  er  schlug  ößpifi'  'AGdva  vor;  Herwerden  setzt  vorsichtig  das  zei- 
chen der  Iflcke,  indem  er  die  richtige  bemerkung  macht,  dasz  ößpi^e 
nicht  gleich  ößpipoTrdrpr)  ist  und  Athena  nie  jenes  beiwort  hat.  jenes 
K€kXö^€VOC  zeigt,  dasz  darin  ein  verbum  enthalten  ist,  nemlich  dvTO^' 
'AGdva '  die  elision  des  -ai  ist  an  dieser  stelle  unbedenklich,  unter  ein- 
wirkung  des  darüberstehenden  d^ßpOT€  gieng  dvTO^^  in  d^ßpOT'  über. 
—  V.  219  IT.  bieten  eine  noch  ungelöste  Schwierigkeit  für  die  erkläning. 
sie  heiszen: 

dTUJ  E^voc  jifev  ToO  XÖTOU  ToOb*  ^Eepu), 
E^voc  bk  ToO  TTpaxO^VTOc.  oü  Ydp  Sv  ^aKpav 
Txv€uov  aÖTÖ ,  |if|  oÖK  f xwv  Ti  aj|LißoXov. 
vOv  b\  öcrepoc  tdp  dcidc  elc  dcxouc  reXuj, 
u^iv  7rpoq>u)vai  usw. 
Schueidewin  schrieb  !xv€UOV  aöröc  (so  einige  apographa)  OUK  €xu)V 
ohne  }xi\  und  erklärte:  ^ich  werde  euch  das  folgende  vorlegen,  weil  ich 
auf  mich  beschränkt  (auTÖc)  nicht  weithin  forschen,  mit  dem  nacii* 
forschen  nicht  weit  kommen  würde,  insofern  ich  kein  erkcnnungsmittel 
habe.'  abgesehen  von  der  bedenklichkeit  einer  solchen  änderung  ist  ein- 
zuwenden, dasz  der  gegensatz  aÖTÖc  —  \)\i\v  erst  im  folgenden  zu 
suchen  ist,  ohne  dasz  man  dort  dcröc  in  aäröc  zu  ändern  hat.  was  H. 
bemerkt,  dasz  procul  invesiigare  und  invesligando  proficere  zweierlei 
sei,  ist  unbegründet;  ^axpdv  ist  nachdrucksvoll  gesagt:  ^ich  würde  keine 
weite  strecke  im  forschen  durchmessen'  d.  h.  *ich  müsle  überhaupt  das 
nachforschen  aufgeben',  andere  nehmen  auröc  auf  mit  )ii\  und  fassen 
OÖK  ^x^v  als  ^inen  begriff  (carens)  oder  ziehen  vielmehr  ou  zu  Ti  (^f| 
oCti  cu^ßoXov  ?X^v).  das  aber  würde  heiszen :  *nicht  würde  ich  selbst 
in  die  weite  spüren,  wenn  ich  nicht  jedes  anhaltspuuctes  entbehrte.'  wie 
reimt  sich  das  zusammen?  Ribbeck  freilich  übersetzt  (rhein.  museum  XVI 
s.  509):  *denn  sonst  würde  ich  nicht  in  die  weite  spüren,  wenn  ich  nicht 
seihst  ohne  jeden  anhält  wäre.'  so  ist  auTÖC  wol  untergebracht,  aber 
es  gebort  der  Stellung  der  worle  nach  zu  Txveuov.  H.  erklärt  mit  dem 
schol.  jnaxpav  zeitlich  (tocoütou  övtoc  toO  xP<ivou  toO  ftetaEu): 
^nlsi  enim  aeque  essem  ignarus  rumoris  de  caede  quam  ipsius  facinoris, 
non  nunc  demum,  longo  tempore  praeterlapso,  illud  investigarem,  si  non 
haberem  aliquid  indicii.'  aber  die  aus  Eur.  Tro.  406  angeführte  stelle 
genügt  nicht,  um  Trach.  317  entgegen  eine  solche  bedeutung  von  ^a- 
Kpdv  an  dieser  stelle  zu  erweisen:  denn  ou  jiaKpäv  hiiicfyi  fi€  und 
ixveuetv  {iaxpdv  erhalten  durch  das  verschiedene  verbnm  eine  andere 

39* 


596     N.  Wecklein :  anz.  v.  Sophoclis  Oedipus  rex  ed.  H.  van  Ilerwerilen. 

heziehung ;  sodann  wäre  überhaupt  ein  solcher  gedanke  hier  sonderbar  und 
geradezu  unerklärlich ;  ferner  weisz  H.  selbst  nicht  anzugeben,  was  unter 
dem  cu^ßoXov  zu  verstehen  sei ,  und  trägt  bedenken  mit  Dindorf  an  das 
Orakel  zu  denken,  endlich  ist  die  bekannte  bedeutung  von  vOv  bi  nach 
einem  solchen  coudicionalen  Verhältnis  die  gründlichste  Widerlegung  die- 
ser erklärung  sowie  jeder  andern  derartigen:  denn  vOv  bi  musz  dann 
bedeuten :  ^nun  aber  da  ich  ein  anzeichen  habe.'  in  welcher  heziehung 
aber  soll  dazu  der  durch  ucTCpOC  T^p  usw.  begründete  satz  vpXv  irpo- 
q>U)VUJ  stehen?  um  zu  einer  sichern  erklärung  zu  gelangen,  musz  die 
bedeutung  von  )if|  oö  feststehen,  vergleicht  man  nun  OT.  12  bucdXTn- 
Toc  T^P  fiv  etrjv  TOidvbe  ^f|  ou  KttTOiiadpuiv  ?bpav  und  OK.  359 
f^xeic  T«P  oö  Kcvri  ye  . .  jnf|  oöxl  be\}i*  i^o\  q)€poucd  xi,  so  ist  klar 
dasz  \ir\  ou  mit  part.  dem  bloszen  jLtli  mit  part.  nur  durch  den  besondern 
nachdruck,  welchen  ou  dem  ixr\  gibt,  verschieden  ist.  übersetzt  man 
nun :  'wenn  ich  nicht  (schon)  irgend  ein  anzeichen  hätte',  so  fragt  man 
vergeblich  nach  diesem  anzeichen  (an  das  orakel  ist  nicht  im  entfernte- 
sten zu  denken)  sowie  nach  dem  Zusammenhang  der  gedanken.  es  Ist  zu 
übersetzen:  'ohne  ein  anzeichen  (beim  forschen)  zu  haben,  nachdem  ich 
es  durch  euch  erhalten'  (ganz  wie  OK.  a.  o.  'du  kommst  nicht  leer,  ohne 
zu  bringen'),  der  Zusammenhang  ist  also :  'dieses  werde  ich  verkünden, 
weil  ich  der  ganzen  sache  fremd  bin;  denn  (begründuug  des  voraus- 
gehenden causalen  Verhältnisses)  nicht  würde  ich  weit  kommen  im  nach- 
forschen ohne  irgend  einen  anhaltspunct  zu  haben,  nun  aber  (um  einen 
solchen  zu  erhalten,  den  ich  selbst  nicht  haben  kann,  weil  ich  erst  lange 
nach  der  that  [ucT€poc]  bürger  wurde)  gebe  ich  euch  folgende  auftrage' 
usw.  in  der  weitern  rede  des  Oedipus  nimt  H.  nicht  nur  die  Umstellung 
von  Ribbeck  auf,  sondern  stellt  auch  seinerseits  '  um  die  logische  Ord- 
nung der  gedanken  herzustellen'  244.  245  mit  252—254  nach  268. 
ich  halte  Ribbecks  Umstellung  für  entschieden  unrichtig;  hier  bemerke 
ich  gegen  H.s  Umstellung  nur,  dasz  durch  sie  v.  256  äxciOapTOV  ujidc 
elxöc  fjv  0ÖTU)C  iäv  seine  offenbare  heziehung  auf  v.  254  THC  fbb' 
dKdpiTUJC  KdOdujc  d(p9ap^^VT)C  verliert  und  in  eine  verkehrte  heziehung 
zu  V.  242  f.  ibc  TÖ  FTuGiKÖv  .  .  ijxol  gebracht  wird.  —  V.  505  erklärt 
H.  )Li6^q)0^^vuJV  als  gen.  abs.  mit  recht  ist  Leitscliuh  (in  einem  gymna- 
sialprograrom  von  Münnerstadt)  der  erklärung  entgegengetreten,  welche 
KaTaq)dvai  im  sinne  von  assentiri  mit  dem  genctiv  verbunden  sein  läszt. 
weniger  begründet  aber  ist  dessen  erklärung  von  )i6)iq)0M^VU)V,  welches 
er  passivisch  nimt  und  von  KaTaq>dvai  im  sinne  von  xaTetirciv  abhängig 
macht  {i\\%  getadelten  verdammen),  auch  H.s  annähme  ist  höchst  bedenk- 
lich, mit  änderung  der  Interpunclion  wird  zu  schreiben  sein:  nplv 
\box\k*  öpGöv  ^TTOC  p€^q>0fi^vu)v  vtv,  KaTaq>at)iv  (von  tadlern  von 
ihm) ;  v  fiel  nach  v  aus  und  dann  gieug  tv  in  Sv  über.  —  V.  624  schreibt 
II.  ßrav  TTpobeiEric  t'  (*post  TrpobeiSnc  fortassc  addendum  ^k.  ut  v.  679' 
schon  Meineke)  olöv  £cTiv  ö  q)6ov€T;  H.  weist  mit  vollem  redile  die 
Umstellung  von  Haase  zurück;  diejenigen  welche  sie  gebilligt  haben 
'n  die  folgenden  vcrse  und  den  Zusammenhang  der  gedanken  ganz 
ht  gelassen  zu  haben.    H.  hat  darauf  hingewiesen,    wir  lassen 


N.  Wccklein :  anz.  v.  Sophoclis  Oedlpus  rex  cd.  il.  van  Herwerden.     597 

uns  hier  auf  eine  Widerlegung  der  gemachten  coujccturen  nicht  ein  und 
erwähnen  nur  dasz  auch  die  angeführte  von  H.  die  ergänzung  von  OavoO- 
^ai  aus  dem  vorhergehenden  verse  notwendig  macht,  was  Schneidewin 
mit  recht  willkürlich  nennt,   man  könnte  dafür  nur  OK.  1514  anführen, 
wo  auf  nd^c  elirac,  (b  Yepai^^  briXoOcOm  Täbe;  als  antwort  folgt:  a\ 
TToXXd  ßpovral  öiaTcXeTc  usw.   Meineke  wollte ,  weil  er  es  für  unmög- 
lich hielt  ans  dem  vorausgehenden  briXoOa  zu  ergänzen,  ändern  br)XoOci 
ßpoVTai*  aher  man  hat  mit  recht  bemerkt  dasz  Oedipus  seine  eignen  vor- 
hergehenden Worte  aÖTol  Oeoi  KrjpUK€C  äyf ^XXouci  ]ixoi  im  sinne  hat. 
alles  ist  von  v.  622  an  in  Ordnung,  wenn  man  die  gedanken  und  ihren 
Zusammenhang  richtig  erfaszt.  Kreon :  willst  du  mich  etwa  aus  dem  lande 
jagen?   Oed.:  nein,  deinen  tod,  nicht  deine  Verbannung  will  Ich  (es  ist 
das  nur  die  spräche  des  gereizten ,  welche  nichts  anderes  sagen  will  als 
Mein  tod  wäre  mir  lieber  als  deine  Verbannung' ;  es  liegt  also  kein  Wider- 
spruch mit  V.  640  f.  darin).    Kreon :  das  kannst  du  nur  wollen  (es  ist 
el)en  ßoiiXei  oder  ßouXiicei,  nicht  OavoO^ai  zu  ergänzen),  wenn  du 
vorher  zeigst,  was  hassen  heiszen  will  (d.  h  man  wird  aus  deinem 
handeln  gegen  mich  den  völlig  unschuldigen  erkennen ,  wie  weit  der 
hasz  gehen  könne),    weil  Kreon  dieses  ganz  ungläubig  sagt  und  es 
so  ausspricht,  als  könne  er  eine  so  hämische  gesinnung  und  den  daraus 
hervorgehenden  wünsch  des  Oedipus  gar  nicht  für  möglich  halten,  er- 
widert Oedipus:  d)c  oöx  uTieiHujv  oöbfe  7TICT€Öcu)v  X^y^ic;  —  V.  725  f. 
fbv  Toip  &v  Ocöc  xp€iav  ^peuvd.    Heimsoeths  änderung  aÖTf)V  ^p€uvqi 
ist  entschieden  zurückzuweisen.     H.  hebt  gegen  die  gewöhnliclie  er- 
klärung  besonders  hervor,  dasz  es  nicht  schicklich  sei  dem  gölte  selbst 
das  suchen  (^peuväv)  beizulegen,  und  schlägt  vor:  (Lv  Y^p  &V  6€dc 
Xpeiav  ^q>€i3pr)  'quarum  enim  rerum  utilitatem  deus  deprehenderit.' 
ich  glaube  dasz  der  fehler  anderswo  liegt  und  vermute:  iLv  Y^P  TVtj^ 
0€ÖC  XP^ittV  ^peuvav  ^wovon  der  gott  die  notwendigkeit  es  zu  er- 
forschen erkennt',   vgl  1231  a't  q>avu)c'  au6aip€T0i'  a*i  \  manus  rec. 
et  in  margine  ai  av.  —  V.  976  bringt  H.  für  die  Umstellung  von  Dindorf 
eine  andere  xai  iruic  \ixoc  TÖ  jiTiTpöc  OÖK  ÖKveiv  M^  ^€t;   aber  man 
vcrmiszt  in:  Ktti  ttäc  tö  ixr\Tpöc  Xe'xoc  fi*  oök  ökvciv  )i€  bei;  ~ 
V.  1031  setzt  H.  für  das  unmetrische  Iv  KaipoTc  das  nichtssagende  IvOa 
(pirjc  in  den  text.   ebenso  wenig  wie  diese  können  alle  andern  Vermutun- 
gen befriedigen ,  weil  ein  wort  erwartet  wird ,  welches  sich  auf  das  vor- 
ausgehende cuJTnp  bezieht:  es  ist  iy  Kaipoic  in  Ic  KaXöv  fxe  (vgl.  v.  78) 
zu  ändern,  —  V.  1213  vermutet  H.  dYVlüG'  für  ÖKOve',  aber  v.  1484 
zeigt  dasz  uichts  zu  ändern  ist.  —  V.  1264  schreibt  H.  TrXeKTatciv 
aitOpaiciv  ^iLiTieTTXeYliievTiv,  die  Wiederholung  nXeiaaic  —  ^inireTrXeY- 
liivriv  will  ihm  aber  nicht  gefallen  und  er  möchte  lieber  dTroTreirviY- 
)ieviiv.    so  ansprechend  die  Vermutung  von  Nauck  ist  irXeKTaTciv  dprä- 
vaiciv  aiu)poujLidvT)V ,  so  Ist  doch  die  abweichung  von  der  Überlieferung 
zu  grosz  und  seine  erklärung  der  corruptel  zu  wenig  wahrscheinlich, 
so  viel  kann  als  feststehend  betrachtet  werden,  dasz  ö  hk  am  Schlüsse, 
wie  das  im  La.  noch  erhaltene  äiTitiC  b'  des  folgenden  verses  zeigt,  hin- 
zugesetzt wurde,  als  einige  silben  des  verses  verloren  gegangen  waren. 


598     N.  Wecklein :  anz.  v.  Sophoclis  Oedipus  rex  ed.  H.  van  Uerwcrdeo. 

beaclUet  man  aber  die  von  G.  Wolff  bezeugte  Schreibweise  des  La.  i\i' 
TreTrXrprii^viiv  und  vergleicht  man  die  ganz  ähnliche  stelle  Ant.  1221  f. 
Tf|v  M^v  Kp€^acTf|v  aöx^voc  Koreibo^ev  |  ßpöxtp  MiTidbei  civbövoc 
Ka6Ti)i|i^VTiv,  so  erkennt  man  dasz  riTM^VTiv  nichts  anderes  ist  als  f)p^€- 
VTiv,  in  den  Obrigen  buchslaben  it6TtX  aber  tt^ttXujv  (entsprechend  dem 
worle  ctvbövoc  Ant.  a.  o.)  steckt  der  vers  lautete  also:  TrXeKTaTciv 
alüjpcnci  TrdirXuJV  fmjit^VTiv.  damit  man  hierin  nicht  einen  metrischen 
fehler  sehe,  verweise  ich  auf  Phil.  22.  OT.  142.  OK.  664.  Ai.  1101. 
üermann  (zu  Phil.  a.  o.  vgl.  el.  d.  metr.  s.  114)  beschrankte  das  Porson- 
sche  geselz  durch  die  bestimmung,  dasz  bei  dem  vorausgehen  der  inter- 
punction  ein  solcher  ausgang  des  trlmeters  ganz  richtig  sei.  Ich  glaube 
tlasz  noch  weniger  dagegen  einzuwenden  ist,  wenn  die  cäsur  des  verses 
in  den  vierten  fusz  fällt,  dieses  ist  in  unserm  verse  der  fall  und  ist  der 
fall  in  OK.  664 ,  welchen  vers  man  um  jeden  preis'ändern  will  (Oapceiv 
jifev  ouv  Iyujtc  käv€u  Tflc  djurjc  |  Tva»M1c  ^Traivuj:  Dobree  Kav  dv€u 
Y'  d^f)c,  Nauck  K&v  fiveu  c'  £)ific,  Dindorf  kSv  imc  dv€U.  abgesehen 
von  allem  andern  zweifle  ich  sehr  ob  dv  hier  an  seiner  stelle  ist).  — 
V.  1463  alv  oÖTTOÖ*  f|)if|  x^^P^c  ^CTdOr]  ßopäc  TpctTrcJ'  fiveu  toöö' 
dvbpöc.  H.  ändert  überall  (1462.  821.  1504)  die  endung  -aiv  in  -oiv 
nach  der  von  Cobet  aufgestellten  regel  (vgl.  Dindorf  zu  OK.  1113,  Nauck 
zu  OK.  1676).  ich  halte  die  herstellung  der  mascuHnform  besonders  in 
OK.  683  jLieTdXaiv  6€aTv  für  bedenklich,  auch  ebd.  859  ou  raÜTaiv 
jiövatv  kommt  die  endung  -atv  der  deutlichkeit  sehr  zu  statten,  im 
übrigen  billigt  II.  Hartungs  änderung  fjbr]  (fQr  f)]ixrj)  und  die  von  Nauck 
dTTXrjcOr)  für  dcrdOr).  das  erstere  wort  gibt  dieser  stelle  einen  verkehr- 
ten sinn ,  das  zweite  wird  unnötig  sein,  gewis  aber  ist  fififj  verderbt, 
Naucks  f]|iÜJV  jedoch  oder  Heimsoeths  djific  kann  nicht  als  Verbesserung 
gellen,  es  musz  wol  heiszen:  alv  oOttot'  dXXr|  X^P^^  usw.,  ä\\r\ 
dveu  ToOb'  dvbpöc  ist  gesagt  statt  des  gewöhnlichen  dXXi]  f)  TUib* 
dvbpi  ^mensa  diversa  a  mea  mensa ,  ut  me  ad  suam  mensam  non  habe- 
rent'.  —  V.  1524 — 1530  bezeichnet  H.,  der  überhaupt  mit  der  annähme 
von  interpolationen  sclmell  bei  der  band  ist,  als  unecht,  vornehmlich  in 
rücksicht  auf  die  bemerkung  des  schol.  zu  1523  Kai  aOrdpKWC  ix^x  TÖ 
bpäjuia,  Td  tdp  iir{C  dvomeia  tviwmoXotoOvtoc  OtbiTroboc.  schon 
früher  hatte  F.  Ritler  philol.  XVli  s.  424  ff.  diese  wie  die  schluszverse 
der  übrigen  sechs  dramen  des  Sophokles  für  unecht  erklärt,  auch  H. 
glaubt  wie  Ritter,  dasz  der  interpolator  den  schlusz  der  Phoenissen  be- 
nutzt habe,  während  Valckenaer  die  beiden  verse  der  Phoenissen  üj 
TTdrpac  kXcivoI  iroXiTai,  Xeticcer"  OibiTrouc  6b€,  5c  rd  KXetv* 
aiviTM^iT'  Itvu)  Kai  judTiCTOC  fiv  dvrjp  als  entlehnung  aus  Sophokles 
betrachtete,  die  sache  läszt  sich  entscheiden,  vorerst  ist  zu  bedenken 
dasz  auch  Phoen.  1634  iäy  b'  dKXaucrov,  dTa<pov,  olujvotc  ßopdv 
aus  Sophokles  entlehnt  ist.  kein  deutlicheres  anzeichen  der  interpolalion 
aber  kann  es  geben  als  die  Wiederholung  des  wortes  kXcivÖC  in  den 
Phoenissen  a.  o.  auch  fjbri  und  KpdTicroc  scheinen  die  ursprünglichen 
Worte,  Itvu)  und  fX^ftCTOC  die  des  ändernden  interpolators  zu  sein. 

bemerke  noch  dasz  H.  in  der  vorrede  ein  gesell  für  die  schrei- 


■  .1 


W.  Schmilz :  zur  Slraszburgcr  handsclirift  der  Tironischen  ooten.    599 

bung  vüv  oder  Suv  aufstellt,  danach  stände  cuv  vor  consonanteo  (nur 
am  anfange  des  verses  sei  £uv  auch  vor  consonanlen  vorzuziehen),  Süv 
vor  vocalen  mit  der  ausnähme,  dasz  des  wollautes  wegen  nach  E  und 
wenn  die  folgende  silbe  mit  i ,  k  oder  x  endige ,  cuv  auch  vor  vocalen 
zu  schreiben  sei.  die  zweite  regel  scheint  sicher  zu  sein;  ob  auch  die 
erste ,  musz  ich  bezweifeln,  denn  ich  glaube  dasz  in  beispielen  wie  räc 
Eu^qpopdc  (44),  Tfic  Eu|iq>opäc  (99),  rate  £uMq)opaic  (515)  das  vor- 
ausgehende c  eine  Snderung  des  hsl.  t  nicht  als  rathsam  erscheinen  Uszt, 
oder  dasz  man  überhaupt  überall  ivv  zu  schreiben  hat,  wo  nicht  der 
woilaut  oder  das  metrum  cuv  verlangt. 

Aus  den  am  Schlüsse  beigegebenen ,  aus  den  schollen  des  Joannes 
Tzetzes  zu  Aristophanes  Plutos,  wölken  und  fröschen  im  cod.  Ambros. 
C.  222  entnommenen  anekdota  hebe  ich  liier  das  schöne  fragment  des 
Hipponax  hervor,  im  schol.  zu  Plutos  90  heiszt  es:  TuqpXöv  be  töv 
TTXouTÖv  q)r]Civ  &  *lTnriüvaicTOC  touto  cqpeTepicdjuevoc'  qp^clfÄp 

OUTIÜC  iTTTTlüVaH" 

ejiol  öfe  ttXoötoc  ,  ictx  fäp  \lr\v  TU<pXöc , 
ic  Tt|jKi*  iXediv  oubdfi*  elTiev  iTiTTdivaf , 
bibuifxi  TOI  juväc  dpTupiou  rpiiiKOvra 
Kai  noXX*  ix*  dXXa*  beiXaioc  tdp  idc  (ppevac. 
für  Tdc  q>pevac  hatte  H.  auf  fr.  5,  7  und  8  (ßergk)  verwiesen,  hat  tiieses 
aber  nachher  s.  IV  mit  recht  zurückgenommen,    ich  dachte  an  beiXaiiUC 
Tdp  el  (peiböc  *  vgl.  Eustaihios  s.  537,  39  Kard  naXatdv  KUijiUJbiav 
eineiv  q>€tb6c  Jiyouv  qpcibwXöc  bairdviic. 

München.  Nicolaus  Wecklsin. 


83. 

ZUR  STKASZBURGER  HANDSCHRIFT  DER  TIRONI- 
SCHEN NOTEN. 


Die  von  M.  Hertz  oben  s.  236  geäuszerte  Vermutung,  dasz  in  dem 
nach  Kopps  angäbe  in  der  Überschrift  der  Straszburger  notenhandschrift 
stehenden  ticiter  oder  ticicer* ein  einfaches,  landesübliches  feliciter' 
stecke,  hat  durchaus  das  richtige  getroffen,  die  in  uncialen  abgefaszte 
Überschrift  lautet,  abgesehen  sowol  von  einigen  mehr  oder  weniger  ver- 
blaszlen  buchstaben teilen  als  auch  von  einzelnen  buchslabenverschrän- 
kungen :  Auxüiante  ||  Dho  incipiuni  ||  Notae  Sene  \\  cae  fdi  |l  euer. 
Amen  ||.  diese  auf  die  Überschrift  bezüglichen  angaben  nebst  andern 
mitteilungen  über  den  inhalt  der  Straszburger  notenhandschrift  erhielt 
ich  auf  desfallsiges  ersuchen  ende  1865  von  meinem  freunde  W.  Bram- 
bach.  den  oben  angeführten  Wortlaut  der  überschriA  hat  übrigens,  auf 
grund  einer  von  mir  herrührenden  mitteilung,  J.  W.  Zeibig  auf  s.  275 
seiner  ^nachtrage  zur  geschichte  und  litteratur  der  geschwindschreib- 
kunst'  (Dresden  1867)  bereits  abdrucken  lassen. 

KÖLN.  Wilhelm  Schmitz. 


600  R.  Rauclienslein :  anz.  v.  II.  Frobbergers  ausgäbe  des  Lysias.  2s bdchen. 

84. 

Ausgewählte  reden  des  Lysias.  für  den  bchui/Oebrauch  er- 
klärt voK  Hermann  Frohb erger.  zweites  bändchen. 
Leipzig,  druck  und  vertag  von  B.  G.  Teubner.  1868.  VI  u, 
188  6.   gr.  8. 

Was  ref.  io  diesen  jabrb.  1866  s.  660  IT.  günstiges  und  anerkennen- 
des Qber  brn.  Frobbergers  bearbeitung  der  drei  reden  XII,  XIII  und  XXV 
im  ersten  bändcben  dieser  auswahl  urteilen  zu  sollen  glaubte,  dasselbe 
gilt  auch  von  diesem  zweiten  bändcben,  das  die  reden  XIV,  XV,  X,  XXXII 
und  I  enthalt,  und  zwar  in  vielleicht  noch  höherem  masze,  insofern  man- 
ches in  demselben  auf  ref.  den  eindruck  noch  vollendeterer  reife  gemacht 
hat.  för  einige  dieser  reden  hatte  F.  aus  neuester  zeit  d.  h.  seit  Bremi 
1826  wenige  oder  gar  keine  vorgUnger  in  der  erkUrung;  die  reden  X 
und  XV  hatte  auch  Bremi  nicht  in  seine  auswahl  aufgenommen,  um  so 
mehr  lob  verdient  der  fleisz  und  die  grQndlichkeit  in  der  behandlung  auch 
dieser  reden,  für  die  krllik  dagegen  ist  seit  Scheibes  zweiter  ausgäbe 
(1855)  von  deutschen  und  holländischen  gelehrten  In  sämtlichen  reden 
viel  gethan  worden ,  und  wir  finden  dieses  alles  von  F.  mit  umsieht  und 
Selbständigkeit  benutzt,  nur  eines,  was  der  erwähnung  werlh  scheint, 
hat  er  Obergangen :  nemlich  14  $  42 ,  wo  von  den  freveln  die  rede  ist, 
die  Alkibiades  der  vater  an  geweihten  gegenständen  begieng,  hat  in  den 
Worten  o\  b^  fnucii^pia  7r€7TOiriKaci  Hirschig  rd  vor  fiucrnpta  gewollt, 
zwar  findet  sich  xä  in  keiner  hs. ,  aber  es  findet  sidi  in  den  sämtlichen 
von  F.  selbst  angefahrten  stellen,  die  dieses  factum  erwähnen,  so  dasz 
es  vermutlich  stehender  Sprachgebrauch  war.  —  Sehr  eingehend  sind 
überall  die  erörterungen  über  antiquarisches  und  geschichtliches,  aber 
nicht  weniger  die  besprechung  des  rhetorischen  ausdrucks  und  überhaupt 
alles  sprachlichen,  so  dasz  besonders  in  letzlerer  beziehung  der  com- 
mentar  samt  dem  kritischen  anhang  s.  139 — 188  oft  eine  wahre  fund* 
grübe  für  den  Sprachgebrauch  nicht  nur  des  Lysias  sondern  auch  vieler 
anderer  Schriftsteller  ist,  deren  ausdruck  mit  fleisz  und  scharfer  beobach- 
lung  zur  vergleichuDg  herangezogen  wird,  daraus  erklärt  sich  auch  der 
ziemliche  umfang  des  commentars,  der  wenn  auch  über  das  bedürfnls 
der  schule  hinausgehend  demjenigen  um  so  willkommener  sein  wird,  der 
sich  eindringlicher  mit  dem  Studium  der  redner  beschäftigt,  die  trelT- 
lichen  einleilungen  schweifen  nirgends  vom  gegenstände  ab,  fuhren  aber 
nach  jeder  rlchtung  belehrend  in  das  Sachverhältnis  ein,  uro  das  die  rede 
sich  dreht.  —  Wegen  der  beschafienheit  der  quellen  ist  man  bekanntlich 
bei  Lysias  in  vielen  puncten  auf  conjecturalkritlk  angewiesen,  der  hg. 
verfährt  dabei  mit  besonnenheit  sowol  in  der  aufnähme  fremder  als  auch 
eigener  conjecturen.  letztere  zählt  er  im  vorwort  auf:  es  sind  ihrer  30, 
von  denen  mehrere  evident,  die  meisten  wahrscheinlich  sind,  gegen  ein- 
zelne glaubt  ref.  Widerspruch  erheben  zu  sollen. 

R.  14  S  2  berichtigt  F.  irepl  TidvTUJV  mit  UTitp  TidvTUJV.  S  7  er- 
klärt sich  jetzt  auch  ref.  för  die  Schreibung  6ti  önXiTnc  KataXcYeic 
»^v,  XiTTOToHlou  b^,  6x1  OÖK  0^X06  fieO'  ufiujv  cxpaxoirebeu- 


All  ^rnni 


H.  Rauchenslein :  anz.  v.  H.  Frohbergers  ausgäbe  des  Lysias.  2s  bdchen.  GOl 

c6]iX€V0C  (letzteres  nach  Lipsius),  was  F.  damit  rechtfertigt,  dasz  das 
miiitürgesetz  die  drei  puncte  dcTpareia,  XiirordSiov,  beiXia  ausein- 
anderhielt, ebenso  S  ^  ^  M^rd  tujv  öirXiTt&v  elvat  statt  ttoXituiv 
und  dann  xai  ötiXIttic  Yev^cOai  zu  streichen,  richtig  ist  dasz  $  16 
entweder  mit  Hirschig  altlicovTat  für  ^SarnfjcovTai  geschrieben  oder 
das  davor  stehende  'öjidc  nach  dvTißoXrjcouctv  gesetzt  werden  musz,  da 
^SaiT6icOa(  Tiva  nicht  heiszt  ^einen  erbitten',  dagegen  ist  ref.  nicht 
übet  zeugt  dasz  S  ^^9  ^0  ^i^  richter  aufgefordert  werden,  falls  die  ver- 
wandten den  angelilagten  losbitten  wollen,  es  mit  zorn  aufzunehmen, 
6ti  toütoü  ixiv  oÖK  dnexefpiicav  benOf^vm ,  f\  berfiiyftec  ouk  dbu- 
vavTO  eup^cOai,  Troieiv  xd  öttö  ttjc  iröXeiuc  irpocTorrdiuieva,  die 
Worte  f\  b€!]O^VT€C  oök  dbuvavro  eöp^cOai  gestrichen  werden  sollen, 
weil  damit  die  ffirbitter  entlastet  wOrden.  allerdings  belasten  sie  zu- 
nächst den  angeklagten,  der  sich  durch  ihre  bitten  nicht  zur  Pflicht- 
erfüllung bewegen  liesz,  aber  sie  belasten  auch  die  fürbitter,  da  sie  die 
unverschSmtheit  haben  jetzt  um  loslassung  dessen  die  richter  zu  bitten, 
der  ihren  Vorstellungen  kein  gehör  gab.  was  dann  die  Verbindung  des 
TTOieTv  mit  b€r)6f)vai  betriflt,  so  schlieszen  sich  die  wortc  gleichsam 
parenthetisch  an  das  vorige  an ,  wobei  durch  die  weise  des  Vortrags  dem 
zuhdrer  leicht  deutlich  wurde  dasz  iroteTv  von  b6Ti0f)vai  abhänge.  $  26 
ist  diT6iT^^q>8ri  statt  )üi€T€Tr^^q)9Ti  sehr  einleuchtend,  so  wie  auch  walir- 
scheinlich,  dasz  nach  TTpofibuiKCV  der  name  einer  person  ausgefallen, 
der  Alkibiades  Ornoi  verrieth.  von  dieser  heiszt  es  dann  7>  hk  irapoXa- 
ßi()V.  auch  ist  zu  billigen,  dasz  F.  $  28  oIk€(ouc  und  £dvouc  die  platze 
tauschen  lUszt  und  S  29  nach  Reiske  schreibt  £c€c6ai  fiidXei,  dXX'  6v. 
S  31  macht  F.  zu  dq)€(X€c6€  darauf  aufmerksam,  dasz  sich  Lysias  eine 
Verdrehung  erlaube,  da  die  dem  Alkibiades  nach  .seiner  rflckkehr  aus  dem 
exil  zurückerstatteten  guter  und  auszeichnungen  ihm  später  nicht  von 
der  demokratie  sondern  von  den  dreiszig  weggenommen  wurden.  %  32 
schreibt  er  mit  recht  für  die  vulg.  äri  raic  ö^€T^paic  dpeTatc  XP^^at 
TrapabeiYMaxi  irepl  ri^c  dauroö  7rovT]p(ac  zuerst  mit  Cohet  irapa- 
beiTMOtci  und  aus  eigner  conjectur  ^Kcivou  für  dauToO,  da  ja  die  iro- 
vripia  des  vaters,  nicht  des  sohnes  gemeint  ist.  zu  S  ^0  führt  er  sämt- 
liche Lysianische  stellen  über  den  gebrauch  von  irarpiiJOC,  Trarpioc, 
TrarpiKÖC  an ,  woraus  sich  der  unterschied  in  der  bedeulung  dieser 
wdrler  bei  den  rednern,  wie  ihn  die  grammaliker  angeben,  wenigstens 
für  Lysias  bestätigt,  ebd.  wird  nachgewiesen  dasz  der  plural  öpKOi 
nicht  von  mehreren  eiden  der  geschworenen,  sondern  von  den  mehr- 
fachen bestimmungen  des  heliasteneides  zu  verstehen  sei. 

15  S  3  erklärt  sich  jetzt  ref.  einverstanden,  dasz  nach  djCTrep  Kai 
vOv  eher  öjLieTc  hinzuzusetzen  als  Kai  in  ^xetvoi  zu  verwandeln  sei.  F. 
erklärt  den  sinn  der  %$  3  und  4  richtig ,  nur  wegen  ibiqi  macht  er  sich 
unnötige  Schwierigkeiten,  vielleicht  verleitet  durch  Francken,  der  es 
^separatim,  vestro  marte,  proprio  motu'  übersetzt.  F.  erklärt:  «tbiqi 
*  einseitig',  nicht,  wie  es  eure  pflicht  wäre,  koiv^  d^qpOTdpoic.»  er 
will  tbiqi  nicht  auf  das  subject  beziehen,  sondern  stellvertretend  für 
das  object  von  ßor]6€iv,  wie  privatim  ei  publice  räpere  Sali.  Cat  11. 


602  R.  Rauchenstein :  anz. v.  II.  Frohbergers  ausgäbe  desLysias.  2s  Ldcfaeii. 

ref.  aber  versteht  es  einfach  als  'privatim',  die  Strategen  nemlich  als  Prä- 
sidenten in  diesem  process  hatten  zwar  nicht  öffentlich,  aber  privaliiu 
bei  den  einzelnen  rieh  lern  sich  für  den  angeklagten  verwendet,  and  das 
sei  nidit  besser,  sagt  der  redner,  als  wenn  der  erste  arcbont  oder  der 
polemarch  oder  die  elfmänner,  jeder  bei  den  richtern  wo  er  den  vorsiti 
hat,  zu  gunstcn  des  angeklagten  furbitte  einlegen  wollte.  $  9  dagegen 
ist  ref.  einverstanden  mit  F. ,  dasz  Kivbuveuetv  als  ungeschickte  ergSn- 
zung  zu  streichen  ist,  da  tÖl  ^^XXovTa  als  neutrum  dem  vergangenen 
(tiüv  TTapeXtiXuGÖTUiv)  entgegensteht;  ebenfalls  dasz  $  11  nach  seiner 
und  P.  R.  Mallers  conjectur  tuiv  vö]ixa;v  nach  dXdrrovoc  eingesetzt 
werde. 

Auch  um  die  rede  10  gegen  Theomnestos,  die  einzige  aus  dem  alter- 
tum  auf  uns  gekommene  über  Verbalinjurien  und  die  einige  eigentümliche 
Schwierigkeiten  enthält,  hat  sich  F.  sehr  verdient  gemacht,    die  wenig 
über  drei  seilen  lange  einleitung  macht  gleichwol  den  leser  gehörig  be- 
kannt mit  den  Voraussetzungen,  die  zum  Verständnis  der  rede  erforderlich 
sind,   in  den  Worten  S  2  ^wenn  er  mich  beschuldigte,  ich  hätte  seinen 
vater  getötet,  so  würde  ich  mir  nichts  daraus  machen  oder  ihm  ver- 
zeihen', qpauXöv  TCtp  aöiöv  Kai  oöbev6c  äSiov  fiTOUfxriv,  vertheidigt 
F.  die  von  Emperius  gemachte  und  von  allen  neuern  hgg.  angenommene 
conjectur  auTÖ  gegen  das  hsl.  auTÖv,  da  es  sich  'nicht  um  eine  even- 
tuelle rcchtfertigung  der  that,  sondern  lediglich  um  die  nichtbeaditung 
oder  ahndun g* der  Schmähung  (auTÖ)  handle',    wir  wollen  dagegen 
nicht  urgieren,  dasz  dazu  hv  erforderlich  sei,  welches  auch  lierlleiii 
nach  jap  einsetzen  wollte,  sondern  uns  gefallen  lassen,  dasz  es  aus  dem 
vorausgehenden  cutTVtUjLtriv  &v  eixov  atJTtX)  hinzugedacht  werde,    aber 
gegen  diese  auffassung  sträubt  sich  das  oub€VÖC  ä£iOV :  denn  was  würde 
das  heiszen  'die  Schmähung  sei  als  unbedeutend  zu  verachten  und  nichts 
werth'?   man  verlangte  wenigstens  oube  TifiUJpiac  ä£iov.    darum  wird 
es  heiszen  müssen:  'denn  ich  hielt  ihn  für  unbedeutend  und  nichts- 
würdig', so  dasz  ich  mir  aus  der  Verleumdung,  ich  hätte  einen  solchen 
mann  getutet,  nichts  gemacht  hätte,   so  hochmütig  auch  diese  äuszerung 
über  den  vater  des  Theomnestos  ist,  so  wird  doch  das  auTOV  noch  unter- 
stützt durch  den  gegensatz  §  3,  wo  der  Sprecher  sagt,  wie  viel  wcrtii 
sowol  für  die  familie  als  für  den  staat  dagegen  sein  vater  gewesen  sei. 
mit  recht  ist  §  6  P.  R.  Müllers  auch  von  Kayser  gebilligtes  Trpöc  tiIj 
btaiTTiT^  aufgenommen.    S  7  hat  ref.  gegen  die  von  F.  gemachten  Ver- 
änderungen nichts  einzuwenden,  nur  spricht  doch  für  beibehaltung  des 
beiv  nach  oT|Liai  die  stelle  in  der  epitome  11  S  3*   insbesondere  ist  ref. 
einverstanden,  dasz  nach  öcoi  dTr€KTÖvact  Ttvac  Kat  OLvbpocpovoi  elciv 
der  folgende  aus  11  S  3  geholte  zusatz  xal  5coi  dvbpoqpövoi  eictv  kqi 
äireKTÖvotci  rivac,  der  im  cod.  X  fehlt,  weggelassen  ist:  denn  darauf 
kam  es  an  dasz  dvbpoq>övoi,  der  eigentlich  qualificierte  injuriöse  aus- 
druck,  das  eigentliche  dTiöppTlTOV,  als  prädicat  hervortrete,  während 
dieses  nur  matt  würde  durch  den  zusatz,  der  mit  der  umkehrung  von 
subject  und  prädicat  ein  hier  unnützes  identisches  urteil  hervorbringen 
ebenso  richtig  ist  auch  S  9  <lie  emendation  f)b^tiic  b*  &v  statt 


..:ii 


R.  Rauchenstein :  anz.  v.  H.  Frohbergers  ausgäbe  des  Lysias.  2s  bdchcn.  603 

f)b^ujc  T&P  äv,  da  hier  keine  begründung  ist,  sondern  ein  neues  bei- 
spiel  angeführt  wird.  ebd.  schreibt  F.  dXX'  dSi^pKet  äv  cot  ^ppiqp^vat 
Tf)v  dcTTtba  X^T^iv  ÖTt  ovbiv  coi  ji^Xei;  die  worte  X^t^iv  . .  jii^Xet 
nach  Dobree  und  Francken,  bemerkt  aber  selbst,  dasz  die  construction 
dppi9^vat  Tf)v  dciriba  von  X^yeiv  abhängig  schwerßlllig  wird,  so  dasz 
TÖ  oder  toO  davor  zu  wünschen  w9re.  aber  das  richtige  wSre  doch  auch 
das  noch  nicht,  vielmehr,  da  dem  Theomnestos  das  scbildwegwerfen 
wirklich  vorgeworfen  worden  war,  ist  dpptqpÖTt  zu  schreiben,  womit 
der  hieb  an  bilterkeit  gewinnt:  *wenn  jemand  sagte,  du  habest  den 
Schild  weggeworfen,  bediente  sich  aber  dabei  nicht  des  eigentlich  iu- 
juriösen  Wortes  d[Tro߀ßXT)K^vai,  so  wUre  es  dir,  wenn  (oder  im  ge- 
gebenen falle  da)  du  den  schild  weggeworfen ,  genügend  zu  sagen ,  das 
sei  dir  gleichgültig,  denn  man  habe  dir  nicht  diroßeßXiiKdvai,  das  diröp- 
pT)TOV,  sondern  nur  das  synonyme  ^ti)iai  nachgesagt.'  $  12  trit  jetzt  ref. 
dem  hg.  bei,  wenn  er  schreibt  oÖK  oOv  Stottov  &v  dr\  dq>€ivat  Tov 
böSavra  icretvat  q)dcKOVTa  dvbpocpövov  elvai.  denn  es  wäre  ja  toll, 
wenn  einer  den  Vorwurf,  er  sei  ein  dvbpoq)övoc ,  obwol  es  das  diröp- 
piyrov  ist,  hinnehmen  wollte  nur  darum,  weil  ja  in  der  dvTtüjiOCta  niclil 
jener  ausdruck,  sondern  KTCtvai  gebrauchlich  sei.  auch  die  Änderung  des 
namens  OduJVt  in  AuciO^iu  ist  nach  den  in  der  einl.  s.  56  dargelegten 
sach Verhältnissen  sehr  wahrscheinlich.  S  15  in  den  Worten  Mch  nun 
glaube,  ihr  richter,  ihr  alle  wisset  dasz  ich  recht  habe,  dasz  aber  dieser 
mensch  so  ungeschickt  ist,  dasz  er  unfähig  ist  zu  verstehen  was  gesagt 
wird'  kann  ref.  nicht  mit  F.  ein  compliment  für  die  richter  finden.  $16 
wird  das  hsl.  iroboKdKi]  statt  der  vulg.  irobaKaKKi]  wol  mit  recht  bei- 
behalten und  als  spöttisch  mitleidiger  ausdruck  ^fuszweh'  erklärt.  $17 
ist  ref.  nicht  einverstanden,  wenn  das  hsl.  kqI  ixr\bk,y  bid  toOto  biaqpd- 
pou  in  Kat  oub^v  bid  toGto  biaqp^pei  geändert  wird  aus  dem  gruude, 
weil  der  plötzliche  ausfall  gegen  Theomnestos  aus  dem  dociercndcn  tone 
sehr  auffällig  sei;  doch  nicht  auffälliger  als  wenige  zeilen  darauf  S  19 
TTpöceX€  TÖV  VoCv,  wie  nach  P.  R.  Möller  F.  mit  recht  schreibt:  denn 
der  Sprecher  schulmeistert  den  gegner  als  einen  blöden  kupf.  $18  crd- 
ci|Liov  Oetvai  nach  Franckens  Vermutung  gut  und  ebenso  $  19  oiKf)oc 
Kai  bouXric  Tf|V  ßXdßnv  öqpeiXciv  mit  ausiassung  des  elvai  vor  öq>€i- 
X€iv.  %  21  YV(i)|iiiv  ^X^iv  nach  analogie  von  aiTiav  ^x^iv  'beurteilt 
werden'  ist  wol  ohne  beispiel  und  um  so  verdächtiger,  als  es  sonst  in 
der  bedeutung  Mie  meinung  haben'  so  allgemein  gebräuchlich  ist.  ref. 
dachte  an  böSav  ^X^iv ,  weiches  in  der  bedeutung  Mm  rufe  stehen'  auch 
etwa  vorkommt.  $  23  irpöc  upäc  wird  gegen  den  änderungsvorschlag 
npöc  u^üüv  durch  beispiele  genügend  gerechtfertigt,  überzeugend  ist 
auch  für  ref.  §  26  die  änderung  )if|  TOivuv  dKOucavra  jiiv  GeöjuiVTi- 
CTOV  Td  TipocriKOVTa  dX€€TT€  y  ußpiZovTi  bh  Ktti  X^TOVTI  napd  Toiic 
v6^ouc  CUTTVUiiiriv  £x^T€  in  echt  rhetorischer  form,  sehr  annehmlich 
ist  auch  S  28  die  ergänzung  des  TOiaOr'  vor  €ipT)KÖTt.  dagegen  $  29 
äcqi  ^exlovc  eicl  xal  veaviat  Tdc  dipetc,  tocoutuj  jiiäXXov  öpTfic 
dStoi  eici  ist  unnötig  die  gewaltsame  änderung  öcip  fxäXXöv  €tci  vea- 
viai  Tdc  6ip€tc,  TocouTiiJ  fieiZovoc  6p'if\c  äixoi  elcL  die  hsl.  Icsart 


604  R.  Rauckenslein :  anz.  v.  H.  Frohbcrgors  ausgäbe  desLysias.  2s  bdchcn* 

gibl  so  wenig  anstosz  als  im  deulscheii :  ^je  grdszer  sie  sind  und  (dabei) 
trolzig  von  angesicht,  desto  gröszern  Unwillen  verdienen  sie.^ 

Zu  der  rede  32 ,  die  bekanntlich  nicht  in  den  tiss.  des  Lysias ,  son- 
dern von  Dionysios  üjjerliefert  ist,  hat  IL  van  Herwerden  den  codex  Lau- 
reulianus  des  letztern  neu  verglichen ,  und  F.  ist  ihm  in  manchem  ge- 
folgt, in  manchem  von  ihm  abgewichen,  beides  nach  unserm  urleil  mit 
recht,  in  der  einleitung  zu  dieser  rede  gegen  den  ungetreuen  vonnund 
Diogeiton  hat  F.  so  ziemlich  alles  gegeben ,  was  man  von  dem  altischen 
vormundschaflswesen  weisz.  nur  ist  zu  viel  behauptet,  wenn  es  vom 
ersten  archon  hciszl :  Mas  vormundschaflswesen  stand  unter  seiner  sleleo 
controle.'  diese  zu  führen  wäre  für  ihn  ohne  eine  menge  von  unlergc- 
ordneten  beamten  eine  Unmöglichkeit  gewesen,  der  faauptfehler  war 
eben ,  dasz  keine  gesetzliche  pflicht  zu  periodischer  rechenschaft  für  die 
Vormünder  bestaud,  und  dasz  der  grundsatz  galt:  wo  kein  kläger  ist,  da 
ist  kein  richlcr.  in  der  rede  selbst  $  5  konnten  in  KaraXcTCic  Aiöbo- 
Toc  )i€Td  OpacuXou  toO  ^ttI  täv  önXiTuiv  die  worle  tou  im  und 
bald  darauf  in  biKaiqj  irepi  Toiic  auTOÖ  iraibac  imtpönvj  T€V^cöai 
das  dTTiTpOTTUi  fuglich  geslrichen  werden,  weil  die  bezeichueteu  worlc 
nach  Uerwerden  in  den  hss.  fehlen,  auch  F.  bezeichnet  sie  als  verdächtig. 
$  20  über  beibehaltung  des  Xfi|Li|Lia  Kai  dvdXuj^a  stimmt  jelzt  ref.  bei, 
da  F.  richtig  bemerkt  dasz  wenigstens  dvdXuJ^a  wegen  6tc  büo  Ttaibac 
gefordert  werde,  treffend  ist  $  22  F.s  auf  cod.  Laur.,  der  nur  Tur  b' 
Im  Tiöv  iraipiijuiv  dTiecTepTiiLidvoi  gibt,  gestützte  emendalion  tuj  b* 
dTTiTpÖTTiiJ,  TUJV  TtttTpibuJV  d7r€CT€pTi)üi^voi.  S  26  selzl  nach  €!ti  f. 
mit  Herwerden  richtig  6  ein.  offenbar  aus  versehen  ist  %  17  nach  Tf)V 
cuveibmav  gedruckt  qpoßei  statt  aicxiivei. 

Die  rede  1  über  die  tötung  des  Eratosthenes,  die  mancher  lehret 
wenigstens  mit  secundanern  zu  lesen  nicht  ohne  grund  anstand  nehmen 
wird ,  sehen  wir  in  dieser  samlung  nicht  ungern  wegen  ihrer  vorzügiN 
da  sie,  wie  F.  bemerkt,  zu  jeder  zeit  als  muster  des  schlichten  slils 
(Icxvöv  T^voc)  mit  recht  gegolten  hat.  §  4  sagt  der  Sprecher,  er  halte 
den  Eratosthenes  getötet  oÖT€  f^xßfxx  . .  oÖT€  XPni^OTiüV  ?V€Ka . .  out€ 
dXXou  Kepbouc  oubevöc  TtXfjV  Tf]C  Kaid  touc  vö|liouc  TijLiujpiac.  F. 
bemerkt,  irXrjv  schliesze  sich  nur  an  dXXou  oubcvöc  an,  nicht  auch  an 
K^pbouc  und  hcisze  ^sondern  lediglich'  wie  Demoslh.  21  §  181.  doch 
dünkt  es  ref.,  da  ÖÖT€  XP^f^^^'^^JV  ^V€Ka  vorausgeht,  so  könne  man  K^p- 
bouc  entbehren,  wodurch  die  rede  schlichter  wird.  S  7  zu  dKpißtliC 
von  Sparsamkeit  und  genauigkeit  in  der  Wirtschaft  war  aus  Lysias  selbsl 
anzuführen  7  $  12.  das  mehrseilig  misverstandene  auT^jv,  das  man  auf 
die  raagd  bezog,  bezieht  F.  mit  recht  auf  die  frau,  wie  schon  das  voraus- 
gegangene f]  t|Lif|  Twvf|  .  .  biaqpGeiperai  zeigt.  §  9:  ob  wo!  schon 
Bremis  anmerkung  auf  den  rechten  weg  zu  führen  geeignet  war,  gesteht 
doch  ref.  dasz  er  Franckens  irtum  über  die  construclion  des  otidbiov 
auch  lange  zeit  geteilt  hat,  nemlich  dasz  sowol  im  erdgeschosz  als  auch 
im  oberu  stock  eine  TuvaiKUiviTic  und  eine  dvbpujvmc  sich  befunden 
habe,  und  zu  dieser  meinung  wird  man  leicht  dadurch  verleitet,  dasz 
■^n  dem  oiKibtov  heiszt  tco  fx^v  xd  fivo)  TOic  xaru).   dagegen  be- 


R  Rauchcnslein :  anz.v.  II.  Frohbergors  ausgäbe  des  Lysias.  2s  buchen.  605 

greift  man  nicht,  wenn  der  Oberstock  so  gut  wie  der  untere  ein  frauen- 
gemach auszer  dem  gemach  für  männer  enthielt,  warum  die  frau  um  das 
kind  zu  saugen  jeweilen  die  treppe  hinuntersteigeu  muste.  dazu  kommt 
dasz  es  nur  ein  oiKibtov  war,  demnach  kaum  auf  jedem  boden  räum  für 
beide  abteiiungen  enthielt,  also  war  woi  unten  die  dvbpuivmc,  die 
YUvaiKüuviTic  oben,  wie  schon  Bremi  angenommen  hatte,  darauf  fuhren 
denn  auch  die  textesworte  selbst,  indem  nach  der  richtigen  bemerkung 
F.s  die  Worte  Karä  Tf|V  YuvaiKiuvmv  und  folgende  mit  biiiXoCv  zu 
verbinden  sind :  Zwiefach  (in  zwei  Stockwerke  geteilt)  nach  frauengemach 
und  mSnnergemach.'  zur  veranschaulichung,  da  nemlich  auf  jedem  boden 
ein  biDjLidTtov  hinzukam,  ist  eine  Zeichnung  eingedruckt  und  die  einrieb- 
tung  des  geb9udes,  wie  überhaupt  bei  F.  alles  sachliclie,  gut  erläutert. 
S  16  hat  er  Tieuci)  beibehalten,  nicht  mit  Gobet  und  Herwerden  7r€UC€i 
geschrieben,  während  er  doch  überall,  wie  z.  b.  32  §  17  npoGu^ei, 
(poßei,  TTOiei  schreibt,  richtig  aber  1  S  ^^  i)i6UCr)  bk.  füTi^ev,  weil  es 
aor.  ist.  %  22  iövTi  vom  ^zurückkehren'  hat  er  mit  beispieleu  belegt, 
so  dasz  die  änderung  dviöVTi  nicht  nötig  ist.  ebd.  ist  mit  anführung  von 
lääos  3  S 14  gut  bemerkt,  dasz  Euphiletos  wegen  an  Wesenheit  des  gastes 
oline  die  frau  zum  speisen  ins  uir€piI)ov  hinaufgieng.  $24:  in  der  vulg. 
dv€tuT|Li^vr|c  Tfjc  Güpac  xal  öttö  iflc  dvepumou  irapecKCuacjidvric 
wollte  Francken  öttÖ  streichen;  allein  F.  streicht,  wie  schon  Taylor 
wollte,  Kai,  so  dasz  Trap€CK6uac^^VT)C  von  der  magd,  die  zum  offen- 
halten der  tliür  ^angestellt'  war,  den  richtigen  sinn  gibt.  %  27  ^Keivoc 
toOtuiv  Jtuxcv  diVTiep  o\  vö^oi  KeXeüouci.  Kai,  welches  vor  oi 
vö^oi  noch  Bremi  beibehielt,  ist  allerdings,  da  es  in  den  hss.  fehlt  und 
entbehrlich  ist,  mit  recht  getilgt  worden;  aber  an  sich  ist  es  nicht  un- 
richtig, da  der  von  F.  vermiszte  begrilT  der  vergleicliung  sich  darin  findet, 
dasz  dem  Eratostheues  gerade  das  widerfuhr,  was  auch  die  gesctze  vor- 
schreiben. S  30:  gut  wird  über  die  vöfiiot  qpoviKoi  gehandelt  mit  der 
bemerkung ,  dasz  genau  genommen  die  gesetze  Drakons  6ec|iot  hieszen, 
wahrend  die  Solonischen  vö^oi.  dagegen  zweifeln  wir  sehr,  ob  sich  die 
lisl.  lesart  dTTobtboTai  halten  lasse.  F.  übersetzt  zwar:  'welchem  es 
(nemlich  dem  Areopag  das  richten  über  klagen  wegen  mord)  in  unsern 
tagen  überwiesen  wird',  das  präsens  mit  rücksicht  auf  die  jeweilen  vor- 
kommenden fälle,  allein  von  wem  überwiesen  wird?  von  einer  behörde, 
die  den  einzelnen  fall  jeweilen  dem  Areopag  zuwies,  weisz  man  nichts, 
sondern  das  geschah  für  alle  fälle  durch  das  gesetz,  und  hier  ist  wol 
dtrob^boTat  so  notwendig  wie  S  2  f)  aÖTf)  Ti]ixu)pia  . .  dirob^boTai, 
sei  es  dasz  man  an  unserer  stelle  übersetzt  Mn  competenz  gegeben  ist', 
oder  dasz  man  mit  rücksicht  auf  die  factische  Unterbrechung  der  Wirk- 
samkeit des  Areopags  zur  zeit  der  dreiszig ,  wie  ref.  philol.  X  s.  604  ff. 
gcthan  hat,  erklärt  ^zurückgegeben  worden  ist'.  %  32  dürfte  wol  F.  das 
richtige  getroffen  haben ,  wenn  er  erstens  mit  Kayser  fiv6pu)Trov  dXeu- 
G^pav  zu  schreiben,  dann  aber  den  ganzen  seltsamen  passus  £dv  hk 
YuvaiKa . .  tyixecßai  zu  tilgen  räth.  die  fOr  uns  auffallende  thcorie 
des  Solonischen  Strafgesetzes,  dasz  Verführung  durch  Überredung  härter 
bestraft  wird  als  gewaltsame  Schändung,   woran  schon  Plularch  Solon 


606  R.  RauchensteiD :  anz.  v.  H.  Frolibergers  ausgäbe  desLysias.  2s  Ldchen. 

c.  23  anstosz  nahm,  erklärt  F.  zu  S  33  befriedigend  damit,  dasz  weniger 
auf  die  privatrache  des  gescIiSdigten  als  auf  Sicherung  des  allgemeinen 
Wohles  gezielt  wurde,  welches  man  durch  iockerung  der  ö^övoia  der 
familie  mehr  gefährdet  glaubte,    damit  stimmt  überein  die  ratio  legis, 
wie  sie  $  33  der  redner  selbst  gibt.    %  AI:  dringend  scheint  dem  ref. 
die  einsetzung  des  tt'Iv  vor  oiKiav  nicht,    es  kann  ja  auch  gesagt  we^ 
den :  in  ein  haus  eines  der  freunde  in  d^  nächsten  £ähe.   S  43  will  der 
Sprecher  zeigen,  dasz  ihn  einzig  der  wünsch  den  gesetzen  gemäss  den 
an  seiner  familie  begangeneu  frevel  zu  rächen  bewogen  habe  den  Era- 
tosthenes  zu  töten.    oÖT6  Totp  cuKoqpavTurv  "xpoLt^Ac  fi€  tfp6\^a:io, 
oÖTe  iKßdXXeiv  Ik  t^c  TröXeuic  ^irexefpncev ,  oöt€  iblac  biKcjc  ihx- 
KdZcTO,  oÖT€  cuvijbei  KttKÖv  oubfev  8  dtui  bcbiibc  \xr\  nc  irtÖTiTai 
dTTcGiJiüiouv  auTÖv  diroX^cm ,  oöre  el  raöra  biaTTpaHai^nv,  i^Xtrilöv 
TToOev  XQi\^aTa  Xrjijieceoi  •  ^vioi  fäp  toioutui v  irporindTwv  Ivöcev 
edvarov  äXXrjXoic  ^mßouXeuouciv.    hier  verdient  die  aufnähme  der 
Vermutung  von  Lipsius  und  Francken  biairpoSai^Tiv  für  bl67Tpo^d^T]V 
und  des  ttoO^v  nach  Emperius  für  das  von  den  hss.  hinter  flXTTiZov  gei>o 
tene  unmögliche  [iiy  beifall.   aber  auch  so  geben  die  werte  keinen  befrie- 
digenden Zusammenhang,    man  hat  daher  locken  angenommen ,  wie  E.  v. 
Leutsch  im  philol.  X  s.  198  und  Rayser  ebd.  XXV  s.  316.   dagegen  meinl 
F.  dadurch  zu  helfen,  dasz  man  die  worle  fvioi  'iäp  . .  ^mßouXeuouov 
nicht  nur  auf  den  letzten  satz  oÖT6  .  .  XfiipecOai,  sondern  auf  den  iohalt 
des  ganzen  %  beziehe,    damit  ist  aber  nichts  ausgerichtet:  denn  sie  kön- 
nen sich  nur  auf  den  ersten  teil  des  $  von  oÖT€  jap  bis  dnoX^cat  be- 
ziehen,  wer  sich  vor  anklagen  und  processcn  uud  vor  entdeckung  be- 
gangener  verbrechen   zu  fürchten  hat,   kann  etwa  versucht  sein  der 
anklage  oder  entdeckung  durch  mord  zuvorzukommen ;  aber  geld  konnte 
Euphiletos  durch  ermordung  nicht  erpressen,  vielmehr  nur  dann  wenn 
er  den  Eratosthenes  am  leben  liesz.   tötete  er  ihn,  so  war  kein  lösegehl 
mehr  zu  erwarten,    das  war  so  klar,  dasz  es  keiner  begröndung,  am 
deren  willen  man  eine  lücke  annahm,  weiter  bedurfte,   dagegen  ist  aller- 
dings eine  Umstellung  vorzunehmen  in  folgender  weise:  oüxe  fCLp  .  • 
diToX^cm.    fvtoi  xdp  .  .  ^mßouXeuouciv.    oöb*  ei  TaOxa  btanpa- 
£at)ir)V  usw.    für  oute  ist  dieses  oitbi  notwendig,  weil  es  einen  neuen 
gedanken  einfuhrt,  wurde  aber,  nachdem  die  worte  fviot  tdp  •  •  ^'^' 
ßouXeuouciv  hinuntergerückt  waren,  in  odre  verwandelt,  um  es  mii 
den  vorigen  o(rr€  in  die  gleiche  flucht  zu  bringen,   dagegen  ist  fiv,  wel- 
ches F.  mit  Francken  nach  ^TreOujLiouv  einsetzt,  so  wenig  nötig  als  mdi 
fjXiTi2[ov.  jenes  ist  ^deu  wünsch  haben  konnte',  dieses  ^hoffen  konnte', 
gerade  wie  F.  selbst  g  46  dv  nach  i^c^ßouv  zurückweist   dagegen  vcr- 
«Jient  seine  conjectur  §  46  nepi  toutuiv  statt  toutuiv  beifall,  da  cuv€i- 
bdvai  Tivi  Tivoc  wol  ohne  beispiel  ist.    auch  steht  §  47  Oerwerdcns 
von  F.  angenommene  einschiebung  des  KOivf|V  vor  önfep  xfic  7r6X€U)C 
dirdcric  der  rede  sehr  gut  an  wegen  des  gegensatzes  zu  ibtotv.   auch  di<* 
'^me  von  Herwerdens  rd  vor  TOtaöra  verdient  bitllgung. 

RAu.  RüDOi.p  Rauchbnstbin. 


R.  Bergmann :  fünr  inscliriflen  von  stempeln  thasischer  Ihongefäsze.  607 

85. 

FÜNF    INSCHRIFTEN    VON    STEMPELN   THASISCHER 

THONGEFÄSZE. 


Die  beschafligung  mit  den  Leiden  im  jähre  1866  auf  Thasos  gefun- 
denen griechischen  reliefs ,  über  die  ich  im  Hermes  III  s.  233  ff.  gespro- 
chen habe ,  führte  mich  auf  die  folgenden  inschriften  von  stempeln  Iba- 
sischer  thongefSsze ,  welche  bisher  nicht  ganz  richtig  gelesen  sind : 


1 

2 

3 

APiXTc 

) 

APIXT 

0 

API ^To 

z 

3 

z. 

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3 

1^ 

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3 

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3 

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V    3 

4 

5 

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APIC  . 

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3 

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IL 
O 

w 

< 

Ao 

1     '^ 
'      M 

O 

jede  von  diesen  inschriften  bildet  ein  oblongum  und  umgibt  die  figur  des 
Heraides,  der  uns  hier  in  gleicher  gestalt  (mit  dem  löwenfell  beldeidet, 
auf  das  rechte  knie  niedergelassen  und  den  bogen  spannend)  cntgegentrit 
wie  auf  den  alteren  thasischen  münzen  und  in  dem  einen  der  oben  be- 
zeichneten reliefs.  die  drei  ersten  und  die  letzte  sind  henkeHnschriflen, 
die  vierte  ist  auf  den  hals  einer  amphora  geprSgt. 

Nr.  1  aus  Kertsch,  in  der  k.  ermitage  zu  St.  Petersburg,  ist  zuerst 
von  Sabatier  in  seinen  *  Souvenirs  de  Kertsch'  (St.  P^tersbourg  1849) 
publiciert  und  daraus  von  P.  Becker  in  den  m^langes  gr^co-romains  tir^s 
du  bulletin  hislorico-philologique  de  Tacademie  imp.  des  sciences  de 
St.  Petersbourg  1. 1  s.  434  unter  nr.  2  mit  der  lesung  6adu)V  'ApiCTO- 
(bd|üi)ac,  nr.  2  aus  Olbia,  im  sladtmuseum  von  Odessa,  von  demselben 
gelehrten  a.  o.  unter  nr.  3  mil  der  lesung  Oaciwv  ^ApiCTobd|Lia(c), 
nr.  3  unbekannten  fundorts,  im  besitz  des  prof.  Kumanudis  in  Athen, 
in  der  revne  arch^ologique  1861  pl.  X  n.  40  von  G.  Perrot  veröflent- 
licht,  welcher  (s.  286)  0a]ciU)V  *ApiCTO|ülÄac  liest,  ohne  das  darauf 
folgende  A  zu  berücksichtigen,  nr.  4  und  5  aus  Olbia,  beide  im  besitz 
von  P.  Becker,  sind  von  ihm  im  vierten  supplementbande  dieser  Jahr- 
bücher (1862)  s.  458  f.  unter  nr.  3  und  nr.  4  bekannt  gemacht  und 
werden  dort,  die  erslere  'ApiCTO|Li^v[ri]c  Ci[^oc]  oder  Ci[fiU)v],  öaciuiv, 
die  letztere  *Apic[TO|ül^VT]c] ,  ©aciujv  gelesen. 

In  nr.  1  hat  man  den  namen  'AptCTObdfiac  nur  durch  Änderung  des 
überlieferten  gewinnen  können  und  ebenso  wenig  wie  in  nr.  2  anstosz 
daran  genommen ,  dasz  dann  das  sigma  zweimal  durch  Z,  einmal  durch  ^ 
ausgedrückt  sein  würde,   gegen  die  dorische  form  'AptCTOjLi^bac  in  nr.  3 


608  R.  BergmanD :  fünf  inschriflcn  von  stempeln  thasischer  Ihongeflszc. 

spricht  der  auf  Thasos  herschende  ionische  dialekt  in  nr»  4  nimt  Beciier 
an ,  'AptCTO^evoc  sei  irtömlich  für  'AptCTOfH^vnc  gesclirieben.  dasz  io 
dieser  inschrifl  zwei  pcrsonennamen  enllialten  sind,  ist  sicher;  Iteide 
stehen  im  nominalivus  sing.,  wie  uns  die  ähnliche  henkelinschrilt  aus 
Niconium  lehrt:  9]actujv  TTaucaviri[c]  OeoqpuiV,  bei  Becker  a.  o.  s.4o9 
nr.  7.  ebenso  gewis  aber  ist  es ,  dasz  kein  irtum  in  der  Schreibung  vor- 
liegt. APICTOME  musz  von  den  folgenden  buchstaben  getrennt  werden 
und  kann  abkürzung  von  'ApiCTO)iidvr)C ,  'AptCTOjidbii^)  'ApiCTO^^buiv 
sein,  die  Wahrscheinlichkeit  spricht  fGr  den  namen  'AptCTOfi^vr]C,  der 
auf  Thasos  wie  anderwärts  häufig  ist ,  während  sich  von  'ApiCTO^cbnc 
und  'ApiCTOfX^buJV  noch  kein  beispiel  von  dort  nachweisen  läszL  zu 
dem  in  der  dritten  aufläge  von  Papes  Wörterbuch  der  griech.  eigeoDamen 
aus  Vitruvius  III  pro.  2  angeführten  Aristomenes,  maier  aus  Thasos,  sind 
aus  den  von  E.  Miller  in  der  revue  archöol.  1865  veroiTcntlichlen  thasi- 
sehen  theorenlisten,  die  der  makedonischen  zeit  angehören,  hinzuzufügen: 

'ApiCTO|LidvT][c s.  145  nr.  9  col.  IV  4;  *ApiCTO^dvTic  TTuOiuJVOC 

s.  273  nr.  14  col.  II  6;  *ApiCTO|i^viic  'AGnvaTÖpou  s.  370  nr.  16 
col.  li  9;  Xatppiuv  'AptCTOfi^vou  s.  376  nr.  20  col.  I  2.  in  den  huch- 
staben  NottJ  erkennen  wir  den  namen  NocctKac,  der  in  denselben 

theorenlisten,  und  zwar  kurz  vor  'AplCTO^dVTi[c s.  145  nr.  9 

col.  IV  2  genannt  wird   (NocciKäc  'H ).   die  endsilbe  KAC,  für 

welche  der  Stempel  noch  genügenden  räum  bietet,  scJieint  verwisclil 
zu  sein. 

Zwei  Personennamen  im  nom.  sing,  sind  aber  auch  in  nr.  1.  2.  3 
und  höchst  wahrscheinlich  auch  in  nr.  5  enthalten,  der  eine  ist  in  nr.  1. 
2.  3  unzweifelhaft  derselbe  wie  in  nr.  4  'ApiCTO|Li^(vr)C),  und  möglieber- 
weise  hat  dies  ebenso  in  nr.  5  gestanden,  in  nr.  1  ist  das  E ,  in  nr.  2  ME 
verwischt,  der  andere  name  ist  in  den  drei  ersten  Aa|bidcn)c,  abgekänt 
in  AAMAX  =  AAMA^,  wovon  in  nr.  1  die  beiden  letzten  buchstaben  zer- 
stört sind ,  in  nr.  2  und  3  der  letzte,  wir  begegnen  ihm  in  zwei  ähn- 
lichen Ihasischen  henkelinschriflen  der  k.  ermitage,  welche  Stephaniim 
compte-rendu  de  la  commission  imp.  archeol.  pour  Tannöe  1859  (St. 
P^tersbourg  1860)  s.  241  unter  nr.  7  und  8  herausgegeben  hat;  in  nr.  8 
steht  er  vollständig ,  in  nr.  7  ist  er  daraus  ergänzt  die  obigen  füuf  In- 
schriften sind  also  zu  lesen: 

1  Gactujv  *ApiCTO|ui[^l  (vT]c)  ?  Aafi[cic](Tiic) 

2  Gaciujv  'ApiCTo[|Lidj(vric)?  Aa|id[cJ(Tf]c) 

3  0a]ciujv  'ApiCTOjLi^(vTic)?  Aa|Lid[c](TTic) 

4  Gaciujv  'ApiCTO|x^{vnc)?  Nocci[Käc] 

5  9acCwv  'Apic[TO|ii^](VTic)?  6  beiva? 

Brandenburq  a.  d.  H.  Richard  Bergmann. 


A.  KiessÜDg:  anz.  v.  Plaut!  Truculentus  ed.  A.  Spengel.        609 

86. 

T.MacciPlavtiTbvcvlbntvs  cvm  apparatv  critico  Gyii^blmi 

StVDEMVND    et   EPISTVLA   EIVSDEM    DE   C0DICI8  AUBROSIANI 

RELiQViiBEDiDiTiLLVSTRAViT  Andreas  Spemgel.  Vanden- 
hoeck  et  Enprecbt  snmtns  fecerunt  Goettingae  MDCCCLXVIU. 
XII  u.  135  8.  gr.  8. 

Quam  gaudehai  hello  suo  Punico  Naevius^  quam  Truculenio 
Plautus,  quam  Pseudolo!  erzählt  Cicero  {Cato  maior  14,  50)  in  jener 
für  die  Chronologie  des  Plaulus  so  wichtigen  stelle,  und  legt  dadurch  — 
die  richligkeit  der  thatsache  vorausgesetzt  —  ein  neues  zeugnis  für  die 
alte  erfahrung  ab,  dasz  vSter  oft  gar  blind  und  nachsichtig  gegen  die 
schwächen  ihrer  jüngstgeborenen  zu  sein  pflegen,  denn  einen  wie  hohen 
rang  auch  der  Pseudolus  in  der  reihe  der  uns  erhaltenen  Plautinischen 
stücke  einnimt,  einen  sehr  niedrigen  platz  müssen  wir  dagegen  dem 
Truculenlus  zuweisen,  ohne  den  reiz  auch  nur  mäszig  spannender 
erGndung,  mit  einer  sehr  schwachen  dosis  des  körnigen  humors, 
durch  welchen  Plautus  doch  sonst  die  durchführung  eines  an  sich 
abstoszenden  Stoffes  reichlich  zu  würzen  weisz,  mit  einem  noch  ge- 
ringeren masz  individueller  und  folgerecht  durchgeführter*)  charakte* 
ristik  der  handelnden  personen,  schleppt  uns  das  stück  durch  die 
langweilige  abwicklung  dreier  gleichzeitig  abspielender  und  sich  kreu- 
zender Verhältnisse  einer  dirne  niedrigsten  Schlages,  zugegeben  dasz 
viele  von  diesen  schwächen  auf  rechnung  des  ausfalles  ganzer  partien 
zu  setzen  seien,  sticht  dennoch  auch  an  vielen  stellen  eine  unverkenn- 
bare senile  breite  und  geschwätzigkeit  des  ausdrucks  auf  das  schärfste 
gegen  die  kräftige  gedrungenheit  der  spräche  in  den  besseren  comödien 
des  Plautus,  namentlich  im  Pseudolus  ab.  freilich  wird  uns  aber  auch 
die  ruhige  und  unbefangene  lectüre  des  Truculentus  durch  eine  ver- 
derbtheit des  textes  erschwert,  welche  ihres  gleichen  suchen  darf,  der 
umstand  dasz  das  stück  die  vorletzte  stelle  in  dem  corpus  der  Plautini- 
schen comödien  einnahm,  mag  wol  die  Ursache  gewesen  sein,  dasz  die- 
selbe äuszerliche  verletzuug  der  urhandschrift  unserer  Palatini ,  weiche 
die  Vidularia  bis  auf  den  tilel  vernichtete,  ihre  zerstörenden  Wirkungen 
auch  auf  den  vorhergehenden  Truculentus  ausdehnte,  wenigstens  sind 
die  lücken  in  der  mitte  und  am  ende  der  verse,  sowie  die  sinnlosen  cor- 
ruptelen  so  zahllos,  dasz  man  notwendig  annehmen  musz,  die  Schreiber 
der  Palatini  haben  ein  durch  löcher,  nässe,  moder  und  gott  weisz  was 
alles  im  höchsten  grade  zerstörtes  original  vor  sich  gehabt,  diese  ver- 
derbllieit  des  textes  erschwerte  daher  von  vorn  herein  alle  heil  versuche 
in  solchem  grade,  dasz  nur  wenige  der  zahlreichen  Plautuskritiker  sich 
an  die  lösung  so  schwieriger  aufgaben  gewagt  haben,  weder  Gamerarius 
noch  Acidalius,  diese  beiden  groszen  sospilatoren  des  Plautus  im  sech- 

*)  der  plötzliche  Umschlag  im  Charakter  des  Stratullaz  fiel  schon 
aUen  kunstrichtern  anangenehm  auf:  vgl.  Donat  zu  Ter.  atL  Y  9,  29 
bene  in  postremo  dignitas  penonae  huius  $ervata  est,  ui  non  perpetuo  com- 
nuitaia  videretur^  ut  TrucuUnti  apud  Plautum, 

Jahrbncher  för  class.  pWlol.  1868  hft  9.  40 


610       A.  Kiessling:  anz.  v.  Plauti  Truculentus  ed.  A.  Speogel. 

zehnten  Jahrhundert,  hahen  für  den  Truculentus  auch  nur  annähernd  das- 
selbe geleistet  wie  für  den  rest  der  Plautinischen  comödien,  und  durch 
die  ganze  gleichzeitige  miscellaneenlitteratur,  in  welcher  die  weniger  be- 
gabten genossen  die  resultate  ihrer  kritischen  arbeit  am  Plautus  nieder- 
legten, zieht  sich  in  mehr  oder  minder  geschraubten  Wendungen  und 
bildern  die  klage,  dasz  der  Schwierigkeiten  und  ungeheuerlichkeilendes 
Truculentus  menschliche  kraft  kaum  herr  zu  werden  vermöge,  so  blieb 
denn  unser  slflck  wol  am  meisten  von  allen  Plautinischen  im  argen  lie- 
gen, bis  in  unserm  Jahrhundert  zuerst  Göller  in  seiner  ausgäbe  (1824) 
ihm  aufzuhelfen  versuchte:  freilich  mit  mäszigem  erfolge,  da  seine  kriti- 
sche begabung  schwierigeren  aufgaben  nicht  gewachsen  war.  etwas  mehr 
leistete  Geppert  (1863)  dadurch  dasz  er  uns  zuerst  mit  den  lesarten  des 
palimpsestes,  wenn  auch  nach  seiner  eigenen  ungenügenden  vergleichung, 
bekannt  machte,  endlich  liegt  uns  jetzt  eine  neue,  von  einem  kritisch- 
eiegetischen  commentar  begleitete  recension  des  lextes  vor,  veranstaltet 
von  den  herren  A.  Spengel  und  W.  Studemund.  während  letzterer 
den  kritischen  apparat  hergab,  bestehend  aus  einer  neuen  vergleichung 
von  ABD  —  für  G  konnte  er  sich  auf  den  diplomatisch  genauen  abdruck 
K.  E.  Oh.  Schneiders  im  Breslauer  universiiatsprogramm  von  1834  ver- 
lassen —  und  auch  sonst  durch  manche  schöne  und  sichere  emendation 
den  text  förderte,  hat  ersterer  sich  der  hauplarbeit,  die  in  der  methodi- 
schen emendation  des  Stückes  bestand,  unterzogen,  ref.  steht  nicht  an 
zu  bekennen,  dasz  die  neue  ausgäbe  in  kritischer  hinsieht  der  werth- 
vollste  beitrag  ist  der  uns  bisher  für  die  emendation  des  Truculentus 
geboten  worden  ist,  während  es  ihm  leid  thut  dasz  er  über  den  exege- 
tischen teil  das  gleiche  urteil  nicht  zu  fällen  vermag,  eine  menge  stellen 
sind  jetzt  zum  ersten  mal  einigermaszen  lesbar  gemacht  worden ;  an  man- 
chen ist  die  ursprüngliche  band  des  dichters  durch  ebenso  kühne  wie  sichere 
emendationen  in  unzweifelhafter  weise  hergestellt  worden ;  der  erst  jetzt 
in  authentischer  gestalt  vorliegende  handschriftliche  apparat,  für  dessen 
Zuverlässigkeit  hrn.  Studemunds  glänzende  erfolge  in  der  entzifferung 
des  Ambrosianus  bürgschaft  leisten,  ermöglicht  es  endlich  mitforschern 
zum  ersten  male  von  einem  sichern  fundament  aus  an  der  Weiterförderung 
der  kritischen  arbeit  mitzuhelfen,  doch  wenden  wir  uns  zur  begründung 
dieses  allgemeinen  urteils  im  einzelnen. 

Der  commentar  eines  Plautinischen  Stückes  kann  natürlich  verschie- 
dene zwecke  verfolgen :  er  kann  sich  auf  die  rechtfertigung  der  im  text 
vollzogenen  kritischen  Operationen  beschränken,  oder  das  Verständnis  des 
Stückes  im  ganzen  durch  darlegung  seiner  composition  sowie  in  den  ein- 
zelheitcn  durch  erklärung  der  schwierigen  stellen  erleichtern  wollen,  oder 
endlich  es  sich  zur  aufgäbe  stellen ,  andere  in  die  eigentümlichen  gesetze 
der  Plautinischen  spräche  und  kunstform  einzuführen,  jeder  dieser  drei 
zwecke  scheint  hrn.  Sp.  vorgeschwebt  zu  haben,  ohne  dasz  er  nach  einer 
dieser  richtungen  hin  irgendwie  abschlieszendes  und  erschupfendes  hätte 
leisten  wollen. 

groszer  teil  seiner  anmerkungen  setzt  offenbar  leset  voraus, 
^'h  kein  stück  des  Plautus  oder  Terenz  mit  aufmerksamkeit  ge- 


A.  Kiessliug:  anz.  y.  Plauti  Tniculentus  ed.  A.  Spengel.       611 

lesen  haben  —  ob  solche  freüich  ihr  genaueres  Studium  der  römischen 
comödie  mit  dem  Truculentus  beginnen  werden ,  mag  billig  bezweifelt 
werden,  aber  nur  für  solche  anfanger  können  fingerzeige  berechnet  sein 
wie  zu  If  1 ,  21 :  ^düm  habet  et  tum  amei  cum  hlatu,  ut  proximo  versu 
qui  habeni*  oder  I  2,  15:  ^referimus  s  Gnale  abiicit,  ut  mox  furibus* 
oder  12,52:  *  estis  s  finale  abiicit'.  wer  soll  gleich  durch  die  erste 
bemerkung  zu  proi.  1  'animadverte  quintuplicem  allitterationem  «perpar- 
vam  partem  postuIat  Plautus»,  unde  elegantissimum  exordium  Gt  prologo 
. .  etlam  proximo  versu  allllteratio  est  amoenis  moenibus'  belehrt  wer- 
den? wie  viel  eher  wäre  nicht  am  platze  gewesen  auf  die  ungewöhnliche 
Sparsamkeit  des  gebrauchs  der  allitleration  im  Truculentus  im  Verhältnis 
zu  anderen  Plautinischen  stücken  hinzuweisen?  ebenso  elementar  sind 
manche  grammatische  erklänmgen,  wie  zu  III  1,  3  ^illoc^  illuc.  cf.  Brix 
ad  Capt.  477'  vgl.  auch  zu  IV  2,  7*  ^istoc,  istuc,  sup.  III  1,  3*  —  wäh- 
rend wir  dagegen  zu  den  exquisiten  formen  volim  IV  2,  10^  oder  voU- 
mus  als  indicativ  I  2,  89  jede  notiz  vergeblich  suchen  und  eine  hin- 
weisung auf  Priscian  IX  8  s.  456  H.  nicht  überflfissig  gewesen  sein 
wurde,  zu  I  2,  67  lesen  wir:  *incolomis^  de  qua  forma  cf.  Schuchardt 
Vulgärlatein  11  p.  149  sq.'  wer  lateinische  handschriften  des  neunten 
oder  zehnten  jh.  in  bänden  gehabt  oder  einen  guten  kritischen  apparat, 
z.  b.  zu  Virgil  oder  Horaz  durchmustert  hat,  weisz  dasz  die  Schreibung 
incolomis  in  diesen  hss.  eine  ziemlich  häufige  ist.  wer  aber  nach  hm. 
Sp.s  Weisung  das  cilat  bei  Schuchardt  nachschlägt,  sich  glücklich  von 
Seite  149  bis  auf  sehe  156  durchwühlt  und  dort  ineolomitatis  nebst  nur 
dinem  citat  aus  dem  Bobienser  sacramenlar  s.  279  ^  22  findet,  musz  über 
die  berechtigung  dieser  Schreibung  offenbar  eine  ansieht  gewinnen,  welche 
der  hm.  Sp.s  entgegengesetzt  ist.  noch  weniger  nutzen  bringt  es,  wenn 
zu  II  2,  35  purporissatas  auf  die  note  zu  I  2,  67,  also  auf  die  samlun- 
gen  bei  Schuchardt  verwiesen  wird ,  da  sich  bei  letzterem  für  die  Schrei- 
bung purpora  gar  kein  beispiel  findet,  hier  war  vielmehr  auf  Fleckeisen 
in  diesen  jahrb.  1866  s.  11  zu  verweisen,  ebenso  irrig  wird  zu  I  2,  61 
für  die  abwerfung  des  i  in  aput  auf  Gorssen  ausspräche  usw.  II  s.  90 
verwiesen ,  statt  auf  die  für  diese  ganze  frage  von  der  abwerfung  der 
endconsonanten  epochemachende  darlegung  Ritschis  im  rhein.  museum 
XIV  s.  394  ff.  was  fruchten  wol  ferner  solche  syntaktische  bemerkungen 
wie  zu  I  2,  28  UnceptaSj  de  indicativo  —  der  in  solchen  Sätzen  ganz 
alltäglich  bei  den  comikern  ist  —  vide  Holtze  synt.  II  p.  110  sq.'?  oder 
lexicalische  nachwelsungen  wie  zu  I  1,  1  ^omnis  aeias^  tota  vita,  Amph. 
IV  2,  3.  Asin.  II  2,  18  al.'  oder  I  2,  30  ^quid  iam?  quam  ob  caussam? 
Pers.  I  1,  19.  1  1,  30.  II  2,  51  et  passim'?  ref.  vermag  wahrlich 
nicht  einzusehen  was  und  wem  überhaupt  dergleichen  desultorisclie 
nollzen  nebst  zwei  oder  drei  rasch  zusammengerafften  belegstellen  für 
durchgehende  oder  doch  sehr  häufige  sprachlfche  erscheinungen  nützen 
sollen,  entweder  übergebe  man  das  bekannte  mit  stillschweigen,  oder 
gebe  auch  für  das  alltägliche  eine  vollständige  stellensamhing.  diese 
rein  gelegentliche  citierweise,  wie  sie  hr.  Sp.  liebt,  kann  den  an- 
fänger  nur  verwirren  und  zu  irrigen  annahmen  verleiten,     wird  nicht 

40* 


612        A.  KiessHng:  anz.  v.  Plaut!  Truculentus  ed.  A.  Spengd. 

ein  solcher  aus  der  anmerkuag  zu  11  2,  45  ^nemo  homo  Ampb.  U  1, 
16.  Gas.  II  4,  15'  herauslesen  müssen,  dasz  dieses  die  beiden  ein- 
zigen Piaulinischen  belege  für  diesen  Sprachgebrauch  sind?  für  andere 
aber  als  anßnger  kann  diese  belehrung  doch  kaum  beslimmt  sein,  neben 
diesem  zuviel  nach  der  einen  seile  hin  steht  nach  der  andern  ein  zuwenig: 
ZQ  I  1 ,  14  durfte  die  Wendung  rete  gut  iaculum  parat  wol  durch  die 
anfQhrung  von  asin.  I  1,  87  erlflulert  werden.  I  1,  43  quos  . .  5i/a- 
ximus  conscios  .  .  faxim  lenonum  et  scortorum  posthac  minus.. 
Hent  ist  dieser  Übergang  des  nachsalzos  von  dem  unbestimmten  zam 
bestimmten  subject  nichts  so  alltägliches,  dasz  nicht  einige  belege  er- 
wünscht w9ren.  ref.  wenigstens  wQste  augenblicklich  aus  Plautus  kein 
völlig  entsprechendes  beispiel  anzuführen,  da  trin.  220  hoc  itasifiat, 
puhUco  fiat  hono:  pauci  sint  faxim  qui  sciant  ein  loseres  salzrer- 
hflltnis  vorliegt,  es  würde  zu  weit  führen  noch  mehr  derartige  stellen 
anzuführen;  die  angezogenen  beispiele  genügen  wol  um  darzuthun,  wes- 
halb ref.  diese  ganze  partie  des  Speugelschen  commentars  durchaus  nicht 
für  <]ie  glanzseite  desselben  ansehen  kann;  und  wenn  nicht  hin  und  wie- 
der einzelne  feine  und,  soweit  des  ref.  kenntnis  reicht,  neue  bemerkon- 
gen  —  z.  b.  zu  II  1 ,  13  über  das  unplautinische  tnisereri  —  zeugnis 
von  langem  und  sorgfältigem  Studium  des  dichters  ablegten:  aus  der 
mehrzahl  der  einschlägigen  sprachlichen  anmerkungen  würde  man  es 
nicht  errathen  können. 

Besser  sieht  es  mit  der  erklärung  der  stellen  aus,  welche  wirklich 
sachliche  oder  sprachliche  Schwierigkeiten  darbieten,  obgleich  hr.  Sp. 
auch  nach  dieser  richtung  hin  ein  festes  princip  vermissen  iäszt,  und 
wir  über  manches,  was  zum  Verständnis  des  Stückes  notwendig  ist  und 
worüber  wir  von  einem  erklärer  des  Truculentus  aufschlusz  zu  verlangen 
das  recht  haben ,  keine  oder  ungenügende  auskunft  erhalten,  die  fragen 
welcher  art  das  griechische  original  oder  die  griechischen  originale 
waren,  welche  Plautus  bearbeitet,  bezüglich  verschmolzen  hat;  ferner 
wie  viel  und  was  uns  wol  von  dem  ursprünglichen  Truculentus  verloren 
gegangen  sein  mag;  ob  endlich  die  gestalt  in  der  wir  das  stück  jetzt  be- 
sitzen resultat  einer  frühzeitig  für  die  bühne  vorgenommenen  bearbeitung 
oder  product  zufällig  in  einander  greifender  Ursachen  sei  —  fragen  wel- 
che doch  für  das  Verständnis  des  uns  vorliegenden  lorso  von  mehr  als 
blosz  untergeordneter  bedeutung  sind,  hat  hr.  Sp.  weder  ernstlich  zu 
beantworten  gesucht  noch  sich  überhaupt  gestellt,  ganz  beiläufig  (s.  V 
gegen  ende)  äuszcrt  er  die  meinung,  es  möchten  uns  vom  dritten  und 
vierten  act  des  ursprünglichen  Stückes  nur  die  beiden  scenen  III  1  und  2 
erhalten,  also  über  anderthalb  acte  verloren  gegangen  sein,  über  mög- 
liclikeil,  wahrscheinliche  zeit,  inhalt  dieses  Verlustes  äuszert  er  aber  nicht 
die  leiseste  Vermutung,  und  doch  haben  diese  fragen  auch  eine  kritische 
tragweite,  insofern  von  ihrer  beantworluog  zum  beispiel  die  entscheidung 
unter  den  verschiedenen  möglichkeilen  bedingt  ist,  die  bei  der  Unterbrin- 
gung des  von  Priscian  I  s.  101  H.  citierten  und  in  unseren  hss.  nicht  er- 
-  verses  bona  perdidi^  mala  repperi:  f actus  sum  extimus  a  vobi* 
'^in  wollen. 


A.  Kiessling:  anz.  v.  Plauti  Truculenlus  ed.  A.  Speogel.        613 

Auch  in  den  einzelerklärungen  hätte  öfters  noch  etwas  mehr  ge- 
geben werden  können,  die  Gronovsche  conjectur  primumdum  merces 
annua:  is  primus  holust  (I  1,  10)  wird  durch  die  blosze  Verweisung 
^Bacch,  fragni.  (Non.  p.  334)  acciperes  mercedem  annuam*  dem  ver* 
sländnis  nicht  näher  gefQltrt;  förderlicher  wQrde  die  berufung  auf 
asiih  751  ff.  gewesen  sein,  zu  I  2,  68  konnte  bei  besprechung  der  ver- 
gleichung  amalor  similisi  oppidi  hostilis  gern  etwas  mehr  als  die  notiz 
^etiam  meretrix  cum  oppido  comparatur  Cisl.  1  1,  82'  gegeben  und  be- 
merkt werden ,  %vic  sehr  bei  Plautus  die  auf  kriegerischen  anschauungen 
beruhenden  metaphern  und  vergleichungen  vorhersehen ,  und  wie  sich  in 
dieser  eigentömlichkeit  recht  deutlich  die  kriegerische  epoche  der  kämpfe 
um  die  existenz  der  sladt  abspiegelt.  II  5,  27  hätte  zu  fer  huc  verbe" 
nam  mihi  ins  et  hellaria  statt  der  von  Gronov  entlehnten  stelle  aus  Gu- 
therius  de  veteri  iure  pontificio  eine  hinweisung  auf  Gellius  XIII  11,  7 
vina  quoque  dulciora  est  invenire  in  comoedüs  antiquioribus  hoc  no- 
mine (nemlich  beUaria)  appellata  diciague  esse  ea  Liberi  bellaria  nichts 
geschadet,  die  schwerßllige  epexegese  (III  1,  10)  ego  pera  minas^  oves 
in  crumina  hac^  in  urbem  deiuli  gewinnt  erst  leben  und  witz,  wenn  der 
leser  sich  der  doppelbedeutung  von  mina  erinnert,  zu  welchem  behuf  auf 
VaiTo  de  re  rust.  U  2,  6  pecus  ovillum  rede  sanum  est  extra  luscam^ 
surdamy  minam  zu  verweisen  war.  nicht  richtig  ist  es  ferner,  wenn  die 
drohung  des  alten  Callicles  (IV  3 ,  8)  nisi  si  ad  tintinnaculos  voltis  vos 
educi  viros  auf  abföhrung  *extra  urbem  ut  in  lautumnias'  (so!)  bezogen 
wird,  unter  den  tintinnacuU  viri  sind  gewis  nur  die  henker  verstanden, 
wie  das  voraufgehende  ne  ego  bilinguis  vos  necem  beweist,  auch  IV  3, 
77  kann  in  den  Worten  des  Diniarchus  nihilist^  nam  ipsa  et  ultro^  ut  fac' 
turnst^  fecit  omnem  rem  palam  nicht  die  Vermutung  liegen,  Phronesiura 
habe  dem  alten  die  heimliche  entbindung  seiner  tochter  von  einem  knaben 
und  die  beziehung,  in  welcher  er  selbst  zu  diesem  kinde  stehe,  verrathen. 
Diniarchus  hat  ja  eben  erst  mit  eignen  obren  vernommen,  "wie  Callicles 
das  geständnis  dieser  thatsachen  der  dienerin  seiner  tochter  durch  dro- 
hungen  abgepresst  bat.  vielmehr  beziehen  sich  die  worte  ultro  . .  palam 
darauf,  dasz  Phronesium  ihm  selbst  vorher  aus  freien  stücken  den  ganzen 
liergang  mit  der  Unterschiebung  des  kindes  erzählt  hat,  es  also  maszlose 
frechheit  wäre,  wollte  sie  ihm  jetzt  den  knaben  unter  dem  vorgeben, 
er  sei  ihr  eignes  kind,  vorenthalten,  auf  einer  nachlässigkeit  beruht  es 
wol,  wenn  in  derselben  scene  (IV  3,  48)  hr.  Sp.  in  seiner  anmerkung 
die  Astaphium,  welche  gar  nicht  zugegen  ist,  reden  läszt,  statt  der  die- 
nerin des  Callicles;  und  ein  ähnliches  versehen  ist  ihm  begegnet  in  der 
note  zu  II  2 ,  2 ,  wo  durch  die  ganze  anmerkung  hindurch  die  namen  der 
Astaphium  und  des  Stratullax  wechselsweise  vertauscht  sind,  überhaupt 
könnte  die  citierweise  hm.  Sp.s  in  vielen  fällen  weniger  nachlässig  sein 
—  auch  abgesehen  von  den  ungebührlich  oft  verdruckten  zahlen,  wes- 
halb er  es  z.  b.  zu  II  2,  16  vorgezogen  hat  den  auszug  des  Paulus  statt 
des  Festus  auszuschreiben  —  eine  Verwechselung  die  in  der  note  zu 
II  2 ,  22  wiederkehrt  —  vermag  ref.  um  so  weniger  einzusehen ,  als  die 


614       A.  Kiessliog:  anz.  r.  PUoü  TruculeDKui  ed.  A.  Speagd. 

erörteruDg  des  Festos  einen  doch  nicht  zu  Terachtendea  zusatz  in  den 
Worten  quidam  autem  legunt  in  suaso  bieteL 

Weit  glücklicher  als  in  der  ioterprelation  ist  far.  Sp.  in  der  einea- 
dation  unseres  Stückes ,  zu  der  wir  uns  jetzt  wenden,  vor  allem  haben 
wir  anzuerkennen,  dasz  er  das  ingslliche  anklammem  an  den  toten  buch- 
Stäben  der  Überlieferung,  welches  in  seinen  früheren  kritischen  arbeiten 
vurlierschte  und  sich  allzu  oft  in  unberechtigter  polemik  gegen  das  kühn 
einschneidende  verfahren  Ritschis  luft  machte,  jetzt,  wie  die  vorliegende 
bearlieitung  des  Truculentus  zeigt,  abgestreift  zu  haben  scheint,  vor  der 
aufgäbe  den  teit  einer  ganzen  Piaulinischen  comödie  im  zusammenhange 
neu  zu  gestalten  und  die  Überlieferung  bis  ins  einzelne  hinein  kritisch  zu 
prüfen  hielt  der  unberechtigte  respect  vor  der  macht  liandschrifÜicber 
tradition  natürlich  nicht  stich:  mit  homöopathischen  hausmittelcfaen  ist 
für  die  wunden  und  gebrechen  unseres  Stückes  keine  heilung  möglich, 
nur  wo  das  fundament  des  paliuipsestes  vorliegt  hat  hr.  Sp.  sich  in  der 
rcgel  eng  an  diesen  angeschlossen  und  hätte  es  in  manchen  fallen  noch 
mehr  Ihun  können,  leider  sind  uns  aber  in  demselben  nur  auf  sechs 
blättern,  abgesehen  von  einigen  kleinen  pergamenlfetzen ,  teile  des  Tni- 
culentus  erhallen,  wie  wir  aus  dem  der  vorrede  beigefügten  briefe  Slutlc- 
munds  au  den  hg.  des  näheren  erfahren. 

Von  diesen  sechs  blättern  besaszen  wir  zwar  schon  eine  collalion 
von  hrn.  Geppert ;  wie  aber  von  vorn  herein  zu  erwarten  stand ,  bat  die 
neue  vergleichung  hm.  Sludemunds  sehr  reichliche  und  wesentliche  nach- 
trage geliefert  und  an  mehreren  der  verzweifellslen  stellen  zuerst  licht  ge- 
schaffen, ref.  verweist  namenlhch  auf  die  gelungenen  hcrstellungen  resp. 
leaungen  von  I  2,39  an  tu  te  Fe  neris  publicum  aui  Amoris  alia  lege. 
II  2, 11  quia  me  iruncum  lentum  nominas,  II  2,17  an  eo  belld's  quia 
c.epis  tibi  armillas  aeneas  —  wo  nur  das  letzte  wort  unsicher  ist, 
da  die  Plautinische  form  aenas  lautet,  und  vielleicht  in  argenteas  zu 
ändern  ist — ;  ferner  II  2,  20  pignus  da^  ni  ligneae  hae  sint 
quas  habes  Victorias;  II  2,  22  ti/  ego  me  ruri  amplexari  mavelim 
patulam  bovem^  was  übrigens  schon  0.  Seyffert  im  philol.  XKV  s.  466 
durch  conjeclur  gefunden;  II  2,  47  ß^o  istunc  non  novi  adulescen- 
iem  vostrum  und  II  4,  29  verum  iempesias  quondam  dum  vivixifuiU 
diese  proben  werden  wol  genügen  um  zu  zeigen,  dasz  die  Geppertsche 
collation  hinfort  nicht  mehr  berücksichtigt  zu  werden  braucht,  und  den 
wünsch  zu  rechtfertigen,  es  möchte  hrn.  St.  gelingen  uns  recht  bald  die 
fruchte  seiner  auf  die  entzifferung  des  gesamten  palimpsestes  gerichteten 
anslrengungen  mitzuteilen,  für  den  bei  weitem  gröslen  teil  des  Stückes 
bilden  aber  die  hss.  der  Calliopischen  recension  die  einzige  basis  der 
emendalion:  und  in  diesen  parlien  hat  hr.  Sp.  seiner  kritik  nicht  hem* 
mende  fesseln  schlagen  lassen ,  sondern  verfährt  meist  mit  entschlosse- 
nem durchgreifen,  und  mit  vollem  recht:  denn  auch  abgesehen  von 
den  oben  hervorgehobenen  äuszerlichen  beschfldigungen  des  Originals 
unserer  Palatini  scheint  schon  Galliopius  selbst,  oder  wer  der  gram- 
roaliker  war  auf  den  diese  recension  zurückzuführen  ist,  ifi  Truculentus 
eine  sehr  entstellte    handschrift   vor   sich  gehabt  zu  haben,     bereits 


A.  Kiessliog:  anz.  v.  Plauti  Truculenlus  ed.  A.  Spengel.        615 

Usener  hat  in  diesen  jabrb.  1865  s.  263  mit  recht  auf  die  ungeschickten 
restaurationsversuche  des  Calliopius  im  Pseudolus  aufmerksam  gemacht 
[vgl.  ebd.  1867  s.  628] :  der  Truculentus  liefert  noch  eine  ganze  reihe 
schlagender  belege  für  das  Vorhandensein  bewuster  metrischer  Interpola- 
tion in  den  Palalini.   I  2 ,  85.  86  heiszt  es  im  palimpsest  völlig  richtig: 
per  iSmpus  subvenistis:  sed  quid  ais^  Astaphium^  IT  quid  vis? 
IT  estne  intus  nunc  Phronesium?  (  uiut  dliis^  tibi  quidem  intust, 
im  original  des  Calliopius,  welches  ich  der  kürze  halber  mit  ß  bezeichnen 
will,  war  utut  aliis  ausgefallen,   daher  wurde  nach  subvenistis  ein  mihi 
und  nach  Jstaphium  ein  tu  {ut  BCD)  eingeschoben  und  nun  daraus  zwei 
lendenlahme  verskröppel  geschaffen; 

per  tämpus  subvenistis  mihi.  ||  sed  quid  ais ,  Asiaphiüm ,  tu  T 

If  quid  vis?  IT  estne  intus  nunc  Phrone\\siüm?  IT  tibi  quidem  intust. 

11  2,  35  quiaque  bucculds  tarn  belle  pürporissatds  habes.  in  ß 
hatte  für  bucculas  das  gewöhnlichere  buccas  eingang  gefunden,  und  so 
lesen  wir  in  BCD  mit  wunderschönem  spondeus:  quiaque  istas  buccäs 
tarn  belle  pürporissatds  habes» 

II  4,  23  plus  pöllicere  quam  dbs  te  posco  aut  pöstulo,  so  A ;  in  ß 
fiel  posco  aus ;  BCD  haben  mit  einem  schönen  hiatus :  plus  pöllicere  qudm 
ego  a  te  pöstulo. 

II  4,  29  verum  tempestas  quöndam  dum  vixi  fuit,  in  ß  fiel  dum 
vixi  aus ;  daher  haben  BCD :  veriim  tempestas  memini  quonddm  fuit. 

Bei  dieser  Sachlage  musz  also  die  kritik  da,  wo  die  controle  des  pa- 
limpsesles  fehlt,  mit  voller  Freiheit  innerhalb  der  gesetze  gehandhabt  wer- 
den ,  welche  Rilschl  in  der  vorrede  zum  Miles  glor.  s.  XXI  (vgl.  opusc  11 
s.  191)  in  körniger  Zusammenstellung  dahin- bestimmt:  ^modo  quattuor 
polissimum  rerum  observatio  accedat  acerrima.  sunt  autem  eae  integritas 
linguae  latinae,  concinnitas  numerorum ,  sententiae  sanitas,  consuetudo 
Plaulina.'  freilich  ist  es  nun  gerade  einer  dieser  gesichtspuncte,  die 
Voncinnitas  numerorum',  in  welcher  hrn.  Sp.s  ansichten  von  den  grund- 
satzen  Ritschis  ziemlich  weit  sich  entfernen,  doch  gibt  ref.  die  hoffnung 
nicht  auf  auch  in  dieser  beziehung  hrn.  Sp.s  kritik  dermaleinst  in  andere 
und  richtigere  pfade  einlenken  zu  sehen,  in  einem  cardinalpuncle  wenig- 
stens scheint  er  seine  frühere  irrige  meinung  bereits  aufgegeben  zu  haben, 
nemlich  in  betreff  der  Zulassung  des  hiatus  nicht  blosz  in  der  diflresis  der 
langverse,  sondern  auch  in  der  cäsur  des  senars.  die  berechtigung  dieses 
hiatus  hat  hr.  Sp.  bekanntlich  in  seiner  1865  erschienenen  scbrifl  *T. 
Maccius  Plautus'  s.  178 — 203  mittels  einer  mühsamen  induction  darzu- 
thun  versucht  und  zu  diesem  behufe  auch  aus  dem  Truculentus  sieben 
vcrse  angeführt,  in  denen  der  in  der  vulgata  erscheinende  hiatus  bei 
*  redlicher  benutzung  der  handschriften'  als  thatsache  anzuerkennen  sei. 
in  seiner  ausgäbe  läszt  er  selbst  aber  den  hiatus  nur  noch  in  äinem  die- 
ser verse  gelten  (III  1,  10),  und  auch  hier  nicht  ohne  die  bemerkung 
hinzuzufügen:  ^ceterum  non  placet  hiatus  in  caesura  versus,  cum  verba 
arte  cohaereant.' 

Ehe  wir  jetzt  zur  besprechung  der  stellen  übergehen,  in  bezug 
auf  deren  behandlung  ref.  abweichender  meinung  ist,  müssen  noch  zwei 


616        A.  Kiesslmg:  anz.  t.  Plaati  Tnicolenlus  ed.  A.  Sp«o^cL 

puncte  herrorgehoben  werden,  dereo  erledizung  sich  hr.  Sp.  d«:<h  ^ar 
zu  leicht  gemacht  hat    der  erste  betrifft  die  benotzun^  ucd  anflbnxD* 
d^  bereits  toq  früheren  krilikem  für  die  emendatioo  des  teites  geieste- 
{f.a,    e%  scheint  hm.  Sp.s  princip  zu  sein  absolut  gar  keine  rerb«^^ruD2s> 
«"ors^JiUge   früherer,   soweit   sie  nicht  im  texte  platz  gefunden  haben, 
anzuf «ihren,   ein  sulcties  verfatiren  setzt  aber  offenbar  entweder  ein  ver- 
trauen in  die  richtigkeit  und  unumstöszlichkeit  der  getroffenen  entscheid 
düngen  voraus,  welches  hr.  Sp.  selbst  gewis  am  weitesten  entfernt  bt 
zu  teilen,  oder  eine  bequemlichkeit  des  hg.,  für  welche  der  leser  doppelt 
büszen  musz.   denn  statt  einer  abschlieszenden  arbeit,  welche  das  tod 
früheren  geleistete  übersichtlich  vorführte  und  uns  somit  das  ewige  zu- 
rückgehen auf  die   ältere   ausgaben-  und  miscellaneenlilteratur  endlich 
ersparte,  erhalten  wir  nun  nur  noch  eine  ausgäbe  mehr  zu  den  früheren« 
und  müssen  in  jedem  einzelnen  falle,  wo  uns  bedenken  über  die  richlig- 
keit  des  vom  hg.  gebotenen  aufsteigen,  die  frühere  litteratur  nach  wie  vor 
in  extenso  nachschlagen,    bei  der  von  jähr  zu  jähr  in  Zeitschriften  und 
Programmen  steigenden  flut  von  krilischen  einzelleistungen ,  deren  ge- 
naues verfolgen  und  eintragen  eine  zeit  in  anspruch  nehmen  würde,  die 
nicht  im  Verhältnis  zu  dem  werlhe  des  gewinnes  steht,  ist  es  doppelt 
pflicht  jedes  herausgebers  in  angäbe  des  von  seinen  Vorgängern  versuch- 
ten und  gewollten  so  vollständig  wie  möglich  zu  sein,    fast  noch  leichter 
aber  in  seiner  art  hat  es  sich  hr.  Sp.  zweitens   mit  der  ausbeutung 
eines  andern  kritischen  hülfsmiltels,  nemlich  der  citate  aus  dem  Trucu- 
lentus  bei  den  alten  Icxicographcn  und  grammatikern  gemaclit.     nicht 
dasz  ihm  etwas  wesentliches  geradezu  entgangen  wäre  —  denn  die  an- 
führung  bei  Servius  zur  Jen,  I  435  Plautus  clurinum  pecus  shniam 
dixii^  eine  anffihrung  welche  sich  auf  iruc,  11  2,  14:  pudendumsi  vero 
clurinum  pecus  bezieht,  ist  nicht  von  erheblicher  %vichligkeit*)  —  aber 
die  art  wie  er  von  dem  Inhalt  der  citate  in  seiner  adnotatio  rechenschafl 
ablegt,  oder  vielmehr  nicht  ablegt,  ist  gelinde  gesagt  höchst  nachlässig, 
wie  weit  an  den  betreffenden  stellen  das  citat  reicht,  erfahren  wir  in  den 
allerseltensten  lallen;  zu  wissen  um  welcher  form  oder  welcher  Verbin- 
dung willen  2.  b.  Nonius  einen  vers  anführt,  erscheint  hrn.  Sp.  offenbarer 
luxus;  dasz  Varro  de  l.  lat  IX  106  die  beiden  versc  (II  3,  1.  2)  piscis 
ego  credOy  qui  usque  dum  vivont  lavant^  \  diu  minus  lavari^  quam  haec 
lavat  Phronesium  mit  den  Worten  anführt:   ad  lavant  lavari  non 
convenii^  ui  I  sii  postremum^  sed  E:  ad  lavaniur  analogia  lavari  red- 
dit.   quod  Piauli  aul  librarii  mendum  si  esl^  non  ideo  analogia^ 
sed  qui  scripsil  esl  reprehendendus  ^  dasz  also  Varro  in  seinen  hand- 

*)  dieser  Zuwachs  wird  zudem  dadurch  compensiert,  dasz  das  citat 
aus  Servius  zur  Aen,  II  367  Plautus  ettam  suum  (sc.  catuH):  et  ego  te 
coneuleabo,  ut  sues  catulos  suos  unmöglich,  wie  hr.  6p.  mit  Bnrman 
meint,  eine  Variante  von  truc,  II  2,  13  tarn  hercte  ego  hie  te  mulier  qua$i 
sue  eatulos  pedibus  proieram  sein  kann,  sondern  gewis  ans  irgend  einem 
andern  Plantinischen  stücke  entnommen  ist.    und  ebenso  wenig  hat  die 

anftib"""»  ^«?  Festus  u.  nenia  8.  161:  idem  (Plautus)  ^huic  hom dtxit 

dor  '91  esio  irgend  etwas  mit  irue.  II  1,  3  Ante  homini  amanti 

fr  neniam  dixit  de  botäs  zu  schaffen. 


A.  Kiessiiog:  anz.  v.  PlauU  Truculentus  ed.  Ä.  Spengel.       617 

schriflen  lavari  vorfand  und  darüber  stutzte,  hält  hr.  Sp.  für  völlig  über- 
flussig seloen  lesern  mitzuteilen;  natQrlich  setzt  er  denn  auch  der  analo- 
gie  zu  liebe  lavare  bei  Plaulus  ein.  von  der  confusion  zwischen  Festus 
und  Paulus  war  schon  oben  die  rede;  noch  schlimmer  ist  es  aber,  wenn 
hr.  Sp.  zu  II  1,4  das  citat  aus  Feslus  s.  161  anführt,  ohne  zu  merken 
dasz  er  die  Scaligerschen  Supplemente  vor  sich  hat.  und  am  aller- 
schlimmsten  ist  die  faselei  zu  1  2,  42,  so  arg  dasz  hr.  Sp.,  um  einen 
sehr  schlimmen  verdacht  abzuschneiden,  wol  daran  gethan  hätte  einen 
carlon  drucken  zu  lassen,  ganz  besonders  stiefmütterlich  sind  von  dem 
herausgeber  die  zahlreichen  Noniuscitale  behandelt,  zu  I  2,  36  war  ego 
expediho  auch  als  lesart  des  Nonius  anzuführen;  II  2,  13  musle  er- 
wähnt werden  dasz  Nonius  auf  der  seite  der  Palatini  steht  und  gegen  den 
palimpsest  die  richtige  Wortstellung  mulier  quasi  sus  caiulos  schützt; 
II  7,  15  wäre  es  doch  für  nicht  völlig  orientierte  leser  erwünscht  zu 
wissen  dasz  die  ergänzung  praeda  nicht  aus  der  princeps,  sondern  aus 
Nonius  s.  12  u.  suppilare  stammt;  V  21  haben  die  hss.  des  letzteren 
nicht  perdidit  sondern  perdidi^  sowie  V  72  nicht  ex  mea  sententia  son- 
dern e  mea  sententia,  ebenso  sind  aus  Priscians  cilaten  manche  Varian- 
ten nicht  angemerkt:  so  zu  I  1,  3  (Prise.  II  s.  421,  20  H.)  edocuit  und 
zu  1  2,  1  (Prise.  II  s.  425,  29  H.)  aedes  sowie  zwei  verse  weiter  I  2,  3 
attulerit  und  sterilis.  es  sind  das  zum  teil  kleinigkeiten ,  aber  kleinig- 
keitcn  deren  Vernachlässigung  sich  manchmal  empHndlich  straft,  so 
schreibt  hr.  Sp.  I  1,  32  aut  periit  aurum  aut  concissa  pallulast  mit 
berufiing  auf  das  citat  dieses  verses  bei  Porphyrion  zu  Hör.  epist,  I  17 
(18  ist  druckfehler),  55  und  in  den  scholien  des  Cruquius.  allein  sowol 
der  IrefQiche  Monacensis  des  Porplivrion  hat  nach  Halms  zeugnis  con- 
scissa^  als  auch  die  scholiensamlung  des  Cruquius,  wenigstens  in  der  ref. 
allein  vorliegenden  ausgäbe  von  1578.  sollte  hr.  Sp.  in  diesem  falle  ein 
opfer  der  allerdings  unglaublichen  liederlichkeil  der  Paulyschen  ausgäbe 
geworden  sein?  diese  hat  wenigstens  im  texte  das  sinnlose  concissa, 
schlimmer  ist  ein  anderer  fall.  III  1 ,  13  bieten  die  Plautinischen  hss. 
folgenden  unvers  nunc  ego  istos  mundulos  urbanos  amasios^  welchen 
Geppert  durch  die  änderung  von  mundulos  in  mundos  zurechlzurenken 
versucht  hat,  und  hr.  Sp.  ist  ihm  darin  unvorsichtiger  weise  gefolgt, 
aus  diesem  verse  werden  aber  auch  von  Diomedes  s.  343  K.  einige  werte 
angefOhrt,  nur  nicht  mundulos  istos  amasios^  wie  hr.  Sp.  auf  treu  und 
glauben  der  vulgata  nachschreibt,  ohne  die  Kellsche  ausgäbe  nachzu- 
schlagen, sondern  mit  beibehaltung  der  echten  Wortfolge:  stos  mundulos 
amasios.  mundulos  ist  daher  unbedingt  festzuhalten  und  vielleicht  zu 
schreiben:  ne  ego  stös  urbanos  mundulos  amasios.  ref.  ist  weit  davon 
entfernt  zu  meinen,  dasz  ein  und  das  andere  flüchtigkeitsverschen  hin- 
reichend sei,  um  über  wissenschaftliche  leistungen  ein  verdammendes 
urteil  zu  ßllen  —  aber  'est  modus  in  rebus',  und  es  würde  der  trefflich- 
keit  dessen  w*as  hr.  Sp.  uns  in  der  that  zu  bieten  vermag  keinen  abbruch 
thun,  wenn  er  sich  dazu  entschlösse  es  uns  in  sauberer  form  und  mit 
gröszerer  genauigkeit  im  einzelnen  darzureichen. 

Wir  wenden  uns  nunmehr  zur  besprechung  einzelner  stellen,  wobei 


618       A«  KiessÜDg:  anz.  v.  Plauü  Tmcolenlus  ed.  A.  SpeogeL 

ref.  es  sich  nicht  versagen  kann  zugläch  auf  das  ihm  durch  Fleckeiseas 
göte  milgeteille  treffliche  programm  von  Julius  Br ix  ^epistula  ad  An- 
dream  Spengelium'  (Liegnitz  1868)  bezug  zu  nehmen,  da  dasselbe  sich 
ausschlieszlicb  mit  der  kritik  des  Truculentus  befaszt  und  die  vorschlage 
des  auf  diesem  gebiete  so  rühmlich  bewahrten  Verfassers  öfters  mit  denen 
des  ref.  völlig  übereinstimmen. 

Gleich  im  personenverzeichnis  stoszen  wir  auf  eine  gelungene 
besserung  hm.  Sp.s:  der  bisher  in  demselben  auf  grund  von  II  7,  23 
figurierende  Geta  ist  beseitigt  und  an  seine  stelle  Cyamus  ab  name  des 
Sklaven  getreten,  der  die  geschenke  des  Diniarchus  zu  fiberbringen  haL 
die  finderung  stützt  sich  auf  die  hsl.  Überlieferung  von  0  7,  28  und 
IV  1 ,  4 ;  als  dritten  beleg  mochte  ref.  hinzufügen  II  7,  30.  dort  heiszt 
es  bei  Sp.:  Phr.  inpudens  mecdslor  —  Cy»  quisnamsi?  egone?  Phr. 
lu^  bona  fide.  da  die  hss.  aber  mecastor  cuamesi  egori  bieten,  so  ist 
offenbar  zu  schreiben:  Phr.  inpudens  mecastor  Cuame^s,  Cy.  egone? 
Phr.  iu ,  bona  fide. 

Im  prolog  ist  v.  5  melior  me  quidem  nobis  ablaiurum  sine  mora 
in  heilloser  weise  verderbt,  hr.  Sp.  schreibt  credo  equidem^  was  sich 
aber  doch  von  der  Überlieferung  reichlich  weit  enlfeml  und  auszerdem 
auch  dem  erforderlichen  sinne  nicht  völlig  entspricht,  der  Sprecher  des 
proIogs  verlangt  zuerst  um  seine  bühne  aufzuschlagen  ein  platzchen  de 
vostris  •  .  moenibus^  also  vom  ÖlTentlichen  eigentum.  das  gestehen  die 
Zuschauer  wenn  auch  zögernd  zu.  würde  er  sie  um  etwas  von  ihrem 
eigentum  ersuchen  —  si  de  vostro  quippiam  orem  —  so  schlagen  sie 
es  augenblicklich  ab.  es  ist  also  gerathen  von  dem  ersten  zugestindnis 
so  schnell  wie  möglich  gebrauch  zu  madien  (vobis  me  ablaiurum  sine 
morä) ,  ehe  es  die  Zuschauer  etwa  gereut,  in  melior  me  musz  also  ein 
begrilT  liegen  wie  *ich  halte  es  für  rSthlich,  mir  scheint  das  beste',  und 
ref.  würde  unbedenklich  meliust  me  vorschlagen,  da  meliusl  an  man- 
chen Piaulinischen  stellen  seine  comparativische  natur  ziemlich  abgestreift 
hat,  wie  Men.  1091.  most.  1068,  wenn  nicht  der  iofinili\iis  futuri  sutt 
des  einfachen  auferre  bedenklich  machte,  vielleicht  wissen  andere  besse- 
res als  den  notbehelf  reor,  übrigens  ist  der  prolog  übel  zugerichtet  auf 
uns  gekommen,  nicht  nur  fehlt  ihm  der  schlusz ,  wie  hr.  Sp.  mit  recht 
bemerkt,  sondern  auch  der  sprung  zur  erwShnung  des  miles  in  v.  18 
und  die  nichterwäboung  des  Diniarchus  und  Strabaz  weisen  auf  eine  so 
lückenhafte  Überlieferung  hin,  dasz  sich  über  die  von  hrn.  Sp.  sehr  kühn 
hergestellten  verse  20  und  21  kaum  ein  sicheres  urteil  fällen  I9szt 
I  1 ,  1  IT.  non  ömnis  aetas  ad  perdiscendum  sat  est 

amänii^  dum  id  perdiscai^  quot  pereai  modis. 

neque  edm  ralionem  eapse  umquam  ediscit  Venus ^ 

quam  penes  amantum  summa  summarum  redii , 

quot  amdns  exemplis  ludificeiur  usw. 
hier  bat  hr.  Sp.  im  dritten  verse  ediscü  geschrieben,  während  die  hss. 
educet  bieten,  woraus  Camerarius  edocet  herstellte,   wozu  aber  Venus  es 
noch  nötig  haben  soll  selbst  die  kniffe  und  schliche  der  meretrices  zu 
, ^^  g|^  ^1^  göltln  der  liebe,  quam  penes  amantum  summa  sum- 


A.  Kiessiing:  anz.  v.  Plauli  Truculentus  ed.  A.  Spengel.        619 

marum  redit^  diese  kniffe  eingibt,  iäsat  sich  nicht  recht  einsehen,  wie 
viel  klarer  und  einfacher  ist  nicht  der  gedanke :  ^weder  das  sluilium  eines 
ganzen  lebens  noch  die  beste  lehrmeislerin,  Venus  selbst,  kann  einen  \\e\y 
haber  mit  allen  ranken  der  dirnen  bekannt  machen'!  nach  modis  ist  da- 
her schwächer  zu  interpungieren,  und  edocet^  was  auch  durch  die  lesung 
Priscians  edocuit  gesichert  wird,  beizubehalten,  vgl.  anch  irtn,  372  pol 
ego  istam  volo  me  ratio nem  edoceas. 
In  der  verzweifelten  stelle  11,8: 

quoi  ilÜc  blanditiae^  quot  iUic  iracundiae 
sunt^  quot  sui perclamanda^  di  vosiram  fidem!  —  hui 
hat  hr.  Sp.  offenbar  recht,  wenn  er  gegen  den  bestechenden  Vorschlag 
von  Brix  quot  sunt  pericla  damna  einwendet,  es  könne  in  diesem  zu- 
sammenhange nicht  von  den  leiden  der  llebhaher  die  rede  sein ,  sondern 
es  mQsse  in  ^en  corrupten  worten  entsprechend  den  blandiüae  und  ira- 
cundiae eine  heziehung  auf  irgend  ein  Ihun  der  amicae  enthalten  sein, 
was  er  aber  selbst  vorschlägt,  superba  facta ^  deckt  sich  erstlich  doch 
wesentlich  mit  den  im  vorhergehenden  satzglicde  genannten  iracundiae^ 
und  sodann  erwarten  wir  einen  begriff  der  dem  quot  amans  exemplis 
ludificetur  (I  1,  5)  entspräche,  ist  etwa  sui  in  der  hsl.  Oberlieferung  als 
Wiederholung  des  vorhergehenden  sunt  zu  fassen,  also  quot  sunt  zu 
schreiben,  mx\A perclamanda  zu  bessern  xu  per\fi']d\iae'\  aman[t%]1 
auch  I  1,  19 — 29  kehrt  in  der  Zeichnung  der  mereirices  dieselbe  Steige- 
rung von  bitten  (19}  zu  leidenschaftlichen  aufwallungen  (25)  und  von 
diesen  bis  zur  treulosigkeit  (27)  wieder. 

I  1,  13  IT.  folgt  dann  die  Plaulus  so  geläufige  vergleichung  des  trei- 
bens  der  dirnen  mit  dem  handwerk  der  iischer: 

templdt^  benignusne  an  bonae  frugi  sies, 
quasi  in  piscinam  rete  qui  iaculum  parat  — 
15  quando  dbüt  rete  pessum^  adducit  lineam: 
si  iniddt  rete^  piscis  ne  effugiat  cavet: 
dum  huc  dum  illuc  rete  vortit ,  impedit 
piscis  usque  adeo^  donicum  eduxit  foras  — 
itidemst  amator. 
lineam  (15)  und  vortit  (17)  sind  zwei  schöne  uud  sichere  Verbesserun- 
gen von  Studemund  und  Spengel;  dagegen  scheint  dem  ref.  v.  16  mit 
hrn.  Sp.s  si  iniecit  wenig  geholfen,  so  wenig  es  auch  von  dem  hsl.  sinie- 
cit  oder  sinietit  abweicht,    entweder  enthält  die  vergleichung  einen  forl- 
laufenden act,  dessen  einzelne  stufen  durch  iaculum  parat^  abiit  pessum^ 
adducit  lineam^  cavet ^  vortit j  impedit^  eduxit  bezeichnet  werden:  dann 
sieht  man  nicht  ein ,  weshalb  der  fortschritt  der  Schilderung  durch  das 
völlig  überflüssige  ^i  iniecit  rete  unterbrochen  wird,   oder  aber  es  wer- 
den zwei  verschiedene  acte  geschildert,  entsprechend   der  alternative 
lemptat  benignusne  an  bonae  frugi  sies^  auf  welche  auch  in  v«  20 
atque  est  benignus  potius  quam  frugi  bonae  aufs  neue  bezug  genommen 
wird:  dann  musz  in  iniecit  rete  ein  gegensatz  zu  abiit  rete  pessum  ent- 
halten sein,   nach  dem  soliden  menschen  wirA  die  meretrix  ihr  netz  ver- 
geblich aus  und  sie  musz  es  wieder  aus  dem  wasser  heraufholen;  den 


620        A.  KiessIiDg:  aDz.  v.  Plaut!  TruculeiiUis  ed.  A.  Speogel. 

uosoliden,  benignus^  verstrickt  sie  dagegen,  soll  dieser  gegensalz  deut- 
licli  hervortreten,  so  musz  erstlich  das  hsl.  stn  beibehalten  werden,  und 
zweitens  darf  bei  iecii  eine  den  gegeusatz  zu  pessum  markierende  nähere 
bestimmung  nicht  fehlen,  erwägen  wir  nnn  noch  die  hSrte  der  Tier- 
maligen  Wiederholung  von  reie  in  vier  auf  einander  folgenden  versen ,  so 
möchte  ref.  sich  dafür  verbürgen,  dasz  Plautus  in  v.  16  geschrieben  hat: 
5t n  iecii  recie^  piscis  ne  effügiat  cavei.  vgl.  übrigens  trin»  183 
haec  si  sunt  rede  seu  pervorse  facta  sunt:  Aemu  pessum  ist  doch 
wol  mit  Ddderlein  aus  pervorsum  herzuleiten,  wie  prossum  —  prorsum 
aus  provorsum, 

1  1 ,  22  IT.  si  simel  amoris  poculum  accepii  tneri 

eaque  intra  pectus  se  penetravit  potio^ 

extämplo  et  ipsus  periit  et  res  et  fides. 
26  si  irdtumst  scortum  forte  amatori  suo , 

Ins  perit  amatar  ab  re  atque  [ah]  animo  simuL 

sin  älter  altri potior  est^  idem  perit, 

si  rdr<u  noctes  ducil^  ah  animo  perit: 

sin  crdbras  ducit^  ipsus  gaudet,  res  perit, 
für  idem  iu  v.  27  wird  seit  Camerarius  allgemein  itidem  gelesen,  so 
leicht  und  ansprechend  aber  diese  Änderung  auf  den  ersten  blick  er- 
scheinen mag,  so  steigen  dem  ref.  bei  wiederholter  betrachtung  dieser 
stelle  verschiedene  zweifel  an  ihrer  richtigkeit  auf.  erstlich  ist  es  auf- 
fallend dasz,  wahrend  in  den  übrigen  fällen  jedesmal  die  art  des  perire 
näher  angegeben  wird,  es  in  dem  falle,  dasz  ein  nebcnbuhler  den  lieb- 
haber  aussticht,  einfach  heiszt  itidem  perit,  und  soll  ab  re  atque  ah 
animo ^  was  unmittelbar  vorhergeht,  ergänzt  werden,  so  wünle  doch  nur 
das  zweite ,  ah  animo ,  recht  passen,  zweitens:  während  ipsus  periit 
et  res  aus  v.  24  im  folgenden  näher  begründet  wird  —  denn  ah  animo 
perit  deckt  sich  mit  ipsus  perit  —  fehlt  jede  exempHGcation  des  fides 
perit,  drittens  ist  es  doch  auffallend,  dasz  IV  2,  17  Diniarchus,  als 
er  erfährt  dasz  Strabax  ihm  vorgezogen  ist ,  ausruft :  perii  hercle  ego 
idem^  was  man  ebenfalls  in  itidem  hat  ändern  müssen,  ref.  hat  zwar 
eine  auskunft  auf  diese  bedenken  bei  der  band;  da  sie  ihn  aber  noch 
nicht  nach  allen  selten  befriedigt,  so  zieht  er  es  vor  die  lösung  Ton 
anderen  zu  erwarten. 

Auch  1  1 ,  34  hat  ref.  noch  seine  bedenken ,  ob  das  von  allen  hgg. 
adoptierte  aut  lectus  dapsilis  —  die  hss.  haben  laptiles  —  wirklich 
das  richtige  trifft,  dapsiles  dotes^  sumptuSy  corollae^  luhentiae  (?}  kom- 
men bei  Plautus  vor;  lauter  dinge  deren  reichliches  Vorhandensein 
das  beiwort  ausdrücken  soll,  daher  immer  im  plural.  ein  lectus  dapsilis 
könnte  aber  nur  ein  kostbares  ruhebett  sein,  in /ap/t/^s  mag  daher 
wol  eher  etwas  anderes  stecken,  ohne  dasz  ref.  indessen  einen  ihm 
selbst  völlig  sicher  scheinenden  Vorschlag  zu  machen  im  stände  wäre, 
möglichkeiten  lassen  sich  mehrere  denken,  z.  b.  lectus  sculptilis  oder 
lecto  textile  und  dergleichen  mehr. 

I  1    5^Ä  f.  aut  drmariola  Graeca  aut  aliquid  semper  [est'] 

^uod  pereat  deheatque  amans  scorlo  suo. 


A.  Kiessling :  aoz.  v.  Piauli  Truculentus  ed.  A.  Spengel.        621 

abgesehen  von  der  härte  der  conslruclion  —  denn  zu  pereai  die  vorher- 
gehenden noroinaUve  als  subjecl  zu  denken,  wie  Iir.  Sp.  will,  geht  doch 
um  des  sinnes  willen  nicht  gut  an  —  scheint  auch  die  fiberlieferung 
petra  für  pereai  auf  etwas  anderes  hinzuweisen,  ref.  möchte  quod 
[ex]petat  emaique  amans  scorto  suo  vorschlagen;  vgl.  glor,  686. 
mosi.  284.   in  der  urhandschrift  stand  wol  expetademaique. 

Gefällig  und  notwendig  ist  ein  fernerer  Vorschlag  hrn.  Sp.s  zu  1 1, 41 
gut  nostrae  aetaii  iniempesHvae  temperent^  eine  9nderung  die  sich  auci) 
ref.  früher  schon  angemerkt  halte,  die  vulgata  liest  iempestive  (tempe- 
stiuo  BCD),  was  überhaupt  kein  Plaulinisches  wort  ist  und  wofür  Plautus 
vielmehr  tempert  geschrieben  haben  würde. 

In  der  verwickelten  stelle  I  1,  45  IT. : 

nam  nunc  lenonum  et  scortorum  plus  est  fere 
quam  olim  muscarumsty  quam  caletur  maxume. 
nam  nüsquanh  alihi  si  sunt  circum  argentarias 
lenones  scortaque  adsident  cottidie 
hat  br.  Sp.  recht  ansprechend  im  letzten  verse  lenones  scortaque  adsident 
aus  der  Überlieferung  scorti  lenones  quasi  sedent  eruiert  —  jedenfalls 
ist  diese  Snderung  leichter  als  die  von  Ritschi  opusc.  II  s.  386  befür- 
wortete annähme  einer  Interpolation,     ref.  möchte  aber  noch  weiter 
gehen,  da  er  auch  im  ersten  verse  an  fere  anstosz  nlml.    erstlich  ist 
doch  in  dem    gedankengange   ^jetzt  gibt  es    fast   mehr   kuppler  und 
dimen  als  fliegen  im  sommer:  denn  wenn  irgendwo,  so  sitzen  sie  bei 
den  wechslerbuden '  nicht  die  begrflnduug  für  eine  zahl  angäbe,  son- 
dern für  eine  Ortsbestimmung  gegeben,    zweitens  erweisen  stellen  wie 
capt,  II  1 ,  35  nam  fere  maxuma  und  Poen.  IV  2 ,  80  surplus  fere 
sexenniSy  dasz  Plautus  wenigstens  fere  unmittelbar  vor  den  zahlbegrilT 
zu  stellen  liebt,    ref.  schlägt  daher  vor  zu  lesen :  nam  nunc  lenonum  et 
scortorum  st  plus  in  foro.  dagegen  scheint /erß  fünf  verse  weiter  (I  1, 
50}  hergestellt  werden  zu  müssen,  wo  die  Überlieferung  in  B  ist: 
Fanimiast  ratio  ^  quippe  qui  certo  scio 
Er  i  plus  scortorum  esse  iam  quam  ponderum, 
weder  Caroerarius   triplo  plus  noch  hrn.  Sp.s  foro  plus^   welches 
obendrein  dem  Piaulinischen  Sprachgebrauch  widerspricht,  kommt  hier 
der  Überlieferung  so  nahe  wie  fere  plus. 

l  1, 63  f.  eadem  postquam  alium  repperii  qui  plus  darel 
damn ösiorem ^  me  exin  exmovit  loco, 
so  verbessert  hr.  Sp.  die  hsl.  Überlieferung  (exine  immouit  B.  exinde  im- 
mouitC\  und  diese  lesung  ist  gewis  viel  passender  als  das  exinde  amovit 
der  vulgata;  ob  sie  aber  das  richtige  trifft,  ist -ref.  im  hinblick  auf  das 
fünf  verse  vorhergehende  (59)  nomen  ex  pectore  exmovit  zweifelhaft, 
das  in  den  Palatini  so  constanle  im-  scheint  vielmehr  auf  die  form  ex  im 
hinzuführen,  so  dasz  zu  lesen  ist  me  ex  im  demovit  loco. 

Auch  1 1, 75  kann  ref.  mit  hrn.  Sp.s  lesung  legdtus  hinc  quopublico 
imperio  fui  [cum  publica  BCD)  nicht  übereinstimmen,  die  möglichkeit, 
dasz  in  einem  so  festen  technischen  ausdruck  die  präposition  ausgelassen 
werden  könne,  müste  doch  erst  durch  beispiele  belegt  sein,   cum  scheint 


622       A.  Kitttliag:  aaz.  v.  Pbuti  Tinciilealss  ed.  A.  SpcsfeL 

durehaos  noCwoidlg,  ond  wenn  nun  nicht  kme  streidwB  «iD, 
dorch  die  tod  hrn.  Sp.  aDgefahrte  stelle  glor.  0  1,  22  U  pMiot  It^mims 
Naupaetum  hinc  fuit  keineswegs  gestutzt  wird,  da  dort  hime  j/cka  hsL 
gewibr  eotbebrt,  so  wird  man  mit  Bothe  omsleUeB  milsseB:  legiUa  qmß 
hinc  cum  publico  impcrio  /W.  weshalb  abrigeas  im  scUaszrers  dteser 
sceae  (1  1,  77)  br.  Sp.  die  feine  emeodation  0.  SejIRerts  quam  ergd 
quoque  etiam  mihi  fuit  commercium  [cum  ergo  die  bss.)  Terscbmäbt 
hat,  vennag  ref.  aaeh  nicht  einzusehen. 

Sehr  fibei  Überliefert  ist  ans  von  der  folgenden  zweiten  scene  d;e 
nicht  im  palimpsest  erhaltene  anfangspartie.  ref.  gesteht  an  die  abweckse- 
lang  der  baccheischen  dimeter  mit  iamblschen  Itatalehtischen  dimetem  in 
den  Versen  6  ff. 

quinei  aüi  send  adveniunt 
ad  scdrla  congerrönes, 
consülta  sunt  consiHa.   {confäio  BCO) 

quando  intro  advendrunt  usw. 
nicht  recht  glauben  zu  können,  da  ihm  auch  erstlich  der  plaral  seorta 
nicht  am  platz  erscheint,  wo  eine  bestimmte  exemplification  gegelien  wer^ 
den  soll  —  die  dislributiva  quinei  aut  send  beweisen  dagegen  nichts 
—  und  zweitens  das  hsl.  Qberlieferte  consilio  zu  denken  gibt  schrieb 
vielleicht  Plaulns  In  regelrechten  baccheischen  tetrametem : 

quinei  aüi  senei  advSniunt  ad  scörium  eongerrae: 

consülto  consilio  quando  intro  advenerunt  asw.? 
Weiter  lesen  wir  dann  von  vers  10  (12)  an  : 
sin  vident  qudmpiam 

se  adsSrvare^  oblüdunt  qui  cüstodem  ohlSctent. 

per  iöculum  et  ludüm  de  noströ  saepe  rdpiunt^ 
quod  lipido  ore  fdciunt. 

fit  pöl  hoc  et  pars  spectätorum  scitis  pol  vos  me  haud 

mentiri. 
hr.  Sp.  hat  liier  rapiunt  für  das  von  BCD  Qberlieferte  aeduni  geschrie- 
ben; sodann  lepido  ore  beispielsweise  fiir  das  von  B  gebotene  feclorum 
{fartores  CD)  vermutet  und  schlieszlich  im  letzten  verse  pol  vos  einge- 
setzt für  das  hsl.  pol  ec  (oder  haec)  uos,  ohue  jedoch  selbst  durch  diese 
Vermutungen  die  emendation  dieser  schwierigen  stelle  fflr  abgeschlossen 
zu  halten,  auch  ref.  vermag  nur  zum  teil  probables  in  Vorschlag  zu  brin- 
gen und  musz  die  völlige  bersteilung  der  schwer  verderbten  worte  andern 
überlassen,  um  mit  dem  unsichersten  anzufangen :  vergleichen  wir  aus 
unserm  stücke  IV  2,  29  meane  ut  inimici  mei  \  bona  istic  cedent^ 
sowie  most,  65  este^  ecfercite  vos^  saginam  caedite^  so  scheint  es 
doch  nicht  ganz  unmöglich,  dasz  in  der  Umgangssprache  caedere  die  be- 
deutung  von  comedere^  eigentlich  Mn  stücke  schneiden  und  verzehren' 
haben  konnte,  ähnlich  ist  wenigstens  caedere  auch  von  Lucilius  (bei 
Nonlus  s.  272)  gebraucht,  wenn  er  sagt:  lanae  opus  omne  perit:  squah 
lor^  tineae  omnia  caedunt.  ist  dies  richtig,  so  kSme  auch  an  unserer 
stelle  caedunt  der  Überlieferung  am  nächsten,  und  man  könnte  etwa 
per  iöculum  et  ludendo  nostr u m  saepe  caedunt^  oder 


A.  Kiessling:  anz.  v.  Plauti  Truculentus  ed.  A.  Speugel.       623 

auch ,  wenn  man  die  Verbindung  per  ioculutn  et  ludum  nicht  zerreiszen 
will ,  per  iöculum  ei  ludum  dein  nostrum  saepe  caedunt.  im  folgen- 
den verse  musz  offenbar  jeder  hersleliungsversuch  von  B  ansehen ;  far- 
tores,  was  CD  haben ,  ist  sichtlich  ein  alter  ungeschickter  restitutionsvcr- 
such.  zerlegen  wir  fectorum  hi  zwei  hälflen ,  so  lautet  die  Überlieferung 
quodfecto  rutn  faciunty  worin  profecto  rem  faciuni  unschwer  zu  er- 
kennen Ist  (vgl.  IV  2,  25,  wo  hr.  Sp.  sehr  ansprechend  quod  eures  für 
procures  vermutet),  natürlich  fehlt  dann  am  anfang  ein  atiribut  zu  rem : 
die  einfachste  ergänzung  scheint,  indem  man  einen  baccheischen  trimeter 
herstellt:  [inlepidam^  profecto  rem  fäciunt,  im  letzten  verse  end- 
lich weisz  ref.  auch  nichts  einigermaszen  sicheres  vorzuschlagen;  nur  so 
viel  scheint  ihm  möglich,  dasz  der  schlusz  lautete:  aequömst  me  haud 
mentiriy  also  der  baccheische  rythmus  sich  noch  fortsetzt. 

Für  die  folgende  partie  des  canticums  trit  die  hülfe  des  palimpsestes 
ein,  so  dasz  hier  wenig  zu  ändern  war.  bedenken  hat  ref.  v.  21  (27). 
es  heiszt  hier,  nachdem  Diniarchus  die  Aslaphium  vergeblich  aufgefordert 
stehen  zu  bleiben  und  sich  umzusehen  um  ihn  zu  erkennen: 

dato  I  si  esse  vis,  Di.  fäxo  erunt:  respice  hüc  modo,  A.  o/r, 
enicas  me  miseram  quisquis  es. 
wenn  enicare  nie  hier  bildlich  gebraucht  wird,  so  hat  es  in  der  regel 
den  ablativ  des  mittels  bei  sich:  so  asin,  921  pol  me  quidem  miseram 
odio  enicavit.  Pers»  48  a,  odio  me  enicas.  merc.  893  enicas  me  mise- 
rum  tua  reticentia.  rud,  944  iam  quisquis  es^  me  odio  enicas.  dieser 
ablativ  fehlt  fast  nur  in  solchen  stellen  wie  Cas.  II  3,  17  nolo  ames. 
IT  non  potes  impetrare.  f  enicas.  merc.  915  quid^  manebo?  l  tempus 
intro  eundi  non  est.  IT  enicas  u.  a.,  wo  dann  aber  stets  auch  in  der  zer- 
hackten und  eiligen  rede  das  object  me  wegbleibt,  da  nun  in  der  Trucu- 
lentusstelle  die  Palalini  für  oh  vielmehr  io  lesen,  so  möchte  ref.  vor- 
schlagen: ödio  me  enicas  \  miseram  quisquis  es^  also  dieselbe  Ver- 
bindung zweier  katalektischer  troch9ischer  tripodien  wie  vorher  v.  20  (24) 
qui  revocail  f  scies:  rispice  huc.  f  quis  est? 

Auch  V.  26  (35)  kann  ref.  die  kritik  hrn.  Sp.s  nicht  billigen,  nach 
drei  anap9stischen  dimetem  folgen  im  palimpsest  drei  verse  unsicherer 
messung : 

peregre  quoniam  advenis  cena  deiur. 
Di.  bene  dicis  benigneque  vocas^  Aslaphium.  A.  amabo 
sine  me  ire  era  quo  iussit.  Di.  eas:  sed  quid  ais?  A.  quid  vis? 
von  diesen  will  hr.  Sp.  den  ersten  durch  Änderung  von  deiur  in  daiur  als 
anapästischen  dimeter  herstellen  und  die  beiden  folgenden  durch  er- 
gänzungen  zu  iambischen  septenaren  ausstrecken,  allein  daiur  verslöszt 
gegen  die  'consuetudo  Plautina'  welche  den  conjunctiv  oder  doch  minde- 
stens das  futurum  ddbiiur  heischt,  und  in  den  beiden  folgenden  versen 
hat  hr.  Brix  wo!  richtiger  baccheen  erkannt,  vergleichen  wir  nun  Bacch. 
536  salvos  quom  peregre  advenis  ^  cena  detur.  Stich.  471  quoniam 
salvos  advenis.  most.  1129  salvos  quom  advenis  .  .  peregre  ^  gaudeo. 
hie  apud  nos  hodie  cenes.  Cure.  561  salvos  quom  advenis  —  hie  ho- 
die  apud  me  numquam  delinges  salem  u.  a.  die  bei  Lorenz  zu  most.  993 


624        A.  Kiessliog :  aoz.  t.  Plauü  Tracoleetas  eiL  K.  SpeB»«L 

zitsaiomengestellt  siod ,  so  werden  wir  loeb  an  imserer  stelle  «o/rof  ob* 
gern  eoKbehreo  und  gewiooeo  dorcb  seioe  einseUaog  eiaee  ladeDoses 
baccbeischen  tetramelcr:  peregrc'saltos  quomam  ademis^  cena  delur. 
von  den  beiden  fofgeodeii  versen,  die  wie  gesagt  hr.  Brii  als  loocfaefc 
erkannt  bat,  fögt  der  zweite  sieb  ohne  alle  ändening  diesem  masze:  rine 
tne  ire ,  era  quo  iüssit.  f  ^*^'  *^d  quid  aisT  \  quid  vis?  den  zweiter 
behandelt  Brii  gewaltsamer,  indem  er  auf  Gepperts  falscher  lesung  dfs 
paiimpsestes  benigne  quo  eas  fuszend  schreibt:  bene  dieis  benigneqhi. 
heus^  'Aiiaphium^  amdbo.  da  der  paiioipsesl  aber  nach  SlndeffliiBd> 
Zeugnis  benigneque  vocas  bat,  so  ist  es  weit  leichter  Asiaphhmi\i 
personenbezeichnung  zu  fassen ,  die  aus  verseben  in  den  teit  gedroogec 
ist  (vgl.  Pseud.  81),  und  zu  lesen:  Di.  bene  dids  benigneque  ror^: 
[med].   Ast.  amäbo. 

Vers  28  (38)  Di.  die  quo  Her  inceptas?  quis  est  quem  accertis: 
Ast.  Archilinen  hatte  hr.  Sp.  statt  des  unplautiniscben  accosativs  Jrchilr 
nen  wol  die  einzig  mögliche  form  Archilinam^  auf  welche  die  varuDi^ 
Archinam  in  BCD  deutlich  hinweist,  schreiben  dürfen,  auch  ist,  (baii 
die  antwort  passe,  zu  interpnngieren :  dic^  quo  iter  inceptas^  quis  est" 
quem  accersis?  mit  recht  ist  dagegen  v.  32  die  form  jM^aeslngiatrU 
statt  praeiligiatrix  aus  dem  palimpsest  aufgenommen,  dieselbe  vrin! 
auch  durch  die  Schreibung  praestrigiaior  bei  Frouto  de  oraL  s.  136 
(Naber)  bestätigt. 

In  der  vergleichung  der  meretrices  mit  den  publicani  1  2,  39—^^ 
alles  aufzuhellen  wird  wol  erst  möglich  sein,  wenn  wir  über  das  verhall* 
nis  der  publicani  zu  den  pächlern  der  allmenden ,  sowie  über  ihre  Straf- 
befugnisse diesen  gegenüber  genauer  unterrichtet  sein  werden,  vorlaut? 
ist  ein  groszer  schritt  vorwärts  gethan  durch  die  evidente  aus  den  spuno 
des  paiimpsestes  von  hrn.  Studemund  eruierte  herstellung  in  v.  39  an  tu 
te  Vener is  publicum  aut  Amöris  alia  Uge^  eine  so  schlagende  verl)e5- 
serung ,  dasz  ihr  gegenüber  auch  hr.  Drix  wol  seinen  Vorschlag  an  tu  ie 
bene  rem  publicum  aut  amoris  usw.  zurückziehen  wird,  dagegen  tsl 
das  Verständnis  von  v.  42  nam  advorsum  legem  m€  (so  A ,  amem  BCD 
ob  meam  scripturam  pecudem  cepil  noch  sehr  unsicher,  weder  sieht 
man,  ob  lex  sich  hier  auf  die  lex  der  publicani  oder  die  zwischen  Dioi- 
archus  und  Phronesium  bestehende  abrede  (vgl.  asin,  746  ff.)  bezieht, 
noch  ob  pecudem  cepii  die  confiscation  des  verwirkten  viehs  oder  die 
annähme  der  weideanmeldung  bezeichnen  soll,  endlich  könnte  sich  in 
pecudem  auch  eine  anspielung  auf  das  euböische  silhergeld  mit  dem  sti^r 
verslecken ,  herflbergenommen  aus  dem  griechischen  original ;  vgl.  V  64- 
Pers,  264.317.  es  musz  daher  völlig  unentschieden  bleiben,  ob  tne  oder 
a  me  die  richtige  lesung  ist.  v.  43  dagegen  durfte  hr.  Sp.  unbedeoklicli 
aus  den  hss.  idem  .  .  faciunt  rei  male  gerentis  aufnehmen,  was  hin- 
länglich  durch  II  1,  13,  wo  ebenfalls  alle  hss.  den  palimpsest  eing^*- 
sclilossen  piaculumsi  miserere  nos  hominum  rei  male  gerentum  lesen? 
geschützt  wird. 

V.  49  haben  die  hss.  hunc  nos  habemus  publicum ,  Uli  alii  s  pubU- 
voraus  hr.  Sp.  sine  aliis  publicanis  macht,    aber  der  gegensatz 


A.  Kiessling .  anz.  v.  PlaiUi  Truculcntus  ed.  A.  Spengel.        625 

in  \vc1chcin  liier  der  ager  pascuos  der  tneretrices  dem  ager  arvos  der 
pueri  gegenübergeslelll  wird,  verlangt  dasz  mit  weit  gelinderer  dnderung 
geschrieben  werde:  hunc  nös  hahemus  publicum:  iltum  ah'i  publicant\ 
mit  hiatus  in  der  dtSresis. 

I  2,  52  liSlle  lir.  Sp.  nicht  das  völlig  singulare  />errt/no5i  dulden 
sollen,  die  Verbindung  procdciores  estis  voSy  sed  Uli  periuriosi  erheischt 
mit  notwendigkeit  einen  comparaliv,  also  periuriores  —  eine  Snderung 
die  auch  lir.  Brix  als  notwendig  in  Vorschlag  bringt,  derselbe  scheint 
auch  V.  56  mit  seiner  Vermutung  male  quae  in  nos  illosgue^  omnia 
tibi  dicis^  Diniarche  |  et  nöslram  ei  illorum  vicem  eher  recht  zu  haben, 
da  auf  diese  weise  nur  Ulis  ea  in  illosque  geändert  zu  werden  braucht, 
als  hr.  Sp.  welcher  an  die  stelle  von  Ulis  vorzieht  dicis  zu  setzen,  denn 
beide,  die  merelrices  wie  die  pueri^  hat  Diniarchus  in  den  vorhergehen- 
den versen  geschmAht,  daher  denn  auch  Astaphium  hinzu  fügt  et  ttostram 
et  illorum  vicem, 

I  2,  58  stellt  hr.  Sp.  aus  dem  verderbten  sumpsit  scniteri  der  Pala- 
tini  sehr  ansprechend  her:  quia^qui  dlterum  incusat  probri^  eiimpse 
s apere  oportet:  denn  %vcnn  auch  die  verwandte  Pseudolusstelle  (61 2j 
non  soles  respicere  /e,  quom  dicis  iniuste  alteri't  scheinbar  fär  die  lesung 
dor  vulg.  se  ipsum  iniueri  spricht,  so  füllt  doch  der  folgende  vers  ent- 
scheidend in  die  wagschalc:  tu  a  nöbis  sapiens  nihil  habes^  nos  ne- 
quam  abs  ti  habemus,  nur  durfte  hier  der  hiatus  vor  habemus  nicht 
durch  aufnähme  des  von  Geppert  vermuteten  nichtssagenden  abs  tele  ver- 
mieden werden,  sondern  es  war  zu  lesen:  abs  te  [tua"]  habemus*  auch 
hr.  Brix  verwirft  die  Gepperlschc  conjectur;  seine  eigene  Vermutung 
[rem^  abs  le  habemus  hat  aber  keine  recht  Qberzcugende  kraft,  vgl. 
auch  H  1, 7  quod  habebat  nos  habemus. 

1  2,  64  f.  erwidert  Astaphium  auf  die  frage  des  Diniarchus  an  me 
mortuom  arbiträre  ?  folgendes : 

qui  pöiisi  amabo  pldnius  ?  qui  antehdc  amator  st'tmmus 
habitü's^  nunc  ad  amicdm  meras  querimönias  referres, 

habitu's  nunc  ist  von  hrn.  Sp.  mit  recht  statt  des  habilus  si  oder  est 
istunc  der  hss.  gebessert  werden ;  dagegen  hat  er  mit  der  Verbesserung 
des  zweiten  versendes  uerimonia  referre  in  querimönias  —  so  schon 
Gamerarius  —  referres  nicht  das  richtige  gelroITcn.  Diniarchus  war  frü- 
her summus  amator ^  d.  h.  erbrachte  die  reichlichsten  geschenke  dar; 
jetzt  würde  er  seiner  geliebten  nur  querimönias  schenken  können,  daher 
wollen  beide  von  ihm  nichts  wissen,  schenken  heiszt  aber  bei  Plautus 
ausnahmslos  deferre  —  weshalb  denn  auch  Studemund  sehr  richtig  11  4, 
90  für  perferri  vielmehr  deferri  zu  schreiben  rUth  —  und  demgemäsz  ist 
an  unserer  stelle  querimönias  deferres  zu  lesen,  das  falsche  r  ist 
wahrscheinlich  nur  verschreihung  des  von  querimönias  abgesprengten 
sclitusz-5.  ganz  der  gleiche  fall  kehrt  bald  darauf  1  2,  69  wieder,  wo  hr. 
Sp.  aus  dem  hsl.  quam  primum  expugnari  potis  est  amit  Optimum  est 
amicae  schön  herstellt:  quam  primum  expugnari potist^  tarn  id  öptu- 
mumst  amicae,    jenes  vor  amit  fehlende  t  hat  sich  an  das  vorhergehende 

JahrbQchcr  für  cioas.  philol.  1868  htt.  9.  41 


626        A.  Kiessling:  aoz.  r.  Plaoti  Traculciilas  ed.  A.  SpengeL 

wori  ugescblosfen  <,  ond  hrn.  Sp.s  emcndalion  erfailt  ihnB  absdüosz, 
wenn  wir  potis  lesen . 

Die  mit  diesen  Worten  begonnene  rergleidiimg  des  liebkabers  mit 
einer  feindlichen  stadt,  welcbe  so  schnell  als  möglich  ansgeplöndert  wer- 
den mflsse,  pariert  Dinlarchus  damit  dasz  er  einwirft  (1  2,  70 — 72) : 
ego  fateor^  sed  lange  dliter  est  amicus  aique  amdior, 
cerle  hdrcle  quam  veUrrumust^  tarn  homini  öpiumusi  awucus. 
non  hercle  oecisa  sunt  mihi  elidm[dum'j  fundi  et  aedis, 
PT  sei  kein  amalor  sondern  ein  amicus  ^  und  während  der  liebhaber  so 
schnell  wie  möglich  ausgezogen  werden  mösse^  sei  es  pflicht  den  freund  la 
schonen :  denn  —  und  nun  musz  als  betveis  ein  allgemeingültiger  satz  von 
der  beschaffeoheil  des  besten  freundes  folgen,  welcher  zuglelcli  vermöge 
der  doppeldeutigkeit  des  hauplbegrifls  eine  unmittelbare  anwendnng  auf 
das  Verhältnis  des  Dinlarchus  zu  Phronesium  gestaltet,  dasz  aber  veier- 
rumus  einen  solchen  doppelsinn  nicht  hat,  liegt  auf  der  band,  und  die  för 
die  specielle  anwendung  notwendige  bedeutung  'geschont,  unberührt' 
läszl  sich  nur  durch  gezwungene  erkldrung  hineindeuten,  wie  viel  schia- 
gender  und  witziger  ist  es  aber,  wenn  Plautus  in  einem  und  demselben 
bilde  fortfahrend  schrieb:  certe  hSrcle  quam  integerrumust^  tarn 
homini  öptumust  amicus.  erst  dadurch  wird  der  Zusammenhang  mit  dem 
folgenden  verse  klar,  welchen  hr.  Brix  durch  die  ergänzung  von  ego  am- 
nino  vortrefÜich  hergestellt  hat:  non  hSrcle  [ego  omnino'\  occidi: 
sunt  mi  etiam  fundi  et  aedis. 

Sehr  unsicher  ist  nach  hm.  Sp.s  eignem  geständnis  sein  emenda- 
tionsversuch  zu  I  2,  79.  die  beiden  recensionen  gehen  hier  weit  ausein- 
ander: die  Palatini  iiaben  sinnlos,  aber  das  melrum  notdürftig  festballend: 
amantis  siquit  non  danunt^  non  didici  fabulare ;  der  palimpsest  dagegen 
unmelrisch  amanti  si  cuih  quod  dabo  non  est  non  didici  fabulari.  dar- 
aus macht  hr.  Sp.:  amdtiSy  inquam^  quöd  dafür:  non  didici  fabularL 
allein  man  sieht  dann  nicht  recht  ein,  wie  die  groszen  abweichungen  der 
hss.  entstanden  sein  solleu,  ganz  abgesehen  von  dem  völlig  unverständ- 
lichen fabulari^  welches  bei  Plautus  stets  mit  loqui  gleichbedeutend  ist« 
nicht  aber  wie  hier  notwendig  sein  würde  falsches,  ersonnenes  erzähleu' 
beiszen  kann,  da  nun  der  folgende  vers  mit  decuit  te  fabulari  scblieszL, 
so  möchte  ref.  eher  vermuten  dasz  non  didici  fabulari  eine  Überkleister le 
anticipation  dieses  versschlusses  ist,  indem  der  Schreiber,  auf  welchen 
die  Verwirrung  zurückgeführt  werden  musz,  am  ende  von  v.  79  mit  den 
äugen  auf  das  ende  von  v.  80  abirrte,  ist  diese  Vermutung  richtig,  so 
ergibt  sich  sofort  dasz  jeder  methodische  heilversuch  von  der  Überliefe- 
rung des  palimpsestes  auszugehen  hat.  denn  in  diesem  ist  noch  kein 
versuch  gemacht  die  durch  den  fülschen  schlusz  verursachte  uhermäszige 
ausdelinung  des  verses  zu  beseitigen,  während  in  ßCI)  offenbar  der  vers 
so  gut  es  gehen  wollte  wieder  eingerenkt  ist.  der  anfang  des  verses 
lautete  also  demgemSsz  wol:  amantis^  sicui  quod  dabii  non  est  w.w-^ 
und  am  ende  ist  ein  eos  exturbatis  oder  ähnliches  ausgefallen,  ebenso 
hsffp  hp  Sp.  sich  näher  an  die  Überlieferung  des  palimpsestes  in  1  2,  90 

es  heiszt  dort  von  den  mereirices: 


A.  Kiessling:  anz.  v.  Piauli  Truciileolus  ed.  A-  Spengel.         627 

si  illM  quod  volimus  dicitur^  paläm  quom  mentiuntur^ 
verum  dsse  insciU  credimus  f  neuiasuiamur  ira, 

so  der  palimpsest  mit  der  bemerkung  *quarla  litlera  forlasse  e,  octava  t 
füll';  ne  uti  neslwnutuamur  ira  BG;  woraus  hr.  Sp.  ne  eas  incendamus 
ira  maclil.  allein  wahrlich  nicht  deshalb  glauben  es  verliebte,  wenn  ihnen 
das  was  sie  gern  hören  wollen  vorgelogen  wird ,  damit  sie  ihre  liebste 
nicht  durch  zweifei  in  leidenschaftlichen  zorn  versetzen ,  sondern  die  ei- 
gene leidenschaft  macht  sie  blind  und  leichtgläubig,  hm.  Sp.s  conjectur 
bringt  also  einen  ganz  schiefen  und  unwahren  gedanken  in  die  worie 
des  Diniarchus.  vielmehr  war  aus  der  lesart  des  palimpsestes  das  rich- 
tige durch  zulhat  eines  einzigen  buchstaben  und  Umstellung  zweier  an- 
deren herzustellen,  nemlich:  ne[9]ti^  aestuamur  ira,  die  Verwirrung 
in  den  Palatini  ist  dann  dadurch  entstanden,  dasz  wahrscheinlich  tumul- 
ttiamur  als  Variante  oder  erklSrung  über  der  zolle  angemerkt  wnr.  wer 
übrigens  an  dem  sonst  nicht  belegten  dcponens  aesluari  anstosz  nimt, 
mag  auch  aestuamus  lesen;  jedenfalls  spricht  es  ftlr  die  cvidenz  dieser 
Änderung,  dasz  sowol  Göller  der  aut  inaestuamur^  als  auch  Brix  welcher 
utut  aestuamus  vorschlug,  auf  derselben  fährte  sich  befanden. 

I  2,  101  hat  hr.  Sp.  die  lesart  der  vulgata  immo  adeo  ut  nuntia- 
Utmsty  iam  hie  ddftiiurum  aiunt  cum  beibehalten,  obwol  die  Verbindung 
immo  adeo  sonst  nicht  vorzukommen  scheint  und  die  besten  Iiss.  (ACD) 
abeo^  B  mit  leichter  corruptel  (dfeac  lesen,  auch  Bentley  zu  Ter.  eun, 
IV  6,  5  citiert  immo  ah  eo  ut  nuniiatumst^  und  ref.  sieht  keinen  rechten 
grumi,  warum  die  Gberlieferung  geändert  werden  soll. 

In  der  folgenden  scene  U  1  konnte  gleich  im  ersten  verse  hahahi 
requievi  quia  irttro  ahiit  odiüm  meum  der  von  hm.  Sp.  für  gestaltet 
erachtete  proceleusmaticus  durch  die  einsetzung  der  contrahierten  form 
abit^  auf  welche  auch  das  introa  uit  in  B  hinweist,  mit  leichtigkeit  be- 
seitigt werden,  doch  da  dies  mit  zu  den  puncten  gehört,  wo  der  hg. 
sich  in  principiellera  Widerspruch  mit  den  durch  die  prolegomena  festge- 
stellten normen  der  Plautinischen  metrik  benndct,  so  würde  es  zu  weit 
führen,  wollte  ref.  in  jedem  derartigen  falle  seinen  dissensus  constatie- 
ren ,  und  er  nimt  daher  das  recht  in  anspruch ,  derartige  metrische  diffe- 
renzen,  falls  nicht  noch  ein  anderes  intcresse  in  frage  kommt,  uner- 
örtert  übergehen  zu  dürfen. 

II  1,  14 — 16  sind  im  palimpsest  in  folgender  weise  überliefert: 

bonis  esse  oportet  dentibus  lenam  probam  : 

adridere  ut  quisque  veniat  blandeque  adloqui:  male  cor  de 

consultare 
bene  lingua  loqui,  merelricem  sentis  similem  esse  dddecet. 

vorher  gehen  iambischc  und  es  folgen  irochäische  septenare.  wie  sollen 
nun  die  beiden  ersten  der  angezogenen  verse  gemessen  werden?  hr.  Sp. 
möchte  sie  durch  Streichung  von  blandeque  zu  iambischen  seplenaren 
machen;  ref.  hält  sie  für  iambische  senare  und  liest: 

bonis  össe  oportet  dentibus  lenam  probam  : 
adridere  ut  quis  veniat  blandeque  ddloqui^ 

41* 


fö8        A.  Eicssliag :  »z.  v.  PUmi  Trvedcilas  ed.  A.  SftmgeL 

male  cor  de  censnUare^  bemt  Urngmi  Isftcr. 

\nam\  mereiricem  ttu  naüJem  semüs  cimdeeeL 
deuD  diese  Cusnag  bieten  för  den  lelzlea  vers  die  Palatiai  —  ajlBriadi 
ohne  das  fom  ref.  ergdozle  nam,  gaaz  ebeaso  bildea  tob  t.  30 — 35 
!M?chs  seoare  den  öhergaog  ton  den  iambisdieo  zn  den  trocküscfaen  lan^- 
versen :  denn  auch  für  v.  35  ist  dem  durch  glosseme  erweiterten  sc^lcnar 
des  pal  im  losestes  velut  hie  est  adulescens  qui  kabüai  kic  agresiis 
rüttieus  die  koappere  fassoog  der  PaJatini  vtlul  kic  agresiis  est  adu- 
iescens  qtä  hie  habet  oflenbar  Torzuziehen. 

Uebrigeos  ist  dieser  ganze  monolog  der  Aslaphinm  too  crsdireckcB- 
der  breite:  eine  lang  ausgesponnene  Variante  auf  das  gnindtbema  unseres 
ganzen  stdckes,  dasz  die  liebe  der  meretrix  nur  der  klingenden  niinzc 
gelle,  dieser  satz  kehrt  immer  wieder,  so  dasz  ton  einem  eigentlichen 
fortschrilt  der  gedanken  kaum  die  rede  sein  kann ,  da  dieselben  sich  be- 
sUndig  im  kreise  drehen,  einiges  mag  dabei  auch  die  beschaffenheil 
unserer  fiberlieferuog  verschuldet  haben:  wie  denn  z.  b.  hr.  Brix  durch 
Umstellung  von  v.  25  vor  v.  21  (nach  der  allen  Zahlung  —  hr.  Sp.  hat 
die  verse  im  anschlusz  an  die  Ordnung  des  palimpsesles  gewis  mit  na- 
recht  umgeslelll  — )  einen  erträgliclien  Zusammenhang  zu  gewinnen 
weisz  -  aber  vieles  isl  offenbar  auf  rechnung  des  alternden  dichlers  zu 
setzen. 

II  2,  15  fahrt  Stratullax  die  Astaphium  an: 

ddvenisti  huc  nos  tentatum  cum  ixomatis  össibus^ 
quia  tibi  suaso  infecisti  pröpudiosa  pdüulam, 
an  eo  beUa*s^  quia  clepis  tibi  drmillas  aeneas  ? 

so  hr.  Sp.,  dessen  conjectur  im  ersten  verse  nos  tentatum  [te  osientatum 
A,  sistentalum  ßCD)  zwar  an  uud  für  sich  bestechend  ist,  aber  doch  wol 
wegen  der  parallelstelle  most,  594  venisti  huc  te  extentatum  ?  abgewie- 
sen werden  niusz.  ref.  uiöchte  auch  in  unserer  steile  te  extentatum  in 
Vorschlag  bringen  und  durch  den  hinweis  auf  die  allitteration  extenta- 
tum —  exornatis  empfehlen,  im  zweiten  verse,  der  nicht  vom  fulgen- 
dcu  loszureiszen  war,  hat  gewis  Acidalius  das  richtige  gclroflen,  wenn 
er  lesen  wollte:  quia  tibin  suaso,  denn  so  erklärt  sich  auf  das  leicli- 
teslc  sowol  die  corruptel  resuasu  in  den  Palatini  als  auch  das  schwanken 
der  allen  grammaliker  darüber,  ol)  suaso  oder  in  suaso  zu  lesen  sei,  wie 
wir  aus  Fcstus  s.  302  erfahren,  dasz  im  dritten  verse  aeneas  nicht  rich- 
tig sein  kann  und  vielleicht  argenieas  zu  lesen  isl,  ist  schon  oben  be- 
rührt worden,    dafür  dasz  hier  etwas  nicht  ganz  in  Ordnung  ist  spricht 

die  lesung  des  palimpsesles  aneas^  zu  welcher  nocli  eine  randhemerkung, 
von  der  leider  nur  die  endung  -as  lesbar  ist,  hinzugefugt  war. 

11  2,  54  IT.  schildert  Stratullax  seinen  erus  mator: 

nön  enim  itte  meretriculis 
moinerandis  r6m  coegit^  verum  parsimönia 
düritiaque  quae  nunc  ad  vos  dam  exportantur,  pes- 

sumae. 
ea  vos  estis  dxungimini  ebibilis.   egone  haec  mitssitem  ? 


A.  KiessÜDg:  aox.  v.  Plaiiti  Truculenlus  ed.  A.  Spcngcl.         629 

iäm  quidem  hercle  ibo  ad  forum  adque  haec  facta  narrabö 

senu 
neque  isiic  in  se  gisiat^  iergo  cöget  examen  mali, 
hier  sind  zunSchst  einige  kleinig keiten  zu  bessern,  indem  wir  die  lesungen 
der  Palatini  statt  derer  des  palimpsestes  in  den  text  einsetzen,  nemlicli 
im  dritten  verse  musz  exportatur  (so  BCD)  auf  rem  bezogen  und  demge- 
müsz  zu  anfang  des  folgenden  verses  eam  statt  ea  {em  BCD)  gelesen  wer- 
den, die  haupl Verderbnis  sitzt  aber  im  letzten  verse,  den  alle  bss.,  auch 
der  palimpsest,  also  überliefern :  neque  isluc  in  se  gestit  ergo  coget  exa- 
men malt,  isiic  und  gestai  hat  hr.  Sp.,  tergo  bereits  Acidalius  gebessert, 
da  aber  bei  iergo  das  pronomen  iuo  oder  vesiro  nicht  gut  fehlen  kann, 
so  vermutet  schon  hr.  Sp.  in  seiner  note  mit  recht,  es  möchte  der  vers 
schwerer  verderbt  sein  und  ursprünglich  beispielsweise  neque  is  iuo 
repercet  iergo^  c.  e»  m.  gelautet  haben,  hiervon  ist  iuo  gewts  sehr 
rkihtig ,  repercei  aber  doch  etwas  zu  gewaltsam ;  auch  der  asyndetische 
anscblusz  liart.  falsche  worttrennung  ist  auch  hier  der  erste  anlasz  zur 
Verderbnis  gewesen;  denn  tsegesiit  ergo  ist  corrumpiert  aus  iscelesia 
iergo  mit  vorschlagendem  i  vor  der  s  impura.  Plautus  schrieb  also  wol: 
ne  isie  tuo^  scelesta^  tergo  cöget  examän  malt, 

11  2,  63  sucht  hr.  Sp.  den  vers  hldndimentis ^  hörtamentis ^  cSie* 
ris  meretricHs  durch  vergleichung  von  Bacch,  41  pol  hau  mereiri- 
ciumsi  zu  vertlieidigen,  und  die  muglichkeit  das  adjectivum  substantivisch 
zu  fassen  will  ref.  nicht  leugnen,  doch  mag  er  auch  nicht  verbeten  dasz 
er  jedesmal  bei  lectüre  dieses  verses  auf  eine  sclion  vor  langer  zeit  ihm 
nufgesloszcne  Vermutung  zurückgeführt  wird,  nemlich  bländimentis, 
hörtameniis^  inlecehris  mereiriciis. 

II  3,  8  f.  schreibt  hr.  Sp.: 

sed  obsecro  hercle^  Astaphium^  i  intro  ac  nuntia 
me  adesse:  propera  et  suade  iam  ut  satis  laverit. 
die  hss.  haben  adesse  tui  properel  suatte.  ref.  kann  diese  änderungen 
nicht  für  richtig  halten,  erstlich  ist  dabei  tui  völlig  unberücksichtigt  ge* 
blieben,  und  zweitens  ist  die  Verbindung  propera  et  suade  nicht  die  bei 
Plautus  übliche,  zwei  imperative  stehen  entweder  asyndelisch*)  neben 
einander  oder  werden  durch  atque  verbunden,  höchst  seilen  wie  es 
scheint  durch  et,  während  z.  b.  tace  atque  sequere  und  ähnliches  sich 
findet  ßacch.  137. 147.  169.  368.  714.  822.  903.  Men,  220.  272.  405. 
674.  aul  I  2,  3.  25.  II  1,  23.  2,  60.  3,  3.  6.  5,  2.  6, 1.  8, 24,  erscheint 
in  denselben  drei  stücken  die  Verbindung  mit  et,  ein  etwaiges  übersehen 
vorbehalten ,  nur  zweimal :  Bacch.  493  cave  maium  et  conpesce ,  und 
ebd.  592  non  it:  negat  se  ituram.  abi  et  renuniia.  \  alium  illa  amat^ 
non  illum.  duc  ie  ab  aedibus.  jedoch  die  hastige  art,  mit  der  Pistocie* 
rus  diese  zornige  abfertiguug  hervorslöszt,  macht  an  dieser  stelle  abei^ 
renuniia  wahrscheinlicher ;  wie  denn  auch  Men,  435  das  hsl.  et  quan- 
tum  poiest  abduce  gewis  in  ei  quanlum  potest^  abduce  zu  Sndern  ist. 


*)  dasz  dies  namentlich  nach  i  der  fall  ist,  bat  Fleckeisen  erwienen 
in  diesen  Jahrbüchern  bd.  LXI  (1851)  s.  18  f. 


630         A.  Kiesslinp:  an/.  \.  IMatili  Tniculeolus  ed.  A.  Spengel. 

jedeofalls  isl  es  iiichl  gcratlien  durch  coojoctttr  diese  al»soiiderliclikeit 
deui  U*il  aufzudrängen,  rcf.  schlägt  daher  vor:  nuntia  me  adesse:  ut 
propere  L  suade  tarn  ul  satis  laver  iL  das  a  Syndet  on  entsprich  l  auch 
an  dieser  stelle  hesser  der  Ungeduld  des  Diniarchus.  vers  11  di  me  per- 
duint  I  qui  te  revocavi:  nön  tibi  dicebam:  i  modo  mosx  fibrigeos,  wenn 
man  die  letzten  worte  nicht  als  frage  fassen  will ,  notwendiger  weise, 
da  auf  tibi  aller  nachdruck  liegt,  gelesen  wenlen:  tibi  non  dicebam. 

Den  gleich  darauf  folgenden  unvollständigen  vers  (U  3,  13)  quae 
tibi  ^  mille  passuum  peperit  moram  hätte  hr.  Sp.  nicht  nach  Gepperts 
vorsclilag  mit  vox  ergänzen  sollen ,  sondern  so  wie  er  selbst  in  der  nole 
zu  dieser  stelle  vermutet  und  auch  ref.  sich  sdion  früher  angemerkt 
hatte,  nemlich  qui  tibimet  mille  passum  peperisti  moram,  auch 
II  3, 18  kann  ref.  sicli  mit  der  von  hrn.  Sp.  aufgenommenea  conjectur  der 
italiänisclicn  hss.  illum  inhiant  omneSj  iUest  animus  omnibus  nicht  ein- 
verstanden  erklären,  als  liebkosungswort  kommt  animus  nur  im  vocativ 
(anime  mi)  vor,  und  die  Icsart  der  Palatini  illisi  läszl  sich  ganz  gut  ver- 
stehen, der  siun  ist  'dort,  hei  ihm,  sind  alle  ihre  gedankeu',  wie  Pseud» 
35  nam  islic  meus  animus  nunc  est ,  non  in  pectore.  dagegen  ist  11  3, 
22  sehr  schön  durch  Postpartum  specto  qui  antepartum  perdidi  emen- 
diert  die  allitteration  wird  noch  deutlicher  hervortreten,  wenn  wir 
uns  enlschlieszcn  pospartum  zu  schreiben,  wie  Plantus  doch  wol  ge- 
sprochen und  geschrieben  haben  wird:  vgl.  Ritschi  opusc.  II  s.  550.  ver- 
langt übrigens  nicht  auch  die  rücksicht  auf  den  gleicbklang  dasz  man 
antepertum  lese?  vgl.  trin.  643  wo  Fleckeisen  nach  Bergk  z.  f.  d.  aw. 
1848  sp.  UM  ut  .  .  anteperta  per  flagitium  perderes  hergestellt  hat. 

11  4,  7 :  auf  die  begrfiszung  dei  Phronesium  hat  Diniarchus  sich  ab- 
gcwaudt  und  bei  seile  die  worte  vah  vapuläbo  hercle  ego  nunc  atque 
adeo  male  gesprochen ;  dadurch  stutzig  gewonlen  fragt  Phronesium  quo 
te  auortisti?  und  nun  erst  erwidert  er  ihren  grusz  mit  den  worten  sal- 
va  sis  Phroneaium,  hier  erscheint  ref.  die  vorhergehende  frage  der  Phro- 
nesium in  dieser  form  rein  unsinnig,  so  lange  Diniarchus  noch  abgewen- 
det ist  und  das  ende  seiner  beweguug  noch  nicht  abzusehen  ist,  kann  sie 
wol  fragen:  quo  te  avortis?  Svohin  wendest  du  dich?'  aber  nimmermehr 
darf  sie  durch  das  perfectum  eine  handlung,  deren  ganzer  verlauf  sich 
vor  ihren  augcn  vollzogen  hat,  als  fertig  und  abgeschlossen  bezeichnen 
und  trotzdem  nach  der  äuszeren  beschaffcnheit  dieser  handlung  fragen. 
Phronesium  kann  nur  nach  dem  motiv  dieses  abwendens  fragen  und 
Plautus  musz  daher  quor  te  auortisti?  geschrieben  haben,  hr.  Sp.  sucht 
zwar  dieser  naheliegenden  änderung  vorzubauen  durch  die  berufung  auf 
merc.  II  3,  97  und  Amph,  III  2,  18;  aber  die  Nercatorstelle  ist  offenbar 
lückenhaft  und  im  Amphilruo  hat  Fleckeisen  mit  sehr  richtigem  gefühl 
quor  ted  avortisti?  gebessert. 

Wie  bald  darauf  II  4, 12  hrn.  Sp.s  accentuierung  vellem  sifieri  posset. 
IT  cedo  soleds  puer  ohne  annähme  eines  der  überaus  zahlreichen  druck- 
fehler  möglich  gemacht  werden  soll,  siebt  ref.  nicht  ein.  freilich  wird 
— -^h  diesen  druckfeliler  auch  der  fehlerhafte  proceleusmaticus  be- 
n  sonst  leicht  durch  die  einfache  Umstellung  pelUm  si  fieri 


1 


A.  Kiessling:  aDz.  v.  Plauti  Truculenlus  ed.  A.  Spengcl.         631 

pösseL  Dl.  soleas  cedo  puer^  welche  schon  frühere  vorgeschlagen 
haben,  heizukommen  war.  dieselbe  nachslellung  von  cedo  bietet  ja  auch 
Pseud,  891  ei^  convivas  cedo» 

11 4, 43  IT.  nunc  hüc  retnisit  nuper  ad  me  epistülam^ 

sese  e'xperiurum^  quanti  sese  penderem, 

si  quid peperissetn ^  id  educarem  ac  tollerem: 

bona  sua  me  esse  habituram  omnia. 
ref.  zweifelt  ntcbl  dasz  jeder  unbefangene  leser  die  worte  bona  bis  omnia 
als  nachsatz  zu  si  bis  (ollerem  auflassen  und  demgemäsz  nach  tollerem 
ein  bloszcs  komma  setzen  wird,  dann  musz  aber  auch  statt  quid  vielmehr 
quod  geschrieben  werden  —  und  so  steht  in  D.  ebenso  wird  in  den 
Worten  (v.  50)  quaerere  \  puerum  aut  puellam  qui  supponantur  mihi 
jeder  sofort  den  singuIar  sitpponatur  bessern ,  welchen  denn  auch  schon 
Acidalius  in  Vorschlag  gebracht  hat. 

II  4, 51  ff.  tonstricem  Suram 

novistin  nostram,  [^nostras'j  quae  erga  aedis  habet? 

[T  flow*.    ^  haäc  dat  operam^  circuit  per  familias^ 

pueritm  vesiigat  usw. 
trefflich  ist  hier  hm.  Sp.  die  herstellung  des  ersten  verses  durch  ergänzimg^ 
des  in  den  hss.  fehlenden  nostras  gelungen ;  dagegen  kann  ref.  die  in  den 
text  aufgenommene  conjectur  Gepperts  dat  operam  für  das  hsl.  ut  opcra 
nicht  sehr  einleuchtend  finden,  bei  Plautus  scheint  ein  alleinstehendes 
dat  operam  im  sinne  von  ^gibt  sich  muhe,  hilft'  ohne  den  zusatz  der 
sache  oder  person  für  welche  man  sich  mühe  gibt  oder  sonst  eine  nähere 
bestimmung  zu  operam  sehr  selten  zu  sein,  im  augenblick  wüste  ref. 
nur  Cas.  III  5,  64  und  merc.  620  anzuführen  —  denn  Men.  1008  ist 
immo  operam  dabo  antwort  auf  das  vorhergehende  operam  mi  ut  duis. 
an  unserer  stelle  scheint  daher  das  una  opera  der  vulgala,  welches  auch 
RItschl  opusc.  II  s.  654  angenommen  hat,  noch  immer  das  rathlichstc 
zu  sein. 

Mit  recht  hat  hr.  Sp.  in  II  4,  62  ein  störendes  einschiebsei  aus  asin. 
I  3,  34  erkannt  und  den  vers  demgemäsz  getilgt,  bei  dieser  gelegenhcit 
kann  sich  ref.  nicht  versagen  auf  eine  ähnliche  inlerpolation  in  den  Captivi 
«lufmerksam  zu  machen,  dort  passen  uemlich  v.  665  und  666  die  worte 
decet  innocentem  servom  atque  innoxium  \  confidentem  esse  suum  apud 
erum  potissumum  nicht  für  die  läge  In  der  sich  Tyndarus  augenblicklich 
als  kriegsgefangener  sklave  befindet;  dagegen  ist  es  ganz  am  platze,  wenn 
Pseudoius  seinem  allen  herrn  erwidert  (460.  461):  decet  innocentem 
qui  Sit  atque  innoxium  |  servom  superbum  esse  apud  erum  potissumum^ 
wo  übrigens  vielleicht  aus  den  Captivi  confidentem  statt  superbum  ein- 
zusetzen ist:  wenigstens  scheinen  darauf  die  vorhergehenden  worte  Calli- 
phos  bene  confidenterque  adstitisse  intellego  hinzuführen,  apud 
wäre  dann  in  der  oflenen  form  ape  gesprochen;  oder  ist  diese  nur  in 
der  arsis  zulässig? 

II  4,  71  bessert  hr.  Brix  nach  den  spuren  des  Vetus  in  evidenter 
weise,  indem  er  schreibt:  non  aüdes  aliquid  ddre  mihi  munüsculi? 
aler  auch  der  folgende  vers  bedarf  noch  einer  kleinen  nachhülfe,  indcn: 


632         A.  Kicssliii^;:  :inz.  v.  Phiili  Trucnlenlus  cd.  A.  Spcugcl. 

zu  lesen  isl:  lucri  hercle  videor  fdcere  mihi^  voluptds  mea^  da  lucrum 
facerb  aliquid  iiiclit  Plaulinisch  zu  sein  scheint.  —  II  4,  75  wo  die  hss. 
bieten:  sie  facHo.  quidquid  ait  uierii  bona  consulas^  freut  es  rcf.  mit 
lirn.  Brix  In  derselben  auf  der  band  liegenden  Verbesserung  zusammenzu- 
treffen,  nemlich  quidquid  atiulerit  honi  consülas^  wovon  honi  schon 
in  der  vulgala  hcrgeslcUt  war.  brn.  Sp.s  quicquid  aderit  dona.  Di.  con- 
sulam  ist  denn  docb  zu  verzwickt  und  entfernt  sieb  zu  weit  von  der  Über- 
lieferung, unsicherer  ist  ref.  in  betrelT  einer  andern  stelle  II  4,  80: 
pro  di  immorlaliSy  tion  amanlis  mulieris 
sed  soiie  unanimaniis  fideniis  fuit^ 
officium  facere^  quod  modo  haec  fecii  mihi, 
das  metrum  ist  zwar  leicht  durch  die  von  Gulier  vorgesdilagene  und  von 
hm.  Sp.  angenommene  Umstellung  unanimaniis  sociae  hergestellt,  aber 
es  scheint  von  muliBris  zu  sociae  eine  Steigerung  statlGnden  zu  sollen, 
so  dasz  Diniarchus  sagen  würde:  ^das  war  nicht  die  bandlung  eines  lie- 
benden weibes,  sondern  einer  einmütigen,  vertrauenden  gattin.'  dasz 
dadurch  ein  fremdartiger,  fast  moderner  zug,  der  zu  der  empGnduugs- 
weisc  der  Plautinischen  cumödie  durchaus  nicht  stimmt,  hineingebracht 
wird,  fühlt  wol  jeder,  schrieb  nicht  vielleicht  Plautus:  sed  söcienni 
unanimaniis  fideniis  fuil  — ?  die  letzten  Imcbstaben  von  söcienni 
konnten  vor  unanimaniis  sehr  leicht  ausfallen,  und  wie  passend  das 
letztere  wort  auf  einen  vertrauten  freund  bezogen  werden  darf,  zeigen 
stellen  wie  Stich,  729  ego  lu  sum^  lu*s  ego:  unanimi  sumus^  Pacuvius 
v.  109  R.  wo  Pylades  spricht:  perque  nostram  egregtum  unanimilalem^ 
und  Calull  30,  1  Alfene  . .  unanimis  false  sodalibus. 

Sehr  gewaltsam  scheinen  brn.  Sp.s  ändcrungen  II  4,  91,  wo  er  aus 
praeter ea  obsonari  dumlaxat  al  mina  macht :  praelerea  obsonium  ob- 
sonari  una  mina.  das  zahlwort  ist  doch  entbehrlich,  und  dumlaxat 
sieht  wahrhaftig  nicht  nach  einem  abschreiberein  fall  aus.  ref.  möchte 
eher  vorschlagen :  ^rae/erea  ei  obsonari  dumlaxat  mina,  auch  II  4,89 
ist  wol  besser  zu  lesen:  ego  isli  ul  non  munus  millam?  wenn  man  nicht 
lieber  die  frage  ganz  fallen  lassen  will,  indem  mau  schreibt:  ego  isli 
nunc  munus  millam. 

Zu  ikn  versen  II  6,  12 — 17 

male  quod  mulier  facere  incepil,  nisi  si  ecficere  perpelrai^ 
id  Uli  morbosly  id  Uli  seniosl^  ea  Uli  miserae  miseriast» 
bene  si  facere  incepil^  eius  rei  nimis  cito  odium  percipit, 
15  nimisque  paucae  sunt  defessae^  male  quae  facere  occeperunt: 
nimisque  paucae  ecficiunt^  si  quid  facere  occeperunt  bene, 
mülieri  nimio  male  facere  Icvius  onus  est  quam  bene 
von  denen  v.  15  in  B  fehlt,  macht  hr.  Sp.  die  bemerkung:  ^noli  de  ioter- 
pretamentis  cogitare.     immo  satis  Plautina  est  haec  dictio  copiosior.' 
trotzdem  aber  wagt  es  ref.  den  von  B  ausgelassenen  vers  als  offenbar  un- 
echt zu  streichen,    denn  erst  dadurch  erlangen  wir  es,  dasz  die  beiden 
sich  entgegengesetzten  gedanken  in  entsprechenden  perioden  von  je  zwei 
versen  sich  abspielen :  male  quod  .  .  incepit  .  .  miseriast  und  bene  ii  .  . 
incepil , ,  bene.    v.  11  faszt  dann  das  resultat  der  beiden  sätse  zusammen. 


A.  Kicssliiig:  auz.  v.  Pliiuli  Truculonlus  cd.  A.  Spcngcl.        633 

In  der  folgenden  scene  II  6,  7  haben  dagegen  sowol  lir.  Sp.  wie 
hr.  Brix  die  un vertrag liclikeit  der  beiden  verse 

nön  lauäandust^  quin  plus  eredunt  qui  audiunt  quam  qui 

vident. 

nön  placet  quem  Uli  plus  laudant  qui  audiunt  quam  qui 

vident 
richtig  erkannt,  nur  dasz  Sp.  den  zweiten,  Brix  den  ersten  streichen 
will ,  und  letzterem  möchte  ref.  wegen  des  unverständigen  plus  eredunt 
eher  beistimmen,  unrecht  hat  aber  hr.  Brix,  wenn  er  auch  v.  4  ei  Ho- 
meronidam  et  post  illam  Uli  memorari  potis  oiTenbar  bloss  wegen  der 
Schwierigkeit  der  emendation  auswerfen  will:  denn  beziehungen  auf 
Homer  sind  ja  bei  Plautus  auch  sonst  nicht  so  selten,  hr.  Sp.  schreibt: 
ex  Homero  iam  et  post  illum  multi  memorari  potis  —  vielleicht  richtig, 
bis  auf  multi ^  wofür  schon  Iftngst  das  richtige  mille  gefunden  war.  aus 
Nonius  war  ferner  in  v.  15  aufzunehmen:  quae  dlios  conlaudäre^ 
eapse  sese  vero  nön  polest» 
II  6,  26  f. 

meus  est:  scio  iam  de  ärgumentis,   [f  nimium  quidem  simUist, 

i  papae. 

iam  magnust?  iam  it  ad  legionem^  quaä  iam  spoUa  rettulit? 
hier  hat  hr.  Sp.  den  zweiten  vers  im  wesentlichen  ins  reine  gebracht; 
im  ersten  hat  hr.  Brix  unzweifelhaft  richtig  gesehen  dasz  das  hsl.  quidui 
nicht  in  quidem  sondern  in  tui  zu  ändern  ist:  eine  Änderung  an  die  sowol 
Bolhe  mit  seinem  nimis  quam  tui  anstreifte  als  auch  0.  Seyflert,  dessen 
herstellung  des  verses  (philol.  XXV  s.  467)  im  einzelnen  aber  viel  zu 
kunstlich  und  gesucht  ist.  eine  kleine  Verbesserung  möchte  aber  ref. 
noch  im  zweiten  verse  anbringen,  so  wie  die  worte  jetzt  lauten,  fragt 
Slratophanes :  Mst  er  schon  in  eine  legion  eingetreten,  die  sich  mit 
kriegsruhm  bedeckt  und  spolien  aus  dem  feldzug  zurückgebracht  hat?' 
aber  it  ad  legionem  soll  nach  lirn.  Sp.s  meinung  nur  bedeuten :  *  thut  er 
schon  kriegsdienste?'  gewis  mit  recht;  dann  kann  sich  aber  doch  keine 
nähere  bestimmung  mehr  an  legionem  anschlieszcn.  nun  haben  die  hss. 
iam  magnust  iamnelectat  legionem  quae  spoliaret  uelit^  woraus  sich 
mit  benutzung  der  emendationen  Sp.s  ergibt:  iam  magnust?  iamne  eit 
ad  legionem?  ecquae  spolia  rättulit?  so  dasz  Slratophanes  sich  stei- 
gernd nach  drei  dingen  fragt:  ^ist  er  schon  erwachsen?  thut  er  kriegs- 
dienste? hat  er  spolien  heimgebracht?'  für  die  Stellung  der  frageparlikel 
vgl.  glor.  628. 

11  6,  37  ff.  begrQszt  Phroncsium  den  Soldaten  mit  den  worlen: 

sdlve^  qui  me  interfecisti  paene  vita  et  lümine 

quique  mihi  magnös  dolores  per  voluptatäm  tuam 

cöndidisti  in  corpus^  quo  nunc  etiam  morbo  misera  sum, 
hier  hat  sich  hr.  Sp.  offenbar  wieder  durch  Geppert  irre  fuhren  lassen, 
die  Palatini  haben  im  zweiten  verse  ibi  magni  doloris^  woraus  das  allein 
richtige  vim  magni  doloris  schon  seit  dem  15n  jh.  hergestellt  worden 
war.  nur  die  princeps  und  der  berufene  Parisinus  des  lurn.  Geppert  haben 
die  han<lgreifliche  Interpolation  mihi  magnos  dolores,  von  der  es  ref. 


634        A.  Kicssling:  anz.  v.  Piauli  Truculcnlus  cd.  A.  Spengel. 

nicht  wundert  sie  bei  Geppcrt  im  leite  zu  finden ,  wol  aber  dasz  hr.  Sp. 
diesem  schlechten  beispiel  folgen  mochte. 

II  6,  53 :  nachdem  Slratophanes  die  beiden  gefangenen  königinncD 
der  Phronesium  mit  pomphaften  Worten  überantwortet,  erwidert  diese 
höchst  prosaisch ,  nach  den  besten  hss. : 

painitetne  ie  quoi  ancülas  tarn 
quin  eiia  men  super  adducas  quae  mihi  cametineibum. 
den  schlusz  des  zweiten  verses  hat  Camerarius  mit  comedini  dbum^  den 
des  ersten  Sp.  und  schon  früher  Brix  mit  ancillas  alam  in  evidenter 
weise  bergestelit.  dagegen  entfernt  sich  für  den  anfang  des  zweiten  ver- 
ses  sowol  hrn.  Sp.s  Vorschlag  qui  etiam  alienas  als  der  des  hrn.  Bris 
qui  mi  etiam  nunc  allzuweit  von  der  Überlieferung,  um  recht  einleuch- 
tend zu  sein,  tüar  ist  zunächst  so  viel  dasz  in  eiiä  men  auszer  etiam  auch 
noch  ein  object  zu  superadducas  stecken  musz,  und  da  iSge  am  nSchslen 
agmen^  welches  aber  leider  kein  Plaulinisches  wort  ist.  vielmehr  6ndPD 
wir  dafür  bei  unserm  dichter  stets  das  compositum  examen.  vergleichen 
wir  nun  stellen  wie  Ter.  eun.  1013  an  paenitebat  flagili .  .  ni  miserum 
insuper  etiam  patri  indicaresf  und  Plautus  rud,  579  eho  an  te  paeni- 
tet^  in  mari  quam  hac  nociu  elavi^  ne  (doch  wol  nit)  hie  in  terra  iterum 
eluam^  so  möchte  ref.  auch  an  unserer  steile  vorschlagen  zu  lesen:  ni 
etiam  [ex] amen  süperadducas  quae  mihi  comedint  cibum? 

11  6,  60  dccipe  hoc  abduce  hasce  hinc  e  conspectu  Suras  —  so 
ist  im  wesenllichen,  nur  dasz  für  hinc  die  hss.  ince  oder  in  lesen,  dieser 
vers  überliefert,  in  welchem  Phronesium,  welcher  denselben  hr.  Sp.  mii 
recht  zugewiesen  hat,  ihre  Sklavinnen  anweist  die  geschenke  des  sklaveo 
nebst  den  beiden  reginae  ex  Suria  ins  innere  des  bauses  zu  bringen, 
um  den  hiatus  in  der  erslen  halfte  zu  vermeiden  hat  hr.  Sp.  Bollies  con- 
jeclur  abducite  istas  angenommen ,  so  dasz  die  befehle  der  Phronesium 
erst  einer  Sklavin  gellen,  welche  die  perula  mit  den  kleineren  gaben  in 
empfang  nehmen  soll,  und  dann  den  übrigen  Sklavinnen,  welche  die  neueo 
genossinnen  abführen  sollen,  allein  einen  solchen  gegensatz  hätte  Plau- 
tus gewis  nicht  unterlassen  durch  ein  hinzugefügtes  vos  zu  markieren, 
weit  einfacher  scheint  es  daher  die  befehle  an  ^ine  und  dieselbe  dieuerin 
gerichtet  zu  denken  und  mit  hiatus  in  der  diäresis  zu  schreilien:  dccipi 
hoc  [atque]  abduce  hasce  hinc  e  conspectu  Suras.  vgl.  V  22  accipe 
hoc  atque  auferto  inlro. 

Am  Schlüsse  der  scene  endlich,  wo  Stralophanes  den  Gyamus  mit 
den  geschenken  des  Diniarchus  ankommen  sieht,  ist  in  v.  67  sed  guiä 
illuc  bonist?  ganz  gewis  novist  zu  bessern,  wie  sowol  iir.  Sp.  in  <i^r 
note  vorschlagt  als  aach  ref.  schon  früher  vermutet  liatte. 

In  der  folgenden  scene  nun ,  wo  Cyamus  auflrit  um  die  gescheuke 
seines  herrn  zu  überbringen ,  ist  da»  anfangscanticum  greulich  verderbl 
und  konnte  von  hrn.  Sp.  nur  mit  den  schärfsten  mittein  einigermaszeo 
lesbar  gemacht  werden,  vieles  wird  davon  der  natur  der  sache  nach  un- 
sicher bleiben  müssen;  in  einigem  glaubt  ref.  mit  grund  andere  berstei- 
lungen  vertreten  zu  können,  so  lautet  gleich  der  erste  vers  in  baocfaeischeui 
rythpiii«  ii!.*»K  ,|(;n  hss.  folgendermaszeu :   ite  ite  hac  simul  muli^'^^* 


A.  KiessliDB :  anz.  v.  PJauli  Truculcnlus  ed.  A.  Spciigcl.         (535 

damnigeruli,  wo  Sp.  für  muUerei  vorschlägt  zu  lesen  munifen.  aJlcin  ref. 
njinl  dann  anslosz  ao  dem  nackten  damnigerulii  man  rausz  doch  wissen 
wessen  damna  es  sind,  die  hier  angeschleppt  werden,  es  scheint  dalier 
wahrscheinlich,  dasz  hier  eine  falsche  Wortverbindung  stattgefunden  hat 
und  mulierei  in  muH—  erei  aufzulösen  ist,  so  dasz  der  schlusz  lautete  eri 
damnigeruii.  das  nun  übrig  bleibende  muH  kann  füglich  Wiederholung 
fler  letzten  silbe  von  simul  sein  und  das  so  gewonnene  He  He  hac  simul 
eri  damnigeruU  fügt  sich  dem  rythmus,  wenn  wir  lesen:  ite  ite  hoc 
simitur  eri  damnigeruii.  das  folgende  foras  gesiatores  ist  eine 
küline  neubildung  hm.  Sp.s  statt  des  hsl.  foras  gerronis.  ist  es  nicht 
leichter,  freilich  auch  mit  bildung  eines  neuen  wortes  zu  schreiben: 
foras  egerrones  — ? 

II  7,  40:  nachdem  Plironesium  den  Soldaten  dem  Cyamus  gezeigt, 
antwortet  dieser:  növi  hqminem  nihiH:  illic  guaesosi?  ?hr.  ülesL 
Cy.  me  ifituiiür  gemens,  iUic  guaesosi  hat  Camerarius  für  das  hsl.  üHc 
que  est  qehesscTi:  zwar  leicht,  aber  nicht  recht  Plautin isch,  da  in  der- 
artigen halb  fragenden  au&rufungen  quaeso^  wenn  es  hinzugefügt  wird, 
in  der  regel  voranzugehen  scheint,  wie  Cure.  419  quaeso^  tune  is  es? 
rud.  1005  quaesoy  sanun  es?  u.  a.  sodann  aber  ist  es  doch  das  natür- 
liche dasz  Cyamus  den  Soldaten  nicht  kennt,  ref.  möchte  daher  mit 
vergleichung  von  Pseud.  954  iUicinest?  IT  iUic  ipsus  est  vorschlagen: 
Cr.  nön  novi  hominem  nihiH,  iUicinest?  Phk.  illest.  Cy.  me  intui- 
für  gemens.  non  ist  aus  dem  völlig  corrupten  schlusz  des  vorhergehen- 
den noch  nicht  sicher  omendierten  verses,  der  in  den  hss.  quem  per 
nam  lautet  und  ßlschlich  an  die  spitze  unseres  verses  verschlagen  i^, 
heröhergenommen. 

II  7,43—60  hat  hr.  Sp.  wie  die  früheren  ligg.  samtlich  als  trochäi- 
sche octonare  gemessen,  freilich  nicht  ohne  manche  grosze  härten  in 
der  hctonung  zulassen  zu  müssen ,  z.  b.  v.  43  pectöre^  45  istucine  mihi^ 
oder  metrische  licenzen  zu  gestatten  ^  wie  v.  44  dicere  als  vollen  tro- 
cliäus  gf'geu  das  Lachmannsche  gesetz  und  v.  55  quorttm  mihi  als  ausgang 
des  verses.  da  nun  die  mischung  trochäischer  und  anapästischer  vcrsc 
im  Pscudolus  in  der  scene  230 — 242  sich  kaum  wird  leugnen  lassen 
(vgl.  Studemund  de  cant.  s.  57)  und  in  574—594  wol  von  allen  jetzt 
anerkannt  wird,  so  dürfte  es  nicht  zu  gewagt  sein  auch  in  dem  gleich- 
zeitigen Truculentus  dieselbe  mischung  der  beiden  versarten  an  unserer 
stelle  anzunehmen,  ganz  unzweifelhafte  anapästen  sind  wenigstens  nach 
des  ref.  meinung 

43  nunc  ego  meos  auimos  violentos  \  meamque  iram  ex  pectore 

idm  promam, 

48  holerum  dtque  escarum  et  pöscarum  \  moechiim  malacum  ein- 

cinnatum 

49  umhrdticolam  tympdnotribam  amas  |  hominSm  non  nauci? 

If  quae  haec  rest? 

55  siaequdm  facias^  advdntores\meos nön  inconcilies^ quorum 

56  mihidöna  accepta  et  grdta  habeo  \  tuaque  ingrata  ahs  te 

quae  dccepi. 


636         A.  Kiessling:  anz.  v.  Plauti  Truculcntus  ed.  A.  Sfieiigcl. 

iD  dem  vorletzten  versc  ist  mconcilies  eine  scböne  Verbesserung  von  hrn. 
Brix  für  das  hsl.  incuses^  und  im  letzten  hat  ref.  das  überlieferte  qwu 
abs  ie  accepi  umgestellt,  so  ist  auch  wol  v.  45  mit  einffigung  von  tu  zu 
lesen:  istücine  mihi  [tu]  responsas^  |  f  hoc:  nön  ego  te  flocci  fado^ 
und  V.  58  mit  benutzung  von  hrn.  Sp.s  gelungener  emendalion  confectis 
Omnibus  rebus  tuis  för  das  corruple  confessus  omnibus  ieus^  und  er- 
gänzung  von  nobis:  quid  nunc  ergo  odiossü^s  [nobis^  |  confectis 
Omnibus  tuis  rebus  (odies  sees  B,  odio  es  die  vuigata).  dagegen  winl 
v.  50  meöne  ero  tu  inpröbe  maiedicere  aüdes ,  fons  viti  et  peiuri  ah 
irochSischer  oclouar  beizubehalten  sein,  das  metrum  aber  hergesleUt 
werden  können  durch  die  Umstellung  inprobe  tu  maiedicere^  auf  welche 
das  hsi.  improbe  ^omale  dicere  (B)  mit  notwendigkeit  hinweist  wegeo 
der  Verkürzung  von  in  in  inprobe  (richtiger  vielleicht  iprobe  zu  schrei- 
ben, wie  unten  IV  2,  13  itegrum)  verwdst  ref.  auf  Bucheler  in  diesen 
Jahrb.  1863  s.  342. 

in  1,6  ir.  quaerit  patrem;  dico  esse  in  urbe,  interrogo 
quid  eüm  velit. 
^  homö  cruminam  sibi  de  collo  detrahit. 

dasz  diese  iambiscbe  clausel,  die  in  ganz  uuerhörlcr  weise  die  senare 
unierbricht,  nicht  belassen  werden  könne,  hat  hr.  Sp.  mit  recht  gesehen, 
nur  irrt  er,  wenn  er  es  fflr  möglich  hllt  quaerit  patrem  streichen  zu 
können :  denn  dann  schwebt  das  folgende  dico  esse  in  urbe  ganz  in  der 
luft.  vielmehr  ist  entweder  ein  versende  ausgefallen,  z.  b.  quid  cum  ve- 
lit: [argen tum  ut  mihi  det  suaded]^  oder  es  sind  mit  annähme 
leichterer  Verderbnisse  die  worte  in  zwei  versc  in  der  weise  zusammen- 
zuziehen, wie  es  Rilschl  proleg.  s.  GL  vorgeschlagen  hat,  nemlich:  quae- 
rit patrem.  dico  esse  in  urbe:  quid  velit  \  rogo:  homo  cruminam  sibi  de 
collo  detrahit.  im  weiteren  verfolg  dieser  scene  hat  hr.  Sp.  noch  ziemlich 
uberflflssiger  weise  v.  15  corrigieren  wollen,  dort  heiszl  es:  eradicarest 
certum  cum  primis  patrem^  und  er  will  für  cum  primis  vielmehr  quam 
primum  lesen,  allein  das  folgende  postid  locorum  zeigt  dasz  ein  wort  vor- 
hergeben musz,  welches  nicht  'so  schnell  wie  raöglicli%  sondern  einfach 
^zuerst'  bedeutet,  und  da  cum  primis  diese  bedeutung  bat  —  v;;!.  Gellius 
XVII  2  cumprimis  dicebant  pro  eo  quod  e^t  inprimis  —  so  vermag  ref. 
durchaus  keine  nöllgung  zu  einer  anderung  zu  erblicken,  besser  wäre 
übrigens  mit  Rilschl  opusc.  II  s.  269  eradicare  certum  st. 

lieiUos  verderbt  ist  in  der  folgenden  scene  (III  2)  die  stelle,  wo  der 
gebändigte  Slratullax  beginnt  der  Astaphium  die  cour  zu  machen,  v.  5  ff. 
welche  bei  Sp.  so  lauten: 

5  nimiö  minus  saevos  iam  sum^  Astaphium ,  quam  fui. 
[nam'\  iam  non  sum  truculenius:  noli  metuere. 
quin  tu  ad  me  accedis?  exspecto  osculum  tuom, 

Ast.  die  impera  mihi  quid  tibi  et  quo  vis  modo. 

Str.  novos  omnis  mores  habeo^  veteres  perdidi. 
nam  hat  hr.  Sp.  v.  6  wol  richtig  ergänzt,   v.  7  aber  lautet  iu  den  hss.: 
quid  uis  qui  tuam  expector  osculentiam.   die  personenverteilung  endlich 
ist  von  hrn.  Sp.  gcneuerl:  iu  der  vuigata  ist  auch  v.  8  dem  Stratullax 


A.  Kiessling :  anz.  v.  Plauti  Truculentus  ed.  A.  Speagel.         637 

zugeleill,  und  mit  recht:  denn  er  kommt  als  lebrling,  bereit  sich  in  alle 
geheimnisse  der  tnerelrices  einweihen  zu  lassen  und  in  allem  zu  willen 
zu  sein,  in  seinem  munde  sind  aiso  die  worte  die  impera  mihi  .  .  modo 
weit  passender  als  in  dem  der  schnippischen  Aslaphium  welche  dem  frie- 
den noch  nicht  recht  traut,  die  hauptschwierigl&eit  liegt  in  v.  7,  dessen 
ziemlich  gewaltsame  hersteilung  der  hg.  selbst  als  eine  zweifelhafte  be- 
zeichnet, am  wenigsten  will  der  schlusz  expecto  osculum  iuom  ge- 
fallen, da  man  nicht  einsieht  wie  Stralullax  dazu  kommt  einen  kusz  zu 
erwarten,, und  hr.  Sp.  hat  diese  Änderung  sehr  unglücklich  durch  aufOh- 
rung  von  stellen  zu  stützen  gesucht,  in  denen  sich  nahe  verwandte 
durch  einen  kusz  begrüszen.  er  erinnerte  sich  zur  unzeit  nicht  an  die 
bemerkung  Donats  zu  eun.  ill  2,  3  oscula  officiorum  suitl .  .  savia 
Uhidinum  vel  amorum,  eine  für  Plautus  durchaus  zutreffende  beobachtung 
—  nur  darf  man  sie  nicht  auch  auf  das  bei  demselben  ausschlieszllch 
vorkommende  verbum  osculari  ausdehnen  wollen,  es  ist  ref.  daher  auch 
durchaus  zweifelhaft,  ob  Gamerarius  conjectur  zu  I  2, 10  osclum  {oculum 
nCD)  amicae  usque  oggerity  welche  hr.  Sp.  adoptiert  hat,  richtig  sei. 
an  unserer  stelle  dürfte  der  Überlieferung  näher  kommen  und  dem  sinne 
angemessener  folgende  Änderung  sein:  Abt.  quidümf  Str.  quia  am- 
[oin]  ex  pectore  iructdenliam.  vgl.  Pseud,  144  nisi  somnum  socor» 
diamque  ex  pectore  octdisque  amoveiis, 

IV  2,2  f.  ama  id  quod  decit^  rem  iuam:  istum  exindni. 

nunc  dum  subest^  dum  habet  ^  tempus  ei  rei  secündumst. 
subest  hat  hr.  Sp.  im  wesentlichen  richtig  für  das  hsl.  iusti  iubet  ver- 
bessert, nur  dasz  doch  unmöglich  der  dativ  i5/f ,  der  auch  in  iusti  nicht 
schwer  zu  erkennen  war,  dabei  fehlen  kann,  damit  gihl  sich  dann  aber 
auch  sofort  dum  habet  als  erklärung  dieses  dum  isti  subest  zu  erkennen, 
und  der  baccheische  tetrameter  lautet  ohne  alle  harten ,  nach  beseitigung 
dieses  glossems :  nunc  dum  isti  subest ,  tempus  ei  rei  secündumst.  auf 
die  Streichung  von  dum  habet  war  auch  schon  Geppert  verfallen,  der 
diese  phrase  übrigens  im  folgenden  verse  unterzubringen  suchte,  der- 
selbe lautet  als  trochäischer  septenar  bei  hrn.  Sp. :  pröme  [omnem']  ve- 
nustatem^  amanti  tuo  uti  gaudia  compares  mit  einem  falschen  dacty- 
lus  im  sechsten  fusz.  da  die  hss.  omne  weglassen  und  tuam  uti  und 
cumpereis  für  tuo  uti  und  compares  haben,  so  schrieb  Plautus  vielleicht: 
pröme  venustaiem  [/ ti a m]  amanti ^  tua  uti  gaudia  inpetret,  tua 
gaudia:  die  genüsse  die  ihn  bei  dir  erwarten  und  die  er  bei  dir  sucht: 
vgl.  V  30.  31. 

IV  2,  10^— 13  miszt  und  schreibt  hr.  Sp.  als  senare  mit  unter- 
mischten cretikern: 

Abt.  sed  öbseero^  da  mihi  öperam^  ut  narrem  quae  volim» 
Di.  ndm  quid  est?  nüm  mea  rdfertT  Abt.  non  müssito. 

intüs  bolos  dat  —  Di.  quid^  amator  novos  quispiam? 
Ast.  integrum  et  planum  adortust  thensaurüm,   Di.  quis  est? 
wenn  mit  quid  oder  quis  est  nach  sacheo  oder  personen  gefragt  wird, 
von  denen  im  vorhergehenden  gesprSch  in  unbestimmter  weise  schon  die 
rede  gewesen  ist,  kann  im  Plautmischen  dialog  kaum  das  demonstrativ- 


638        A.  Kiessling :  anz.  v.  Plaut!  Truculentus  eü.  A.  Speogel. 

proDomen  fehlen,  demnach  ist  sowol  im  zweiten  verse  nam  quid  [id] 
est?  als  im  vierten  quis  [tf ]  est?  notwendig  einzusetzen,  im  driltcD 
verse  endlich  lautet  die  hsl.  fiberlieferong:  rii/ttf  bolos  quos  dai,  wjs, 
werde  es  nun  als  ausrufong  yerstanden  oder  als  abh^n/pge  frage ,  weil 
einfacher  und  ungezwungener  ist  als  die  unmotiviert  bastige  Unterbre- 
chung der  rede,  welche  lir.  Sp.  anntmt.  denn  dasz  ein  neuer  Itebhaber 
im  hause  ist,  ist  nach  r.  8  fQr  Diniarchus  keine  Clberraschung  mehr, 
dies  alles  zusammen  läszt  ref.  vermuten  dasz  diese  verse  eben  so  wie  di« 
vorhergehenden  als  bacchecn  zu  messen  und  mit  geringen  2ndemngea 
so  zu  schreiben  sind : 

sed  da  tni^  obsecro^  öperam,  ui  narrem  [tibt]  quae  volo, 
IT  nam  quid  [id]  est?  nutn  med  refertf   f  non  mussiidbo^ 
intüs  quos  bolds  daL   IT  quid^  amäior  novos  quis  quam? 
r  itegrum  St  plenum  adörtust  thensaürum.    IT  [nam]  quis 

[is]  estr 
den  ersten  vers  freilich  möchte  man  lieber  akatalektisch  sehen,  und  viel- 
leicht gelingt  es  anderen  ihu  auf  eine  leichte  weise  zu  ergänzen. 

IV  2,  19  wünscht  Diniarchus  einlasz:  nön  ego  nunc  inlro  ad  ros 
mittar?  Ast.  quidum  quam  mües  magis?  dieser  gebrauch  von  quidum 
ist  bei  Plautus  unerhört ,  da  es  sonst,  soviel  ref.  bekannt,  immer  für  sidi 
allein  steht  und  nicht  in  die  construclion  einbezogen  ist.  man  wird  daher 
besser  lesen:  nön  ego  nunc  intro  ad  vos  mittar^  ^  qui  tu  quam  mües 
magis?  darauf  antwortet  Diniarchus  (v.  20):  quia  enim  pius  dedi,  Ast. 
plus  etiam  es  intro  missus^  quom  dabas,  etiam  es  hat  hr.  Sp.  für 
enimse  gebessert;  der  Überlieferung  noch  näherkäme:  pius  nimio's 
intro  missus^  quom  dabas,  vgl.  II  5,  20  wo  hr.  Sp.  aus  dem  hsl.  enim 
scito  sehr  ansprechend  eius  nimis  cito  eruiert  hat. 
IV  2,  27  ff. 

Ast.  idem  istuc  delaium  sdo. 
de  eö  nunc  bene  sum  tua  virtute,  Di.  meane  ut  inimici  mei 
bona  istic  comedint  ?  mortuom  kercle  me  quam  id  patiar  ma- 

veUm, 
Aslaphium,  die  vor  der  thQr  mit  Diniarchus  spricht,  kann  doch  unmög- 
lich sagen:  ^ich  lasse  mir  jetzt  deine  geschenke,  das  oibsonium^  gut 
schmecken.'  vielmehr  sind  es  Phronesium  und  Strabax,  die  es  sicli  drin* 
nen  gflllich  sein  lassen,  und  dasz  Diniarchus  ihre  worte  so  versteht, 
zeigt  seine  replik  meane  ut  inimici  mei  bona  istic  —  nach  dem 
iiinern  des  hauses  weisend  —  comedint?  also  ist  zu  lesen:  de  eo  nunc 
bene  sunt  tua  virtute^  wie  auch  hr.  Brix  vorschlägt,  der  im  übrigen  die 
stelle  ganz  ebenso  wie  hr.  Sp.  herstellt,  dasz  aber  das  hsl.  cedent  viel- 
leicht niclit  in  comedint  geändert  zu  werden  brauche,  sondern  einfach 
caedent  gelesen  worden  könne,  ist  schon  oben  zu  I  2,  12  erwähnt 
worden. 

IV  2, 52  nee  mihi  adest  ad  hilum  pensi  iam  quo  capiam  caiceos, 
adillum  BCD.    so  schön  auch  ad  hilum  von  Acidalius  ausgedadit  ist,  so 
s.i  A^^y^  yfQ\  dqqIi  einfacher  und  wahrscheinlicher  das  bereits  von  Casau- 
Vorschlag  gebrachte  tantillum. 


A.  Kiessling:  anz.  v.  Piauli  Truculentus  ed.  A.  Spengel.        639 

Gewis  nicht  richlig  ist  auch  hm.  Sp.s  Schreibung  von  IV  3,  12. 
Diniarchus  sieht  wie  Callicles  mit  zwei  Sklavinnen  ein  verhör  anstellt, 
und  vermutet  sofort,  er  mochte  wol  nach  dem  Verführer  seiner  toditer 
inquirieren.  und  da  er  sich  dfeser  schuld  bewust  ist,  so  schwebt  er  in 
der  grösten  angst: 

Stiam  nunc  quid  sit  negotii  falsus  incertusque  sum^ 
nisi  quia  iimeo  tarnen  negoiium  ei  quid peccavi  scio. 

stall  negotium  ^t  hat  B  ego  net,  CDego  nee.  daraus  wird  gewöhnlich  ego 
nee  gemacht  und  diese  zweite  vershälfte  einer  der  inquisitinnen  in  den 
round  gelegt,  das  letztere  ist  aber  ganz  unpassend,  da  nach  v.  4  comme- 
mini^  quo  quicque  pacto  sitis  confessae:  scio  die  Sklavinnen  bereits  ein 
geständnis  ihrer  peecata  abgelegt  haben  und  es  sich  hier  um  eine  fort- 
Setzung  des  verhörs  handelt,  unmöglich  kann  also  eine  derselben  sagen, 
sie  wisse  gar  nicht  was  sie  schlimmes  gethan  haben  solle,  hr.  Sp.  hat 
tiaher  sehr  richtig  die  worte  dem  Diniarchus  gegeben,  aber  seine  weitere 
finderung  negotium  et  ist  auch  abgesehen  von  der  fehlerhaftigkeit  des 
nietrums  ziemlich  matt  und  schleppend ,  nachdem  bereits  quid  sit  negoti 
vorausgegangen  ist,  und  quid  peccavi  scio  doch  zu  selbstverständlich, 
ref.  möchte  daher  vorschlagen:  nisi  quia  timeö  tamen  egomet  {ne'] 
quid  peccavi  sciat,  zu  nicht  geringer  besläligung  dieser  Vermutung 
ma;;  gelten ,  dasz  auch  hr.  Brix  fast  auf  genau  demselben  wege  den  vers 
herzustellen  sucht,  indem  er  ego  ne  quid  peccavi  sciai  vorschlügt  — 
freilich  mit  harter  betonung  im  vierten  versfusze. 

Indem  nun  Callicles  die  beiden  deliuquenlinnen  abgesondert  aufslellt 
und  einzeln  ausfragt,  wendet  er  sich  zunächst  an  seine  sklavin  (v.  15}: 

quid  püero  factumst ,  mia  quem  peperit  filia , 
me6  nepote  ?  capita  rerum  expedile,   IT  islae  dedi. 

unverständlich  ist  hier  nach  dem  vorausgegangenen  der  plural  expedite: 
Plautus  schrieb  vielmehr  expedi  tu  wie  v.  14.  22.  25  loquere  tu, 
IV  3,  40  f. 

Ca.  et  tibi  quidem  hercle  idem  [isticl  attulit  magnum  malum. 
A.  de  istoc  ipsa  etsi  tu  taceas^  reapse  experta  inteUego, 

die  härte  welche  in  dem  hyperbaton  de  istoc  .  .  etsi  tu  iaceas  liegt, 
während  jeder  unbefangene  leser  de  istoc  in  sprachwidriger  weise  mit 
intellego  zu  verbinden  wünscht,  fühlte  wol  hr.  Sp.  selbst,  indem  er  in 
der  nole  hinzufügte:  'non  male  Geppertus  ne  istuc  pro  de  istoc.*  leich- 
ter war  aber  jedenfalls  mit  hinzufügung  noch  eines  ^chstaben  zu  schrei- 
ben: idem  istuc  ipsa  .  .  intellego,  vgl.  für  idem  istuc  die  von  Bitschl 
opusc«  II  s.  418  beigebrachten  stellen,  eine  kleinigkeit  ist  dann  ferner 
noch  in  vers  4G  herzustellen,  nemlich:  meum  üluc  facinust^  mea 
sluliitiast:  iimeo  quam  mox  nominer^  wo  die  hss.  fadnus  ohne  est 
bieten. 

IV  3,  57  ff. 

nön  vinum  hominibus  moderari^  sed  homines  vino  soleni^ 
qui  quidem  probi  sunt:  verum  qui  inprobusi^  siurnas  bibit^ 
sive  adeo  caret  temeto^  tamen  ab  ingenio  inprobust. 


640        A.  Kiessling:  anz.  v.  PIjqü  Truculentus  etl.  A.  Spengel. 

dem  sinne  genugl  gewis  si  umas  bibii^  wie  lir.  Sp.  für  das  comiple  si 
quam  sibibii  rerinutet  bat ;  dasz  dies  aber  in  den  zagen  der  öberiiefe- 
rung  liege,  wird  er  selbst  kaam  bebaupten  wollen,  diesen  entspricht 
es  Welniehr,  nenn  wir  lesen:  qui  quidetn  probt  suni^  verum  qui  ipro- 
bust  cu[ji\am  si  bibil.  ganz  ebenso  ist  culpam  confers  v.  55  in  Cl> 
in  quipinam  confer  verderbt  cupa  ist  das  grosze  bölzeme  weinfasz: 
mag  also  der  tatigenichts  den  wein  sanmweise  trinken  oder  gar  nicht,  er 
bleibt  ein  laugeniclils.  ganz  mit  demselben  bilde  sagt  noch  Horaz  saL 
11  8,  39  inveriunt  Mifanis  vinaria  iota  Vibidius  Balatroque. 

Als  dann  Diniarchus  sein  vergehen  eingestanden  hat,  die  skbvianeo 
aber  noch  in  fesseln  dastehen,  mahnt  eine  derselben  —  doch  wol  die 
iansirix  der  Phronesium  —  den  Caliicles  daran  sie  nun  loszulassen 
(v.  62):' 

Cdüides ,  tnde  quaeso  insignem  ne  facias  iniuriam : 
rius  solutus  causam  dieit^  iestis  vinetos  atiines. 

quaeso  insignem  ne  ist  conjeclur  von  Geppert;  die  hss.  Iiaben  quaesamne 
BD  oder  quae  somneim  C.  noch  naher  käme  vielleicht  der  fiberliefening 
und  jedenfalls  Plaulinischer  wäre:  Caliicles^  tnde  quaeso  insonti  ne 
facias  iniuriam,  vgl.  Men,  806  tu  male  facis^  quae  insoniem  in- 
simules. 

IV  4,  12  ff. 

scio  equidem  sponsam  tibi  esse  et  filium  ex  sponsa  tua 

et  tibi  uxorem  ducendam  iam  esse:  \alibi  iam  animum  tuom. 

üt  me  quasi  pro  derelicta  sis  habiturus, 

fär  das  corrupie  alibi  iam  hat  hr.  Sp.  novi  geschrieben ,  und  sicherlicb 
kann  vor  animum  tuom  kaum  etwas  anderes  als  dieses  wort  gestanden 
haben,  aber  ebenso  sicher  ist  es  wol,  dasz  alibi  iam  nicht  aus  nom' 
verderbt  sein  kann,  vielmehr  scheint  novi  animum  tuom  ende  eines 
neuen  verses  zu  sein,  und  der  vorhergehende  lautete,  nach  tilgung  des 
unuülzen  einschiebsels  iam  esse:  St  tibi  uxorem  ducendam  [Cjalliclai 
[fiQiam, 

IV  4,  24  factum  cupio:  nam  aliter  facere  si  velim^  non  est 
locus*  Diniarchus  wünscht,  er  hätte  bereits  zugestanden  dasz  Phrone- 
sium den  knabon  noch  drei  tage  behalten  kdune,  und  hätte  nicht  mehr 
nötig  einen  enlscblusz  In  dieser  angelcgenheit  zu  fassen :  denn  abschlagen 
könne  er  es  ihr  ja  doch  nicht,  ffir  aliter^  was  von  Geppert  vermutet 
worden  ist,  haben  al^r  die  hss.  blosz  re.  vergleichen  wir  nun  mit  unse- 
rer stelle  folgenden  vers  des  Pseudolus  (437):  vetus  nölo  faciat,  IT  al 
enim  nequiquam  nevis:  \  vel  tu  ne  faceres  tale  in  adulescentia:  so 
kann  ref.  nicht  umhin  zu  vermuten ,  dasz  das  alte  Latein  neben  so  vielen 
anderen  zum  teil  verschollenen  und  obsolet  gewordenen  verbalcompo- 
sitionen  mit  ne  oder  nec^  von  denen  manche  wie  nescire  nequeo  und 
neglegere  sich  bis  in  die  classische  zeit  erhalten  haben,  auch  ein  ne  facere 
gleich  non  facere^  omittere  gebildet  habe,  dies  hier  eingesetzt  wörde 
kaum  merklicher  änderung  lauten:  factum  cupio:  nam 
^elim ,  non  est  locus. 


A.  Kiessling:  anz.  v.  Piauli  Truculeiitus  ed.  A.  Spengd.      '641 

IV  4,  36  ff. 

tta  sunt  gloriae  meretricum,  Ast.  ah,  tace.  Phb.  quid  est^ 

obsecro? 

Ast.  ddesi  [paier]  puerü  Phr.  sine  eumpse  adire  huc:  sine^ 

si  is  esty  modo, 

viden  eumpse  adire  ui  coepit?  ad  me^recia  se  tenel. 
im  ersten  vers  hat  Gepperl  ah  für  das  hsl.  aha  gebessert:  er  hätte  vah 
schreiben  sollen,  wie  Pseud.  208  vah  face.  T  quid  est?  T  male  mihi 
morigeru^s.  im  dritten  verse  hat  hr.  Sp.  viden  eumpse  für  das  sineum 
ipse  der  hss.  eingesetzt  und  dadurch  die  offenbare  dittographie  ver- 
dunkelt, sine  eumpse  adire  ist  natflrlich  als  irrige  Wiederholung  aus 
dem  vorhergehenden  verse  auszuwerfen,  und  der  verloren  gegangene 
versanfang  etwa  so  zu  ergänzen:  [ad  me  pergit  porro^  ut  coepit:  ad 
me  recta  se  tenet, 
VlOff 

puero  opust  cibo^  opus  est  autem  matri  quae  puerum  lavit, 

öpusl  nutrici^  lacte  ut  habeat^  veteris  vini  largiter, 

üt  dies  noctesque  polet. 
Phronesium  zählt  auf,  was  alles  zur  erziehung  des  kindes  nötig  sei :  der 
junge  will  leben ,  ebenso  die  mater  quae  puerum  lavit^  die  amme  will 
wein  haben  usw.  wer  ist  nun  die  mater  quae  puerum  laviH  hr.  Sp. 
verweist  auf  Men.  prol.  19  wo  die  mater  quae  mammam  dahat  von  der 
echten  mutter  unterschieden  werde,  dasz  die  amme,  die  nutrix^  aucli 
mater  genannt  wird  ist  nicht  auffallend ;  gerade  sie  kann  aber  an  unserer 
stelle  nicht  mit  der  mater  quae  puerum  lavit  gemeint  sein ,  da  sie  erst 
im  folgenden  ausdrücklich  genannt  wird,  und  was  soll  autem  hier  wo 
alle  glieder  der  aufzählung  asyndetisch  sich  aneinanderreihen?  warum 
endlich  nennt  sich  nicht  auch  Phronesium  selbst  unter  denen  die  zu 
leben  nötig  haben  ?  da  nun  die  hss.  matri  aulS  haben ,  so  liegt  die  Ver- 
mutung nahe  malri  auf  die  Phronesium  zu  beziehen  und  in  autem  einen 
dativ  zu  suchen,  an  den  sich  die  folgende  relativbestimmung  anschlieszt. 
schrieb  etwa  Plautus  mit  hiatus  in  der  diäresis:  püero  opust  cibo^  opus 
est  matri ^  dnui  quae  puerum  lavit  — ?  die  weglassung  von  opus  est 
im  dritten  gliede  wäre  nicht  auffallender  als  in  v.  13  fasciis  opus  est^ 
pulvinis^  cunis  incunäbulis:  öleo  opust  usw. 

V  15  nümquam  uno  hoc  die  ecficiatur  opus  quin  opus  semper 
siet.   erfordert  nicht  der  gegensatz  dasz  man  unum  lese? 

V  28:  Strabax  hat  die  Phronesium  schon  einmal  angerufen,  v.  25 
heus  amicoy  quid  agisT  sie  möge  sich  vom  Soldaten  losmachen  und  zu 
ihm  zurückliehren.   darauf  wiederholt  er  diese  aufforderung : 

Phr.  cöndidi  intro  quod  dedisii,   Str.  fadest^  amica^  te  ad- 

loquor, 

Phr.  dt  ego  ad  te  ibo,  meae  deliciae,  Str.  hercle  vero  serio. 
für  das  corruple  adest  schreibt  hr.  Sp.  wenig  wahrscheinlich  heus;  eher 
möchte  in  diesen  zögen  liegen:  audisti^  amica?  te  adloquor. 

V  62  übist  quod  tu  das?  solve  zonas,  provocator^  quid  times? 
nur  ^ine  zona  trägt  doch  der  vom  land  hereingekommene  Strabax,  also 

Jahrbücher  für'eUM.  phUol.  1868  hft.  9.  /  42 


^42       A.  Kiessting:  ans.  ▼.  Plaoü  TrocaieoliR  ed.  A.  ^pengeL 


ist  tu  lesen:  solve  ionam,  auf  diese  aufTordenuig  erwidert  SCrdox  mit 
aofziUmig  dessen  wts  er  geben  wofle  aber  nicht  bei  sich  habe,  d^L  er  ja 
hier  wohne  (▼.  64  f.): 

pecua  ad  hone  edUo  in  erunUna  ego  ahUgata  dtftro 

q  uid  de  du  ui  desirinxi  homtnem!  f  immo  ego  vero  gm  dedL 
ffir  quid  dedi  will  br.  Sp.  vide  licet  schreiben,  da  dieser  Tersanfang  nor 
anticipation  des  Tersschlosses  qui  dedi  sei.  allein  gerade  dieser  vers- 
schlusz  erfordert,  um  den  nötigen  gegensatz  herzustellen,  dasz  nun  Im 
anfang  lese  qua^  dabo  und  dann  entweder  mit  Umstellung  vi  homUmem 
desirinxi  oder  ui  desirinxi  homonem,  so  gewinnt  dann  auch  erst  die 
antwort  der  Pfaronesium  (v.  68):  iüdedisii^  [^]  <^"*  daiurusi: 
istuc  haheo^  hoc  expeto  ihre  rechte  bezlehung.  übrigens  ist  fQr  hie  viel- 
mehr isie ,  was  nach  dedisH  so  leicht  ausfallen  konnte ,  zu  ergänzen. 
V  73  f.  lauten  In  den  hss.: 

meamque  ui  rem  debere  negesiam^  vosiram  rursum  bene 

geram, 

romabo.  si  quid  animaiusi  fadare  faciam  ui  sciam. 
hr.  Sp.  schreibt  Im  ersten  verse  dem  sinne  nach  richtig  aber  gewaltsam 
rem  habeo  bene  ^.,  im  zweiten  aber  gewis  falsch  iniro  abeo.  denn  nach- 
dem Phronesium  v.  66  den  Soldaten  hineingeschlclct  hat,  der  sich  t.  70 
brummend  entfernt  hat,  ist  Strabax  noch  auf  der  bühne,  und  sie  musz 
nun  notwendiger  weise  an  diesen  die  anfTorderung  richten  sich  mit  ihr 
zusammen  in  das  innere  des  hauses  zu  begeben,  in  iniro  abeo  würde 
aber  liegen,  dasz  sie  selbst  hineingeht  und  ihren  liebhaber  drauszen 
stehen  iSszt.   ref.  möchte  daher  lieber  lesen: 

meamque  ui  rem  vide 6  bene  gesiam^  vösiram  rursum  bine 

geram. 

i  iniro^  amabo;  quod  animatu's  facere  fac  iam  uii 

sctam. 
animatü*s  und  fac  iam  uH  war  flbrtgens  schon  von  Bolhe  gefunden  wor- 
den ,  sowie  amabo  von  Gamerarius.    und  nachtraglich  bemerlie  ich  auch 
dasz  bereits  Ritschi  opusc.  II  s.  260  im  ersten  verse  Video  herstellen 
wollte,  wenn  auch  nach  gesiam^  wodurch  allerdings  der  rythmus  gewinnt. 

Noch  manche  unwichtigere  stelle  wSre  zu  erwähnen  gewesen,  In  be- 
treff deren  ref.  die  ansieht  hrn.  Sp.s  nicht  zu  teilen  vermag;  allein  alles 
im  einzelnen  zu  erörtern  würde  den  umfang  dieser  besprecimng  Ins  un- 
mäszige  ausdehnen,  wir  schlieszen  mit  dem  wünsche,  dasz  sich  jetzt,  wo 
der  anfang  gemacht  ist,  die  aufmerksamkeit  der  Plauluskriliker  wieder 
in  erhöhtem  masze  dem  so  lange  vernachlSssfglen  slficke  zuwenden  möge, 
und  in  der  hoffnung  wenigstens  einiges  brauchbare  zur  heilung  seiner 
schaden  in  dem  vorstehenden  beigetragen  zu  haben. 

Basel.  Adolf  Kibsslinq. 


Gb.  Cron :  zu  Cicero  de  oratore  [II  62, 209].  6tö 

B7. 
ZU  CICERO  DE  ORATORE. 


In  dem  zweiten  bacbe  der  schrifl  de  oraiore^  fn  welchem  Antonias 
das  wort  führt,  wird  vom  43ii  capitel  an  von  der  einwirkung  auf  die  ge- 
rn flter  der  ztthörer  gehandelt  und  besonders  die  invidia  hervorgehoben, 
die  Antonius  als  die  heftigste  aller  gemOtsbewegungen  bezeichnen  zu 
dürfen  glaubt,  die  unmittelbar  folgenden  worte  (52,  209)  lauten:  inui- 
deni  auiem  homines  maxime  paribus  aui  inferioribus  ^  cum  se  reHctos 
senltunt^  ittos  auiem  dolent  evolasse;  sed  etiam  superioribus  invidetur 
vehementer  ei  eo  magis^  si  tnioleranUus  se  iaeiant  et  aequabiliiaiem 
communis  iuris  praestaniia  dignitatis  aui  foriunae  suae  iranseuni. 
quae  si  inflammanda  suni^  maxime  dicendum  est  non  esse  viriuie 
parta^  deinde  etiam  tritiis  atque  peccatis^  tum^  si  erunt  honesiiora 
atque  graviora^  tarnen  non  esse  tanii  utta  merita^  quania  insolentia 
hominis  quantumque  fasiidium.  so  lautet  die  stelle,  soviel  ich  weisz, 
auch  in  den  neuesten  ausgaben  ohne  eine  Verschiedenheit  der  lesart.  und 
doch  bietet  ein  ausdruck  erhebliche  Schwierigkeiten ,  wie  wol  jeder  leser 
fflhlen  wird:  ich  meine  das  wort  inflammanda,  achtet  man  auf  die 
eigentliche  bedeutung  und  den  gewöhnlichen  gebrauch,  so  würde  man 
darauf  gewiesen  sein  als  subjecl  invidia  zu  denken,  was  das  syntaktische 
verbSltnis  des  satzes  nicht  gestattet,  dieses  nötigt  uns  das  wort  auf  die 
eben  genannten  vorzQge,  dignilas  und  fortuna  zu  beziehen,  aber  was 
soll  das  heiszen:  dignitatem  und  fortunam  inflammarel  der  neueste 
erklarer,  Plderit,  umschreibt  den  ausdruck  in  folgender  weise:  'will  man 
diese  viel  beneideten  vorzflge  durch  die  faces  dicendi  (§  205)  einer  noch 
gesteigerten  invidia  preisgeben ,  so  dasz  der  funke  in  heller  flamme  auf- 
lodert.' dasz  aber  durch  diese  erklärung  dem  worte  inflammare  viel, 
sehr  viel ,  leicht  mehr  als  es  tragen  kann,  aufgebflrdet  wird,  und  zwar  in 
einer  stelle  wo  weder  dichterische  IVeiheit  noch  rednerische  kflhnheit, 
sondern  trockene  erörterung  wallet,  dürfte  kaum  zu  verkennen  sein. 
Plderit  bringt  allerdings  eine  parallelstelle  bei,  die  ebenfalls  mehr  be- 
achlung  verdient,  als  sie  bei  den  lexikographen  gefunden  hat.  es  ist  die 
stelle  aas  dem  orator  (28,  99) ,  wo  Cicero  von  den  verschiedenen  arten 
der  redekunst  spricht  und  die»verwerflichkeit  des  strebens  derjenigen 
darthut,  die  nur  auf  die  höchsten  kunstmittel  ihr  augenmerk  richten. 
qui  enim  sagt  Cicero  nihü  potest  iranquiUe^  nihil  leniter,  nihil  partile 
definite  distincte  faceie  dicere^  praesertim  cum  causae  partim  totae 
sint  eo  modo^  partim  äliqua  ex  parte  tractandae:  si  is  non  praeparatis 
auribus  inflammare  rem  coepit^  furere  apud  sanos  et  quasi  inier 
sobrios  bacchari  vinolentus  videtur.  allerdings  sagt  hier  Cicero  Inflam* 
mare  rem  in  dem  sinne  'etwas  in  der  eindringlichsten  und  wirksamsten 
weise  darstellen';  allein  von  diesem  begriff  bis  zu  dem  an  der  andern 
stelle  geforderten  ist  doch  noch  ein  weiter  weg.  dort  ist  dasjenige  was 
hier  gar  nicht  ausgedrückt  ist  gerade  die  hauptsache.  der  Zusammenhang 
verlangt  offenbar  einen  ahnlichen  begriff,  wie  er  etwas  weiter  oben  vor- 

42* 


644  Cb.  Gron :  za  Cicero  de  oratore  [II  52,  209]. 

kommt  in  den  ausdrQclien  odium  strtiere  und  iracundiatn  excüare^  nur 
auf  die  innidia  bezogen,  dieser  forderung  würde  aufs  beste  entsprocheo, 
wenn  man  statt  inflammanda  läse  infamanda.  denn  infamare  d^m- 
iatem  kann  man  wo!  unbestreitbar  in  dem  sinne  sagen ,  dasz  man  das 
was  als  Vorzug  gilt  in  ungflnstigem  lichte  darstellt  und  dadurch  der 
person,  die  diesen  Vorzug  besitzt,  misgunst  erweckt;  und  dasz  dies 
Cicero  meint,  zeigen  die  unmittelbar  folgenden  worle.  man  könnte  viel- 
leicht versucht  sein,  um  inflammanda  zu  retten,  för  quae  eine  andere 
beziehung  zu  ermitteln,  und  diese  in  den  worten  ii . .  iranseuni  zu  finden 
glauben,  indem  man  zugleich  auf  die  zweiteilige  gliederung  gewicht  legte, 
allein  fürs  erste  enthalten  die  beideu  durch  el  verbundenen  glieder  doch 
nicht  einen  zwiefachen  begrilT,  sondern  nur  den  ^inen  der  überhebung 
über  andere;  dann  wäre  der  fibergang  zu  einem  andern  subject  bei  paria 
doch  selir  hart;  und  schlieszlicli,  würde  denn  wirklich  der  ausdmck  leich- 
ter und  natürlicher?  gewis  nidit  in  dem  grade,  dasz  man  um  des  willen 
die  anderen  übelstände  leichthin  mit  in  den  kauf  nehmen  mochte,  liest 
man  infamanda^  so  schreitet  die  rede  wirklich  ohne  hindemis  und  he- 
schwerde  fort  und  steht  mit  der  vorhergehenden  erörterung  in  bestem 
einklang..es  ist  von  verschiedenen  gemütsstimmungen ,  die  der  redner 
hervorzubringen  im  stände  ist,  die  rede;  zuerst  eiugehender  von  der 
liebe,  dann  von  hasz  und  zorn  und  zwar  sowol  von  der  erreg ung 
als  von  derbeschwichtigung  dieser  emp6ndungen.  fast  nur  erwähnt 
werden  furcht  und  hoffnung,  freude  und  verdrusz;  das  haupl- 
gewicht  wird  aber  auf  die  misgunst  gelegt,  und  aucli  hier  sowol  die 
erregung  als  die  beschwichtig  ung  derselben  ins  äuge  gefaazU  von 
ersterer  wird  in  der  oben  ihrem  Wortlaut  nach  dargelegten  stelle  ge- 
handelt; von  letzterer  in  dem  sich  unmittelbar  daranschlieszenden  satz, 
welcher  mit  den  worten  ad  sedandum  beginnt,  man  könnte  nun  daran 
anstosz  nehmen,  dasz  der  gegensatz  nicht  streng  im  ausdruck  eingehalten 
ist.  das  gälte  aber  gerade  so  gut  bei  der  lesart  inflammanda^  wie  wenn 
man  infamanda  dafür  setzt,  denn  auch  bei  jenem  wäre  ja  doch  nicht 
der  begriff  zu  denken ,  auf  den  das  absolut  gebrauchte  sedandum  führt, 
nemlich  invidia  oder  animus^  und  daher  in  der  that  sedare  nicht  als 
reiner  gegensatz  von  inflammare  zu  fassen,  der  gegensatz  liegt  eben 
nicht  in  diesem  gliede ,  sondern  in  dem  ganzen  satze  von  invideni  bis 
fastidium ,  dessen  ausführung  durch  die  Unterscheidung  von  pares  und 
inferiores  und  superiores  bestimmt  ist  vielleicht  aber  hat  gerade  der 
scheinbare  gegensatz,  auf  welchen  das  wort  sedare  führt,  das  Verderbnis 
veranlaszt,  wobei  auch  die  erinoerung  an  die  faces  dicendi^  die  man  ja 
auch  bei  der  erklärung  des  ausdrucks  inflammanda  zu  hülfe  nimt,  mitge- 
wirkt haben  mag. 

AuasfiüRQ.  Chbistia»  Cbon. 


A«  Eussner:  aoz.  v.  W.  S.  Teuffei  über  Salluslius  und  Tacitu».     645 

88. 

ÜbBB   SAUiUSTXUa    und   TaOITUS    von  DR.   WlLH£LM   SlQlfUND 

Teüffei«.   (nniversitätsprogramm.)   Tübingen ,  gedruckt  bei 
li.  F.  Fues.   1868.   47  s.  gr.  4. 

Vor  mehreren  jähren  hat  in  diesen  Jahrbüchern  hr.  prof.  Tenffel  dar- 
auf hingewiesen,  der  grandrisz  der  römischen  litteratnr  von  Bemhardj 
—  ein  werk  das  seit  mehr  als  einem  menschenalter  geradesu  allen  deut- 
schen Philologen  lehrer  geworden  ist  —  werde  von  der  leider  nnyoll- 
endeten  bearbeitnng  der  griechischen  litteratnr  desselben  gelehrten  da- 
durch fibertroffen,  dass  diese  durchaus  die  exacteste  specialforschnng^ 
erkennen  lasse,  die  man  in  jenem  bisweilen  vermisse,  diesen  Vorzug 
genauer  detailarbeit  scheint  hr.  TeufFel  in  seiner  im  erscheinen  begriffe- 
nen rSmischen  litteraturgeschtchte  besonders  angestrebt  zu  haben,  vor- 
bereitet durch  zahlreiche  artikel  desselben  vf.  in  der  von  ihm  geleiteten 
realencjclopädie  ist  dieses  bnch,  wie  man  bereits  nach  der  früher  mit- 
geteilten probe  fiber  Cicero  urteilen  konnte,  durch  volle  beherschung 
des  Stoffes,  seltene  akribie  der  forschung  und  einfache  klarheit  der  dar- 
stellung  ganz  geeignet  manche  einzelschriften  überflüssig  zu  machen, 
ref.  wenigstens  gesteht  dasz  er,  durch  die  jüngst  veröffentlichte  weitere 
probe  'über  Sallustins  und  Tacitus'  veranlaszt,  eine  nahezu  druckfertige 
monographie  über  Sallustins  zurückzuhalten  gedenkt,  er  begnügt  sich 
zn  Teuffels  abhandlung  ein  paar  anspruchslose  bemerkungen  nachzu- 
tragen, für  welche  er  wol,  ohne  misdentung  fürchten  zu  müssen,  statt 
der  bescheidenem  die  kürzere  form  wählen  darf. 

8allnstius.  L  leben  und  Charakter,  s.  1  anm.  1  fehlt  für  den 
Saturnier  ierrd  pestim  tenito^  »dtua  h(c  manito  bei  Varro  das  citat  de  re 
rust,  I  2,  27.  —  8.  2:  die  Schreibung  Saütutiuf  'scheint  auch  der  Medi- 
ceus  bei  Tacitus  zu  haben\  wamm  scheint,, da  doch  Bekkers,  Bai- 
ters  und  Ritters  collationen  ann,  III  80  übereinstimmen?  —  8.  2  anm.  3: 
zur  beschönigung  seiner  entfernung  aus  dem  Senate  spricht  Sali,  anch 
lug,  4,  4  quae  genera  homiman  in  genatum  pervenerint,  —  8.  3  war  Asco- 
nius  nach  Halm  zu  citieren:  in  inoidiam  eiiam  de  Cicerone  und  rediste  in 
gratiam.  —  8.  3  anm.  4:  Pseudocic.  refp.  c.  6  übt  T.  textkritik,  indem 
er  in  senatum  per  (statt  poet)  quaegturam  reducttu  est  schreibt,  er  durfte 
auch  s.  2  ebd.  c.  6  vendidii  streichen,  das  zu  venaie  habuit  glossem  ist: 
vgl.  c.  6,  27.  —  8.  4  anm.  6  (vgl.  s.  19  anm.  6  und  s.  20)  ist  die  stelle 
Suet.  gr,  10  über  Atejus  endlich  richtig  interpretiert,  die  worte  cobät 
poitea  famüiarissime  C.  Salbistium  et  eo  defuncto  Asiwtum  PoUionem,  quos 
hiitoriam  eomponere  aggreuoa  alterum  hreviario  rerum  omnium  Romanarum, 
ex  quibus  quas  vellet  cKgeret,  instruxit,  alterum  praeeepiis  de  rattone  seri- 
bendi  halte  nemlich  Bemhardj  röm.  litt.  (4)  s.  666  und  252  so  erklärt, 
als  habe  Sali,  nach  Atejus  seinen  stil  geformt  und  PoUio  von  demselben 
anweisung  zur  historiographle  erhalten,  die  unbefangene  betrachtung 
der  stelle  und  der  folgenden  worte  bei  Sueton,  besonders  des  von  Ate- 
jus an  PoUio  erteilten  rathes  vitet  maanme  obecuritatem  Sallusti  usw.  lehrt, 
dasz  8alL  die  Übersicht  der  römischen  geschichte,  PoUio  den  stilisti- 
schen tractat  empfangen  haben  musz. 

II.  Schriften,  s.  6  anm.  1:  Salhatius  in  Catilina  citiert  z.  b.  auch 
GelUus  (III  1,  1).  VI  17,  7.  IX  12,  9,  XX  6,  14.  —  8.  6  anm.  3:  quelle 
für  den  Catilina  waren  auszer  den  reden  des  consuls  und  eigner  er- 
innerung  gewis  auch  aufzeichnungen  von  Bmtus  (vgl.  die  s.  7  citierte 
stelle  Cic.  ad  Att,  XII  21,  1),  dessen  Interesse  für  geschichte  aus  Cic. 
ad  Att.  XII  6  und  XIII  8  bekannt  ist.  —  Ebd.  werden  sachliche  unge- 
nauigkeiten  im  Catilina  angeführt:  zu  31,  9  (nicht  19)  war  Cic.  p,  Mur, 
26,  61  zu  vergleichen,  auszerdem  finden  sich  ungenauigkeiten  in  ge- 
legentlichen notizen:  9,  1  eoncordia  maantma,  miTtuma  auaritia^  51,  5  in* 


646    Ä.  Eossaer:  aoz.  v.  W.  S.  Tcuffel  über  Sallustlus  und  Tacito^. 

punUos  eoi  dimitere  (sc.  RhoeUot)  Tgl.  Momnuien  röm.  gesch.  I^  s.  785; 
61,  39  Graedae  morem  irnUati  verberibus  anSmadvortebant  in  ehns.  —  S.  7: 
nicht  nur  'die  officiellen  ehren-  and  dankesbezeigangen  für  Cicero^  ver- 
schweigt Ball.,  sondern  er  gedenkt  auch  der  zweiten  und  vierten  Cati- 
linarisehen  rede  gar  nicht  und  begnügt  sich  beaügUch  der  dritten  mit 
der  audeutung  des  im  volke  (durch  die  dritte  rede)  erregten  enthusiasmiis 
für  den  consul  Cai.  48, 1. —  S.  9:  der  titel  lugurtha  steht  z.  b.  auch  bei  Gel- 
lÄQS  I  %2, 16.  IX  14,  26  nnd  Suet.  de  poetü  s.  22  Reiff.  den  titel  kisimia  Ivgur- 
tJünahei  Gellioa  XVI 10,  16  hat  T.  übergangen.  —  S.  9  anm.  2:  polemik 
gegen  die  potenüa  paucorum  (nabäüas)  findet  sich  auch  aoszer  den  ange- 
zogenen stellen  noch  Jug.  31,  2.  9.  19.  41,  10.  42,  4.  or.  Lep.  23.  Maeri  27. 
hUt.  fr.  I  10  (Dietsch);   Cai.  23,  6.  38,  2.  43,  2.  lug.  5,  1.  13,  5.  27.  2. 
30,  3.  64|  1.  86,  37.  —  In  dem  citat  Ferr.  V  48,  126  mnste  es  heissen 
pervetäre  (statt  venire),  —  T.  sagt  mit  recht.  Sali,  stelle  nicht  die  ange- 
hörigen  der  nobilitttt  (wie  Metellus)  oder  den  Sulla  in  schatten,    als 
beleg  für  Metellas  vgl.  lug.  43,  1  aeri  viro  et  quamquam  advorso  popuU 
parüum,  fama  tarnen  aeguabiU  et  inviolata  und  45  j  1  magnum  et  »apieniem 
otrum  fuiese  comperior.     für  Sulla  vgl.  95,  4  numguam  super  mAteiriam 
fortuna  fuit,  tnuUique  dubitaoere  fortior  an  feHdor  esset,  —  S.  10  anm.  4: 
zu  dem  eacurs  lug,  41  f.  konnte  der  ähnliche  Cai.  38  f.  verglichen  wer- 
den. —  Im  Jag.  'sind  viele  gedanken  und  ausdrücke  aas  dem  Catalina 
wiederholt',    auch  im  Cat.  selbst  finden  sich  auffallende  Wiederholun- 
gen, z.  b.  in  den  beiden  reden  c.  20  and  68.  —  S.  11:  in  der  Charakte- 
ristik der  historien  vermiszt  man  eine  andeatong  über  die  vorwaltende 
rücksicht  auf  Iftnder-  und  Völkerkunde,   wie  sie  auch  bei  Cäsar  (6.  g. 
VI  11-28.  V  12  ff.)  und  Tacitus  (vgl.  Biese  in  der  Eos  H  s.  196  und 
T.  s.  32)  sich  findet.  —  S.  11  anm.  1:  'die  geschichte  Sullas  nicht  zu 
beschreiben'  dazu  soll  den  historiker  'die  Schwierigkeit  diesem  atoffe 
gegenüber   die    geschichtliche  Unparteilichkeit  zu  bewahren'  bewogen 
haben,    unmöglich:  wagte  es  ja  doch  SalL  sogar  zeitgenössische  ge- 
schichte wahrheitsgetreu  (Jusi.  prooem.)  zu  schreiben.  —  S.  12:    'der 
zweite  und  dritte  Vaticinus'  waren  genauer  zu  bezeichnen  Urbinas  411 
and  Vat.  8416.  —  S.  12  anm.  3:  das  fragmentum  Berolinense  ist  nicht 
'von  G.  H.  Pertz  aufgefunden',  sondern  von  Heine  und  nur  von  Perta 
(Berlin  1848)  zuerst  euert.   bezüglich  dieses  fragments  und  der  schedae 
Vaticanae    war   genaue  und  vollständige  lltteraturangabe  wünschen«- 
werth:  Heerwagens  behandlung  steht  in  Krejssigs  angeführter  ep.  ad 
Kritzium,  dessen  erste  commentatio  schon  1849  erschien,    sonst  waren  za 
nennen  die  aufsätze  von  Th.  Mommsen  her.  d.  sächs.  ges.  d.  w.  II  (1860) 
s.  196  und  Huschke  z.  f.  gesch.  rechtswiss.  XV  s.  273;  femer  aus  jüng- 
ster zeit  Jordan  im  Hermes  II  s.  81  ff.  und  Urlichs  im  rh.  mos«  XXUI 
s.  93.  —  Die  reliquiae  Vaticanae  hatte  Kreyssig  schon  vor  dem  erschei- 
nen der  ausgäbe  von  Mai  (class.  auct.  I)  nach  einer  abschrift  Niebahrs 
behandelt  (Meiszen  1828/29).    übrigens  waren  dieselben  schon  längst  aas 
den  schätzen  des  Petrus  Daniel  von  Janas  Douza:  ad  C.  Sali.  Crispi  bist, 
libros   notae  (Antwerpen  1680)  ediert,  durch  D.  Petavius  an  königin 
Christine  gelangt  und  von  Freinsheim  suppl.  Liv.  XCV  6 — 10  benutzt 
(vgl.  Dietschs  ausgäbe  1869  II  s.  84).  —  S.  13:  ausser  den  nachtragen 
zu  den  historien,  welche  Schmitz  und  Usener  geliefert  haben,  war  noch 
das  von  F.  Umpfenbach  aus  den  scholien  des  codex  Bembinas  des  Te- 
rentius  mitgeteilte  fragment  (Hermes  II  s.  375)  anzuführen.  —   B.  14 
werden  die  vorschlage  in  dem  zweiten  briefe  an  Cäsar  angegeben,  dar- 
unter aus  c.  8  'wähl  der  behörden  durch  die  vom  loose  geordneten  fünf 
dassen'.     das   ist  untenan:   vielmehr   sollen  ohne   rücksicht   aaf  die 
classeneinteilung   nach   dem   loose   die   centurien   stimmen:  plaeei  lex 
quam  C.  Chraechus  in  iribunaiu  promulgaverai ,  ui  ex  eonfusis  quinmie  das- 
sibus  Sorte  eeniuriae  vocareniur,  —  Den  Verfasser  beider  briere  'setzt 
OrelU  in  die  aeit  des  Fronte,  wo  Sali,  in  der  mode  war':  vgl.  Jordans 
"  "^g  über  die  eutstehung  der  briefe  im  Hermes  I  s.  233  ond  dessen  de 


A.  Eussner:  anz.  v«  W.  S.  Teaffel  aber  Salluslios  und  Tacitus.     647 

BaaBoriis  ad  OaeBarem  Benem  de  re  publica  inBcripÜB  eommentatio  (Berlin 
1868).  wünsebenswerth  wäre  die  bemerkung  geweBen,  dasz  die  briefe 
von  den  alten  Grammatikern  nicht  erwähnt  werden ;  femer  dasz  anter  den 
neoern  zaerst  der  um  Sali,  hochverdiente  Carrio  sie  dem  hiBtoriker  abge- 
sprochen hat,  worin  ihm  Lipsius,  Kortte,  F.  A.Wolf  n.  a.  folgten,  während 
sie  J.  Douza  für  echt  erklärte.  —  S.  14  anm.  2:  bezüglich  der  inveetiva 
in  Cicwonem  helszt  es,  Qnint.  XI  1,  24  sei  eine  hindeutung  auf  diese 
rede:  die  stelle  ist  c.  4  quem  Minerva  omnes  artet  edoeuil,  —  S.  16:  für 
die  aus  inv.  2, 1  angeführten  worte  fiHa  mairis  paelex  war  Cic.  p,  Cluentio 
70,  199  zu  vergleichen.  —  Das  citat  aus  Diomedes  I  steht  s.  382.  7  P. 
=s  887,  6  K.:  Didita  aü  de  SaUuetio.  danach  denkt  Oerlach  an  Didy- 
mns(!)  als  Verfasser  der  responeio  in  SaUuetium^  vgl.  Wölfflin  im  philol. 
XVII  s.  547  (nicht  347).  —  Die  Übereinstimmung  des  Cassius  Dion  mit 
der  responsio  könnte  auch  auf  einer  gleichen  quelle  beruhen  und  setzt 
nicht  notwendig  eine  benützung  des  rhetorischen  kunststücks  durch  den 
geschiehtBchreiber  voraus.  —  Ueber  die  basis  der  kritik  für  die  decla' 
maäones  liesz  sich  eine  andeutung  erwarten:  von  einer  collation  des 
Leidensis  (C  bei  Haverkamp)  nr.  63  spricht  Wölfflin  a.  o.  —  6.  15 
anm.  1:  in  der  aufzählung  der  alten  commentatoren  vermiszt  man  eine 
notiz  über  den  'anonymus  ad  Sali.  Cat.  ex  membranis  Pauli  Stephani' 
in  Goldasti  notae  ad  Eginhardum  s.  175  (vgL  Fabricii  bibl.  lat.  I  s.  240. 
Saringar  bist.  crit.  scholiastarum  lat.  I  b.  254 — 259).  —  Hier  war  wol 
auch  der  ort  für  erwähnung  des  Arusianus  Messius:  vgl.  M.  van  der 
Hoeven  im  anhange  zum  specimen  de  nonnulUs  locis  veterum  scripto- 
rum  (Amsterdam  1845).  —  S.  16  rechnet  der  vf.  zur  zweiten,  Jüngern 
classe  den  'Yaticanus  8325  saec.  XII';  die  hs.  ist  aber  saec.  XI  und 
gehört  zur  ersten  classe,  hat  jedoch  lug.  103,  2  — 112,  3  als  nachtrag 
von  erster  band:  vgl.  Jordan  in  seiner  ausgäbe  s.  V  und  im  Hermes 
I  s.  248.  —  Die  collation  eines  Barcelonensis  ist  teilweise  mitgeteilt 
von  £.  Yolger  im  philol.  XIV  s.  759  f.  —  Bei  anführung  der  Schrift  von 
J.C.Wirz  de  fide  atque  auctoritate  cod.  Paris.  1576  (Aarau  1867)  war  zu 
bemerken  dasz  dieselbe  gegen  Jordan  gerichtet  ist,  vgl.  s.  4:  'non  sensit 
(lordanus)  P  ^  (1576)  cum  P  (600)  arta  propinquitate  ita  coniunctum 
esse,  ut  gemellos  eos  dizerim.'  —  S.  17  anm.  4:  zu  den  kritischen  und 
exegetischen  abhandlungen  sind  insbesondere  naohzutracen  £.  W.  Fabri 
observ.  in  aliquot  S.  locos,  Nürnberg  1828;  C.  Wex  de  difficilioribus 
aliquot  S.  et  Thucydidis  dictis,  Schwerin  1833;  femer  Th.  Mommsen 
im  Hermes  I  s.  427  ff.   Bitschi  im  rh.  mus.  XXI  s.  316  ff. 

IIL  schriftstellerischer  charakter.  s.  18  anm.  1:  nekrologe 
widmet  Sali.  z.  b.  den  Gracchen  lug,  42,.  den  brüdern  Philaenus  ebd.  79. 
—  Ueber  den  aemulia  Thucydidis  vgl.  auch  C.  C.  Eberstein  de.;^  Thu- 
cjdidem  imitante  (Lund  1811)  18  s.  4.  als  naohahmer  des  DeraosM^enes 
wird  Sali,  von  T.  Castricius  getadelt  bei  Qellius  II  27,  3;  hIs  nach- 
ahmer  des  Eupolis  erscheint  er  ebd.  1 15, 12.  —  S.  19  anm.  4  sagt  Teuffei: 
^von  den  bei  Sali,  vorkommenden  briefen  ist  der  des  Lentulus  an  Cati- 
lina  (Cat.  44)  historisch  (vgl.  Cic.  in  CaL  lU  5,  12);  und  ähnlich  scheint 
es  sich  mit  dem  briefe  des  Catilina  [an  Catulus  36]  und  dem  des  Pom- 

Eejus  an  den  Senat  [/ust,  Ul  1  Kr,  II  96  D.]  zu  verhalten.'  das  wort 
is torisch  könnte  so  gemeint  sein,  als  ob  man  hier  eine  abschrift 
des  originalen  briefes  besitze;  indessen  will  wol  der  vf.  mit  dem  unbe- 
stimmten ausdruck  nur  sagen,  dasz  wirklich  ein  brief  geschrieben  wor- 
den sei,  abgesehen  davon  ob  er  genau  so  gelautet  habe,  wie  wir  ihn 
bei  Sali,  lesen,  im  ersten  falle  käme  der  vf.  mit  sich  selbst  in  wider- 
sprach, da  er  s.  11  von  der  einfiechtung  'ausgearbeiteter*  briefe  in  den 
historien  spricht,  während  ihm  hier  der  brief  des  Pompejus  an  den  senat 
auch  historisch  zu  sein  scheint  vgl.  über  diese  frage  Kratz  in  diesen 
Jahrb.  1865  s.  845  f.  und  richtiger  Nipperdey  spicileglum  crit.  in  Cornelio 
Nepote  s.  87;  Halm  zu  Cic.  üi  Cat,  a.  o.  —  S.  19  anm.  5  hat  T.  die  urteile 
des  altertums  über  die  spräche  des  Sali.  gcBammelt.    als  novator  verborum 


648    A.  Eussner:  anz.  v.  W.  S.  Teuffei  Ober  Salliulius  und  Tacitus. 

bezeichnet  Gelliue  den  Sali,  anszer  den  von  T.  notierten  stellen  noch  X 
21,  2,  weil  er  ein  novum  et  ünprobum  verbum,  VI  IT,  8  weil  er  ein  naobtsper- 
vulgatiutque  gebraucht  habe,  gelobt  wird  Sali,  als  proprietaium  in  verbu 
reiinetUiMsimus  X  20,  10  und  als  purignme  locutus  IX  14, 21.  26.  —  S.  20  sind 
die  angaben  über  die  brachylogie ,  die  grKcismen  und  archaismen  zu- 
sammengestellt, das  citat  bei  Statins  SaUuiti  brevi»  steht  übrigens  nicht 
Tkeb,^  sondern  tih.  W  7,  56.  —  Aach  über  den  poeüaa  cotor  gibt  Gel 
lins  andentungen,  wenigstens  spricht  er  lU  1,  6  von  einer  etraadomtio 
poetiea  und  stellt  Sali,  mit  Yergilins,  Piautas  und  Ennius  ausammen 
VI  17,  11  (allerdings  bei  sprachlichen  erörterungen  de  tigm/icatione  vo- 
ciAfult).  —  Die  susammenstellnng  mit  Cato  findet  sich  nicht  nur  bei 
Fronto,  sondern  auch  bei  dem  Frontonianer  Gellins  II  17,  7.  X  21, 1 
—  lieber  Sulpicius  Severus  und  Sali.  vgl.  J.  Bemays  imrh.  mns.  XVI 
s.  817  ff.  —  Zu  den  nachahmem  des  Sali,  gebort  auch  L.  Septtmins: 
vgl.  Dederich  an  Dictys  Cret.  einl.  s.  XXXVI.  spuren  der  nachahmimg 
fand  bei  Vellejus  Paterculus  schon  Ruhnken:  vgl.  Vell.  I  12,  5  Bomm 
imperti  Carthago  aenaUa  mit  Cot,  10, 1  Carthago  aenutla  imperü  Romani,  aadi 
bei  Florus  finden  sich  reminiscenzen  aus  Sali.,  z.  b.  II  12,  1  vgl.  mit 
Cat,  16,  4;  U  12,  12  vgl.  mit  Cat.  61,  1  ff.;  I  47,  2  vgl.  mit  lug.  41,  8. 
über  Aurelias  Victor  als  nachahmer  des  Sali.  vgl.  Jordan  im  Hermes  I 
8.  234.  236.  —  S.  21  anm.  8:  bei  den  litteraturangaben  vermiszt  msn 
andentungen  über  den  standpunct  einzelner  werke,  so  über  die  apologe- 
tische tendenz  des  buches  von  O.  M.  Müller  und  über  die  dagegen  sn- 
kSmpfende  schrift  von  Löbell  usw.  —  Endlich  durfte  man  ein  wort  über 
die  von  A.  Schöne  in  diesen  jahrb.  1866  s.  751—756  neu  angeregte  frage 
nach  dem  Verhältnis  einzelner  fragmente  zu  den  EmpedoeUa  Saiitatü  (Cie. 
ad  Quint,  fr.  U  9  [11],  4)  erwarten. 

Tacitus.  I.  lebensumstttnde.  s.  23  anm.  3:  von  dem  bei  PÜ* 
nius  not.  MeU  YII  17,  76  erwähnten  fitha  ComeiU  TaciH  eqmtis  R<mm 
Belgieae  GaUiae  raüones  proeurantU  heiszt  es,  er  'könnte  sehr  leicht 
der  vater  des  geschichtschreibers  sein\  den  beweis  für  die  mog- 
lichkeit  führt  Urlichs  ehrest.  Plin.  s.  50:  nemlich  die  zeit  stimmt  ge- 
nau, da  ihn  Plinius  bei  seinem  aufenthalt  in  Gallien  und  Germanien 
im  j.  52  sah.  —  Es  konnte  bemerkt  werden,  dasz  das  'angesehene  hans^ 
des  Tacitns  —  von  den  alten  Cornelii  natürlich  verschieden  —  seinen 
Ursprung  wol  auf  die  Sullanische  zeit  zurückführe.  —  Die  fHiher  mehr- 
fach besprochene  Inschrift  Or.  1169  durfte  hier  wenigstens  genannt  wer- 
den. —  S.  24  folgt  nach  den  erorterungen  über  das  geburtijabr  des 
Tacitus  sogleich  eine  Schilderung  seiner  politischen  lauft>ahn.  ref.  ver- 
miszt dazwischen  andeutungen  über  den  bildnngsgang  des  Tacitus.  die- 
ser beritihtet  dUü,  2  selbst,  dasz  er  sich  an  redner  verschiedener  rich- 
tong,  M.  Aper  und  Jalias  Secundus  angeschlossen  habe,  für  welche 
richtung  er  sich  entschied,  beweist  der  dialogue  (vgl.  T.  s.  27  anm.  S) 
und  die  von  Nipperdey  hierher  bezogene  stelle  des  Plinius  ep.  Yü  20, 4. 
der  umstand,  oasz  jener  Julius  Secundus  der  freund  (Quint.  X  3,  18) 
des  Ciceronianers  (X  1,  125.  XII  10,  46)  Quintilian  war,  femer  dass 
Tacitus  die  gleiche  bahn  mit  dem  jungem  Plinius,  dem  schüler  Qain- 
tilians  (Plin.  ep.  II  14,  10),  verfolgte,  macht  es  wahrscheinlich  (vgl. 
Nipperdej  einl.  s,  XXXI),  dasz  der  im  j.  68  aus  seiner  heimat  wieder 
nach  Rom  zurückgekehrte  rhetor  aach  des  Tacitus  lehrer  gewesen  ist 
dann  würde  sich  z.  b.  die  Übereinstimmung  von  Quint.  X  5, 19  mit  dtol.  34 
aus  persönlicher  anregung  des  schülers  durch  den  lehrer  einfacher  er- 
klären als  durch  annähme  einer  reminiscenz  des  letztem  von  der  lac* 
türe  des  diaXogue  her.  freilich  anders  müste  man  sich  das  Verhältnis 
der  inMtUuäo  oratoria  zum  dialogue  denken,  wenn  dieser,  wie  Nipperdey 
s.  Vm  will,  um  d.  j.  97  verfaszt  wäre.  —  S.  24,  5  wird  mit  recht  ge- 
sagt, dasz  Ais/.  I  1  auf  das  j.  54  als  spätestes  gebart^Jahr  hinführe;  es 
*^doch  des  Zusatzes,  dasz  Haase  auf  das  j.  58  kam,  indem  er 


A.  Eussner:  anz.  v.  W.  S.  Teuffei  über  Sallustius  und  Tacitus.     649 

Bchon  den  XXvirotut  als  incohaia  tUgmim  betrachtete,  jetzt  ist  es  von 
Urlichs  de  Tita  et  honoribus  Ägricolae  (Würzbnrg  1868)  s.  26  wahrschein- 
lich gemacht  worden,  dasz  sich  incohaia  digidta»  auf  den  XVviratu$  bezieht, 
—  S.  24  anm.  6  konnte  wol  auch  der  yermntnng  Haases  gedacht  werden, 
dasz  Tacitns  den  Agricola  nach  Aquitanien  {Agr.  9)  begleitet  habe. 

n.  Schriften,  s.  26  heiszt  es,  Plin.  ep,  IX  10,  2  dente  'ganz  un- 
yerkennbar'  auf  dial.  9.  12;  aber  doch  haben  Haase  in  seiner  ausgäbe 
s.  XV  nnd  Steiner  in  der  vom  yf.  angeführten  schrift  s.  12  jene  stelle 
anders  bezogen.  —  Bei  anfühmng  der  litteratur  über  die  frage  nach 
dem  Verfasser  des  dialogus  waren  diejenigen  abhandlnngen ,  welche  die 
schrift  dem  Tacitns  absprechen,  also  die  von  Gntmann,  Eichstädt  und 
H.  Sanppe  zn  kennzeichnen.  —  8.  26  anm.  2  setzt  T.  die  abfassung 
des  dialogus  um  das  jähr  81  an,  ohne  dabei  der  oben  angeführten 
meinung  Nipperdeys  zn  gedenken.  —  8.  27  wird  bemerkt,   dasz  das 

fespräch  nach  c.  17  (vgl.  24)  im  jähre  75  gehalten  gedacht  werde, 
aneben  verdiente  aber  doch  Sauppes  mit  ungewöhnlichem  Scharfsinn 
nnd  groszer  gelehrsamkeit  vorgebrachte  vermutnng  (in  dem  vom  vf. 
s.  26  citierten  anfsatze),  dasz  a.  o.  sextam  (oder  sex  tarn)  in  novem  tarn 
KU  emendieren  sei,  eine  erwähnung.  mag  der  positive  beweis,  dasz  der 
dialog  erst  im  j.  78  gehalten  sei,  von  Sanppe  nicht  unbestreitbar  durch- 
geführt sein:  so  ist  doch  das  bedenken,  dasz  Eprins  Marcellns  im  j.  75 
in  Asien  abwesend  war,  noch  nicht  gelöst,  vielleicht  musz  der  Wider- 
spruch bleiben  nnd  mit  den  chronologischen  aporien  bei  den  Platoni- 
schen dialogen  auf  dine  linie  gestellt  werden.*)  —  Das  s.  28  angeführte 
<^specimen  emendationum  in  C.  T.'  von  L.  Spengel  handelt  nur  s.  9 — 15 
über  den  dialogus.  —  S.  29  wird  das  pleonastische  im  stile  des  Agri- 
cola hervorgehoben;  es  ist  dazu  zu  bemerken,  dasz  sich  gerade  solche 
pleonasmen  häufig  finden,  die  auch  dem  dialogus  (vgl.  Classen  in  der 
Eos  I  s.  3)  eigen  sind,  z.  b.  häufig  der  Synonyma:  vidi  ac  iupergresta 
est  1,  saeva  et  infesta  2,  tu  sinu  indufgentiague  i  (vgl.  dial.  28)  oder  das 
an  Cicero  {de  lege  agr.  TL  37,  102)  erinnernde  gtnet  ei  oiium,  das  nicht 
nur  zweimal  (wie  Hubner  sagt),  sondern  dreimal  6.  21.  42  steht.  —  Zu 
den  reminiscenzen  aus  8all.  können  nachgetragen  werden  die  auch 
früher  von  Wölfiflin  übergangenen  stellen:  Agr.  10  vgl.  mit  lug.  5,  1; 
Agr,  12  (Germ.  5)  vgl.  mit  lug.  17,  5;  Agr,  26  mit  lug.  67,  2;  Agr.  33  mit 
Cai.  21, 1.  —  S.  30  war  bezüglich  der  besten  hs.  des  Agricola  die  bemer- 
knng  am  platze,  dasz  Spengel  a.  o.  s.  15  dem  jd^  Wez  in  seiner  ausgäbe 
(prol.  s.  7)  dem  F  den  Vorzug  erteilt.  —  Ebd.  spricht  T.  von  der  kritischen 
verwerthung  des  'cod.  Ursini  (T  bei  Wez)'  und  führt  zur  bestätl^ng 
die  aufsätze  von  Schenkl  und  Job.  Müller  an;  allein  gerade  aus  diesen 
hätte  der  vf.  ersehen  können,  dasz  dieser  'codex  Ursini'  nie  existiert 
hat  und  demnach  auch  nicht  'für  einzelne  stellen  in  betracht  gezogen 
werden  kann'.  —  S.  30  anm.  4:  die  angeführte  ausgäbe  von  A.  Schlegel 
(Göttingen  1816)  ist  nur  eine  zweite,  berichtigte  aufläge  der  1808  er- 
schienenen ausgäbe  von  C.  F.  Benner  und  J.  C.  Fincke.  die  neueste 
ausgäbe  von  A.  Michaelis  (Leipzig  1868).  •—  S.  31  anm.  1:  der  titel 
der  Germania  im  Vat.  1862  lautet  nach  Ritter  Cornelius  Taciiu*  De 
origine  ei  situ  germanorum  (nicht  C.  Comelii  TacÜi  usw.,  wie  T.  angibt) 
und  im  apographum  Pontani  hat  der  titel  noch  den  zusatz  Über,  — 
S.  32  anm.  3  heiszt  es:  'die  Germania  ist  weder  eine  Idylle  noch 
ein  roman  noch  eine  politische  tendenzschrift  (z.  b.  um  dem  Trajan 
von  einem  feldzuge  gegen  Germanien  abzurathen).'  hier  war  4ie  be- 
merkung  indidert,  dasz  das  romanhafte  in  der  Germania  besonders  von 
Baumstark  hervorgehoben  worden  ist,  den  Gerlach  und  E.  Göbel  be- 
kämpften, und  dasz  namentlich  F.  Passow  nnd  Gerlach  es  waren,  wel- 

*)  [neuerdings  hat  Urliehs  in  dem  festgrusz  der  philolog.  gesellschaft 
zu  Würzburg  an  die  26e  philologenversamlung  s.  1  ff.  erwiesen  dasz  der 
dialog  im  j.  76  gehalten  worden  ist.] 


650    A.  Eusraer:  anz.  v.  W.  S.  TeulTel  fiber  SallusUiu  und  Tacitus. 

che  dem  antor  eine  poliiUche  tendexut  unterlegten,  die  eigene  ansieht 
des  vf.  über  den  zweck  der  Qermania  ist  der  yon  Kritz  (proleg.  sn  sei- 
ner ausgäbe)  ausgesprocbenen  verwandt:  danach  soll  die  abfassuagTon 
dem  interesse,  das  sich  beim  publicum  für  die  Germanen  yoraussetzen 
Uesz,  veranlaszt  gewesen  sein;  die  mindestens  unnötige  fajpothese,  dssz 
der  reiz  einer  auf  autopsie  gegründeten  Schilderung  als  weiteres  motiv 
betrachtet  werden  könne,  wird. hierbei  nicht  ausgeschlossen,  gegen  die 
forschungen  Rieses  bringt  der  vf.  manches,  aber  nichts  stichhaltiges 
Tor.  es  wird  wol  dabei  bleiben,  dasz  die  Germania  in  gewissem  sinne 
als  eine  Torarbeit  für  die  historien  gelten  musz;  freilich  nicht  ledig* 
lieh  als  materialiensamlung,  wie  einst  Luden  glaubte,  wogegen  schon 
das  rhetorische  gepräge  der  darstellung  spricht;  und  auch  nicht  sls 
vorläufige  Separatausgabe  eines  in  den  historien  mit  denselben  werten 
enthaltenen  ezcnrses,  was  Becker  meinte,  vielmehr  hat  man  sich  wol 
das  Verhältnis  der  Germania  zur  behandlung  desselben  Stoffes  in  den 
historien  entsprechend  zu  denken,  wie  das  der  historisch-topographischen 
Studie  über  Britannien  im  Agricola  zu  der  ansführung  des  nemlichen 
gegenständes  in  den  annalen  (XIV  29  ff.  vgl.  T.  s.  29).  wenn  nun  der 
vf.  sagt,  es  sei  nicht  sehr  glaublich  dasz  Tacitus  den  beginn  der  im 
Agricola  angekündigten  historien  durch  diese  einzelschrift  verzögert 
habe:  so  ist  das  allerdings  wahr,  allein  von  einer  verzögerong  kann 
überhaupt  kaum  die  rede  sein,  denn  unter  seinen  anderen  vorarbeiten 
für  die  zur  zeit  der  herausgäbe  des  Agricola  gewis  schon  begonnenen 
historien  hatte  Tacitus  eben  auch  das  material  zur  Schilderung  der  genns- 
nischen  Völker  und  ihres  landes  gesammelt,  die  weit  spätere  verwerthang 
desselben  in  den  historien  läszt  dann  manche  abkurzung,  erweiterung  nnd 
berichtigung  voraussetzen,  wie  der  bericht  der  annalen  über  die  feldxnge 
in  Britannien  durchaus  gereifter  ist  als  der  im  Agricola.  auch  diesen  stoff 
hatte  Tacitus  offenbar  nicht  erst  für  eine  rhetorisch  gehaltene  biogra- 
phie  zusammengetragen,  sondern  nur  seine  für  spätere  zwecke  gemach- 
ten collectaneen  hier  schon  zum  teil  ausgeschüttet,  warum  aber  der 
schriftsteiler  seine  forschungen  über  die  Germanen  abgesondert  ver- 
öffentlicht hat,  dafür  liegt  ^in  grund  vielleicht  gerade  darin,  dass  sein 
bereits  übermäszig  angewachsenes  material  für  die  zeit,  welche  in  den 
historien  geschildert  wird,  nicht  von  so  'überwiegender  bedeutnng'  war, 
dasz  ihm  dort  ein  gröszerer  räum  gegönnt  werden  durfte,  jedenfalls 
bleibt  es  nur  bei  der  annähme  Rieses  erklärlich,  wie  Tacitus  in  dem 
97  nach  Ch,  verfaszten  Agricola  von  seinen  litterarischen  planen  spre- 
chen konnte,  ohne  der  Germania  mit  einem  worte  zu  gedenken.  — 
8.  32  anm.  4:  über  sprachliches  in  der  Germania  hatte  schon  vor  Halms 
ausgezeichneter  abhandlung  Mützell  (z.  f.  d.  gw.  I  [1847]  s.  86  ff.)  ge- 
schrieben. —  S.  82  anm.  6:  über  die  handschriften  der  Germania  hat 
vor  Tagmann  gehandelt  Massmann  (Berliner  jahrb.  1841  nr.  87  ff.)-  " 
8.  33  fehlt  die  anführung  von  Massmanns  ausgäbe  der  Germ.  o.  lect 
omnium  codd.  Quedlinburg  1847;  unter  den  Übersetzungen  ist  die  von 
A.  Schierenberg  (in  dem  buche  ^die  Römer  im  Cheruskerlande'  Frank- 
furt 1862)  übergangen ;  unter  den  abhandlungen  zur  textkritik  wirdver- 
miszt  Selliug  observ.  crit.  in  G.  accessit  oollatio  codicis  Hununeliani 
Augsburg  1830.  32  s.  4.  ^  8.  35  anm.  1 :  der  titel  Mstariae  hatte  eio 
Vorbild  nicht  nur  an  Sisenna  und  Sallust,  wie  der  vf.  sagt,  sonders 
wahrscheinlich  auch  an  Asinius  Pollio,  vgl.  Seneca  suas,  VI  s.  33  Bo.  " 
8.  36  anm.  2 :  bei  der  angäbe  der  bücherzahl ,  die  auf  die  annalen  nnd 
die  historien  kommt,  musten  auch  die  abweichenden  ansiohten  von  Ni6- 
buhr  und  Ritter  angemerkt  werden.  —  Als  teriptor  hUioriae  JuffUtUf 
erscheint  Tacitus  bei  Yopisous  J'ac.  10.  —  Für  die  entstehung  der  histo- 
rien unter  Trajan  ist  auch  das  divus  Nervo  in  dem  vor  der  herausgah« 
jenes  werkes  geschriebenen  briefe  des  Plinius  VII  33,  9  ein  beleg.  7- 
8.  36  anm.  4  ist  von  den  interpolierten  abschriften  des  Mediceus  II  die 
rede  bemerkt  werden,  dasz  schon  der  text  dieses  Mediceas 


A.  Eussner:  anz.  v.  W.  S.  Teuffei  über  SallasUus  und  Tacitus.    651 

Bolbst  vielfach  interpoliert  iat.  —  8.  36  anm.  6:  unter  den  kritischen 
beiträten  zu  den  historien  sind  dem  vf.  die  emendationen  von  Urlicbs 
(Eos  I  8.  250  ff.)  entgangen.  —  8.  36  anm.  1  werden  dem  titel  ab  ex- 
eeuu  dxoi  AuguMÜ  die  Überschriften  des  Livins  nnd  Anfidins  Bassos  zur 
Seite  gestellt,  einen  entsprechenden  titel  des  Eutropins  breviarhan  ab 
urbe  eondita  hat  Mommsen  aus  dem  codex  Gothanus  nachgewiesen  (Her- 
mes I  8.  468).  Haase  hSUt  bei  Tacitus  für  den  vollständigen  titel:  an- 
nalium  ab  exeessu  äivi  AugugÜ  übri.  —  8.  38 :  unter  den  beitragen  zur  kritik 
und  erklämng  der  annalen  musten  auszer  mehreren  gy mnusialprogrammen 
von  Schäfer,  Fröhlich,  Roth  aufgeführt  werden  die  rec.  der  Nipperdey- 
sehen  ausgäbe  von  Urlichs  in  diesen  jahrb.  bd.  69  (1854)  s.  52  ff.  154  ff. 
300  ff.  und  die  ahhandlungen  von  £.  Wurm  im  philol.  VIII  s.  361—370. 
IX  s.  86—105.  •—  8.  38,  6  ist  es  gewis  richtig,  wenn  T.  sagt,  Tacitus 
habe  die  geschichte  des  Augustus  nicht  mehr  in  angriff  nehmen  können; 
aber  es  bedurfte  wol  der  bemerkung ,  dasz  man  einst  bei  Orosius  VII  3 
ein  fragment  dieser  geschichte  zu  sehen  wähnte,  über  die  reden  bei 
Tacitus  war  philol.  XXIII  s.  645  zu  vergleichen,  wo  L.  8pengel  die  rede 
des  Seneca  aim.  XIV  53  für  authentisch  erklärt.  —  8.  39 :  abweisend  wie 
Lucian  Müller  urteilt  über  einen  angeblichen  Wfer  faeeUarum  des  Tacitua 
auch  Hübner  im  Hermes  I  s.  440. 

.  m.  Charakteristik  des  Tacitus.  8.  41:  das  politische  glau- 
bensbekenntnis  des  Tacitus  wird  nach  seinen  Vorzügen  und  schwächen 
dargestellt,  zu  den  angeführten  belegen  für  die  specifisoh  römischen 
Vorurteile  konnten  die  werte  über  das  verfahren  gegen  einen  hüirio 
XI  *36  hinzukommen.  —  Weniger  befriedigend  als  die  darleg^ng  des 
politischen  standpunctes  des  Tacitus  ist  die  erörterung  seiner  ansieht 
über  gott  und  weit,  ^ein  philosophisches  System'  sagt  der  vf.  'hat  Ta- 
citus nicht;  am  häufigsten  trifft  er  jedoch  in  seiner  Weltanschauung  mit 
der  ethik  der  stoa  zusammen.'  das  bedurfte  aber  einiger  ausführungen. 
wenn  nemUeh  Tac.  fem  von  dogmatischer  gläubigkeit  im  sinne  ^iner 
schule  war,  so  kannte  er  doch  die  verschiedenen  philosophischen  theo- 
rien,  wie  er  denn  ann,  VI  22  (28)  die  lehren  der  stoiker  und  der  Epikureer 
über  fors  und  fotum,  Mst  IV  5  die  stoische  lehre  de  bonU  et  maiis  aus- 
einandersetzt, allzusehr  aber  darf  sich  nach  seiner  ansieht  {Agr.  4)  der 
Römer  von  stand  nicht  in  die  philosophie  vertiefen,  als  beleg  für  die 
hinneigung  des  historikers  zur  stoischen  ethik  dienen  mehrere  von  T, 
angezogene  stellen,  aus  denen  erhellt  dasz  er  an  eine  teilnähme  der 
gotter  für  die  menschlichen  angelegenheiten  glaubte  (aber  freilich  XIV  12 
gine  cura  deum);  zur  ergänzung  dient  kui,  IV  78  nee  rine  ope  divina.  *- 
Wie  sich  Tac.  in  seinem  politischen  urteil  über  seine  zeit  stellt,  aber 
doch  von  nationaler  beschränktheit  uod  Standesvorurteilen  (vgl.  T.  s.  40  f.) 
nicht  frei  ist:  so  schreitet  er  auch  in  seiner  religiösen  anschauung  über 
die  den  freien  blick  beengenden  schranken  hinweg,  mit  einem  fusze 
aber  steht  er  noch  auf  dem  boden  seiner  Umgebung,  was  nemlich  T. 
über  die  freisinnige  ansieht  des  Tac.  von  prodigien  angibt,  ist  nicht 
ans  einer  vergleiohung  aller  in  betracht  kommenden  stellen  geschöpft 
nnd  darum  leicht  einer  misdeutung  unterworfen,  zwar  spricht  sich  Tac. 
vrie  in  der  von  T.  oitierten  stelle  über  die  prodigien  auch  büt  1  86 
nnd  rv  26  verwerfend  aus,  aber  in  weit  zahlreicheren  stellen  (T.  er- 
innert nur  an  Mst.  Hl  56  und  weiter  oben  an  I  3)  z.  b.  Met.  1 18.  V  13. 
arm.  XII  43.  64.  XIV  32.  XV  7.  47  führt  er  Vorzeichen  ohne  den  ans- 
druck  irgend  eines  bedenkens  an;  ja  er  spricht  sich  sogar  hUi.  II  50 
ansdröcklich  für  die  fides  eines  prodigiums  aus  —  von  der  erzählung 
über  die  wunder  Vespasians  but,  IV  81  ganz  zu  schweigen,  man  sieht, 
auch  hierin  ist  Tac.  nicht  philosoph,  er  hat  sich  nicht  ein  für  allemal 
seine  ansieht  über  das  genus  der  prodigia  gebildet,  um  immer  und  überall 
danach  zu  richten  und  zu  messen;  sondern  er  ist  echter  historiker,  der 
jeden  fall  einzeln  zu  begreifen  sucht,  prüft  und  beurteilt.  —  8.  43  anm.  1 : 
es  ist  ungenau,  wenn  der  vf  'sagt:  'als  quellen  nennt  Tac.  die  acta  diuma. 


662  W.  SchmiU:  Köliische  TereDÜiurragiiieBU. 


fenote»';  Tae.  nennt  diese  Tielmehr  nie  einfach  so,  noadem  be- 
zeielmet  mit  seiner  bekannten  sehen  Tor  den  termini  techniei  jene  cn. 
m  3  als  dhaiM  adonm  triphera,  XHI  31  dbrnm  mHa  mctm^  XYI  SS 
Smrma  popmU  Rommd;  diese  mm.  Y  4  als  patntm  atta,  XV  74  tuwiiifin'i 
»emaiM».  das  qnellenyeneichnis  ist  übrigens  nnroüstkndtg:  es  fehlt  Cor- 
bnlo  ans  amn.  XY  16  nnd  Tibern  oraiUmes  pertcripiae  ans  am.  I  81.  II  63. 
—  8.  44  heiszt  es,  seinem  yoraatse  tme  im  et  stmSo  sn  sehOdem  sei 
Tac.,  alles  in  aUem  gerechnet,  treu  geblieben,  dabei  war  anaaer  Fecb- 
ners  abhandlnng  noch  anzumerken,  was  L.  Spengel  (abh.  d.  Mondiener 
ak.  18&6]  nber  die  phantasievolle  manier  der  scnildening  bei  Tac  ge- 
lehrt hat,  femer  die  nrteile  über  den  i^rad  seiner  historlseken  vnbe- 
fangenheit  bei  Sierers  (Tacitns  nnd  Tiberins,  Hamburg  1850  f.)«  A.  Stahr 
(Tiberins,  Berlin  1863)  nnd  E.  Pasch  (snr  kritik  der  geschichte  des  ksi- 
sers  Tiberins,  Altenbnrg  1867).  —  8.  45  anm.  1  weiden  historische  ex- 
cnrse  bei  Tac.  angefahrt:  bemerkenswerth  war  ans  der  grossen  xaU 
noch  jener  aber  Britannien  Agr,  10 — 17;  fiber  das  eapitoliom  Mn,  HI  72 
nnd  fiber  die  qnistnr  aam.  XI  2S.  —  Ebd.  citiert  T.  tnm.  YI 7,  wo  Tac 
sich  rnhmt  froher  Tergessenes  znerst  xn  berichten:  Ihnliche  stellen  sind 
am.  lY  53  n  tcripioribuM  amuUbim  nan  tradUwm  repperi,  nnd  kuL  lY  83 
tumdum  luntris  auetcrSbuM  eeUbraia, 

Ref.  ist  am  schlösse:  nnr  an  einselheiten  konnte  er  seine  nachtrage 
anknfipfen,  denen  er  eine  freondliche  anfhahme  bei  dem  rerehrten  rer- 
fasser  wonscht. 

W&BZBUBO.  Adam  Eusshxb« 


89. 
KÖLNISCHE  TERENTIUSFKAGMENTE* 


Früher  der  ^biblioth&qoe  des  croisiers'  angehorig  befinden  sich 
gegenwärtig  in  der  lehrerbibliothek  des  hiesigen  MarcellengTainasiBms 
acht  pergamentblätter  in  octavformat,  welche,  in  einem  ohne  yersab- 
teilnngen  geschriebenen  texte,  teile  der  Andria  ond  der  Adelpboe 
enthalten,  die  keontnis  der  fragmente,  welche  ehemals  ohne  sweifel 
einer  vollständigen,  in  der  zweiten  hälfte  des  elften  jh.  geschriebenen 
Terenxhandschrift  angehört  haben,  verdanke  ich  der  gute  des  bni. 
bibliothekars  prof.  dr.  Bontzer.  ein  blätterpaar  enäält  folgende 
verse  der  Andria  (ich  eitlere  nach  Fleckeisens  aosgabe): 

8.  1:  V.  33S--361  CHA,  ReddidUH  —  hoe 
s.  2:  V.  351—373  me  —  tenis 

s.  3:  V.  643—665  vUH  —  d&ce 

s.  4:  V.  665—688  D-fac^  —  mabm 
die   Varianten   sind   folgende:    335   dmS         386   hinter  mideo   ist  ein 
zweites  uideo  jetzt  ausradiert        aäus        erde        337  idkil        eeire 
DAVOS]  DAVVS        UO  LetuM        nüdl        U%  querere        343  ^aerS 

aüo^  344  Habeo]  abeo  Mne         homo  e             345   quero        euae 

carine  oportune        347  erde        e  uUa        348  sitAt        Etn  sdo]  ^  id 

800  optundis         350  Atqui]  atq>         rdchil        pericH  e         351  miteri 

lihera  852  Sdo\  »des         353  tuus         modo  me         apphendii         354 

Hodie]  sese  hodie         355  dieam  tibi  haee]  dien         357  Cirtnspitio        wt 
forte        358  tdduee]  vddüse  $e        359  mihi       suepido        360  obsomi 
361  eoherent        Ego  me]  egom^        adcreme        362  Qttom]  CB        adttenio] 
P'  "dibi         365  nicMl  omati  .  nikil  ttmuni        368  crhemi» 

^72  neeeeee        645  copladta  e        646  Aci        647  fdptt 
t  tibi  ee  saÜs  hoc  eoKdü  msü  -^        649  tfAa         mener 


W.  Schmitz:  Kölnische  Terenliusfragmenle.  653 

660  eonsüUs  müd  eanflmät]  suis  eonsüns  mihi  eonfecit         661  ndrm  e 
662  cognoueris         664  succens^        666  guom]  quo         666  ßaec]  hf 
apparabantur  (das  a  vor  b  ans  correctur;  vorher  e?)        669  te  ee 
660  cur        enecas        destituU         661  m«  ie  ducturu        662  «Suad^e] 
(?iui  <fe  re        663  (?iitf]  (?M(f  von  erster  hand;  d  jetzt  radiert,  worfiber 

von  «p&terer  hand  s  geBchrieben        Pa,  Dauos]  P,  daujs  (t  in  rasor  von 

erster  band)  C.  dauus,  P,  dmtus-intlurbat        664  saiis  fuisse  irutos]  fuiue 
iraios  satis  scio        666  dii       exUu        668  hae  consiHü        669  ai]  ac 
defatigatus         670  adgredUaa  671  JVih  «j]  ntn  672  hoc  conuerti 

malü         676  pedib>qi  nocies        677  aiftVe  perieulü        678  Tui  ^ 

/irel         euetd^        mihi        680  repperi        681  ^«m  a  me]  tn^u«  me 
682  Si]  hem  sed        crepuU  Mnc]  concrepuii        hostiü        683  nihil        quero 
_  mmdn]  nc  me         PÄMPHILVS .  CHARINV8 .  DAFOS]  CHARIN 

PAPHILVS  '  DA  WS         684  /am  ubi  ubi  erii]  lam  ubi  ubi         686  iuü 
tu  modo      686  ehern]  hem      opUme      Quid  id  est]  Quid  e      688  to  otf . 
Die  drei  andern  blätterpaare  gehören  zu  einem  qnaternio ,  zu  dessen 
Vollständigkeit  das  zweite  und  das  siebente  blatt  fehlen,    die  erhalte- 
nen verse  der  Adelphoe  sind  folgende: 

8.  1:    V.  442—470  uirtuie  —  adules 
s.  2;    V,  470—499  centia  —  respondes 
s.  8:    V.  643—666  SF^Quiniu  —  fortÜSr. 
V.  666 — 690  pqua  —  abibo 
V.  690— -611  atq>  —  agam 
V.  611 — 636  eertü  siet  —  Micio»  Aeschin* 
V.  636—662  Ita  —  iüam 
V.  662—692  ni  —  inte 
V.  692—720  fidt  —  ^«« 
10:  V.  720—749  te  iä  —  ament 
11:  V.  803^832  Mi-Non  equu  —  sapim^ 
s.  12:  V.  832—862  rectius  -^  Id  esse 

Die  collation  ergibt  folgende  Varianten:    446  wuere[  uah  untere 
447  dii         448  Quod]  qtd         449  eschine        462  eius  nili  pendit]  is  nihüi 
pendtf-       468  adsit]  adeet       haec  audiat]  audir^  hee       464  equü  «v 

hüusiß        466  Sita  e        468  perimus        461  Oh]  0        querebn       462  tuus 
464  offitiü  est       466.  466  Simulum  Aequalem]  simulü  •  aiqi  aequaß 

648  quid]  quicquä  469  uere  ferendü  modost]  iK  e  471  ffumanü  e 
472  lacrimans  474  Ignotü  e  •  /act7«  ry  •  ereditü  ro  476  grauida 
facta  S  msis  hie  decimus  476  </tt«  477  deserat  478  ü<iec 
479  iM^fto  e  480  «encti/o^  482  adduee  quere  483  /ac^S  ^v 
484  (p«o  486  a^am  neque]  agam  nee  488  t/^a  quaeto]  Uta  infl  queso 
certe  egio  489  liUc  wram  implorat  490  quod  uos  ius  id] 
id  ut        impetr^        491  queso  492  uoster]  ür        493  mortuü        494 

parmdi        496  educati        ndÜde        497  enitar 

644  Aoc  m^bim  infeHcitatts]  hoc  infelicitatis        646  ferendis        647  «^^ 
662  <am  fehlt        ^u^tfftmü  e       664  ^t  uo//]  ^ut«^       666  uu//       667 

^t6i  e        668  Rogitas]  Rogas        tesipho        669  ^m]  Aan        660  moiio]  m 
aiebas      662  niAtf      6^  Laudo]  Laudo  te      666  Laudas?  ne]  Laudasne 

666  «enmiii        669  inueniam]  querä        671  diminuetur       iä  quide 
673  opv^         Aoc]  Aoftc         676  cliuus         uorsum]  uersü         677  Qua  nam] 
qdnä         ilii]  üffte         est,]  est  nostin        679  me  hornne         681  neife« 
688  apu/         lacum]  locü         684  t6t  e         686  iUgneis         686  6eite]  rec/e 

688  oeiose        689  omor«  0        690  abibo 

qidcquid  quod  quidem]  quodq*  quod       beltissimu        691  daihos  sorbil- 
lans        692  nihil  repperio        tantopere        693  offitiu  fatio        ortü  ro 
694  Nisi  si]  nisi         696  expostulent        696  accusent        697  mtnune         /e 
fehlt        698  9iie#o        601  equU        602  {//toj  itfi        releuabis        603  <»o 


654  W.  SduntU:  Köfoiscbe  TeratissIrafacBU. 

offido         C06  SMSpiewri        €07  bu&er]  mtgltgi        iptC  ipstM        €10 

•Mfi  wdM        €11  42r  ««]  «« 

e^rlS  tiet  Yon  erster  hand^  jetzt  cerfv  n?  €11  Mewbrm  €13  <»^- 
MUtpuU  ml  $üUre  eonsifi  qtäi]  consistere  mhU  eonMÜn  qmit  paieMt  ^ttxt^- 
TtM  wort  TOD  Später  haod  unterstrichen)  €14  Aoe  w»t\  wt£  er  Imt 

€15  nupicio         €17  eredidU         wäJd  me]  uühiwuf-         ■>!  ■  ^^9  ftU- 

iriee        tdäi  ettm        €19  ro^tto]  ro^         €20  obUrttritk  Ton  erster  lia»i. 
jetsi  dss  erstere  r  pooctiert  accertai  esckime         €21  afr^«*  sef 

utrba  noirtM.  »atU        fruztraia  e         €23  reprendi  mte]  wu  repAemdi  S24 

gamde         €25  tmnime  e         €2€  efferri         ut\  age         €28  oMmriM  e 
€29  /Im  falevr         631  kioic  porroj  iuc«c  iS  p<>rro         escMme         €32  jirmi 
e«<        tt/  purgem  me\  me  ut  purge        fort»        €34  epo  m  eseJdmMM 

€36  Af/.]  feliU  vor  iia         €36  /octTo         Af«  o^a        €37  pmiMmmü 
€38  uegoiü  e         fort»         cur        €40  siij  a    '     dicere]  credere  641 

i^iMI  m        €42  /ra]  t/a  puloirf  von  erster  hsnd;  letzteres  wert  jetst  radiert 

QAd  ponctiert         negotii         C44  nÜ  esi  au]  nüdl  m         €48  Aas] 

eerie         €50  orba  e         €51  genere  e  fixümus        €53  yiAil 

€55  suz/«  e        €5€  (^utef  /p«e  oiun/        Was]  isUu        fdJkä        €57  Cosav»/tf] 

edmenUUa  ron   erster  haod;  die  beiden  letzten  bnchstaben  jetzt  radiert 

€€1  Ak.  Obsecro  non]  ES,  Son  ob$ecro 

€€5  credit  666  qui]  quic9  667  kaudscio  aauf-  6€8  <?«>»^ 
CS  pra€«ffii/«in]  psen/j  671  Quoi]  ad  €72  (^lor]  cmr  €73  Ai'nr) 
Aue  676  aequü  676  Riridicuii  677  oa  678  iio6uj  iios  67i» 
lacrimas  €80  siMf  fehlt  682  T/j  Al  von  erster  band;  ><  jeUt  radiert, 
darüber  F        in  me  fehlt        suAt]  me        683  luasi]  um        684  n^O^eiu] 

indulgens        686  non  fi<#]  iiM  i        €87  }mB  magrm  cd        €88  sepe         690 
mf  fpfuiR  puduit  prologui]  mihi  puduU  (Heere  iptwn        €92  PerdidiBä 

693  <&/  Afc  cfeos  cfeeiuroe       695  Ao/ß  von  erster  band;  jetst  dnnb 

rasur  und  correctnr  Noi  ceterarvm  rerum  te  socordem  eodem  w^do] 

ceterarü  te  eoeorde  m  696  Ae.]  B  Bona,  inquam,  mdmo  es]  bono 

animo  es  inquä       Aß,]  £S       697  te  mmo  me]  nc  iutme       700  Ak,]  B 
eam]  iäne        Barn]  tä        As.]  B        potee        AeJ]  ES        701  ego  felilt 

702  Ae.  —  Ae.]  ES,  —  ES,         ubUi  Milesius]  ubi  e  müetuM         703 
AbUt,  periit,  nauem  aacendii]  naue  ascendit,  abiii,  periit        qwtr]  cur 
704  eonpcare        706  Quam]  quo         optemperaturoe        706  eo]  ibo        707 
negotii       709  amandus]  tanandue  e       /deine]  Me  me       in  eUtuMt]  e  in  »nu 

710  mihi  iniecü      711  faciam]  id  faeiä        712  mara        713  De.]  fehlt 

vor  Defessus        eire        714  iupU        715  portU        716  fabrica  erat  neque] 

fabrica  utta  erat  nee  717  aiebat  dom{]  domo  so  schon  von  erster  band 
720  quere  722.  723  adoleecentie  Mi.  Ecce  autem  noua]  If.  ecce 
aut  DE,  Capitalia]  D,  noua,  CapitaUa  Nescis]  ah  neseti  eit]  siet 
724  0]  oA  me  fehlt  725  uirginS  e  72€  Oho]  Bo  728  na- 
tust]  e  natus  dU  nihil  729  indotaia  e  730  fuiur%  est  733 
QM  facias]  quid  facias  rogitas  735  cöposita  e  738  quom]  cm 

equo  animo  739  uita  e  quom]  cum  740  mtucime  742  suae 
744  abiciunda  €  pretio,  oratiis]  pcio  ^  grati»  74€  faciet]  faeiee 
746  diuom]  dm  14tl  una\  erit  una  748  cur  Sanmmne  credit  te] 

sanü  te  credit        749  dii 

803  Nam  uetus  tterbum]  uerbU  uetut        quitß  ett       ^805  demum]  dämm 

(e  von  zweiter  band)        ittaec]  itta  hee        oratio  est        806  motettB  est 

807  fllU]  filiH  von  erster  band ;  durch  rasnr  jetst  /Uu  808  queso 

faeito  hoc       809  olim  duos        toUebas]  toUerabas      J311  hm]  t§a  von 

erster  band;  a  jetzt  ausradiert       813  quere       815  pret       816  nihS 

817  omne,  haec]  öma         819  mfAf         820  ren^  rem4-         823 
sepe        924  ^oc]  Aide        Ati/«]  Aoe        825  Hon  quo]  non  qd 


-I jj-^ 


Philologische  gelegenheitsschnften.  655 

sed  quo]  «>  qd  826  inesse  in  Ulis]  in  Ulis  ee  827  lia  ut]  qä  in 
Ulis  {Ua  ui  von  zweiter  hand)  eos]  iUos  828  sdres]  sctre  830  Red' 
ducai\  reducoM 

888  fert]  affert  836  Mido]  fehlt  tmu  aequos]  equos  (v  von 
zweiter  hand)  tvbuertant  888  daie  ron  zweiter  hand  über  die 

Zeile  geschrieben  840  Faeiendu  est  841  prima  luee  842  fdtare 
te  fac       843  iUue]  iüU  von  erster  hand;  von  zweiter  durch  rasnr  nnd 

correctnr  iUu^        844  pror$u»  Häe  aüigariM       847  tit]  ui  sii       preter 

_  iuym 

849  car6o  e  860  e^viäiem  /S&'tonj  eqidde  meü  {meü  von  erster  hand; 

tuum  von  zweiter)       851  co^om]  cogU  von  erster,  copo«  von  zweiter  hand 

852  fortunaiu^t]  foriunatus         854  quoi]  aä         esi]  opus  ry         an 

Y.  864  schlieszt  v.  855  mit  der  entsprechenden  personenbezeichnnng  (/>.) 

ohne  weiteres  noch  in  derselben  zeile  an        867  seire]  scisse        859  mi]  m 
860  miio]  omUto        repptri]  cöperi       861  nihU. 
KÖLN.  WiLHBLH   SOHHITZ. 

(31.) 

PHILOLOGISCHE  GELEGENHEITSSCHBIFTEN. 

(fortsetznng  von  s.  440.) 

Berlin  (akad.  d.  wis^)  £. HÜbner:  bericht  über  seine  epigraphische 
reise  nach  England  im  j.  1867.  ans  dem  monatsbericht  1868  (3  febr.) 
a.  82—91.  gr.  8.  —  (univ.,  lectionskatalog  w.  1868—69)  M.  Haupt:  de 
Theocriti  Adoniaznsamm  versa  77.  formis  academicis.  11  s.  gr.  4.  — 
(doetordissertationen)  J.  O.  Carl  Bnrmann:  de  poetis  comoediae  Ätticae 
antiqnae  qni  eommemorantnr  ab  Aristophane.  J.  Drägers  bachdruckerei 
(▼erlag  von  S.  Galvary  n.  comp.).  1868.  36  s.  lex.  8.  —  Richard  Engel- 
mann: de  lone  commentatio  archaeologioa.  verlag  von  denselben.  1868. 
47  8.  8. 

Bonn  (nniv.,  doetordissertationen)  KodoIfPrinz  (ans  Hamm):  de 
Solonis  Plntarchei  fontibns.  dmck  von  C.  Georgi.  1867.  42  s.  8.  — 
Julius  Stenp  (aus  Köln):  quaestiones  Thuejdideae.  1868.  51  s.  gr.  8. 
— -  H.  Nissen:  über  den  gegenwärtigen  stand  der  römischen  kaiserge- 
schichte,  aus  der  historischen  Zeitschrift  bd.  XIX  (1868)  s.  289—263.  gr.8.— 
A.  Klette:  Verzeichnis  der  von  A.  W.  von  Schlegel  nachgelassenen  brief- 
samlung.  nebst  mitteilung  ausgewählter  proben  des  briefwechsels  mit 
den  brüdern  von  Humboldt,  F.  Schleiermacher,  B.  Q.  Niebuhr  und  J. 
Grimm,    druck  von  C.  Georgi.    1868.   XII  u.  28  s.  gr.  4. 

Breslau  (lectionskatalog  s.  1868)  M.Hertz:  commendatio  stipen- 
diorum  Wolfianorum  et  stipendii  Haasiani.  univ.- buchdruckerei  von  W. 
Friedrich.  10  s.  gr.  4.  —  (lectionskatalog  w.  1868—69)  M.  Hertz:  Auli 
Ghellii  quae  ad  ius  pertinent  capita  quattuor  (Hb.  IV  c.  1 — 4)  emendata 
et  adnotata.  20  s.  gr.  4.  —  (zur  beglückwünschnn^  der  univ.  Bonn  8  aug. 
1868)  M.  Hertz:  ramentorum  Qellianorum  (I— V)  mantissa.  22  s.  gr.  4. 

Coburg  (gymn.)  K.  Weismann:  kritische  und  exegetische  erorte- 
rungen  zu  Sophokles  könig  Oedipus.  Dietzsche  hofbuchdruckerei.  1868. 
40  s.  4. 

Gonstani  (Ijoeum)  F.  Eiselein:  composition  der  nomina  in  der 
griechischen  komödie.  I.   Stadlersche  buchdruckerei.    1868.   27  s.  gr.  8. 

Erlangen  (univ.)  Iwan  Müller:  observationes  criticae  in  Aeschyli  * 
Choephoros.    verlag  von  A.  Deichert.  1867.  81  s.  gr.  8.  —  (Studienanstalt) 
G.  Autenrieth:  syntazis   comparativae  particula:  terminus  in  quem, 
druck  von  Junge  u.  söhn.  1868.  20  s.  gr.  4.  [zu  56  s.  erweitert  im  buch- 
handel  erschienen,  verlag  von  A.  Deichert.] 

Gieszen  (univ.,  zum  h.  Ludwigstage  25  aug.  1868)  L.  Lange: 
codicis  scholiorum  Sophocleoram  Lobkowiciani  collationis  specimen  ter- 


666  PUlologiscbe  gdegcnbeitsichrincB. 

tioiD.    BrnUsdie  imiy.-bochdnickereL    16  s.  gr.  4.   [cpecianaft  I  und  II 
erschienen  bei  derselben  Gelegenheit  1866  o.  1867.] 

Oottingen  (oniv.)  £.  Cartias:  festrede  im  namen  der  Geoxi^- 
Angnsts-iiniyersität  cor  akademischen  pretsyerieUnng  mm  lln  joni  18^ 
gehalten  [Born  nnd  die  Dentschen].  IKeteiichsche  nnir.-bnehdniekeni 
21  B.  gr.  4.  —  Yiram  ill.  Emestom  Cnrtinm  praeceptorem  dilectiAsiiniin 
fantorem  benerolentissimam  ab  academia  Georgia  Angosta  in  Frideh- 
eiam  Gnilelmiam  Berolinensem  abitnmm  yalere  inbet  societas  philolo- 
^ca  Gottingensis.  46  s.  gr.  8.  [inhalt:  1  J.  Strenge:  de  Philoebori 
opemm  eatalogo  qoi  exstat  apnd  Soidam  qnaestio  (s.  5 — 10).  11  J. 
Wehr:  de  Romanonim  nenia  commentatio  (s.  11 — 17).  HI  Tb.  Mejer: 
de  origine  Agiadanun  et  Earfpontidamm  (s.  18 — ^21).  IV  F.  Frieden 
dorff:  qoaestiones  Polybianae  (8.22—26).  V  H.  Heinae:  Plotjirehea 
(k.  27-30).  VI  C.  Fricke:  de  Phidooe  Argivo  (s.  31—38).  Tn  H. 
Geiser:  de  eamm  qnae  in  Graecomm  eiyitatibos  praeter  Spartsm  ta- 
Teniantur  diarchianim  vestigiis  (s.  39 — 16).] 

Greifswald  (nniv.,  lectionskaUlog  w.  1868—69)  F.  Bacheler: 
coniectanea  latina.  dmck  yon  F.  W.  Knnike.  20  s.  gr.  4.  —  (doctor- 
diss.)  Emil  Ballas:  grammatica  Plantina.  spec.  I:  de  particmlis  co- 
polativis.    druck  yon  F.  Hache.   1867.   60  s.  gr.  8. 

Hamburg  (akad.  gjmn.,  cur  x weiten  sScnlarfeier  der  amr.  in 
Land)  Ch.  Petersen:  sparen  des  Steinalters,  welche  sieh  bis  in  die 
Zeiten  der  beglaubigten  geschichte  erhalten  haben,  druck  yon  TL  G. 
Meissner.  1868.  16  s.  gr.  4.  —  (lectionskatolog  1868—69)  Ch.  Petersen: 
das  swölfgöttersjstem  der  Griechen  und  Römer.  2e  abteilang.  56  i. 
gr.  4.    [die  le  abt.  erschien  1853.] 

Hof '(Stadienanstalt)  G.  Friedlein:  beitrSIge  zur  geschichte  der 
mathematik.  L  Mintzelsche  buchdruckerei.  1868.  20  s.  gr.  4.  mit  einer 
Steindrucktafel. 

Köln  (gymn.  an  der  apostelkirche)  J.  M.  Stahl:  de  Spurii  Cissii 
lege  agraria,     druck  von  J.  P.  Bachem.    1868.   36  s.  gr.  4. 

Marburg  (univ.,  lectionskatalog  w.  1868— 69)  Leopold  Schmidt' 
de  omissa  apud  optatiyum  et  coniunctiynm  dv  particula  commenUtio. 
druck  von  N.  G.  Elwert.   20  s.   gr.  4. 

Meiszen  (landesschnle)  O.Busch:  qnaestiones  Euripideae.  part-I: 
de  morte  obeunda  quid  senserit  Euripides.  druck  yon  C.  £.  Klinkicbt 
u.  söhn.    1868.   53  s.   gr.  4. 

München  (akad.  der  wiss.)  L.  Spengel:  Aristotelische  Stadien. 
III:  zur  Politik  und  Ökonomik,  aus  den  abhandlungen  der  akad.  I  cl 
XI  bd.  III  abt.  druck  von  F.  Straub.  1868.  76  s.  gr.  4.  —  W.  Christ: 
die  metrische  Überlieferung  der  Pindarischen  öden,  ein  beitrag  zur  ge- 
schichte der  metrik.  ebendaher.  1868.  64  s.  gr.  4.  —  H.  Brann:  die 
kuuBt  bei  Homer  und  ihr  yerhältnis  zu  den  anfangen  der  griechischen 
kunstgeschichte.  ebendaher.  1868.  52  s.  gr.  4.  —  H.  Brunn:  troische 
miscellen.  I  und  IL   ans  den  Sitzungsberichten  1868 1  2  s.  45 — 103.  gr.  S. 

Paris  (acad^mie  des  inscriptions  et  belles-lettres)  C.  Wen  eher: 
dtude  sar  le  monoment  bilingue  de  Delphes,  suivie  d^^daircissements 
snr  la  d^courerte  da  mar  oriental,  ayec  le  texte  de  plnsieurs  inncrip- 
tions  in^dites  relatives  k  Thistolre  des  Amphictions,  nn  plan  du  tempi^ 
d'Apollon  Pythien  et  nne  carte  du  territoire  sacr^  de  Delphes.  iiop'i' 
merie  imperiale  (verlag  von  F.  Yieweg,  nachfolger  von  A.  Fraoek). 
1868.   224  8.  gr.  4. 

Plauen  ^jmn.  und  realschale)  E.Johnson:  der  sensualismiiB de^ 
Demokritos  nnd  seiner  Vorgänger  mit  bezng  auf  verwandte  erscheinnn- 
gen  der  neuem  philosophie.    druck  von  M.  Wieprecht.   1868.  28  s.  gr.  i- 

Plön  (gelenrtenscnule)  J.  Bendixen:  der  alte  Staat  des  Aristo- 
teles, eine  replik.  druck  von  8.  W.  Hirt  (vorlag  von  W.  Mauke  söhne 
•     ^'  -nburg).    1868.   86  s.  gr.  4. 


ERSTE  ABTEILUNG 
FOR  CLASSISCIIE   PHILOLOGIE 

HSRAUSOEOBBKN  VON  AlFBBD  FlECKBISSH« 


90. 

ÜBER  DIE  QUELLEN  DES  PLÜTÄRCHI8CHEN  PEBIKLES. 

Die  Deueriich  erschienene  abliandlung  von  Hermann  Sauppe  Mie 
quellen  Plularchs  Tflr  das  leben  des  Perikles '  (Götlingen  1867)  bat  nicht 
hlosz  alle  bislierigen  resultate  auf  diesem  gebiete  vereinigt  und  in  Zusam- 
menhang gebracht,  sowie  in  nicht  wenigen  punclen  berichtigt,  sondern  sie 
weist  auch  filr  viele  nachrichten  Plutarcbs,  deren  quelle  zu  erforschen 
bisher  unmöglich  schien,  auf  den  zu  gründe  liegenden  autor  hin  und  hat 
sow*ol  eine  richtigere  beurteilung  des  Plutarch  im  allgemeinen  als  die  kritilc 
jener  partie  der  griecliischen  geschichte  bedeutend  gefördert,  trotzdem 
scheinen  die  Untersuchungen  Sauppes  die  frage  noch  nicht  völlig  zum 
abschlusz  gebracht  zu  hdben  und  hie  und  da  noch  für  berichtiguugen  und 
ergänzungen  räum  zu  bieten,  wie  sie  im  folgenden  versucht  werden  sollen. 

Mit  recht  hat  Sauppe  hervorgehoben,  dasz  die  biographie  des  Peri- 
kles durchaus  keinen  einheitlichen  charakler  an  sich  trSgl,  dasz  die  ein- 
zelnen teile  derselben  sich  vielmehr  in  manchen  punclen  geradezu  wider- 
sprechen, er  hat  dann  gezeigt,  wie  dies  darin  seinen  grund  habe,  dasz 
Plutarch  den  berichten  von  Schriftstellern  gefolgt  ist,  deren  geist  nicht 
minder  verschieden  war  als  ihr  polnischer  parteistandpunct.  vielleicht 
würde  jedoch  dieses  Verhältnis  klarer  hervorgetreten  sein ,  wenn  Sauppe 
die  verschiedenen  relationen  im  ganzen  ausgesondert  hätte,  anstatt  die 
einzelnen  capilel  auf  ihre  quellen  zu  untersuchen,  wir  wurden  dadurch 
sowol  ein  sichreres  fundament  zur  kritik  der  von  Plutarch  flberlieferten 
nachrichten  erhalten  als  auch  neues  material  zur  beurteilung  verlorener 
historiker  gewonnen  haben,  insbesondere  würden  sich  auch  verschiedene 
Vermutungen  Sauppes  auf  diesem  wege  besser  haben  begründen  lassen. 

Die  verschiedenarligkeit  der  quellen  im  Perikles  zeigt  sich  auf  dop- 
pelte art.  einmal  hat  sich  Plutarch  nicht  consequent  ^inen  schriflslcller, 
sondern  der  reihe  nach  mehrere  zu  führern  gewählt;  dann  aber  bat  er 
eine  sehr  bedeutende  anzahl  einzelner  daten  aus  autoren  entnommen, 
welche  er  nur  gelegentlich  heranzog  und  die  auf  die  übrige  darstellung 

Jnhrbikcher  Ar  diit.  phUoL  1868  hft.  10.  43 


658         F.  RQhl :  aber  die  qaellen  des  Plutarchischen  Perikles. 

ganz  ohne  einflasz  blieben,  zu  der  lelzlern  kategorie  sind  bis  zum  be- 
weise des  gegenteils  nicht  nur  die  stellen  mit  namentlichen  cilaten  zu 
rechnen,  sondern  auch  alle  diejenigen  welche  mit  qMxd,  X^eroiusw. 
eingefOhrl  werden,  notizen  welche  sich  gewöhnlich  schon  durch  ihren 
ganzen  Charakter  wie  durch  ihre  oberflächliche  Verbindung  mit  dem  vo^ 
hergehenden  und  folgenden  als  einschiebsei  zu  erkennen  geben,  kriül^  hat 
Plutarch  bei  angaben  dieser  art  im  Perikles  Suszerst  wenig  geübt:  denn 
gerade  sie  sind  es  hauptsächlich,  welche  mit  der  auflassnngsweise  der 
anderil  teile  der  biographie  nicht  harmonieren  und  den  Zusammenhang 
der  erzählung  zerreiszen. 

Scheiden  wir  also  vorläufig  alle  jene  einschiebsei  aus  und  nnler- 
suchen  wir  den  rest  der  biographie  genauer  auf  seine  einzelnen  bestand- 
teile,  da  trit  uns  denn  zunächst  ^ine  scharf  abgeschlossene  und  einfaeii- 
liche  relation  entgegen,  sie  besteht  aus  dem  7n  capitel  bis  zu  dem  sali 
ober  Ephialles ,  setzt  sich  mit  einer  kleinen  recapitulierenden  zutbat  Pia- 
tarchs  im  9n  capitel  mit  dpx^  M^v  T^P  usw.  genau  fofrt  und  reicht  dann 
bis  zum  lln  capitel  einschlieszlich.  daon  wird  sie  mit  dem  letzten  satze 
des  14n  capitels  {likoc  bi  Tipöc  TÖv  Ooincubibnv  usw.)  wieder  auf- 
genommen, ein  satz  der  in  dem  Zusammenhang,  in  welchem  ersteht, 
wenig  passend  erscheint,  sich  aber  vortrefflich  an  das  lle  capitel  aDfögt 

Ob  sich  diese  relation  noch  weiter  fortsetzt  oder  schon  bei  einen 
frühem  capitel  beginnt,  werden  wir  später  untersuchen  müssen;  jeden- 
falls aber  ist  sie  genau  In  sich  zusammenhängend  und  von  ein  und  der- 
selben auffassung  beherscht.  in  ruhiger  Stetigkeit  zeichnet  sie  den  gang 
der  ereignisse,  sie  läszt  nichts  vermissen,  und  nichts  läszt  sich  ohne 
wesentliche  Schädigung  des  gedankenganges  aus  ihr  aussondern;  sie  er- 
kennt die  grosse  des  Perikles  vollkommen  an ,  ohne  sicli  jedoch  auf  sei- 
neu standpunct  zu  stellen:  denn  sie  ist  dem  demos  durdiaas  feindlich 
gesinnt.')  wir  haben  es  oflenbar  mit  einem  aristokratcn  zu  thnn,  der 
die  geschichte  dos  hervorragendsten  und  grösten  fährers  der  demokralie 
schreibt,  den  aber  ein  echt  historischer  sinn  vor  allen  filicrtreibungen 
des  partcieifers  bewahrt,  wollte  man  daraus  einen  schlusz  auf  den  aoior 
machen,  so  würde  man  auf  Theopompos  rathen  müssen,  welcher, 
aristokrat  durch  uhd  durch,  doch  einen  empfänglichen  sinn  für  alles 
grosze  besasz,  so  dasz  wir  trotz  seiner  ganz  entgegengesetzten  partei- 
stellung  nicht  annehmen  dürfen,  dasz  er  allzu  feindselig  gegen  Perikles 
aufgetreten  sei.  in  der  tliat  hat  auch  Sauppe  dieses  stück  der  biographie, 
wenn  auch  nicht  im  groszen  und  ganzen,  so  doch  den  einzelnen  partien 
nach ,  auf  Theoponip  zurückgeführt,  er  scheint  uns  jedoch  einerseits  das 
eigentum  desselben  nicht  scharf  genug  ausgesondert ,  anderseits  dem  Plu- 
tarch eine  zu  grosze  Veränderung  des  von  Theopomp  überlieferten  zuge- 
schrieben zu  haben. 


1)  itXoOtou  bi  Kttl  T^vouc  itpoc6vTOC  aÖTf|i  Xa^irpoO  Kol  q[>iXuiv,  ^ 

irXclCTOv  i^WvavTO,  9oßoOjüi€voc  ^£ocTpaKic6f)vai  c.  7,  ferner  c.  9. 

16  oÖK^e*  6  auTÖc  fjv  oöb'  dfioCiwc  xcipo^ön^  tuj  hr\\uu  xai  P<?- 

liv  Kai  ciiv€v5i6övai  rate  ^TTteujiCöic  dicirep  irvoatc  tiDv 


F.  Rfihl:  Ober  die  quellen  des  Plutarchischen  Perikles.         659 

Auf  den  ersten  blick  nachweisen  iSszl  sich  eine  henutzung  des  Theo- 
pomp nur  an  zwei  stellen ,  c.  9  und  c.  10,  welclie  dasselbe  erzählen  wie 
Plut.  Kimon  c.  10  und  c.  17,  über  die  ich  in  meiner  abhaudlung  über  die 
quellen  Plutarchs  im  leben  des  Kimon  s.  11  f.  gehandelt  habe,  hier  will 
nun  Sauppe  s.  17  dem  Plutarch  die  benulzung  noch  anderer  quellen  vin- 
dicieren,  da  die  ausdrflcke  Tiiiv  x^^P^^v  Touc  q)paYM0uc  äq)atp€Tv 
(Kimon  10.  Per.  9)  und  toTc  KrjTTOic  ouWva  toO  Kaptrou  KaOicra  q)u- 
XaKa  (Thcopomp  bei  Athen.  XII  533')  zu  sehr  von  einander  abwichen, 
wahrscheinlich  habe  Plutarch  diese  selbständige  notiz  aus  Aristoteles  ge- 
schöpft, indessen  ist  die  abweichung  von  Theopomp,  oder  vielmehr  von 
der  gestalt  welche  Aibenlos  seinem  berichte  gegeben,  so  unbedeutend, 
dasz  sie  bei  einem  aulor  wie  Plutarch ,  dessen  ungenauigkeit  in  der  be- 
nutzung  seiner  quellen  durch  eine  ganze  reibe  von  stellen  belegt  werden 
kann,  gar  nicht  in  betracht  kommt;  das  citat  aus  Aristoteles  beschränkt 
sich  aber  doch  wol  nur  auf  die  bemerkung  aber  die  Lakiaden«  es  wAre 
auszerst  auffallend,  wenn  Plutarch  hier  mit  bewuster  absieht  von  seiner 
hauptquelle  abgewichen  wUre,  um  eine  solche  kleinigkeit  zu  corrigieren, 
Plutarch  der  zuweilen  die  wichtigsten  dinge  ohne  controle  aus  einem 
autor  äbernimt,  während  ihm  ganz  entgegengesetzte  berichte  zur  hand 
waren,  auch  ist  schwer  abzusehen,  nach  welchen  kriterien  er  sich  fflr  die 
Wahrheit  der  einen  oder  der  andern  darstelinng  entschieden  haben  sollte, 
was  ferner  die  stelle  über  die  ostrakisierung  des  Kimon  (Per.  9)  betrifft, 
so  Ist  sie,  obwol  kurz  und  oberfladilich ,  da  Plutarcli  schon  im  Kimun 
darüber  gehandelt  hatte,  doch  gewisaus  Tbeopomp  geflossen,  der  die 
Ursachen  derselben  nicht  angegeben  hatte.')  auch  wird  wol  mit  Rose 
Aristoteles  pseud.  s.  421  anzunehmen  sein ,  dasz  in  dem  offenbar  Tliea- 
pompischen  bericht  über  die  mittel,  wodurch  Perikles  den  einflusz  dts 
Kimon  zu  brechen  suchte,  nur  die  worte  cu^ßouXeikavTOC  aÖTtiu  Ao- 
^Uüvibou  ToG  "'OaGev  auf  Aristoteles  zurückgehen,  da  Plutarch  mit  die 
oder  d)C  .  .  kröpHKC  nur  ganz  kurze  notizen  einzuführen  pflegt,  ebima 
dürfte  der  bericht  über  die  scblacht  bei  Tanagra  (c  10)  gänzlich  aus  Theo^ 
pomp  entnommen  sein,  obwol  Sauppe  s.  19  auch  hier  die  mitbeoutzung 
einer  andern  quelle  annehmen  möchte,  dazu  scheint  die  Verschiedenheit 
von  der  erzälilung  im  leben  des  Kimon  wirklich  zu  unbedeutend  und  ge- 
nügend dadurch  zu  erklaren,  dasz  das  eine  mal  Kimon,  das  andere  mal 
Perikles  der  held  der  biographie  ist.  wir  würden  hier  freilieh  klarer 
sehen ,  wenn  wir  eine  andeutung  besSszen ,  In  welcher  weise  Theopomp 
seine  geschichle  der  attischen  demagogen  abgefaszt  hat;  es  scheini  fast 
als  ob  er  hier  rein  biographisch  ve/fahren  sei  nnd  dann ,  Wo  kiölig^  auf 
etwas  schon  früher  behandeltes  zurückverwiesen  habe.  i 

Wenn  nun  gleich  alles,  was  wir  bisher  erörtert  haben,  dazu  boi<- 
iragen  könnte  unsere  behauptung,  dasz  dieses  ganze  stück  der  Plutar- 
chischen biographie  aus  Theopomp  stamme,  mehr  oder  minder  wahr- 
scheinlich zu  machen :  zur  cvidenz  w9re  sie  dadurch  noch  nicht  gebracht ; 


2)  vgl.  meine  abh.  über  die  quellen  Plutarchs  im  leben  des  Kimon 
(Leipzig  1867)  s.  19  f. 

43* 


660        F.  Rflhl:  über  die  qaellen  des  Plularcliischen  Perikles. 

das  geschieht  jedoch  durch  eine  vergleichung  des  Valerias  Haximus  YUI  9 
ext  2j  eine  slelle  welche  Oberhaupt  sehr  lehrreich  isl  und  auf  die  wir 
spMer  nochmals  werden  zuröckkommen  müssen,  die  erzlhluog  des  Vak- 
rius  ist  nemlich  eine  kurze  Zusammenstellung  dessen  was  Piutarch  berich- 
tet, nur  !n  einem  anekdotenhaften  zuge  etwas  weitlSuftiger.  offenbar  hat 
beiden  autoren  dieselbe  quelle  vorgelegen,  nur  dasz  sie  Platardi  durcb- 
glngig  ausschrieb  und  durch  anderes  material  erweiterte,  wlhrend  Valerios 
sie  zusammenzog  und  auf  seine  art  stilisierte,   es  entspricht  sich  nemücb: 

Val.  Max.  Vlll  9  ext  2  Plutarchs  PeriUes 

Pendes  autem  feUcis-  c  7  tViv  T€  q>uivf|v  f|t>€iav  odcav  ouTOi- 
simis  usus  naturae  incre-  (TTepucX^ouc)  Kod  rf^v  T^uirrccv  e&rpoxov 
menÜM  Iv  T141  biaX^T€c6ai  ical  raxetav. 

subAnaxagorapraeceptaresum^    c.  4.  5.  6. 
mo  studio  perpoUius  et  instructus^ 

lüferisAthenarumeervicihushi'  c.  15  ra  ^^v  iroXXä  ßouXöfievov 
gum  sermtuHs  mpotyii.  egit  enim  ffft  ireiGuiv  Kai  bibdacuiv  rdv  ön- 
üiam  urbem  et  versant  arbürio  fiov,  fjv  b*  öre  Kod  \k6ka  buqccpd- 
suOy  cumgue  adversus  voluntatem  vovTaKaToreivujviccdiTpocpipälaiv 
popuU  loqueretur^  iucunda  nihüo  £xcipoUTOTi|ioifiq>^povTl,  womit  das 
Mfiia  et  popularis  eins  vox  erat,  dort  vorhei^hende  zu  TergieicheB. 

itaqve  veteris  eomoediae  die  anfflhning  der  fielen  kooiikerfrag- 
audedicalmgua^  qutmtfis pO'  meute  liei  Piutarch,  besonders  c  8:  m 
temümm  viriperstringere  cu-  fi^ot  KUifiifibiQi  tuiv  töt€  bibacxöXujv 
pielml,  ttmen  in  labris  hami-  ciroubQ  T€  iroXXäc  xai  ^cTd  T^tirroc 
ms  wülie  dMiciorem  leparem  dq)€iKdTuiv  qmivctc  eic  auröv  tiA  tut 
fatebaiur  habitare  inque  ani-  XÖTtf  MäXicra  tP^v  iTpocuivu|yiicrv  t^W* 
ans  eortfM  gm  iüum  audie-  cOai  bnXoOa,  ßpovrov  \iky  aurov  xm 
rani  quasi  acuieos  quasdam  äcrpänretv,  Srn,  bfmnTOpoif),  bctvov  he 
reUnqui  praedicabat.  K6pauvöv  ly  TXurrn}  q>€p€iv  XerdvTUJV. 

feriur  qmdam^  cum  adatodum  senex  primae  c  7  ol*c<pobpa 
eontfoiM  Periciis  aduUscentuH  interesset  identque  Tepovrec  ^EcWXitt* 
rKventa  Pisistraium  deerepüum  tarn  eomHomoRtem  tovto  irpoc  ttiv 
audissety  mam  temperasse  sibi  quo  mimus  exclaam-  öpoiörnra  (sc  tui 
ref  eaweri  iüum  civem  oporiere^  quod  Pisistraii  TTciocrpdTip). 
oraiiomi  siauOitma  eius  esset  oraHo. 

Die  überelDstiiBBiiiBg  liegt  auf  der  band,  von  «nzelnen  der  aogezo- 
genen  stellen  des  Piutarch  haben  wir  bereits  tennnlet,  dasz  sie  auf  Theo- 
ponp  tüHIckgeheB;  Valertnsaber  mnsz  seine  ganze  erzählung  aus  diesem 
entlehnt  haben,  schon  A.  von  Gntscfamid  über  die  firagmenle  des  Pompejus 
Trogns  (im  2n  snppl.  bd.  dieser  jahrb.)  s.  187  hat  gegen  Kempf  dem  VaJe- 
riiis  die  benntinng  des  Theopomp  vindiciert,  nnd  es  scheinen  in  der  that 
nnwid^  '  "^iide  dafdr  tu  sprechen,    dtierl  wird  Theopomp  Ton 

Valer  nd  die  art  und  weise  wie  es  geschieht,  besonders 


fktk 


F.  RdhI:  Ober  die  quellen  des  Plularchischon  Perikles.         661 

in  der  zweiten  stelle,  macht  eine  dirccle  benutzung  nicht  unwahrschein- 
lich, dann  war  Theopomp  im  allerlum  eine  sehr  belieble  fundgrube  für 
historische  und  sonstige  anekdoten ,  merkwQrdige  charaklerzflge  und  völ- 
kersitten,  sowie  fQr  alles  was  in  das  gebiet  der  *mirabilis  auscullatio'  ge- 
hört, so  dasz  der  annähme  einer  benutzung  durch  Valerius,  insbesondere 
wenn  man  die  natur  seiner  übrigen  quellen  berücksichtigt,  gar  nichts 
entgegensteht,  und  endlich  gibt  es  verschiedene  stellen,  wo  die  berichte 
des  Valerius  mit  denen  des  Theopomp  übereinstimmen.^]  in  unserm  falle 
ist  aber  kaum  eine  andere  quelle  für  Valerius  denkbar:  denn  aus  Cicero 
stammt  diese  erzShlung  nicht,  ebenso  wenig  aus  Trogus,  dessen  werk 
für  derartige  züge  kaum  platz  hatte  und  überhaupt  einen  ganz  andern 
geist  athmete^),  und  eben  die  Übereinstimmung  mit  Plutarch  an  stellen, 
welche  schon  aus  andern  gründen  wahrscheinlich  auf  Theopomp  zurück- 
gehen, weist  auf  diesen  hin.  dazu  zeigt  der  zusatz  bei  Valerius:  nee 
hominem  auf  aesUmaUo  eloquH  auf  morum  augurium  fefeUit,  quid 
enim  inier  Pisisiratum  et  Periclem  mierfuit  nisi  quod  ille  armattu^ 
hie  sine  armis  iyrannidem  gessit?  dasz  er  einem  aristokratischen  histo- 
riker  folgte,  wenn  auch  die  worte  selbst  sicherlich  dem  compilator  an- 
gehören. 

Ist  aber  hier  Theopomp  die  quelle  des  Valerius  Maximus  gewesen, 
so  werden  wir  annehmen  müssen,  dasz  auch  das  vierte,  fünfte  und  sechste 
capitel  des  Plutarch,  welche  yon  Anaxagoras  und  den  übrigen  lehrem  des 
Perikles  handeln ,  aus  diesem  geflossen  seien ,  eine  schon  an  sich  nicht 
unglaubliche  Vermutung,  so  dürfte  namentlich  die  erz&hlung  von  dem 
eiohörnigen  widder  (c.  6}  fast  mit  notwendigkeit  auf  die  hauptquell^ 
Plutarchs  zurückzuführen  sein ,  da  er  mit  der  von  ihm  selbst  gegebenen 
darstellung  im  gründe  nichts  weniger  als  einverstanden  ist,  vielmehr 
durch  eine  ebenso  *tiefe'  und  ^mystische'  als  alberne  auseinandersetzunjg^ 
die  betctbaijiOVta  zu  vertheidigen  und  sich  das  gewissen  zu  salvieren 
sucht.  Piaton  kann  für  diese  notizen  kaum  benutzt  worden  sein:  denn 
einmal  bietet  Plutarch  viel  mehr,  und  dann  wird  in  Piatons  ersUsm  Alki- 
biades  (118')  Pythokleides  unter  den  lehrem  des  Perikles  genannt,  wäh- 
rend Plutarch  hierfür  nur  Aristoteles  als  autorität  anführt,   dagegen  wer- 

quem  Theopampu»  dicit  Septem  et  quinquaginia  et  eentum  annoi  vixisse, 
VIII  14  ext,  6  ac  bene  conmUuerant  Ephesü  decreto  memoriam  taetenind 
komme  {fferostraä)  abolendo,  nisi  Theopompi  magnae  faamdiae  ingerdum 
hütorße  eum  suis  comprehendiseet,  4)  vgl.  z.  b.  Val.  Max.  VI  9  ext.  3 
Cimoräs  incunabula  opitdone  stultitiae  fuertmt  referta  mit  Plnt.  Kimon  4, 
der  Theopomp  folgt  (m.  abh.  s.  21)  (K(^uiv)  töv  iTpO[>TOV  f|b6€€i  xpövov 
ly  tQ  iiöX€i  xal  xaxdic  fixoucv  die  dTOKTOc  xal  iroXuir6Tr)C  xal  t(|i  irdirirqi 
Kt^wvi  irpoccoiKÜic  T^iv  qiOciv,  6v  6i*  cönOcidv  (paci  KodXc^ov  irpocaxo- 
p€u6f)vai*  ferner  was  Val.  Max.  VI  9,  lo  ext.  2  über  die  jagend  des 
Themistokles  erzählt  wird,  was  mit  Plnt.  Them.  3  übereinstimmt,  dbez 
dieser  bericht  auf  Theopomp  zurückgehe,  hat  schon  M.  Hang  über  die 
qaellen  Plutarchs  in  den  biographien  der  Griechen  s.  42  bemerkt  und 
gedenke  ich  bei  einer  andern  gelegenheit  ausführlicher  nachzuweisen. 
6)  dasz  Trogus  übrigen^  unter  die  quellen  des  Valerius  Maximus 
zu  rechnen  sei,  ist  trotz  der  unhaltbaren  gründe,  die  Kempf  dafür  an- 
führt, ziemlich  unzweifelhaft,  vgl.  z.  b.  Val.  Max.  V  3  ext,  3  mit  Jus- 
tinns  II  16. 


662         F.  RQhl :  Ober  die  quellen  des  PluUrchischen  Pcrikles. 

den,  wie  Saappe  mit  recht  bemerkt,  die  kurzen  notizen  aber  Anaxagoras 
im  8n  capilel  ausschlieszlich  auf  Piatons  Phädros  270*  zurückgehen. 

Wenn  nun  ein  so  bedeutendes  slQck  der  biographie  aus  Theopomp 
stammt,  so  wird  sich  die  Untersuchung  zunächst  darauf  ridilen  mfissen, 
was  von  den  fibrigen  teilen  derselben  ihm  etwa  noch  angehöre.  Sauppe 
«chreibt  ihm  die  ersten  sStze  des  dritten  capil^ls  zu,  und  dies  ist  in  der 
Ihat  sehr  glaublich,  da  er  die  biographie  des  Kimon  in  derselben  weise 
begann  und  er  jedenfalls  von  der  abkunfl  des  Perikles  reden  rauste.  ganz 
unmöglich  wäre  es  freilich  nicht,  dasz  Plularch  hier  aus  Herodol  (Vi 
125  ff.}  geschöpft  habe,  da  das  unmittelbar  folgende  prodigium  von  diesem 
ebenfalls  erzlblt  wird  und  Plutarch  trotz  seiner  sonstigen  abneigung  gegen 
diesen  historiker  ihm  ein  solches  geschichtchen  dennoch  entlehnt  haben 
könnte,  zumal  auch  im  ausdruck  eine  ganz  merkwürdige  übereinsluniottog 
stattfindet. ")  doch  sind  auch  ahwcichungen  vorhanden  und  der  zusalz 
Plutarchs  t&  \ikv  fiXXa  Tf|v  \biav  toO  cififiaxoc  ä^efnrrov ,  'npo\ir\m 
bk  Tf|V  xecpaXfjv  xal  äcu^ijüteTpov  läszt  eher  auf  eine  abgeleitete  cpielle 
schlieszen.  die  letzten  zeilen  des  5n  cap.  möchte  man  dagegen  dem  Theo- 
pomp wol  absprechen  und  auf  Ion ,  aus  dem  das  vorhergehende  geflossea 
ist,  zurückführen,  da  sie  schlecht  in  den  Zusammenhang  des  Theopom- 
pischen  berichts  passen  und  ihrer  ganzen  nalur  nach  in  dem  des  Ion  wol 
ihre  stelle  finden  konnten. 

Gewis  nicht  Theopompisch  ist  die  notiz  über  Ephialtes  im  7n  capitel, 
da  sie  an  ganz  verkehrter  stelle  steht  und  zur  Orientierung  des  lesen 
etwas  vorwegnimt,  was  nachher  im  richtigen  zusammenhange  ausführlich 
erörtert  wird,  ähnlich  steht  es  mit  den  im  8n  cap.  über  ThukydidesHe- 
lesias  söhn  mitgeteilten  anekdoten,*  abgesehen  davon  dasz  wir  über  die 
angäbe  des  scholions  zu  Aristophanes  wespen  941  (Theop.  fr.  98  Müller], 
wonach  Theopomp  den  vater  des  Thukydides  Pantänos  nannte,  nicht  so 
leicht  hinweggehen  können,  wie  Sauppe  s.  24  thut.  im  elften  cap.  e^ 
wähnt  nemlich  Plutarch  den  vater  des  Thukydides  gar  nicht,  er  nennt  ihn 
blosz  douKubibnv  TÖV  'AXujTreicfiGev ,  und  das  spricht  vielleicht  daf&r 
dasz  der  scholiast  nicht  irrte.  Plularch  fand  dann  wahrscheinlich  die  an- 
gäbe des  Theopomp  auffällig,  wagte  jedoch  nicht  sich  für  die  gegen- 
teilige ansieht  zu  entscheiden  und  liesz  dalier  den  vatemamen  fort.^  auch 
der  ausdruck  bia^vimoveÖ€Tai  bi  Tic  spricht  für  eine  nebenquelle,  viel- 
leicht für  die  uirofiv/)fiaTa  des  Ion ,  aus  denen  auch  die  kurz  darauf  fol- 
gende erzählung  von  Sophokles  und  dem  schönen  knaben  entlehnt  ist. 
doch  könnte  man  auch  an  Stesimbrotos  denken,  überhaupt  scheint  von 
dem  reste  des  capitels  dem  Theopomp  nichts  anzugehören;  schon  liogsi 
ist  von  anderer  seite  auf  Aristoteles  und  Ion  hingewiesen  worden,    die 

6)  Plut.  Per.  8  aÜTi)  KaxA'Toöc  üwvouc  Ibo^t  tcköv  XioYta  küI 
fice*  fifi^gac  öXirac  €t€K€  TTcpiKX^o.  Herod.  VI  131  CATapicni)  cuvoiicn; 
cacd  T€  :^av8(triiui  ti|i  *Ap((ppovoc  kqI  ^pcuoc  £oOca  €To€  öyiv  ^v  t4» 
öirvip'  ^bÖKce  b^  A^ovra  tck^v,  kqI  |i€T*  bXiyac  i^^^pac  xiicT«  TTcpwXw 
EavSitriTip.        7)  zweifelhaft  bleibt  die  sache  freilich  immer,  nament- 

V^^ i^gg  ansdrucks  Aa^uivlbou  toO  *0a6€V  c.  9;  das«  man  hie' 

Damonides  sehn  zu  denken  und  danach  zn  corrigiereo 
mir  scheint»  noch  nicht  aasreichend  bewiesen. 


.  F.  RflhI :  über  die  quellen  des  Plutarcbischen  PerlUes.         663 

Lemerkung  üb^r  die  scbriflen  des  Perikles  ist  vielleicht  von  Plütarcb 
selbst,  da  man  lu  seiner  zeit  über  die  unechlheit  derselben  einig  gewesen 
zu  sein  scheint "};  sie  kann  jedoch  ebenso  gut  z.  b.  aus  Ion  stammen. 

Auch  den  anfang  des  9n  capitels  hat  Sauppe  s.  18  wol  mit  recht 
dem  Theopomp  abgesprochen')  und  Piatons  Gorgias  515'  als  quelle  hin- 
gestellt: denn  was  hier  erzählt  wird,  hat  keine  weitere  Verbindung  mit 
dem  folgenden  und  grosze  fthnlichkeit  mit  jener  stelle  des  Piaton.  dasz 
dagegen  aus  Aristoteles  nicht  mehr  als  die  kleine  noliz  über  Damonides 
entnommen  sei ,  haben  wir  schon  oben  bemerkt  im  übrigen  wird  man 
Sauppes  ansichten  über  dieses  und  das  folgende  capitel  zusUmmed  müs- 
sen; nur  wäre  es  wol  nicht  unbedingt  notwendig  unter  den  ^lot  c«  10 
den  Slesimbrotos  zu  verstehen ;  die  stelle  im  Kimon  c.  14  beweist  nuf 
für  den  folgenden  satz  ^böxet  usw.,  und  die  hier  gegebene  erzlhlung  hat 
die  innere  Wahrscheinlichkeit  für  sich.  ^®) 

Viel  weniger  überzeugend  ist  die  ansieht  Sauppes  s.  23  ff. ,  dasz  das 
elfte  capitel  aus  zwei  verschiedenen  relationen  zusammengesetzt^sei,  von 
welchen  die  eine  Perikles  günstiger  gewesen  als  die  andere,  auch  was 
von  den  Worten  iif\KOVTa  bt  tptrjpeic  an  folgt,  kann  in  einem  für  Peri- 
kles nicht  besonders  günstigen  sinne  verstanden  werden  und  verrSth  den 
aristokratischen  parleislandpunct,  wenn  auch  der  Verfasser  Perikles  nicht 
gerade  zu  den  gemeinen  demagogen  rechnen  will,  man  kann  maszregeln 
in  mancher  hinsieht  für  sehr  nützlich  zur  erreichung  eines  gegebenen 
zwecks  halten  und  sie  doch,  sei  es  wegen  ihrer  beweggründe,  sei  es  wegen 
der  art  ihrer  ausföhrung  und  ilirer  späteren  folgen ,  misbilllgen.  in  den 
worien  ÖrJKOVia  bk  Tpi^petc  xaB'  ^Kacrov  dviaurdv  dkTr^MTrtüV,  tv 
alc  KoXXoi  Tdjv  TToXiTUJV  frrXeov  öktOj  jLifjvac  IjufitcGot 
wird  vom  aristokratischen  standpunct  aus  gewis  nichts  lobenswerlhes  er- 
zählt, alle  aristokratien  sind  stets  dagegen  gewesen ,  dasz  leule  ohne  be- 
deutendes vermögen  und  ohne  'erlauchte'  vorfahren  sich  viel  um  den 
Staat  bekümmern,  und  sind  daher  principielle  gegner  aller  diätenzahlun- 
gen ,  und  dasz  eine  menge  bürger  acht  monale  hindurch  zu  Staatszwecken 
ihrem  geschäft  entzogen  wird,  stimmt  ebenso  wenig  mit  ihren  ansich- 
ten üherein,  es  sei  denn  dasz  die  aristokraten  selbst  die  geborenen  be- 


8)  QnintiliBn  III 1,  12.  Cicero  scbeiiit  sich  über  diesen  panct  nlobt 
ganz  klar  gewesen  zn  sein.        9)  dagegen  Rose  Aristoteles  pseud.  s.  421  f. 

10)  anders  steht  es  mit  der  ansieht  Sauppes  s.  20  ff.  über  die  qaelle 
der  günstigen  urteile  über  Ephialtes.  wir  glauben  (über  die  quellen  Flu- 
tarchs  im  Kimon  s.  23)  Theopomp  als  solche  erwiesen  zu  haben,  was 
Sauppe  nur  als  möglieb  hinstellt,  so  dasz  es  nicht  nötig  wird  den  Ver- 
fasser der  <fiT66€Cic  zu  Isokrates  Areopagitikös  des  irtums  zn  bezieh- 
tigen.  auch  die  stellen  des  Aelian  XI  9  und  XIII  39  gehen  vielleicht 
auf  Theopomp  zurück,  an  unserer  stelle  freilich  scheint  blosz  Aristo- 
teles zu  gründe  zu  liegen;  wenn  Theopomp  den  dritten  messenisohen 
krieg  übergieng  (meine  abh.  s.  19  f.)>  so  kann  er  leicht  auch  yon  dem 
morde  des  Ephialtes  geschwiegen  hahen.  die  stelle  des  Plutarch  scheint 
nicht  danach  ang^etban,  als  ob  sie  auf  Theopomp  zurückgienge ;  Plu- 
tarch wilMdomeneus  widerlegen,  und  in  solchen  fällen  pflegt  er  ausser 
seiner  hauptqaelle  noch  einen  dritten  autor  zn  rathe  zu  ziehen,  gegen 
eine  benutzung  des  Ephoros  scheint  Diodor  XI  77  zu  sprechen. 


664        F.  Ruhl :  Aber  die  qaeUen  des  PluUrchischen  PeriklesL 

reblshaber  seien,  es  kommt  hioza  dasz  die  flotte  von  jeher  die  wahre 
hochscbnle  demokratischer  gesinoung  gewesen  ist  und  sich  deshilb  bei 
oligarchen  niemals  groszer  beiieblheit  erfreut  hat")  dies  schliesst  aber 
nicht  ans ,  dasz  der  autor  der  maszregel  eine  gewisse  iweckmSszigkeit 
nicht  absprach,  und  die  worte  peXcTUfVTec  fi^a  Ktti  fiavOdvovrcc  Tfjv 
vauTUcfiv  dfiiretpiav  sollen  woi  ein  derartiges  zngeslindnis  aosdrficken. 

Was  dann  im  16n  capitel  von  dem  hauswesen  des  Perlkles  eraShh 
wird,  weist  um  so  mehr  auf  Theopomp,  als  es  mit  bemeiiongeo  fiber 
Anazagoras  und  seine  philosophie  in  Verbindung  gebracht  wird ;  ans  Sle- 
simbrotos  ist  es  schwerUch  entnommen,  da  es  für  Pertkles  wesentlich 
gOnstiges  enthält 

Fflr  die  folgenden  capitel  17 — 23  nimt  Sauppe  s.  35  nach  dem  Vor- 
gänge von  K.  F.  Hermann  de  fontibus  Plutarchi  in  vita  Periclls  (Marborg 
1836)  s.  V  Thukydides  und  Epboros  als  queUen  des  Plntarch  an.  ca- 
nSchst  aber  läszt  sich  eine  benutzuog  des  Thokydides  nirg^ids  nach- 
weisen, der  bericht  Plutarchs  fiber  die  sclilacht  bei  Koroneia  (Per.  18) 
steht  ganz  unabhängig  von  dem  des  Thukydides  da.  abgesehen  davon  dasz 
Plutarcb  nicht  den  gang  der  ereignisse  schildern,  sondern  lediglich  die 
besonnene  vorsieht  des  Perikles  ins  hellste  licht  stellen  will,  erwilwi 
auch  Thukydides  den  tod  des  Tolmides  mit  keinem  worte,  und  wir  erfah* 
reu  aus  Plntarch  verschiedene  andere  schStzenswerthe  notizen,  deren 
fiberlieferung  wir  nur  ihm  verdanken,  bei  dem  zuge  des  Perlkles  um  den 
Peloponnes  (Plut.  Per.  19.  Thuk.  I  111)  sind  die  abweicfaungen  b^er 
Schriftsteller  noch  viel  gröszer.  Plutarch  Ist  bedeutend  ausffihrUcher, 
sagt  aber  nicht,  wie  viel  hopliten  an  dem  zuge  teil  nahmen,  während 
Thukydides  ihre  zahl  auf  tausend  angibt.  fOr  die  annähme  aber,  dasz 
Plutarch  hier  die  erzäUung  des  Thukydides  mit  der  eines  andern  Schrift- 
stellers verbunden  habe,  scheint  kein  anhaltspunct  vorzuliegen,  ebenso 
wenig  folgt  Plutarch  (Per.  21)  fflr  die  geschichte  des  helligen  krieges 
dem  Thukydides:  denn  er  hebt  die  persönliche  thätigkeit  des  Perikles  her- 
vor, während  Thukydides  (I  112)  seiner  gewohnheit  gemäss  nur  von 
den  Athenern  im  allgemeinen  redet,  auch  scheint  das  was  Plutarch  von 
der  monumentalen  Verewigung  der  athenischen  anspräche  auf  das  recht 
der  ersten  anfrage  erzählt  aus  derselben  quelle  geflossen  zu  sein  wie  das 
vorhergehende,  was  endlich  die  dem  dreiszigjährigen  vertrag  unmittel- 
bar vorangehenden  ereignisse  betrifft,  so  fibergeht  Plutarch  die  schlacfat 
bei  Koroneia,  von  welcher  er  schon  an  einer  frflheren  stelle  berichtet 


11)  es  wird,  um  ein  neueres  beispiel  anzufahren»  genflgen  auf  die 
vereinifften  Niederlande  hinzuweisen ,  wo  die  repablicaner  üeh  auf  die 
Seemacht,  die  Oranier  auf  das  heer  stützten,  ebenso  war  im  letiten 
americanischen  kriege  die  flotte  der  am  meisten  repablicanisoh  gesinnte 
teil  der  Streitmacht,  wShrend  sieh  in  der  armee,  sogar  in  den  hSchsten 
stellen,  eine  menge  ' copperheads '  befanden,  bei  den  Griechen  war 
es  nicht  anders,  ich  erinnere  bloss  an  das  verhalten  der  attischen  flotte 
der  Oligarchie  der  vierhandert  gegenüber,  auch  hat  es  seine  guten 
irründe,  daas  die  woldisciplinierten  spartanischen  hopliten  so  oft  mit 
«e  den  ^faulen'  und  unbotmftszigen  Athenern  gegenübergestellt 


F.  Ruhl:  Aber  die  quellen  des  Plutarcliischen  Perikles.         665 

hatte ,  ganz ,  ebenso  auch  die  schlacht  bei  Oenophyta ,  und  obwul  er  im 
flbrigen  nicht  mit  Thukydides  in  Widerspruch  (rit,  so  beherscht  seine 
ganie  darstellung  doch  ein  völlig  anderer  geist,  und  seine  erzühlung  ist 
voll  von  einzelheiten  die  Thukydides  nicht  erwähnt. 

Ebenso  lassen  sich  gegen  die  bcnutzung  des  Ephoros  bestimmte 
gründe  geltend  machen,  man  pflegt  anzunehmen,  dasz  in  Dlodor  ein 
ziemlich  vollständiger  auszug  aus  Ephoros  vorliege,  wahrscheinlich  mit 
recht,  aber  bewiesen  ist  es  nicht,  und  eine  neue  Untersuchung  der  quel- 
len Diodors  wflrde  eine  sehr  verdienstliche  arbeit  sein,  auch  wenn  sie 
lediglich  die  resultate  Heynes  begründen  und  hie  und  da  prScisieren 
sollte,  das  Perikleische  Zeitalter  freilich  scheint  er  ganz  und  gar  nach 
Ephoros  geschildert  zu  haben,  die  meisten  Fragmente  desselben  finden 
sich  bei  Diodor  wieder,  und  von  den  übrigen  trit  keines  mit  ilim  In 
Widerspruch.  Theopomp  hat  er  fflr  diesen  teil  seines  Werkes  nicht  be- 
nutzt"), dagegen  die  Perserkriege  und  alles  was  auf  Rimon  bezug  hat 
nach  Ephoros  berichtet ,  ebenso  die  Ursachen  des  peloponncsischen  krie- 
ges  —  was  ist  natürlicher  als  dasz  er  dessen  darstellung  auch  für  die 
dazwischen  liegenden  erelgnisse  gefolgt  ist?  ausschlieszlich  aber  scheint 
er  das  nicht  gethan  zu  haben,  wenigstens  Iflszt  sich  die  Vermutung  nicht 
ganz  abweisen,  dasz  er  für  gewisse  abschnitte  Thukydides  mit  herange- 
zogen habe,  bei  den  creignissen  jedoch,  welche  das  18e  bis  23e  capilel 
des  Platarchischen  Perikles  schildern ,  zeigen  die  hSufigen  abweichungen, 
dasz  er  Thukydides  nicht  verglichen  hat,  ihm  wenigstens  nicht  gefolgt  ist. 

Diodor  und  Plutarch  aber  können  nicht  aus  derselben  quelle  ge- 
schöpft haben,  schon  der  bericht  über  die  schlacht  bei  Koroneia  weicht 
ab;  Diodor  (XII  6)  ist  weit  weniger  ausführlich,  berichtet  aber  doch  eini- 
ges was  bei  Plutarch  fehlt ;  dann  stimmt  zwar  die  angäbe  des  Plutarch 
(Per.  19  vgl.  11),  dasz  Perikles  tausend  colonisten  in  den  Chersones 
gesandt,  mit  Diodor  (XI  88),  aber  auch  hier  ist  Plutarch  viel  weilUufti* 
ger,  und  das  was  bei  Diodor  folgt  (Sfia  bk  TOUTOic  TrpaTTOji^voic  ToX- 
^ibiic  ö  (repoc  crpomiTÖc  eic  Tf)v  GCßotav  irapeXOtbv  . . .  öXXoic 
XiXioic  iroXiTttic  Tf|v  twv  NotSiu)v  T^v  bt^vetfie)  steht  mit  Plutarch 
(c.  11)  in  Widerspruch,  der  blosz  von  fünfhundert  colonisten  redet. 
Indessen  in  beiden  fftllen  lieszen  sich  die  abweichungen  auch  bei  be- 
notzung  der  nemlichen  quelle  allenfalls  erklären;  bei  dem  bericht  über 
die  fahrt  des  Perikles  um  den  Peloponnes  ist  das  unmöglich. 

Das  85e  und  88e  capitel  des  elften  buchs  des  Diodor  schlieszen  sich 
unmittelbar  aneinander  an  und  gehen  auf  denselben  autor  zurück;  die 
trennung  des  zusammengehörigen  ist  lediglich  durch  die  annalistische  an- 
läge des  ganzen  Werkes  herbeigeführt,  diese  relation  weicht  aber  von 
der  des  Plutarch  nicht  minder  ab  als  von  der  des  Thukydides.  denn  wäh- 
rend nach  Plutarch  das  geschwader  des  Perikles  aus  hundert  trieren  be- 
stand ,  gibt  ihm  Diodor  nur  fünfzig ,  und  auch  die  übrige  erzählung  ist 

12)  dies  lehren  n.  a.  die  groszen  ahweichnngen  in  der  erzählung 
der  thaten  Kimons,  sowie  der  umstand  dasz  Diodor  XV  30  die  zahl 
d^r  nach  Oreos  gesandten  colonisten  anf  tausend  angibt,  Theopomp 
fr.  164  (Müller)  auf  zweitausend. 


666        F.  Rühlr  aber  die  quellcii  des  Mularcliiscbeii  PeriUes. 

grundverscbiedeo.  Piutarch  berichtet  dasz  Perikles  zuerst  mit  den  Sikyo- 
Diem  gekämpft,  dann  in  Akarnanien  eingefallen  sei  und  Oeniadae  be* 
lagert  habe;  nach  Diodor  geht  die  bebgening  dieser  sladt  voran,  im  fol- 
genden jähre  zieht  Perikles  gegen  die  Sikyonier  und  verwüstet  nochmals 
das  gebiet  von  Oeniadae,  ohne  jedoch  die  Stadt  zu  belagern,  ebenso  er- 
wähnt Diodor ,  dasz  die  Lakedämonier  Sikyon  zu  hülfe  gekommen  seien, 
wovon  Piutarch  wie  Thukydides  schweigen. 

Was  endlich  die  von  Piutarch  im  22n  und  23n  capitel  berichteten 
Vorgänge  betrifft ,  so  zeigt  sich  auch  hier  eine  Verschiedenheit:  deno  von 
dem  sieg  der  Athener  über  die  Megarer  (Oiod.  XH  5)  steht  nichts  bei  Piu- 
tarch. Sauppe  versucht  aus  dem  scholion  zu  Aristophanes  wölken  S5b^) 
eine  benutzung  des  Ephoros  durch  Piutarch  zu  erweisen;  allein  Epboros 
spricht  von  fflnfzehn  talenten,  Piutarch  nur  von  zehn,  so  dasz  also  auch 
hier  kaum  Ephoros  fflr  Piutarch  quelle  gewesen  sein  wird ;  und  dasz  noch 
ein  anderer  älterer  schriftsteiler  die  ohne  zweifei  sehr  bekannte  geschichte 
erzählt  habe ,  ist  höchst  wahrscheinlich. 

Da  nun  Piutarch  im  vorhergehenden  dem  Theopomp  gefolgt  ist,  so 
liegt  die  Vermutung  nahe,  dasz  er  auch  hier  hauptsächlich  aus  ihm  ge- 
schöpft habe,  zumal  die  anordnung  des  ganzen  unchronologisch  ist  usd 
einen  rein  biographischen  Charakter  an  sich  trägt,  rsich  zudem  an  fielen 
stellen  eine  genaue  rücksichtnahme  auf  die  entwickelung  der  beziehongen 
zwischen  Athen  und  Sparta  zeigt,  wie  sie  Theopomp  liebte,  und  das  ganze 
jenen  panhellenischen  geist  athmet,  der  das  eigentlich  charakteristische 
seiner  auflassung  ist.   dazu  kommen  einige  thatsächliche  anhaltspuncte. 

Was  nemlich  Plntarch  (Pen  21)  von  dem  ehernen  wolfe  erzählt,  mel- 
deten nach  dem  scholiasten  zu  Aristophanes  vögeln  557  auch  Eratoslhe- 
nes  und  Theopomp,  da  an  eine  benutzung  des  Eratoslhenes  durch  Piu- 
tarch hier  natOdich  nicht  zu  denken  ist,  so  wird  dieser  sein  bericht  aus 
Theopomp  geschöpft  sein.'^)  ferner  steht  es  fest,  dasz  Theopomp  di<^ 
wiederunlerwerfung  Euböas  und  speciell  die  Vertreibung  der  Histiäer  er- 
zählt hat  (fr.  164  Möller  bei  Strabon  X  683),  und  gewisse  städtenamen 
welche  uns  aus  Theopomp  erhalten  sind ,  z.  b.  Brea  mit  dem  beisatz  dasi 
dorthin  attische  kleruchen  gesandt  seien  (fr.  157  M.),  machen  es  sehr 
wahrscheinlich  dasz  er  hier  dem  Piutarch  vorgelegen  habe,  freilich  musi 
dieser  sein  original  nicht  unbedeutend  verkürzt  haben :  denn  er  erwähnt 
weder,  wie  grosz  die  zahl  der  nachHistläa  gesandten  attischen  klerochen 
gewesen,  noch  dasz  die  Histiäer  nach  Makedonien  ausgewandert  seien, 
auch  hier  also  wird  nicht  sowol  Thukydides  und  Ephoros  als  Theopomp 
für  die  hauptquelle  des  Piutarch  gelten  dürfen  und  dann  dieser  auch  als 
gewährsmann  für  den  sonst  nirgends  überlieferten  plan  des  Perikles  zur 
Umformung  des  amphiklyonenbundes  und  seine  fahrt  ins  schwarze  meer 
anzusehen  sein.  '^) 


13)  hier  heiszt  es:  <pncl  ö'  'Gipopoc  (fr.  118  Müller)  ÖTi  ^CTä  TCtöra 
fiadövTcc  ol  Acnccbaijiiöviot  KXcavöptbiiv  }xiv  ihi\\xe\}cay^  TTXcicTodvaKTO 
hk  x€  TaXdvToic  ilr)niwcav  öiroXaßövT€c  öüjpoöoxificavTac  aöTouc  h\a^^ 
Ar^ä-t^x  Tf\c  Xoiirf|c  'Aönvaiuiv  y^c  i)-nö  tiaiv  ircpl  töv  TTcpiKXto.       }*' 
^eilt  SinteniB  zu  Platarcbs  Perikles  (1835)  s.  165.      15)  es  scheint 


t9\£\mrl 


F.  RQhl:  über  die  quellen  des  Plutarchischcn  Perikles.         667 

Auch  iQr  den  samischon  krieg  läsn^t  sich  eine  ausgedehnlere  be« 
nulzung  des  Ephoros  kaum  nachweisen,  es  ist  gewis  ganz  richtig,  dasz 
Plutarch  'die  allgemeinen  grundzflge  der  expedilion'  aus  Thukydides  ent- 
nahm ;  aber  die  hauplquelle  für  die  vielen  einzelheiten ,  die  wir  aus  Thu- 
kydides nicht  erfahren,  scheint  weder  Ephoros  noch  Aristoteles,  sondern 
Duris  von  Samos  zu  sein. 

Auch  Diodor(Xll  27. 28)  hat  möglicherweise  Thukydides  benutzt,  doch 
beweisen  die  zahlreichen  abweichungen  und  zusetze,  dasz  er  den  bericht 
eines  andern  autors  mit  in  seine  darstellung  verarbeitet  hat,  wenn  er  nicht 
gar  hier  ganz  unabhüngig  von  Thukydides  ist.  jener  andere  histonker 
aber  ist  Ephoros,  wie  die  Übereinstimmung  mit  den  citaten  hei  Plutarch 
lehrt,  im  übrigen  ist  jedoch  sein  bericht  so  wesentlich  von  dem  des  Plu- 
tarch verschieden,  dasz  beide  nicht  denselben  autor  zur  ergSnzung  des 
Thukydides  herangezogen  haben  können,  dasz  Ephoros  zweimal  von 
Plutarch  citiert  wird,  ist  kein  gegengrund;  er  wird  nur  für  einzelheiten 
angeführt,  in  ganz  ähnlicher  weise  wie  Im  leben  des  Kimon  für  die 
Schlacht  am  Eurymcdon,  für  welche,  wie  wir  nachgewiesen  haben  (a.  o. 
s.  8  und  15  f.),  Plutarch  ebenfalls  nicht  Ephoros,  sondern  Theopomp 
gefolgt  ist.  ebenso  verhält  es  sich  mit  Aristoteles,  ja  die  merkwürdige 
art  wie  ihn  Plutarch  benutzt  läszt  es  hier  wie  an  manchen  andern  stellen 
fast  als  zweifelhaft  erscheinen ,  ob  er  wirklich  direct  aus  ihm  geschöpft 
habe,  jedenfalls  zog  er  ihn,  schon  der  ganzen  anläge  seines  werkes 
wegen ,  nur  gelegentlich  zur  ergänzung  und  controle  heran. 

Dagegen  weisen  mehrere  umstände  auf  einen  samischen  autor  hin. 
öinmal  schon  die  weitläuftigkeit  des  ganzen  berichtes  selbst,  während 
die  übrigen  kriegsthaten  des  Perikles  doch  ziemlich  kurz  abgemacht  wer- 
den; dann  die  durchweg  den  Samiern  freundliche  gesinnung,  die  sich  wie 
im  ganzen  so  auch  in  manchen  einzelnen  puncten  zeigt;  hie  und  da  blickt 
auch  eine  aristokratische  und  zwar  samisch  -  aristokratische  parteifärbung 
durch,  für  den  Samier  Duris  speciell  sprechen  verschiedene  gründe,  es 
steht  fest  dasz  die  Piutarchische  erzähl ung  von  der  brandmarkung  der 
beiderseitigen  gefangenen  aus  dem  werke  des  Duris  stammt;  wahrschein- 
lich ist  dieses  auch  die  quelle  der  irtümlichen  noliz  über  die  XeuKfi  f)fi^pot, 
ein  irlum  den  man  in  der  that  eher  einem  späteren  Samier  als  Aristoteles 
oder  Ephoros  zutrauen  kann  (vgl.  Sauppe  s.  11  f.).  diese  nachrichten 
werden  von  Plutarch  ohne  angäbe  des  gewährsmannes  vorgebracht,  die 
erstere  folgt  unmittelbar  nach  einem  citat  aus  Aristoteles,  wie  um  den 
dadurch  unterbrochenen  faden  der  erzählung  wieder  aufzunehmen,  femer 
ist  nicht  ohne  gewicht,  dasz  Plutarch  schlieszlich  (c.  28)  den  Duris,  den 
er  bis  jetzt  noch  nicht  genannt,  obwol  er  ihn  benutzt  hat,  citiert,  um 
ihn  wegen  einiger  Übertreibungen  zu  tadeln,  ein  verfahren  welches  die 


uns  nicht  ganz  sicher,  ob  das  164e  fra^ment  des  Theopomp  wirklich 
in  das  24e  bnch  gehört  und  nicht  vielmehr  in  das  zehnte,  auszumachen 
ist  die  frage  freilich  nicht,  so  lange  keine  genauere  Untersuchung  über 
den  inhalt  und  die  anordnung  der  einzelnen  bücher  angestellt  worden 
ist,  ein  unternehmen  dessen  grosze  Schwierigkeiten  freilich  auf  der  band 
liegen. 


668         F.  Ruhl :  aber  die  quellen  des  PluUrchischen  Periklas. 

allen  historiker  gerade  bei  tliren  hauptquellen  lieben.  **}  Sauppe  legt 
groszen  werlh  darauf,  dasz  Plutarch  dem  Duris  mistraue  und  ihn  des- 
halb, schwerlich  zu  gründe  gelegt  habe;  aber  abgesehen  davon  dasz  ihn 
dies  an  einer  ziemlich  häufigen  benulzung  desselben  in  anderen  seiner 
Schriften  nicht  hinderte,  sind  es  nicht  eigentlich  Unwahrheiten  die  er  ihm 
vorwirft,  sondern  Übertreibungen,  und  man  kann  einen  autor,  der  hie 
und  da  öbertrcibt,  aber  sonst  viele  wichtige  nachrichten  enthält,  recht 
wol  als  quelle  benutzen,  wenn  man  ihn  nur  hinlänglich  controlierL  und 
das  hat  Plutarch  hier  gethan.  unwahrscheinlich  ist  auch  R.  F.  Hermanns 
mcinung  (a.  o.  s.  VIl),  Plutarch  habe  aus  Duris  nur  das  benutzt,  was  ihm 
zur  ergänzung  des  von  andern  überlieferten  passte,  und  deshalb  werde 
er  so  häufig  citiert;  man  hätte  dann  erwarten  sollen,  dasz  er  für  die  bei- 
den oben  erwähnten  stellen  mit  namen  genannt  wäre ,  und  nicht  hier  wo 
ihm  Plutarch  nicht  folgen  will. 

Entscheidend  aber  für  die  benutzung  des  Duris  ist  der  umstand 
dasz  Plutarch  im  24n  capitel  eine  episode  über  Aspasia  einschiebt,  an 
einer  stelle  welche  für  eine  biographie  nicht  unpassender  gewählt  sein 
könnte.  Aspasia  wurde  nemlich,  wie  wir  aus  Harpokration  u.  'Aaracia 
erfahren,  gerade  von  Duris  als  Urheberin  des  samischen  krieges  hinge- 
stellt, und  auch  die  vorhergehende  notiz  des  Harpokration,  dasz  sie  die 
lehrerin  und  geliebte  des  Perikles  gewesen  sei,  wird  auf  diesen  zurück- 
gehen, dies  macht  es  höchst  wahrscheinlich,  dasz  Plutarch  durch  jene 
behauptung  des  Duris,  welche  ganz  wie  eine  erfindung  der  unterliegenden 
partei  aussieht,  durch  die  Schilderung  welche  derselbe  von  dem  Verhält- 
nis zwischen  Aspasia  und  Perikles  gab,  zu  dieser  abschweifuug  veran- 
laszt  wurde,  zu  dem  was  er  in  seiner  hauplquelle  fand  fügte  er  aus  seinen 
collectanecn  noch  eine  anzahl  anderer  notizen  über  jene  frau  hinzu,  dasz 
für  die  notiz  über  Aspasia  nicht  etwa  der  Sokratiker  Aeschines  oder  An- 
tisthenes  zu  gründe  liegen,  bemerkt  Sauppe  s.  12  mit  recht  (vgl.  Her- 
mann a.  0.  s.  IV  f.) ;  an  Stesimbrotos  zu  denken  liegt  kein  grund  vor, 
und  mit  Sauppe  eine  der  schriften  Über  die  attischen  hetären  für  die  quelle 
zu  halten  scheint  ebenso  wenig  nötig. 

Nicht  geringe  Schwierigkeiten  bietet  die  ermittelung  der  quellen  der 
folgenden  capitel,  welche  vom  peloponnesischen  kriege  handeln.  Her* 
mann,  Slnteois  und  Sauppe  nehmen  hier  ein  durchgängiges  zugninde- 
liegen  des  Thukydides  an,  und  wirklich  läszt  sich  ein  gegenbeweis  kaum 
führen,  trotzdem  ist  jene  behauptung  vielleicht  zu  zuversichtlich :  denn 
die  Übereinstimmungen  des  Plutarch  mit  Thukydides  beweisen  nur  wenig, 
da  der  erstere  im  allgemeinen  sehr  kurz  Über  die  von  diesem  ausffihrlidi 
berichteten  Vorgänge  hinweggeht  und  es  auch  nicht  an  ganz  beträcht- 
lichen abweichungen  fehlt,  welche  Sauppe  s.  36  auf  Plutarchs  flüchtig- 
keit  schiebt,  es  bleibt  daher  immerhin  die  hypothese  offen,  dasz  Plu- 
tarch aus  einem  schriftsteiler  geschöpft  habe,  der  seinerseits  wieder  den 

16)  canz  ebenso  verfuhrt  Livins,  wenn  er  XXX  45  plötzlich  den 
P/^i«b|08,  den  er  doch  in  dieser  ganzen  partie  seines  wcrkes  stÜIschwei- 
"•BBchreibt,  citiert,  um  ihn  wegen  einer  angenauigkeit  za  tadeln, 
inaissancezeit  kommt  ähnliches  vor. 


F.  Rühl:  über  die  quellen  des  PlutarchischeD  Perikles.         669 

Tbukydides  ausschrieb,  aber  aus  andern  quellen  neuen  sloff  hinzufOgle. 
da  es  jedoch  vor  der  hand  kaum  möglich  scheint  hier  ins  klare  zu  kom- 
men, und  diese  frage,  so  interessant  sie  für  die  restilulion  gewisser  für 
uns  verlorener  geschichtschreiber  sein  mag ,  für  historische  Untersuchun- 
gen von  geringerem  belang  ist,  so  wird  man  sich  wol  bei  den  resul taten 
Sauppes  beruhigen  können,  nur  einige  einzelheiten  bedQrfen  noch  einer 
genauem  besprechung. 

1}  die  erzählung  von  dem  herold  Anlhemokritos  möchte  Sauppe  einem 
Schriftsteller  wie  Idomeneus  oder  Stesimbrolos  zuschreiben,  allein  der 
tod  des  herolds  und  der  antrag  des  Charinos  sind  anderweitig  sehr  gut  be- 
glaubigt^^, und  es  ist  daher  natürlicher  den  Ephoros  für  Plutarchs  quelle 
zu  halten,  weil  diese  ganze  partie  der  biographie,  soweit  sie  nicht  auf 
Tbukydides  zurQckgehen  sollte ,  nach  Sauppes  eigner  auseinandersetzung 
wesentlich  aus  diesem  geschöpft  ist.  dasz  Diodor  nichts  von  der  sache 
erwähnt,  ist  nicht  zu  verwundern:  denn  dessen  berichtOber  die  Ursachen 
des  peloponnesischen  krieges,  aus  Ephoros  geschöpft  und  in  eine  wahr- 
scheinlicli  ausschliesziich ,  jedenfalls  der  hauplsache  nach  auf  Tbukydides 
beruhende  relation  eingeschoben*^,  ist,  wie  deutliche  spuren  lehren, 
nicht  nur  arg  gekürzt ,  sondern  auch  aus  verschiedenen  stellen  des  Epho- 
reischen  geschichtswerkes  zusammengeschrieben. 

2)  ebenso  wird  das  32e  capitel  auf  Eplioros  zurückgehen ,  da  aucli 
Diodor  iJLll  39)  von  dem  process  des  Anaiagoras  redet  und  erzälilt  wie 
Perikles  hineinverflochten  worden  sei.  der  schluszsalz  des  capilels*'} 
scheint  anzudeuten,  dasz  hier  der  bericht  eines  aulors  zu  ende  gieng, 
aus  dem  alles  vorhergehende  entlehnt  war.  die  erwähnung  des  Aeschiues 
beweist  nicht,  dasz  dieser  hier  zu  gründe  liege;  Plutarch  scheint  aus  ihm 
nur  die  notiz  entlehnt  zu  haben ,  dasz  Perikles  bei  der  vertheidigung  der 
Aspasia  viele  thronen  vergossen. 

Ganz  ähnlich  verhält  es  sich  mit  den  folgenden  capileln;  die  Über- 
einstimmung mit  Tbukydides  ist  unleugbar,  aber  gewisse  einzelheiten  und 
die  ganze  auffassungsweise  lassen  wenigstens  die  starke  mitbenutzung 
eines  andern  autors  vermuten  (vgl.  Sauppe  s.  36  f.),  und  zwar  scheint 
Plutarch  hier  wieder  Theopomp  zugezogen  zu  haben,  dahin  führt  Einmal 
die  ganz  eigentümliche  Verknüpfung  der  ereignisse,  welche  der  in  den 
andern  Theopompisclien  teilen  der  biographie  ungemein  gleicht,  dann 
der  bericht  über  die  vÖOot  (c.  37):  denn  dieser  weicht  von  dem  des  Aelian 
(XIII  14.  VI  10),  der  doch  hier  wol  aus  Tbeopomp  schöpft,  nicht  ab. 
ihn  auf  Philochoros  zurückzuführen  scheint  nicht  gut  thunlich ,  da  dieser 


17)  Suidas  u.  'AvOCfiöxpiTOC.  Paus.  I  36,  3.  Pseudophil.  bei  Demosth. 
bd.  V  8.  146  Bkk.  Harpokration  n.  *Av8e^ÖKptToc.  vgl.  8intenis  zu  Plu- 
tarchs Perikles  (1836)  s.  208  f.  18)  die  abweichangen  von  Tbuky- 
dides Bind  äuszerst  eeringfQgig  und  können  ebenso  gut  auf  flüchiigkeit 
des  Dlodo^  wie  auf  der  mitbenutzung  einer  andern  quelle  beruhen,  man 
musz  freilich  zugeben,  dasz  einige  eigentümliche  Wendungen  das  letz- 
tere nicht  ganz  unwahrscheinlich  machen.  19)  ai  fx^  ouv  alrfai,  Öt' 
Ac  oÖK  claccv  ivboOvai  AaK€bal^ov(olC  töv  &f\^ov,  oOrai  X^ovrai,  t6  5* 
äktfiic  dbiiXov. 


670     '  F.  RGhl:  über  die  quellen  des  Plotarchisclien  Perikles. 


sonst  TOD  PInttrdi  iin  Perilles  gar  nicht  bmtst  worden  ist,  ol»«rol  er 
ibm  atidiente  genug  geliefert  bJlte  (vgl.  ETerniadn  a.  o.  s.  V).  n4»ch  ml 
weniger  scheint  es  glaablich,  dasz  das  was  von  den  häuslichen  leid  des 
Perikles  erzählt  wird  (c.  36)  aus  dem  sog.  Stesimbrotos  stannnefrgl.  Saoppe 
s.  37) :  denn  die  aus  diesem  machweilL  entlehnte  notiz  steht  in  sehr  ge- 
ringem zusammenhange  mit  dem  Torhergehenden ,  und  die  art  und  weise 
wie  Stesimbrotos  hier  citlert  wird  zeigt,  dasz  Plularch  neben  dem  bendbt 
seiner  hauplqnelle  noch  einen  anderswoher  entnommenen  zusats  anbrin- 
gen wollte. 

Noch  eine  allerdings  sehr  gewagte  vemmtung  will  ich  hier  aoN- 
sprechen.  Plutarch  hat  im  Kimon  des  PanUtios  schrift  7r€pt  irapifroptac 
benutzt  (s.  Ekker  zu  Plut.  Kimon  s.  23);  ist  es  nicht  denkbar  dasz  aocb 
die  erzShIung  ?on  der  standhafligkeit  des  Perikles  Im  schmerz  ans  dieser 
abhandlung  entnommen  sei,  da  doch  Plutarch  früher  ganz  anderes  dar- 
über nach  Protagoras  berichtet  hatte  (cons.  ad  Apoll.  118*)? 

Wir  kommen  nun  zu  der  ebenso  wichtigen  als  schwierigen  frage, 
wem  Plutarch  die  nachrichten  über  die  ausfOhrung  der  athenischen  pracht- 
bauten  In  den  capiteln  12 — 14  verdanke,  ich  habe  mir  diesen  abschnitt 
der  biographie  absichtlich  bis  hierher  aufgespart,  sowol  weil  die  ent- 
Scheidung  nach  der  Untersuchung  der  übrigen  teile  leichter  ist,  als  auch 
weil  an  eine  benutzung  des  Theopomp  nicht  zu  denken  ist.  zu  den  tod 
Sauppe  s.  28  f.  hierfür  angeführten  gründen  iSszt  sicli  noch  hinzufügcB. 
dasz  der  letzte  satz  des  vierzehnten  und  der  anfang  des  fflnfzehnten  capi- 
tels  sich  genau  an  das  elfte  capitel  anschlieszen,  und  die  worte  ibc  ouv 
travTdTraci  XuO€tcr)c  rf^c  btaq>opfic  xal  Tf)c  iröX€U)C  oTov  6ftaXnc 
xal  \ixac  T€VOfi^vilC  KOjiibr)  (c.  15)  sich  offenbar  auf  die  bemerkung  im 
lln  capitel  beziehen:  fjv  fi^v  T&p  ii  dpxf^c  biTrXör)  nc  (hroiiXoc, 
ujCTTCp  Iv  cibrjpi)j,  btaq)opdv  örroaifiaivouca  bimoTiKf)c  xoA  dpicro- 
KpaTiKf]c  Trpoatpdceiuc.  sowol  das  elfte  wie  das  fünfzehnte  capitel  sind 
aber  oben  dem  Theopomp  vindicierl  worden,  ist  dies  riclilig,  so  ergibt 
sich  das  dazwischen  liegende  als  einschiebsei. 

In  Plutarchs  darstellung  in  diesen  capiteln  selbst  iSszt  sich  leicht 
der  von  der  hauptquelle  entlehnte  grundstock  von  verschiedenen  zusetzen 
aus  anderen  autoreu  und  von  den  eigenen  betrachtungen  des  Plutarch 
unterscheiden ;  wer  aber  diese  hauptquelle  sei ,  dafür  scheint  auf  den 
ersten  blick  jede  andeulung  zu  fehlen,  allein  schon  Sauppe  machte  mit 
recht  darauf  aufmerksam ,  dasz  uns  hier  stücke  aus  den  damals  gehaltenen 
reden  aufbewahrt  seien ;  wenn  er  jedoch,  namentlich  auf  dieser  erkenntnis 
fuszend,  ohne  freilich  zu  viel  gewicht  darauf  zu  legen,  die  Vermutung 
ausspriclit,  dasz  das  ganze  stück  aus  den  denkwürdigkelten  Ions  stamme, 
so  sprechen  gewichtige  gründe  dagegen. 

Zwar  sind  uns  aus  Ion  viele  werthvolle  nachrichten  über  seine  zeit 
erhallen,  und  es  Ist  auch  wol  bloszer  zufall,  dasz  diese  uns  erhaltenen 
notizen  sich  meist  auf  dichter  beziehen:   denn  das  Studium  der  grie- 
chischen litleratur  wurde  von  den  gelehrten  in  Alexaudrien  und  Per- 
son ,  durch  welche  wir  eben  die  meisten  aus  Ion  gezogenen  einzel* 
^,n  kennen,  in  unvergleichlich  höherem  grade  gepflegt  als  das  der 


F.  ROhl:  über  die  quellen  des  Plutardiischen  Pcrikles.         671 

griechischen  geschtchte;  allein  auf  höhere  politische  erörterungen  hat  Ion 
sich  doch  wol  kaum  eingelassen,  in  der  poIitik  scheinen  den  geistreichen 
mann  mehr  die  bonmols  als  der  gang  der  geschSfte  und  das  spiel  der 
intriguen  interessiert  zu  haben,  insbesondere  waren  solche  uationalöko- 
nomische  faemerkungen,  wie  sie  das  vierzehnte  cajiitel  des  Plutarchischen 
Perikles  enthslt,  gewis  nicht  seine  Sache,  auch  harmoniert  die  der  Peri- 
kleischen  politik  durchgangig  günstige  Schilderung  wenig  mit  der  sonst 
bekannten  gcsinnung  des  Ion,  der  sich  specieil  in  dieser  Trage  sicherlich 
auf  den  standpunct  der  bundesgenossen  stellte,  der  ganze  bericht  des 
Plutarch  weist  vielmehr  auf  einen  pragmatischen  historiker  hin,  der  nicht 
nur  den  gang  der  Suszeren  politischen  geschichte  darstellte,  sondern  auch 
die  oullurhistorischo  eutwickelung  verfolgte,  ein  solcher  autor  aber  ist 
E  p  h  0  r  0  s.  dies  ist  auch  anderswoher  bekannt ;  gerade  für  diese  periode 
läszt  es  sich  aus  Diodor  schlieszen.  kümmerlich  genug  zwar  sind  die 
reste  welche  Diodor  uns  von  dieser  partie  des  Ephoros  aufbehalten  hat; 
aber  die  kurzen  andentvngen  über  die  enlwicklung  der  griechischen  cuUur 
nach  den  Perserkriegen,  welche  Dtodor  im  anfang  des  zwölften  buches  gibt, 
lassen  ahoen  dasz  er  in  seiner  quelle  über  diese  gegenstSnde,  die  sich  in 
eine  annalistische  darslellung  nicht  einfugen  lassen,  eine  weitläuftige 
auseinandersetzung  fand,  die  er  zum  teil  in  die  crörterung  über  die  Ur- 
sachen des  peloponnesischen  krieges ,  wie  er  sie  nach  Ephoros  gibt,  ver- 
arbeitete, der  grund,  welchen  Sauppe  gegen  die  autorscliaft  des  Eplioros 
anführt,  ist  nicht  stichhaltig.  Ephoros  liebte  es  nach  dem  muster  des 
Thukydides  in  seine  darstellung  reden  einzuffigen ,  und  dasz ,  wie  Sauppe 
sagt,  Mie  fülle  und  lebendigkeit  des  ausdrucks ,  die  sich  zu  dichterischer 
farbung  steigernde  eigentümlichkeit  der  reden ,  um  hier  noch  von  dem 
hauche  begeisterter  teilnähme  und  unmittelbarkeit,  die  uns  in  dem  zwei- 
te teile  des  capitels  warm  entgegenweht,  gar  nicht  zu  sprechen,  wenig 
mit  der  sonst  bekannten  weise  des  Ephoros  zusammenstimme',  ist  docli 
ein  zu  hartes  urteil  über  den  begrrinder  der  Universalgeschichte,  abge- 
sehen davon  dasz  die  darstellung  des  Plutarch  kaum  so  glänzend  ist,  wie 
sie  Sauppe  erscheint,  wenn  aber  auch  das  alles  richtig  w9re ,  die  wun- 
der des  Perikieischen  Athens  waren  sehr  geeignet  auch  ein  ziemlich  pro- 
saisches gemüt  zu  erwärmen,  und  wo  sogar  ein  Plutarch  fast  zum  dichter 
wird,  sollte  da  Ephoros  kalt  geblieben  sein? 

Es  fehlt  jedpch  auch  nicht  an  positiven  anhaltspunclcn  fQr  unsere 
ansieht,  dasz  Diodor  das  38e  bis  40e  capitel  seines  zwölften  huchs  aus 
verschiedenen  teilen  der  geschichte  des  Ephoros  ausgezogen  und  ziemlich 
grob  zusammengeschweiszt  habe,  liegt,  wie  wir  schon  zu  bemerken  gc- 
legenheit  halten,  auf  der  band,  aber  selbst  noch  in  dieser  gestalt  ersehen 
wir  daraus,  dasz  Ephoros  weitiäuftig  über  die  athenischen  prachtbaulen 
und  kunstwerke  gehandelt  hatte,  er  hatte  erzählt,  wie  Perikles  der  leitcr 
von  allem  war  (Diod.  XII  39),  wie  Pboidias  das  Standbild  der  Athena  er- 
richtet und  wie  man  dann  Perikles  durch  einen  process  gegen  seinen 
freund  zu  vernichten  suchte;  er  hatte  berichtet,  wie  der  dclische  schätz 
nach  Athen  geschafft  wurde  (Diod.  XH  38  vgl.  Plut.Per.  12),  was  Plutarch 
plötzlich  als  bekannt  voraussetzt,  ohne  es  vorher  auch  nur  mit  einem  werte 


672        F.  RfiU:  fibcr  die  queUea  des  Piol«hbehca  tanUes. 


crwihBl  n  kabea.   daher  ist  es  im  hMwtf  gnde  wihwhfiriiih,  das 
PlaUrcli  hier  wesenüich  ans  Ephoros  geschö|ill  haL 

Voa  den  fihrigen  schriftsleflera,  welche  Plalardb  im  Feriklcs  b—niTt, 
ziefaea  vor  allem  die  koniker  UBsere  anlaicrksaMkeii  anf  sich,  die  frag- 
BMale  siad  ziemlich  alle  mit  fiberzeageadea  gniadca  hestianriea  sückcB 
zogewiesea  wordea,  oad  es  wird  aicht  adtig  seia  daraher  aocb  etwas 
zu  sagea.  kaom  aofgeworfiea  aber  ist  die  frage,  ob  Plalarch  diese  dichter 
selbst  gelesea  habe  oder  sie  aar  auf  frenMle  aatoriUt  hia  dtiere.  dasi  er 
Oberhaupt  Schriftsteller  aaffihrt,  derea  weriie  er  aicht  selbst  geselwa  hii. 
ist  bei  ihm  miadeslens  ebenso  wahrscheialich  wie  bd  aadera  altea  Ustori- 
kern  und  z«  b«  filr  seine  citate  aus  Arehelaos  bewiesea.  dass  er  ühcrhaapi 
die  dichter  der  altea  komödie  gelesea  habe,  ist,  wcna  wir  voa  eia^es 
weaigen  absdien ,  nicht  eben  sehr  glaublich,  einmal  waren  sie  achoa  n 
seiner  zeit  zum  teil  nicht  mehr  erhallen  **);  sodann  hUie  mehr  seit  nai 
Studium  zu  ihrer  ausnutzung  für  die  gesehichte  gdiört,  ab  Plutardi  wahr* 
scheinlich  ffir  eine  ganze  biographie  zu  verwendoi  last  hatte,  nad  enflick 
hätte  er  zuweilen  viel  bessere  belegstellea  und  interessantere  aotixea  ans 
ihnen  entnehmen  können,  als  er  gelhan.  dazu  kommt  nun  daszEphoros  nad 
Theopomp  selbst  die  komiker  benutzt  hatten,  von  Epboros  liszt  sich  das 
aus  Diodor  abnehmen ,  der  offenbar  aus  jenem ,  wie  poetische  iaschriftes. 
so  auch  komikerfragmente  in  verliältnismäszig  nicht  geringer  zahl  öbcrlie 
fert  und  dem  doch  gewis  niemand  eine  Forschung  zu  diesem  zwecke  za- 
schreiben  wird;  für  Theopomp,  der  auf  solche  dinge  ein  scharfes  äuge  hatte 
(untersuchte  er  doch  sogar  die  form  der  buchstaben  auf  dem  deakm;il 
des  friedens  mit  den  Persern),  ist  das  ebenfalls  bekannt  und  folgt  ganz 
deutlich  aus  der  früher  von  uns  angeführten  stelle  des  Valerius  Mnzimiu 
(VIII  9  exi,  2,  vgL  oben  s.  660),  aus  der  hervorgeht  dass  Theopoop 
nicht  nur  von  den  komtkern  im  allgemeinen  sprach,  sondern  auch  cilatc 
aus  denselben  anbradite. 

Eine  nähere  betracbtung  zeigt  nun,  dasz  Plutarch  seine  komikercitale 
zum  grösten  teil  aus  andern  Schriftstellern  übernommen  haL  im  lebes 
des  Themistokles  c.  32  heiszt  es:  oieTai  bi  xai  TTXdruiva  TÖv  xuifitKOV 
paprupeTv  Iv  toutoic 

ö  cdc  b^  Tu^ßoc  ^v  KoXqj  kcxukm^voc 
Toic  dfiiröpoic  npöcpncic  ictm  TrovraxoC, 
Touc  t'  ^KTiX^ovrac  eicnX^ovräc  t'  diperai, 
XibirÖTav  fifxtXXa  tupv  veuiv  GeäceTai. 
offenbar  hat  Diodoros  Periegetes  —  denn  dieser  ist  es  dessen  ansieht  hier 
mitgeteilt  wird  —  auch  die  verse  angeführt  und  Plutarch  sie  aus  ihm 
übernommen,   wenn  er  femer  sagt  Alk.  20:  TOUC  bi  privücccvTOC  6  piv 
6ouKubibric  övo^äcm  irapfiKev,  fiXXoi  b '  övofxäZoua  AioicXcibov 
Kai  TeuKpov,  div  xal  4>puvtx6c  dcnv  ö  KuifitKÖc  raurl  TreTroiiiKiuc  - 
\b  cpiXTaO'  '€pMf)f  ical  cpuXdccou,  ^f|  necibv 
auTÖv  irapcucpoiiq)  xai  7ropdq(i[|C  bioßoXJtv 
iiipui  AioicXe(b<)i  ßouXo^^vif)  koköv  ti  bpav. 


)  Oalenos  zu  Hippokrates  de  nat.  hom.  I  bd.  Y  s.  4  ed.  Bas. 


F.  RQIil :  Ober  die  quellen  des  Plularchischen  Perikles.        673 

xai*  ,q>uXd£ofiar  Te^Kpi)!  fäp  oöxl  ßouXofioi 

fit^vurpa  boOvai  jCj>  TraXafivaiip  {dvi)i  * 
so  springt  doch  in  die  äugen,  dasz  er  nicht  alle  möglichen  Schriftsteller 
verglichen,  sondern  blosz  änen,  wie  äXXoi  und  Ivioi  bei  Plutarch  ge- 
wöhnlich zu  verstehen  sind'*),  und  dasz  dieser,  wahrscheinlich  Ephoros, 
den  Phrynichos  citiert  habe,  denn  warum  nennt  Plutarch  sonst  seine  an- 
dern autoritaten  nicht,  und  wie  kommt  gerade  Phrynichos  zu  der  ehre 
hier  ausdröcklich  als  gewUhrsmann  angeführt  zu  werden?  &hnlk:h  steht 
es  mit  den  citaten  aus  Enpolis  und  Piaton  Alk.  13,  welche  Nlkias  11  zum 
teil  wiederkehren,  wo  Plutarch  dieselbe  quelle  ausschrieb,  ebenso  geht 
wahrscheinlich  im  leben  des  Kimon  c.  10  das  citat  aus  Kratinos  auf  Theo- 
pomp zuräck,  an  dessen  darstellung  es  sich  sehr  gut  anfügt,  und  ziemlidi 
sicher  die  stelle  des  Eupolis  im  15n  capitel :  denn  die  darauf  folgende 
phrase,  womit  die  anschuldigung  des  komikers  zurückgewiesen  wird, 
trägt  ganz  den  Stempel  des  Theopomp,  der,  wie  bekannt,  das  etwas 
genial-lüderliche  privaüeben  seines  beiden  in  möglichst  günstigem  lichte 
darzustellen  suchte. 

Nicht  anders  steht  es  im  Perikles.  dasz  die  bemerkungen  über  den 
urprung  des  beinamens  des  Perikles  (ö  'OXufxmoc),  welclie  im  8n  capitel 
aus  den  komikern  beigebracht  werden,  aus  Theopomp  stammen,  zeigt  die 
Übereinstimmung  mit  Valerius  Haiimus.  sie  schlieszen  sich  eng  an  die 
vorhergehende  Theopompische  relation  an,  welche  durch  einen  zusatz  aus 
Ephoros  unterbrochen  wird. 

Dann  ist  das  citat  aus  Aristophanes  im  26n  capitel:  Cafi(uJV  ö  bf)- 
fiöcicnv  (bc  iroXirrpäfifiaTOC  entschieden  aus  einem  andern  Schriftsteller 
entnommen:  denn  Plutarch  führt  selbst  an,  dasz  es  von  einigen  nüt  der 
samischen  expedition  des  Perikles  in  Verbindung  gebracht  worden  sei.  ob 
es  auf  Duris  zurückgeht,  mag  dahingestellt  bleiben,  ist  aber  höchst  wahr- 
scheinlich, aus  Duris  scheinen  ferner  die  komikerfragmente  im  24n 
capitel  zu  stammen:  denn  olTenbar  hatte  ein  anderer  Schriftsteller,  der 
Plutarch  vorlag,  von  dem  vöOoc  gesprochen,  dessen  Eupolis  erwAhnung 
thut.  auch  schlieszen  sie  sich  sehr  wol  an  den  bericht  des  Duris  an,  wel- 
cher durch  die  aus  anderer  quelle  stammende  notiz,  dasz  Perikles  Aspasia 
Uglich  zweimal  geküszt  habe,  unterbrochen  worden  war.  auch  ist  zu  be- 
denken, ob  nicht  die  am  ende  des  30n  capitels  angeführten  verse  aus  den 
Acharnern  des  Aristophanes  ebenfalls  nur  aus  zweiter  band  angeführt 
werden,  da  Plutarch  sagt,  dasz  die  Megarer  sie  benutzten,  um  die  schuld 
am  ausbruch  des  peloponnesischen  krieges  von  sich  ab  und  auf  die  As- 
pasia und  Periiües  zu  wftlzen.  dasz  Plutarch  die  verse  auch  aus  dem 
original  kennen  konnte,  ist  freilich  durch  die  unten  anzuführende  nach- 
Weisung  Grotes  auszer  frage  gestellt. 

Ganz  klar  endlich  erscheint  das  von  uns  behauptete  verh&ltnis  bei 
dem  citat  aus  Hermippos  im  33n  capitel:  denn  das  was  Plutarch  daraus 


21)  Tgl.  H.  Peter  quellen  Plutarchs  in  den  biographien  der  Römer 
8.  6.  für  die  biographien  der  Griechen  sind  gleichfalls  beispiele  in 
menge  zur  hand. 

JahrblUher  f&r  claM.  phUel.  1S68  hft.  10.  44 


674        F.  ROhl:  Aber  die  qaeüen  des  nuUrciiischeo  PeriUes. 

schlieszt  (direcpuero  il  ical  KX^uiv  f(bf\  biot  Tf)c  irpöc  ixcTvov  fTTcpt» 
icX^a]  öpT^c  Tüuv  noXiTuiv  irop€uö|i€voc  ivA  iflv  bfifiarurtiav}  isszt 
sich  gar  nidit  daraus  folgern ,  sondern  bloss  dasz  Kleon  derjenige  war^ 
welclier  der  defensivpolkik  des  Perikles  den  heftigsten  widerstand  leistete 
wir  werden  also  annehmen  dürfen,  dasz  Plnlarch  den  bericht  des  Theo- 
pomp  zosasmengezogen  nnd  die  von  diesem  citierten  anapiste  des  Her- 
mippos  nicht  ganz  genau  mit  seinem  auszug  in  verbinduDg  gebracht  habe. 

Ist  das  was  wir  bisher  erörtert  richtig,  so  ist  es  wol  lieine  allzu  ob- 
begrflndete  i^muitong ,  auch  die  angaben  aus  komikcm  im  16d  capiteK 
welche  der  darstellong  des  Thukydides  entgegengestellt  werden,  auf  Tbeo- 
pomp  aurflckzuffihren,  aus  dem  das  folgende  stammt  und  dessen  gedanken- 
gang  die  betonung  des  misrerhiltnisses  zwischen  der  reebilfdieii  demo- 
kralie  und  der  factisohen  alleinberschafl  des  Perikles  sehr  wol  entspriehL 
auch  das  citat  aus  Piaton  im  4n  capitel  dOrfte  aus  diesem  enlnommei 
sein,  wie  es  sich  mit  der  am  schlusz  des  7n  capilels  angeführten  stelle 
▼erhalte,  musz  dahfaigestellt  bleiben,  da  man  nicht  weisz  auf  wdebfa 
autor  die  notiz  fiber  Ephialtes  zurückgeht. 

Mit  diesen  bemerkungen  ist  keineswegs  geleugnet,  dasz  Plularch 
einzelne  komiker  wirklich  gelosen  und  selbstündig  benutzt  habe;  von  Ans- 
tophanes  z.  b.  hat  es  Grole  bewiesen  (history  of  Greece  bd.  Y  s.  426, 
vgl.  meine  abb.  s.  4).  in  den  meisten  fällen  jedoch  hat  er  sie  lediglich 
auf  fremde  antoritSt  bin  angeführt. 

Ion  von  Chios  endlich  wird  im  Perikles  ziemlich  hSufig  dtiert, 
scheint  aber  noch  Öfter  benutzt  zu  sein,  um  eine  kleine  nad^ese  zu 
Sauppe  zu  geben,  so  möchten  whr  ihm  zuweisen,  was  im  5ii  capilel  ▼•■ 
dem  benelunen  des  Perikles  der  beleidigung  durch  einen  unwürdigen  ge 
genüber  berichtet  wird :  denn  es  folgt  eine  allgemeine  bemerlciing  aus  Ion, 
die  dieser  sehr  wol  bei  erzdhlung  dieses  factums  gemacht  haben  kann, 
dann  stammen  unter  anderm  auch  wol  die  zwei  boumots  des  Perikles 
welche  im  8n  capitel  mitgeteilt  werden  ebendaher,  da  Ion  mehrere  der- 
artige notizen  seiner  schrift  einreihte  und  sie  einer  aus  ihm  geschöpften 
erzihlung  vorangehen,  dasz  uns  das  eine  derselben  auch  von  Artstoteies 
(rhet.flll  10)  aufbewahrt  worden  ist,  spricht  nicht  dagegen,  ebenso  gehört 
hieriier  auch  wol  der  bericht  über  den  ersten  preiskampf  im  odeion,  sowie 
eine  oder  die  andere  notiz  über  Aspasia.  ob  wir  den  bericht  über  die 
leichenfeler  nach  dem  samischen  kriege  (c.  28)  auf  Ion  oder  auf  Slesim- 
brotos  zurückführen  sollen,  kann  zweifelhaft  erscheinen;  doch  spricht  die 
dem  Perikles  günstige  hallung  des  ganzen  sowie  das  folgende  dtat  mehr 
für  das  erstere.  was  dageged  im  16n  capilel  von  Anaxagoras  erzählt 
wird,  kann  sehr  wol  aus  jenem  sophistenfabricat  entnommen  sein. 

In  negativer  beziebung  bleibt  nur  noch  zu  bemerken ,  dasz  Kritolaos 
nicht  als  quelle  des  Plularch  angesehen  werden  dal'f:  es  ist  ein  ganz  ge- 
legentliches citat,  welches  Plularch  im  7n  capitel  in  die  feder  linft,  ebenso 
wie  der  vers  aus  Euripides  im  4n  capitel  des  Kimon. 

Mailand.  Füanz  Ruhl. 


W.  Fielitz :  über  anfang  und  ende  der  Menandrischen  Adelphen.     675 

91. 

ÜBER  ANFANG  UND  ENDE  DER  MENANDRISCHEN 

ADELPHEN. 


Die  Suetonische  vita  des  Terentius  berichtet,  Varro  habe  den  Teren* 
ziscben  anfang  der  Adelphen  dem  Menandrischen  vorgezogen,  worin 
diese  Verschiedenheit  des  anfangs  beider  slQcke  bestanden ,  Iiat  man  sich 
in  verschiedener  weise  su  erlilSren  gesucht,  das  gespr&cii  des  Micio  und 
Demca  im  ersten  acte  sowie  eine  stelle  des  monologs  des  Micio  stehen 
durch  Donats  zeugnis  (zu  I  2,  1.  1,  18)  als  Menandrisch  fest,  die  sehr 
coroplicierte  und  künstliche  ansieht  K.F.Hermanns  (disp.  de  Terenti  Adel- 
phis,  Marburg  1838}  über  die  art  jener  Verschiedenheit,  die  überdies  von 
dem  alten  und  vor  Grauert  (analekten  s.  124  ff.)  allgemeinen  irtum  aus- 
gieng,  als  sei  die  ganze  person  des  leno,  also  der  ganze  zweite  act  aus  des 
Diphllos  CuvanoGvrjCKOVTec  entlehnt,  hat  W.  Ihne  (quaestiones  Terentia- 
nae,  Bonn  1843,  s.  25  ff.)  widerlegt,  und  ich  kann  sie  daher  bei  seite  lassen. 
Ihne,  welcher  nachweist  dasz  wir  die  verse  des  prologs,  welche  die  coii- 
tamiuation  betreffen ,  wörtlich  zu  verstehen ,  also  nur  den  raub  der  psal- 
tria  d.  h.  II 1, 1 — 43  als  dem  Diphilos  entnommen  anzusehen  haben  (denn 
schon  V.  43  findet  sich  unter  Menanders  TViI'M^^l  fiovöcrixcn  [Hetneke 
Men.  s.  338, 59],  und  zu  v.  45  ciliert  Donat  den  entsprechenden  griechi- 
sclien  vers  aus  Henander),  nimt  nach  Grauerls  vorgan^^«.  o.  s.  132}  in 
betreff  jener  abweichung  des  Terenz  von  Heuander  an,  dieselbe  habe 
darin  bestanden ,  dasz  der  raub  der  psaltria ,  den  Terenz  auf  die  bülme 
bringt,  bei  Menadder  dem  Mieio  von  seinem  bruder  erzSblt  wurde,  eine 
genaue  betrachtung  des  zweiten  Menandrischen  actes,  wie  er  durch  Ihnes 
Untersuchung  dargelegt  ist,  wird  uns,  wie  ich  glaube,  über  art  und  ort 
jener  Verschiedenheit  richtigeres  lehren. 

Dasz  Menander,  wie  Terenz,  seinen  zweiten  act  begonnen  habe  mit 
der  rflckkehr  des  Aeschinus  in  begleitung  des  mfidchens  und  unter  vcr» 
folgung  des  leno,  diese  ansieht  Meinekes  (Men.  s.  1}  hat  Grauert  gewis 
mit  recht  bekämpft,  warum  sollte  sich  dann  Terenz  in  dieser  scene  von 
seinem  original  ab-  und  dem  Diphilos  zugewandt  haben?  wenn  auch 
der  raub  notwendig  mit  der  Verwicklung  des  Stückes  verknüpft  ist ,  so 
brauchte  derselbe  darum  noch  nicht  auf  die  bühne  gebracht  zu  werden. 
Menanders  act  begann  sicherlich  damit,  dasz  der  leno  sich  vor  dem  hause 
des  Aesehinus  einCand,  um  die  beiaiilung  für  das  geraubte  mädchen  zu 
erhalten.  Aeschinus  war  also  im  hause,  da  er  nun  aber  während  des 
ganzen  ersten  actes  auszerhalb  war,  so  würde  nur  die  annähme  übrig 
bleiben,  dasz  er  während  des  zwischenactes  von  seinem  nächtlichen  aben- 
teuer  zurückgekehrt  sei.  diese  annähme,  die  in  der  that  in  diesem  falle 
von  Ihne  gemacht  zu  sein  scheint,  wie  sie  in  andern  (allen  von  andern 
gemaclil  Ist,  beruht  jedoch  auf  einer  durch  nichts  begründeten  Übertra- 
gung unserer  modernen  anschauung  vom  zwischenact  auf  das  antike 
drama.  wir  sind  allerdings  gewöhnt  am  Schlüsse  jedes  actes  durch  den 
Vorhang  höchst  unsanft  aus  der  Illusion  gerissen  zu  werden,   die  Griechen 

44* 


676    W.  Fklilz:  Ober  aofaog  und  ende  der  Menandrischea  AddiplieB. 

haben  diese  klippe  Termieden.  dasz  in  der  alten  tragddie  und  konndie 
die  die  pausen  fällenden  chöre  bei  offener  bfibne  sangen,  verslAl  sich 
Ton  selbst,  bedenken  wir  nun ,  dasz  während  der  ganzen  neuen  komödie 
der  chorgesang  niemals  ganz  anfgebdrt  hat')  und  dasz  noch  Honz")  das 
emporgehen  des  Vorhangs  als  gleichbedeutend  setzt  mit  dem  schlösse  des 
Stücks,  so  werden  wir  die  annähme  als  gesichert  betrachten,  dasz  die 
bahne  w^rend  der  zwischenacte  offen  blieb.')  daraus  folgt  aber  mii 
natwendigkeit  für  die  technik  des  drama  die  regel,  dasz  die  haiidlaB; 
im  zwischenacte  nur  so  weit  fortgang  nehme,  als  dies  hinter  der 
scene  möglich  ist.  es  darf  also  auch  dem  zuschauer  nicht  zugemutet 
werden  dasz  er  eine  person ,  die  er  am  ende  des  einen  actes  auszeriulli 
des  hauses  wusle,  sich  zu  anfing  des  nächsten  als  zurückgekehrt  und 
drinneu  im  hause  befindlich  vorstelle,  wenn  sich  dennoch  in  den  sämt- 
lichen stücken  des  Plautus  und  Terenz  vier  fälle  der  art  finden^),  dau 
wir  von  der  aus  dem  spätem  verlauf  des  Stückes  ersichtlichen  rödLk^ 
einer  person  in  ihr  haus  nichts  sehen  noch  hören,  so  dürfen  wir  fik 
diese  rückkehr  nicht  die  zwischenacte  in  anspruch  nehmen,  aonden 
müssen  einfach  eine  nachlässigkeit  des  dlchlers  constalieren ,  düe  sich, 
von  einem  slficke  abgesehen,  durch  die  geringe  Wichtigkeit  der  belreffea- 
den   personen  hinlänglich  entschuldigt,    war  nun  Menanders  Aeachinus 


1)  6.  Meineke  bist,  crit  com.  s.  441.    vgl.  auch  den  gesang  der  liacher 
im  Rndens  v.  290  ff.  2)  a,  p.  164  speciaioris  ege$  mdaeu  mumemfii  et 

usque  sesntri^  donee  eantar  ^vos  plaudäe*  dicat,    ep»  II  1,  189  quaiiuor  mä 
plures  aulaea  premuniur  in  horas.  3)  daher  sind  auch  nie  an  mnfan^ 

eines  actes  (natürlich  abgesehen  vom  ersten)  die  personen  achon  auf 
der  bahne  beschäftigt,  sondern  sie  betreten  dieselbe  erst  sogleich  mit 
ihren  ersten  Worten,  bei  gelagen  (Aainaria,  Persa)  bietet  der  anfaa^ 
des  actes  nicht  das  fertige  bild  der  beim  mahle  grelagerten  gesellachaft, 
sondern  die  gaste  lagern  sich  erst  {age  decumbamMts)  ^  die  tische  werden 
herangerückt  naw.  4)  zwei  grobe  rerstöaze  dieser  art  finden  aich  in 
der  Asinaria,  die  überhaupt  in  rücksicht  anf  composition  die  allerbe- 
denkliohsten  mängel  zeigt.  Argjrippos  und  Demaenetits  befinden  sieh 
v.  591  nnd  741  im  haase  der  Philaeniam,  während  sie  y.  245  und  125 
auf  den  markt  giengen  nnd  wir  seitdem  von  ihrer  ruckkehr  nichts  ^- 
hört  haben,  die  beiden  andern  fälle  beschrSnken  sich  auf  so  unbe- 
deutende nebenpersonen,  dass  sie  sich  schon  dadurch  der  wahmehmnng 
der  sQSchauer  oder  leser  gänzlich  entziehen,  in  den  Baochidea  geht 
Nicobälas  v.  348  aus  um  seinen  söhn  za  suchen,  noch  ist  seine  rück- 
kehr nicht  ang^emeldet,  als  er  v.  770  schon  wieder  aas  seinem  hanse 
tritt  schon  Y.  626  (vgl.  630)  scheint  er  so  hause  zu  sein,  io  den 
Adolphen  wird  Canthara  y.  364  ansgeachickt  die  hebamme  au  holen, 
und  kommt  nicht  wieder,  es  kam  eben  dem  dichter  nicht  anf  daa  her- 
beiholen der  hebamme  an,  sondern  nur  auf  das  ausgehen  der  Canthara 
(vgl-  V.  616).  hierher  scheint  nar  zu  gehören  ein  fall  ans  dem  Poe* 
nnlns.  Agorastocles  geht  III  6,  13  mit  den  werten  tu  tequere  tme  intrc 
in  sein  haus  nnd  kommt  erst  V  2^  1  wieder  heraus,  e wischen  beiden 
aeitpuncten  sagt  sein  sklaYC  lY  2,  107  nunc  iniro  ibo:  dum  erus  adnemst 
a  foro^  opperiar  dorn,  dasz  wir  diesen  offenbaren  widersprach  nicht 
auf  rechnnng  des  dichters,  sondern  des  interpolators  zu  setzen  haben, 
ersehen  wir  ans  den  Yorsen,  die  derselbe  sklave  kurz  Yorher  spriebt, 
Y.  98  f.  ibo  iniro,  haee  ui  meo  ero  memarem:  nam  huc  si  ante  aedU  a«v9* 
nuaeque  audivistis  modOf  nunc  ri  eadem  tue  iterem,  inscitiast. 


W.  Fielitz:  über  anfaog  und  ende  der  Blenandrischen  Adelphen.     677 

zu  anfang  des  zweiten  acles  za  hause,  so  musz  er  es  auch  im  ganzen 
ersten  gewesen  sein,  damit  ergibt  sich  die  abwesenheit  des  Aeschinus, 
also  auch  das  gastmahl ,  von  dem  ihn  sein  vater  so  ungeduldig  zurück- 
erwartet, als  eine  zuthat  des  terenz,  die  notwendig  geworden  war  zur 
motivierung  der  zweiten  zuthat ,  der  rückkehrscene  im  zweiten  acl; 

Und  suchen  wir  nun  die  einzelnen  verse  der  Terenzischen  zuthat 
hiernach  genauer  zu  bestimmen,  so  ergeben  sich  gerade  die  zehn  bis 
zwölf  ersten  und  der  letzte  vers  des  ersten  actes  als  die  einzigen  des 
ganzen  stQ(^s,  in  denen  dieser  abwesenheit  des  Aeschlnus  erwähnuug 
geschieht:  sie  sind  also  mit  ihrem  ganzen  Inhalt  efgentum  des  Terenz. 
bei  Menander  war  Aeschinus  vom  gastmahl  zurfickgekehrt  (oder  wol  gar 
nicht  da  gewesen)  und  hatte  seinen  raub  bereits  in  Sicherheit.  Miclo, 
welchem  die  saciie  zu  verhehnllchen  kein  gnind  war,  hatte  das  mädchen 
gesehen,  vielleicht  auch  schon  von  ihrer  gewaltsamen  entführung,  aber 
noch  nicht  von  dem  eigentlichen  zweck  derselben  erfahren  (diesen  er- 
fährt er  erst  auf  dem  markte  von  Syrus:  vgl.  v.  364),  jedenfalls  aber 
nichts  ungewöhnliches  oder  strafbares  darin  gefunden,  die  exposilion 
dieser  Sachlage  mag  der  inhalt  der  ersten  verse  bei  Menander  gewesen 
sein,  die  jetzt  durch  die  Terenzischeu  verdrängt  sind,  daher  ist  Hicio, 
als  er  den  Demea  kommen  und  schon  von  weitem  seinen  Unwillen  aus- 
drficken  sieht,  auf  eine  scene  gcfaszt:  er  ahnt  dasz  der  bruder  von  der 
Sache  nachricht  bekommen,  daher  das  dixin  hoc  fore  v.  83,  aus  dem 
auch  Hermann  glaubte  entnehmen  zu '  können ,  dasz  Micro  schon  um  das 
abenleuer  des  Aeschinus  wisse.  Micio  gieng  dann  am  ende  des  actes  auf 
den  markt,  nicht  um  Aeschinus  zu  suchen,  wie  bei  Terenz,  sondern  ent- 
weder um  nähere  erkundigungen  Ober  die  sache  einzuziehen,  oder  um  den 
fortgeeilten  bruder  einzuholen  und  zu  besänftigen. 

Somit  liegt  der  ganze,  vielbesprochene  unterschied  in  den  zehn  bis 
zwölf  ersten  versen.   und  die  verse  des  Terenz : 

profecto  hoc  vere  dicuni:  $i  absis  usptam 
'  [aui  ihi  si  cesses] ,  evenire  ea  satius  est , 
quae  in  ie  uxor  dicit  [et  quae  in  animo  cogitai] 
irata  quam  itta  quae  parentes  propitii 
führen  allerdings  einen  so  feinen  und  witzigen  gedanken  in  so  eleganter 
weise  aus,  dasz  das  urteil  Varros  Aber  diese  verse  im  vergleich  zu  den 
Menandrischen,  welche  die  oben  bezeichnete  einfache  exposition  enthalten 
haben  werden,  als  ein  hinreichend  motiviertes  und  berechtigtes  erscheint. 

Wenn  es  mir  in  diesem  falle  gelungen  ist  das  Verhältnis  des  Terenz 
zu  Menander  in  ein  helles  und  für  den  erstem  nicht  eben  ungQnstiges 
licht  zu  setzen ,  so  ist  es  mir  bedörfnis  an  einer  andern  stelle  den  rühm 
der  Menandrischen  poesie  von  einem  flecken  zu  säubern,  mit  dem  der 
^dimidlatus  Menander'  den  echten  verunreinigt  hat.  mit  dem  ende  des 
vierten  (Fleckeisenschen)  actes  ist  die  fabel  unseres  Stückes  zum  ab- 
schlusz  gekommen ,  die  heirat  des  Aeschinus  hat  die  Zustimmung  beider 
Väter  gefunden,  Demea  ist  besänftigt  und  wird  am  folgenden  tage  mit 
dem  frühesten  sich  mit  seinem  söhne  und  der  psaltria  aufs  land  zurück- 
ziehen, und  wenn  nach  dem  letzten  verse  Micios:  i  ergo  iniro^  et  quoi  rei 


678    W.  Fieliiz:  über  anfang  und  ende  der  Menandrischen  Adelpbea. 

^stj  ei  rei  hunc  sumamu$  diem  der  canlor  mit  dem  plaudiie  schldsae, 
so  könnten  wir  dieser  auCTorderung  im  bewustsein,  ein  nach  composition 
und  Zeichnung  uns  durchaus  befriedigendes  stflcli  gesehen  zu  haben,  aus 
voller  aberzeugung  nachkommen,  statt  dessen  werden  wir  noch  einen 
ganzen  act  hindurch  mit  allerlei  kleinen  und  grossen  gunstbezeagungen 
unterhalten,  die  ganz  naldrlich  mit  der  heirat  und  der  scfalteszIicheB  all- 
gemeinen ausaöbnung  zusammenhiingen,  die  aber  weit  wirksamer  der 
ausmalenden  phantasie  des  Zuschauers  überlassen  blieben  und  die  um  so 
mehr  unsere  Verwunderung  erregen,  als  sie  gerade  von  dengenigen  aus^ 
gehen,  von  dem  man  sie  am  wenigsten  erwartet,  von  Demea.  daaz  diese 
liberale  anwandlung  im  sinne  des  dichters  keine  natörliche,  sondern  dne 
erheuchelte  sei,  hat  Lessing  (Bamburgische  dramaturgie^tCLck  71)  gewis 
mit  recht  behauptet,  obgleich  er  zugibt  dasz,  wenn  man  Demeas  worte 
zu  aufang  des  actes  *so  obeniiin  nehme',  es  fast  scheine  'als  ob  er  vüliig 
von  seiner  alten  denkungsart  abgehen  und  nach  den  grundsitzen  des 
Micio  zu  handeln  anfangen  wolle*,  vollständig  aufgeklärt  Ober  die  ab- 
sieht Demeas,  seinem  bruder  auf  dessen  kosten  eine  gute  lehre  zu  geben, 
werden  wir  erst  durch  seine  unten  anzuführenden  worte  aus  der  letzten 
scene.  30  spielt  denn  nun  Demea  plötzlich  den  nachsichtigen  und  ver- 
schwenderischen und  geht  mit  eigentum  und  person  seines  bruders  auf 
das  freigebigste  um:  Ilegio  bekommt  ein  stück  acker,  Sostrata  einen 
mann,  Syrus  die  freiheit  und  geld  dazu,  und  als  Micio  nach  der  Ursache 
dieser  plötzlichen  Veränderung  in  der  Sinnesart  seines  bruders  forscht, 
erhält  er  zur  antwort : 

ut  id  osienderemy  quod  ie  isii  facüem  et  fesUüom  puianiy 
id  non  fieri  ex  vera  vita  negue  adeo  ex  aequo  et  b<mo^ 
sed  ex  adsentando^  indulgendo,  largiendo^  Micio. 
BUeio  weisz  darauf  nichts  zu  seiner  vertheidigung  zu  sagen,  und  so  trigt 
in  unserm  acte ,  und  weil  denn  doch  dieser  das  endresultat  aus  dem  gan- 
zen stficke  ziehen  soll,  in  unserm  stücke  die  lebensanschauung  und  er- 
ziehungsmethode  des  Demea  einen  unzweifelhaften  sieg  üt>er  die  des  Micio 
davon,   das  steht  im  Widerspruch  mit  der  tendenz  des  gesamten  übrigen 
Stückes.   Micio,  das  bild  des  freien,  feinen,  urbanen  Atheners,  ist  durch- 
weg der  liebiing  des  dichlers.    seine  figur  ist  mit  der  grösten  liebe,  ja 
Parteilichkeit  gezeichnet,  seine  liberalen  anticliten  mit  der  wärmsten 
Überzeugungskraft  dem  zuschauer  dargelegt,    er  hat  seinen  söhn  ge- 
wöhnt, was  andere  hinter  dem  rücken  der  väter  Ihun,  quaefert  adu- 
lescentia^  ihm  nicht  zu  verheimlichen,  denn 
pudore  et  liberalitate  liberos 
retinere  salius  esse  credo  quam  metu. 
denn  wer  durch  strafe  zur  pflidit  gezwungen  wird,  der  scheut  sich,  so 
lauge  er  entdeckung  fürchtet;  wo  er  aber  unentdeckt  zu  bleiben  glaubt, 
gibt  er  seiner  neigung  nacli: 

hoc  pairium  est^  potius  consuefacere  filium 
sua  sponte  rede  facere  quam  alieno  metu. 
und  kann  man  von  dieser  wahrhaft  edlen  erziehungsweise  bessere  resul* 
täte  verlangen,  als  sie  die  durchweg  edlCi  offene  und  freie  Sinnesart 


W.  Fielilz :  über  anCang  udcI  ende  det*  Menandrischeii  Adelphen.    679 

des  Aeschinus  zeigt?  man  lese  doch  nur  die  £e  scene  des  4n  aotes»  wo 
Aescbinus,  zu  einem  gesi&ndnis  gegen  seinen  valer  gezwungen,  von  die- 
sem mit  sanften  und  dooli  so  ernsten  und  vorwurfsvollen  wollen  wegen 
der  Verheimlichung  der  sache  zurechtgewiesen  wird ,  sehlieszUch  aber  die 
Zustimmung  zur  heirat  erhält  und  in  Worte  des  heiszestcn  dankes  aus- 
bricht! diese  scene ^  das  w&rmste  und  auch  für  uns  rührendste,  was  uns 
von  der  Menandrischen  poesie  flbrig  ist,  icann  gar  keinen  zwei/el  aufkom- 
men lassen,  Cfir  wessen  lebensanschauung  der  dichter  selbst  begeistert  ist 
und  andere  begeistern  will,  und  von  diesem  manne  sollen  wir  nun  das 
eudurteil  mit  nach  hause  nehmen ,  dasz  er  nicht  geliebt  werde  ex  vera 
vita  neque  adto  ex  aequo  ei  bonol  über  so  edle  hvmanitfit  soll  doch 
schlieszlich  der  mörrische  philister  Demea  den  sieg  davontragen?  einen 
solchen  Widerspruch  gegen  seine  eignen  tendenzen  kann  sich  kein  dichter 
BU  schulden  kommen  lassen,  der  überhaupt  welche  hat,  am  wenigsten  ein 
phtlosoph  wie  Menander;  ein  solcher  Widerspruch  ist  nur  möglich ,  wo 
zwei  mAnner  nach  einander  an  demselben  werke  arbeiteten ,  von  denen 
der  sp&tere  es  nicht  vermochte  oder  es  versäumte  sich  ganz  in  die  ten- 
denzen des  ersten  hineinzudenken,  ein  solcher  fall  liegt  aber  in  unserm 
stocke  vor,  und  der  Verfasser  jenes  letzten  actes  kann  kein  anderer  sein 
als  Terenz  selbst  diese  ansieht  wird  unterstützt  durch  mancherlei  lücken 
und  mllngel  in  composition  und  motivierung  von  einzelheiten  unserea  actes« 

Syrus  ist  v.  785  aus  furcht  vor  dem  zorne  des  Demea,  der  in  das 
haus  gegangen  ist  und  nun  seinen  jüngsten  söhn  mit  der  psaltria  beim 
mahle  entdecken  wird,  davongegangen,  denn  bei  den  Worten 
itfSi,  dum  hae  sileseuni  turbee,  inierea  in  anguium 
aliquo  abeam  aique  edormiteam  hoc  villi,  sie  agam 
kann  man  sich  doch  unmöglich  vorstellen,  dasz  Syrus  in  das  haus  hinein- 
gehe, wo  der  sturtn,  dem  er  entgehen  will,  zum  ausbruch  kommen  musz« 
und  doch  kommt  Syhis  v.  882  aus  dem  hause  heraus  und  bringt  dem 
Demea  vom  bruder  die  bestellung,  er  solle  sich  nicht  weit  entfernen, 
von  dem  rausche  und  dessen  beiiung  ist  nicht  mehr  die  rede,  merk- 
würdigerweise ist  auch  alle  furcht  vor  Demea  verschwunden,  oder  ist 
Syrus  während  des  zwischenactes  drinnen  von  der  lösung  des  eonflicts 
nnterrichtet  worden?  was  wäre  dann  aber  natürlicher  als  dasz  der  so 
nahe  daran  beteiligte  sklave  seine  freude  in  einem  Selbstgespräch  aus- 
drückte und  dadurch  zugleich  die  in  dem  Zuschauer  aufsteigenden  fragen 
beantwortete?  und  warum  hat  der  dichter  sich  die  gelegenheit  entgehen 
lassen,  die  Wandlung  der  furcht  des  nichts  ahnenden  Syrus  in  freude 
über  die  während  seines  schlafes  vorgegangenen  dinge  auf  die  bühne  zu 
bringen  und  so  die  neue  leutseligkeit  des  Demea  in  recht  helles  licht  zu 
setzen?   so  aber  nimt  Syrus  die  lobsprücbe  hin,  als  mflste  es  so  sein. 

Nun  tritt  Geta  aus  dem  nachbarhause  und  motiviert  sein  auftreten 
mit  den  werten :  era^  ego  huc  ad  hos  pr^viso^  quam  mox  virginem 
arcessatU,  also  nur  Ungeduld  und  neugier  treiben  ihn  hinaus,  aber 
woher  diese  Ungeduld?  wober  diese  Verzögerung,  über  die  bald  darauf 
auch  Aeschinus  klagt?  schon  v.  719  sagt  Micio:  ibo^  Ulis  dicam  nullam 
esse  in  nobis  moram^  und  v.  787  parata  a  nobis  sunt,  iia  ui  dixi^ 


680    W«  FieliU:  Ober  anfang  und  ende  der  MeDandrischen  Adelphen. 

Sosiraiaj  ubi  vis.  danach  kann  die  venögemng  ihren  gnind  nicht  in 
dem  hause  des  Nicio ,  sondern  nur  in  dem  der  Sostrala  haben,  da  also 
Gela  durch  ein  so  schwaches  und  mit  dem  vorhergehenden  in  Wider- 
spruch stehendes  motiv  auf  die  höhne  gesogen  wird,  so  wird  er  da  wol 
eine  wichtige  rolle  zu  spielen  haben?  im  gegenteü,  er  bat  sich  nur 
einige  Schmeicheleien  Ton  Demea  sagen  zu  lassen  und  dann  wieder  zu 
verschwinden. 

Die  folgende  scene  läszt  die  frage  die  sie  anregt  unl>eantwortel: 
haben  sich  vater  und  söhn  im  laufe  des  slflcks  schon  gesehen?  wenn 
Aberhaupt,  so  kann  diese  begegnung  und  die  damit  verbundene  Ver- 
söhnung nur  stattgefunden  haben  im  letzten  zwisdienacte.  wamra  blei- 
ben wir  auch  hierüber  unanterrichtet? 

Nachdem  Syrus  weggeschickt  ist,  um  den  zäun  zwischen  den  nach- 
bargärten  niederzureiszen,  kommt  Hicio  aus  dem  hause,  und  es  folgt  eine 
scene  die  an  Ungeheuerlichkeit  und  man  kann  sagen  Widerwärtigkeit  alles 
übertrifft  und  unter  allen  beurteilem  nur  wenige  verlheidiger  gefundeo 
hat  (z.  b.  Grauert).^}  dem  edlen  allen  Micio  wird,  trotz  seines  strSubens, 
mit  den  nichtigsten  gründen  die  alle  Sostrata  zur  frau  aufgeschwatzt, 
und  zwar  nicht  blosz  von  dem  hämischen  Demea,  dessen  plötzliche  tolle 
frelgebigkeit  hier  nicht  mehr  lachen,  sondern  Unwillen  erregt,  sondern 
auch  durch  seinen  söhn  Aescbinus ,  der  doch  noch  kurz  vorher  gesagt 
hatte : 

iiaque  adeo  magnam  mi  inieil  sua  commoditate  curam^ 
ne  forte  inprudens  faciam^  quod  noUt;  sdens  cavebo* 
Grobe  im  rhein.  museum  XXII  s.  640  hat  auf  die  Ungereimtheit  des  gnm- 
des  hingewiesen,  mit  dem  Aescbinus  seinen  vater  zu  bereden  sucht:  fac^ 
promisi  ego  Ulis, '  wann  hätte  denn  Aescbinus  das  gethan  ?  seit  der  enl* 
deckung  und  dem  darauf  folgenden  gest&ndnis  hat  Aescbinus  das  nachbar- 
haus  noch  nicht  betreten ;  vorher  wäre  aber  ein  solches  versprechen  ge- 
radezu wahnsinnig  gewesen,  oder  sucht  Aescbinus  seinen  vat^  durch 
einen  erdachten  grund  zu  bereden  ?  woher  aber  dann  die  bereitwiliigkeit 
und  das  einverslUndnis ,  womit  er  Demeas  tollen  einfall  unterstfitzt? 
wenn  Grobe  nun,  durch  diese  und  andere  unzutriglichkeiten  bewogen, 
die  ganze  Unterredung  Aber  die  heiral  als  Interpolation  aus  dem  texte 
ausscheiden  will,  so  hatte  er  doch  die  anmerkung  Donats  zu  v.  938  nicht 
unbeachtet  lassen  dürfen:  apud  Menandrum  senex  de  nupiOs  fion  gra- 
valur^  ergo  Terenlius  eviffftiTuSg. 

Die  stelle  hat  eine  doppelte  auslegung  erfahren^),  nemlich  entweder 


5)  selbst  Lesslngf  der  sonst  an  dem  'spiel  der  Charaktere'  in  nn- 
serm  act  viel  zu  rühmen  weiss  (a.  o.  st.  99)  sagt  hierüber  st.  100:  ^der 
blosse  einfall  macht  uns  anfangs  zu  lachen;  wenn  wir  aber  endlich  sehen 
dasz  es  ernst  damit  wird,  dasz  sich  Micio  wirklich  die  schlinge  über 
den  köpf  werfen  läszt,  der  er  mit  einer  einzigen  ernsthaften  wendang 
hätte  ausweichen  können :  wahrlich,  so  wissen  wir  kaum  mehr,  anf  wen 
wir  ungehaltener  sein  sollen,  ob  auf  den  Demea  oder  auf  den  Micio.^ 

6)  Ihnes  conjector  non  gravalur  tantopere  hat  schon  das  gegen  sieh, 
dasz  ein  blosser  gradunterschied  des  str&nbens  schwerlich  bezeichnet 

konnte  durch  Terentiiu  so^i^tiicco;. 


W.  FieliU:  über  anrang  und  ende  der  Menandrischen  Adelphen.     681 

die:  *bei  Menander  sträubt  sich  der  alle  gegen  die  heirat  nicht'  (so  die 
ausleger  vor  Leasing,  Grauert)  oder,  wie  Lessing  und  nach  ihm  Heineke 
will :  *bei  Meoander  ßllt  man  dem  alten  mit  (in  betreff)  der  hochzeit  nicht 
beschwerlich.'  von  seilen  der  grammatlk  ist  gegen  keine  der  beiden  inter- 
prelationen  etwas  za  erinnern,  desto  mehr  von  seilen  der  Ssthetik  gegen 
die  erslere.  Micio  sollte  sich  wirklich  ohne  kämpf  dem  albernen  und 
hinterlistig^  Demea  gefangen  geben?  er  der  sich  als  hagestolz  glücklich 
pries  (u&  fioncdpiöv  p€ ,  Tt^vaiKa  ou  Xa^ßavu)  hiesz  es  bei  Menander], 
sollte  sich  ohne  strSuben  der  iaune  seines  bruders  der  es  anders  will 
fflgen?  diese  heirat  des  Micio  kann  ich  mir  nur  unter  ^iner  bedingung 
vorstellen,  ohne  meine  teilnähme  fflr  Micios  person  auf  das  gröblichste 
verletzt  zu  ffihlen,  wenn  nemlich  Micio,  durch  das  beisplel  seines  sohnes 
bekehrt,  den  gedanken  zu  heiraten  von  selbst  und  ganz  aus  freien  stücken 
faszt.  die  auffassnng  der  Donatischen  stelle  aber,  gegen  die  ich  streile, 
setzt  unbedingt  voraus,  dasz  bei  Menander  dem  Micio  der  heiratsvor- 
schlag  gemacht  worden  sei.  ich  stimme  daher  unbedingt  der  Lessing- 
schen  auslegung  bei ,  und  halte  nicht  nur  das  sträuben  des  Micio ,  son- 
dern die  ganze  heiralsangelegenheit  fQr  eine  erfindung  des  Terenz.  daher 
die  sachlichen  widerspräche  und  Unmöglichkeiten  dieser  scene.  aber  sind 
diese  Widersprüche  und  unmöglichkeilen  gröszer  als  die  welche  wir  durch 
den  ganzen  acl  zerstreut  finden?  erkennen  wir  nicht  überall  dieselbe 
sorglose,  oberflächliche  und  ungeschickle  hand,  die  sich  nicht  kümmert 
um  die  ganze  vorhergehende  composilion ,  die  sich  nicht  bemüht  die  aus 
den  früheren  aclen  herausragenden  fäden  aufzunehmen  und  weiter  zu 
weben,  sondern  mit  rohen,  ungeschickten  knoten  an  das  fertige  gewebe 
ein  neues,  fremdartiges  anfügt? 

Doch  ich  bin  mit  meiner  analyse  des  actes  noch  nicht  zu  ende. 
Syrus  hat  seinen  auftrag  ausgerichtet  und  kommt  wieder;  sofort  bean- 
tragt Demea  seine  freilassung  und  Syrus  unterstützt  den  anlrag  mit  dem 
auch  von  Demea  anerkannten  gründe: 

ego  istos  vobis  usque  a  pueris  curavi  ambos  sedulo^ 
docui^  montn^  bene  praecepi  setnper  quae  potui  omnia. 
also  auch  den  Glesipho,  der  doch  auf  dem  lande  nach  einer  ganz  andern 
melhode  von  seinem  vater  erzogen  wurde? 

Aber  noch  nicht  genug  der  von  Demea  ausgebenden  gnade:  nun 
musz  zuguterletzt  (denn  bisher  haben  wir  davon  noch  nichts  erfahren) 
Syrus  auch  noch  eine  frau  haben ,  nur  damit  Demea  auch  sie  frei  bitten 
kann,  und  was  wird  als  grund  für  die  freilassung  angegeben?  iuo  ne- 
poii^  huius  filio^  hodie  prima  mammam  dedit  haec,  auch  das  ist  nur 
für  diesen  zweck  erfunden :  denn  wir  haben  weder  davon  gehört ,  noch 
auch  die  person  in  das  nachbarhaus  gehen  sehen. 

So  hat  der  ganze  act  mit  allen  einzelheiten  nur  den  zweck,  dem 
Demea,  dessen  trockene  strenge  dem  damaligen  Römer  allerdings  wol 
mehr  zusagen  mochte  als  die  feine  griechische  humaniläl  Micios,  über 
seinen  bruder  und  dessen  lebensphilosophie  triumphieren  zu  lassen, 
diesen  zweck  aber  konnte  nicht  der  Grieche  Menandros,  sondern  nur  der 
Römer  Terentlus  haben. 


682  H.  Probst:  zu  TaciUis  annalen  [II  23]. 

Wenn  man  mich  nun  fragt,  weshalb  Donat  in  der  oben  besproche- 
nen stelle  nicht  den  ganzen  act,  sondern  nur  den  einen  teil  desselben  als 
erfiudung  des  Terenz  bezeichnet  habe,  so  fragt  man  mich  zu  yiel.  das 
kann  an  der  art  und  bcscbalFenheit  der  quelle  li^en,  der  er  die  angäbe 
verdankt,  dasz  aber  der  vers,  den  Pbotios  s.  387  u.  CKuGpöc  aus  Menaii- 
der  qhne  angäbe  des  Stücks  citiert:  ijüj  5*  dTpoiKOC,  £pTäTi|€,  CKU- 
epöc,  TitKpöc,  qpeiöwXöc,  und  der  äbercinsUmmt  mit  der  8|)bst5cbilde* 
rung  Demeas  v.  866  ego  ille  agretiis^  saevos,  iristiSy  parcus,  iruculenhu^ 
tenax  —  dasz  dieser  vers  meiner  hypothese  schaden  bringe,  glaube  ich 
nicht:  denn  zu  diesem  ausdruck  des  gegensatases  zu  seinem  bruder  hatte 
Demea  bei  Menander  noch  an  verschiedenen  andern  stellen  gelegenheil: 
so  z.  b.  konnte  er  gleich  im  ersten  acte  mit  einer  derartigen  mfirritchen 
Selbstbetrachtung  die  bühne  betreten,  oder  der  vers  kann  auch  dem 
Schlüsse  des  Stückes  und  einer  Versicherung  angehören,  die  Demea  sei 
es  dem  bruder  sei  es  den  zuschauem  gab,  der  Versicherung  einer  wirk- 
lichen, nicht,  wie  bei  Terenz,  erheuchelten  sinnesAnderung. 

Stralsund.  Wilbelx  Fibutz. 


92. 

Zu  TACITUS  ANNALEN. 


II  23  ac  primo  placidum  aequor  mille  navium  remis  strepere  aui 
velis  inpelli:  mox  atro  nubium  globo  effusa  grando^  siinul  varüs  undi- 
que  procellis  incerti  fluctus  prospectum  adimere^  regimen  inpedire. 
es  dürfte  dies  die  einzige  stelle  sein ,  wo  incerti  fluctus  vorkommt :  denn 
hist  V  6,  wo  früher  inceriae  undae  stand,  liest  man  jetzt  richtig  inertes 
undae,  was  kann  man  sich  aber  bei  incerti  fluctus  denken ,  oder  wie 
sollen  incerti  fluctus  die  aussieht  benehmen?  mit  erkläruugen  wie  ^dubii, 
diversis  ventis  modo  huc  modo  illuc  acti'  (Ruperti)  ist  offenbar  nichts  an- 
zufangen, die  Übersetzer  machen  sich  die  sache  leicht,  indem  sie  den 
durch  den  Zusammenhang  erforderten  sinn  in  das  wort  hineinlegen,  so 
z.  b.  G.  L.  Roth:  *dann  aber  sperrte  der  aus  schwarzer  wolkenmasse 
geschüttete  hagel  und  die  durch  wechselnden  stürm  von  allen  seilen 
regellos  gehobenen  wogen  den  blick  in  die  ferne',  oder  A.  Stahr 
römische  kaiserfrauen  s.  234:  *dann  aber  plötzlich  hemmte  der  aus 
dichtgeballtem  schwarzem  gewölk  niederströmende  hagel  und  die  durch 
schnell  wechselnde  Sturmwinde  von  allen  seiten  regellos  überein- 
ander getürmten  wogen  jede  aussieht.'  incerti^  wenn  es  einen  sinn 
haben  soll  als  attribut  zu  fluctus  ^  heiszt  eben  nur  'regellos',  und  der 
hauptbegriff  den  die  Schilderung  verlangt  ^gehoben'  oder  ^übereinander 
getürmt'  liegt  nicht  darin,  es  ist  statt  incerti  zu  schreiben  inversi 
^umgekehrte,  das  unterste  zu  oberst  gekehrte,  aufgewühku,  sich  fiber- 
stürzende wogen',  vgl.  Hör.  epod.  10,  5  inverso  tnari,  aus  welcher 
stelle  Tacitus  den  ausdruck  entnommen  haben  wird. 

^LEVE.  HeBMAKN    PbOBST. 


0.  Hirschfeld:  das  aerarium  miliUre  in  der  römischen  kaiserzeit.    683 

93. 

DAS  AERARIUM  MILITARB  UND  DIE  VERWALTUNG  DER 
HEERESGELDER  IN  DER  RÖMISCHEN  KAISERZEIT. 


Unter  den  grossarligen  anordnungen  des  Augustus  nach  der  schlacbt 
bei  Aclium,  die  allmShiich  den  Abergang  der  republik  zur  absoluten  mo- 
narcbie  zu  wege  brachten,  war  ohne  zweifcl  eine  der  wichtigsten  die 
IdluDg  der  Provinzen  in  senatorische  und  kaiserliche  im  jähre  727.  sie 
sicherte  ihm  und  seinen  nachfoJgern  die  unbeschränkte  gewalt  über  das 
beer  und  machte  den  senat  wehrlos,  dasz  der  kaiser  damit  zugleich  die 
Verpflichtung  übernahm  das  stehende  heer  zu  besolden  und  zu  verpflegen, 
bedarf  keines  beweises  (vgl.  die  rede  des  M&cenas  bei  Dion  LH  27  f.); 
nicht  so  zweifellos  ist  es  dagegen,  aus  welcher  casse  diese  zaiilungen 
gemacht  wurden,  es  ist  bekannt  dasz  Augustus  im  jähre  759  eine  neue 
casse  einrichtete,  die  den  uamen  aerarium  mQitare  erhielt;  ihren  zweck 
gibt  er  selbst  folgendermaszen  an  (res  gestae  divi  Augnsti  DI  35 — 39 
Hommsen):  M.  Lepido  et  L.  ArrunUo  cos.  in  aerarium  miliiare^  quod 
ex  cotuüio  meo  constitutum  est,  ex  quo  praemia  darentur  militibus^ 
qui  vicena  plurave  stipendia  emeruissenty  S&miUiens  et  septingeniiens 
Tu  Caesaris  nomine  et  meo  detuli,  sie  war  demnach  zur  auazahlung  der 
gelder  bestimmt,  welche  den  Soldaten  nach  beendigung  ihrer  dienstzelt 
entweder  baar  gezahlt  oder  zum  ankauf  von  land  verwandt  wurden  (vgl. 
Mommsen  a.  o.  s.  40  ff.),  und  diese  summen  waren  grosz  genug  um  die 
errichtung  einer  eigenen  casse  zu  reditfertigen.  dagegen  halt  Huschke 
(census  der  frühem  römischen  kaiserzeit  s.  83  anm.  167)  das  aerarium 
militare  für  *den  eigentlichen  öffentlichen  schätz  des  kaiserlichen  regi- 
ments  gegenüber  dem  aerarium  populi  JRomanP;  andere  wie  Pucfata 
(Institutionen  I'  s.  383)  nehmen  an,  dasz  aus  ihm  die  kosten  für  die 
Unterhaltung  des  heeres  bestritten  worden  seien,  hervorgerufen  ist  diese 
ansieht  durch  die  angaben  des  Suetonius  und  Dion ,  die  auch  nach  Mar- 
quardt  (handbuch  UI  2  s.  226)  *dem  aerarium  müitare  die  allgemeine 
bestimmung  nicht  nur  für  die  Versorgung  der  entlassenen  Soldaten,  son* 
dern  auch  für  die  Unterhaltung  des  stehenden  heeres  überhaupt  geben'. 

Da  die  Stellung  des  aerarium  müHare  für  die  ganze  finanzver» 
waltung  der  kaiserzeit  von  Wichtigkeit  und,  soviel  ich  weisz,  nie  einer 
genauem  prüfung  unterzogen  worden  ist,  so  dürfte  es  nicht  überflüssig 
sem  zu  untersuchen,  ob  wirklich  ein  solcher  Widerspruch  in  der  Über- 
lieferung vorliegt. 

Die  Worte  des  Suetonius  (Aug.  49)  lauten:  quidquid  autem  ubigue 
militum  esset,  ad  certam  stipendiorum  praemiorumque  formulam  ad- 
sirinxit,  definitis  pro  gradu  cuiusque  et  temporibus  miliiiae  ei  com- 
modis  missionum,  ne  aut  aetate  aut  inopia  post  missionem 
soüicitari  ad  res  novas  possent  utque  perpetuo  ac  sine  difficuUate 
sumpius  ad  tuendos  eos  prosequendosque  suppeteret,  aerarium  müi- 
tare cum  vectigdlihus  novis  constiiuit.  dasz  hier  nur  von  den  ausge- 
dienten Soldaten  die  rede  ist,  zeigt  der  erste  satz  und  besonders  sein 


684    0.  HirscfafeU:  6ms  aenriiia  ndliUre  in  der  rtoüdiai 

•chlnsz,  weBB  allerdings  aoch  nichl  gdengnel  wcrdea  kasa  dan  die 
werte  ad  tuendes  eos  pratequendoique  zwcideoüg  sind«  SaeliM ,  der 
deo  index  rerum  gestarum  des  Auguslos  sehr  wol  gekannt  nod  bemlzt 
hat  (vgl.  Mommsen  a«  o.  s.  V),  wollte  rielleicht  aof  6\t  renchiedeBe  art 
der  abfindong  anspielen:  auf  die  landanweisung  einerseits  (ad  tuendes 
eos)  nnd  die  geldzahlungen  anderaeils  {prouquetidosquey)^  jcdcafaUs 
liegt  kein  gnind  vor  seine  worte  auf  die  besoldnng  des  stehenden  beeres 
za  beziehen. 

Aehnlich  verhalt  es  sidi  mit  der  stelle  des  Dion  (LV  24,  9);  er 
spricht  sich  foigendermaszen  über  das  aerarium  mSitare  ans:  bi*  ouv 
raÖT*  Ärropiifv  xPHM^ituiv  yviu^HV  ic  xftv  ßouXftv  dcnvefKC  iröpov 
Ttvd  btofncn  Koi  äcivuiv  dfro5etx€^vat,  fiirux:  fni^cvöc  SiiiOev  mi]^ 
XimouM^vou  dqpOövujc  ix,  tcuv  TeroTM^vuiv  Kcd  rf^v  Tpoqyf|v  jobbl  t& 
T^pa  Xapßdvujct.   Kcd  ö  piv  iZriretto  .  .  .  pera  b^  Toimz  ha  te 

AifuXiou  Aciribou  xai  im  Aouxiou  'Appouvriou  uirdruiv txxy- 

V€TK€V  ö  AÖTOucTOC  x{fi\iuna  Kod  ön^  touroC  koI  \mkp  toG  Tiße- 
piou  ic  TÖ  TOfitetov,  8  kgA  crpanumKdv  diruivÖMace  usw.  das  motiv 
zur  Stiftung  des  aerarium  ndUtare  und  der  für  dasselbe  besUmBlen 
zdlle  Hegt  in  den  Worten  b\*  oöv  TaGr'  Anopöiiy  XPHM^^v,  und  dem 
entsprechend  musz  auch  die  Verwendung  der  gdder  gewesen  sein,  diese 
worte  beziehen  sich  nun  offenbar  nicht  auf  das  zunächst  vorber^hende: 
denn  dort  gibt  Dion  nur  eine  statistische  aofziblung  der  tmppen  nnd 
ihrer  Stellungen  zu  Augustus  zeit  mit  gelegentlichen  angaben  Ober  die 
spater  stattgefundenen  Veränderungen;  aber  es  ist  das  auch  nur  ein 
eicnrs  (vgl.  c  24, 1  direibfi  bi  &nai  de  töv  irepl  tuiv  crparoir^bttiv 
XÖTOV  TrpoifJxOtiv),  und  mit  5i'  odv  raura  kehrt  er  zu  seinem  thema 
zurück,  das  er  c.  23,  2  verlassen  hat:  x^iXcttuic  bk  bi\  tujv  crportu)- 
TUIV  itpöc  Tf)v  Twv  äOXun/  CMiKpÖTirra  bi&  rode  noX^^ouc  touc 

TÖT€    dVCCTUKÖXaC  OUX  f^KICTtt  ixOYtWV  Kttl  >XT]b€v6c  Sui  TOO  TE- 

TOTM^vou  Ti^c  crporeiac  cqpfci  xpdvoxi  .SrrXa  XaßcTv  iWXovroc 
dHniq>ic6ii  TOic  fi^v  Ik  toC  bopuqpopiKoO  TrevTaxicxi- 
Xiac  bpax^dc,  dircib&v  ^KKaibexa  ^tti^  toic  b^  dr^potc 
TptcxtXiac,  dircib&v  cTkoci  cTpaTCucwvTat,  bibocSat 
also  auch  hier,  wie  bei  Suetonius,  die  deutliche  beziehung  auf  die  Ver- 
sorgung der  Veteranen,  die  den  Augustus  zur  Stiftung  des  aerarium 
miUiare  veranlaszte,  und  darauf  gehen  ebenfalls  die  worte  ^ribcvdc  ßui- 
6€V  finb^V  Ximoufidvou,  die  hinweisen  auf  die  gewaltsame  Vertreibung 
der  alten  grundbesitzer ,  die  besonders  bei  anweisung  der  Sullanischen 
militärcolonien  stattgefunden  hatte,  dasz  Dion  von  Tpoq)f|')  xai  T^pa 
spricht,  dürfte  ebenso  zu  erklären  sein  wie  die  Suetoniscben  worte  ad 
tuendes  eos  prosequendosque. 

Dürfen  wir  demnach  behaupten  dasz  Suelon  und  Dion  nicht  mit  den 
Worten  des  Augustus  im  monumentum  Ancyranum  in  widersprach  stehen, 

1)  allerdings  erhielten  die  Veteranen   regelmässig  nur  eines   von 
-^I.  Zampt  comm.  epigr.  I  s.  450  anm.  2)  dasz  übrigens 

von  geldzahlungen  an  die  Soldaten  gebraucht  wurde,  zeigt 
krieg  Y  9,  1. 


0.  Hirschfeld:  das  aerarium  militare  in  der  römischen  kaiseneit.    685 

so  fallen  damit  die  oben  angeführten  aufstellung^n  über  die  bestimmung 
des  aerarium  militare  von  selbst  in  sich  zusammen ;  dasz  dieselben  un- 
haltbar sind ,  selbst  wenn  man  die  besprochenen  Zeugnisse  anders  deutet 
und  annimt  dasz  Augustus  selbst  den  hauptzweck  dieser  neuen  casse,  die 
Unterhaltung  des  heeres,  verschwiegen  habe  —  das  lUszt  sich  aber  auch 
auf  anderem  wege  beweisen. 

Für  die  ansieht  von  Huschke,  dasz  das  aerarium  militare  identisch 
sei  mit  dem  fiscus  und  in  dasselbe  die  abgaben  der  kaiserliclien  provinzen 
geflossen  seien,  findet  sich  in  unseren  quellen  keine  stütze;  dagegen  spre- 
chen aber  auf  das  entschiedenste  die  nachrichten  über  die  fuodierung  des 
aerarium  miülare^  das  Augustus,  wie  Suelon  ausdrücklich  sagt,  cum 
vectigalibus  novis  canstituit;  auch  die  worte  Dions  (LV  25,  4)  übe  5*. 
ouv  TaOrd  t€  (die  gescheuke  des  Augoslus  und  anderer)  dXdxtcra  irpöc 
TÖ  TiXnOoc  Tiliv  dvaXiCKO^^viuv  fjv  Ka\  dOavdTou  tivöc  eöiroptac 
ibeiTO  usw.  würden  sinnlos  sein,  wenn  die  steuern  der  kaiserlichen  pro- 
vinzen in  diese  casse  geflossen  wären,  noch  entscheidender  ist  die  notiz 
bei  Tacitus  {ann,  I  78)  aus  dem  j.  15  nach  Ch. :  ceniesimam  rerum 
venalium  post  heüa  civilia  institutam  deprecante  populo  edixit  Tiberius 
militare  aerarium  eo  subsidio  niti'}^  die  nur  dann  verständlich 
ist,  wenn  diese  Steuer  eine  der  haupteinnahroequellen  war,  während  die- 
selbe im  vergleich  mit  den  einkünften  aus  den  provinzen  kaum  in  be- 
tracht  kommen  konnte,  der  umstand  ferner,  dasz  die  kaiserliche  haupl- 
casse  von  allen  Schriftstellern  stets  fiscus  genannt  wird,  obgleich  das 
aerarium  militare  nachweislich  noch  im  dritten  jh.  unter  seinem  allen 
namen  fortbestanden  hat,  würde  allein  genügen  die  ansieht  Huschkes  zu 
widerlegen« 

Ist  es  demnach  sicher,  dasz  das  aerarium  militare  auf  die  steuern 
angewiesen  war,  die  bei  seiner  fundierung  neu  aufgelegt  wurden^),  so 
springt  die  unmdgtichkeit  in  die  äugen,  mit  diesen  summen  den  unlerhall 
des  römischen  heeres  zu  bestreiten,  diese  steuern  bestanden  aus  der 
allerdings  sehr  einträglichen  erbschaflssteuer  (vgl.  Gibbon  decline  and 
fall  1  c.  6  s.  265  [London  1788]),  genannt  trigesima  hereditatium  (vgl. 
Dion  LV  25),  und  der  centesima  rerum  venalium  (Tac.  ann,  \  78),  die 
Tiberius  auf  die  bälAe  herabsetzte  (ebd.  11  42)')  und  Caligula  ganz  er- 


3)  die  folgenden  worte  9imul  imparem  oneri  rem  publicam^  niii  viee- 
simo  ndUiiae  anno  veterani  dimiUerentur  sprechen  ebenfalls  deutlich  für 
die  bestimmang  des  aerarium  müitare,  4)  geschenke  wie  sie  Augostus 
in  seinem  und  des  Tiberiaa  namen  innerhalb  neun  jähren  im  betrag  von 
170  millionen  seatertien  und  andere  könige  und  Staaten  an  das  aera- 
rium militare  machten  (Mommsen  a.  o.  s.  44  f.),  werden  später  nie  er^ 
wähnt  and  wahrscheinlich  auch  nicht  vorgekommen  sein.  5)  regnum 
{Cappadociä)  in  provindam  redaetum  ett,  fruciibusque  eius  levari  poste  cen- 
tesimae  veeägal  professus  Caesar  duceniesimam  in  posierum  statuit.  man 
könnte  daraus  schlieszen  dasz  die  einnahmen  der  provinz  Cappadocien 
anf  das  aerarium  militare  angewiesen  worden  seien;  jedoch  ist  es  wahr- 
scheinlicher,  dasz  Tiberius  ans  dem  ertrag  der  provinz  geschenke  nach 
art  des  Augustas  an  diese  casse  machen  wollte,  nm  den  ausfall  den 
sie  durch  herabsetznng  der  centesima  hatte  zu  decken,  nach  Dions  be- 
richt  (LVIU  16,  2  und  LIX  9,  6)  müste  Tiberius  die  ducentesima  später 


686    0.  HInehfeld :  das  aenrium  militare  ia  der  römischen  kataendt. 


(Soeloo  Co/.  16);  ob  dieselbe  spMer  wieder  eingeführt  worde,  ist 
nicbl  sicher  (vgl.  Burman  vecügalia  p.  R.  s.  69  IT.).  dasz  die  gfiter  des 
Agrippa  Postomas  nach  seiner  Terbannnng  dem  aerarimm  wnHUtre  ange- 
wiesen wurden  (Dion  LV  32, 2  £=  Zonaras  I  37),  war  eine  ansaahme  und 
gewissermaszen  ein  persdniiches  geachenk  des  Augnstns,  an  den  das  oon- 
fiscierle  vermögen  als  an  den  grosxvater  und  adoptivraler  gewis  sorfickiel, 
wihrend  sonst  die  hwia  damnaiorum  unter  Aoguslns  in  das  aerarntm 
Saiumi,  seit  Tiberins  regelmässig  in  den  fiscut  flössen  (vgl.  Tac  amn. 
VI  2.  Plin.  paneg.  42).  irtfimlidi  dagegen  liat  man  (vgl.  t.  b.  Ntppcrdey 
zu  Tac.  ann.  XIII  31.  Marquardt  handbnch  ill  2  s.  227)  die  anfangs 
spiter  vier  procent  betragende  Steuer  für  den  sklavenverkanf  dem 
rium  miUlare  zuweisen  woHen  und  dies  geschlossen  aus  den  wortci 
Dions  (LV  31 ,  4)  irpocbcö^evoc  Vi  M|  xPUM<i^Tiiiv  £c  t€  toöc  iroX^- 
^ouc  Ktt)  tc  Tfjv  TUfV  vuKTcxpuXdKuiv  Tpoq»f|v,  t6  t€  tAoc  to  ific 
iTCvniKOCTf^c  inl  tQ  tuiv  dtvbpomöötuv  irpacci  ddntrrc  usw.  da  nua 
aber,  wie  gezeigt  ist,  weder  die  besoldung  der  Uruppen  noch  die  geldcr 
ffir  kriege  in  den  etat  des  aerarium  miUiare  gehörten,  so  konnte  auch 
diese  Steuer  nicht  fai  dasselbe  flieszen ;  dasz  aber  nicht  von  der  l>ereicfae- 
rung  einer  bestimmten  casse  die  rede  ist,  sondern  dasz  Auguslus  iber- 
haupt  die  einnahmen  des  Staates  vergröszem  wollte,  um  den  gesteigerten 
ausgaben  genügen  zu  können,  zeigt  das  unmittelbar  folgende  xal  TÖ  dp- 
Yuptov  TÖ  ToTc  CTpoTTiTotc  ToTc  xäc  dnXoMaxioc  iroioGciv  ^k  xoi) 
brtfiociou  5tb6^€vov  ^K^euce  fiiiK^T'dvaXtCKecOat. 

Andere  steuern,  die  in  das  aerarium  militare  flieszen  sollten,  wer- 
den nicht  genannt  und  haben  schwerlich  existiert;  dasz  die  angefOhrtea 
unmöglich  hinreichen  konnten  zum  unterhall  des  römischen  heeres,  be- 
darf kaum  des  beweises.  die  besoldung  und  Verpflegung  der  gemeinen 
legionssoldalen,  der  prfttorianer  und  der  stMtisdien  cohorten  betrug  nach 
Marquardls  richtiger  berechnung  jährlich  etwa  4671(ftX)0  denare;  rech- 
net man  hierzu  die  besoldung  der  officiere,  die  flottengelder,  die  Unter- 
haltung der  hölfstruppen,  die  ausgaben  für  festungen  und  kriegsmaterial, 
endlich  die  Versorgung  der  Veteranen,  so  wird  man  die  summe  von 
30  millionen  thaler  jährlich,  wie  sie  Hock  (röm.  gesch.  I  2  s.  296)  an- 
nimt,  kaum  fflr  zu  hoch  gegriffen  halten.')    dasz  zur  deckung  dieser 


wieder  in  eine  eentesbna  verwandelt  haben;  doch  steht  damit  Saeton 
{Cal  16)  und  die  münzen  (Eckhel  doctr.  nuram.  VI  s.  224)  in  wider> 
spmch. 

6)  schon  Domitian   erhöhte  den  jährlichen  sold  von  225  auf  300 

denare  (Suet.  Dom,  7  und  12.  Zonaras  XI 19).    noch  grösser  waren  die 

kosten  in  der  spüteren  kaiserzeit,  besonders  unter  Septiraias  Sevems, 

der  nach  Herodian  (III  8,  4  f.)  tö  ctnip^ctov  irpiZrroc  i}öSr)C€v  aÖTotc 

nnd  nach  Spartian  (o.  Sev,  12)  mUitUms  tantum  sUpendiomm  quanium  nemo 

principum  dedit^  nnd  unter  Caracalla,  unter  dem  die  jährlichen  ansniben 

^f  das  heer  nm  70  millionen  denare  stiegen:  Dion  LXXVIU  36  Tgl. 

Herodian  lY  4,  7  irpocHOrict  hk  rCp  aTT)pcc(i|i  dXXo  toO  TcXoufi^u  fijitcv. 

'diesen  regelmftBzigen  zablnngen  wuchsen  die  anszcxordentlichcn 

9  der  Isaiser  an  die  Soldaten,  besonders  am  ende  des  zweiten 

■itten  jh.  zn  einer  colossalen  höhe  an.    bekannt  ist  es,  dasa 

'anns  nur  durch  enorme  versprecfanngen  auf  den  thron  ge- 


0.  Hirschfeld:  das  aerarium  mililare  in  der  römischen  kaiserzeit.    687 

summen  ein  groszer  teil  der  einkOnfte  der  provinzen  verwendet  werden 
musle  (Gibbon  a.  o.  I  s.  260  veranschlagt  die  jährlichen  einnahmen  aus 
den  provinzen  unter  Augustus  auf  15  bis  20  milHonen  pfuud  Sterling; 
vgl.  auch  Hock  a.  o.  s.  295} ,  kann  keinem  zweifei  unterliegen ;  keines- 
wegs aber  konnten  dafdr  die  einkfinfte  des  aerarium  mililare  ausreichen, 
die,  wie  es  scheint,  kanm  genügt  haben  den  Verpflichtungen  gegen  die 
Veteranen  nachzukommen  (vgl.  Ilommsen  a.  o.  s.  50). 

Sehr  dflrftig  sind  die  nachrichtcn  über  das  aerarium  mililare  in 
späterer  zeit,  obgleich  die  Versorgung  der  Veteranen  die  kaiser  stets  be- 
schäftigt hat  (vgl.  Rein  in  Paulys  realencycl.  VI  s.  2526  f.}-  Augustus 
liesz  es  von  drei  gewesenen  prätoren,  die  durch  das  loos  gewählt  wur- 
den, verwalten,  ihre  amtsdauer  betrug  drei  jähre ^);  zuDions  zeit  wurden 
dieselben  vom  kaiser  ernannt  (Dion  LV  25,  2).  auf  Inschriften  finden  sich 
diese  praefecti  aerarti  mililaris  noch  im  drillen  jh.  (vgl.  Marquardt  a.  o. 
s.  226  anm.  1278:  der  letzte  aus  der  zeit  des  Severus  Alexander  bei 
Uenzen  6504);  von  Schriftstellern  wird  diese  casse  auszer  Tacitus  ann. 
V  8  mid  den  oben  besprochenen  stellen,  soviel  ich  weisz,  nie  erwähnt, 
diese  reticenz  ist  besonders  auffallend  in  dem  panegyricus  des  Jüngern 
Plinius,  der  selbst  praefectus  aerarii  mililaris  gewesen  war  (vgl.  Sfomm- 
sen  im  Hermes  IH  s.  89);  aber  so  eingehend  er  über  Trajans  Verdienste 
um  die  römischen  finanzen  spricht,  nennt  er  stets  nur  das  aerarium  Sa- 
türm  «nd  den  kaiserlichen  fiscus.  man  kann  daher  mil  Sicherheit  an- 
nehmen, dasz  das  aerarium  mililare  in  der  spätem  kaiserzeit  keine 
grosze  bedeutung  gehabt  hat,  sondern  nur  als  eine  Unterabteilung  des 
fiscus  betrachtet  wurde,  wie  dies  auch  aus  Sueton  {Aug.  101)  erhellt: 
breviartum  tolius  imperii^  quanlum  militum  sub  signis  ubique  esset^ 
quanium  pecuniae  in  aerario  et  fiscis  et  vecligäliorum  residuis^ 
wo  unter  aerarium  unzweifelhaft  das  aerarium  Salurni  zu  verstehen 
ist,  das  aerarium  mililare  dagegen  zu  den  fisci  gezählt  wird,  es  ist  das 
nicht  auffallend,  wenn  man  bedenkt  dasz  zur  zeit  der  gründung  dieser 
casse  der  name  aerarium  noch  keineswegs  die  bedeutung  als  senatorische 
casse  im  gegensatz  zum  fiscus  hatte,  ja  es  ist  sogar  wahrscheinlich  dasz 
unter  Augustus  der  name  fiscus  als  kaiserliche  casse  noch  gar  nicht  ein- 
geführt war.^  eine  kaiserliche  casse  aher  war  das  aerarium  mililare 
im  eminentesten  sinne,  gegründet  mit  dem  gelde  des  kaisers  und  neuen 
von  ihm  ausgeschriebenen  zollen ,  so  dasz  es  unzweifelhaft  ist  dasz  der 


langte  (o.  IvUani  2  f.  vgl.  Herodian  II  6,  10);  von  Septimius  Sevems 
sagt  Dion  (LXXVI  1,  1):  Kai  Y^P  d*c  dXTiOüüc  oüöclc  wUittotc  tocoOtov 
aÖTotc  dOpöoic  tö€&U)K€i'  ic  xAp  Tf|v  6u)p€dv  TaÜTt^v  TrcvTQKicxiXia»  )^\i- 
pidb€C  bpaxMtliv  dvaXiiidricav.  noch  groszer  waren  die  Bcheukuugen 
Caracallas,  der  jedem  Soldaten  2500  denare  versprach  und  dadurch, 
wie  Herodian  IT  4,  7  sagt,  \xxtc  iwiipac  d(p€i6u)C  ^KX^ac  irdvra  öca 
grcciv  ÖKTWKa{&€Ka  ö  Ccou^poc  fiOpoiccv. 

7)  Borghesi  (annali  deir  Inst.  1852  s.  38)  gibt  die  dauer  dieses 
amtes  auf  zwei  jähre  an:  worauf  sich  diese  behaoptung  stützt,  ist  mir 
unbekannt.  8)  zuerst  findet  er  sich  bei  Seneca  de  benef.  VII  6,  3; 

dann  bei  Tacitus  ann*  II  47.  48.  VI  2,  der  von  der  zeit  des  Tiberius 
spricht. 


688    0.  Hirscbfeld:  das  aenrium  müitare  io  der  römischeD 

kaiser  volle  disposiiion  Aber  dieselbe  auch  rechtlich  (denn  faeUach  hatte 
er  sie  auch  Aber  das  aerarium  Satumt)  gehabt  hat.  dasz  die  oberror- 
steher  derselben  Senatoren ,  nicht  ritter  waren ,  findet  seine  aaalogie  io 
anderen  kaiserlichen  Verwaltungen  (vgl.  Eichhorst  quaestiones  epigraphicae 
s.  25);  wahrscheinlich  ist  es  freilich,  dasz  ihnen  als  unterbeamte  zur  Ver- 
waltung der  gelder  kaiserliche  procuratoren  beigegeben  waren ,  die  mao 
unter  der  groszen  menge  der  procuraiores  und  proeuraiores  Augusii 
ohne  weitem  zusatz  zu  suchen  hjitte.'} 

Dürfen  wir  demnach  als  erwiesen  annehmen,  dasz  die  gelder  fur 
den  unterhalt  der  truppen  nicht  aus  dem  aerarium  müüare^  sondern  aus 
dem  fisctis  flössen,  so  luusz  für  diesen  zweck  eine  eigene  verwaliung 
{ratio)  mit  dem  zugehörigen  beamtenpersonal  existiert  haben,  wie  die- 
selben nachzuweisen  sind  für  die  mQnze,  die  erbschaften,  die  Wasser- 
leitungen u.  a.  m.  die  summe  dieser  einzelnen  rationes  bildete  eben  den 
kaiserlichen  fiscus,  und  die  Oberaufsicht  über  dieselben  hatte  ein  kaiser- 
licher beamter,  der  den  titel  a  raiionibus  führte.*^ 

Demgemäsz  sagt  Stalins  in  dem  bekannten  gedieht  an  Claudias 
Etruscus,  der  das  amt  a  raiionibuM  wahrscheinlich  von  fiero  etbiell 
(Friedlander  sitlengeschichle  1'  s.  154),  nachdem  er  seine  stellimg' ia 
bezug  auf  die  einkünfte  des  römischen  reiches  charakterisiert  hat  (tat, 
Ili  3,  98  IT.}:  vigil  isie  animique  sagacis  |  exäus  {exciius  Markland) 
evolvii^  quanlum  Romana  sub  omni  \  pila  die  quantumque  tri- 


9)  vgl.  Dion  LV  26,  2  xal  tQ  ö\\i}  tin\p£ciq.  r^  irpoaiKoOq]  xpw- 
fi^voic.  es  ist  mir  sehr  denkbar,  dass  man  sich  scheute,  nachdem  aera- 
rium die  specifische  bedentang  der  senatorisehen  casse  erhalten  hatte, 
kaiBerlichen  freigelassenen  oder  rittem  den  titel  proatraicr  aermii  muii- 
iari»  zu  geben.  10)  eine  zosammenstellong  derselben  gplbt  FriedlSnder 
Bittengeschichte  I*  s.  162  ff.  ob  dieses  amt  schon  Angastns  eingesetzt 
hat,  ist  zweifelhaft;  der  erste  (Orelli  2931)  ist  ans  Tiberins  zeit,  hänfi^ 
werden  dieselben  erst  seit  Clandins.  im  ersten  jh.  wird  diese  Stellung 
ohne  ausnähme  von  kaiserlichen  freigelassenen  eingenommen,  und  man 
kann  kaum  zweifeln  dasz  dieselben  anfangs  keineswegs  die  befugnis 
hatten  eigenmächtig  über  die  kaiserlichen  gelder  zu  disponieren,  son- 
dern vielmehr  nur  als  rechonngsbehörde  znr  controle  der  kaiserlichen 
verwaltnngsbeamten  eingesetzt  'waren,  dasz  darin  die  keime  zn  grosser 
macht  lagen,  ist  freilich  klar,  und  sehr  wahrscheinlich  hat  Clandins, 
unter  dem  der  bekannte  Pallas  a  rationtbu*  war,  dieses  amt  zn  so  gro- 
sser bedentung  erhoben  (vgl.  Statins  st/o.  III  3,  86  ff.),  aber  es  ist 
doch  im  ersten  jh.  stets  ein  kaiserliches  hansamt  geblieben,  nnd  es 
scheint  mir  nicht  richtig  dasselbe  in  dieser  zeit  unter  die  procnratnren 
zu  zählen:  denn  nie  führen  diese  freigelassenen  vor  Hadrian  den  titel 
procurator  nnd  werden  ebenso  wenig  nach  bekleidung  anderer  procn- 
ratnren zn  dieser  Stellung  befordert,  erst  nach  Hadrian,  der  das  ganze 
Verwaltung swesen  reformierte  (vgl.  Friedländer  a.  o.  s.  68),  verwandeln 
sich  diese  Uberii  a  raHonibuM  in  procuraiores  a  rationibug  aus  dem  ritter- 
stande,  und  dieses  amt  nimt  dann  unter  den  procuraturen  die  erste 
«*'  "       *        '^asz  in  den  ersten  zelten  nach  dieser  reform  noch  kaiser- 

sene  mit  dem  titel  a  rationtbut  (Mommsen  IRNL.  4916) 
a  rationibuM  (Gniter  371,  2)  vorkommen,  ist  naturlich 
}  analogie  in  dem  amte  ab  episliäiä  (vgl.  Friedländer 


0.  Hirschfeld :  das  aerarium  militare  in  der  römischen  kaiserzeit.   689 

bus;  quid  iempia^  qtäd  alli  |  undarum  curstis^  quid  propugnacula  poS' 
cani  I  aequoris  aut  lange  series  porrecta  viarum  usw.  dasz  die  kosten 
der  militanrerwaUuiig  an  erster  stelle  genannt  werden,  ist  wol  kaum 
zufällig:  dorn  sie  hiideten  ohne  zweilel  den  wichtigsten  teil  des  budgets. 
während  aber  die  kaiserlichen  verwaltungsbeamten  fär  die  gelreirlespen- 
den,  die  bauten,  die  wasserleltiingen,  die  wege,  die  mönze  und  was  sonst 
noch  unter  dem  decernat  des  Etruscus  stand,  häufig  bei  Schriftstellern 
und  in  inscbriften  erwähnt  werden,  sind  die  nachrichten  über  die  ver- 
waltangsbcamten  der  heeresgelder  anscheinend  so  dürftig ,  dasz  ihrer  in 
den  handbflchern  kaum  erwäbnung  geschieht  nnd  doch  wurde  offenbar 
ein  zahlreiches  persona]  beim  beere  selbst  erfordert,  um  die  gelder  zur 
Zahlung  des  soldes  und  das  getreide  fdr  die  Soldaten,  das  ihnen  seit 
Augustus  wahrscheinlich  gratis  geliefert  wurde  (L.  Lange  hisloria  muta- 
tionum  rei  militaris  Romanorum  s.  39),  u.  ä.  m.  anzuweisen. 

Kaiserliche  procuratoren,  die  zu  diesem  zweck  dem  beere  aitachiert 
waren,  erwU^nt  schon  Strabon,  der  bekanntlich  unter  Augustus  und  Tibe- 
rius  sein  werk  verfaszte.  nachdem  er  die  Standorte  der  römischen  legio- 
ncn  in  Spanien  bezeichnet  hat,  fögt  er  hinzu  (III  4,  20}:  6ici  bk  xal  ^rri- 
TpOTTOt  ToO  Kakapoc,  iTnriKol  ävbpcc,  ol  biav^MOvrec  rdt  xpilMorra 
Tok  CTpoTiuiraic  cic  tfiv  bioixriciv  toO  ßiou.  bestätigt  wird  diese  notiz 
des  Strabon  durch  den  bericht  des  losephos  (jdd.  krieg  VI  4,  3)  Über  den 
kriegsrath,  den  Tttus  im  j.  70  nach  Ch.  vor  der  Zerstörung  von  Jeru* 
salem  abhält,  zu  dem  der  praefecius  praetorio  Tiberius  Alexander, 
mehrere  legionslegaten ,  der  procurator  von  Judäa  M.  Antonius  Julia- 
nus als  stimmfähige  mitglieder  zugezogen  werden,  auszerdem  aber:  xal 
)i€Tä  TOUTOUC  dTTtTpönuiVKai  x^^^^PX^v  ä6poic6^VTUJV.  der  um- 
stand dasz  procuratoren  zu  einem  kriegsrath  und  zwar  zusammen  mit 
den  tribunen  versammelt  werden,  beweist  dasz  hier  notwendig  an  pro- 
curatoren beim  beere ,  nicht  etwa  an  andere  kaiserliche  procuratoren  in 
Judäa  zu  denken  ist. 

Mehr  als  hundert  jähre  später,  wahrscheinlich  im  j.  184  nach  Ch. 
(vgl.  Dion  ep.  LXXII  8)  schreibt  der  kaiser  Gommodus  (Capitolinus  v. 
Clodii  Alhini  2)  an  den  spätem  kronprätendenten  Glodius  Albinus ,  der 
damals  mit  Pescennius  Niger  den  krieg  in  Dacien  und  Germanien  fahrte : 
tibi  do  facuUaiem  ti/,  si  necessiias  fuerii,  ad  miUtes  prodeas  et  tibi 
Caesareamim  nomen  adsumas  .  .  .  habebis  praeierea^  cum  id  feceris, 
dandi  sUpendü  usque  ad  ires  aureos  liheram  potestatem^  quin  et 
super  hoc  ad  procuratores  meos  litteras  misi,  quas  ipse 
signatas  accipies signo  Amazoniae  et^  cum  opus  fuerit^  ralionalibus 
dabis^  ne  te  non  audiant^  cum  de  aerario  volueris  im' 
perare,")   wir  finden  demnach  diese  procuratoren  noch  am  ende  des 


11)  aerariwn  In  der  bedentang 'kaiserliche  casse' = /?«cu«  gebraucht 
fällt  in  dieser  zeit  nicht  mehr  auf,  um  so  weniger  als  es  keineswegs 
ausgemacht  ist  dasz  wir  es  hier  mit  der  genauen  mitteilong  eines  briefes 
des  kaisers  Commodus  zn  thnn  haben:  vgl.  in  den  scr.  hist.  Aug.:  M. 
Anrelins  17.  Avidias  Cassins  7.  Severus  12.  Claudius  14.  rationales  nnd 
procuratores  sind  in  späterer  zeit  identisch:  ygl.  o.  Alea:.  Severi  45. 

Jahrbücher  PSlt  class.  philol.  1868  hft.  10.  45 


690    0.  Htrschfeld :  das  aerarium  militare  in  der  römischen  kaiseneit. 

zweiten  jh.  beim  beere  zur  Verwaltung  der  kaiserlichen  cassen,  aus  denen 
der  sold  (s.  oben  dandi  siipendii  usque  ad  ires  aureos)  gezahlt  warde. 
für  die  exislenz  dieser  cassen  heim  heere  bedarf  es  keines  beweises ;  aas- 
drOcldich  erwähnt  werden  dieselben  z.  b.  für  den  krieg  gegen  die  Marco- 
mannen ,  wo  freilich  M.  Aurelius  und  Gommodus  selbst  im  lager  waren, 
von  Herodian  16,6  ra^icid  t6  xpr\\i6iT{ixy  ßaciXiKiSv  dvraOBa  (d.  k. 
heim  beere)  Ttdvra 

Diese  dürftigen  nachrichten  der  Schriftsteller  werden  auf  erfreoliche 
weise  durch  die  inschriften  ergänzt,  in  einer  Inschrift,  die  wahrscheinlich 
der  zeit  desAugustus  angehört,  heiszt  es  (Mommsen  IIINL.5369):  ires  ex 
eo  superstites  reliquid  liberos,  unum  maximis  municipi  honarib{us)  iu- 
diciis  Augusi{tj  Caesaris  usum^  alterum  casiresibus  eiusdem  Cae- 
saris  August(i)  summis  fun[cium  atque  acceptis  eques]iris  or* 
dinis  honoribus  eiiam  superiori  destinaium  ordini.  die  ergänzungen  sind 
von  Mommsen ;  für  acceptis  würde  ich  lieber  omaium  schreiben :  denn 
ohne  zweifei  hatte  der  söhn  schon  vor  bekleidung  des  kaiserlichen  amtes 
den  ritlerrang.  die  namen  Augusius  Caesar  und  Caesar  Augusius  be- 
zeichnen allerdings  nicht  notwendig  Augustus  selbst,  sondern  können 
von  jedem  regierenden  kaiser  gebraucht  werden ;  doch  weist  die  ganze 
fassung  der  inschrift  auf  frühe  zeit  und  besonders  die  amtsbezeicbnung 
der  söhne :  iudicUs  Augusti  Caesaris  usum ,  offenbar  identisch  mit  der 
adleciio  in  decurias  (oder  decuriis)  iudicum  (vgl.  Henzens  index  s.  117)^ 
für  die  ebenfalls  ritterrang  erforderlich  war  (Puchta  Institutionen  I'  s. 
388  f.);  und  summis  casfre{n)sibus  functum^  was  kaum  anders  gedeutet 
werden  kann  als  auf  eine  kaiserliclie  procuratur  für  die  heeresgelder^*), 
identisch  mit  den  von  Slrabon  erwähnten  ^irlTporroi.  dasz  für  alle  diese 
neu  eingesetzten  beamten  zu  Augustus  zeit  sich  noch  nicht  die  später 
üblichen  benennungen  finden ,  ist  nicht  aufHÜlig. 

Aus  der  zeit  des  M.  Aurelius  und  Gommodus  werden  solche  procu- 
ratoren  beim  beer  in  militärischen  dedicationsinschriften  aus  Spanien 
(Hühner  CIL.  11  2552 — 56,  vgl.  Muratori  335,  2  und  3}  genannt,  die  ge- 
setzt sind  ch  natalem  aquilae  vexillariorum  legionis  VII  Geminae  (nr. 
2552.  2554)  oder  ob  naiales  signorum  vexillariorum  coh,  III  CeÜibe- 
rorum  (nr.  2553)  u.  a.  m. ;  unter  der  aufsieht  {sub  cura)  eines  centu- 
rionen  und  anderer  niederer  officiere  und  je  eines  procurator:  liberius 
Augustorum  (M.  Aurelius  und  L.  Verus).  leider  sind  die  steine  sehr  be- 
schädigt und  der  name  der  procuratoren  nur  in  nr.  2553  {Zoilus  Augg, 
Hb.)  und  nr.  2554  (Z.  Aurelius  Euiyckes  Augg,  lib.)  sicher  erhalten,  ob 
der  fundort  dieser  inschriften,  Castrum  Scti  Ghristophori  in  Gallaecia 
(Hispania  Tarraconensis),  einem  antiken  lager  entspricht,  ist,  da  die  läge 
dieses  ortes  nicht  sicher  zu  ermitteln  ist,  nicht  festzustellen  (vgl.  Häbner 
a.  0.  s.  355). 

Eine  eingehendere  besprechung  erfordern  die  kaiserlichen  beamten. 


^*nsis  steht  sehr  häufig  ganz  in  dem  sinne  von  miliiaris;  ich 
idrücke  wie  peculium  castrensct  castrentia  iiipendia,  bona 


0.  Hirschfeld:  das  aerarium  mililare  in  der  römischen  kaiserzeil.    691 

die  in  einer  reihe  von  Inschriften  unter  dem  tltei  procuraior  casirensis 
vorkommen.  Marini  (atti  s.  95)  sagt  von  ihnen :  ^proc,  casirensis  cioö 
rationis^  siationis,  numeri  casirensis,  che  ö  sempre  ia  medesima  cosa'; 
eine  ericlSrung  des  amles  gibt  er  nicht,  zusammengestellt  sind  sie  von 
Friedlander  a.  o.  s.  169  bei  besprechung  der  Inschrift  des  Ti.  Claudius 
Bucolas  (Henzen  6337);  doch  fügt  auch  er  hinzu:  ^zuletzt  wurde  er  pro- 
curaior casirensis ,  ein  amt  dessen  geschflftskreis ,  soviel  ich  weisz ,  bis 
jetzt  von  niemand  erklärt  ist.'  neuerdings  hat  Eichhorst  in  diesen  Jahr- 
büchern 1865  s.  207  S*  über  diese  beamten  eine  Untersuchung  ange- 
stellt, in  der  er  zu  dem  resultate  gelangt,  dasz  dieselben  die  von  Sueton 
{Tib.  72)  erwähnten  ludi  casirenses  zu  besorgen  gehabt  hätten,  diese 
annähme  entbehrt  jeder  basis  und  musz  als  durchaus  irrig  Lezeichuet 
werden :  denn  es  ist  offenbar  dasz  ein  procuraior  ludorum  casirensium 
ebenso  wenig  procuraior  casirensis  heiszen  als  etwa  der  procurator  der 
kaiserlichen  gladiatorenschulen ,  des  ludus  magnus  und  maiuiinus,  den 
titel  procuraior  magnus  resp.  maiuiinus  führen  konnte. '") 

Der  name  procuraior  casirensis  steht  in  der  groszen  zahl  kaiser- 
licher procuratoren,  die  uns  überliefert  sind,  einzig  in  seiner  art  da. 
während  nemlich  sonst  das  wort,  das  ihren  geschäftskreis  bezeichnet, 
entweder  im  genetiv  oder  abhängig  von  den  präpositionen  ad  und  a 
folgt,  sind  6x^  procuraiwes  casirenses  6\Q  einzigen  die  ein  adjectivum 
zur  näheren  Charakterisierung  bei  sich  führen,  vergleichen  liesze  sich 
nur  der  in  einer  Inschrift  des  dritten  jb.  genannte  procurator  in  urbe 
magisierXX(fieBzen66S0)y  entsprechend  der  raiio  urbica  {Benzen  6627) 
und  procuraiio  urbica  {dig.  IV  4,  11  S  2).  wie  hier  der  zusatz  local  zu 
fassen  ist,  im  gegensatz  zu  den  procuratoren  in  Italien  und  den  pro- 
vinzen,  ebenso  nach  meiner  ansieht  bei  den  procuraiores  casirenses, 
und  ihr  geschäftskreis  ist  dahin  zu  präcisieren,  dasz  sie  als  kaiserliche  be- 
amle  im  lager  oder  beim  beere  stehen  behufs  der  Verwaltung  der  für  den 
unterhalt  der  truppen  bestimmten  kaiserlichen  gelder,  demnach  identisch 
sind  mit  den  von  Strabon,  losephos  und  Capitolinus  erwähnten  procura- 
toren, über  die  wir  oben  gesprochen  haben. 

Zu  den  von  Friedländer  und  Eichhorst  gesammelten  Inschriften  der 
procuraiores  casirenses  sind  hinzuzufügen:  1)  Fabretti  689,  108:  Jlf. 
Aurel  Sieriinius  Carpus  una  cum  Carpo  proc{uraiore)  k{asirense) 
paire;  bei  Gruter  1066,  9  fehlt  proc.  Ar.  dieselbe  abkürzung  bei 
Orelli  4008  ist  richtig  aufgelöst  von  Henzen  bd.  lU  s.  436;  2)  Fabretti 
196  XLIV:  d{is)  m{anibus)  Primigenio  Epagaiki  Aug{usii)  l{ibeno)  pro- 
c[uraiort)  f[isci\  c{astrensis)  delicio  .  .  . ;  3)  von  Ligori  gefälschte  in- 


13)  die  ludi  ctuirenses  erklärt  Eichhorst  nicht  für  ludi  müitareSj  mit 
deoen  sie  offenbar  identisch  sind ,  sondern^  für  kaiserliche  spiele ,  und 
daher  den  procuraior  casirensis  für  einen  kaiserlichen  haosbeamten,  und 
beroft  sich  dafür  auf  den  vir  spectabiÜM  casirensis  saeri  palatü  in  der 
notitia  dignitatnm ,  während  diese  bedentang  von  casirensis  erst  im  drit- 
ten Jh.,  nicht  aber  für  Tiberius  zeit  nachweisbar  ist.  verleitet  scheint 
er  za  diesen  irrigen  annahmen  dadurch  zu  sein,  dasz  er  die  oben  citierte 
stelle  Marinxs  falsch  verstanden  hat. 

45* 


692    0.  Hirschfeld :  das  aerarium  militare  in  der  römischen  kaiserzeiU 

Schriften:  Gudius  37,  1.  60,  10.  191,  5.  die  Inschrift  bei  Orelli  2972: 
Paean  Aug,  proc.  castrens,  proc.  volupiat  proc.  Alexand{riae)  9ihi 
posterisque  suis  ist  von  Orelli  für  verdachtig,  von  Henzen  (bd.  III  s.  246) 
fflr  unecht  erklärt  worden;  Harini  hat  sie  als  echt  benulxU  sie  findet 
sich  schon  in  den  epigraphischen  handschriflen  des  15n  jh. ,  wie  ich  bei 
durchsieht  der  groszartigen  samluugen  fOr  das  corpus  inscripüoDum  Lau- 
narum,  die  mir  hr.  prof.  Henzen  während  meines  aufenthaltes  in  Rom  auf 
das  liberalste  gestattete,  ersehen  habe,  danach  wird  man  sie  für  ecbt 
halten  mfissen,  obgleich  das  fehlen  von  J{ibertus)  nach  Aug{usti)  •—  deoo 
ein  Sklave  kann  es  unmöglich  sein  —  der  name  selbst  und  die  carrito 
ganz  Singular  sind. 

Acht  Inschriften  sind  uns  erhalten,  die  procuraiores  casirensts 
nennen :  1  aus  der  zeit  des  Claudius  oder  Nero :  Henzen  6337 ;  1  aus  der 
zeit  des  Trajan:  Murat.  991, 1;  5  aus  der  zeit  des  M.  AureUns  oder  Goo- 
modus:  CIG.  HI  3888.  Orelli  4008.  Henzen  7419 ^  Maffei  M.  V.  85,  2 
Fabr.  689,  108;  1  aus  unbestimmter  zeit:  Orelli  2972.  es  sind  ohse 
ausnähme  kaiserliche  freigelassene^^);  wie  man  jedoch  aus  CIG.  38^ 
und  Henzen  6337  ersieht,  gehörte  das  amt  keineswegs  zu  den  niedrig- 
sten procurationen  (vgl.  Friedlander  a.  o.  s.  169).  in  der  inschrift  bei 
Henzen  6344:  M.  Aurelio  Augg,  lib.  Proseneit  a  cubicuio  Aug,  proc, 
thesaurorum  proc,  patrimoni  proc.  tnunerum  proc.  vinorum  ordi- 
naio  a  divo  Commodo  in  kastrense  ist  die  amierreihe  atistd- 
gend,  da  der  posten  eines  procurator  palrimomi  und  thesaurorum 
sicher  höher  war  als  der  eines  procurator  vinorum,  dasz  Prosenes 
nach  bekleidung  mehrerer  nicht  unbedeutender  procuraturen  schlieszUch 
a  cubicuio  Augusti  d.  h.  kaiserlicher  oberkammerer  wurde,  ist  nicht  be- 
fremdlich, wenn  man  bedenkt,  eine  wie  grosze  gewalt  mit  diesem  amte 
gerade  zu  Commodus  zelten  verbunden  war:  ich  brauche  dafür  nur  ao 
den  bekannten  Cleander  zu  erinnern  (vgl.  Friedlander  a.  o.  s.  95).  dem- 
nach beziehe  ich  die  worte  ordinato  a  divo  Commodo  in  kastrense  auf 
eine  untergeordnete  Stellung  in  der  ratio  kastrensis*^) ;  mit  der  Ober- 
leitung dieser  ratio  war  dagegen  ein  kaiserlicher  procurator  betraut,  den 
uns  eine  inschrift  aus  Interamna  (Henzen  6529)  nennt:  M.  Aurelio  Ba- 
sileo  viro  ducenario  proc.  rationis  castrensis  p{atrono)  usw.  von 
den  oben  besprochenen  procuratores  castrenses  unterscheidet  sidi  der- 
selbe wesentlich  durch  seine  auszere  Stellung:  er  ist  kein  freigelassener, 
obgleich  er  vielleicht  von  einem  freigelassenen  des  M.  Aurelius  oder  Com- 
modus abstammt'*);  femer  heiszt  er  vir  ducenarius^  musz  also  einen 
gehalt  von  200000  sestertien  Imzogen  haben,  wie  die  procuratoren  gro- 


14)  dasz  Strabon  diese  proonratoren  beim  beere  als  römische  ritter 
bezeichnet,  widerstreitet  nicht  der  identität  mit  den  prpeuratores  casiren' 
ses;  auch  in  der  oben  beiiprochenen  inschrift  (Mommsen  IRNL.  6369) 
hatte  der  anonymns  9ttmm(s  castrensibua  funehu  ritterrang,  vrahnehein- 
lich  war  es  Claudios,  der  auch  diese  stellen,  wie  so  viele  andere,  sn- 
erst  mit  freigelassenen  besetzte.  15)  täneton  Vesp,  28  gebraucht  or- 
T  ernennung  eines  dispensator.  16)  vgl.  Henaen  6362 

^asileo  Aug,  Hb.  usw. 


Ol  Hirschfeld:  das  aerarium  mültare  in  der  römischen  kaiserzeit.    693 

sierer  provinzen.  ratio  ist  der  stehende  name  fOr  kaiserliche  hauplver- 
wallutigen^^,  demnach  der  procurtUor  rationis  castrensis  der  in  Rom 
mit  der  Oberleitung  der  Verwaltung  der  heeresgelder  betraute  beamte, 
nkht  also,  wie  Marini  annimt,  identisch  mit  den  procuraiores  castrenses, 
sondern  vielmehr  ihr  unmittelbarer  vorgesetzter. 

Erwähnt  wird  diese  ratio  castrensit  auch  sonst;  aus  der  zeit  des 
M.  Aurelius  findet  sich  ein  M.  Jur(elius)  Augg.  [l']ib{ertus)  Aurelianus 
ex  comm{entariis)  rat{ionis)  kastr{ensis)  im  giornale  Arcadico  1856, 
144;  aus  dem  j.  203  nach  Ch.  eine  familia  rafionis  castrensis  bei  Renier 
inscr.  d'Alg.  69  =  Benzen  7420a80;  aus  unbestimmter  zeit  Hertneros 
Aug.  Üb,  praepositus  iabular{ii)  raUonis  castrensis  bei  Orelli  2949. 
dasz  diese  inscbriflen  alle  erst  in  das  zweite  and  dritte  jh.  fallen ,  kann 
zttfjJüi  sein ;  doch  ist  es  mir  sehr  wahrscheinlich,  dasz  eine  derartige  con- 
centraiion  der  Verwaltung  in  Rom  nicht  von  anfang  an  existiert  bat,  son- 
dern auch  erst  von  Hadrian  (s.  oben  anm.  10)  geschaffen  worden  ist. 

Zu  dieser  ratio  castrensis  gehörte  eine  eigene  casse,  die,  wie  alle 
kaiserlichen  cassen ,  den  namen  fiscus  führte,  die  oben  citierte  inschrif t 
Fabrettil96XLiV  nennt  als  Vorsteher  dieser  casse  ^nen üpagathus Aug. 
h  proc(urator)  f[isct)  c(astrensis)  aus  unbestimmter  zeit ;  möglidi  dasz 
derselbe  identisch  ist  mit  dem  bekannten  freigelassenen  des  Caracalla, 
der  im  j.  228  wegen  seiner  beteiligung  an  der  ermordung  Uipians  hinge- 
richtet wurde  (vgl.  Dion  ep.  IXXVli  21  und  LXXX  2).*^)  auszerdem 
werden  in  nicht  datierbaren  inscbriflen  von  dem  bei  diesem  fiscus  cas- 
trensis angestellten  niedern  beamlenpersonal  genannt:  ein  kaiserlicher 
skiav  als  dispensator  fisci  castrensis  bei  Orelli  2920;  zwei  adiutores 
tabuliarii)  f{isci)  c(astrensis)  bei  Gruter  589,  5.  Furlanelto  lapidi  Pata- 
vine  nr.  256;  ein  adiuior  tabul{aritj  a  rat{ionibus)  m{ililaribusf)*^) 
f(isci)  c[astrensis)  bei  Maifei  M.  V.  319,  7.  aus  der  zeit  des  Septimius 
Severus  und  seiner  söhne :  Constantius  Augg,  et  Caes,  täbül{arius)  s,  c, 
bei  Fabretti  79,  93 ,  richtig  von  Marini  (alti  s.  553  und  626  nr.  368) 
verbessert  in  f(isci)  c{astrensisy^) 

Bemerkt  sei  hier  dasz  nicht  etwa  die  kaiserlichen  procuratoren  oder 
ihre  unterbeamten  direct  den  sold  an  die  trappen  zahlten,   die  auszahlung 


17)  über  ratio,  staUo  nnd  ähnliche  bezeichnungen  vgl.  Henzen  an- 
Qftli  deir  Inst.  1843  s.  340  f.  sehr  häufig  sind  die  beispiele  einer  sol- 
chen raiio  in  inschrif ten :  so  findet  sich  ratio  omamentorum,  vestittm^  mo- 
netae,  suntmi  choragüy  hereditatium,  pairimonU^  purpuranan^  ferrariarum^ 
aedium  saerarum  et  operum  pubäeorum  usw.  auch  Verwaltungen  für  be- 
stimmte provinzen,  Unterabteilungen  einer  grossem  ratio y  konnten  die- 
sen namen  führen,  wie  ratio  privatwnan  prov.  Bitkyniae  Ponti  Paphlago- 
niae;  ratio  privatarum  per  Belgic.  et  duas  Germanias,  18)  jedoch  ist 

der  name  nicht  selten:  vgl.  s.  b.  Mommsen  IRNL.  2924.  4025.  4376. 
Kellermanu  vigiles  nr.  199.  19)  Maffei  gibt  keine  ergänzong;  wenn 

die  lesnng  richtig  ist,  wüste  ich  keine  andere  als  die  im  text  vorge- 
schlagene. 20)  ganz  verschieden  von  diesem  fiseus  castrensis  sind  die 
fisd  oder  fblief  der  einzelnen  cohorten,  eine  sparcasse  der  Soldaten,  die 
von  ngräferi,  welche  den  titel  fteci  curatore»  hatten,  verwaltet  wurde 
(s.  die  stellen  bei  Marquardt  a.  o.  s.  429  anm.  2633  und  Henzen  annali 
deir  Inst.  1860  s.  48). 


694    0.  Hirschfeld:  du  aerariam  miliUre  in  der  römisdien  kauerzeiL 

seiiwl  geschali  durch  die  befdilsliaber,  wie  dies  ausdrficklkh  von  losephos 
(jäd.  iLfieg  V  9,  1)  angegeben  wird:  ivCTOaic  T^P  '^C  irpoOcqiioc 
xoO '  fjy  fbe\  btoboOvat  Totc  CTpcmilrratc  Tpoqxic ,  ty  diröimii  toic 
iroXc^iotc  £kA€uc€  touc  f|T€MÖvac  dicrdEovroc  xfjv  tuvoMiv 
änapt6^eTv  ^KdcTUi  räpnfupiov.  die  rechnungen  solllen  mit  grösler 
Sorgfalt  geführt  werden  (Vegeüus  II 19);  es  war  dies  das  amt  der  Ubrarii 
(ebd.  II  7).  auszerdem  findet  sich  bei  jeder  legion  ein  comme$ttttrietud 
(vgl.  Harqaardt  a.  o.  s.  419  anm.  2433)  und  ein  tahularius  (KeUermauB 
Tigiles  1 4, 56  und  s.  19.  Renier  inscr.  d'Alg.  551  =  Henzen  7420aXX\ 
die  aufsieht  und  verantwortliclikeit  hatten  die  tribnnen  und  prftfectca 
(vgl.  auch  den  militärischen  salariorum  curaior  bei  Orelli  3464);  dasx 
hier  Unterschlagungen  und  nachlässigkeiten  nicht  selten  waren ,  gibt  der 
jüngere  Plinius  {episi,  VII  31,  2)  an,  der  mit  der  revision  dieser  raikmes 
alarum  ei  cohoriium  von  dem  consularlegaten  betraut  worden  war. 

Ueber  die  flbrigen  unterbeamten  der  iLaiserlichen  heeresverwaltnng 
ist  wenig  hinzuzufflgen ;  durchgangig  sind  es  kaiserliche  sklaven,  nur 
wenige  freigelassene;  durch  ihren  stand  unterscheiden  sie  sich  von  den 
militärischen  unterbeamten  im  beere,  obgleich  die  titel  ähnlich  sind, 
es  wird,  wie  bei  allen  kaiserlichen  Verwaltungen,  ein  tabularium  en^hnt 
mit  tahularii  katirenses  und  ihren  adiuloret  (Gruter  584,  1 ;  Monunsen 
IRNL.  2903;  Muraton  899,  6.  900,  1;  Fabretü  369, 131;  rhein.  jahrb. 
1860  s.  122),  die  wol  kaum  von  den  oben  genannten  iähülarn  fisci  cos- 
irensis  zu  unterscheiden  sind ;  ein  pedisequus  stationis  casirensis  (Hen* 
zen  6335);  ein  iabeUarius  casirensis  (Orelli  3249);  ein  admior  offen 
commeniarn  casirensis  (Fabretti  369,  131  verbessert  von  Harini  alti 
s.  499),  schliesziich  ein  pedisequus  numeri  casirensis  (Fabretti  309, 
327)^*):  fast  alle  diese  ämter  kehren  in  ähnlicher  weise  l>ei  den  onttsten 
kaiserlichen  Verwaltungen  wieder. 

Kaiserliche  sklaven  als  dispensatoren  einer  bestimmten  legion ,  der 
legio  III  Augusia  in  Numidien  finden  sich  bei  Renier  inscr.  d'Alg,  nr.  493 
und  191  (ebd.  192  ex  disp{ensaiore)  leg,  III  Aug.);  em  arkarius  der- 
selben legion  bei  Renier  nr.  493 ;  die  arca  legianis  III  Auguttae  p{iae) 
v{indicis)  ebd.  nr.  57  und  70. 

Erwähnt  sei  noch  die  famiUa  casirensis  (Renier  2874)  und  der 
praeco  familiae  casirensis^  ein  freigelassener  Trajans  (MalTei  M.  V. 
319,  2;  vgl.  auch  das  conJegium  castr{i)ense  bei  Henzen  7189;  Gruter 
333,  5). 

Der  praeposiius  velari{i)s  casirensibus  (Henzen  6370) ,  ein  freige* 
lassener  Trajans,  gehört  dagegen  ebenso  wenig  hierher  als  die  servi  and 
liberti  a  vesie  casirensi  (Muratori  903,  2;  Orelli  -  Henzen  2837.  6375, 
vgl.  Lampridius  v.  Diadumeni  3  und  Marquardt  handbucb  Vis.  148 


21)  unter  diesem  numerus  castrensis  yerstehe  ich  das  regiater,  die 

xnatrlkel,  in  welche  die  namen  der  Soldaten  eingetragen  wurden  (rgL 

«Hfl  II  19  und  Böcking  notitia  dign.  II  s.  274  f.);  die  entsprechen- 

Härischen  beamten  heiszen  ah  indidbuMi  Orelli-Henzen  3464.  6814. 

'itequi  vgl.  Marini  atti  s.  96. 


0.  Hirscbfeld:  das  aerarium  müitare  in  der  römischen  kaiserzeil.    695 

anffl.  842)  und  a  supelleciüe  casttensi  (Gruter  583,  10;  vgl.  Marquardt 
a.  0.  anm.  830). 

Eine  nähere  betrachtung  verdienen  die  kaiserlichen  beamlen  welche 
den  titel  a  coph's  milüaribus  fahren;  es  sind  folgende:  1)  Tu  Claudius 
Aug.  Üb.  Faustus  a  copns  miUiaribus  bei  Fabretti  707,  209 ;  2)  T. 
Flavius  Aug.  L  Epicietus  ab  episiulis  a  copi{i)s  mil{iiaribus)  lictor 
üuriatus  bei  Orelli  2922  verbessert  von  Henzen  bd.  III  s.  246;  3)  Poe- 
zon  Caesaris  a  copis  tnUitaris  (so)  bei  Gruter  588,  6 ;  4)  Polychrysus 
Aug.  lib.  a  copiis  tniliiarib{us)  bei  Orelli  3505.  von  Ligori  gefälscht 
ist:  Pelorus  Aug.  lib.  a  copiitjs  casir{ensibus)  bei  Doni  Vil  3  =  Hura- 
tori  902,  7.  der  geschaflskreiä  dieser  beamten  ist  nicht  zweifelhaft :  es 
sind  die  provtantmeister  des  heeres*^),  die  sehr  wahrscheinlrch  unter  dem 
praefecius  annanae  standen,  drei  von  ihnen  sind  kaiserliche  freige- 
lassene (nr.  1.  2.  4),  einer  (nr.  3)  kaiserlicher  sklav;  nr.  4  ist  aus  un- 
bestimmter zeit,  die  übrigen  aus  dem  ersten  jh.  sehr  wahrscheinlidi  ist 
€s  mir ,  dasz  diese  beamten  im  zweiten  jh.  überhaupt  abgeschaflTt  sind : 
denn  es  ist  nicht  zu  verkennen  dasz  die  getreidelieferungen  für  das  beer 
bereits  im  zweiten  jh.  unter  der  aufsieht  des  praefecius  praetorio^)  stan- 
den und  von  militärischen  beamten  verwaltet  wurden,  so  schreibt  schon 
M.  Aurelius  an  den  praefecius  praeiorio:  iu  ianium  fac  adsini  legioni- 
bus  abunde  cammeaius**)  (Vulcalius  Gallicanus  v.  Avidü  Cassii  5)  und 
etwa  hundert  jähre  später  der  kaiser  Valerian :  commeatus  a  praefeciis 
necessarius  in  omnibus  casirts  esi  consiiiuius  (Vopiscus  v.  AureUani  11, 
vgl.  Zosimos  II  32).  von  dieser  Scheidung  der  militärischen  und  civilen 
annona  zeugt  auch  die  stelle  des  Paulus  {dig.  XLIX  5,  7)  si  res  dilaüo- 
nem  non  recipiai^  tum  permiiHiur  appellare^  veluti  .  .  ne  frutnen^ 
ium  in  usum  miliium  in  annonae  subsidia  conirahaiur.  bei 
der  Verteilung  des  getreides  hatten  die  tribunen  und  die  anderen  befehls- 
haber  die  aufsieht  (dig.  XLIX  16,  12  $  2),  und  es  wurde  genaue  rech- 
nung  über  die  res  annonaria  geführt  (Vegetius  U  19).  auf  diese  annona 
miliiaris  ist  femer  ohne  zweifei  auch  die  in  einer  Inschrift  (Henzen  6523) 
aus  Portus,  dem  heutigen  Porto,  erwähnte  siaiio  frumeniariorum*^)  zu 
beziehen,  die  nach  dem  paironus  und  den  zwei  curaiores  zu  sclilieszen 
collegienartig  organisiert  war.  es  ist  eine  dedication  an  Alexander  Seve- 
rus  und  seine  mutter  Mammäa  aus  dem  j.  224  nach  Gh.,  in  der  es  heiszt: 

22)  copiae  =  'proviant  für  das  beer'  wird  häufig  gebraucht;  beson- 
ders bezeichnend  sind  stellen  wie  Tacitos  kisi.  II  32.  Vegetius  IIl  3; 
andere  s.  bei  Forcellini  u.  d.  w.  23)  auch  ausserordentliche  Zulagen, 
welche  der  kaiser  verdienten  officieren  machte,  scheinen  iu  späterer  zeit 
durch  den  praefecius  praeiorio  angewiesen  su  sein  (Vopiscns  v,  Probi  4. 
Oapitolinus  v.  iClodii  AWini  10).  zuweilen  gab  der  kaiser  dieselben  aus 
seiner  privatcasse  (^de  nostro  privato  aercrio*)  and  wies  sie  dann  auf 
den  procurator  der  provinz  an,  in  welcher  der  betreffende  offioier  sta- 
tioniert war  (Yopiscns  v.  ClmidH  14).  24)  eommeaiu»  in  dieser  bedeu- 
tnng  ist  häufig,  so  schon  in  der  bekannten  inschrift  aus  dem  theater  in 
Oubbio:  in  commeatum  legionibus  •SS- OOOOOOCCCL  (vgl.  Mommsen  zu  den 
res  gestae  divi  Augnsti  s.  46  anm.).  25)  über  die  frumentarU  vgl.  die 
ausfährliehe  auseinandersetzung  von  Salmasius  zu  Spartianns  v,  Hadriani 
11  und  Henzen  annali  deir  Inst.  1851  s.  113—121. 


696    0.  Hinchfeld:  das  aerarium  mlUtare  in  der  rdmisdieD  kaiserzciU 

l^eus  adsignatus  ab  Agricola  Äug.  Uh,  proe.  p{orius)  u{irhtsque)  ei 
Petronio  Maxsimo  7  (=  centurUme)  ann{onae)  ei  Fabio  Maronae 
(so)  7  operum. 

Dasz  unter  dem  eenturio  annonae^  der  fibrigens  auch  in  den  diges* 
teD  (XIII  7,  43  S  I  ndisus  ex  officio  annonae  eenturio)  erwIhDt  wiri, 
ein  officier  zu  verstehen  ist,  der  in  der  Terwaltong  der  amuma  verwandt 
wurde,  ist  unzweifelhaft  und  entsprechend  der  militirischen  Organisation 
unter  der  Oberleitung  des  praefecius  praetorio»^)  singulär  ist  der  in 
einer  Tridentiner  inschrift  (Orelli  2183  =  3905}  erwJOinte  adlectus 
annon{ae)  leg.  III  Iial(icae);  die  inschrift  Icann  nicht  vor  M.  Aurelius 
gesetzt  sein,  da  dieser  die  legio  III  Italica  gründete ;  sie  stand  in  Raetien 
(Dion  LV  24 ,  4) ,  wozu  lielcanntlich  auch  Tridentum  geliörte.  aas  der 
letzten  zeit  des  römischen  reiches  liegen  sehr  ausföhrlicbe  bestimmungen 
über  die  annona  müitaris  und  ihre  Verwaltung  im  codex  Theodosianus 
(VII  4)  und  lustinianeus  (XII  38)  vor  (vgl.  Golhofredus  paratitla  zu  cod. 
Th.  I.  VII  ed.  Ritter  II  s.  255  IT.),  die  ebenfalls  von  einer  durchaus  mili- 
tärischen Organisation  zeugnis  geben. 

Neben  den  stehenden  beamten  werden  auch  auszerordentliche,  für 
einen  bestimmten  krieg  ernannte  erwAbnt.  dahin  gehört  Tiberius  Me* 
xander^  inlustris  eques  Romanus  ^  minister  hello  datus  (Tacitns  ann. 
XV  28),  der  später  praefecius  Aegypii  und  unter  Titus  praefecius  prae^ 
iorio  war.  häufig  sind  die  beamten  für  die  verproviantierung  (copiae) 
des  heeres  zu  einem  bestimmten  feldzug:  so  Chaeronti  Aug.  n(ostri 
servo)  disp{ensaiori)  rat(ionis)  copfßarum)  exped(itionum)  fel{icium]  LT 
ei  III  Germ{anicarum)  bei  Orelli  2919  und  aus  der  zeit  des  SepUmius 
Sevenis:  Tih.  Cl{audius)  Candidus  (Orelli  798),  der  nach  dem  militir- 
tribunat  die  stelle  als  praepositus  copiarum  expeditionis  Germanieae 
secundae  bekleidete. '^  etwa  in  dieselbe  zeit  gehört  die  in  den  digesten 
PCVI  3,  20)  mitgeteilte  stelle  aus  Papinian :  ob  negotium  copiarum  expe- 
ditionis tempore  mandatum  curaiorem  condemnatum  usw.  einen  Skla- 
ven des  Nero  nennt  Plinius  (n.  h,  VII  $  129)  als  dispensator  belli  Arme» 
niaci^  der  diese  Stellung  zu  grossen  Unterschlagungen  benotzt  zn  haben 
scheint. 

Dasz  auch  die  flottengelderaus  dem /S5ct«5  gezahlt  wurden,  kann 
keinem  zweifei  unterliegen;  es  spricht  dafür  ausser  anderen  gründen 
schon  der  umstand,  dasz  die  befehlsbaber  (praefecti)  der  flotten  regd- 
mäszig  gewesene  procuratoren  sind  (s.  das  Verzeichnis  bei  Böcking  not. 
dign.  II  s.  99 1  f.),  ja  dasz  selbst  kaiserliche  freigelassene  zuweilen  diesen 
posten  erhielten. ^^)   ferner  findet  sich  ein  sklav  Trajans  als  dispensator 

26)  über  die  verwendtuig  von  officieren  bei  kaiserlichen  bergwerken 

▼gl.  Borghesi  annali  deir  Inst.  1843  s.  343-^846.    auch  bei  den  bafen- 

Zöllen  wurden  Soldaten   verwandt:   vgl.  Benier  inscr.  d^Alg.  4111  lex 

partus  poat  dUceuum  cohorOs  huiiiuia,        27)  vgl.  auch  die  ineokrift  des 

Timesttheas  (Hensen  5630),  des  Schwiegervaters  des  kaiser  Gordian: 

vroc,  sn'Oü.  Syrtae  PalaeHinaey   tbi  eaaeiori  reUquorum  amum(ae)  sacrae 

*».        28)  vgl.  Tacitus  ann,  XIV  3  Aniceiu»  libertus,  dagsi  apud 

%efectu9  (vgl.  XIV  62  und  63);  Ats<.  I  87  euram  naeium  Mos- 

retinebat.    Plinius  n.  A.  IX  62  Tiben'o  Claudio  ptineipe  Op- 


0.  Hirschfeld:  das  aermum  milttare  in  der  römischen  kaiserzeit.    697 

classU  (Misenensis)  bei  Henzen  6314  und  aus  unbestimmter  zeit  ein 
kaiserlicher  freigelassener  als  iabul{arius)  c[/(a^m)]  pr{aeioriae)  \I(\a' 
v{ennatis)  bei  Gruier  591 ,  9  (so  sicher  richtig  verbessert  von  Marcanova 
aus  tahtd,  cypr,  fav,).  der  tahularius  clas8{is)  Raven{naiis)  bei  Orelli 
3636  ist  von  Ligori  gefillscht. 

Die  Verwaltung  der  gelder  fQr  das  beer  und  die  flotte ,  getrennt  und 
unabhängig  von  der  eigentlicb  militärischen  Organisation,  war  demnach, 
wie  wir  gesehen  haben,  fast  aussohlieszlich  in  die  hftnde  von  kaiserlichen 
freigelassenen  und  sklaven  gelegt,  es  ist  dies  eine  erscheinung  die  der 
rdmischen  kaiserzeit  specifisch  etgenlOmlich  ist  and  för  die  man  in  älte- 
rer und  neuerer  zeit  vergeblich  nach  analogien  suchen  würde;  sie  ist 
ciiarakteristisch  ffir  den  absoluten  Gäsarismus,  wo  der  Staat  mit  der  per- 
son  des  kaisers  und  öffentliche  gelder  mit  dem  kaiserlichen  privatver- 
mögen  fast  identisch  sind,  wenn  schon  Seneea  (de  henef,  VII  6,  3)  sagen 
konnte:  Caesar  omnia  habet ^  fiscus  ehis  privata  iantum  ac  sua,  so 
wird  es  nicht  auffallen  dasz  die  formen  und  #le  beamten  der  Verwaltung 
fiscalischer  gelder  und  des  kaiserlichen  privatvermögens  gleichartig  sind, 
und  wenn  auch  nominell  noch  im  dritten  jh.  das  aerarium  Satumi  fflr 
die  casse  des  römischen  Volkes  und  des  Senates  galt,  so  zeigen  doch  schon 
die  Worte  des  Tacitus  (aitn.  VI  2)  bona  Seiani  ablaia  aerario  ut  in  fis* 
cum  cogerentur^  tamquam  referrei^  dasz  factisch  der  kaiser  unbe- 
schränkte disposition  auch  Aber  diese  gelder  hatte.  ^  aus  dem  umstände, 
dasz  in  der  Verwaltung  der  heeresgelder ,  abweichend  von  anderen  admi- 
nistrationen,  auch  die  höheren  stellen  mit  wenigen  ausnahmen  nicht  mit 
männem  aus  dem  ritterstande  besetzt  worden  sind,  auf  die  geringe  bedeu- 
tung  dieser  poslen  schlieszen  zu  wollen  wäre  irrig ;  gerade  die  wichtig- 
keil dieser  Stellung,  die  sich  auf  geld  und  beer,  die  hauptstützen  jeder 
despotischen  herschafk,  bezog,  mochte  die  kaiser  bewegen  die  beamten  aus 
ihren  freigelassenen  zu  wählen,  denen  sie  unbedingt  vertrauen  konnten. 

Bis  ins  dritte  jh.  läszt  sich  die  oben  dargestellte  Organisation  der 
roilitärverwaltung  nachweisen;  auch  sie  wurde  beseitigt  durch  die  grosz- 
artigen  reformen  Diocletians,  deren  resuHate  in  den  späten  quellen  des 
sinkenden  Römerreiches  uns  vorliegen. 


taiu»  e  Ubertif  eha  praefeetu»  elaatis  inter  Osäentem  et  Campaniae  oram. 
auf  denselben  besient  sich  o^ffenbar  die  Inschrift  bei  Grater  423,  8  Ti, 
lüUo  Aug.  l.  Opiato  Poräiano  procuratori  et  praefec.  clcusis.  dieselbe  ist 
jedoch  ^ex  schedis  Ursini'  und  nach  meiner  ansiebt  sicher  nach  der 
PlininssteUe  gefälscht,  der  falscher  verstand  unter  dem  princepa  Ti, 
CUmdka  den  kaiser  Tiberins  (daher  7Y.  IuIvm)^  wUhrend  der  kaiser  Clan- 
ditts  gemeint  ist. 

29)  ganx  unverholen  spricht  dies  Dion  (LIU  16,  1)  ans:  X^iy  ^^v 
Yäp  T^  6im6cia  dir6  tiS»v  ^Kcivou  direx^KpiTO,  CpTM'  ^  k^^  toOto  irpöc 
tV)v  tviif^nv  a<»ToO  dvi^XicKeTo. 

Königsberg.  Otto  Hirscqfeld. 


698  A.  Riese:  zur  lateioisdieB  Ȇurfflgie. 

ZUR  LATEINISCHEN  ANTHOLOGIE, 


Zu  einer  groszen  anzaiü  der  gedichte  des  codex  Salmasianns  fährt 
BuniUD  beltaimUich  ausser  diesem  nocii  die  lesarten  der  schedae  Difio- 
neoses  an,  weichen  er  ein  gleiclies,  ja  luufig  ein  noch  höheres  recht  als 
denen  des  uralten  Salmasianns  zngeslehL  was  es  mil  diesen  hUUern  tob 
Dijon  für  eine  bewanduüs  liat,  ist  l^flrzlich  ?on  Ludan  Malier  (jalirb.  1867 
s.  802  f.)  richtig  dargestellt:  sie  sind  nichts  anders  als  eine  im  siebzeha- 
ten  jh.  gefertigte  ahsclirifi  des  Salmasianns'),  und  zwar  eine  gleich  zur 
verölTenllichung  durch  den  druck  zuredit  gemachte  ahschrift,  welche  abo 
alle  die  zahlreichen  verderhnisse  des  archetypus  stillschweigend  zu  heila 
sucht,  dahei  wählt  sie  in  den  meisten  fiülen  die  lesart,  welche  eiaige 
Jahrzehnte  früher,  als  Claudius  Salmasius  die  in  seinem  besitze  befindliche 
hs.  durchbesserte,  von  diesem  vermutet  worden  war.  besagte  schedae 
Divionenses  nun  befinden  sich  gegenwärtig  als  teil  eines  groszen  fascÜLeb, 
weicher  den  apparat  Burmans  zur  anlhologie  groszenteils  enthält,  seit  ei- 
nem jähr  im  besitz  der  hiesigen  Universitätsbibliothek,  und  zwar,  wie  nicht 
zu  bezweifeln  ist,  nicht  etwa  eine  abschrift  derselben,  wie  L.  Müllers  frei- 
lich etwas  unklar  ausgedrückte  ansieht  zu  sein  scheint,  sondern  eben  das- 
selbe ezemplar  welches  Burman  so  oft  unter  dem  titel  der  ^schedae  Divio 
nenses'  anführt.')  über  der  ersten  seite  steht:  Epigrammatum  ei  \  po^ 
maium  veterum  \  Liber  primus  |  De  DHs^  Heroihus  \  eorumque  Ico- 
fUbus^  woran  sich  ein  Liber  secundus  anschlieszt,  der  die  Amaioria^  die 
Moralia,  ^De  antd  iempegiatibus  ^  floribus  eic,^,  die  Encamiastica,  Po- 
stulaioria.  De  anmaUbus^  ^De  hominum  $iudnSy  operibus  pubUcis  ei 
privatis\  De  eduUis^  Viiuperaioria  und  Exerciiaiiones  scholattkae  ent- 
hält, ein  drittes  buch  mit  den  gedichten  des  Luzorius  und  ein  viertes  init 
nur  zehn  christlichen  gedichten,  während  das  erste  buch  75,  das  sweite 
111  gedichte  zählt,  als  nr.  11  des  vierten  bucbs  folgt,  von  derselben 
band,  eine  'anno  doT  1303'  gefundene  Inschrift  *ex  ms.  cod.  Peirescü^ 
und  sodann  von  anderer  band  aber  auch  in  französischen  schriftzflgen, 
wie  das  ganze  heft,  eine  inschrift  von  Avignon  Vepertum  anno  1736'- 
letztere  ist  also  zwar  nachtrag,  jedenfalls  ist  aber  das  ganze  nicht  vor 
1652  geschrieben,     es  süid  nemlich  hie  und  da,  doch  selten,  von  der 


1)  damit  nicht  jemand  auf  die  meinung  komme,  das  in  HÜoeu 
catologus  mss.  als  nr.  288  der  bibUothek  zu  D^'on  verzeichnete  'corptu 
poetaram  veterom  latinomm  saec.  XII  membr.  fol.'  könne  hier  in  he- 
tracht  kommen ,  so  teile  ich  in  folge  einer  von  dem  dortigen  bibliotbeza'' 
hrn.  Qnignard  erhaltenen  sehr  gefälligen  ansknnft  mit,  dasz  jener  codex 
vielmehr  eine  samlnng  von  gedichten  des  Statins,  Yergiliiui,  ^^^^ 
Lncanus,  Persins,  Jnvenalia,  Ovidius  (wobei  unechtes),  Avianns»  Cfl(^ 
'"-•"—-'-',  Sedulius,  Prosper,  Pradentins,  Theodnlos,  Maximianw  »»<» 

pueris  enthält  —  also  ein  wirkliches  corpus  poetarum  "» 
me.  2)  Müller  nennt  es  s.  803  'eine  copie  des  Dino- 

Is  er  da  unter  Divlonensis  den  Salmasianns  ventebt,  n* 


A.  Riese:  zur  lateinischen  antiiologie.  699 

band  des  sclireibers  selbst  einzelne  vermutongen  mit  dem  zusatz  *Sal- 
masius'  oder  ^Scriverias'  am  rande  beigesetzt,  welcbe  aus  gedruckten  aus- 
gal)en  entlehnt  sind :  dasz  die  sämtlichen  modernen  correcturen  im  Salma- 
sianus  (wie  es  fflr  uns  wenigstens  die  höchste  Wahrscheinlichkeit  hat)  ?on 
Salmasius  selbst  herrühren'),  wüste  der  schreiber  des  DiWonensis,  obgleich 
wie  sich  bald  ergeben  w^ird  ein  gebildeter  phÜologe,  nicht,  er  führt  nem- 
lieh  zu  den  gedichten  1020  (Meyer)  v.  3  und  9,  sowie  zu  1022,  7  des 
Scriverius  conjecturen  an,  welche  in  dessen  1638  erschienener  samlung 
erotischer  gedichte  stehen,  und  zu  221,  4  und  1026,  5  Vermutungen  des 
Salmasius,  von  denen  erstere  zwar  schon  1620  in  seinen  scriptores  bist 
Aug.  gegeben  ist,  die  andere  aber  erst  in  der  samlung  der  fragmente  des 
Ovid  von  Nie  Heinsius,  dessen  Ovid  in  erster  ausgäbe  1652,  in  letzter 
1661  erschien,  zu  lesen  ist:  damit  haben  wir  den  zeitpunct  gewonnen, 
vor  dem  der  Divionensis  nicht  geschrieben  sein  kann,  in  kritischer  be- 
Ziehung  hat  er  also  gar  keinen  werth ,  auszer  dasz  er  neben  der  herflber- 
nahme  vieler  Salmasianischer  conjecturen  noch  einzelne  eigene ,  zum  teil 
recht  gute,  aufzuweisen  hat,  z.  b.  675,  1  de  sorte^  am  rand  fügt  er 
hinzu  M.  dum  forte',  was  richtig  ist;  293,  5  gesiat  hat  er  am  rande  4. 
hie  stat',  wo  allerdings  wie  ich  vermute  extat  zu  lesen  sein  wird;  559, 
32  hat  nur  er  nodus  modo  (*c.  comodus'  steht  am  rande  und  so  hat  der 
Salmasianus),  und  ebd.  127  ergänzt  nur  er  am  rande  nidii^  u.  dgl.  wer 
dieser  aufmerksame  schreiber  war,  konnte  ich  nicht  ermitteln;  jedenfaUs 
schrieb  er  zwischen  1652  und  dem  jähre  in  weichem  der  Salmasianus  von 
Dijon  nach  Paris  gebracht  wurde,  sein  exemplar  in  Dijon  ab.  nach  Paris 
aber,  in  die  königliche  bibliothek,  kam  der  Salm,  zwar  nach  1744,  denn 
in  diesem  jähre  erschien  der  vierte  band  des  groszen  kataiogs,  der  auch 
in  der  appendix  noch  keine  erwühnung  desselben  Üiut,  aber  doch  auch 
einige  zeit  vor  1759,  da  Burman  in  seiner  ^sexto  Idus  lanuar.'  dieses  Jahres 
datierten  vorrede  zum  ersten  bände  s.  XL VII  mitteilt,  dasz  ^tribus  abhinc 
annis'  Rubnken  die  hs.  in  Paris  durchgesehen  und  teilweise  abgeschrieben 
liabe.  Ruhnken  selbst  aber,  dessen  betr.  abschriit  ebenfalls  in  dem  schon 
erwAhnten  fascikel  sich  befindet,  nennt  daselbst  den  codex  ^nuper  ad- 
modum  a  Salmasii  heredibus  in  Burgundia  emtus  et  in  bibliothecam  Re- 
giam  Hiatus',  dies  wüste  er  wol  durch  mündliche  mitteiluug,  ebenso  wie 
auch  das  folgende  *plura  de  hoc  cod.  dicentur  in  supplemento  catalogi 
mss.  regiorum',  was  freilich  leider  nie  geschehen  ist ;  denn  das  vor  eini- 
gen Jahren  in  der  biblioth^que  de  Tecole  des  chartes  erschienene  Supple- 
ment ist  auszergewöhnlich  kurz  abgefaszt.  vom  Salmasianus  ist  da  nichts 
gesagt  als  V10318.  Anthologie  latine.  VllI  s.  Venture  onciale',  wäh* 
rend  die  hs.  noch  viele  andere  scliriften  enthält,  die  doch  zum  wenigsten 
erwähnt  werden  musten. 

Die  absieht  des  Schreibers  war,  wie  schon  angedeutet,  eine  plan- 
mäszig  zusammengestellte  und  geordnete  samlung  zu  liefern,  in  der  an- 
ordnung  befolgt  er,  wie  aus  dem  angeführten  ersichtlich,  durchaus  das 


3)  auch  Ruhnken  sagt  an  der  bald  zu  erwähnenden  stelle:  ^in  mar- 
gine  passim  Salmasios  veterem  scripturam  emendayit.' 


700  A.  Riese:  zur  laleioischen  anthologie. 

von  Scaliger  und  Pithoeus  angewandte  reale  priscip.  er  wollte  —  kurz 
gesagt  —  zu  diesem  einen  nachlrag  liefern^  worauf  audi  schon  die  den 
Pilhoeanischen  nachgebildeten  titel  hindeuten,  dies  hitte  L.  Mfiller,  der 
nach  seiner  eigenen  angäbe  unsem  Divionensis  eine  Zeitlang  in  bänden 
hatte,  nicht  entgehen  dürfen,  im  Divionensis  finden  sich  deshalb  alle  die 
gedichle  des  Salm,  nicht,  welche  in  Scaligers  und  Pithoeus  samlungen 
bereits  aus  andern  quellen,  dem  Vossianus  nemlich  ond  Tfananeos,  aufge- 
nommen sind'),  die  andern  aber,  die  nur  im  Salmasianus  stehen  und  daher 
durch  seltsame  fflgung  des  Schicksals  bis  weit  ins  siebzehnte,  ja  achtzehnte 
jh.  unbekannt  blieben,  hat  er  alle,  nur  dasz  er  die  centonen,  das  gedieht 
das  man  Oclavianus  zuschreibt  und  einzelnes  andere  ausläszt:  jene  wol  ans 
princip,  einiges  andere  dagegen  indem  er  es  übersah,  was  aber  nur  Mey.  893, 
660,  De  incesto  pariu  (ed.  L.  Maller  rh.  mus.  XVIII 436),  11 12, 248,  546, 
In  Mandriiem  tnimum  und  Carmen  Caionis  (ed.  derselbe  ebd.  XX  636) 
betrifft  nur  sehr  wenige  bei  Scaliger  oder  Pithoeus  bereits  gedruckte  ge- 
dichte  (soviel  ich  sehe,  nur  Mey.  184  und  925)  hat  er,  wol  auch  weil 
ihm  entgangen  war  dasz  sie  schon  publiciert  waren,  neu  abgeschrieben ; 
alle  andern  schon  publicierten  iSszt  er  weg. 

Indem  ilieser  unbekannte  burgundische  gelehrte  einen  nachtng  zur 
Anthologie  liefern  wollte  (der  übrigens  in  dieser  form  nie  gedruckt  wurde, 
sondern  ein  werthvolles  aber  ungeschAtztes  material  verblieb,  bis  das  ein* 
trat ,  was  Burman '  mit  eigener  haud  auf  die  rückseite  des  Umschlags 
schrieb:  ^communicavit  haec  mecuni  Gel. D'Orvillius,  ad  quem  ex  Gallia  ea 
misit^)  vir  Nob.  losephus  de  Bimard  la  Bastie,  Baro  montis  Seleuci'^), 

4)  danach  ist  Müllers  angäbe  s.  803  'die  copie  reprSsentiert  durch- 
ans  die  gedickte  des  Salmasianus*  zu  berichtigen.  5)  und  zwar  aus- 
drücklich ZQ  dem  swecke  'nt  antbologiae  haie  inservirent'  praef.  tom.  I 
8.  LI.  dasz  die  samlong  in  dieser  emendierten  aber  die  handsehnft* 
liebe  gmndlage  fast  nirgends  anfahrenden  form  nicht  gedruckt  wxurde, 
kann  uns  nur  freuen,  für  manche  andere  gedickte  der  anthologie  sind 
wir  statt  auf  die  jetzt  fehlenden  handschriften  nur  auf  drucke  des 
sechzehnten  jh.  angewiesen:  wie  wenig  sichere  gewIUur  für  die  echt- 
heit  der  form  diese  oft  bieten,  dafür  liefert  eben  dieser  Divionensis  ein 
warnendes  beispiel.  6)  der  titel  auf  der  Vorderseite  des  Umschlags» 

der  aber,   was  wol  zu  merken  ist,  von  Bnrmans  eiraer  band  geschrie- 
ben ist,  lautet:  'Epigrammata  |  antiqua  |  ex  |  codice  Divionensi  |  de- 
scripta.'    dieser  Divionensis  ist  natürlich  kein  anderer  als  der  damals 
in  Dijon  befindliche  Salmasianus,  was  Burman  selbst  auch  anerkennt, 
indem  er  sleich  klein  hinzufügt:  'hunc  eundem  esse  codicem  Divionen- 
sem  non  dubito,  atque  eum,  quem  veiuatissimtim  et  auadraÜM  litteris  «xa- 
ratum  laudat  Qudius  ad  Phaedrum  pag.  89  et  41'  (ygi.  seine  praef.  s.  U). 
und  dennoch  musz  es  dieser,  obgleich  von  seiner  eignen  band  geschzie* 
bene  titel  gewesen  sein,  der  Burman  später  so  manchmal  äffte,  so  dass 
er  Divionensis   und  Salmasianus  als  zwei   coordinierte  quellen  neben 
einander  stellte  (es  sind  eben  zwei  verschiedene  namen),  und  bis  auf 
den  heutigen   tag  dadurch   so  oft   die    gröste   Unklarheit  veranlasste, 
fügt  er  doch  gleich  selbst  hinzu  'alterum  ab  altero  dirersom  esse,  qnia 
on/vii  {q  iioc  codice  [Salm.]  exstat  epigramma,  in  illo  desideratur.'    nun 
'en  schedae  Dxvionenses  fehlt  jenes  epigramm  (M.  627);    aber 
X  Divionensis  hat  es  so  gut  wie  der  SaSmasianus,  weil   eben 
iiseh  sind,    schedae  und  codex  Divion.  braucht  Burman  gleich« 
,  daher  so  oft  die  verwimmg. 


A.  Riese:  zur  lateinischen  antiiologie.  701 

war  es  in  diesem  nacbtrag  also  ebenso  natürlich  wie  gerechtfertigt,  dtss 
die  gröste  menge  der  gedichle  dem  Salmasianus  entlehnt  wurde,  aber 
die  einzige  quelle  bildete  dieser  nicht  su  dem  14n  gedichle  des  zweiten 
buches  (dieses  gedieht  von  22  versen,  beginnend  Bis  deni  bimque  dies 
scribuniur  in  an$io,  und  übersclirieben  I>e  äielms  Aegyjpiiacis  ^  fehlt  bei 
Burman  und  Meyer)  steht  am  rande  die  bemerkung  *ex  ms.  cod.  Peirescii. 
sed  editi  sunt  hi  versus  in  opp.  Bedae.'  ans  dem  ms.  cod.  Peirescii  ist,  wie 
schon  erwähnt,  IV  11  auch  eine  1303  (?)  gefundene  inschrift  beigegeben, 
weiter  aber  nichts,  auszerdem  aber  finden  sich  ohne  jede  randbemerkung 
auch  gedichte  die  im  Salmasianus  fehlen  eingeschaltet,  nemlich  11  De 
Baccho  vel  ad  Bacchum  (so)  s=  Hey.  574;  l  d  Be  vinalibus  =s  M. 
576;  1 14  Ad  Mortem  versus  rhopaliaa  »=  M.  585  y.  1;  II  8  i>e  Cy- 
ihera  =  M.  926;  U  26  2>e  Btddo  =  M.  1122;  U  30  Ad  Maximum 
=  H.  1121 ;  II  34  Be  hippopotamo  »»  M.  1082;  11  61  Be  lavacro  »= 
M.  927;  endlich  II  79  Be  cereo  «=  M.  1120.  dasz  diese  allesamt  nicht 
etwa  dem  Salmasianus  in  einer  zeit  entlehnt  wurden ,  als  diese  jetzt  mit 
dem  zwölften  quatemio  beginnende  hs.  noch  vollständiger  war,  ist  sicher : 
denn  schon  Salmasius,  der  seinen  codex  paginierte,  kannte  ihn,  da  er  bei 
der  jetzt  ersten  seite  mit  der  zahl  1  begann,  nur  in  dem  jetzigen  unvoll- 
ständigen zustand,  dasz  aber  jene  gedichte  alle  ^ner  und  derselben  quelle 
entstammen,  musz  jedem  klar  werden ,  welcher  die  von  Th.  Mommsen  im 
CIL.  bd.  I  s.  412  gegebene,  dann  im  Hermes  1  s.  133  f.  näher  ausgeführte 
beschreibung  eines  im  codex  Vaticanus  9135,-  einem  'apographum  Pei- 
rescianum'  (CIL.  a.  o.),  eingehefteten,  aus  der  Barberinischen  bibliothek 
stammenden  doppelblattes  betrachtet,  hier  finden  sich  nemlich  gerade 
diese  neun  gedichte,  sowie  noch  zwei  andere,  in  folgender  Ordnung:  In- 
certi  auctoris.  1  Be  Isidiae  navigio  (fehlt  bei  Burman  und  Meyer),  2  Be 
lavacro,  3  Be  vinalibus,  4  Be  Cythera,  5  Be  cereo,  6  Be  aquila  (*» 
Bley.  1083) ,  7  Be  Marte  [yel  ad],  S  Be  Baccho  Ivel  ad  Bac,} ,  9  Be 
hyppopotamo,  10  Ad  Maximum,  11  Be  Bulcio;  und  zwar  ist  die  Über- 
einstimmung der  lesarten  mit  denen  des  Divionensis  eine  so  grosze ,  dasz 
eine  sehr  nahe  Verwandtschaft  beider  apographa  (auch  das  Vaticanische 
scheint  sehr  jung  zu  sein)  angenommen  werden  musz.  woher  stammen 
nun  die  beiden? 

Die  ältere,  handschriftliche  Überlieferung,  soviel  davon  bekannt  ist, 
schlieszt  diese  gedichte  den  Claudianischen  an.  zunächst  sind  besonders 
die  nachrichlen  des  Ciaverius  (ed.  Glaudiani,  Paris  1602)  wichtig,  er 
spricht  in  seiner  praefatio  von  zwei  von  ihm  benutzten  Claudianhss., 
beide  Wetusta  manu  exarata'  und  beide  im  besitze  des  lacobus  Cuiacius 
gewesen  ^},  die  er  benutzte,  auf  eine  von  diesen  musz  gehen ,  was  Ciave- 
rius fol.  1^  erzählt:  ^Erant  praeterea  in  vet  codice  et  schedis  Gnosianis 
multa  et  varia  opuscula  neque  bella  satis  neque  genuina,  meo  iudicio, 
qualia  sunt  haec  praecipue:  [1]  Panegyricus  amicorum.  [2]  De  lavacro. 
[3]  De  Dolcio.    [4]  Epithalamium  Laurentii.    [5]  Laus  Marlis.    [6]  De 


7)  Cniacias  war  der  lehrer  des  Ciaverius;  über  letztem  vgl.  Bur- 
mans  ausgäbe  des  Clandian  s.  VI  ff. 


702  A.  Biese:  zur  lateinischen  anlhologie. 

finalibas.  [7]  De  Cithera.  [8]  De  Isidae  navigio.  [9]  De  hirundine.  [10] 
De  cereo.  [11]  De  yitulis  marinis.  [12]  De  paupere  singulari.  [13]  De 
ape.  ....  Sed  liaec  non  adeo  cuivis  dissona  videantur  aut  aliena  ab 
hoc  poeta:  [14]  De  aquila.  [15]  Laus  Liberi.  [16]  De  hippopotamo  cl 
erocodilo  (diese  drei  letzteren,  die  Claverius  für  echt  Claudianisch  hill, 
.  druckt  er  sogleich  vollständig  ab),  plura  non  libuit  addere,  ul  neque 
Claudiani  Mamerti  Carmen  contra  vanos  poetas.'  das  distichon  Ad  Ma- 
ximum erwähnt  Claverius  nicht,  da  er  es  unter  den  echten  epigrammen 
des  Glaudian  fol.  267*  stehen  hat;  es  hat  somit  sein  codex  Cuiacianus 
(ich  nenne  ihn  icurz  G)  sämtliche  gedichte  des  v  (d.  h.  des  Vaticanus  9135\ 
und  zwar  gibt  v  die  gedichte  desselben  in  folgender  Ordnung,  anders  als 
Claverius  sie  beschreibt:  8.  2. 6. 7. 10.  14.  5.  15.  16.  Jd  Maximum.  3. 
man  darf  daher  wol  zweifeln,  ob  Claverius  beabsichtigt  hat  seine  gedichte 
Oberhaupt  in  der  hsL  reihenfolge  aufzuzählen. 

Wohin  dieser  Cuiacianus  nach  dem  tode  seines  besitzers  1590,  als 
dessen  bibliothek  zerstreut  wurde,  gelangte,  weisz  ich  nicht,  ander 
scheint  Oberhaupt  jetzt  verschollen  zu  sein.")  aus  ihm  abgeschrieben  sind 
die  ebenfalls  verschollenen  oben  genannten  schedae  Gnosianae,  welche 
P.  Gnosius,  ein  ^specialis  vicarius  praesidis  Biturigum  apud  Issoduniuo\ 
von  dem  ein  epigramm  in  Claverius  ausgäbe  steht,  angefertigt  hatte,  ^e 
quibus  auctarium  satis  amplum  repraesentare  potui,  ni  temperies  et  de- 
leclus  suo  iure  obstitissent' ,  fügt  der  würdige  herausgeber  hinzu,  es 
wäre  in  der  that  zu  wünschen  dasz  er  sich  nicht  hätte  abhalten  lassen, 
denn  wenn  auch  v  (Vaticanus  9135)  und  a  (die  schedae  Divionenses)  woi 
beide,  unmittelbar  oder  mittelbar,  ebenfalls  aus  C  stammen,  wie  sicli  bald 
ergeben  wird,  so  sind  sie  doch  keineswegs  vollständig:  v  hat  11,  a  nur  9 
Stücke;  aus  C  aber  nennt  Claverius  16  titel,  und  wer  bürgt  dafür  dasz 
die  hs.  nicht  noch  mehr  solche  gedichte  enthielt,  da  er  hinzufügt  'plura 
non  libuit  addere'?')  wie  die  sache  liegt,  sind  uns  die  gedichte  Panegy- 
ricus  amicorum^  De  hirundine^  De  paupere  singuiari^  De  ape  voll- 
ständig verloren,  und  für  Epithalamium  Laurentü  sind  wir  wenigstens 
von  dieser  ^inen  quelle,  die  eine  sehr  nützliche  controle  der  andern  bieten 
könnte ,  abgeschnitten,  zwar  führt  aus  dem  panegyricus  Claverius  die 
Worte  an  Prindpio  generis  simili  nos  stirpe  creatos  Floreniis  Florique 
patr%s\  aber  das  ist  irtümlich:  die  worte  gehören  vielmehr  dem  epitha- 


8)  nur  möge  man  nicht  (mit  Müller  s.  802)  von  einem  'einst  dem 
Coiacius  gehörigen  codex  Divionensis  lateinischer  catalecten'  reden: 
denn  sonst  mischt  man  zwei  verschiedene  hss.  durch  einander  und 
bringt  die  ganze  ziemlich  einfache  frage  in  arge  Verwirrung.  9)  ich 
möchte  z.  b.  vermuten,  dasz  das  gedieht  Marcus  amatu  puerum  natttm 
merUiiur  amare  (B.  III 233.  M.  998)  dieser  hs.  entstammt,  denn  Binetos, 
durch  den  es  uns  erhalten  ist,  sagt  in  seiner  Petroniosausgabe  (s.  ISo 
ed.  Dousa):  'alia  eins  generis  epigrammata  Inci  debeo,  quae  • .  ona  cum 
qoibusdam  Claudiani  in  publice  deponam.  verum  huius,  eredo,  auctoris 
adscribam  et  illud,  quod  ad  manam  fuerit  ez  v.  c.  Cuiaciano .  .  Marcus^ 
"BW.    eine  bekanntschaft  mit  dem  codex  C  scheint  nach  dieser  stelle 

Binet  jedenfalls  anzunehmen,  dem  er  wol  auch  jenes  von  Claverins 
erwähnte  gedieht  vorläufig  —  und  einzig  —  entnommen  hat. 


A.  Riese:  zur  lateinischen  anthologie.  703 

Jamium  (v.  7.  8)  an  und  ist  no$  wol  druckfehler  fflr  vas^  Florentis  da- 
gegen (wie  auch  V  hat,  s.  u.)  die  einzig  richtige  form  anstatt  des  gewöhn- 
lich gesetzten  und  auch  Müller  nicht  aufgefallenen  Florenii,  denn  wenn 
der  vater  auch  Florentius  hiesz,  ein  dichter  des  vierten  oder  fflnften  jh. 
hätte  doc|i  davon  einen  genetiv  Florenti  nicht  bilden  können,  schon  dies 
zeigt  die  Wichtigkeit  dieser  hs.,  aus  welcher  aber  auszer  den  von  Clave- 
rius  wahrscheinlich  sehr  wilikflrlich  behandelten  titeln  der  text  nur  för 
die  drei  gedichte  [14]  [15]  [16]  bekannt  ist:  allerdings  genug  um  zu 
dem  festen  resultat  zu  kommen,  dasz  G  das  familienhaupt  von  v  sowOl 
wie  von  a  ist.  aber  da  diese  beiden  genau  dieselben  fflnf  gedichte  aus- 
lassen,  so  wird  ihre  abstammung  von  C  entweder  beiderseits  nur  eine 
mittelbare,  schon  durch  em  excerpt  aus  C  vermittelte  sein,  oder  man  musz 
annehmen  dasz  v  aus  C,  a  aber  aus  v  abgeschrieben  ist.  wäre  festgestellt, 
dasz  V  (d.  h.  das  doppelblatt)  noch  nach  1652  sich  in  Frankreich  befand 
und  alt  genug  ist,  um  sich  im  siebzehnten  jh.  als  *c(odex)  p(riscus)'  be- 
zeichnen lassen  zu  können  (s.  u.),  so  möchte  ich  mich  wol  für  letzteres 
entscheiden,  zumal  da  auch  noch  der  umstand  für  unmittelbare  abstam- 
mung von  a  aus  v  zu  sprechen  scheint,  dasz  das  gedieht  Bedas  Bis  deni 
binique  dies  scribuntur  in  anno  (es  wird  Beda  laut  Mangearts  katalog  im 
cod.  330  bis  von  Valenciennes,  saeculi  X,  zugeschrieben),  welches  a  nach 
der  randbemerkuDg  ^ex  ms.  cod.  Peirescii'  entnahm,  sich  in  v  fol.  243  eben- 
falls findet  und  zwar  als  Wersus  de  Aegyptiacis  diebus  ex  v.  c.  biblioth. 
v.  iilustr.  1.  A.  Thuani',  v  selbst  aber  von  Mommsen  als  'apographum  Pei- 
rescianum'  bezeichnet  wird,  die  emendierende  band  zeigt  sich  übrigens 
in  a  auch  in  diesen  gedichten,  s.  u. 

Die  zweite  quelle  der  Überlieferung  bilden  zwei  hss.  des  Claudian, 
für  die  wir  ausschlieszlich  auf  die  nachrichten  des  Nie.  Heinsius  ange- 
wiesen sind:  Vaticanus  (V)  und  Ambrosianus  (M).  der  erste  gehört  dem 
zehnten  oder  elften,  der  zweite  dem  zwölften  jh.  an.  dasz  V  ^ante  annos 
sexcentos,  quantum  apparebat,  exaratus'  sei,  also  dem  elften  jh.  ange- 
höre, sagt  Heinsius  praef.  in  Claud.  s.  21  der  Burmanschen  ausgäbe  und 
referiert  L.  Müller  zum  epiihalamium  Laureniii  (rh.  mus.  XXIl  s.  83).  eine 
recht  unsorgfaltige  arbeitsweise  verräth  es  aber,  dasz  der  letztgenannte 
nur  diese  stelle  anführt  und  nicht  nur  nicht  angibt,  dasz  nach  einer  an- 
dern stelle  des  Heinsius  in  demselben  buche  (s.  741  Burm.)  der  Vaticanus 
(er  trägt  die  nummer  2809)  'ante  septingentos  annos',  also  im  zehnten 
jh.  geschrieben  sei  (das  alter  des  Ambr.  'ante  600  annos  scriptus'  ist  ebd. 
s.  742  angegeben),  sondern  sogar  'eine  collation  dieses  pergamens  des- 
halb sehr  wünschenswerth'  findet,  'weil  dasselbe,  wenn  die  angäbe  genau 
ist,  87  verse  des  epithalamiums  bot,  zwei  mehr  als  sich  im  Ambrosianus 
vorfinden',  er  war  nemlich  zu  flüchtig  um  zu  sehen  dasz  dies  gedieht^ 
welches  Burman  allerdings  in  der  anthologie  (U  s.  633  fl*.)  als  'ineditum' 
von  85  versen  aus  Hemsius  abschrift  des  Ambrosianus  publiciert  hat,  von 
demselben  bereitsvorher(in  der  von  Müller  selbst  citierten  ausgäbe  des 
Claudian  s.  1007  f.)  'uti  ab  Heinsio  descriptum  exeodem  Vaticano  et 
Ambrosiano  codice'  in  87  versen  veröffen  tlicht  worden  war.  Burman 
selbst,  der  gröste  sammelsurius  seiner  zeit,  hatte  nemlich  1773  schon 


704  A.  Riese:  zar  lateinischen  antbdogie. 

vergessen,  was  er  1760  hatte  drucken  lassen,  und  auch  die  fiteren, 
Wernsdorf  und  Meyer,  kannten  nur  den  abdruck  in  Bnnnans  anlhi^ogie. 
wir  bai)en  also  eine  coUation  des  VaL  durch  Heinsius  bereits  gedruckt  vor- 
liegen, die,  wie  alle  ähnlichen  arbeiten  desselben,  von  ortliographischen 
dingen  abgesehen  und  die  möglichkeit  einiger  druckfehler  fugegeben, 
ziemlich  genau  sein  wird;  das  einzelne  davon  folgt  unten,  und  eiastweüen 
gebe  ich  nur  die  Versicherung,  dasz  von  Müllers  hoffnung  a.  o.  s.  100  'dasL 
wenn  einmal  eine  collation  des  Vaticanus  bekannt  wird,  dieser  unsere  resti- 
tution  gröstenteils  bestätigen  wird'  durch  dieselbe  ungefähr  das  gegenteO 
in  erfOllung  geht. 

In  diesen  beiden  hss.  also  steht,  und  zwar  in  Y  nach  den  Ubri  t» 
Eutropium ,  in  M  nach  der  episiula  ad  Probmum^  zuerst  das  epühaU- 
mium  Laureniiij  auf  welches  in  V  zunächst  das  echt  Claudiaaiflche  efi- 
gramma  in  sphaeram  Archimedis  folgt,  dann  Be  Liberalibus  (M.  574 
=  Laus  Liberi  Clav.;  De  Baccho  v  a),  Laus  MarUs  (M.  585;  De  Mark 
oder  Ad  M,  va;  Clav,  wie  V),  endlich  ein  gedieht  De  lunonalibus^  wel- 
ches MGva  nicht  haben,  Burman  und  Meyer  nicht  kennen,  und  ich  als 
ein  ^quasi  ineditum'  hier  aus  Heinsius  (s.  1008  Burman)  wiederkole: 

De  lunonalibus. 
'Magna']  poli  domina^  cui  uincla  iugaiia  curae^ 
'Aei]erni  coeli  regis  caniuxque  sarwque, 
[Da  re^ditum  nobis.   sie  regnum  transeat  orbis. 

die  anfange  der  verse  habe  ich  ergänzt ;  überhaupt  will  ich  gleich  bemerkeD. 
dasz  V  manche  verse  mehr  bat  als  M,  wenn  auch  die  familie  VM  als  solche 
zusammen  der  familie  Gva  in  hohem  grade  überlegen  ist;  z.b.  585  besteht 
in  (G)va  aus  1,  in  M  aus  10,  in  V  aus  12  versen.  auszer  diesen  vferen  hat 
V  an  andern  stellen  die  gedichte  De  hippopotamo^^  (M.  1082)  und  D^ 
aquila  (unter  andeim  titel ;  M.  1083 ;  diese  beiden  ^sub  finem'  der  hs.  Bur- 
man s.  1005  f.)  und  De  Dtdcio  (M.  1122;  Barman  s.  lOOS).  auch  in  des 
Heinsius  copie  von  M  folgen  auf  das  epiihalamium  (Müller  s.  91)  die  ge- 
dichte 574.  585.  1082.  1083.")  es  wird  also  in  V  und  M  die  gleiche 
Ordnung,  und  wie  aus  Heinsius  silentium  zu  schlieszen  ist,  auch  die  gleiche 
anzahl  dieser  gedichte  in  V  und  M  zu  finden,  d.  h.  von  den  16  aus  C  ge- 
meldeten nur  6  (diese  aber  vollständiger)  hier  vorhanden  sein,  denn  wenn 
auch  Heinsius  (ed.  min.  s.  274)  nach  aufzählung  von  1062.  1122.  1083. 
den  drei  kleinsten  (je  2  oder  3  verse  enthaltend),  fortfährt :  ^qutlia  plura 
in  illo  [M]  occurrebant  non  magnae  rei',  so  können  die  gröszeren  von  C 
wie  De  Iside  (6  verse),  De  cereo  (8  v.),  De  Cyihera  (13  v.)  damit  keinen- 
falls  gemeint  sein ,  da  Heinsius  sonst  gewis  diese  anstatt  der  kleinsten 
publiciert  hätte,  jede  von  beiden  famllien  hat  somit  ihre  bedeutung  für 
uns  hinsichtlich   ihrer  ausdehnung;  dasz  auch  hinsichtlich  der  gute  dtf 


10)  dies  gedieht  soll  nach  Müller  a.  o.  s.  91  auch  im  Salmasi&niis 

Btehen;    jahrb.   1867  s.   802  läszt   er  wenigstens  die  möglichkeit  noch 

offen,    ich  kann  versichern  dasz  es  nicht  darin  steht.  11)  von  den 

KAlden  letzten  wird  in  der  ausgäbe  allerdings  nur  erwähnt  dasz  sie  in  V 

n. 


A.  Riese :  zur  lateinischen  anlhologie.  705 

lesarten  die  familie  C  nicht  ganz  ohne  bedeutung  ist,  soll  der  nachfolgende 
oberblick  zeigen,  in  der  ersten  familie  ist  V  älter,  vollständiger  und  besser 
als  M,  der  einigemale  (wenn  da  nicht  Burman  irt*t)  sogar  zur  zweiten  fa- 
milie neigt '^);  in  dieser  ist  a  sehr  frei  eoiendiert,  v  eine  sichere,  die  be- 
kannten teile  von  C  die  sicherste  quelle. 

Die  in  beiden  familien  erhaltenen  gedichte  sind  fünf: 

I  M.  574.  Be  Liberalibus  V,  wie  in  M?   Laus  Liberi  (C)  Glaverius, 
De  Baccho  uel  ad  Bacchum  va       1  Lenaee  V  Lenee  M  Lenis  Cva 
Bromie  Semeleie  VM  proles  Semeleia  Cva       2.  3  fehlen  Cva;  in  M  steht 
nur  das  erste  wort  thirsitenens       4  riuis  richtig  V(M?)  uerbis  (M?)Cva 

5  musta  V(M?)  mella  (M?)Cva  que  cauis  fehlt  MCva,  in  Cva  mit 
unpassender  (vgl.  v.  4]  ergänzung  ioiis  spumet, 

II  M.  585.  Laus  Mariis  VC(M?)  Be  Marie  uel  ad  M,  v  Ad  Mar- 
tern a  uersus  rhopalicus  (rophalitus  v)  fugen  (C?)  va  hinzu,  sie  haben  nur 
V.  1,  V  hat  12  verse,  M  v.  1 — 10  mit  dem  zeichen  der  lücke  für  weitere 
vier  verse,  sein  archetypus  hatte  also  14  verse  (?  Muller  s.  84)  1  belli- 
gerator  \^  belligeranium  {C^)vai  Airibuaty  tribuit  M  S  exil  ab 
armis  V,  fehlt  in  M       9  pulsatum  V  pulsaii  M 

lli  M.  1082.  Be  hippopotamo  V  (Burman  Claud.  s.  1005]  va  et 
crocodilo  wol  eigener,  aber  richtiger  zusatz  von  Claverius  1  Vlraque 
richtig  VM    Vt  quae  Cva       2  uorat  VM   necat  richtig  Cva 

IV  M.  1083.  Be  aquila  (M?)Cv  Quae  (Heinsius  vermutet  Aquila) 
in  mensa  de  sardonyche  lapide  V(M?}.  das  richtige  ist  die  Vereinigung 
beider  titel.  in  a  fehlt  das  gedieht  2  floris  VM  florum  Cv  similiS' 
que  VM  similique  Cv 

V  M.  1122.  Be  Bulcio  VM  (Burman  s.  1003)  Cva.  Nectareo  dulces 
muro  cinguntur  arenae  und  nichts  weiter  VM,  dagegen  ganz  anders 
Suave  tibi  nomen  usw.  (2  verse)  Cva. 

So  viel  über  die  kritische  gruudlage  dieser  gedichte;  die  blosz  in 
(G)va  enthaltenen  will  icii  hier  nicht  durchgehen  und  nur  noch  bemerken, 
dasz  das  distichon  Ad  Maximum  (M.  1121;  unter  Claudians  epigrammen 
nr.  32  Burm.))  obgleich  in  v  und  a  stehend,  dennoch  nicht  der  anthologie^ 
sondern  den  echten  epigrammen  Claudians  zugehört,  in  dessen  sämtlichen 
hss.,  ausgenommen  nur  V,  selbst  in  den  V  ebenbürtigen  excerpta  Luceusia, 
es  sich  vorfindet;  auph  in  C  stand  es  wol  unter  den  gedichten  Claudians, 
und  ist  aus  unbekannter  Ursache  in  va  unter  unsere  samlung  von  adesputa 
gerathen.  auszer  diesem  fehlen  übrigens  in  V  noch  13  Claudianische  epi- 
gramme,  welche  die  exe.  Lucensia  und  die  andern  hss.  bieten  (nr.  28 — 31. 
33 — 37.  39 — 42  Burm.),  welche  also  mit  demselben  recht  wie  jenes  in 
die  anthologie  gehören  würden,  im  cod.  Par.  8069  saec.  X— Xi  fand  ich, 
beiläufig  bemerkt,  fol.  V  jenes  distichon  in  der  sehr  abweichenden  form 
(ohne  titel)  Bulcia  mella  mihi^  semper  tu  dulcia  mandas ,  Et  quicquid 
dulce^  mella  pulare  decet.  dagegen  das  epigramro  21  Burm.  Be  zona  ab 

12)  keiueawegs  kann  M  aus  V  abgeschrieben  sein,  da  in  V  noch 
im  17n  jh.  vieles  lesbar  war,  was  der  Schreiber  des  M  schon  im  12n 
in  seinem  archetypus  nicht  mehr  lesen  konnte,  nnd  wo  er  dann  zeichen 
der  lücke  setzte. 

Jahrbücher  für  dass.  philol.  1868  hft.  10.  46 


706  A.  Riese:  zur  lateinischen  anthologie. 

eadem  (von  Serena)  missa  Arcadio  Aug.  findet  sich  vpn  allen  dutzenden  der 
Claudianhss.  nur  in  V  und  M,  hat  also  dieselbe  traditon  wie  Mey.  1082 
und  1083,  nur  dasz  letztere  auch  noch  in  C  standen,  dadurch  in  die  sehe- 
dae  Divionenses  resp.  auf  foh  1  des  Claverius  kamen  und  hierdurch  eiogang 
in  die  anthologie  fanden ;  ebenso  ist  dieselbe  um  dais  genannte  gedieht  zu 
bereichern ,  welches  dem  bei  Burman  vorhergehenden  echten  De  zma 
equi  regit  missa  Honorio  Aug,  a  Serena^  aber  viel  schwächer,  nachge- 
bildet ist,  wenn  auch  natürlich  von  einem  gleichzeitigen  poeten.  über- 
haupt musz  der  umstand  für  die  aufnähme  eines  epigramms  entweder 
in  Giaudian  oder  in  die  anthologie  maszgebend  sein:  die  nicht  nur  in  VM 
sondern  auch  (nach  Heinsius  zeugnis)  in  den  excerpta  Lucensia  und  damit 
auch  in  der  groszen  zahl  der  Claudianhss.  stehenden  gehören  in  dessen 
ausgaben;  nicht  zwar  als  ob  damit  die  echtheit  garantiert  sei,  aber  etwas 
sicheres  läszt  sich  gegen  die  echtheit  keines  derselben  vorbriogea; 
dagegen  die  n  u  r  in  VAl  stehenden  gehören  in  die  anthologie. 

Nur  noch  das  epith'alamium  Laurentü  (M.  1143)  will  ich  durch- 
nehmen, um  den  dafür  aus  dem  Vaticanus  zu  ziehenden  gewinn  zu  zeigen. 
alles  orthographische  übergehe  ich.  dasz  der  anfang  fehlt,  sah  Burmao 
schon  in  der  Claudianausgabe.  v.  2  Tuque]  Teque  richtig  V.  v.  6  lautet 
dort  Mariaeque  licet  plus  quaerat,  pauca  loquemur^  ohne  jedes  zelGheo 
einer  lücke,  aber  auch  ohne  die  bemerkung  dasz  die  worte  eque  licet^  die 
in  M  fehlen ,  durch  Heinsius  erst  suppliert  seien,  dessen  ergänzuugen  an 
andern  stellen  ausdrücklich  als  solche  bezeicimet  sind.  Mariae  mit  langer 
anfangssilbe  kann  natürlich  in  diesem  gedieh le,  dem  keine  prosodischeo 
versehen  zur  last  fallen ,  nicht  den  vers  beginnen ;  ein  einsilbiges  wort, 
vielleicht  nuncy  ist  vorzusetzen  und  Mariae  —  quaerat  parenthetbch  zq 
fassen.  Maria  ist  die  mutter  der  braut  und,  so  wird  supponierl,  sie  möchte 
gern  ein  längeres  lob  der  verlobten  hören,  aber  der  dichter  will  kurz  sein, 
weil  die  brautleute  selbst  ihren  sinn  heute  auf  anderes  als  auf  ein  laoges 
gedieht  gerichtet  haben  (v.  3.  4.  30).  Müller  wollte  ergänzen  Mm  nee 
(oder  nist)  aut  sponsusplus  quaerat;  er  substituiert  Maia  für  Maria  we- 
gen des  (nun  gehobenen)  prosodischen  fehlers  v.  6  und  wegen  v.  10  nam 
decuit  Mariam  sapientem  fundere  [natam ;  dies  fehlt  auch  in  V],  wo 
aufilfata,  die  mutter  des  Hermes,  angespielt  sein  müsse,  aber  warum 
soll  das  überlieferte  Maria  nicht  bleiben  dürfen?  der  name  war  bereits 
in  Rom  heimisch  geworden ,  man  denke  nur  an  Glaudians  epHhalamsum 
Honorii  et  Mariae  ^  und  warum  durfte  ein  zwar  äuszerlich  christlicher 
aber  nicht  specifisch  kirchlicher  autor  hier,  wo  die  namen  etwas  gesuclit 
verwendet  werden,  nicht  mit  dem  gedanken  an  die  Maria  des  neuen  tesia- 
ments  sagen  ^eine  Maria,  wenn  sie  eine  tochter  hat,  kann  nur  eine  weise, 
sinnige  tochter  haben'  (vgl.  v.  38 — 40)?  er  denkt  wol  an  den  gern  her- 
vorgehobenen gegeusatz  der  sinnig  liebevollen  Maria  und  der  lebhaft  tb3- 
tigen  Martha.  ^^  Maria  also  ist  die  mutter,  wie  aber  heiszt  die  braut?  das 
ist  noch  immer  unbekannt ,  auch  Müller  s.  99  f.  hat  diese  frage  nicht  ge- 

'^  bei  y.  88  ff.  eioquii  scriptique  tenax  usw.  kann  man  evang.  Lnc 
>1  vergleichen:  i^  hk  Mapia  ndvra  cuv€Tf)p€i  xd  ^/iMor«  "^^"^ 


A.  Riese:  zur  lateioischen  anthologie.  707 

fördert,  in  v.  6  ist  ihr  name  also  nicht  zu  suchen;  wjo  er  aber  steilen 
masz,  ergibt  sich  aus  der  anläge  des  gedichtes.  auf  die  einleitung  folgen 
zunächst  die  verse  12 — 29  die  an  den  bräutigam  gerichtet,  dann  v.  30 
—48  welche  zu  der  braut  gesprochen  sind,  ebenso  wie  in  jenen  der 
brSutigam  Laureniius  v.  20  mit  namen  angeredet  wird,  ebenso  musz  in 
dem  zweiten  abschnitt  der  name  der  braut  vorkommen,  und  er  steht  auch 
wirklich  in  folgenden  versen  (32  f.) :  lilia  ceu  niteani  (?)  rutilis  coti- 
mixia  roseiis ,  Sic  ruhor  et  candor  pingunt  tibi  florida  vuUus.  man 
schreibe  einfach  pingunt  tibi^ Florida^  vultus,  und  es  erscheint  Florida, 
die  tochter  entweder  des  Florus  oder  Florens  (v.  8}  und  der  Maria ,  als 
•braut  des  Laurentius,  welcher  der  söhn  der  Calliope  (v.  11)  und  nun  ent- 
weder des  Florens  oder  des  Florus  (v.  8)  ist.  ob  aus  v.  7  f.  principio 
generis  simili  vo$  sUrpe  creatos  Florentis  (so  Burman  s.  1007  wirklich 
im  text)  Flarique  patris  (patrum  Haupt  im  Hermes  II  s.  14)  sat  nomina 
prodent  (so  Burman  a.  o.)  geradezu  auf  Verwandtschaft  oder  nur  auf  glei- 
chen rang  der  familien  deuten,  wage  ich  nicht  zu  entscheiden;  wol  aber 
glaube  ich  dasz  der  Florens,  der  in  einem  andern  dieser  gedichte  [de 
lavacro  v.  10)  aufgefordert  wird  sich  im  bade  der  sorgen  zu  entschlagen, 
mit  dem  hier  v.  8  genannten  identisch  ist,  wir  also  wenigstens  für  diese 
beiden  gedichte  wol  berechtigt  sind  den  gleichen  Verfasser  anzunehmen, 
die  in  dem  gedichte  de  cereo  genannte  Flora  dagegen  ist  die  blumengöUin 
selbst,  welche  Chloris  dicta  per  arva  fuit  (v.  2). 

Kehren  wir  nach  diesem  excurs  zur  ausnutzung  des  Vaticanus  zu- 
rück, die  methode  nach  welcher  wir  denselben  aus  dem  Burman-Hein- 
siusschen  drucke  zu  eruieren  haben,  ist  folgende,  da  demselben  keine 
bemerkungen  über  die  einzelnen  lesarten  in  V  und  M  beigefügt  sind ;  da 
derselbe  jedoch  durch  den  umstand,  dasz  die  conjecturen  des  Heinsius 
als  solche  und  zwar  unter  dem  texte  ausdrücklich  bezeichnet  sind, 
sich  als  dine  beabsichtigte  treue  wiedergäbe  der  beiden  hss.  charakteri- 
siert; da  ferner  des  Heinsius  abschrift  des  V  nicht,  dagegen  aber  (durch 
L.  Müller)  seine  abschrift  des  M  bekannt  ist  und  diese  an  vielen  stellen 
teils  durch  schlechtere  lesarten  teils  durch  gröszere  ausdehnuug  der 
lücken  sich  von  dem  druck  unterscheidet;  und  da  endlich  V  nach  dem 
Zeugnis  des  Heinsius  nicht  nur  der  älteste  sondern  auch  ^optimus'  aller 
Claudiancodices  ist:  —  aus  allen  diesen  gründen,  sage  ich,  haben  wir 
den  von  Burman  gegebenen  druck  als  den  wirklichen  abdruck  des  Vaticanus 
zu  betrachten  (orthographische  ungenauigkeit  und  etwaige  druckfehler, 
wie  gesagt,  zugegeben),  dem  er  den  M  nur  secundär  d.  h.  hier  ohne  jeden 
wirklichen  einflusz  auf  die  textgestaltung,  zur  seite  stellte,  ich  erlaube 
mir  daher  den  Burmanschen  text  s.  1007  f.  ohne,  weiteres  mit  der  sigle 
V  zu  bezeichnen,  jede  Vermutung,  dasz  die  gröszere  gute  und  Vollständig- 
keit dieses  textes  doch  vielleicht  der  Überarbeitung  des  Heinsius  zu  danken 
sei,  musz  gleich  bei  der  zunächst  zu  besprechenden  stelle  schwinden :  v.  11 
Calliopenque  simul  (sc.  decuii)  iuvenem  proferre  .  .  . ;  das  ende  fehlt 
in  M,  Wernsdorf  ergänzt  disertum,  aber  V  hat  proferre  io  .  ,  ,  das  wird 
denn  doch  kein  zusatz  des  Heinsius  sein?  zu  lesen  ist  wol  togatum  im 
sinne  von  ^einen  Sachwalter'  (dies  war  Laurentius,  vgl.  v.  23  ff.);  denn 

46* 


708  A.  Riese:  zur  lateinischen  anlhologie. 

ein  solcher  brauoht  heredsanikeit,  welche  als  ein  geschenk,  wenn  audi 
nicht  gerade  der  Calliope,  so  doch  der  Musen  überhaupt  angesehen  wer- 
den  kann.  v.  13  nach  ienel  ergänzte  MOller  iamque  aptus  amando;  da- 
für bietet  V:  nam  nuper  ...  es  mag  etwa  noch  aduUus  zu  erg&nzen 
sein.  17  et  fade  mores  \  in  V  steht  et  fadem  et  mores  ^  hier  ßUt  die 
entscheidung  wol  für  M  aus.  26  hat  V  richtig  tenuere^  nicht  tribuere. 
29  vir  bonus  es  nimium  .  .  .  ergänzte  Wernsdorf  dem  sinne  nach  roll- 
ständig richtig  mit  dicendique  arte  peritus,  V  bietet  nemlich  noch  den 
ganzen  vers  vir  bonus  et  (lies  es)  nimium^  fandi  pariterque  peritus, 
32  lilia  ceu  niteant^  wie  in  N.     34  miramur  quid  .  .  .  gestent;  inV 

'  richtiger  miramur  quod  .  .  .  gestaut,  v.  35  wird  Wernsdorfs  conjcctur 
eburnis  durch  V  bestätigt,  welches  wort  zu  t/m^m  gezogen  weit  wir- 
kungsvoller ist  als  phaleras  {f aleras  V)  eburnasi  *um  deine  schultern, 
die  glänzend  sind  wie  elfenbein,  hängst  du  ohne  weitere  Wirkung  noch 
andern  glänzenden  ^hmuck.'  36  non  tibi  nam  gemmae  V,  schwerlicii 
ri(;hlig ;  auch  37  ist  alias  besser  als  des  V  alios.  38  .  .  .  scriptique  te- 
fiax  veloxque  legendi.  Müller  ergänzte  esque  eadem  scriptique;  in  V 
steht  aloqui  scriptique,  woraus  schon  Heinsius  das  richtige  eloquii,  iaul 
anmerkung  unter  dem  texte,  hergestellt  hat.  ebenso  in  v.  39  f.  .  . .  idis 
fueris  praesaga  maritim  .  Musaea  tuis  insedit  cura  meduUis,  MuUer 
wollte  hier  et,  puto,  quod  talis  usw.  weit  feineren  sinnes  gibt  V:  tom- 
quam  talis  usw.  (Heinsius  setzte  noch  et  davor),  v.  42  wird  Wernsdorfs 
iradare,  43  Burmans  teretes  durch  V  bestätigt.  45  frenarunt  V, 
Wernsdorf.  46  tum']  cum  V,  Müller.  48  araneo  V,  von  Heinsius  unter 
dem  text  in  Areuihneo  verbessert,  zu  v.  56  macht  Müller  Burman  den 
ungerechten  Vorwurf,  dasz  dieser  des  Sternchens  in  der  abschrift  des  Hein- 
sius nicht  gedenke :  das  Sternchen  ist  ja  in  Burmans  ausgäbe  vorbanden, 
es  bezeichnet  nicht  den  mangel  eines  verses,  wie  Müller  annimt,  sondern 
die  Verderbnis  in  den  Worten  cesoque  pavinto,  die  übrigens  auch  in  V 
ebenso  lauten,  schon  vorher  v.  50  non  sinit  hoc  tempus  totas  {totos  M} 
effundere  vires  lautet  in  V  viel  geeigneter  nee  sinit  hoc  tempus  totas 
nunc  pandere  laudes,  nur  dasz  ich  non  statt  nee  vorziehen  möchte,  an 
solchen  stellen  wäre  eine  kenntnis  von  der  lesart  des  Cuiaclanus  sehr  er- 
wünscht. 52  quos]  quas  V.  56  modulante  VM.  57  compede  M,  aber 
cum  pede  richtig  V,  welches  mit  v.  56  zu  verbinden  ist.  zu  v.  57  hal 
Müller  das  richtige  getroflen :  longa  steht  auch  in  V.  59  vermutet  Hein- 
sius limina,  60  corda ,  61  bambilium  V.  si  V,  von  Heinsius  zu  sisirum 
ergänzt,  in  v.  62  wird  Haupts  und  Müllers  emendationper  aeratas  durcli 

'  V  bestätigt;  weiterhin  bat  V  voces,  v.  63  humida  {huia  M),  was  ich,  falls 
die  Wasserorgel  sich  humida  organa  nennen  und  mit  der  erwähnung  der 
f olles  v.  64  vereinigen  läszt,  wol  annehmen  möchte;  auch  Lemaire  hat 
dasselbe  vermutet,  dann  hat  V  folligeris  wie  M  und  votis  wie  Burman. 
67  teque  ,  .  moneamus  V,  besser  als  tuque  .  .  monearis.  71  cirrus  V, 
jedenfalls  gewählter  als  crinis,  ob  aber  auch  besser?  72  iaceant']  ma- 
fieant  V.  am  ende  des  verses  ist  filo  entweder  schreib-  oder  druckfeliier. 
^;  mollia  V  ist  aus  mollibus  v.  73  entstanden,  v.  75  nee  (ne 
^ernsdorf)  dum  .  .  .  atque  oscula  dulcia  iadant   die  lücke  io 


A.  Riese :  zur  lateinischen  anthologie.  709 

M  ergänzte  Burman  mit  mille  iocos.  in  V  aber  stehen  dafür  die  corrupten 
Worte  faro  ludum^  für  die  ich,  aber  uur  um  etwas  lesbares  zu  geben, 
einstweilen  vorschlage  ne,  dum  ambo  ludunt;  möge  es  bald  durch  bes- 
seres ersetzt  werden,  auf  v.  80  mellea  iunc  roseis  haerescant  basia 
labris  folgen  in  V  die  oben  erwähnten  beiden  in  M  vielleicht  aus  prQderie 
ausgelassenen  verse 

ei  conpressa  suis  insudeni  pectora  membris 
per  niveosgue  humeros  cultumque  per  05  •  .  .  . 
den  schJusz  ergänzt  Heinsius  osgue  genasque,  83  niveam]  roseam  V ; 
obgleich  der  vergleich  mit  v.  35  niveam,  was  M  bietet,  mehr  empfehlen 
wQrde,  so  kann  es  wegen  des  gerade  vorhergehenden  niveosgue  doch 
nicht  beibehalten  werden.  84  siringentes  M  ist,  obgleich  in  den  ausga- 
ben stehend,  einfach  Schreibfehler;  schon  V  hat  richtig  turgentes,  die 
letzten  verse  endlich  lauten  in  V:  vivile  concordes,  donec  premat  una 
senectus,  Donec  vesira  habeant  natorum  vota  nepotes:  ^bis  dasz  eure 
Urenkel  sich  eurer  Segenswünsche  erfreuen',  wie  viel  feiner  und  gemüt- 
voller als  die  adoptierte  lesart  von  M  muUorumgue  onereni  natorum  iura 
nepoies  'bis  dasz  eure  enkel  durch  die  rechte  (die  ansprüche)  ihrer  vielen 
kinder  belästigt  werden' !  auch  hier  also  bleiben  wir  bei  V  stehen,  durch 
dessen  kenntnis  das  gedieht  sehr  viel  gewonnen  hat.  auch  ist  es  von  in- 
teresse  zu  sehen,  in  wie  weit  die  Vermutungen  der  verschiedenen  kritiker 
durch  diese  entschieden  bessere  gestalt  der  Überlieferung  bestätigt  werden 
oder  nicht:  als  die  besten  erscheinen  dabei  die  leistungen  von  Wernsdorf. 
Oben  habe  ich  auf  die  beziehung  zwischen  diesem  gedieh te  und  dem 
de  lavacro  hingewiesen,  die  sich  in  dem  in  beiden  vorkommenden  Florens 
ausspricht,  eine  andere  beziehung  findet  sich  zwischen  Mey.  574.  585 
und  dem  oben  publicierten  de  lunonalibus.  alle  drei  schlieszen  nemlich 
mit  der  bitte  (dort  an  Bacchus,  dann  an  Mars,  endlich  an  Juno  gerichtet) 
da  reditum  nobis  {nobis  reditum  585  v.  11).  in  574  ist  es  die  bitte  des 
kriegers  im  felde,  patriam  repetamus  ovantes  fährt  er  fort;  in  de  lunon, 
ist  die  beziehung  undeutlich  (es  ist  wol  nur  fragjpent).  wenn  das  gebet 
an  Bacchus  ebenfalls  endigt  da  reditum  nobis;  sie  (ein  mit  sie  eingelei- 
teter wünsch  schlieszt  sich  in  allen  drei  gedichten  an)  toiis  dulcia  rivis 
Musia  fluant  spumetgue  cavis  vindemia  labris,  so  läszt  sich  das  nur  als 
parodie  fassen  —  dort  die  glückliche  heimkehr  des  kriegers,  hier  die 
glückliche  heimkehr  des  beirunkenen!  noch  einige  Vermutungen  seien 
hier  angefügt,  in  dem  gedieht  an  Mars  v.  7  hat  man  te  thorax  galeague 
tegunt  wegen  des  prosodischen  fehlers  angezweifelt,  namentlich  aber 
heiszt  es  schon  v.  5  tu  crista  galeague  rubes ,  deshalb  ist  nochmals  ga- 
league sowie  Meyers  cassisgue  falsch :  ich  schlage  vor  te  thorax  ocreae- 
gue  tegunt.  —  De  vinalibus  (M.  576)  v.  2  f.  nee  mens  est  Thebana 
tibi,  licet  aggere  celso  \  Dircaeae  rupis  dicas  fiuxisse  parentes  wird  statt 
fluxisse  zu  schreiben  sein  fulsisse;  jedenfalls  ist  nach  parentes  zu  inter- 
pungieren :  *du  bist  kein  wahrer  Thebaner  (d.  h.  kein  freund  des  Bacchus, 
des  BaKxeuc  BaKxäv  jiaTpÖTcoXiv  Gi^ßav  vaieiÄv  Soph.  Ant.  1122), 
obgleich  du  dich  glänzenden  Thebanischen  Ursprungs  rühmst.'  —  De  Cy^ 
ihera  (M.  926)  v.  1  ff. : 


710  A.  Riese:  zur  lateinischen  anliiologie. 

forte  erat  Aurorae  tempus  Solisque  quadriga 
fecerat  et  ventum  et  sonilum  per  nobile  marmor 
adstantis  pueri. 
in  V.  2  ist  Schröders  fecerat  adventu  nicht  zu  billigen,  man  erinnere  sidi 
vielmehr  bei  dem  mit  der  morgen  frühe  sich  erhebenden  leisen  winde  der 
feingefühilen  verse  Catulls  64,  269  ff.  &eT  adstans  puer  x^i  Helios  selbst, 
der  jugendliche  wagenlenker;  was  aber  soll  per  nobile  marmorl  nur 
zögernd  und  provisorisch  schlage  ich  vor  per  nobüe  Carmen ;  die  erinne- 
rung  an  die  lehre  vom  harmonischen  zusammenklang  der  Sphären,  auf  die 
vielleicht  auch  sonitum  hinweist,  mag  dem  dichter  vorgesciiwebt  haben. 
In  prosodischer  beziehung  sind  einige  gedichle,  wie  z.  b.  das  epitha- 
latnium  und  de  lavacro^  de  Cythera  und  de  cereo  und  cfinige  der  kleine- 
ren, nach  strengen  gesetzen  gebaut,  in  anderen  dagegen  finden  sicli 
licenzen,  zum  teil  schlimmer  art.  So  Mey.  574  v.  1  Lena^e  (so  V,  viel- 
leicht richtiger  in  M  Len^e  \  dem  sinne  wie  der  tradition  nach  ist  dies 
dem  Lenis  in  Cva  vorzuziehen],  ebd.  Bromie  Semeleie  (so  VM ;  prolei  Se- 
meleia  Cva),  v.  2  sogar  ohne  jede  möglichkeit  zu  andern  bimäter^  und 
v.  3  Ariadnaeg  cortatice,  und  ebenso  in  dem  dritten  der  den  redüta 
erflehenden  gedieh te  {de  lunon,  1)  dominä  als  nominativ.  allerdings  fällt 
in  den  zwei  letzten  föllen  die  silbe  in  die  cäsur.  auch  in  dem  zweiten  ge« 
dicht  (M.  585)  findet  sich  v.  7  als  nominativ  galeäque  (nach  Burman  s.  23, 
aber  s.  100^  steht  galeaeque),  dagegen  bat  de  vin,  (576)  in  v.  4  v  per 
nosträ  rura^  in  a  ist  es  in  per  rura  et  nostra  emendiert.  de  Isidis  «ö- 
vigio  v.  1  ist  Ist  S  fruge  das  in  der  thesis  verkürzte  o  zu  bemerken.  — 
Schon  aus  diesem  gründe  ist  eine  autorschafl  Glaudians  für  diese  gedichle 
nicht  anzunehmen,  die  auszerdem  z.  b.  ffir  das  epithalamium  auch  wegen 
der  auffallenden  nüchlernheit  desselben  in  der  spräche  und  besonders  in 
den  gedanken  undenkbar  ist.  allerdings  sind  auch  unter  Glaudians  epi- 
grammen  manche ,  die  sich  in  dieser  beziehung  sehr  von  den  grösseren 
gedieh ten  desselben  unterscheiden ,  über  die  aber  Burman  irgendwo  auch 
die  mir  sehr  probabel  scheinende  ansieht  ausspricht,  dasz  diese  gedichte 
Übersetzungen  aus  griechisch  verfaszten  epigrammen  Glaudians  seien ;  be- 
kanntlich enthält  die  griechische  anthologie  noch  jetzt  solche  gedicbte  des- 
selben, anderseits  aber  ist  auch  sehr  leicht  denkbar  dasz  unsere  gedichte, 
vielleicht  nebst  noch  anderen  der  ^Glaudianischen'  epigramme,  worfiber 
sich  jetzt  nicht  urteilen  iSszt,  den  Glaudianischen  mit  unrecht  angehängt 
wurden,  vielleicht  erlaubt  der  schlusz  von  de  vinalibus  (7  IT.  vatumque 
sonoro  Carmine  Mindus  et  strepuit  circumsita  ripa  Fluminis  Etrusci^ 
quem  non  aequabit  Orontes)^  namentlich  die  allerletzten  panegyrischen 
Worte,  einen  schlusz  auf  die  abfassung  wenigstens  dieses  gediclites  in 
der  gegend  des  Blincius  (wo  Claudian  wol  niemals  lebte)  zu  ziehen,  in 
den  andern  gedichten ,  auch  dem  epithalamium ,  fehlt  jede  derartige  an- 
deutung;  nur  scheint  v.  22  des  letztern  jedenfalls  nicht  auf  Rom  hin* 
zuweisen. 

Heidelberg.  Alexander  Biese. 


H.  Hagen:  eine  antike  komödie  in  distichischer  naclibildung.     711 

95. 

EINE   ANTIKE   KOMÖDIE   IN  DISTICHISCHER  NACH- 
BILDUNG. 


Im  codex  Bernensis  nr.  568  findet  sich  auf  fol.  15^ — 17^  ein,  wie 
€s  scheint,  bisher  noch  unbekannt  geblie!>enes  gedieht  von  324  versen  in 
distichen,  das  um  seines  Inhalts  willen  die  gröste  beachtung  verdient,  da 
wir  darin  die  nachbildung  einer  antiken  komödie  erblicken. 

Der  codex  ist  beschrieben  bei  Sinner  calalogus  mscr.  Bern.  I  s.  636 
und  II  s.  241  f.,  doch  ziemlich  mangelhaH.  er  ist,  aus  198  blättern  be- 
stehend, wol  von  verschiedenen  hfindeu  geschrieben,  die  aber  sämtlich 
kaum  gar  viel  die  grenzen  des  zwölften  jh.  überschreiten.  Sinners  datie- 
rung  in  saec.  XIII  ist  zu  wenig  liberal  und  IrifTt  jedenfalls  bei  dem  mitzu- 
teilenden Carmen  nicht  zu ,  dessen  schriftzflge ,  ziemlich  verschieden  von 
ihrer  Umgebung,  ein  klares  und  lesbares  aussehen  haben,  wie  man  es  dies- 
seits des  12n  jh.  nur  noch  seilen  antriflt.  das  erste  Matt  nennt  als  ehe- 
malige besiizer  des  codex  Petrus  Daniel  Aureiius,  B.  Brissonius  und  Bon- 
garsius.  Sinners  bemerkung  II  s.  241  ^fuit  olim  Barn.  Brissonii ,  d  e  i  n 
Pelri  Dauielis,  tandem  Bongarsii'  ist  dahin  zu  berichtigen,  dasz  der 
erste  besitzer  jedenfalls  nicht  Brissonius  sondern  Pierre  Daniel  war. 
denn  wenn  von  dessen  band  auf  jener  ersten  selte  (und  ailth  auf  der 
letzten,  doch  hier  ausradiert  bis  auf  die  zahl)  geschrieben  steht:  ^Ex  libb. 
Petri  Danielis  Aurelii  1564'  und  darunter,  während  dieses  durchstrichen 
ist,  von  Bongarsius  band:  ^Ex  libb.  B.  Brissonii  paratus',  so  ergibt  sich 
daraus  dasz  Pierre  Daniel,  der  den  codex  im  j.  1564  erworben,  ihn  dem 
Barnabas  Brissonius  geschenkt  haben  musz,  nach  dessen  tode  (geb.  1531, 
gestorben  1591}  dann  Bongarsius  denselben  an  sich  gebracht  hat. 

Auf  fol.  1—17  incl.  finden  sich  misccllen  verschiedener  art;  zu- 
nächst fol.  1* — 6**  episcopalbriefe,  z.  b.  f.  4*  A.  episcopus  seruus  ser- 
uorum  dei  archiepiscopo  Ehoracensi  usw.;  fol.  7*^  enthält  leoninische 
verse  eines  märtyrers;  fol.  8*^  ebenfalls  gereimte  verse:  Post  dubiam 
post  nugatoriam  fortunae  gloriam  post  opes  siculas  conuertor  anxius 
frequeniius  in  uoces  querulas^  schlieszt  mit  den  Worten  Carnoti  gloria 
lucerna  Senonum^  tu  lege  praeuia  stateira  (sie)  canonum^  libras  iudi- 
da  prompius  in  examine  iudicialis  trutine  dignitatis  gemine  culmine 
mixio  fuiges  numine  hämo  sed  plus  homine\  fol.  8^  ist  nur  mit  4  zeilen 
beschrieben,  darauf  3  blätter  herausgeschnitten;  dann  fol.  9* — 15^  ein 
zusammenhängender  tractat,  beginnend  (verstümmelt):  lettius poterit  re- 
quirere  dampnum  itium.  Item  alius  philosophus:  Consüle  amico  iuo 
in  honum^  quanium  poteris  et  si  tibi  credere  noluerit.  lustum  est  enim 
ut  sibi  bene  consulai^  licet  rectum  ut  insulsus  tuum  non  consequatur 
consilium.  Alius  philosophus:  Noli  consilium  tuum  omni  reuelare 
homini.  Qui  enim  consilium  suum  in  corde  suo  retinet  ^  sui  iuris  est 
melius  eligere  usw. ,  lauter  philosophische  moralsätze,  eingeführt  jewei- 
len  durch  ein  Alius  philosophus.  das  ganze  ist  ein  gespräch  zwischen 
einem  magister  und  dessen  discipulus,  nachdem  ungeHihr  auf  der  mitte 


712     H.  Hageo:  eine  anlike  komödie  in  dislidiischer  nachbildung. 

von  fol.  9^  der  magisier  gesagt:  alius philosophtis.  Sapieniia  mortua 
Corpora  clarilale  uiuificat^  uelui  terra  arida  kumidiiaie  pluuie  uiresät^ 
heiszl  CS  weiter:  Discipulus  magisiro:  Quömodo  me  habendo  inier 
sapienies  discipülos  compviahor?  darauf  antwortet  ihm  sein  lehren 
Magister.  Serua  Silentium^  donec  tibi  sit  loqui  necessarium  usw. 
allerlei  hübsche  anekdoten  werden  da  mit  praktischer  natianweodung 
erzählt,  meist  im  munde  arabischer  weisen,  den  schlusz  macht  die 
bekannte  brunnengeschichte  des  von  seiner  jungen  frau  schmählich  b^ 
trogenen  ehemanns.  das  gespräch  schlieszt  der  schOler  mit  den  werten: 
Discipulus.  Qui  miseretur^  misericordiam  consequelur;  si  mulieris 
misertus  esset^  misericordiam  consecutus  fuisset. 

Folgt  fol.  15^—17^  das  unten  mitzuteilende  distichiscbe  gedieht 
in  je  zwei  columnen  geschrieben;  fol.  17^  stehen  nach  dessen  scblasz 
noch  folgende  verse,  in  denen  der  Verfasser  Ober  den  schmählichen  rer> 
rath  seines  freundes  klagt: 

Cuius  totus  eram ,  cuius  me  cura  regebai^ 
Qui  pro  uelle  suo  prorsus  mea  uota  mouebai , 
Arrumpens  (lies  abrumpens)  f{o)edus^  quod  amoris  erat^ 
Iniuriam  passus  taceo^  si  forte  rediret,  \uiolauit. 

Qui  sie  (lies  si)  diligeret^  nee  sie  nee  talis  abireU 
die  Seite  ist  noch  ausgefüllt  mit  einer  aufzählung  britannisdier  könige 
vor  und  nach  der  incarnatio  domini^  von  einer  hand  des  14n  jh. 

Auf  fol.  18*  beginnt  Gaufridus  Monumetensis  mit  dem  prologus: 
Cum  mecum  multa  et  de  mullis  sepius  animo  reuoluens  in  hystoriam 
regum  britannie  inciderem  usw.;  fol.  18^  zur  hälfte  leer;  dann  beginnl 
das  werk  (die  Überschrift  Gaufridus  Monumetensis  von  Bongarsius  band) 
fol.  19*:  Eneas  post  troianum  bellum  excidium  urbis  cum  ascam 
filio  suo  diffugiens  nauigio  ilaliam  adiuit  usw. ,  schlieszl  auf  fol.  79  - 
Reges  auiem  eorum  qui  ab  illo  tempore  iugualiis  successerunL  Kar«- 
doco  lancarbanensi  contemporaneo  meo  in  materia  scribendi  permilt^ 
usw.  —  quem  de  hysioria  eorum  ueraciter  editum  in  honore  praedic- 
forum  principum  hoc  modo  in  latinum  sermonem  transferre  curauL 
das  blatt  zur  hälfte  leer."^)  fol.  80*— 83'  folgt  eine  kurze  darstellung  der 
angelsächsischen  geschichte  von  409  bis  616,  beginnend  mit:  Jnnoab 
incamatione  domini  quadringenlesimo  nono  mauritianus  cum  ualtn- 
tiniano  quadragesimus  sextus  ab  augusto  regnum  adeptus  VII  annis 
tenuit^  schlieszend  mit:  Erat  auiem  idem  aedelbertus  filius  yrminrici^ 
cuius  paler  otio^  cuius  pater  oreic  cognomento  oisc^  a  quo  reges  can- 
tuariorum  solent  oiscingas  cognominare^  cuius  pater  hengest^  qui  cum 
filio  suo  oisc  inuitalus  a  uartigerno  britanniam  primus  intrauit  ui 
supra  retulimus.  daran  schlieszt  sich  fol.  83^  das  leben  des  heillgeo 
Eduard:  Incipit  prologus  in  uitam  Set  Regis  Edwardi  ad  gloriosum 


*)  über  die  eigentümliche  fassong  des  G.  M.  in  unserem  codex,  wo- 
nach die  Widmung  nicht  an  den  grafen  Robert  von  Gloacester,  sondern 
an  könig  Stephan  gerichtet  ist,  vgl.  F.  Madden  Hhe  historia  Britonnm 
of  Geoffrey  of  Monmonth'  in  den  abhandlnngen  der  brittischen  archSo- 
^.  gesellschaft  von  1862. 


H.  Hagen :  eine  antike  komödie  in  distichischer  nachbildung.     713; 

Regem  iuniorem  Ifenricum;  fol.  84*:  Explicit  prologus.  Incipit  epi- 
stola  Eilreäi  (sie)  abbatis  Rieuallis  (sie)  ad  abbatem  Westmoncaterit 
Laurentium  mit  inhaltsangabe  der  uita  Eduardi  confessoriSy  welche 
f.  85^  beginnt  and  f.  120'  schlieszt  mit  der  Unterschrift:  sunt  et  alia 
plurima  ScT  Edwardi  miracula  qup  non  ^nt  in  hoc  libro  scripta, 
fol.  120^  ist  leer  gelassen;  von  fol.  121*  an  eine  anzahl  kanonischer 
briefe :  Incipiunt  epie  Jrh  lex.  ept  edite  ad  egidium  arch.  Rot. ,  d.  h. 
epistolae  Amulfi  Lexouiensis  episcopi  editae  ad  Aegidium  archidia- 
conum  Rothomagensem;  sie  schlieszen  fol.  184*  mit  einer  epistola  ad 
henricum  abbatem  fiscanni^  folgendermaszen :  Quodsi  quem  fructus 
trahit  exterior^  is^  sicut  ait  sapiens  ille^  non  potest  nisi  similem  materie 
sperare  sententiam^  quoniam  fortuitis  intentus  non  nisi  fortuitos  expe- 
rieiur  euentus. 

Dann  folgen  fol.  184* — 188^  ohne  besondere  abteilung  vom  vor- 
angehenden  gedichte,  in  distichenform  12  titel: 
I  de  natiuitate  domini^  32  verse: 

Semper  ab  eterno  nascens  ex  tempore  ttascii 

Sustinet  humana  conditione  deus  usw. 
n  Ad  Henricum  Wintonem  episcopum^  20  verse: 

Quod  per  multipUces  dispensat  gratia  forma , 

Hoc  in  te  totum  contulit  illa  simul  usw. 
III  De  induatione  (lies  innouatione)  uemali^  40  verse: 

Quicquid  hiemps  tanquam  ueteri  deforme  senecta 

Absque  decore  diu  fecerat  esse  suo. 

Ter  nouat  atque  nouo  compubescentia  flore 

Imperat  ad  teneros  cuncta  redire  dies  usw. 
IUI  De  alterna  temporis  successione,  20  verse: 

Tempora  circuitu  ueteri  reuoluta  uicissim 

Effectus  uariant  restituuntque  suos. 

Mater  hyemps  patris  autumpni  semina  seruatj 

Vere  nouo  stabili  restituenda  fide  usw. 

V  Item  idem  ad  poetam  mendicum  laudem  et  munus  uersibur 
posiulaniem^  16  verse: 

Versus  mendicos  et  musae  pauperis  ausum 
Compositasque  odiy  Caecüiane^  preces  usw. 

VI  Versus  eiusdem  ad  sceuam  de  anu  non  reformanda^  12  verse: 

Sceua  senescentis  dominae  marcere  decorem 
Et  teneros  queritur  consenuisse  dies. 
Ergo  peregrinas  explorat  sedulus  artes 
Et  species  multo  comparat  aere  nouas  usw. 

VII  Item  ad  iuuenem  et  pueUam  affectuosius  se  inuicem  intuentes, 
das  ich  zur  freude  von  alt  und  jung  ganz  hersetzen  will : 

Occurrunt  blando  sibi  lumina  uestra  fauore 
Et  uoto  arrident  intima  corda  pari, 
Alterno  fades  sibi  dant  responsa  rubere 
Et  tener  affectum  prodit  utrinque  pudor. 
5  Mutua  discurrens  ultro  citroque  uoluntas 


714    H.  Hagen:  eine  antike  komödie  in  dlslichischer  nachbüdong. 

Lascivum  mentes  f{o)€du8  inire  faeii. 

Altemis  radiis  oculorum  flamma  refidget 

Perplexu$que  oculos  f{o)eder£U  iniuUus, 

Ips{a)e  anim{ä)e  proprio  quasi  permuiasse  mdeniur 
10  Sedes  inque  nouis  degere  eorporibus. 

Complexus  tacitos  animorum  gratia  nectU 

Corporeisque  parat  nexihus  auspidum  [auspicuwn  cod). 

Procedet  feUx  dupUcaio  eopula  nexu 

Concurrentque  suis  corpara  spiriiibus. 
15   Viilis  opiatos  dabit  expectatio  fructus 

Et  l{a)etos  parient  anxia  uota  dies. 
VIII  Jtem  ad  iasciuos  sodales^  24  verse: 

Mens  mea  uirtutum  studiis  a  tempore  primo 

InstiUt^  infames  docta  cauere  uias  usw. 
Villi  Epitaphium  regis  henrici  primi^  12  verse: 

Henrid^  cuius  eelehrat  uox  pubUea  namen^ 

ffoc*pro  parte  iacent  membra  sepulta  loco  usw. 

X  Quomodo  pauperi  uel  diuiti  Sit  donandum^  20  verse: 

Res  Simplex  tripiici  uicio  dampnata  datoris 
Expressit  mentem  rupta  pusilla  uetus  usw. 

XI  Epitaphium  matildis  imperairicis^  16  verse: 

Regia  progenies  stirps  regia  C{a)esaris  uxor 
Hie  est  magna  breui  clausa  Matilda  loco  usw. 

XII  Versus  landrid  de  anschitillo  (sie) ,  10  verse : 

Porrum  poriaui  monacho^  quem  semper  amaui^ 
De  Constantino^  porrum  comedit  sine  uino  usw. 
Den  schlusz  der  bandschrift  machen  f.  188^  bis  zu  ende  episcopai- 
briefe  des  Herveus  und  anderer. 


Wir  beginnen  mit  einer  inhallsangabe  des  vorliegenden  gedichls. 

Eine  kupplerin  namens  Baucis  wendet  alle  möglichen  mittel  und 
kfinste  an,  um  ihre  dirne  Glycerium  herauszuputzen,  ihren  grossen 
muud  macht  sie  kleiner,  das  breite  gesteht  wird  ins  ovale  gezogen,  die 
ganze  gestalt  neugeformt,  die  stirn  gewölbt  und  die  locken  in  üppiger 
fülle  um  das  baupt  gegossen,  auf  ihr  machtworl  —  denn  sie  ist  zauberin 
des  besten  stils,  wie  aus  dem  ende  des  gedichls  ersichtlich  —  stralt  ihr 
nacken  in  blendender  weisze,  die  breiten  plumpen  schultern  werden  ins 
schmale  zusammengerQckt,  die  finger  erhalten  eine  aristokratische  länge 
und  die  gewaltigen  bände  werden  niedlich  verkürzt;  der  allzugroszen 
schmflchtigkeit  der  arme  wird  mit  der  na'del  (d.  h.  wol  durch  wuIste  und 
polster)  zurecht  geholfen;  der  gürtel,  fesler  zusammengeschnürt,  drdngt 
den  Unterleib  zurück  —  schlieszlich  wird  dieses  solchermaszen  vervoU- 
komnete  wesen  von  seiner  Schöpferin  im  gebrauch  aller  dieser  reize  unter- 
wiesen, wer  denkt  bei  dieser  Schilderung  nicht  an  die  bekannte  reizende 
stelle  in  Alexis  Isoslasion  (Aleineke  com.  graec.  III  s.  422  f.)  und  die  dort 
aufgezählten  medicamina  faciei,  von  denen  die  kupplerinnen  zu  sagen 


'  H.  Hagen:  eine  anlike  komödie  in  distichischer  nacbbildung.     715 

aaf  gewinn  ist  allererstens  und  der  nächsten  plUndernng 
stets  ihr  sinn  gerichtet,  alles  andre  ist  ja  nebensachM 
schmieden  gegen  alle  ranke!    geht  es  ihnen  einmal  gut, 
werben  rasch  sie  neue  dlrnen,  unerfahren  in  der  kunst; 
umgebildet  werden  schnell  sie,  dasz  von  ihrem  wesen  nichts 
und  auch  nicht  von  ihrem  aussehn  irgend  etwas  gleich  sich 

bleibt, 
ist  sie  klein,  da  wird  in  eile  unter  die  schuh  genagelt  kork; 
ist  sie  lang,  dann  macht  man  ihr  die  sohlen  ganz  verschwin- 
dend dünn, 
musz  dazu  den  köpf  ein  wenig  seitwärts  neigen  der  Schulter  zu: 
das  verringert  dann  die  länge,    wenn  sie  keine  hfiften  hat, 
stopft  man  schnell  ihr  polster  unter,  so  dasz  alle  die  sie  sehn 
die  pompöse  tallle  rühmen,    ist  wie  ein  bret  die  büste  glatt, 
gibts   dafür   bewegliche  busen,    wie  man  sie  auf  der  bühne 

braucht, 
wenn  sie  die  sich  überschnallen,  treiben  wie  mit  Stangen  sie 
mit  denselben  sonder  müh*  den  allzustarken  leib  zurück, 
hat  die  fünfte  rothe  haare,  färbt  man  sie  mit  tusch  sogleich; 
ist  der  sechsten  teint  zu  schwärzlich ,  schnell  ist  bleiweisz  bei 

der  band; 
allzubläszlich  ist  die  nächste,  knabenkraut  reibt  man  ihr  ein. 
hat  sie  hübsche  runde  formen,  werden  sie  gleich  nackt  gezeig^. 
sind  die  zahne  schöngebildet,  musz  sie  lachen  wider  will, 
nur  damit  die  gaste  sehen,  welch  charmant  gebisz  sie  schmückt, 
wenn  sie  aber  nicht  will  lachen,  musz  sie  den  ganzen  lieben  tag 
drinnen  bleiben  und  man  steckt  ihrzwischen  die  zahne  myrrenbolz : 
grinsen  musz  sie  mit  der  zeit  dann,  mag  sie  wollen  oder  nicht. 

Die  fürsorgliche  kupplerin  macht  sich  nun  auf  den  weg,  um  lieb- 
liaber  für  ihren  augapfel  zu  fangen,  ailes  verspricht  sie  den  jungen 
ieuten,  und  das  gebotene  ist  ja  nicht  gering:  stammt  Glycerium  doch 
von  Zeus  geblQt  selber  ab.  um  aber  in  ihrem  betrug  nicht  entlarvt  zu 
werden  —  denn  sie  hat  nach  verschiedenen  selten  hin  bereits  die  prima 
nox  versagt  —  musz  Glycerium  unter  verschiedenen  namen  auftreten, 
bald  als  Glycerium,  bald  als  Philumena,  und  richtig,  die  dadurch  ge- 
köderten Jünglinge  reiszen  sich  um  die  doppelliebhaberin.  bei  einer  neuen 
ausfahrt  begegnet  nun  Baucis  dem  kriegsmann  Thraso,  der  bekann- 
ten neuattischen  komödienfigur ,  dem  antiken  vorbild  des  Falstaff  Messen 
rühm  der  trunk  und  dessen  gott  der  bauch  und  dessen  stete  begleiierin 
Venus  selber',  nicht  schwer  hält  es  den  zu  fangen;  aber  damit  ihm  auch 
gehörig  geld  abgepresst  werde,  stellt  sich  Baucis  auf  einmal  gar  spröde, 
thut  so  als  woHe  sie  fortgehen,  weisz  dann,  nachdem  Thraso  angstvoll 
ihren  arm  umklammert,  gar  viel  von  der  zarten  natur  des  mddchens  zu 
erzählen ,  und  wie  sie  gar  fein  müsse  behandelt  werden  usw.  natürlich 
entflammt  das  den  sinn  unseres  kriegshelden  noch  mehr;  allmählich  von 
seinem  maszlosen  erstaunen  zur  besinnung  zurückgekehrt  greift  er  mit 
schnellem  entschlusz,  als  ob  es  ihn  bald  gereuen  könnte,  in  den  geld- 
bcutel  und  reicht  der  alten  ein  paar  goldslücke  hin.  diese  scheint  be- 
friedigt: beide  gehen  weiter,  über  das  forum  hin.  da  werden  denn  aller- 
hand leckere  speisen  eingekauft:  das  geld  dazu  wird  natürlich  vom 
Soldaten  geliehen.  Mas  soll  Glycerium  erfahren'  meint  die  alte,  Mas 
wird  sie  dir  ganz  zu  willen  machen.'    um  mittagszeit  erklärt  plötzlich 


716     H.  Hagen:  eine  antike  koroodie  in  dislicbiscber  nacklrtldiuig. 

die  alte,  um  losxalLomineu,  tiefen  schmerz  heuchelnd,  sie  habe  ^eines 
freund'  versprochen  bei  ihm  vorbeizukommen ;  doch  hUfl  ihr  das  nichu. 
denn  Thraso  weisz  so  bestimmt  wie  irgend  etwas,  dasz  dieser  freani 
nicht  zu  hause  ist;  hat  er  ihn  doch  gerade  vorhin  noch  über  das  forac 
auf  seine  landgüter  gehen  sehen,  aber  schnell  versetzt  ihm  Baacb  ts< 
mit  dem  Sprichwort:  ^ja,  leute  die  als  buhen  nichts  gelernt  hahen,  pfl^^ 
grosze  Propheten  zu  werden',  eine  äuszening  welche  den  Thraso.  de: 
schnell  den  üblen  eindruck  seiner  dummheit  zu  verwischen  bemfibt  ir. 
zu  einer  neuen  geldspende  veranlaszL  kaum  hat  Baucis  diese  empfang 
als  sie  plötzlich  in  einer  seilengasse  spurlos  verschwindet,  sprachlos  ««r 
ärger  bleibt  Tbraso  zurück ;  mit  den  grösten ,  bittersten  Verwünschung 
und  anklagen  gegen  das  gesamte  weibergeschle^ht  musz  er  sich  eM\:L 
bequemen  den  heimweg  anzutreten. 

Teilnehmend  tritt  ihm  Davus  in  den  weg;  natürlich,  meint  er,  habe 
ihn  Baucis  betrogen :  dereu  charakter  sei  ja  stadtbekannt,  der  macht  e 
ja  herzeusfreude ,  wenn  sie  einem  schaden  kann ,  und  nichts  schmerzt  se 
so  sehr  als  wenn  ihr  das  nicht  gelingen  will,  schlleszlich  verspncbt  tf 
ihm  helfen  zu  wollen.  Thraso  kehrt  bekümmert  heim:  seine  sklaveo. 
die  er  aufs  härteste  ausschimpft  und  aufs  grausamste  bestraft  —  deu 
heute  haben  sie  ihm  wieder  einmal  gar  nichts  recht  gemacht  —  mussa 
den  ärger  des  herrn  ausbaden ;  mit  einer  wahren  befriedigung  und  inst 
schwingt  er  über  ihnen  seine  peitsche,  doch  lange  hält  er  es  allein  nichi 
aus:  um  drei  uhr  (115  circa  nonam)  läszt  er  Davus  zu  sich  kommen^  <kr 
ihm  verspricht  Baucis  daheim  aufsuchen  zu  wollen,  gesagt  gethas. 
Baucis  wird  gehörig  ausgeschimpft,  und  es  kommt,  da  diese  es  iluv^ 
seits  an  ehrenrührigen  repliken  auch  nicht  fehlen  läszt,  endlich  zu  haad- 
greulichen  thätlichkeiten.  auf  ihr  jammervolles  Zetergeschrei  stürzt  die 
ahnungslos  in  ihrer  kammer  sitzende  Glycerium  herein  und  stiflet  end- 
lich frieden,  manierlich  geworden  richtet  nun  Davus  die  auftrage  seine« 
herrn  aus;  Baucis  nimt  raison  an,  und  beide  scheiden  in  der  grösteL 
entente  cordiale.  Thraso  solle  nur  in  der  folgenden  nacht  komnien  ^  da 
würden  ihm  seine  wünsche  erfüllt  werden. 

Das  alles  hat  aber  ziemlich  lange  zeit  in  anspruch  genommen ,  und 
Davus  fürchtet  den  zorn  seines  sanguinischen  und  gerade  jetzt  in  seinen 
abnormen  seelenzusland  doppelt  hitzköpfigen  herrn  über  sein  unmotivier- 
tes langes  ausbleiben;  doch  wird  derselbe  bald  versöhnt  dadurch ,  dasz 
Davus  der  Baucis  antwort  auf  das  schönste  und  gewinnendste  ausmalt, 
beide  machen  sich  beim  beginn  der  nacht  auf  den  weg ;  fürsorglich  steckt 
Davus  noch  brod  zu  sich,  um  die  kläflenden  hunde  zum  schweigen  zu 
bringen,  in  der  nähe  des  hauses  angelangt  erbietet  er  sich  zur  recognos- 
cierung  des  terrains  voranzugehen  und  etwaige  lästige  besuche  aus  dem 
haus  zu  vertreiben :  unterdes  solle  Thraso  sich  in  einem  graben  verbergen. 
Davus  geht  also  hinein ;  der  herr  thut ,  was  ihn  der  knecht  geheiszen. 

Aber  beide  bat  Birria  erblickt,  ein  abgefeimter  bursche  und  erz- 

feind  des  Davus ;  der  schleicht  ihnen  behend  nach ,  und  kaum  hat  er  ge- 

-  Davus  sich  entfernt  hat,  so  sucht  er  seine  räche  an  Thraso 

doch  wie  soll  das  geschehen?    zuerst  will  er  ihn  steinigen. 


H.  Hagen:  eine  antike  komödie  in  distichischer  nachbildnng.     717 

schon  wiegt  er  die  schwere  der  steine  in  der  hand  ab ;  der  eine  ist  zu 
schwer  und  könnte  den  Thraso  zu  tode  treffen,   nein,  das  geht  nicht:  denn 
ein  mörder  zu  sein  ist  doch  zu  arg.   der  andere  ist  zu  leicht,  der  thut 
ihm  gar  nichts ,  und  damit  ist  auch  nicht  geholfen,    plötzlich  durchzuckt 
ihm  ein  geistreicher  gedanke  sein  nichtsnutziges  gebirn.   ^der  schimpf 
wird  genügen'  (240).    gesagt  gethan:  Thraso  musz  es  ober  sich  ergehen 
lassen;  verwundert  steckt  er  freilich  sein  antlitz  zur  höhle  hinaus:  noch 
eben  war  es  ja  sternenheller  himmel  und  jetzt  soll  es  schon  regnen? 
aber  das  musz  es  doch  sein;  schnell  wendet  er  in  seiner  geistesgegen- 
wart  häuslich  sein  kleid  um,  damit  es  nicht  auf  der  rechten  seite  nasz 
werde,   da  kehrt  Oavus  zurück:  er  kommt  gerade  noch  zu  rechter  zeit, 
um  zu  sehen  wie  Birria  nach  vollbrachter  that  sich  zurückzieht,   pfui, 
was  hat  der  gethan !   schnell  eilt  er  ihm  nach ,  Thraso  schreit  aus  leibes- 
kräfien,  er  solle  ihn  nur  tüchtig  abwalken,  was  denn  auch  ganz  gehörig 
geschieht,  so  dasz  Birria  dringend  wünscht  daheim  geblieben  zu  sein, 
darauf  begibt  sich  Davus  wieder  zu  seinem  herrn:  dort  sei  alles  bereit 
ilin  zu  empfangen,   da  ISszt  sich  Thraso  in  seiner  Sehnsucht  nicht  mehr 
halten;  drinnen  angelangt  werden  sie  höflichst  aufgenommen,  und  Baucis 
credenzt  ihnen  in  eigner  person  den  willkommenstrunk.    Glycerium  tritt 
ebenfalls  bald  zur  thür  herein,  Thraso  erhebt  sich  behend,  küszt  sie, 
umarmt  sie  und  schenkt  ihr  allerlei  schöne  dinge,  die  ein  mädchenherz 
gewinnen  sollen,    aber  das  scheint  gar  nichts  zu  helfen.    Glyceriup)  thut 
gar  zimpferlich;  sie  weisz  jetzt  gar  nicht,  was  liebe  ist;  besser  wSre  es, 
meint  sie,  für  den  Soldaten,  drauszen  vor  der  schwelle  der  liebe  nachzu- 
gehen; hier  in  dieses  heiligtum  solle  er  nicht  eindringen,    da  entsinkt 
dem  armen  FalstafT  der  mut :  ein  zweiter  bittgang  schlägt  ebenfalls  fehl. 
inuli£  greift  nun  in  diesem  kritischen  moment  die  mutler  in  die  geschichte 
ein :  Glycerium  solle  Vernunft  annehmen,    das  sei  ja  barbarisch,  eine  quäl 
wie  sie  Tantalus  ausgestanden,  für  den  liebenden  nicht  erhört  zu  werden, 
freudig  über  diese  unerwartete  hülfe  greift  Thraso  wieder  in  seine  börse. 
die  Jungfrau  scheint  allmählich  sich  besiegen  zu  lassen.    Davus  bei  seite 
stehend  lacht  sich  unterdessen  ins  fäustchen:  hat  er  doch  alles  das  so 
hübsch  zu  wege  gebracht  und  um  einen  erklecklichen  gewinnanteil  mit 
der  alten  accordiert.    in  der  kommenden  nacht  soll  nun  dem  Soldaten 
sein  wünsch  gewährt  werden ;  bis  dahin  nemlich  musz  Baucis  noch  frist 
haben ,  um  die  jungfrauschaft  der  Glycerium  wieder  herzustellen,   dafür 
bedarf  es  freilich  gar  merkwürdiger,  andern  menschenkindern  unbekann- 
ter und  schwer  zu  beschaffender  mittel :  kräuter,  salben,  flflssigkeiten, 
arzneien ,  Zauberformeln  müssen  da  herbei geschaflt  werden ,  ein  weiszer 
rabe ,  rauch,  drei  windeshauche,  die  äugen  eines  blinden,  eine  eule,  eines 
kahlköpfigen  haare  und  eines  eunuchen  mannbarkeit,  eines  tauben  ge- 
hör ,  eines  stummen  stimme ,  und  andere  dinge ,  die  schlieszlich  noch  mit 
Kerberosgift  (vt'rus  Cerbereum)  zusammengemischt  werden,   das  alles  hat 
denn    auch  eine  entsprechende,  gar  wunderbare  Wirkung  und  den  ge- 
>vänschten  erfolg,    in  der  nächsteh  nacht  erscheint  Thraso,  die  hochzeit 
geht  vor  sich,  und  freund  kriegsmann  geht,  nachdem  er  sich  seiner  beute 
bemächtigt,  froh  wieder  nach  hause  zurück. 


718     H.  Hagen :  eine  anlike  komödie  in  disücbischer  nachbildung. 

BAVCIS  GLICERIVM  TKASO  DAWS  BIBRIA. 

Baucis  amica  sibi,  spe  Incri  sednia  nntrix 

Giicerium  repelit,  aptal,  honorat,  aiit; 

Os  artat,  faciem  ducit,  formam  noual  arle, 

Dat  fronlem,  crines  luxuriare  facit 

Coila  nilere  iubet,  humeros  constringit  in  arlum,  5 

Producil  digitos  abbreutatque  manus. 

Bracbia  formal  acu,  zona  subtiliat  aiuum. 

Cum  quibus  et  quid  agat,  edocet  atque  modum. 

Uque  reditque  uias,  scrulalur,  quaerit  amantes: 

His  spem  dat  uerbis ,  spem  sibi ,  fraude  sua.  1 

Admonet,  inuitat,  rogat  ul  sua  lumina  uisant, 

Spondet  amicitias,  gaudia,  uina,  cibos, 

Virginis  alloquium,  contactus,  oscula,  furtum. 

Narrat  progeniera  uirginis  esse  louem. 

Haue  probat,  hanc  cuinis  spondel,  dat  dantibus  buius  15 

Primos  concubitus  uirgineumque  decus: 

Huic  primos,  iili  primos,  quid  plura  referrem? 

Tot  spondet  primos,  quol  sibi  dona  femnt. 
Baaeit  Ne  sua  fraus  pereat ,  nymphae  dat  fictile  nomen : 

Nunc  fit  GlycerJum,  nunc  Philomena  simul.  i- 

Cum  libuit,  dal  Giycerium;  cum  uull,  Pbiiomenam. 

Nominis  haec  nouitas  munera  multiplicat. 

Certat  enim  iuuenum  coelus,  quis  qua  poliatur: 

Giicerium  petit  hie;  huic  Philomena  placet. 

Quam  petit,  hanc  non  uult:  tantum  uiget  error  amore,  s: 

In  tantum  fallit  numinis  umbra  uiros. 
Baucis  Dum  uerbis  iuuenes  pascit,  dum  spem  dal  inanem, 

Limina  scrutando  dum  sibi  lucra  parat, 

Obuius  exit  ei  Traso,  cui  gloria  potus, 

Cui  venter  deus  est ,  cui  Venus  apla  comes.  x 

Prospicil  hunc  Baucis;  gaudens  haec  murmura  rodit: 

'Hunc  Baucis  fallet,  si  sapit,  arte  sua.' 

Accedens  ait  haec:  *0  miles,  Arooris  aiumne, 

Miles,  Amoris  bonos,  tu  mihi  causa  uiac. 

Quid  sibi  uult  tua  mens?  quo  lendis?  quos  alis  ignes?  & 

Virgine  si  sit  opus,  est  mihi  uirgo  domi. 

Virgo,  sed  uirga,  sed  flos,  sed  fruclus  amoris, 

Lumen  uirgineum ,  forma  decore  nitens. 
Tnso         Subridens  Traso  gaudet,  rumoribus  urit, 

Vix  lempus  differt,  quin  sua  tecta  petal.  ^ 

Anxius  ul  fiat,  ut  crescal  flamma  calenlis,' 

Se  uertit  Baucis  assimulalque  gradum. 


TUubis:  Ba°  eis  ||  12  amicicias  |I  13  factum  ||  14  progenie    Q  19  nimphe  • 
20  philomena,  sie  ||  23  cetus  |l  33  alompne  ||  34  Amoris]  honoris  |  nie  ]]  40 
^*fert  |]  42  assimulatqne  graaum]   id  est  simidat  se  abire  uelle;  an  potius 
>leratqiie  gradam?|| 


H.  Hagen :  eine  antike  komddie  in  dislichischer  nachbildang.     719 


Detinel  hanc  Traso,  suspiria  ducit  et  inquit: 

^0  Baucis,  liceat  uisere,  quid  sit  ea.' 
45  Baucis  ad  haec:  ^Dormit  nee  eam  licet  euigilare. 

Est  mollis,  möllern  somnia  longa  fouent. 

Si  nimium  uigilet ,  aegrotat :  si  male  stertit , 

Languet;  si  friget,  febricitare  timet; 

Si  nimis  inuita  ieiunet,  neglegit  escas; 
50  Ni  des ,  cum  uolult ,  pocula,  spernit  ea.' 

Ritu  femineo  leril  omnia  dente  auperbo, 

Femina  laeta  malls ,  femina  fraude  nocens. 

Trasonem  nouus  urit  amor,  noua  poena  cohercet; 

Cogitat  et  Venerem,  dum  meditatur,  alit. 
55  Stat  rationis  inops,  premit  hunc  Venus  immoderata, 

Qui  solet  esse  modus ,  uelle  carere  modo. 

Ad  meutern  rediit  rupitque  silenlia  tandem , 

Ingeminat  gemitus  exiterando  preces. 

Arreptum  dlgitis  aunim  dat  rounera  Bauci. 
60  Accipit  haec  Baucis  laeta  dolore  uiri. 

Haec  redit,  hie  sequitur  et  amoris  inaestuat  igne. 

Fit  uia  longa  sibi ,  quaelibet  hora  duae. 

Per  fora  transit  anus  escasque  uidens  emit  iilas 

Et  parcendo  suo  mutuat  aes  ab  eo. 
65  Traso  dat  aera  libens ,  anus  infert :  'Haec  seiet  illa 

Et  facilis  6et  bis  tibi  Giicerium.' 

Progreditur  Baucis  ^  escas  uidet  et  probat  illas: 

Quae  probat,  haec  emit  hie,  empta  ministrat  ei. 

Orat  ut  ad  nympham  gerat  haec,  ut  eis  potiatur, 
70   Et  noua  promittit,  si  sibi  displiceanl. 

lamque  die  medio  Baucis  simulata  dolorem 

Se  conuertit  ad  hunc  talibus  orsa  loqui : 

*Vni  spondebara  me  praeter  eum  redituram. 

Traso,  quid  laudas?  interea  quid  ages?' 
75   'Interea  moriar,  quoniam  par  haec  mora  morti. 

Bauci,  progredere,  fac  adeamus  eam. 

Nempe  dorn!  non  est,  quem  quaeris:  uisitat  arua, 

Et  uidi,  memini,  praeteriitque  forum.' 

Baucis  ad.  haec:  'Noui  nee  me  prouerbia  fallunt: 
80   «Infans  qui  piger  est,  esse  propheta  solet.»' 

Munera  dans  Traso  rogat,  ut  non  flectat  ad  illum. 

Munere  suscepto  gaudet  agitque  gradum. 

Nee  mora :  Trasonis  oculis  erepla  latebat. 

Stat  Traso,  miratur,  paenituitque  dati. 


Anctor 


Bauci» 


Traso 


Baueit 


46  sompnia  Q  47  egrotat  |I  48  iuper  ai  friget  scriptum  est  inter  üne€m: 
uel  nijniam  stertit ,  auam  glossam  patet  ad  v.  47  si  male  stertit  pertinere  | 
49  negliffit  ||  52  leta  [|  53  cohercet,  sie  \\  56  Qua  ||  60  hec  |  leta  Q  61  Hec 
ine8taatl|62  qnelibet  hora  dae  ||  64  eBabeo|j65  era  ||  68  Qaod  probat 
84  penituitque  dari  [| 


720    fl.  Hages:  eine  antike  komödie  in 


Tra«o 


Daaas 


Traso 


Dauuf 


Gliccriam 


Stans  dubitat,  quid  agat;  nesciu  si  progredialiir; 

Ignoral  qua  sil,  qua  sua  tecta  pelaL 

ContrisUodo  redit  landemque  silentia  rumpens 

Haec  ait,  haec  uersat,  haec  meditando  gemit: 

'Femina  flamma  nocens,  dolor  intimus,  lioslis 

Femina  summa  mali ,  femina  digna  mori ; 

Femina  fetoris  dal  semina,  femina  mortem; 

Femina,  quid  feci?  me  mihi  subripuit 

0  merelrixt  monslri  facie«  et  imago  Chimaerae! 

Cur  me  decepit  fraus  tna  quoue  modo?'  — 

Dum  pcragrans  querilur,  stans  quadam  Danas  in  aede 

Haec  audit,  stupet  liis,  obuius  exit  ei. 

Vultu  sub  tristi  quaerit,  quae  causa  querelae. 

Traso  rem  recitat  et  recitando  gemit. 

Dauus  ad  haec:  'Quid  ais?  quo  le  furor  ultimus  egil? 

Num  Baucim  sequeris?  num  comitaris  eam? 

Transistine  fora  secom?  loculosne  tulisli? 

Admiror  saue,  ni  uacuauit  eos. 

Baucis  sola  nocens  damnis  laetatur  amantis; 

8i  noceat,  gaudel;  si  ncquil,  inde  dolet. 

Haec  dolor  est,  haec  fraus  et  origo  fraudts  aroantum, 

Haec  haec,  ut  credo,  fallere  nata  fuit.' 

Solatur  dominum  tandem  spondens  medicinam. 

Dat  sibi  se  medicum  consiliique  ducem. 

Traso  domum  rediens  compensat  opus  famulomm: 

Haec  probat,  haec  culpat,  haec  male  gesta  refert. 

Hos  scutica  caedil,  hus  punil  poena  flabclli, 

Verberal  hos  uirgis,  hos  trahit  unca  manus. 

Damna  luunt  domini  famulorum  sedula  turba, 

Et  sie  alterius  crimine  punit  eos. 

lam  circa  nonam  Dauum  tristis  uocat  ad  se; 
Consulit  hunc,  quaerit,  quam  sibi  praeslet  opero. 
Dauus  subridens:  ^Et  adhuc,  miser,  urerjs  igne? 
Ne  sis  ridiculus ,  desine  damna  queri. 
Si  tarnen  haec  pfaceant,  Baucim  quaeram  studiose, 
Aut,  ut  agam  quae  uis,  huius  adibo  domum.' 
Approbat  hoc  miles:  surgit  Dauus,  petit  illam, 
Ingrediensque  domum  prospicit  hanc  et  ait: 
^Baucis  si  meruit,  saluetur,  et  haec  sua  uirgo.' 
Vlraque  respondet;  haec  tarnen  addit  anus: 


IL* 


86  quo  I  quo  ||  88  Hcc  ait  |  hec  meditando  ||  93  chimere  ||  95  peragrans;; 
malim  pergens  |  edc  ||  96  Hec   audit  \\  97  qaerit  qua  causa  qaerele  |1    !<>• 
baucis  sequeris  {|  102  Admiror  etc.]  an  admirer  sane,  ni  uacaarit  eos  —  * 
"^^  dampnis  letatur  ||  106  Haec  hec  ||  110  male]  mage,  quod  reieci^  ^viei 

'3,  J14  expresMÜ  uerhit  mies  dicitur  ob  damna  sua  in  seruos  saemisse   • 
edit  I  pena  ||   113  Dampna  ||  118  Neu  |  dampna  ||  119  qaer«m 

IC  " 


H.  Hagen :  eine  anlike  komödie  in  disticliisclier  nachbildung.    721 


125  *Quid  male  promerui?  quid  commisi  tibi,  Daue? 

Cur,  ut  saepe  solet,  lingua  canina  sonat?' 

Dauus:  ^Lingua  mihi  dulcis,  UM  plena  uenenis, 

Mens,  ut  lingua,  tibi  perfida,  uera  mihi. 

Tu  dolus  es  uel  origo  doli,  scelus  aut  sceleris  fons, 
ISO  Suinma  mall  nobis  omnibus,  immo  malum. 

Cur  dominum  uitamque  meam  tua  fraus  spoliauil? 

Di  mihi  dent  omen,  crimina  morte  lues/ 

Surgil  anus  subito  formaque  minax  tremit  ira; 

Edidit  horrificis  haec  sua  uerba  sonis: 
185  ^Sperabam  mores  aetate  tua  uariari ; 

Sed  mores  pueri  sunt  tibi,  forma  senis. 

Aetati  mores ,  non  moribus  imperat  aetas. 

0  miser!  o  furli  filius,  immo  paterf 

Dauus:  *Quid  dicis?  oideor  für,  pessima,  faliax? 
140  Sic  solet  et  didicit  sie  tua  lingua  loqui. 

Annos  quingentos  uixisti  nee  sine  rugis ; 

Os  tibi  dente  caret:  falsa  remiscet  adhuc 

Tu  senii  faex  es :  florent  iuuenis  quoque  mores , 

Nee  mihi  lex  uitae,  dum  iuuenesco,  datur/ 
145  Baucis:  *Adhuc  puer  es,  credo,  quod  sis  puer  actu; 

Viuendi  uitium  te  negat  esse  senem. 

Verbero  furtiue,  ui  decipis,  eripis,  aufers, 

Nee  nisi  committas  crimina,  laetus  eris. 

Pureifer,  obmutis?  caueas:  tibi  furca  paralur. 
150  Hercule  sustollam  brachia,  si  sit  opus.' 

Dauus :  ^Furta  mihi ,  meretrix  annosa ,  quod  inquis , 

Quae  meruit  tua  fraus,  obicis  illa  mihi. 

Non  herbis ,  ut  tu ,  segetes  subuertere  noui , 

Vberiora  tibi  carmine  rura  dare ; 
155  Non  pueris  orbare  patres,  matri  dare  partum; 

Nuper  enim  uidi  lecta  uenena  tibi.' 

Substitit  hie  Baucis ;  uox  est  compressa  dolore , 

Ingemuit;  tandem  talibus  orsa  loqui: 

^Non  utinam  segetes,  sed  te  peruertere  scirem! 
160  Per  superos ,  fieret  mors  tibi  dura  satis. 

Et  discam  forsan  et  sentiet  haec  tua  lingua. 

Non  inpune  feres  haec  tua  dicta  latro.' 

Prosiliens  Dauus  alt:  *Vnde  minae,  furiosa? 

Quod  mihi  promittis,  hoc  prius  ipsa  lues. 
165  Impingam  dextram  malae  laeuamque  capillis.' 

Hie  ferit,  haec  clamat:  uerberat  hie,  flet  ea. 


Bwcb 
Baucis 
DftUttt 


B»ttcis 


Dauos 


Baacis 


Oaaus 


Banria 


Danas 


Daaut 


126  sepe  ||  128  et  |  michi  ||  129  ael]  et  ||  132  Dil  ||  135  etate  ||  137 
Etati  I  etas  ||  141  sine]  nisi  codea  \  mgis]  nuffis  eodese^  sed  ef,  v.  seq. 
an  nisi  nngaK  ?  ||  143  fex  |  ianenisque  mores  |f  144  nite  1  146  nicium 
147  Verbero]  Yerbo  codex  (|  148  letos  ||  152  Qoe  ||  162  hec  ||  168  mlDe 
164  hoc]  sie  codex  ||  165  male  leuamqne  || 

JahrbOdMr  für  dats.  pkiloL  1868  hft  10.  47 


722    EL  Sagen:  eine  antike  komödie  in  disüduseher  nachbüdoiig. 


Gliceriam 


Daaas 

Btads 


Dsaus 


ß.iucis 


DauDs 


Traso 


Daaus 


Traso 
Dauus 


Daous 


Ictibas  liaec  aeqnal  uoces,  hie  aocibas  ictus: 
Ni  taceat,  spondel  se  geminare  minas. 

Gliceriam  thalamia  consederat  inscia  lacli. 
Aadito  slrepitu  pressa  slupore  saüL 
Egrediens  uidet  hunc:  dolet  liis  podilmnda  parumper^y 
Arguit  huDc  sceleris  mulliplicalqae  minas. 
Hac  mediante  tarnen  dant  oscula  mutoa  tandem : 
Concordes  fiunt  hac  duce  Baucis  et  hie. 
Exoritur  sermo,  fit  iustitlae  «onus  ingens, 
Ira  creait  amor,  dissicione  bonom. 

Haec  item  Dauus  memorat  praecepta  Trasonis , 
BaucÜD  secrelo  coDuenit  alloquio. 
Narrat  Trasonis  ignes,  quo  ferueat  aeslu, 
Quam  cupiat,  quam  sil  immoderatus  amaus. 
Addit,  quas  poenas  patitur,  quae  cura  cor  urat. 
Subridens  Baucis  non  negat  auxilium. 
Admonet,  ut  uenial  ad  se  Traso  nocte  sequenti: 
'flanc  spectare  dabit  coiloquioque  frui/ 

Dauus  ouans  remeat ,  dat  ei  tarnen  haec  raora  curam  ; 
Nam  domini  metuil  uerbera,  damna  fugae. 
Dum  redit,  haec  loquitur,  his  se  solatur  eundo; 
Prouidus  hac  fraude  consulit  ante  sibi : 
^Quid  limeo?  Dauus  dicor  nil  dans  nisi  uana: 
Efficiar  Dauus  nee  nisi  uaoa  dabo.' 
Vt  uidet  hunc  Traso,  gaudens  dolet;  accipiens  spem 
Desperat:  talis  est  in  amante  modus. 
Inquit:  *fle,  heus  Dauel  cur  te  tenuit  mora  lauta? 
Perfide,  men  metuis?  furcifer,  acta  lues. 
Diligis  et  procus  es?  sed  quid?  sie  sie  solel  esse, 
Quod  seruus  dominum  moribus  assimilet.' 

Pallescens  Dauus  ueris  falsissima  miscet; 
Narrat,  quid  fecit,  quae  sibi  causa  morae. 
Verum  multiplxcat,  ignota  refert  quasi  uota, 
Protegit  a  poenis  fabula  prompta  reum. 
Spe  Traso  derisus  tandem  Daui  miseretur, 
Dat  ueniam,  laudat  prouida  facta  uiri. 

Noctis  prineipio,  dominum  comitante  ministro, 
Vt  Baucim  repetant,  exit  ulerque  tacens. 
Pert  panem  Dauus,  ut  temperet  ora  latrantum, 
Frustum,  dum  lalrat,  proicit  ante  canem. 
Emensa  iam  paene  via  stat  Dauus  et  inquit: 
^Praeuidi  mirae  callidilatis  opus. 


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167  hee  eqnat  ||  174  Concordesque]  que  semierasum  |  176  iosticie  < 
176  disBitione  ||  177  Hec  item]  an  Huic  itidemf  an  Hinc  etiam  ?  |  179 
estu  1 180  immoderatus]  an  immoderanter?  cf.  v.  272  ||  181  penas  |  184 
dabit]  maUm  dabo  ||  186  dampna  fn^^e  |{  191  grandens  corr.  gaudens  |{  195  sis 
«: :^  gi^j  1  jgg  ^^^  |  ^^^^  ||  200  peuis  )  207  pene  1  208  Preuidi  mire  1 


Q.  Hagen:  eine  antike  komödie  in  distichischer  nacbbildung.    723 

Ne  te  perturbet  lenonum  turba,  uidebo. 
810  Praecedam  solus,  euacuabo  domuzn. 

Siquis  adest,  fagiet  forsan  Oauo  ueniente. 

Hie  Dauus  rex  est,  hie  habet  imperium. 

Tu  fouea  laleas.'  —  Fauit  Traso,  Dauus  abiuil; 

Hinc  latet  expectans ,  quid  rediturus  agaU 
815      Birria  seruorum  faex  pessima  uirquc  malignus  Bima 

Ad  Baucis  tendens  limina  uidit  eos. 

Vt  uideat,  quid  agant,  sequitur  gradiens  taciturne; 

Nouit  enim  Dauam ,  cui  uetua  hostis  erat. 

Vt  uidet  bic  absente  Dauo  dominum  latitantem, 
280  Haec  indignando  saepius  ingeminat: 

^Birria  non  dicor  quasi  uir  derisor  amantum. 

Senietur  proprium  nominis  ergo  mei. 

Deludetur  amans.  Num  hello?  Non:  superaret 

Et  me  deuictum  caederet  ense  suo. 
825  Bellum  miiitis  est:  miles  tamen  esse  solebam, 

Sed  me  depressit  debilitalis  onus. 

Ergo  quid  fiet?  an  stans  procul  hunc  lapidabo? 

Sic  menti  sedit,  sie  nocuisse  placeL' 

Inuentos  sumit  lapides  sumptosque  tenendo 
230  Librat,  quis  grauior  pondere  quisue  minor. 

Dum  manibus  tenet  hos,  dum  saepius  inspicit,  inquit: 

*Hic  nimium  leuis  est;  bic  grauis  immodice. 

Quo  feriam  subito?  si  senserit  hunc,  morietur: 

Illo  si  feriam ,  non  nociiurus  erit. 
835  Birria,  dimittas  ergo,  ne  sis  homicida. 

Peccabis,  per  te  si  morialur  homo. 

Peccabis?  uirtus  hoc  peccato  tibi  cresceL 

Si  morialur ,  erit  gloria  magna  tibi. 

Absque  tamen  damno  noceas,  si  uis  nocuisse. 
240  Permingatur  enim:  sufßcil  iste  pudor.' 

Propositum  peragit,  palitur  Traso;  nescius  huius 
•    Extulit  OS  antro ,  si  plual  experiens. 

Riuus  aquae  saiiens  os  impiet  suspicientis ; 

Expuit  hoc  nee  adhuc  sensit  adesse  dolos. 
245  Admirans  pluuiam,  pallam  ne  deterioret, 

Vertit.   Quid  plura?  luditur  bic  et  ita.  p^^^, 

lam  rediil  Dauus,  blanditur  Baucis  eunti,  baucu 

Spendet  dimidium,  si  sibi  lucra  paret. 

Si  Sit  opus,  rogat  ut  dominum  fallens  noua  fiiigat. 
250  Spe  lucri  Dauus  annuit  illa  libens. 

Extractum  uidet  inguen  adhuc  Dauus  remeando ; 


210  Precedam  g  213  fauet  )  214  Hie  ||  215  fex  ||  219  absente]  maäm 
abeunte  J|  220  Hec  |  sepius  ||  221  nnm  ||  223  Declndetar,  cf,  o.  221  ||  224 
cederet  ||  226  honns  ||  231  sepins  1  239  dampno  || 

47* 


724    H.  Hagen:  eine  antike  koni6(lie  in  distichischer  nachbildong. 


Daaus 
Trago 


Baucig 

Ghceriiun 
Traso 


Exciamat:  'Quid  agis,  Birria,  senie  neqaam? 

Traso,  Traso  miser,  derisit  te  miser  iste. 

Numquam  per  caeli  numina  miles  eras. 

Phil  perminxit  te:  frangamas  crura  latronis.' 
ßirria         Hacc  dicens  sumit  grandia  saxa  manu. 
Danas        Blrda  discedit,  sec^uitur  Dauus  fugientem. 

Praecurrit,  retinet,  uerberat  ob  scelus  hoc. 

Egrediens  antrum  Traso  clamat:  ^Gemiua  uini! 

Ingemina!  meruil:  da  meliora  sibit' 

Fuste  manu  caesus  eflugit  Birria  tandem , 

Tecta  subit:  mallet  nunc  latuisse  domi. 

Ad  dominum  Dauus  remeans  audita  reuelat : 

Auditis  urit  dans  alimenta  malo. 

Baucis  tecta  petit  Traso  festinans  duce  Dauo. 

Vt  uidet  hos,  tacite  gaudia  ducit  anus. 

Accipit  hospitio,  dat  uina,  propinat  utrique. 

Egrediens  thalamis  uirgo  salutat  eos. 

Assurgit  Traso  uenienti ,  suscipit  iliam 

Ore,  manu;  donis  laetus  honorat  eam. 
'     Praetemptans  adilum  uerbis  insistit  amantum. 

Haec  uelut  ignara  dissimulanter  ait : 
(iUceriam    *Sum  rudis  in  Venerem  nee  adhuc  mea  nubilis  aetas ; 

Intemerata  manet  dos  mea  uirginea. 

Non  noui,  quid  amor,^quid  amoris  sentiat  ictum. 

Officium  Veneria  horreo ,  siste  preces. 

Extra  limen  ames ,  tua  spes  hie  fiet  inanis. 

Quaere  peregrinas,  quas  tuus  ardor  agat.' 
Traso  Traso  spe  uacuus  animo  simul  euacuatur 

Dissimulans  hominem:  mortis  imago  sedet. 

lam  uisam  uidisse  pudet,  iam  nollet  amasse. 

Quid  faciel?  dubitat,  an  roget  ulterius. 
Admonuit  reuocare  preces  dos  uirginitalis; 

Plos  formae  negat  hoc  debile  principium. 

Assumens  animi  uires  haec  saepe  uoiutat: 
Traso         *Quid  timeo?  tuta  prima  repulsa  mihi.' 
Giicerium    Eu  iterum  SO  uertit  ad  hanc  adilusqac  retemptat. 
Bauciü        Obstilit  haec  precibus  fallere  cauta  satis. 

Aspiciens  anus  haec  nympham  castigat  et  addit: 

*Quid  Sit  amor,  discas  nee  rudis  esse  uelis. 

Quid  grauius,  si  non  urens  simul  urilur  ignc? 

Nil  grauius.   Quid  mors?  nil  nisi  tale  malum. 

Tanlalus  inter  aquas  et  fruetus  indiget  Ulis: 

Vnda  negat  potum,  poma  retracta  cibos. 


355 


201 


Sfö 


270 


275 


sao 


2S5 


290 


254  cell  n  256  Hec  ||  258  Precurrit  |  259  nim]  fier  codex  1  261  cesns   ' 
262  iacaiBse  n  270  letüs  11  272  Hec  |  dissimulatur  Q  278  etas  1  277  ames] 
amas  codex  ||  278  Qaere  ||  284  forme  ||  285  hec  sepe  |  288  hec  1  289  nim- 
II  291  nrens  aimul]  urentis  || 


Trwo 
.Dmiiw 


Baucw 
Banci« 


H.  Hagen:  eine  antike  komödie  in  dislicliischer  nachbilduog.     725 


295  Sic  amat,  haut  aliter,  qui  semper  amat  nee  amatur. 

Sic  fugitiua  petit ,  sie  eget  inter  opes.' 

Gauisus  Traso  laudat  sua  dicta  frequenter, 

Nummos  largitur,  cetera  spondet  ei. 

Hoc  uiso  Dauus  inquit  secum  procul  aatans: 
soo  *Ha,  bam!  sie  nooi  fallere,  si  sit  opus. 

Emunxi  nasum  domini,  crescunt  mea  lucra, 

Fraus  mihi  dat  censum ,  fraua  mihi  lucra  paraL'^ 
Baucis  laeta  datis  statuit  sibi  tempus  et  horam , 

Ventura  nocte  nirginitate  frui. 
905  Promissis  gaudet,  sed  promissi  mora  iristis; 

Sic  dolet  et  gaudet:  ape  tamen  actus  abit. 
Baucis  uirgineum  temptans  reuocare  pudorem 

Prouida  propositae  coiligit  apta  rei : 

Herbas,  ungenta,  potus,  medicamina,  canlus, 
310  Quae  uobis  breuiter  enumerare  übet. 

Corui  candorem,  fumum,  tria  flamina  uenti, 

Caeci  cuiusdam  lumina,  noctis  auem; 

A  calui  fronte  crines  membrumque  spadonis , 

Auditum  surdi,  uerba  carentis  eis; 
315  Igniuomam  glaciem  defunctorumque  calorem; 

Insani  sensum  cum  ralione  bouis; 

Duri  mollitiem  lapidis  cum  murroure  stagni, 

Quercns  pomiferas ,  uimina  plena  piris ; 

Praeterea  rugas  pueri,  barbas  uetularum, 
880  Virus  Gerbereum  quaerit,  ut  addat  eis. 

HIs  ibi  confectis  facit  ex  meretrice  puellam. 

Noxque  sequens  aderat.   £n  Traso  laetus  adest. 

Secum  promissa  gerit  hie  et  dans  ea  Bauci 

Giicerio  fruitnr  atque  potitus  abit. 
Explicit  opus  memoria  dignum. 


TrMO 

Traso 
GliemiiiiB 


303  leta  II  308  proposite;  |  310  Qae  ]|  312  Ceci  |  317  molUciem  (  321 
sibi  g  322  letos  ( 


Betrachten  wir  das  gedieht,  dessen  inhalt  wir  oben  in  den  wichtig- 
sten einzelheiten  wiederzugel>en  versuchten,  genauer,  so  springt  vor 
allem  der  antike  geist  in  die  äugen,  der  das  ganze  durchaieht.  es  ist 
nicht  zu  kühn  zu  l>ehaupten,  dasz  von  einem  Christen  dasselbe  gewis 
nicht  verfaszt  sein  kann :  vielmehr  werden  wir  sogar  für  die  distichische 
nachbildung  des  komddienoriginals  einen  nichtchristlichen  Verfasser  anzu- 
nehmen haben,  auszer  dem  von  Baucis  angeführten  Sprichwort  v.  80 
infans  qui  ptger  est^  esse  propheta  seilet^  das  als  christliche  remiuiscenz 
erscheinen  könnte ,  obwol  es  das  nicht  musz ,  deutet  alles  auf  antike  Vor- 
stellungen, so  z.  b.,  um  damit  zu  beginnen,  nennt  Baucis  v.  14  die  Gly- 
cerium  eine  tochter  des  Juppiter;  v.  132  ruft  Oavus,  um  Baueis  zu  be- 


726    U.  Hageki:  eine  antike  komödie  in  disüchischer  nachbildung. 

strafen,  die  götler  an;  cft  mihi  deni  omeny  crimina  morte  lues;  y.  150 
figuriert  Hercules  als  scbwurgott;  y.  160  wünscht  ^bei  den  himmlischen', 
per  superos,  Baucis  den  Dayus  yerderben  zu  können,  und  ▼.  254  eodlicb 
ruft  Dayus  dem  Thraso  zu,  nachdem  ihm  Byrria  den  geistreichen  schimpf 
angethan :  numquam ,  per  caeli  numina^  miles  eras,  dazu  kommt 
dasz  mehrmals  gestalten  der  antiken  mylhologie  erwähnt  werden:  so 
heiszt  y.  93  Baucis  itnago  C/nmaerae;  y.  293  werden  die  quälen  des 
Tantalus,  der  hunger  und  durst  zu  leiden  hat,  verglichen  mitderpeio 
unerhörter  liebe ,  und  endlich  wird  y.  320  das  gifl  des  Kerberos  unter 
den  Ingredienzien  des  jungfrauscbaftwiederherstellungsmlttels  aufgefubri 
wenn  es  weiter  y.  71  heiszt,  um  mittag  {die  media)  habe  Baucis  yersuchi 
sich  von  Thraso  loszumachen,  und  hinwiederum  der  geteuschte  kriegs- 
held  in  seiner  bekflmmemis  y.  115  circa  nonamy  um  die  neunte  stunde, 
den  Dayus  zu  sich  bescheidet ,  so  stimmt  dies  ja  trefflich  mit  der  antiken 
tageseinteilung. 

Antik  ist  es  ferner,  wenn  Glycerium  nympha  heiszt  y.  19.  69.  289 
und  ihr  gemach  ihälami  genannt  wird  v.  169,  268;  dann  wenn  Tom 
forum  die  rede  ist  y.  63  (wo  speisen  zum  gelage  eingekauft  werden), 
y.  78  (da  ist  der  freund  aber  das  forum  gegangen ,  sein  landgut  zu  be- 
suchen: uisiiat  arua)^  y.  101;  endlich  Obt  y.  153  ff.  Baucis  ihre  zaube^ 
kOnste  ganz  in  der  nemllchen  weise ,  wie  es  eine  Ganidia  verstand.  Ican, 
personen  ebenso  gut  wie  die  yerhliltnisse  passen  aufs  genaueste  in  die 
alte  zeit,  und  zwar  sind  es  lauter  motive der  neuen  attischen  komö- 
die, wie  sie  Plautus  und  Terentius  nachgebildet  haben:  die  kupplerin 
Baucis ,  ihre  dirne  Glycerium ,  der  unentbehrliche ,  immer  verliebte  und 
hasenfflszige  miles  gloriosus  Thraso ,  den  schon  der  name  als  bramarbas 
zeichnet,  die  beiden  Sklaven  Davus  und  Birria;  Davus  der  gute  verschla- 
gene ,  welcher  dem  herrn  aus  der  klemme  hilft  und  dabei  seinen  eignen 
profit  nicht  vergiszl,  im  Qbrigen  sich  treu  und  brauchbar  erweist;  Birrii 
das  schlechte  element ,  der  In  seines  mltsklaven  plUne  hinelnzupfusclien 
sucht,  aber  den  kurzem  ziehen  musz  ~  wer  denkt  hier  nicht  an  das 
analoge  verbültnis  zwischen  Palästrio  und  Sceledrus  ?  — ;  dann  die  er 
findung  des  Stoffes  selbst  von  der  art,  dass  nun  eine  einfach  gescfaiirzie 
attische  komödie  des  Menander  vor  sich  zu  haben  glaubt*}:  die  bekannten 
kupplerkQnste,  in  deren  garn  der  kriegsheld  in  seiner  grandiosen  ein- 
bildung  und  unendlich  hohen  meinung  von  seiner  unwiderstehlicbkeii 
gefangen  wird  und  dafür  brav  zahlen  musz,  wie  der  Plautinische  miles 
zum  schlusz;  Glycerium  in  ihrer  doppclroUe  als  Glycerium  *Ph]lumena 
lebhaft,  auch  dem  namen  nach,  an  Philocomasium-Glycera  erinnernd;  die 
schlaue  Verschlagenheit  des  geistig  seinem  herrn  weit  flberlegenen  .«l^Ia- 
ven  Davus,  die  nichtswürdige  armselige  Schurkerei  des  Birria  —  aU^ 
das  weist  unwiderleglich  auf  eine  antike  komödie  hin. 

Dieses  urteil  bestätigt  sich  vollends  bei  der  betrachtung  der  komi- 
schen motive  und  demente,  die  das  gedieht  in  reichem  fflaszeaof- 


*)  natürlich  ist  bei  der  amarbeitong  manches  verloren  gegangen, 
Me  rolle  des  adiUetcens  usw. 


H.  Hagen:  eine  antike  komödtc  in  disticliischer  nachbildung.     727 

zuweisen  bat.  der  überall  klar  und  lustig  hervorsprudelnde  witz  ist  viel 
zu  plastisch  und  drastisch,  als  dasz  er  nicht  echt  antik  sein  müste.  mit 
welch  gesundem  humor,  der  gar  sehr  gegen  die  ddrftigkeit  miitelalter- 
licher  oder  spatialeinischer  machwerke  absticht,  heiszt  es  z.  b.  von  den 
anpreisungen  der  Baucis  zu  gunsten  der  Glycerium  v.  15  ff, :  hanc  pro- 
baty  hanc  cuiuis  spondei,  dai  dantibus  huius  \  pnmos  eancubiius  uir- 
gineumque  decus:  |  hwc  primos^  iUi  primos,  quid  piura  referrem?  \ 
tot  spondet  primos^  quoi  sibi  dona  ferunt  ferner  knüpft  sich  an  der 
Baucis  notbehelf ,  die  Glycerium  unter  verschiedenen  namen  auftreten  zu 
lassen ,  um  so  den  betrug  zu  verdecken ,  gar  köstlich  die  trockene  be- 
merkung  v.  21  AT.:  cum  libuit^  dat  Glicerium;  cum  uult^  Philomenam,  \ 
nominis  haec  nauitas  munera  mültipHicat.  \  certat  enim  iuuenum  coe- 
tus^  quis  qua  potiatur:  \  Glicerium  petii  hic^  huic  Philomena  piacet.  \ 
quam  petita  hanc  non  uült:  tantum  uiget  error  amore;  \  in  tantum 
faUit  nominis  umhra  uiros,  von  welch  prächtiger  Wirkung  sind  die 
kurzen,  knappen  worte,  mit  denen  Thraso  geschildert  wird  v.  29  f.:  cui 
gloria  peius  ^  cui  Venier  deus  est^  cui  Venus  apia  ccmes.  den  in  der 
komödie  beliebten ,  wie  es  heiszt  von  Epicharmos  erfundenen  kettensatz, 
den  XÖTOC  aöHavöjacvoc  (AthenSos  II  36*): 
A.  nach  dem  schmausen  kam  das  trinken.  B.  ganz  vortrefflich,  wie  mir 

scheint. 
A.  nach  dem  trinken  folgte  spötteln,  auf  das  spötteln  ward  man  roh, 
auf  die  rohheit  setzt'  es  prügel ,  dann  process  und  richterspruch , 
nach  dem  richterspruch  am  ende  ketten,  fuszblock,  sübnegeld  — 
finden  wir  auch  hier  v.  45  IT.:  dormit  nee  eam  licet  euigilare,  \  est 
moUis:  mallem  somnia  longa  fouent.  \  si  nimium  uigilet^  aegrotat;  si 
male  sieriit^  \  languet;  si  friget^  febricitare  iimet  usw.  so  noch  viele 
andere  stellen,  mit  unnachahmlicher  komik  ist  vor  allem  die  soeue  ge- 
schildert ,  wo  Byrria  nach  langem  schwanken  'werfen  oder  nicht  werfen, 
das  ist  die  frage'  dem  Thraso  etwas  menschliches  begegnen  lAszt  v.  223  ff. 
mit  urwüchsiger  heiterkeit  malt  der  dichter  die  Wirkung  v.  245  f.:  ad- 
mir  ans  pluuiam  pdllam^  ne  deterioret^  \  veriit,  quid  plura?  luditur 
hie  ei  ita.  man  lese  ferner  die  stelle,  wo  Glycerium  so  unschuldig  thut 
und  mit  ihren  in  jungfräulicher  schäm  hervorgestoszenen  werten  doch 
gar  viel,  nur  zu  viel  verrflth  v.  275  f.:  non  notit,  quid  amor^  quid  amo- 
ris  sentiat  ictum.  [  officium  Veneris  horreo^  siste  preces^  und  v.  278 
quaere  peregrinas ,  quas  tuus  ardor  agat.  freilich  Thraso  hat  ein 
dickes  feil  und  kann  das  wol  vertragen , '  ohne  den  Widerspruch  heraus- 
zufflhien. 

Und  wieder  die  effectvolle  maierei  von  Thrasos  augenblicklicher 
hasenfflszigkeit,  nachdem  die  erste  attake  so  gänzlich  mislungen,  v.  279  ff. : 
Thraso  spe  uacuus  animo  simul  euacuatur  \  dissimulans  hominem: 
mortis  imago  sedet.  |  iam  uisam  uidisse  pudei^  iam  nollet  amasse.  und 
dem  entsprechend  die  heuchlerische  Zuvorkommenheit  und  verstellte  bon- 
hommie  der  kupplerin  in  v.  290  ff.  mit  guter  komik  wird  endlich  die 
gemütliche  aufzählung  (v.  300  quae  uobis  fireuiler  enumerare  lAet) 
der  zur  herstellung  der  Jungfräulichkeit  notwendigen  Substanzen  abge- 


728    H.  Hagen:  eine  aolike  komödie  in  disUchisclier  oachbilduag. 

gddonea  mit  dem  Yen  321  Ms  ibi  confeetis  facU  ex  merttrkt 
pueüamj  wo  man  ja  nicht  etwa  ein  eoUeciis  Tennaten  darf:  alles  das 
mosz  vorher  zosammen  verarbeitet  werden,  che  die  gewünschie 
wirkottg  erddt  werden  kann. 

Dan  dem  verlasser  des  gedichts  noch  onmitleliiar  eine  komödie 
vorlag  (wol  von  Piautas),  zeigt  der  umstand  dasz  die  namen  der  haodda- 
den  personen  fiberall  am  rande  verzeichnet  sind  (roth),  wo  sie  handelod 
oder  redend  auftreten;  bezeichnend  ist  das  zu  v.  53  beigeachriebcoe 
audor*  zu  v,  305  war  Traso  am  rande  vergessen  worden,  auch  dasz 
statt  einer  fiberschrift  die  in  dem  stück  vorkommenden  personen  der 
reihe  nach  aufgezählt  werden,  ist  für  die  lösung  dieser  frage  nicht  olue 
belang. 

Wir  haben  bisher  gesehen ,  dasz  der  stoff  ein  antiker  und  einer  all- 
römischen  nachbildung  einer  neuattischen  komödie  entlehnt  ist  anders 
freilich  gestaltet  sich  die  frage,  wenn  wir  auf  die  gegenwärtige 
form  dieses  Stoffes  unser  augenmerk  ncblco.  da  dürfen  wir  kaum  über 
die  letzten  zelten  der  lateinischen  litteratur  (4s  bis  6s  Jahrhundert)  za- 
rflckgehen.  dies  zeigt  schon  der  vielfache  verstosz  gegen  den  richligeD 
gebrauch  des  refleiivums,  das  sehr  häufig  statt  des  geforderten  demoo- 
strativs  steht,  wie  v.  11.  18.  40.  62.  70.  86.  101.  108.  (123.)  269. 
297.  303. 

Ferner  bietet  der  Sprachgebrauch  manche  eigentümlichkeiten  der 
späteren  zeit  dar.  wenngleich  v.  176  dissicio  von  dissecare  gut  g^ 
bildet  ist  (vgl.  internicio  —  intemecare)  und  recht  viel  gute  echte  lau- 
nismen  sich  finden,  wie  v.  11  sua  lumma  vou  der  Glycerium;  v.  27  dum 
uerbis  tuuenes  pasciiy  dum  spem  dat  inanem,  vgl.  Verg.  Jen.  1 464; 
V.  31  murmura  rodii ,  vgl.  Persius  3 ,  81  murmura  cum  secum  et  ra- 
biosa  sikniia  roduni;  v.  30  Venus  apia  comes;  v.  156  lecta  uenena 
iibi^  vgl.  V.  321  his  stbi  confeetis;  v.  301  emunxi  nasum  domim  usw., 
80  läszt  sich  doch  nicht  leugnen  dasz  auf  spätere  zeit  hinweisen  formeD 
wie  V.  7  subtüiat^  v.  149  obmutis  =  obmussas;  v.  173  mediante  =  t^ 
interponente;  v.  245  deterioret  (von  Claudianus  älamertus  und  Symma- 
cbus,  auch  dem  gromatiker  Fronlin  gebraucht),  v.  315  igniuomam  (wie 
es  scheint  nur  bei  Lactantius  de  resurr,  dom,  3  von  der  sonne  gebraacht] 
und  anderes  mehr. 

Eigentümlich  ist  der  im  späten  Latein  häufige  gebrauch  des  gerun- 
diums  für  das  participium:  v.  28  scrutando^  v.  58  exiterandc^  v.  87 
conirisiando^  v.  88  meditando^  v.  220  indignando^  v.  229  ienendo. 

Auch  die  sonderbaren  etymologien  von  Dauus  =  dans  uana  t.  189, 
und  Birria  =  vir  derisor  v.  221  werden  dem  überarbeiler,  der  die 
komödie  in  disticbenform  gebracht  bat,  zu  überlassen  sein,  letzteres  ist 
übrigens  deshalb  wichtig,  weil  diese  arl  der  etymoldgie  ein  gleichlauleo 
des  b  und  v  voraussetzt:  vgl.  Corssen  ausspräche  usw.  1  s.  58  ff. 

Zu  dem  nemliclien  resullat  führen  neben  den  syntaktischeu(wie 

in  der  Orestis  Iragoedia  hat  auch  hier  die  asyndetische  satzfolg^ 

gegenüber  conjunctionaler  aneinanderschlieszung  die  oberband  bebalten; 

^  beachte  auch  die  in  späterer  zeit  so  sehr  beliebte  cumidatioo  io 


Ludan  Müller:  zasatz.  729 

V.  309  herbas^  ungenia,  potus^  medicamina^  cantus)  auch  die  proso- 
discben  Verhältnisse,  beispielshalber  führe  ich  ao  y.  163  Bauüs  ätt 
wie  Dauüs  ui  v.  205;  219  Dauo  iambisch  gebraucht,  während  sonst 
immer  die  erste  silbe  lang  erscheint;  Traso  bald  spondeisch  (v.  29.  39. 
43.  53  usw.)  bald  trochaisch  (v.  65),  gar  pyrrichisch  v.  84.  183  usw., 
molossisch  in  Trasonis  ocülis  v.  83.  ferner  Verlängerung  liurzer  eud- 
Silben,  wie  des  Iturzen  a  v.  37  uirgo  sed  uirgä  (dagegen  wird  der  ablativ 
der  ersten  nicht  verliOrzt:  denn  in  v.  111  hos  punit  poena  ist  poena 
nominativ,  vgl.  v.  112  hos  irahii  unca  mantif),  v.  309  ungeniä;  in  der 
pentamelercAsur  v.  246.  286.  im  allgemeinen  ist  hierfür  auch  auf  den 
mangel  der  ellsionen  aufmerlLsam  zu  machen,  worüber  die  schönen  he« 
obachtungen  Wölfflins  im  philologus  XVU  s.  341  zu  vergleichen. 

Sonst  läszt  sich  nicht  in  abrede  stelleois  ^^^z  eine  gewisse  gefällige 
eleganz  und  schlaniie  leichtiglieit  form  wie  inhalt  zur  schau  tragen ,  ent- 
gegen dem  belcanuten  schwerfälligen  schleppgewand  spätlateinischer  und 
mittelalterlicher  poesie.  zu  den  beiden  bisher  beiiannten  distichischen 
nachbildungen  antiker  komddienstoffe,  dem  Querolus-Aulularia  und  dem 
Amphitruo  des  Vitalis  von  Blois  ist  also  in  dem  hier  mitgeteilten  stück 
ein  würdiges  vorbild  und  damit  eine  nicht  unwichtige  ergänzung  der 
römischen  komödienlitlcratur  gefunden. 

Bebn.  He&manm  Haqen. 

ZUSATZ. 

Auf  den  wünsch  des  herausgebers  gestatte  ich  mir  diesem  aufsatz 
einige  bemerkungen  anzuhängen. 

Ohne  zweifei  wird  jeder  hm.  dr.  Hagen  für  die  mitteilung  der  oben 
abgedruckten  komödie  dankbar  sein,  es  ist  für  den  piiilologen  erspriesz- 
lich,  ja  notwendig,  wenn  er  einen  unbefangenen  blick  in  die  krilik  römi- 
scher autoren,  heidnischer  wie  christlicher,  haben  will,  auch  die  lateini- 
sche litteratur  des  mitlelalters,  die  oft  ihren  stofT,  sehr  viel  mehr  aber 
noch  ihren  Sprachschatz  jenen  Vorbildern  entlehnte,  in  den  kreis  seiner 
betrachtungen  zu  ziehen,  ohne  solche  kenntnis  bleibt  die  innigste  Ver- 
trautheit mit  den  Codices  antiker  denkmäler  lückenhaft  und  ungenügend, 
wenn  wir  die  Interpolationen  der  abschreiber  während  des  elAen  und 
zwölften  jh.  oder  leider,  wie  ich  einmal  später  durch  die  publicatiou  des 
mir  von  W.  Wagner  freundlichst  verglichenen  codex  Etonensis  der  re- 
media  und  der  sieben  ersten  heroiden  Ovids  zu  zeigen  gedenke,  schon 
des  zehnten  und  wol  auch  neunten  —  wenn  wir  diese  interpolationen 
richtig  würdigen  wollen ,  ist  es  nötig  genau  zu  wissen ,  welche  autoren 
der  classischeu  zeiten  am  meisten  gelesen  und  nachgeahmt  wurden ,  mit 
welchem  glück  ferner  diese  nachahmung  durchgeführt  worden  ist.  und 
da  eine  geschichte  der  lateinischen  spräche  und  philologie  im  mittelalter 
nicht  existiert,  vielleicht  auch  noch  lange  auf  sich  warten  läszt,  so  müs- 
sen wir  aus  den  Schriftstellern  dieser  epoche  uns  die  wichtigsten  data 
zusammenlesen  und  combinieren.  für  diese  erkenntnis,  bezüglich  für  das 
Interesse  das  Tcrenz  jenen  zeiten  einflöszte,  liefert  die  publication  Hagens 
einen  ebenso  dankenswerthen  wie  interessanten  bei  trag. 


730  Lncian  Müller:  ziisatz. 

Die  meinung  des  verdienstlichen  beransgebers,  dasi  wir  es  hier  mit 
einer  arbeit  des  vierten  bis  sechsten  jh.  und  der  nachbildnng  eines  ver- 
loren gegangenen  antiken  Originals  zu  tbun  bitten ,  vermag  ich  freilid 
nicht  zu  teilen ,  und  es  sei  mir  gestattet  die  gründe  dafür  kurz  lu  ent- 
wickeln, ich  will  zunächst  nicht  davon  sprechen  dasz  mir  das  lob,  wel- 
ches in  dem  vorhergehenden  aufsatz  der  komödie  gespendet  wird,  aller- 
dings zu  reichlich  gemessen  und  teilweise  von  der  sehr  erklärlichen  tot- 
liebe  für  litterarische  findelkinder  eingegeben  zu  sein  scheint  mich  we- 
nigstens bedünkt  dasz  jenes  stück  in  deutlicher,  frischer  und  verhiltnis- 
mäszig  eleganter  darstellung  sich  mit  dem  Amphitruo  des  Vitalis  Biesefi- 
SIS  nicht  messen  kann,  indessen  der  geschmack  ist  verschieden :  ein  je^r 
möge  fühlen  wie  es  ihm  beliebt,  auch  den  schon  von  Hagen  bemerktn 
vers  infans  gut  ptger  est  esSe  propheta  solet^  der  doch  wol  in  letzter 
Instanz  auf  Matthäus  13,  54  IT.  Marcus  6,  1  ff.  zurückgeht,  will  ich  hier 
nicht  berühren,  mag  auch  das  gedieht  einen  christlichen  Verfasser  babetu 
derselbe  könnte  ja  doch  am  ende  des  altertums  gelebt  haben,  nur  nrosi 
ich  dagegen  protestieren,  dasz  Hagen  aus  der  übrigens  allerdings  nirgeod 
christliche  reminiscenzen  zeigenden  darstellung  auf  einen  heidnisch«! 
Verfasser  schlieszt.  mit  demselben  rechte  könnte  man  des  Vitalis  Bleses- 
sis  Amphitruo  (bekanntlich  keine  paraphrase,  sondern  eine  darcba« 
freie  bearbeitung  der  in  dem  Plautinischen  stück  wie  so  oft  anderwöt 
erzählten  fabel),  die  comoedia  Babionis ,  der  gar  kein  antikes  vorbild  vor- 
lag (bei  Wright  early  mysteries  usw.,  London  1844,  s.  65  ff.),  ander« 
ebenfalls  in  distichen  verfaszte  lustpiele  und  eine  menge  sonstiger  ^^ 
dichte  des  mittelalters  für  heidnisch  ausgeben,  da  sie  von  christlicbefl 
anschauungen  keine  spur,  wol  aber  eine  menge  anrufungen  dergöüer 
und  beziehungen  auf  heidnische  mythologie  und  historie  enthalten.  ^ 
mittelalter  war  zwar  streng  rechtgläubig,  aber  es  verstand  eben  leb^ 
und  leben  lassen,  bei  werken,  die  ihrer  ganzen  art  nach  die  nachahmung 
antiker  muster  bezeugten,  die  femer  von  gelehrten  für  gelehrte  geschrie- 
ben waren  und  in  den  umbraculis  der  schule  blieben ,  hätte  selbst  der 
strengste  Inquisitor  nichts  ketzerisches  in  solchen  harmlosen  beschwö- 
rungen  der  längst  verschollenen,  wie  man  damals  meinte  in  der  hötk 
bratenden  götter-  und  heidenweit  des  heidentums  gefunden. 

In  bezug  auf  das  sprachliche  und  prosodische  hat  das  meiste  schoo 
Hagen  vorweg  genommen,  ich  erwähne  hier  in  der  eile  nur  noch  den 
gallicismus  evigilare  =  eveitter  in  v.  45  und  die  Verkürzung  der  dritten 
in  serve  nifquam  v.  252.  übrigens  schlieszt  auch  in  der  comoedia  Ba- 
bionis ein  pentameter  (160)  mit  serve  neguam,*)  sonst  verweile  ich  bö 
dem  sprachlichen  und  prosodischen  nicht  weiter,  weil  ich  gern  zugebe 


*)  ich  benutze  diese  gelegenheit,  um  den  omgekehrien  prosodischeo 
fehler  in  der  vnlgata  des  Livias  Andronicus  zu  rügen,  dort  wird  nco* 
lieh  (bei  Ribbeclc  trag.  lat.  s.  4  v.  87,  bei  Mommsen  röm.  gesoh.  I*  8. 89' 
folgendermaszen  scandiert:  quem  ego  nifrendem  abä  läciemn  iam»¥^ 
opem,  ich  sehe  nicht  wie  nefrendU  die  erste  lang  haben  könnte  statt 
'  -%  wie  nefasy  nefanduSj  nequeo  u.  a.  m.;  man  musz  scandieren:  f"^ 
Hfrendem  abä  Idcteam  imnuägeru  opem. 


Lucjan  Müller:  zusatz.  731 

dasz  in  dieser  hinsieht  ein  zwingender  grund  die  entstehung  des  gedieh- 
tes  über  das  fünfte  oder  sechste  jh.  herabzudrücken  kaum  vorliegen  dürf- 
te, so  sehr  auch  übrigens  die  diction  und  die  ganze  baltung  des  Stückes 
an  den  Amphitruo  und  die  Aulularia  des  Vilalis  Blesensis  und  ahnliche  pro- 
ducte  seiner  zeit  erinnern,  alle  diese,  wie  unzählige  andere  dichtungen 
des  elften  und  zwölften  jh.  sind ,  um  dies  noch  beizufügen ,  getränkt  mit 
Virgilischen  und  besonders  Ovidischen  reminiscenzen,  wie  denn  die  fabel- 
hafte Verehrung,  die  Virgil  und  kaum  in  minderem  grade  Ovid,  beide  halb 
zu  mythen  geworden,  in  jener  zeit*des  mittelalters  genossen,  eine  merk- 
würdige, für  die  culturgeschichte  bedeutungsvolle,  teilweise  noch  uner- 
forschte erscbeinung  bietet. 

Die  gründe  aber,  weshalb  nach  meiner  ansieht  die  komödie  nicht, 
wie  die  tragödie  von  Orestes,  aus  dem  altertum  sein  kann,  sind  metri- 
scher art.  es  findet  sich  in  dem  ganzen  gedichte  von  324  versen  nicht 
eine  einzige  elision.  nun  ist  es  freilich  bereits  eine  eigenheit  der  alt- 
römischen poesie,  dasz  sie  je  länger  je  mehr,  obwol  modificiert  je  nacli- 
dem  Ovid  oder  Virgil  mehr  zum  muster  diente,  sich  der  elisionen  ent- 
wöhnt hat,  worüber  man  de  re  metr.  s.  281 — 283  nachsehe,  am  meisten 
ist  dieselbe  jedoch  immer  in  heiametern  und  distichen  geblieben,  dasz 
nun  ein  altrömisches  gedieht  in  diesen  metren  (ich  rede  hier  natürlich 
nur  von  quantitierenden)  im  umfange  von  mehr  als  300  versen  ohne  jede 
spur  einer  elision  existieren  sollte ,  ist  völlig  ohne  beispiel  in  der  un- 
zweifelhaft echten  litteratur.  denn  wenn  prof.  Haupt  de  carminibus 
bucolicis  Galpurnii  et  Nemesiani  (Berlin  1854)  s.  3  behauptet,  dasz  Cal- 
pumius  in  der  vierten ,  sechsten  und  siebenten  ecloge ,  in  345  versen, 
nicht  elidiere,  so  beweist  dies  zwar  nichts  für  unsern  fall,  ist  aber  auch 
nicht  ganz  richtig:  Haupt  hat  im  vierten  gedieht  (von  169  versen)  zwei 
elisionen  die  ganz  sicher  sind  übersehen,  z.  40  und  134: 
ultima  tnsuH  irucihusque  ohnoxia  Mauris. 
securus  recübat  placidoque  in  fönte  lavatur, 
hiernach  musz  man  zugleich  die  behauptung  desselben  gelehrten,  dasz 
Galpurnius  nie  auszerhalb  der  ersten  thesis ,  resp.  der  zweiten  arsis  eli- 
diere ,  modificieren ,  worauf  schon  de  re  metr.  s.  297  hiogewiesen  wor- 
den ist. 

Dagegen  gab  es  vom  jähre  1000  bis  1300  dutzende,  ja  hunderte  von 
lateinischen  gediehten,  die  mit  bewahrung  der  quantitäten,  abgesehen 
von  bestimmten  freiheiten  des  mittelalters,  jede  elision  vermieden,  ohne 
ülirigens  deshalb  als  ersatz  dieser  beschränkung  den  hiatus  zuzulassen, 
leider  sind  meine  collectaneen  für  diese  zeit  nicht  so  genau  wie  für  die 
in  dem  werk  über  die  dichter  des  alten  Rom  behandelten  autoren ,  und 
ich  habe  im  augenblick  nicht  musze  genug  für  das  sehr  tädiose  geschäfl 
eine  anzahl  mittelalterlicher  seribenten  auf  die  elisionen  bin  durchzu- 
lesen, deshalb  begnüge  ich  mich  mit  zwei  beispieien ,  da  man  übrigens 
wol  meiner  Versicherung  auch  ohne  beweis  glauben  wird,  in  dem  neuen 
Avianus  von  Alexander  Neckam  (gest.  1227)  findet  sich  innerhalb  seiner 
134  verse,  abgesehen  von  einer  verunglückten  conjeetur  hm.  Pröhners, 
keine  elision,  ebenso  wenig  in  dem  von  Kritz  1850  herausgegebenen  poe- 


732  Lucian  Müller:  zusatz* 

nitentiarius  derselben  zeit,  bestehend  aus  mehr  denn  vierhimderi  versea 
(das  letzte  distichon  beiläufig  gesagt  ist  unecht),  das  hciszt  wenn  man  den 
kritischen  apparat  der  besagten  ausgäbe  gehörig  zu  hfilfe  nimt.  auch,  uid 
dies  als  coroUarium  beizufügen ,  die  comoedia  ßabionis  (in  der  beillufig 
gesagt  ebenso  256.  274  mit  Babio  —  bovinus  —  bovis  gespielt  wird  w 
in  unserer  komödie  mit  Birria  —  vir  derisor)  dürfte  der  elisioneo  eol- 
hehren,  v.  266  ist  auch  aus  andern  gründen  zu  schreiben  igne  voh  td 
aqua  für  aui  aqua^  und  ebenso  werden  189  ludumque  ibiy  22b  law 
ardua\  370  vincere  et  zu  emendieren  sein  wie  unzahliges  andere  ifi 
diesem  gedichte,  vielleicht  aus  den  handschriften ,  über  die  bei  den  ärm- 
lichen roitteilungen  Wrights  jetzt  zu  urteilen  selten  möglich  ist.  dagegeo 
scheint  der  Amphitruo  wirklich  einige  elisionen  zu  haben,  jedenfalls  aber 
viel  weniger  als  die  ausgaben  bieten. 

Ehe  wir  den  grund  der  eben  besprochenen  aufllilligen  erscheinaog 
betrachten ,  ist  es  nötig  für  die  hexametrischen ,  bezüglich  disticbiscbeo 
gedichte  des  mittelalters  eine  Scheidung  vorzunehmen  und  zwar  in  folgeo- 
der  weise. 

Es  gibt  drei  verschiedene  arten,  die  erste  hält  sich  streng  an  die 
antiken  Vorbilder ,  also  ohne  reim  mit  bestimmten ,  nach  der  gelehrsan- 
keit  der  einzelnen  dichter  stark  variierenden  concessionen  in  der  prosodit 
meist  im  geiste  der  christlichen  dichter  Roms,  über  die  ich  gehörig» 
ortes  satis  superque  gehandelt  habe,  diese  concessionen  finden  sich  aud 
bei  nr.  2  und  3.  bei  dieser  ersten  classe  kommt  die  elision  unbedenklki 
sogar  bei  einzelnen  more  Vergilii  et  Statu  häufig  vor.  Verlängerung  durdi 
die  cäsur  sehr  mäszig. 

Seit  dem  zehnten  jh.  kommen  die  leoninischeu  hexameter  immer  mehr 
in  Schwung  mit  allen  arten  und  abarten  des  reimes.  diese  kennen  «üe 
elision  nicht,  und  haben  in  der  regel,  schon  bedingt  durch  den  reim,  die 
penthemimeres ,  deren  letzte  silbe  nach  belieben ,  sie  mag  auf  einen  vocal 
oder  consonanten  ausgehen,  lang  gebraucht  wird. 

Zugleich  bildete  sich  seit  dem  zehnten  jh.  eine  dritte  sorte  von  bexa- 
metern  und  pentametern,  zu  der  unsere  komödie  gehört,  diese  liszt  den 
reim  fallen ,  hat  aber  meist  die  schon  im  späten  altertum  weitaus  ükf' 
wiegende  caesura  semiquinaria  und  behandelt  diese  ganz  wie  nr.  2  mit 
der  freiheit  des  versendes,  also  dasz  in  der  dritten  arsis  des  hexameten 
wie  des  pentameters  auch  bei  einsilbigen  werten  (v.  180]  beliebig  die  kürt« 
stehen  kann,  dies  ist  in  unserm  gedichte  viel  häufiger  der  fall  als  Hag^D 
oben  s.  729  verzeichnet,  in  den  ersten  114  versen  ueunzehnmal.  ^ 
nr.  2  und  3  dürfte  sich  auch  kaum  je  ein  sicheres  beispiel  der  Verhärtung 
von  t  und  u  zu  consonanten  finden,  wie  in  parietibus^  genua  u.  a.,  ebenso 
wenig  synizesen  wie  in  aiireo ,  ferreis  u.  ä.  wo  doch  scheinbar  i  und « 
consonantisch  werden,  musz  man  vielmehr  eine  Verkürzung  der  vorher- 
gehenden, bezüglich  folgenden  silbe  annehmen,  wie  bei  christlichen  dich- 
tem Vespäsianus^  Maiorianus^  Adrianus,  Claudiänus  sich  findet,  schon 
aus  diesem  gründe ,  um  es  beiläufig  zu  sagen ,  kann  nr.  209  der  lateini- 
schen anthologie  nicht  vom  kaiser  Hadriauus  sein.  Hadrianus  wird  doch 
seinen  eignen  namen  zu  messen  gewust  haben,  zumal  da  er  ihn  so  ieiclii 


Lucian  Malier:  zusatz.  733 

als  dritten  p9on  in  den  vers  bringen  konnte.  Ädriänus  ist  erst  in  viel 
spätem  Zeiten  möglich. 

Fragt  man  nach  dem  gründe  jener  abneigung  gegen  elisionen,  so 
ist  es  eben  der  dasz  schon  die  spHtem  römischen  grammatiker  und  nach 
ihnen  die  aus  ihren  handbflchern  schöpfenden  coUegen  des  mittelallers 
mit  der  elision  nichts  anzufangen  wüsten,  teilweise  gab  nun  die  difTe- 
renz  zwischen  theorie  und  präzis  seltsame  widerspräche  und  inconse- 
quenzen^  anderseits  kann  es  niemand  befremden,  dasz  die  dichter  des 
mittelalters,  die  groszenteils  zugleich  grammatiker  waren ,  grammatiker 
sein  musten ,  sich  einer  ihnen  unbegreiflichen  und  wenig  sympathischen 
erscheinung  gern  entledigten. 

Nach  den  oben  gegebenen  ezpositionen  wird  man,  wie  mir  scheint, 
das  gedieht  am  besten  zwischen  1000  und  1200  ansetzen ;  ich  möchte 
ins  zwölfte  jh.,  dem  angeblich  auch  der  codex  angehört,  weil  alle  Qbrigen 
in  distichischen  maszen  abgefaszten  komödien  des  Vitalis  und  Guileimus 
Blesensis,  des  Matthaeus  Vindociuensis  u.  a.  m.  dieser  oder  der  nSchst* 
folgenden  epoche  anzuweisen  sein  dürften.*) 

Hiemach  meine  ich  auch  dasz  die  ansieht  Hagens,  es  habe  dem  autor 
ein  antikes  original  vorgeschwebt,  nicht  statthaft  scheine,  dasz  vielmehr 
eine  eigene  erflnduug  unseres  versificators  vorliege,  gehört  derselbe  der 
von  mir  bezeichneten  epoche  an ,  so  wird  schon  an  sich  die  niögliehkeit, 
dasz  diesem  ein  antikes  drama,  das  uns  unbekannt  wäre,  vorgelegen  hätte, 
auf  ein  minimum  herabgedräckt  denn  die  erzählung  des  Guileimus  Ble- 
sensis, dasz  ihm  zu  seiner  Alda  die  Übersetzung  eines  Menandrischen 
Stückes  vorgelegen  habe,  wahrend  Alda  keine  spur  vom  geiste  Menanders 
hat,  beruht  auf  einer  argen  begrifisverwirrung.  die  richtige  deulung 
dieser  angäbe  hat,  wie  mir  scheint,  unzweifelhaft  der  französische  ge- 
lehrte gegeben,  der  in  der  histoire  llttöraire  de  la  France  bd.  XXII  s.  52  f. 
die  Sache  bespricht:  ^il  est  plutöt  k  croire . . .  que  TEunnque  de  T^rence, 
qui  est  celui  de  Menandre,  n'^tait  connu  de  Guillaume  que  par  quelque 
imitation  en  prose  latine,  comme  celles  qui  avaient  remplacö,  dans  le 
cours  des  siöcles,  m^me  en  changeant  le  titre,  plusieurs  comedies  de 
Tancicn  th^Atre.'  dasz  damals  ein  uns  unbekanntes  lateinisches  oder  gar 
griechisches  lustspiel  im  occident  hätte  benutzt  werden  können ,  ist  mir 
um  so  weniger  glaublich,  als  die  vorhandenen  nachbildungen  übrigens 
nicht  einmal  eine  kenntnis  der  ersten  acht,  dem  miltelalter  doch  sonst 
nicht  ganz  unbekannten  stücke  des  Plautus  zeigen,  denn  die  Aulularia 
des  Vitalis  Blesensis  ist  nicht  aus  dem  gleichnamigen  drama  jenes  dich- 
ters  sondern  aus  dem  Querulus  gezogen;  ebenso  ist  der  Amphitruo  so 
ganz  verändert,  bezüglich  modernisiert,  dasz  ich  an  eine  benutzung  des 
Piaulinischen  Originals  für  diese  unzählige  mal  von  antiken ,  miltelalter- 
iichen  und  modernen  scribenten  behandelte  erzählung  nicht  glauben  kann, 
dagegen  spricht  auch  der  umstand,  dasz  die  sklavennamen  Geta  und  Birria 
dem  Terenz  entlehnt  sind,  endlich  der  mües  gloriosus  des  Matthaeus 
Vindociuensis  hat  mit  dem  Plautus  nichts  zu  schaffen  auszer  dem  titel, 


*}  dem  autor  des  Babio  war  der  Amphltmo  ersichtlich  bekannt. 


734  Lucian  MüHer:  zusatz. 

und  selbst  dieser  kann  sehr  wol  aus  des  Terenz  prolog  zum  Eunuchos 
V.  31  genoDunen  sein,  der  von  Joseph  Klein  herausgegebene  eicerptor 
des  codex  Cnsanus  kennt  von  Plautus  nur  was  Priscian  cttiert;  iobuaes 
Saresberiensis  blosz  den  ^Queroius*:  vgl.  Schaarsclunidls  ich.  Saresk. 
s.  101.  seine  erwähnung  der  müües  glorioti  (pdicr.  VI  c.  3)  Terdaokt 
auch  er  dem  Terenz. 

Was  unser  drama  angeht,  so  wird  man  bei  betraditung  Sholicfaer 
stücke  des  zwölften  und  dreizehnten  jh.  sich  aber  die  (wie  mir  scbeiot 
nicht  besonders  ingeniöse ,  vielmehr  der  dramatischen  intrigue  entbehreo- 
de)  erfindung  des  dichters  nicht  weiter  wundem  können,  dieffleinunf 
Hagens,  dasz  sich  die  benutzung  einer  unmittelbar  vorliegenden  komodie, 
wol  des  Plautus,  daraus  folgern  lasse,  weil  am  rande  der  Bemer  ks.  suu 
die  namen  der  handelnden  notiert  sind,  entbehrt  der  begröndung.  ib>- 
liche  notizen  pQegen  oft  in  mittelalterlichen  handschriflen  von  dnmiti- 
sehen  bearbeitungen  vorzukommen ,  solche  scheinen  sich  auch,  nach  iniÜ* 
den  der  ausgaben  zu  schlieszen,  in  den  hss.  anderer  komödien  des  zwölfia 
und  dreizehnten  jh.  zu  finden. 

Auf  den  mangel  eines  antiken  Originals  weist  auch  der  umstand  dasi 
die  namen  der  personen  sämtlich  dem  Terenz  entlehnt  sind  (denn  Philo* 
mena  hat  nichts  mit  des  Plautus  Philocomasium  zu  schaffen,  soDderoist 
die  Philumena  der  Hecyra)  auszer  der  kupplerin  Baucis,  deren  nameioit 
dem  der  bekanntesten  dame  eines  im  mittelalter  gleichfalls  zerleseos 
Schulbuches,  der  Ovidischen  metamorphosen,  identificiert  isL 

Die  heimat  des  anonymus  scheint  dieselbe  zu  sein  wie  die  der  übri- 
gen komödiendichter  des  mittelalters  im  elegischen  versmasz,  Frankreicii 
woher  auch  der  codex  stammt. 

Schlieszlich  sei  es  gestattet  an  dieser  stelle  die  oft  ausgesproclieii|! 
klage  zu  wiederholen ,  dasz  uns  noch  immer  eine  nach  kritischen  prioo* 
pien  abgefaszte  anthologle  der  lateinischen  poesie  des  mittelalters,  Bodi 
weit  mehr  aber  eine  darstellung  seiner  metrik  fehlL  diese  letztere  wire 
um  so  wichtiger,  als  ohne  sie  die  erkenn inis  der  romanischen  uodgff* 
manischen  versmasze  des  mittelalters  stets  lückenhaft  bleiben  musz. 

Es  fällt  schwer  von  einem  classischen  phüologen  diese  arbeil  zu  b^ 
anspruchen  —  so  lange  wenigstens  noch  in  den  altrömischen  dichtem 
etwas  zu  thun  ist;  und  in  diesen  ist  noch  so  viel  zu  thun,  laborifo^ 
ut  desit^  non  fabro  labor,  vor  Vollendung  des  corpus  poetarum  Laüoo- 
rum  wenigstens  werde  ich  meinerseits  an  eine  bebandlung  des  in  rede 
stehenden  themas  nicht  denken,  werde  mich  aber  stets  freuen,  wenn  eio 
tüchtiger  gelehrter  sich  demselben  widmen  will ,  und  in  diesem  fall  gerfl 
meine  geringen  erfahningen  und  coUectaneen  zur  disposition  stellen,  icb 
sage,  ein  tüchtiger  gelehrter:  denn  es  ist  ein  arger,  auch  in  der  classi- 
schen Philologie  oft  verhängnisvoll  wirkender  irturo,  dasz  man  glaubt»' 
bei  dichtem  deren  metrik  und  prosodie  manches  zu  wünschen  übrig  1^^^ 
sei  ein  mit  mangelhaften  kenntnissen  dieser  disciplinen  ausgestatielfif 
editor  besonders ,  wo  nicht  wünscbenswerth ,  doch  möglich,  gerade  das 
umgekehrte  ist  der  fall,  solche  Ignoranten  werden  verbal tnlsmäszl^  ^ 
>8len  schaden  bei  den  gefeiltesten  dichtem,  weil  bei  einem  Om 


Zu  F.  Rflckerts  gedichteo.  735 

oder  Martialis  selbst  ein  Midasohr  kaum  die  richtigen  cadenzen  über- 
hören kann,  wo  aber  die  regel  durch  zahlreiche  ausnahmen  getrObt 
wird,  wo  die  regel  überhaupt  erst  zu  finden  ist,  da  bedarf  es  feinen 
geschmackes,  sicheren  gefühls,  reicher  belesenheit,  schlieszlich  wieder- 
hole ich,  womit  ich  angefangen  habe,  dasz  wir  dr.  Hagen  für  seine  publi- 
cation  sehr  verpflichtet  sind. 

Bonn.  Luoian  Müller. 

96. 

ZU  FRIEDRICH  RÜCKERTS  GEDICHTEN. 


Im  leben  Rflckerts  von  G.  Beyer  in  Coburg  (Frankfurt  a.  M.  1868) 
heiszt  es  s.  28  folgendermaszen :  *auf  diese  auserwählte  von  F.  Rückerts 
erster  Jugendneigung  bezieht  sich  auch  das  älteste  denkmal  von  der  band 
des  knaben,  welches  von  prof.  Heinrich  Rfickert  aufbewahrt  ist  und  1801 
— 1802  geschrieben  wurde,   es  lautet  wörtlich: 

esse  deos  credamne^  fidem  quum  laeserii  illa? 

quam  longos  habuit  nondum  periura  capillos^ 

tarn  longos  postquam  numina  laesit  habet. 
später  erzeugte  seine  jugendliche  phantasie  tiefempfundene  lieder,  die 
das  glück  nicht  eher  schalTen  konnte  als  bis  es  verloren  war'  usw.  usw. 
diese  darstellung  musz  bei  jedem  die  meinung  erwecken ,  dasz  Rückerts 
Liograph  jene  verse  ak  product  der  Rückertschen  muse  betrachtet  habe, 
obschon  sie  sich  von  den  spätem  tiefempfundenen'  liebesliedern  durch 
den  mangel  jeder  gemütlichkeit,  dieser  echt  germanischen,  bekanntlich 
nicht  ins  Latein  zu  übersetzenden  eigenschaft  unterscheiden,  so  spricht 
denn  auch  *der  sehr  eingehende  recensent  der  Coburger  zeitung'  von 
unseren  versen  als  dem  ^ältesten  denkmal  von  der  band  des  vierzehn- 
jährigen Rückert'  im  gegensatz  zu  dem  Motzten  gedieht  im  langen  leben 
Rückerts:  versöhnerin,  beschönerin'  usw.  usw.,  und  die  Augsburger  all- 
gemeine Zeitung  schreibt  es  nach  in  der  beilage  zu  nr.  225  sp.  3417.  zu 
verwundern  wäre  es  freilich  bei  einem  mit  so  viel  formtalent  begabten 
Ingenium  wie  Rfickert,  dasz  er  zwischen  vers  1  und  2  sich  den  penta- 
meter  erspart  haben  sollte,  doch  wozu  viel  worte?  ein  groszer  dichter 
hat  jene  zeilen  doch  geschrieben,  wenn  auch  nicht  gerade  Rückert.  sie 
stehen  bei  Ovid  am.  111  3,  1.  3.  4  und  lauten  mit  hinzufügung  des  von 
Rfickert  weggelassenen  ersten  pentameters  also : 

esse  deos  i  crede!  fidem  iurata  fefellit^ 
ei  fades  Uli  quae  fuii  ante  manet 

quam  longos  habuit  nondum  periura  capillos^ 
tarn  longos^  postquam  numina  laesit,  habet. 
hier  bieten  die  schlechteren  ausgaben  aus  interpolierten  hss.  esse  deos 
credamne^  wogegen  Rurman,  Merkel  und  L.  Müller  nach  dem  Puteaneus 
undHeinsius  die  richtige  lesart  aufgenommen  haben;  fidem  quum  laeserii 
illa  ist  einfacher  gedächtnisfehler  für  fidem  iurata  fefellii,  wie  schon 
das  gleich  folgende  laesü  zeigt,  freilich  hat  sich  Rfickert,  wie  aus  seiner 
biographie  s.  29  erhellt,  als  knabe  auch  selbst  mit  lateinischer  versifica- 


736  Philologische  gdegeoheitssdhriftiea. 

tion  beschifÜgU  dasz  er  es  aher  doch  noch  nicht  rar  Ovidischcn  elegurz 
gehradit  hatte  —  was  auch  etwas  Tid  reriangt  wäre  —  xeigt  deslüd 
die  Paraphrase  der  Aesopischen  fabd  Ugnator  ei  Mercurius  a.  o. 

T.  z. 

(31.) 

PHILOLOGISCHE  GELEGENHEIT88CHBIFTEN. 

(fortsetznng  Ton  s.  656  f.) 

Bern  (kantonsschale)  £.  Pf  ander:  die  tragik  des  Euripidea.  I  ab^r 
Eor.  Bakchen.    U  heft.   drnck  Ton  A«  Fischer.    1868.   41  a.   gj.  4. 

Bonn  (rerein  rheinlindischer  aliertnms&ennde ,  znr  hegronsnng  dn 
internationalen  congresses  fnr  altertnmsknnde  nnd  geeehiehte  14—^1 
sept.  1868)  F.  Ritter:  Bonn  in  den  ersten  swei  jal^nnderten  seints 
hestehens.   20  s.  gr.  4. 

Donaneschingen  (gymn.)  K.  Kappes:  snm  denisch-lateinischrs 
Wörterbuch.    A.  WillibaldBcbe  hofbnchdmckerei.    1868.    29  s.    gr.  8. 

Jens  (aniT.,  lectionskatalog  w.  1868  -69)K.Nipperde7:  spicilecc 
alterins  in  Comelio  Nepote  pars  H.  Bransche  bnchbandlnng.   16  s.  gr.  4. 

Königsberg  (FriedricnscoUegiam)  Novns  Avianns.  hemongegebea 
Ton  Emil  Grosse.    Schoitcsche  hofbuchdmckerei.    1868.    26  s.   gr.  4. 

München  (Wilhelms-gymn.)  B.  Arnold:  die  tragische  bahne  in 
alten  Athen  mit  specieller  beracksichtignng  der  Sophoklelschen  Anü- 
gone.  drnck  Ton  J.  Ootteswinter  n.  Mössl.  1868.  16  s.  gr.  4.  mit  zwti 
Steindruck  tafeln. 

Nordhansen  (gymn.,  Taledictionsschrift  für  director  K.  A.  Schi^ 
lits  und  conrector  A«  B.  Rothmaler  zum  4  april  1868,  u.  a.  mit  folgen- 
den philologischen  auf  Sätzen)  R.  Goldschmidt:  disputatio  Platooio 
(s.  16—22);  Ad.  Rothmaler:  Ovidins  in  trist.  I  8,  21  emendatiir  (s. » 
—32);  W.  Teil:  in  Thucydidem  et  Lysiam  (s.  33—35);  Schneide- 
wind:  de  Polybio  Cleomenis  existimatore  (s.  48—53).  druck  too  J. 
Pampel.   gr.  8. 

Posen  (Mariengymn.)  R.  Enger:  adnotationes  ad  poetaram  Grae- 
corum  fragmenta.    Deckersche  hofbuohdmckerei.    1868.    19  s.    gr.  4. 

Regensbnrg  (lyceum,  gymu.  u.  lat.  schule)  A.  Miller:  Strabos 
quellen  über  Gallien  und  Britannien,  druck  von  J.  Mayr  in  Stadtamhof. 
1868.   31  s.  gr.  4. 

Würzburg  (uniT.,  doetordissertationen)  Adam  Enssner:  speci* 
men  criticum  ad  scriptores  quosdam  Latinos  pertinens.  verlaic  yon  A. 
Stnber.  1868.  VI  u.  42  s.  gr.  8.  [inhalt:  s.  1 — 15:  obsenrationes  cri- 
ticae  in  Q.  Curtium  Rufum.  s.  26— 42  miscellanea  critica.]  —  P.Kar- 
ciss  Liebert:  de  doctrina  TacitL  druck  von  F.  E.  Thein  (verlag  vod 
A.  Stnber).  1868.  123  s.  gr.  8.  —  (zur  begrUssung  der  26n  philologen- 
versamlung,  im  namen  der  Studienanstalt)  R.  KlUber:  über  die  ^elleii 
des  Diodor  von  Sicilien  im  neunten  buch.  1868.  40  s.  gr.  4.  —  Fest 
grusz  der  philologischen  gesellschaft  zu  Würzburg  an  die  XXVI  ver- 
samlung  deutscher  philologen  nnd  Schulmänner.  1868.  195  s.  gr.  8.  [in- 
halt: L.  Urlichs:  kritisches  zu  Taeitus  s.  1 — 8;  L.  Grasberger:  im 
kritik  der  römischen  archäologie  des  Dionysios  von  Halikamasa  s.  9— 
37;  W.  Studemund:  zur  kritik  des  Plautns  s.  38—76;  A.  Flasch  (is 
München):  lason  bringt  dem  Aietes  das  goldene  vliesz  s.  77 — 85;  M. 
Schanz:  commentationes  Platonicae  s.  86 — 118;  N.  We  ekle  in  (in 
München) :  über  symmetrische  anordnung  des  dlalogs  und  die  sttchomy- 
thie  bei  Sophokles  s.  119 — 141;  B.  Arnold  (ebd.):  platte  mit  scenischeo 
Vorstellungen  im  collegio  Romano  s.  142 — 157  mit  einer  steindrucktafel ; 
Eussner:  exercitationes  Sallustianae  s.  158 — 194.] 


BESTE  ABTEILIMa 
FÜR  CLASSISCHE   PHILOLOGIE 

HEBAUSGEQEBEN  VON  ALFBED  FlECKEISEK. 


97. 

ZUM  VERSTÄNDNIS  DES  HOMERIDENHYMNOS  AUF 

HERMES. 


I 

Ueber  das  Zeitalter  des  Homerischen  hymoos  auf  Hermes  sind  wir 
jetzt,  soweit  die  frage  beantwortet  werden  kann,  ziemlich  im  klaren. 
G.  Hermann  hat  das  gedieht  aus  metrischen  gründen  unter  die  jüngsten 
producte  der  epischen  poesie  gezählt  Orph.  s.  689');  Voss  myth.  briefe 
XVII  und  XVIII  hat  sichere  merkmale  einer  vorgerflcktien  zeit  entdeckt; 
die  neuesten  Untersuchungen  haben  ergeben ,  dasz  der  Sprachschatz  den 
hymnos  dem  Zeitalter  der  dramatiker  nahe  rückt.')  die  kritik  aber  hat 
noch  vieles  übrig  gelassen,  was  noch  zu  heilen  wSre  oder  auch  nicht 
geheilt  werden  kann,  es  sei  mir  jedoch  hier  erlaubt  auch  diese  bei  seite 
zu  lassen  und  mich  mit  dem  eigentümlichen  kunstcharakter  des  oft 
gelobten,  oft  getadelten  und  doch  nicht  immer  verstandenen  epos  zu  be- 
schäftigen, ich  setze  dabei  mit  Schneidewin  im  philol.  III  s.  692  ff.  vor- 
aus, dasz  die  verse  von  507  bis  zum  schlusz  nicht  zum  ursprünglichen 
gedieht  geboren. 

Den  grundgedanken  hat  Ilgen  wol  richtiger  als  Baumeister  so  an- 
gegeben: ^dolus  Mercurii  in  acquirendis  honoribus'  und  s.  352 — 355 
seiner  ausgäbe  besprochen,  aber  hauptsache  ist  uns,  mit  was  für  moti- 
ven  der  epiker  seine  personen  handeln  Idszt,  und  wie  er  so  den  mythos 
mit  prodnctiver  Selbständigkeit  als  dichter  behandelt,  auf  ein  solches 
moment  hat  zuerst  Welcker  gr.  gdtterlehre  II  s.  462  ff.  aufmerksam  ge- 
macht, indem  er  behauptet,  eine  Ironie  durchziehe  das  ganze  gedieht, 
so  dasz  Hermes  unter  dem  schein  und  vorgeben  ein  beschützer  der  herden 


1)  hierza  noch  einiges  in  A.  KoebnB  quaestiones  metricae  et  gram- 
maticae  de  hymnis  Homericia  (Halle  1865).  2)  Gerb.  Greve  de  hjmno 
in  Mercuriam  Homerico  (Münster  1867)  weist  ausser  vielen  abweichnn- 
gen  vom  Homerischen  Sprachgebrauch  über  zwanzig  Wörter  nach,  die 
erst  bei  den  dramatikern  sich  finden  (§  6  nnd  14),  z&hlt  gegen  dreiszig 
diraH  €lpr)^^va  aaf  (§  15)  und  etwa  ein  halbes  dntzend  ganz  späte  wt)rter, 
auch  einige  nur  bei  prosaikern  übliche. 

Jahrbücher  f&r  class.  philoI.  186S  hfl.  11.  48 


738  TIl  Barckbardi:  zum  YerstiDduis  des  Homeridothymiios  auf  Bennes. 

tu  sein  ab  das  gegenleü,  als  belrfiger  und  schldiger  der  menscbcB  dar- 
gestellt werde.  *iii  dem  Homerischen  hymnos ,  derdorchaasia  iro- 
nischem oder  komischem  (wenig  Yerstandenem}  ton  gehalteo 
ist,  besteht  der  kern  darin  dasi  die  mehnmg  der  herde  die  haoptke 
Stimmung  und  das  listige  stehlen  die  gr5ste  kmut  des  Hermes  sei.' 
dies  lasse  sich  besonders  am  scbhiss  erkennen  (denn  Welcker  beCracblet 
T.  574 — 580  als  zum  gedieht  gehörig,  nach  506  ansul6gen):  'jener  aber 
geht  mit  allen  sterblichen  und  unsterblichen ,  hilft  zwar  wenig  (iroOpa 
liiv  oSv  övtvfici,  statt  ein  wahrer  ^piouviOC,  rielhelfer,  zu  sein,  wi« 
er  y.  3.  28.  145  heiszt),  betrügt  aber  ohne  unterschied  durch  die  dankk 
nacht  hin  der  sterblichen  menschen  geschlechler.  in  diesem  unvergleidh 
liehen  schlusz  wirft  der  hnmor  die  maske  ab,  der  herdenmehrer  wini 
zuletzt  nicht  mehr  begrfiszt ,  sondern  der  üblichen  schlnszformel  Koi  cu 
}Ay  oÖTtt)  X<x^P€  9  ^(^  Kod  Moadöoc  \Ai  geht  allein  das  irOgcriscbe 
voraus,  hatte  ja  doch  Hermes  seiner  mutter,  die  üi>er  seinen  erst» 
diebstahl  sehr  erschrocken  und  redlich  um  ihn  besorgt  war  und  ibs 
schalt,  geantwortet,  er  wolle  reich  werden,  er  vermöge  der  hanplmann 
der  diebe  zu  sein,  er  wolle  es  noch  ganz  anders  treiben  und  alle  scbSlze 
des  pytbisclien  tempels  stehlen  (175),  und  bei  seines  vaters  haopldeiD 
ApoÜon  (275)  und  dem  Zeus  seihst  falsch  geschworen  (384),  und  Apollos 
ihm  gesagt ,  das  werde  sein  amt  von  Zeus  sein,  herscber  der  nichtlicbn 
diebe  zu  heiszen  (291).'  zweideutige  epilheta,  als  TroXurpoiroc,  ol^ 
Xo^rJTTic  u.  a.  seien  darum  in  diesem  tadelnden  sinne  zu  verstehen. 

An  dieser  kritik  fftllt  erstens  auf,  dasz  Welcker  bald  von  ironie, 
bald  von  humor,  bald  allgemein  von  komik  spricht.  Ironie  bat  mei- 
stens einen  ernsthaften  hintergrund,  schlieszt  einen  tadel  in  sich,  wihrod 
das  leichte  spiel  des  humors  sich  ganz  wol  mit  dem  griechischen  göUtf^ 
glauben  vertrüge.  Welcker  scheint  aber  diesen  ernst  des  tadeis  in  des 
gedieht  zu  finden,  wenn  er  s.  464  vom  schlusz  (507 — 573)  sagt,  das 
er  *in  geist  und  ton  mit  dem  dem  Hermes  nicht  günstigen  hym- 
nos  übereinstiumie',  und  I  s.  334  anm.  3  nennt  er  den  hymnos  einen 
'satyrlscben'.  dann  ist  aber  wieder  (s.  466)  von  der  'scherzhaften  dar- 
Stellung'  die  rede  *die  bis  auf  die  stelle  wo  das  kind  sich  aus  dem  am 
des  Apollon  los  macht  und  den  schlusz  sehr  gehalten'  sei.  es  venith 
dies,  wie  mir  scheint,  em  schwanken  der  beurteilung,  worüber  man 
sollte  ins  klare  zu  kommen  suchen.*) 

Setzen  wir  den  fall,  es  solle  wirklich  der  mythos  vom  rinderraub 
und  der  Volksglaube  in  bezug  auf  Hermes  ironisch  dargestellt  werdea, 
so  müste  sich  wenigstens  in  den  hauptmomenten  diese  ironie  deallici) 
zeigen,  wenn  vielleicht  auch,  wie  Welcker  annimt,  In  nebensachen  hio 


8)  natürlich  denkt  Welcker  hier  nicht  an  jene  höhere  ironie  oder 
dea  weltveraehtenden  humor^  dieses  geflihl  unterscheidet  er  dent]i<^ 
von  dem  hier  gemeinten  a.  o.  n  s.  72  f.  dort ,  wo  er  von  dem  nnter- 
schied  der  götter  im  enltns  nnd  bei  Homer  handelt,  charakterisiert  er 
^•in   das   scherzhafte   in  der  dichterischen  darstelhing  der  gStter  nod 

"^et  darauf  das  wort  ironie  an.  in  diesem  nneigeatlicheB  sione 
e  ich  es  mir  anch  hier  gefallen  lassen. 


Th.  Burckhardt:  zum  versllndnis  des  HomerideDhymnos  auf  Hermes.  739 

und  wieder  ein  epilheloo  übungsgemäsz  ohne  ironischen  sinn  geslaltet 
wftre.  nun  sind  aber  die  hauptmomenle  nach  Welcker  selbst  das  mehren 
der  herde  und  die  diebskunst,  diese  mfisten  so  in  gegensatz  trelen ,  dasz 
das  erslere  das  ausgesprochene,  das  letztere  das  gedachte  wSre,  jenes 
schlieszlicb  als  schein,  dieses  als  die  wahre  Wirklichkeit  sich  erwiese. 
Ironie  wäre  es  also,  wenn  durcli  die  ganze  erzShlung  Hermes  als  mebrer 
des  herdenreichtums  geschildert  und  gepriesen  würde,  während  er  durch 
seine  listen  denselben  schädigte,  der  schlusz  mflste  dann  etwa  lauten: 
*viel  nfltzt  er  also,  denn  er  hütet  die  herde  und  läszt  riuder  und  schafe 
umkommen,  er  ersinnt  listen  und  bringt  dadurch  alles  in  schaden.'  in- 
dessen, wiU  der  dichter  die  ironie  nicht  bis  zu  ende  festhalten,  sondern 
hier  seine  wahre  roeinung  aufdecken  ^  so  kann  er  auch  mit  Welcker 
schlieszen:  iraOpa  ^^v  otJV  öviviici  usw.,  obgleich  das  kein  sonder- 
liches zeichen  davon  Ist  ^der  dichter  sei  au  gewis,  dasz  seine  scherzhafte 
darstellung  nur  als  solche  könne  verstanden  werden.'  es  musz  aber 
jedenfalls  die  ganze  erzählung  von  dem  ironischen  tone  durchdrungen 
sein ,  nicht  erst  der  schlusz  denselben  vermuten  lassen ,  da  ohnedies  die 
Zusammengehörigkeit  der  achluszverse  574 — 580  mit  dem  echten  hym- 
nos  mindestens  unbewiesen  und  nach  meiner  ansieht  unstatthaft  ist. 

In  der  erzählung  des  hymnos  zeigt  sich  nun  folgendes.  Hermes 
haupteigenschaft  ist  in  der  that  die  herdenmehrung :  er  ist  begierig  sich 
herdenreichtum  zu  verschalTen,  darum  raubt  e^ApoIlons  rinder,  er  voll- 
bringt alle  geschäfte  des  hirten  mit  emsicht  und  behagen,  nimt  mit  freu- 
den  die  geisel  aus  den  bänden  ApoUons,  wird  kuhhirt  und  verheiszt  der 
herde  seinen  segen  (v.  492— -495). 

Aber  dieser  auffassung  des  gottes  scheint  gerade  zu  widersprechen, 
wie  ApoUon  seinen  kleinen  feind  prädiciert  als  dpxoc  qpriXr]T^UJV,  der 
den  besitzern  einst  in  die  häuser  einbreclien  und  die  hirten  bestehlen 
werde,  v.  282  ff.  f\  c€  fidX'  otui  |  noXXdKic  ävTiTopoCvta  böjiouc 
eu  vaierdovrac  |  ^vvuxov  oux  ^va  ^oOvov  ^tt  '  ojibe'i  <pwTa  KaOic- 
cai  usw.  noXXouc  b '  drpaOXouc  dKaxt^ceic  jitriXoßoTf^pac  |  oöpeoc 
Iv  ßnccric ,  öirörav  Kpetüuv  IpavlM^v  \  dvi^c  ßouKoXiotct  xd  eipo- 

nÖKOiC  otecctV.  wie  reimt  sich  dies  mit  der  fürsorge  für  die  rinder  und 
ihre  hirten? 

Welcker  vereinigt  beides  so ,  dasz  er  annimt ,  jenes  sei  nicht  ernst, 
sondern  ironisch  gemeint,  allein  das  wäre  eine  schlechte  ironie,  die  so 
undeutlich  den  gegensatz  des  gesagten  und  des  gedachten  hervorhebt, 
denn  wer  ironisch  tadeln  will,  der  musz  entweder  das  schlechte  so  loben, 
dasz  jedermann  die  Unwahrheit  des  lobes  erkennt,  oder  er  musz  dorn 
tadelnswerthen  die  guten  eigenschaften  unterlegen,  die  es  nicht  hat/) 
es  geschieht  aber  hier  weder  das  eine  noch  das  andere,  soll  in  Apollons 
oben  angeführten  Worten  die  wahre  meinung  des  dichters  enthalten  sein, 
so  würde  er  durch  diesen  offen  ausgesprochenen  tadei  die  ironie  auf- 


4)  vgl.  Vischer  ästhetik  I  s.  437  Mie  ironie  ist  eine  scheinbar 
lobende,  in  Wahrheit  tadelnde  darstellung  eines  in  hSszlichkeit  ver- 
strickten, verirrten  subjectes*  usw. 

48* 


740  Tti.  Burckhardt :  zum  verslSiidois  des  Homeridenhymnos  auf  Hermes. 

heben,  aber  gerade  die  arl  wie  Apollon  den  trotz  des  kleiaen  fetndes 
aufnimt,  und  an  einem  andern  orte  die  anlwort  des  Hermes  auf  ähnhcbe 
vorwürfe  der  mutler  (162 — 182}  beweisen  dasz  der  dichter  gar  nicht  die 
ihm  von  Welcker  untergelegte  absieht  des  tadeis  hat.  Apollon  iSchell  ja^ 
da  er  Hermes  den  dpxöc  (pT]XT]T^U)V  nennt,  und  mit  offenbarem  behagen 
wird  die  Zuversicht  geschildert,  womit  der  ungezogene  junge  erkUrt 
diebshauplmaiin  werden  zu  wollen,  ebenso  lacht  Zeus  nachher  laut  auf 
V.  389  ibibv  KttKOMfibea  iraiba  |  eS  Ka\  dmcraji^vtuc  &pv6uji€vov 
ö^cpi  ßöecciv.  der  dichter,  der  wol  gar  nicht  darüber  nachgedacht  hat, 
dasz  der  rinderdieb  und  der  herdenbeschQtzer  Hermes  als  widersprach 
könnten  aufgefaszt  werden,  wflrde  uns  auf  unsere  frage  antworten:  ^ier 
liebste  besitz  ist  ihm  die  herde;  wie  er  für  sich  die  kühe  stiehlt,  so  wird 
er  auch  andern  zu  diesem  besitz  helfen,  geschähe  es  selbst  durch  stehla; 
so  bleibt  er  in  der  that  ipiouvioc.^  allerdings  wird  er  dabei  zum  gott 
des  gewinnes  durch  listige  dieberei.  es  wurd  dies  aber  hier  als  etwas  so 
JialQrliches,  lustiges  betrachtet,  dasz  ein  tadel  dieser  eigenschaft  gar 
nicht  laut  wird. 

Wenn  somit  von  Ironie  keine  rede  sein  kann,  so  darf  dodi  das 
humoristische  in  der  auffassung  des  mythos  nicht  geleugnet  werden, 
denn  eine  gottheit,  die  zugleich  den  sogen  des  herdenreichtums  spendet 
und  doch  die  denselben  gefährdenden  diebe  beschützt,  kann  im  ernsten 
sinne  des  wortes  nicht  zugleich  gedacht  werden,  wenn  auch  Welckers 
erinneruug  a.  o.  II  s.  461  ganz  triftig  ist:  'gegen  fremde  oder  auszer 
der  genossensciiaft  stehende,  gegen  die  unterdrückende  classe,  gegen  den 
feind  geübt,  war  das  entwenden,  vervorteilen ,  überlisten  nichts  böses. 
den  Griechen  lag  die  Wahrheit  an  sich  so  wenig  am  herzen,  dasz  selbst 
Orestes  bei  Sophokles  sagt,  keine  rede  wobei  gewinn  sei  scheine  Am 
schlecht  (El.  62).  der  trügliche  und  diebische  Hermes  ist  etwas  mehr  ais 
das  bild  einer  in  der  gesellschaft  unter  andern  auch  nicht  zu  übersehen- 
den erscheinung,  aus  welchem  nachteilige  folgerungen  zu  ziehen  masz 
und  gesunder  sinn  das  volk  hinlänglich  abgehallen  hätte:  aber  er  sagte 
nur  zu  sehr  dem  geisle  des  gewandten,  bewegÜchen,  versclilagenen  voIkes 
zu.'  im  ernst  genommen  ist  also  auch  dies  keine  gottheit  (wenn  ihr 
schon  die  Samier  als  dem  Hermes  Charidotes  ein  fest  feierten,  wo  zu 
stehlen  erlaubt  war,  vgl.  Welcker  a.  o.),  sondern  eine  poetische  figur 
des  voiksgeistes.  so  auch  im  hymnos.  wäre  religiöser  oder  moralischer 
ernst  der  standpunct  des.  dichters  oder  iesers,  so  müsten  stellen  wie 
V.  294  CUV  b'  fipa  q>paccd|üievoc  (?)  tötc  bf|  xparuc  'ApTei9ÖVTTic  , 
oliüvöv  npo^iiKCV,  deipöjievoc  jiexd  x^pct,  |  TXrjjuiova  TCtcrpöc  fpiBovi 
diTdcBaXov  äTT€XiU)TT)v  oder  v.  130  wo  Hermes  nach  dem  opferfleisch 
lüstern  ist,  oder  274  und  384,  wo  er  einen  meineid  schwört,  nicht 
spaszhaft,  sondern  anstöszig  sein,  der  humor  liegt  aber  gerade  in  der 
freien,  puetfschen  art  den  gott  als  menschliches  wesen,  als  kecken  dleb 
zu  behandeln,  ohne  dasz  dabei  der  gedanke  an  die  macht  des  wirklich 
geglaubten  gotles  aufkommt;  um  so  weniger  da  Hermes  als  unmündiges 
kind  dargestellt  und  diese  Vorstellung  consequent  gewahrt  ist.  darin 
'   der  hymnos  dem  auf  Aphrodite  (IV)  am  nächsten,  wo  auch  die 


Th.  Burckhardi:  zum  verstHndnis  des  HomeridenhymDOS  auf  Hermes.  741 

göttio  einen  ganz  weltlichen,  wenn  auch  nichl  humoristischen  Charakter 
angenommen  hat 

Folgen  wir  Welcker,  so  mflssen  wir  ein  unsicheres  schwanken  zwi- 
schen ernst  und  komik,  zwischen  oiTenem  tadel  und  versteckter  Ironie 
annehmen  nel>en  allen  gleichgültigen  epitheta ,  die  mit  unterlaufen,  es 
fehlt  dann  alle  einheit  der  behandlung,  und  doch  spricht  der  hymnos 
gerade  durch  einen  hesiimmten  eindruck  des  spaszhaften  uns  an.  wir 
müssen  eben  die  Ursache  dieses  eindracks  da  suchen  wo  sie  wirklich  ist: 
im  rein  komischen,  das  von  allem  lob  oder  tadel  der  Wirklichkeit 
frei  ist,  sich  auf  dem  rein  poetischen  Schauplatz  der  lebendigen  epischen 
plastik  bewegt. 

Betrachten  wir  zuerst  die  handelnde  hauptperson :  den  kleinen  Her- 
mes und  seinen  Charakter,  er  ist  durchaus  als  kind  dargestellt  und  dies 
bild  durch  viel  feine  züge  genrebaft  ausgemalt,  so  v.  150—153,  wo 
der  knabe  flink  in  die  windeln  schlüpft,  behaglich  sicli  einwickelt  und 
das  neue  eigentum,  die  schiidkrötenlder  im  versteck  hält;  so  verkriecht 
er  sich  v.  237  ff.  tief  in  die  windeln  und  stellt  sich  schlafend  wie  ein 
kind ;  ja  vor  Zeus  rkhterstnhl  steht  er  in  das  leintuch  gehüllt  da  v.  388 
vgl.  305 ,  er  beruft  sich  gegen  ApoUon  auf  seine  kindheit  v.  265  ff.  und 
ebenso  vor  Zeus  376  ff.,  und  Apollon  wundert  sich  über  Hermes  kunst 
im  spielen,  da  er  doch  so  klein  sei  v.  456. 

Diese  kleine  person  nun  aber  handelt  nicht  nur  gleich  einer  erwach- 
senen verständig,  erfindungsreich ,  sondern  behauptet  auch  die  ansprüche 
eines  vollkommenen  gottes  zu  haben,  behauptet  ihr  göttliches  recht  auch 
im  lügen  und  betrügen  und  will  mit  ihrem  zugestandenen  unrecht,  der 
dieberei,  zu  den  ehren  und  der  macht  eines  Olympiers  gelangen. 

Das  erhabene  also,  das  diesem  kleinen  gegenübersteht,  ist  das  in 
der  göttergesellschaft  geltende  recht,  die  Wahrheit,  der  anstand.  Hermes 
leugnet  dies  alles,  indem  er  es  ohne  gewissensbisse  verletzt  und  dazu 
doch  ein  golt  und  in  seinem  vollen  rechte  zu  sein  behauptet,  wir  legen 
ihm  aber  unter,  dasz  er  sich  seiner  Unverschämtheit  wol  bewust  sei; 
dennoch  übt  er  immer  von  neuem  seine  unart  aus.  so  haben  wir  den 
ganzen  process  des  komischen  vor  uns.  es  sei  erlaubt  dies  an  der  band 
des  gedichtes  noch  im  einzelnen  nachzuweisen. 

Gleich  beim  auffinden  der  Schildkröte  macht  sich  der  humor  geltend, 
das  tbier  wackelt  zierlieh  einher,  dem  Hermes  entgegen,  sofort  entsteht 
iu  diesem  der  gedanke  der  nutzbarkeit  desselben  und  das  begehren  des 
besitzes.  er  redet  sie  an'),  indem  er  witzig  X^^^c  in  dem  doppelten 
sinne  von  ^Schildkröte'  und  *leier*  nimt :  X^^9^  i  <PW^V  ^pöccca ,  xopoi- 
TU1T6,  baiTÖc  iraipr],  I  daraciii  rrpoqpoveica  usw.  die  anrede  laszt 
uns  das  thier  als  belebt  erscheinen,  und  so  entsteht  in  uns  bei  dem  lob, 
das  ihr  gespendet  wird  aus  dem  munde  ihres  mörders,  das  gefubl,  es 


5)  ich  atiinme  hier  dnrobans  nicht  mit  Hermann  praef.  s.  XLYII 
und  Greve,  welche  die  'simplicitas'  vermissen  und  von  dem  humor  gar 
nichts  verstanden  haben ,  auf  den  zuerst  Schneidewin  im  philol.  III  s.  663 
aufmerksam  machte. 


742  Tb.  Burckliardt:  zum  renUndnis  des  HomerideiihjaiQM  aaf  Bermct. 

müsse  dem  guten  thiere  dasselbe  sehr  sauersOsx  klingen,  spasiliaft  isl  es 
auch  dasz  er  ihr  das  Sprichwort  zuroft  ▼.  36  oIkoi  ßä^TCpov  dvat 
iirel  ßXaßepdv  t6  6upT}<piV,  als  ob  das  einfältige  thier  sich  bltle  ror- 
sehen  können. 

V.  54  IT.:  Hermes  singt  es  ist  ein  hymnos  aaf  seine  eitern  und  seil 
geschlecfat.  aber  das  lob  wird  zum  spasz  durch  die  nnverachtnrtbeit,  we- 
mit  der  kaum  geborene  junge  die  iiebschaCI  seiner  eignen  eitern  an  be- 
spötteln wagt,  also  wieder  der  Widerspruch  des  komischen,  neodich  dasz 
der  anstand  von  naiver  keckheit  ungestört  misachlet  wird. 

Aehnlicfa  dem  obigen  ist  die  opferscene  v.  130 IT^  wo  Heraes,  naeb- 
dem  er  das  opfer  gesetz-  und  ordnuugsgemisz  vollzogen  (v.  129),  suu 
aller  andJichligen  gedanken  nur  das  gelösten  nach  dem  veraeimai  d^  flei- 
sches  verspört  und  so  wieder  das  natürliche  hedörfnis  sein  recht  Yerlangt 
gegen  die  heilige  Satzung  (freilich  bleibt  es  bei  dem  gelösten:  ▼.  1^ 
dXX'  oöb'  die  ol  dircMcTO  Oi^c^^hr^V^tup,  |  icaC  t€  jyuiX'  Ifidpova 
TTCpav  i€pf)c  Kord  b€ipf)c,  aber  irre  ich  nicht,  so  streift  hier  der  8i^iöc 
drfjvuip  an  die  parodie). 

Den  rinderdiebstalil  vollbringt  er  nun  wieder  mit  aller  raffiaerie  der 
list  und  der  Verachtung  des  göttlichen  reclits,  und  es  durchllult  hier 
dieselbe  ihre  verschiedenen  Stadien:  erst  verheimliebong  durch  die  nage- 
wandten  kunstraillel,  dann  der  mutter  gegeniber  offenes  bekenntn»  und 
rechtfertigung  des  ranbrechtes,  ApoUnn  und  Zeus  gegenüber  ablengnung^ 
die  allen  beweisen  ins  gesiebt  schlflgt  und  bis  zum  meineid  gehe  —  mit 
allen  lügen  eines  durchtriebenen  diebes,  so  dasz  Zeus  selbst  laat  auiachL 
seine  unschuldbetheurangen,  seine  erheuchelte  entrAstung  aber  das  ihm 
zugemutete  verbrechen  sind  köstlich  naiv,  er  ist  kein  elgentiichnr  böse 
wicht,  weil  er  sich  im  gründe  seiner  schuld  selitat  wol  bewnst  and 
sogar  in  angst  ist,  als  Apollon  ihn  aus  seinem  bettlein  aufhebt  v.  291, 
wobei  ihm  eine  derbe,  natürliche  angstSusiemng  entfShrt,  die  er  va^ 
geblich  durch  niesen  zu  verdecken  suchL^} 

Es  folgt  die  scene  der  auffindung  der  rlnder;  Apollon  bemerkt  dasz 
zwei  an  der  zahl  fehlen,  entbrennt  in  zorn  auf  Hermes  der  sie  gesddach- 
tet  hat,  und  will  ihn  binden,  zwar  ist  hier  eine  iQcke  und  ein  teitver- 
derbnis,  und  der  Zusammenhang  Ist  gestört  doch  scheint  auch  kier  eta 
mittel  der  diebskunst  oder  ein  neckischer  streich  dem  Hermes  herausge* 
helfen  zu  haben  (v.  413  '€p)i^(U  KXei|nq>povoc}:  denn  wir  sehen  dm 
stolzen  Apollon  plötzlich  und  spielend  von  Hermes  Jbesinftigt  (w.  417). 
ja  zumi  lachen  gebracht  (420),  so  dasz  er  nacMier  ganz  geschmeidig. 


6)  Preller  griech.  m^th.  I  a.  245  ^Hermes  legt  sich  aufs  lügen,  AjpoUoa 

will  ihn  zwingen,  aber  Hermes  entschlüpft  mm:  ein  Wettstreit  kiiidi- 

scher  list  und  bukolischer  unversch&mtheit  mit  Apollinischer  grnTitSt, 

den  die  poesie  and  die  bildende  konst  mit  besonders  glücklichem 

humor  weiter  ausgeführt  hat.  7)  es  gUt  somit  von  diesem  rftaber 

'    *Mbe  wma  Visoher  äethetik  I  a.  3M  von  Falatoff  sagt:  «es  erklirt 

tn  erst  TöUig,  warum  es  im  komischen  keine  eigentliche  «chnld 

wer  zn  einem  straszenrnub  die  nöüge  gefährltcfakeit  eo  wenig 

t  wie  Falfltaff,  von  dessen  schuld  iKszt  sich  absehen.' 


Tb.  Burdihardt:  zum  Verständnis  des  Homeridenhymnos  auf  Hermes.  743 

zärtlich  bittend  wird  v.  437  ff.  somit  wärde  nun  eigentlich  Apollon  zum 
gegenständ  des  lachens ;  denn  ihn  bringt  nun  seinerseits  zuerst  der  zorn, 
dann  die  begierde  nach  dem  besitz  der  kithar  zu  der  Verleugnung  seiner 
hoheit,  dasz  er  sich  dem  jungem  bnider,  dem  oeugebortnen  unterwirft 
und  dessen  wurde  anerlcennt  (458  ff.)-  ^^^r  such  das  HermesknSbleia 
bleibt  die  neckische  figur,  die  es  von  anfang  an  gewesen,  denn  während 
der  knabe  den  ernsten  hymnos  425  ff.  auf  alle  götter  und  besonders  die 
Mnemosyne  singt,  steigt  uns  unwillkürlich  der  gedanke  auf,  dasz  ihm 
•diese  heiligen  götler  im  gegebenen  augenblick  gleichgültig  sind:  er  will 
damit  nur  die  begierde  Apollons  geCugen  nehmen  und  dadurch  die  rinder 
gewinneii.  so  nimt  er  auch ,  der  altkluge  junge,  v.  463  ff«  eine  wahrhaft 
väterlich  belehrende  miene  gegen  den  hochgestellten  bruder  an,  da  er 
ihm  die  kunst  des  kitharspielens  mitteilt:  iO^Xui  b^  TOt  fjirioc  etvai  | 
ßouX^  Kai  ^u6ot€l  usw.,  ebenfalls  deshalb  weil  ihn  die  begierde  nach 
den  rindern  dazu  treibt. 

Der  ausgang  v.  496  ff.  entspricht  ganz  dem  komisehen  Charakter 
des  kleinen  epos:  der  streit,  der  so  ernst  zu  werden  drohte,  ist  zu  beider- 
seitiger befrtedigung  beigelegt:  Apollon  hat  die  leier  erhalten,  Hermes 
die  gewünschten  rinder;  jeder  hat  etwas  daran  geben  müssen  und  seinen 
wnnsoli  damit  erreicht,   alles  löst  sich  In  Zufriedenheit  auf. 

Denn  mit  v.  506  musz  der  hymnos  schlieszen.^)  sind  die  versöhnten 
im  01y»p  angekommen,  so  hat  Hermes  sein  streben  den  Olympiern  eben- 
bürtig zu  sein  erreicht,  es  ist  poetisch  undenkbar,  dasz  nun  eine  neue 
Störung  eintreten  sollte,  besonders  da  letztere  unpassend  durch  die  furcht 
Apollons  motiviert  wird,  der  kleine  dieb  möchte  Ihm  die  Kida|>tc  und 
die  Ka^iruXa  TÖ&t  stehlen,  das  gespräch,  das  diesen  scMusz  füllt,  hat 
kein  deutliches  locai  wo  es  gesdiiehl.  und  —  die  hauptsache  —  von 
der  neckischen  komik  sehe  Ich  hier  keine  spur  mehr:  der  Hermes,  der 
vorhin  keck  einen  meineid  that,  soU  jetzt  seinem  gegner  eidlich  verspre- 
chen ihn  in  ruhe  zu  lassen,  und  dieser  soll  ihm  gutmütig  glauben?  mir 
scheint,  dem  dichter  dieser  partie  sei  es  anstöszig  gewesen,  dasz  Apollon 
im  hymnos  eine  so  demütige  rolle  spielte :  er  erinnert  jetzt  daran ,  dasz 
ApoHon  eigentlich  das  höchste,  das  orakd  besitze,  Hermes  blosz  eine  ge- 
ringe Unterart  davon,  die  er  von  Apollon  geschenkt  erhalten,  und  um 
den  hohem  gott  wieder  in  seine  ehre  einzusetzen ,  führt  er  das  nun  aus, 
indem  er  eine  parallele  zwischen  der  weissagekunst  Apollons  und  der  des 
Hermes  zieht  seine  ansichten  von  den  ApoUinischen  orakeln  bringt  er 
dabei  an  (549),  vieileicht  nicht  einmal  ironisch,  wie  Baumeister  bemerkt, 
aber  wenn  auch  •*  so  ist  es  ein  herber,  bitterer  sarcasmus,  nicht  jene 
heitere  komik  des  ersten  dichters.  sein  endresultat  ist  hiernach  dem  Her- 
mes ungünstig:  ▼.  577  icaOpa  \ib^  o8v  övivria  usw. 

Ueberiilidten  whr  nocfamdi  die  eben  analysierten  voi^gänge  des  kurni- 
schen  in  unserm  hymnos,  so  Ist  es  flberall  das  sinnliche,  natürliehe,  nn- 
bewuste,  das  sieh  an  die  sieUe  der  idee  des  erhiibeiien  setzt,  die  sonst 


8)  die  gründe  zur  absondenmg  dieses  Schlusses  haben  Schneide win 
I.  und  Doeh  besser  Welek^r  götterlthre  II  s.  #6S  f.  aasgeführt. 


744  Th.  Burckhardt:  zum  rersUndnis  des  Homeridenhymnos  auf  Hennes. 

der  goU  und  die  göllergemeinsciutft  des  Olymps  verlangt:  die  diebskoosl 
und  raoblust,  die  leichtferügkeit  womit  Hermes  den  anstand  verleibt, 
stiehlt  und  Ifigl,  seine  Iflsternbeit  nadi  fleisch,  und  dies  ist  es  was  dem 
gedieht  den  reiz  des  naiven  in  so  hohem  grade  verleiht. 

n 

Allein  nicht  alle  partien  des  gedichts  haben  den  komischen  vortraf 
des  mylhos  vom  rinderraub:  so  besonders  die  stellen  wo  von  der  leier 
und  der  musik  die  rede  ist.  es  scheint  nicht  mit  dem  Charakter  des  buko- 
lischen herdengottes  zu  stimmen,  dasz  er  (wenn  auch  hier  das  humoristi- 
sche nicht  ganz  fehlt)  v.  478  ff.  so  kundig  und  weise  wie  ein  fachgenosse 
einem  laien  gegenüber  von  der  kunst  der  kitharodik  redet,  auch  von 
Apollon  als  meister  darin  bewundert  wird  (436  ff.),  während  doch  im 
cultus  Hermes  kein  musischer  golt  ist.  ebenso  scheint  die  hesclireibung 
von  erßndung  des  Instrumentes  v.  39 — 51  ausführlicher  als  nötig,  und 
wo  sich  gelegenheit  dazu  findet,  nach  Verfertigung  des  Instrumentes  und 
zur  besänfligung  ApoUons  fibt  der  kleine  Hermes  diese  kunst.  Bemhardy 
griech.  litt  P  s.  348  erklärt  dies  so :  die  hymnen  'feiern  auch  (neben  dem 
mythologisch*gelehrten  interesse)  die  hohe  Stellung  der  leier  und  des  ge- 
sanges,  weil  sie  den  Stoffen  der  theogonie  und  der  priester- 
Weisheit  sich  weihten  (hy.  Merc.  427 — 433.  478  —  512).'  das 
letztere  mag  nun  woi  im  allgemeinen  auf  die  hymnen  und  besonders  etwa 
auf  unsere  Apolliniscbeo  passen ,  von  denen  der  auf  den  pythischen  golt 
hie  und  da  priestereinfiusz  verralhen  dQrfte.  auch  auf  unser  gedieht 
scheint  die  bemerkung  zu  passen,  well  darin  zweimal  ein  hymnos  vorge- 
tragen wird;  die  verse  427 — 433  geben  sogar  als  Inhalt  eine  ganze 
theogonie  durchaus  im  Hesiodischen  sinne  an.  aber  dasz  unser  hymnos 
dadurch  den  geistlichen  gebrauch  der  kithar  erheben  wolle,  ist  nicht 
wahrscheinlich,  denn  erstlich  hat  er  vom  geistlichen  so  wenig  als  kaum 
ein  anderer  unter  den  erhaltenen ,  und  zweitens  wird  der  weltliche  ge- 
brauch der  kithar  überall  ausdrücklich  hervorgehoben  und  so  als  haopt- 
Sache  ausgemalt,  dasz  man  denken  könnte,  der  dichter  kenne  den  im 
cultus  gar  nicht.  Apollon  selbst ,  dessen  cultus  doch  die  kithar  beson- 
ders eigen  ist,  denkt  nur  an  die  Unterhaltung  beim  mahle  und  setzt  sie 
gerade  den  chören  und  tanzen  der  Musen  zur  flöte  entgegen :  v.  450  ff. 
Kai  f&p  tfib  Moucqctv  "OXu^Tridbecciv  6m)böc,  |  tQci  xopoi  t€  ^^- 
Xouci  Kai  dtXaöc  u^voc  äoi5f|c  |  xal  ^oXirfi  TcOaXuTa  xal  l/bicpöcic 
ßpöjioc  aöXüüv  I  dXX*  ofiirtu  ri  ^oi  ilibe  jierä  <pp€clv  fiXXo  ^eXn- 
cev  9  l  ola  vduiv  OoXiqc  dvb^Sta  fpta  Tr^ovTai.  so  ist  das  erste  lied 
das  Hermes  vorträgt  mit  den  spottliedem  verglichen,  welche  die  Jüng- 
linge bei  tische  singen  v,  54  ff.  Ocöc  b'  \ynö  KaXöv  äetbev  |  iE  aöro* 
cx€biT]c  ireipui^evoc ,  i^ure  KoOpoi  |  f|ßiiTal  BaXiija  irapatßöXa  Kcp- 
TO^^ouav.  endlich  vergleicht  Hermes  in  der  anweisung,  die  er  dem 
Apollon  zum  kitharspiel  gibt,  das  Instrument  mit  ebier  dTOipn  v.  478^ 
die  wol  zu  unterhalten  weisz  beim  feiten  mahl ,  im  xopöc  ifiepöeic  (also 
wol  der  weltliche  tanz,  da  es  zwischen  gaslmahl  und  komos  steht)  und 

^)^oc.   sein  hauplzweck  sei  Vertreibung  der  sorgen  des  aUtagslebens. 


Th.  Burckhardt:  zum  versUndnis  des  Homeridenhymnos  auf  Hermes.  745 

war  denn  nicht  ApoUon  gegenüber  zunScbst  an  die  chöre  des  cullus  zu 
denken,  wo  die  kithar  recht  eigentlich  zu  hause  war?  warum  wird  dies 
nicht  erwähnt?')  offenbar  weil  das  gar  nicht  das  gebiet  unseres  dichters 
ist,  der  am  liebsten  im  geselligen  kreise,  in  traulicher  gemfltlichkeit  bei 
tische  sich  es  wol  sein  läszt  und  den  Vortrag  der  tischgenossen  anhört, 
dahin  passt  auch  sein  eigener  gesang,  eben  unser  hymnos,  weit  besser 
als  vor  prlestergesellschaften  oder  religiöse  volksversamlungen ,  und  es 
gilt  hier  gewis  in  vollem  masze,  was  Bernhardy  a.  o.  II'  3  s.  186  von  den 
Homerischen  bymnen  sagt:  *nur  in  profanen,  hörlustigen,  wir  dürfen 
auch  hinzusetzen  gutgelaunten  versamlungeu  war  ihr  platz.' 

Die  feier  des  gesanges  erkläre  Ich  mir  daher  Heber  aus  dem  standes- 
gefühl  des  aöden,  der,  wie  er  überhaupt  den  mythos  frei  behandelt,  jeden 
anlasz  benutzte  den  erfinder  der  leier  von  ihren  Vorzügen  reden  zu  lassen, 
auch  auf  die  gefahr  hin  dasz  dies  zu  der  mythologischen  Vorstellung ,  die 
mau  von  dem  gölte  hatte,  weniger  passe,  so  Weicker  gölterlehre  II 
s.  466:  Mer  dichter  stellt  durch  den  streit  beider  götter  uicht  blosz 
ihre  eigenschaften  und  unähnlichkeilen  ins  licht,  wozu  streit  und  vertrag, 
zumal  wenn  dem  verstand  und  der  laune  die  mythen  unterzogen  werden, 
die  beste  form  hergeben,  sondern  mit  behagen  als  aöde  den  stand  der 
freien  bildung  mit  dem  des  erwerbs  durch  Viehzucht  und  handel,  die 
kitharls  mit  dem  gemeinen  leben  in  gegensatz/  nur  dagegen  möchte  ich 
mich  hierbei  verwahren ,  als  ob  der  zweck  des  gedichtes  sei  *die  eigen- 
schaften und  unähnlichkeiten  beider  götter  ins  licht  zu  setzen'  und  als 
ob  der  ^sland  des  erwerbs  durch  Viehzucht  und  handeP  geringschätzig 
behandelt  wäre,  ersleres  thut  der  dichter  nur  so  viel  als  es  gelegentlich 
geschehen  musz  zur  epischen  Charakteristik:  so  in  Hermes  worten  v.  468 
—474,  der  dabei  seinen  gegner  durch  das  lob  sich  geneigt  machen  will; 
daher  v.  463  jiOOoictv  djueißCTO  k  €  p  b  a  X  ^  o  i  c  i  v.  nur  der  nachdichter 
von  v.  607  an  verfolgt  diesen  zweck,  letzteres  aber,  die  geringschätzung 
des  hirlenstandes,  finde  ich  gar  nicht,  vielmehr  das  gegenteil.  die  freude 
an  den  Sitten  des  land-  und  weidelebens  ist  unverkennbar,  so  v.  103— 
107  der  feine  zug ,  dasz  der  rindertreibende  Hermes  nach  art  der  hirten 
die  thiere  erst  noch  weiden  läszt,  ehe  er  sie  in  den  stall  treibt,  und 
diese  noch  behaglich  kauend  hinein  gehen,  und  was  soll  die  bereitung 
des  feuers  v.  108 — 114  anders  als  eine  scene  des  landlebens  (s.  Bau- 
meister zu  V.  108  und  die  von  ihm  angeführten  stellen  aus  Seneca  u.  a.) 


9)  man  könnte  denken  darum,  weil  unter  K{6aptc  eigentlich  XOpa 
(so  steht  T.  428^  Tcrbtanden  sei,  wie  die  ansleger  annehmen;  und  dieses 
instmment  winl  meist  nur  im  priyatleben  angewandt:  vgl.  Carl  von  Jan 
de  fidibns  Graeconim  (Berlin  1869)  s.  22  ff.  aber  wie  die  werte,  so  wer- 
den im  hymnos  offenbar  auch  die  begriffe  vermischt:  denn  der  Vortrag 
des  liedes  y.  427^433  veilan^t  die  xCOapic,  nur  auf  diese  passen  die 
andeutungen  Ton  der  schwleiigkeit  des  Spiels;  endlich  soll  ja  der  sinn 
des  tansches  mitApolIon  der  sein,  dasz  letzterer  daher  das  ihm  eigen- 
tümliche Instrument  besitze;  das  ist  atNr  die  kithar,  nicht  die  leier. 
will  indessen  jemand  darauf  beharren,  der  dichter  habe  nur  die  leSer  im 
äuge,  so  spricht  das  nur  um  so  mehr  für  den  weltlichen  oharakter 
der  hier  gemeinten 'musik. 


746  Tb.  Burckbardt:  sum  versländnis  des  Homerideohyomos  a«f  Hermes. 

schilderD,  die,  ohne  bedeutung  für  Hermes,  nur  das  idylUsdie  bäd 
ergäazl? 

So  haben  wir  also  auch  hier  die  Zumutung  einer  bestimmten  teo- 
denz,  eines  tadeis  gegen  einen  stand,  dem  der  herdengott  Hermes  ja  selbst 
vorsteht,  abzuweisen  und  dem  hymnos  die  hohe,  rein  poetische  stinunung 
zu  wahren,  die  ihn  so  lebendig  und  frisch  macht,  wie  auf  ^iser  seite  die 
laune,  die  komik  gilt,  so  auf  der  andern  das  idyllische,  dem  es  auch 
gemäsz  ist  dasz  ein  bild  oft  sorgfältiger  ausgemalt  wird  als  4er  fort- 
schrill  der  erzählung  verlangt,  dahin  rechnen  wir  jene  gante  aoeee  auf 
der  weide  mit  dem  anzünden  des  feuers  und  der  oprersubereiiimg.  be* 
sonders  lieblich  wird  das  heimliche  wesen  der  nymphengroUe  und  ihrer 
Umgebung  gezeichnet  v.  828—251  vgl.  60  und  61^^};  so  in  wenigea 
Zügen  das  heimliche,  von  niemand  gesehene  nftefalliche  treibea  des  Ba- 
rnes 142  fS,  und  gleich  darauf  150—153  das  knäblein  in  der  wiege,  wie 
€s,  die  kithar  unter  dem  arm,  die  finger  mit  den  windeln  spielen  läszL 

Wie  nun  diese  verliebe  für  das  ausmalen  des  kleinen  zum  gemOllicb 
ansprechenden  bilde  zusammenhange  mit  dem  oben  besprochenen  komi- 
scheu Charakter  des  epos,  ist  leicht  zu  begreifen,  da  auch  durch  das  ko- 
mische eben  das  kleine,  unbedeutende  in  sein  recht  eingesetzt  wird  gegen 
ein  erluibenes  (Vischer  astlietSk  I  S  168  anm.  1),  auch  der  komiker  jenes 
^urch  Schilderung  beleben  musz.  nur  wird  das  eine  mal  mehr  das  gc- 
mül,  das  andere  mal  der  verstand  heiter  berührt. 

Da  es  im  altertum  noch  verschiedene  poetische  bearbeitungen  des- 
iselben  mythos  gab,  so  wäre  es  zur  beurteilung  unseres  dichters  lehmidi 
zu  wissen,  inwiefern  er  sich  an  seine  vorg&nger  angeschlossen  habe, 
oder  seine  nachfolger  an  ihn.  und  insbesoodere  für  uasern  zweck  wire 
dies  ersprieszlich ,  da  sich  daraus  ergeben  müste,  ob  die  komische  be- 
handlung  unserm  dichter  allein  eigentümlich  ist,  oder  ob  dieser  aug  aocb 
durch  andere  dichtungen  gieng,  ja  vielleicht  gar  in  der  sage  des  volkes 
selbst  lag.  nun  sind  aber  die  vom  hymnos  abweichenden  erzlMungen 
uns  erat  aus  späten  schriflstellem  bekannt,  wie  besonders  die  beidea 
f^tittänger,  Hesiodos  in  den  groszen  eOen  und  Alkäos  in  einem  hymnos 
<leu\egenstand  darstellten,  davon  vermögen  wir  nur  einzelne  spuren  und 
auch  diese  vielfach  nur  durch  combinallon  zu  ericennen.  indessen  einiges 
kann  mit  Sicherheit  nachgewiesen  werden,  und  zwar  nicht  ohne  resaltat 
für  unsere  frage,  bei  der  allein  wir  auch  stehen  bleiben. 

Stellt  man  die  verschiedenen  berichte  über  den  mythos  vom  rinder- 
raub zusammen,  so  ergeben  sich  dreierlei  Varianten: 

1)  die  des  Homerischen  hymnos;  ihr  folgt  genau  Apollodor  HI  10, 2. 
und  zwar  indem  er  die  forlsetzung  nach  v.  506  mitbenutzt;  was  er  tedert^ 
hat  er  schwerlich  aus  einer  zweiten  quelle,  sondern  aus  eigner  erfindong. 


10)  auf  diesen  ^idyMiscben  d.  h.  anmutig  beschreibendea'  an^  des 
•ohtes  hat  schon  W.  Waokemagel  ^die  epische  noesie'  im  schweia- 
im  für  bist  wiss.  II  s.  266  aufmerksam  gemaditi 


Th«  Burckhardt:  zum  versländois  des  Romertdenhymnos  auf  Hermes.  747 

2)  die  erzäblung  des  A]käos,  welche  nach  Porphyrion  Horatius  be- 
nOltte  carm.  I  10,  und  der  wahrscheinlich  auch  der  scholiasl  zur  Ufas 
O  256  sowie  Phllostratos  I  26  folgen,  dasz  der  rinderdiebslahl  darin 
vorliam,  sagt  Pausanias  VII  20,  4.  das  stehlen  des  köchers  ist  diesen 
drei  bericbterslaltern  gemeinsam  und  ist  nach  Porphyrion  auf  Alkäos 
zurückzuführen,  dürfen  wir  demnach  die  Philostratische  erzählung  im 
wesentlichen  von  Alkäos  herleiten,  so  geschah  die  gebttrt  des  Hermes 
und  der  wortstreii  mit  ApoUon  auf  dem  Olymp,  welche  Vermutung  durch 
Menandros  n.  dTKUifiiun^  IX  149  (Walz)  unterstützt  wird ,  vgl.  Bergk  zu 
AlkSos  fr.  6. 

3)  die  fabel  des  Antoninus  Liberalis  23.  er  gibt  als  seine  gewährs- 
männer  an:  Nikandros,  Hesiodos  in  den  groszen  eüen,  die  melamorphosen 
eines  Didymarchos,  des  Antigonoa  (wahrscheinlich  Karystios,  vgl.  Koclis 
ausgäbe  praef.  s.  27)  und  Apollonios  von  Rhodos,  i&c  q>T)ci  ITäjLiqpiXoc 
iv  a'  (wahrscheinlich  dessen  commentar  zu  Nikandros,  vgl.  Koch  a.  o. 
«.  39).  aus  dem  letzten  wird  Antonin  die  namen  der  autoren,  aus  Nikan* 
dros,  den  er  auch  sonst  öfter  benützt,  die  erz&hlung  selbst  haben,  sowie 
der  Übereinstimmeode  Ovid  met.  II  680 — 707.  abweichend  von  den  bei- 
den abigen  Versionen  ist  hier  die  erzählung  von  Battos,  die  für  diese 
metamorphosenschreiber  die  spitze  und  das  ende  ist.  aber  in  verschiede- 
nen puncten  gleteht  diese  Überlieferung  der  des  Homerischen  hymnos: 
der  weg  den  der  rindertreibende  Hermes  maclit  ist  derselbe,  aus  Thessa- 
lien durch  Lokris,  Bootien,  Megaris,  den  Peloponnes,  und  er  verbirgt  die 
herde  ^v  Ti|i  npriuivi  irapä  tö  Kopuqxkiov,  de  tö  cnfiXaiov  eiceXd- 
cac  ävTiKpuc  IroXiac  KalCiKcXtac*  dies  ist  aber  gerade  die  tropfsiein- 
hdhle,  der  ort  den  auch  der  hymnos  meint,  wie  K.  0.  Müller  nachge- 
wiesen hat  in  Gerhards  hyperbor.-rüm.  Studien  I  s.  310 — 316  *die 
Herraesgrotte  bei  Pylos'.  von  der  leier  und  dem  streit  mit  Apollon 
erfahren  wir  hier  nichts,  weil  der  bericht  mit  der  Verwandlung  des 
Battos  in  den  stein  abbricht,  was  nun  hiervon  dem  Hesiodos  zukomme, 
ob  nur  der  anfang  von  Apollons  llebschaft  mit  Hymenäos,  dem  söhne  des 
Magnes  in  Thessalien  (Clöttllng  zu  Hes.  fr.  37),  oder  das  ganze  — das 
müssen  wir  auf  sich  beruhen  lassen. 

Es  iäszt  sich  darum  nicht  bestimmen,  ob  schon  bei  Hesiodos  Hermes 
mit  kenisclier  färbung  dargesteik  war.  aber  gewis  war  das  bei  Alkäos 
der  fall,  hier  handelte  er  als  neugeborener  knabe,  wie  wir  aus  Horaz 
und  Porpfayrion  wissen,  der  zu  carm.  I10,9--12le,  boves  oHm  nisi 
reddidisiei  per  delum  amotas^  puerum  tnmaei  voce  dum  ierret^  vi- 
duus  phmretra  risit  ApoUo  bemerkt:  fabuia  haec  autem  ab  Alcaeoficta. 
wie  man  sich  die  seene  des  kdcberdiebstaMs  se^at  ztt  denken  habe,  sehen 
wir  aus  Philostralos  I  26,  der  sie,  wie  oben  bemerkt,  wahrscheinlich  aue 
Alkäos  hat:  ApoHon,  dem  die  riiider  von  dem  neugeborenen  knaben  ge- 
stohlen sind ,  kommt  auf  den  Olymp  zur  Maia  und  verlangt  die  rinder  die 
Hermes  in  die  4rde  veiiiorgen  habe,  während  sie  nun  nidits  davon  zu 
wissen  beiiaiiptet,  Apollon  aber  mit  seinem  som  droht,  ist  der  kleine 
aus  dem  bettehen  gestiegen ,  springt  seinem  feinde  von  hinten  leicht  auf 
den  rflekiSB  und  lüst  thm  lautlos  das  geschosz  (t&  TÖEa)  von  der  scholter; 


748  Tb.  Borckhardt:  zum  Verständnis  des  Homeridenhymnos  auf  Hermes. 

als  es  Apollon  bemerkt,  nacbdem  es  geschehen,  bricbt  er  in  lachen  aas 
und  vergiszt  seinen  groll:  &iax€i,  heiszt  es  vom  maier,  TÖv  'AttöXXu» 
Kttl  TTOici  xoiipovTa'  jicfieTpiiTai  bk  6  t^Xiuc,  oloc  iqpiZdvujv  rqi 
npociüYrtfi  OujLLÖv  dicviKibcnc  f|bovfic.  also  durch  seine  keckbeit  weisz 
der  lustige  knabe  den  groll  des  feindes  zu  besänftigen,  es  ist  offenbar 
dieselbe  scene  die  Horaz  vor  äugen  bat;  und  damit  stimmt  auch  das 
scbolion  zu  II.  0  256  direiXoOvTOC  bk  toO  *AiröXXujvoc  £icX€i|i€v 
aÖToG  Kai  Td  im  tu>v  djfiuiv  töEcu  )i€ibidcac  bk  b  6edc  ^buncev 
auT(|i  Tf|v  fiavTiKf)V  ^dßbov  . .  SXaße  bk  nap"  auToO  Ti\v  Xupav. 
vielleicht  haben  wir  hierin  den  schlusz  des  Alkäischen  gedichtes  erhalten, 
der  dann  so  zu  denken  wäre,  dasz  der  friede  durch  einen  doppelten  tauscü 
hergestellt  wird :  um  die  kfihe  behalten  zu  dürfen,  mosz  Hermes  die  leier 
abtreten,  und  um  wieder  zu  seinem  bogen  zu  gelangen,  gibt  Apollon  den 
Stab,  wie  dem  aber  auch  sein  mag ,  jedenfalls  hat  Alkäos  dem  Hermes 
den  Charakter  des  neckischen  und  humoristischen  gegeben.  Porphyrion 
und  Philostratos  sagen  dies  auch  ansdrQcklich;  jener  zu  v.  7  und  8  ioeaso 
furto:  bene  iocoso^  non  enim  iüo  quod  ad  avarUiae  fraudem  spee- 
tat;  und  dieser:  <paci  t6v  '€p^fiv  . .  dpav  ToO  kX^ittciv  Kai  elb^vcu 
toCto  oÖTi  YTUJ  ToOra  ireviqi  bpuiv  ö  Oedc,  dXX*  €Ö<ppocuvTi 
bibotjc  Kai  Trai2Iu)V.  folgen  beide,  wie  zu  vermuten,  dem  Alkios, 
so  stammt  auch  diese  fibereinstimmende  bemerkung  beider  von  dem  ein* 
druck  des  Alkäischen  gedichtes. 

Es  ist  gezeigt  worden  dasz  ein  rein  komischer,  nicht  satirischer  ton 
den  Homerischen  hymnos  f&rbt,  dasz  derselbe  auch  dem  Alkäischen  hym- 
nos  nicht  fremd  war.  dies  ist  um  so  begreiflicher,  da  Hermes  überhaupt 
als  gott  der  listigen  diebskunst  und  vermöge  seiner  derbsinnlichen  natiir 
auch  in  anderen  mythen  eine  komische  rolle  spielt,  so  in  einer  erzähiung 
bei  dem  scholiasten  zur  II.  Q  24  nach  Eratosthenes :  er  stiehlt  seiner 
mutter  Maia  und  ihren  Schwestern  beim  baden  die  kleider,  T^XujTa  bk 
biä  TOUTOu  TTOi/jcac  dYr^bu)K€v  aOraic  Tdc  dcOffrac  über  die  diebs- 
kunst vgl.  Welcker  götterlehre  II  s.  460  ff.  Preller  gr.  myth.  I  s.  256; 
über  seine  sinnliche  natur  Welcker  I  s.  335.  Preller  1  s.  249.  aber  den* 
noch  bleibt  in  einem  hymnos ,  der  nach  analogie  der  übrigen  dichlungen 
dieser  art  die  religiüse  feier  eines  gottes  zum  gegenständ  haben  sollte, 
eine  solche  humoristik  auffallend,  wir  finden  sie  auch  in  keinem  der 
andern  Homerischen  bymnen ,  selbst  nicht  in  dem  weltlichen  auf  Aphro- 
dite (IV);  höchstens  in  dem  auf  Pan  (XIX)  kann  man  etwas  der  art  er- 
kennen,  wenn  v.  37  der  neugeborene  gott  so  misgestaltet  ist,  dasz  die 
eigne  mutter  vor  dem  scheusal  zurückschreckt,  die  götter  aber  ihn  freudig 
begrfiszen  (v.  46  Uli  <pp^va  iräciv  iTeptpe).  aber  weit  entfernt  dasz 
die  ganze  Charakterzeichnung  von  humor  gewürzt  wäre,  wird  sonst 
vielmehr  mit  andacht  das  walten  des  natuiigottes  gepriesen. 

Jedenfalls  verrälh  also  die  komik  des  Hermeshymnos  einen  Verfasser 

aus  einer  zeit  die  aus  der  gewöhnlichen  form  und  aus  dem  .übuugsmtszi- 

gen  ton  dieser  dichtungsart  herauszutreten  wagte,    wie  früh  aber  dies 

geschah,  wird  nicht  bestimmbar  sein :  denn  etwas  anderes  ist  es  für  den 

Her  weltlichen  lyrik  AlkSos  als  für  den  ernsten  hexameter.    es 


F.  Schultz:  Dachtrag  zu  den  Aeschinesscbolien.  749 

würde'  dies  nicht  genügen  den  bymnos  in  den  anfang  der  attischen 
komödie  zu  ruclien ,  wenn  nicht  die  zu  anfang  erwähnten  sprachlichen 
eigenheiten  ihn  nahe  an  das  Zeitalter  der  dramatiker  wiesen,  denn  schon 
die  in  die  Odyssee  eingeschobene  erzählung  von  Ares  und  Aphrodite 
(0  266 — 367)  ist  eine  art  götterkomödie  und  schlfigl  einen  mindestens 
ebenso  freien  ton  an.  und  dasz  dichterische  laune  seit  den  ältesten  zeilen 
den  scherz  in  den  ernst  der  gdttergeschicliten  zu  mischen  pflegte,  hat 
Welcker  a.  o.  0  s.  72  bemerkt,  es  genügt  mir,  wenn  icli  dem  leser  Ober- 
zeugend  nachgewiesen  habe,  dasz  der  dichter  des  besprochenen  hymnos 
den  schon  von  Alkäos  verstandenen,  vielleicht  ursprünglich  im  volks- 
niythos  ausgesprochenen  humor  mit  Homerischer  lebendigkeit,  in  freiem 
geist ,  aber  auch  mit  feinem  tact  aufgefaszt  und  wiedergegeben  hat. 
Basel.  Theophil  Burckhabdt. 


98. 
NACHTRAG  ZU  DEN  AESCHINE8SCH0LIEN. 


Als  mich  in  diesem  sommer  neigung  und  früher  angeknüpfte  persön- 
liche beziehungen  wiederum  nach  Italien  führten ,  konnte  ich  in  Venedig 
angekommen  nicht  unterlassen  einen  blick  in  die  Aeschineshandschriften 
der  Marcusbibliothek  zu  thun.   da  sowol  diese  als  die  hss.  der  Ambrosiana 
schon  von  Immanuel  Bekker  benutzt  und,  wie  ich  annehmen  zu  dürfen 
glaubte,  erschöpfend  verwerthel  waren,  so  halle  ich  bei  einem  frühem 
längern  aufenthalt  in  Italien  dieselben  auszer  acht  gelassen,  um  so  mehr 
als  die  ungewissen  politischen  Verhältnisse  unmittelbar  nach  der  schlaclit 
bei  Solferino  den  besuch  der  uorditaliänischen  bibliotheken  nicht  rathsam 
erscheinen  lieszen.    von  meinem  jetzigen  einblick  in  die  hss.  erwartete 
ich  nnn  auch  nicht  eigentlich  gewinn  für  den  text;  vielmehr  hoffte  ich 
nur  den  endlichen  abschlusz  der  von  mir  aus  verscliiedenen  hss.  mühsam 
zusammengelesenen ,  doch  immer  noch  nicht  ganz  vollständigen  scholien- 
samiung  (vgl.  s.  251  anm.  1  meiner  ausgäbe)  zu  finden,    und  in  dieser 
hoffnung  wurde  ich  nicht  betrogen,    ein  Verzeichnis  der  dortigen  nicht 
benutzten  texthss.  des  Aeschines  zu  geben  unterlasse  ich  als  gewinnlos, 
zumal  die  bibliotheksverwaltung  mit  Unterstützung  der  italiänischen  regie- 
rung  einen  handschrlftenkatalog  zum  druck  vorbereitet,   die  griechischen 
hss.  hat  bei  diesem  unternehmen  hr.  prof.  Giovanni  Veludo  übernommen, 
ein  mann  dem  ich  für  seine  freundhche  bereitwilligkeit  mir  die  schätze 
der  Marcusbibliothek  zu  öffhen  groszen  dank  schulde,   die  Vervollständi- 
gung meiner  scholiensamlung  fand  ich  in  der  bekannten  hs.  append.  class.  8 
cod.  4  (nr.  18  meiner  ausgäbe),  sign.  e.   diese  pergamenths.  hatte  einst 
dem  cardinal  Bessarion  gehört  und  ist  mit  ziemlicher  Sorgfalt  selbst  in 
dem  die  scholien  enthallenden  teile  geschrieben,    dies  ist  von  Wichtigkeit  : 
denn  gerade  die  scholien  sind  in  den  meisten  übrigen  hss.  mil  unglaub- 
licher liederlichkeit  geschrieben,  ich  war  deshalb  in  meiner  ausgäbe  viel- 
fach auf  Vermutungen  angewiesen  gewesen,  besonders  da  wo  ich  nur 
auf  die  eine  hs.,  den  Laurentianus ,  beschräulit  war.   so  erfüllt  denn  der 


750  F.  SchulU:  naclUrag  zu  den  Aescbinesscholieo. 

llarcianus  manigfaclie  zwecke,  er  ist  sowol  eine  controle  der  ^eDauig- 
keit  meiner  früheren  abschrift  als  der  ricbtigkeil  meiner  vermuümgei. 
er  fallt  die  lacken  inmitten  der  samlung  aus  und  bietet  den  nock  nmer 
vermiszten  schlusz. 

So  biete  ich  denn  diese  letzten  baostelne  denen  dar,  die  sich  fär 
die  auffinduug  jenes  historisch  und  cfaronologiaeh  nicht  iininieressanien 
scholiencorpus  seiner  zeit  interessiert  haben,  sollten  dieselben  für  sie 
auch  weiter  kein  Interesse  als  das  der  berichtigung  und  vervollstlndigung 
des  in  seinen  faauptleilen  vorhandenen  haben.  natOrlich  gebe  ich  nur  die 
den  text  wirklicli  berichligenden  Varianten. 

Zu  III 19  z.  1  ist  für  irpocvfivcKTai  zu  lesen  irpoevcKT^ov.  — 
III  21  zu  iKiTOtiyrov  findet  sieh  folgendes  scbolion:  tK  toG  iraTpiiiou 
oTkou  elc  äXXov  oIkov  ^etacTrivai'  dKiro&iTOv  bt  oiovd  derdv  ^xe- 
pou  [olov  ficOcTÖv  dr^pou  cod.]:  vielleicht  olov  cIcGctov  ^T^pou.  — 
III  23 ,  3  ist  für  ^fteXXev  bairavfiv  jetzt  zu  lesen :  fjieXXov  bairovih 
ef)vai.  —  III  24,  2  ist  meine  Vermutung  bpaxM^v  far  öpo^ujv  be- 
stntigt.  —  III  41  zu  TtTVOfi^vuiv  .  •  TpaTtfAuiv  dveirfipuTTOv]  bid 
KTipuKOJV  dqp^VTCC  •  dßöa  Tctp  6  irfipuE  •  6  beiva  töv  beiva  ^XcuO^- 
puiC€V.  —  III 62  zu  Iva  de  iirobox^v]  z.  2  lies  cuvriTopoiri  für  cur- 
Xujpoiii.  —  III  81  zu  uirfep  toutujv  —1  dvri  toO  (mkp  buipo^oidac 
ebd.  zu  bi€V€x6flvai  z.  1  lies  dipi^axiav  für  dqjuxtav.  --  ill  85  za 
Mvricäpxou  z.  10  liest  e  statt  AeäTrirou  vielmehr  Ciudinrou,  was  der 
richtigen  lesart  CuiciT€VOUC  (vgl.  meine  abhandlung  in  diesen  jahrb.  1866 
s.  314)  nJiher  kommt  als  die  Varianten  der  übrigen  hss.  —  III  108  zu 
'AGiiv^  npovoiq^  z.  5  hat  e  hinter  TTuOoi  bk  das  dem  sinn  wesent- 
lich aufl&elfende  irpovolac«  was  nur  in  Yrpovaiac  geändert  zu  werden 
braucht,  um  in  Verbindung  mit  meiner  Vermutung  [irpö  TOÖ],  die  hier- 
durch auch  bestätigt  wird ,  das  scbolion  vollständig  zu  restituieren.  — 
111 113  zu  drelxicav  fagt  der  Marcianus  dvrl  toO  oiKicGnvai  dtroificav 
hinzu.  —  III  150  zu  KXeoqpOjVTOC  z.  7  hatte  ich  aus  dem  unverstand- 
lichen dp/jvTi  T^WTiGi^ceTai  des  Laur.  gemacht:  dprjvnc  Tcwirrnc 
Icrai.  unsere  hs.  gibt  das  richüge:  dprjvric  |ivr)c8i^C€Tai.  ferner  liest 
sie  ebd.  far  t€|1€IV  richtig  äTiOT€|i€T.  —  III  159  zu  tjirÖTpofJiOc  z.  3 
liest  e  statt  eTac€V  richtig  focov.  —  111 171  zu  NÜM<poitov  statt  röiroc 
Tf)c  TTÖXeuK  lies  töttoc  kqI  ttöXic.  —  lU  176  zu  jn^^vricOc]  dvreuOcv 
Xomdv  o\  dTiiXoTOi.  —  III  184  zu  alOuDva  z.  2  statt  rroXcfiov  lies 
BdvaTOV.  ebd.  zu  Tf^v  crodv  Tf|V  iroiKiXiiv  z.  5  hatte  ich  far  das  uu- 
verständliche  dvaiaoc  vermutet  TTciadvaKtoc  e  gibt  ditö  TTetadva- 
KTOC.  —  Hl  187  ergänzt  e  die  lacke  des  Laur.  am  ende  des  scholions  zu 
Mr]Tp(|ii{j  durch  hinzufagung  von  'AOnvaiu>v.  -*-*  lll  189  zu  Tf|V  dpe- 
Tf|v  z.  2  fägt  e  hinter  d)C  hinzu:  Kai  —  zu  111 202  und  203  a.  a.  finden 
sich  folgende  glossen:  TrpocMx^^^c]  ^KCTactc.  dpenQ]  ^^tpx&rrjfTV 
ftiov]  TÖV  tbiunriicdv.  —  III  207  zu  biareTMnxÖTa  ttiv  iroXtrciav 
läszt  e  TÖV  X^TOVTa  (touc  Xctom^vouc)  aus,  gibt  ncpiccTiixäTac  sutt 
diravecTiiKÖTac  und  läszt  dann  wieder  aus:  X^t^i  Tdp  Taura  —  III  210 
ergänzt  e  die  lacke  am  ende  des  scbolion  zu  ö  b'  dfuiv  oök  dri^üUiTOc] 
tAm  «%vooaT#|v,  tva  ibc  dKivbOvou  övtoc  xoratiiriqplajüVTOi.  —  III 


P.  Schultz:  nachtrag  zu  den  Aeschinesscholien.  751 

218  bat  e  zu  äXoZoveuÖMevoc]  Trpocrroioü^evoc  dXTi6t&c  X^y^iv.  — 
ni  22S  zu  'AvaEivou  z.  3  fügt  e  airröv  ein  vor  airtacdficvoc  —  111 

234  TTpotccOe]  toOtö  4cn  tA  iropoKivbuvcOctv.  cutuxoOmcv]  toOto 
TÖ  KaOopOoCv.  auszerdem  ist  das  scholion  von  F  zu  ön  bi  —  wo!  auf 
den  ganzen  gedanken  zu  beziehen  und  mit  e  zu  lesen :  xaOÖ  bei.  —  III 

235  zu  nplv  rdc  aiTiac  dKoOcai  z.  2  hat  e  bid  t(  für  das  einfache  ti. 
—  in  238  hatte  ich  die  hlclie  des  Laur.  ergänzt:  npccßciav  iT^|i\|;av- 
T€C  e  gibt  TTpecßcuöfievoi.  —  111  241  zu  KXeoTrdTpav  z.  6  liest  e: 
cuvaxO€c6r]CÖM€VOV  KXcoTrdrpa  —  III  243  hatte  ich  die  iQclce  des 
Laur.  ergänzt:  bi^Kpivov  ydp  töv  hf\]xoy  o\  AaK€bat|bi^vioi.  dafQr 
gibt  e:  biiJPnvTai  hl  o\  AaKebaijLiövioi.  —  III  252  dx^vcTÖ  Tic] 

ÖlfbOOC  TOTTOC  bi  dpXfl  fltv  dVT€E€TaCTlKdC  AT]|L10C9^V0UC    Kttl  Tl- 

vujv  TTpö  MtxpoO  KpiOevTUiV  dbc  ^TKaTaXeXoiTrÖTUiv  ^v  xaipt!^  c^jll- 
q)opäc  T#|v  TTÖXiv,  IcpeSflc  bfe  TraprrmTiKdc  (?),  t{  ttoioövtcc  ou 
bdEouci  Trapaßaivciv  Tf|v  koiWJv  dp/jvriv.  —  tJTrepuipicT'  Sv]  ou 
Tdp  dv  T^  irarptoi  ol  irfwbÖTai  dGdTrrovTO  dXX*  dv  t^  örrcpopiqt.  — 
III  253  dTtOTr^m|i6T€]  dv-ri  tou  dirobiOTrojinTCicOc.  —  dn'  dvojLid- 
Tujv  — 1  olov  btd  TÖ  TTCpiTtO^vm  teuTijj  <piXdv6pu)Tra  övö^axa 
JnovoMoZovTa  feirrdv  iroXiTeuÖMCVOV  (dTrovojLidZeiv  aöröv  iroXi- 
T€U€cGai  cod.,  vgl.  das  folgende)  Kai  dx  toutou  Xgcteiiovia-  ibccl 
?X€T€  (p6€ipovTa  Td  ffiir\  dir*  dvöjLiaTi  cpiXococpCac  dTTOVOMdZovxa 
laurdv  <ptX6coq)ov  Kai  im  toCto  X^tu^v  bia<p6€(povTa.  fj  outujc 
d)C  XijCTfjv  Tdjv  TrpoTfidTUJv  Trapiövra  bid  ific  Tifiwpiac  nmjüpri- 
carc.  —  ni  255  KpivcTc]  |Lif|  elx^  (ei  i^  cod.)  xal  dKpdujc  x^pt- 
ZccOc,  tSjcrrep  iv  biavop^  d£(av  naa  biaipouviai*  dXXd  fierd  Kpi- 
C6UJC  Kai  dHexdccuJC  Trepirrfic  xouc  dECouc  q)iXoTi|Li€ic0€.  —  III  256 
dXaZovctav  — ]  ^vatoc  töttoc  dvaipeciv  ^x^JV  xtliv  boKOuvxixiv  €Ö 
TTCTToXixcOcOai  ArijLiocG^vci.  —  TTeiGuj]  olov  auxf|v  xf|v  Oeöv  xf|v 
TTciOdi,  KCtOö  X^T€i  6  AiiMocGdvTic  ndvxac  treiGccGai  xotc  aiixoO 
XÖTOtC  (soweit  ist  dies  scholion  auch  in  B,  woraus  zu  entnehmen  dasz 
nicht  alle  schollen  dieser  samlung  modernen  Ursprungs  sind),  aöxöc 
YoOv  (?)  dlcTTCp  Treireic^dvoc  dbc  ITetGif)  xic  dcxi  xai  cuKoq)dvxT]C.  — 
III  258  dTri  xu^  xf^c  btKaiocuvr)C  irpoirriXaKiciiiXi]  übe  oö  biKaiujc  6 
Aii|LiocGdvT|C  ^cxecpavoOxo.  xoOxo  TTpocunroiroiiav  'A\|;ivtic  i\  xä 
ncpl  qcrmdxujv  KaXet*  fi  ydp  i^Goiroiia  de  irpöcwirov  iroirixdv  (so 
conjiciere  ich  statt  des  unverstandlichen  irepi  6v)  dvaqp^pexat.  — 
"ApGjiiov]  Ibiwc  oöxoc  Kai  Trpö&vov  cTvai  xdv  ^'ApGfiiöv  q)iiciv 
Kcei  dmbriiLificavxa  dKßcßXncGai*  oi  bfe  fiXXoi  oök  cTttov  ?ttovov 
eTvai  dXX*  öxi  Kai  dTr&xeivav  auxöv  'AGrivatoi  Kai  cxriXCxriv  atkdv 
Ka\  T^voc  dvdTpa\|;av  dv  dKpoiröXei  iTTpdM/avxcc  dv  xQ  cxifjXij 
TToXdfiiov  cTvai  xoO  hi\\io\)  'AGiivaluJv.  xd  bi  irap*  oöb^v  ciiiLiaWei 
dvxi  xoO  irap'  öXlrov,  xö  hl  ÖCKt^puEav  bid  KTiptSTMOTOC  dEdßaX- 
Xov.  —  *QXdba]  ArmocGdvTic  de  TTeXoTröwneov  q)Tie(.  —  Hl  259 
exevdHai]  xoOxo  nonixiKifrrcpov  ?q)ii  •  f bei  ydp  aöxöv  KoXdeai  Kcd 
dnciv  •  exebdv  o{nc  oleeGc.  —  III  260  dx^b  f^^v  oövl  6  b^Kaxoe  x6- 
TToe  bta|Ltapxup{av  ?x€t »  ^c  xoO  Alcxivou  Kaxd  ßoüXrieiv  Kai  lex^v 
xd  biKaia  KCixiiTop^cavxoc. 


752  W.  Teuffei:  zu  Sophokles  könig  Oedipus  [v.  1305]. 

Noch  ist  es  zur  richtigen  beurleilung  des  alien  besUndes  anserer 
samlung  ioleressant  zu  erfahren ,  dasz  der  Narcianus  die  beiden  langen 
schollen  des  Laur.  zu  III  90  ToC  €upiirou.  "AXXtuc  und  195  zu  6pa- 
cußouXov.  "AXXtiic  ausUszt. 

Beblin.  Ferdinand  Schultz. 


99. 

ZU  SOPHOKLES  KÖNIG  OEDIPUS. 


Wie  Oedipus,  nachdem  er  sich  selbst  geblendet,  wieder  anf  die 
bühne  trit,  spricht  der  chor  in  einem  anapästischen  syslem  sein  entsetzen 
Qber  den  anblick  aus  und  fOgt  dann  hinzu: 

dXX'oub'dabeiv 

buva|iai  C€ ,  O^uüv  ttöXX  '  dvep^cGai , 

iToXXd  TruB^cGai ,  YroXXd  b '  dGpficai '  1305 

Toiav  ippiKnv  Trap^x^ic  fiot. 
Nauck  klammert  die  worte  iröXX*  dvep^cGm  bis  dGpiicai  *als  einen  ab- 
surden zusatz'  ein  und  begründet  dieses  derbe  urteil  damit  dasz  man 
jemand  befragen  könne  auch  ohne  ihn  anzusehen,  und  Men  Oedlpns 
vieles  zu  befragen  hat  der  chor  nicht  den  geringsten  anlasz;  vielmehr 
wäre  es  im  höchsten  grade  tactlos,  wenn  der  chor  den  unglücklichen  ge^ 
blendeten  köoig  mit  vielen  fragen  bestürmte.'  diese  motivlerung  ist  gan2 
unzureichend,  der  chor  hat  schon  im  vorhergebenden  an  Oedipus  zwei 
fragen  gerichtet:  Tic  c',  iS  xXfi^ov,  |  npoc^ßr]  jLiavia;  Tic  ö  ini&ricac 
usw.,  und  richtet  v.  1327  f.  nocli  weitere  an  ihn:  ttüuc  £tXt)C  TOiaOxa 
cdc  I  öipeic  jLtapdvai;  Tic  c'  ^rrfipe  baijitövuiv;  ohne  dasz  mao  dann 
irgend  etwas  unpassendes  finden  könnte,  die  Situation  ist  eine  ähnliche 
wie  in  Aeschylos  Persern,  wo  nach  dem  erscheinen  des  eibuiiXov  Aa* 
peiou  der  chor  die  antwort  auf  dessen  fragen  ablehnt  (v.  694  ff.): 

c^ßofiai  ixbf  irpocibecGai, 

c^ßojiai  b '  dvTla  \4ia\ 

c^G€v  dpxai(|j  irepi  Tdpßci. 
die  vermilllung  liegt  in  ovbi:  Vährend  ich  so  manche  (weitere)  frage 
an  dich  richten  möchte,  finde  ich  vor  grauen  in  mir  nicht  einmal  den 
mut  dich  anzusehen.'  auch  ist  weuig  wahrscheinlich  dasz  ein  interpolalor, 
wenn  er  ein  object  zu  G^XuJV  vermiszte,  davon  gleich  drei  eingefügt 
hätte,  gegründeteren  anstosz  bieten  die  worte  TToXXd  TTuOecGai,  iroXXd 
b'  dGpf)cai.  einmal  enthält  die  dreimalige  Wiederholung  von  iroXXd 
einen  ganz  zwecklosen  aufwand  von  rhetorik;  sodann  ist  iruG^cGai  lau- 
tologisch  mit  dvep^cGai;  endlich  ist  dGpf]cai  scliief,  teils  in  seinem 
Verhältnis  zu  dcibeiv  teils  in  seiner  Stellung  nach  dvep^cGai  und  iruG^- 
cGai.  ich  halte  daher  diese  worte  —  aber  nur  diese,  nicht  auch  ITÖXX' 
dvep^cGai  —  für  eine  interpolalion,  für  eine  aus  weilung  des  G^XujvitöXX' 
dvep^cGai,  bei  welcher  ihr  urhebcr  offenbar  keinen  groszen  aufwand 
von  geisl  und  kunsl  zu  machen  brauchte  und  auch  nicht  gemacht  hat. 
Tübingen.  Wilhelm  Teufpel. 


A.  Nauck:  zuc  kritik  griechischer  dichter.  753 

100. 

ZUK  KRITIK  GBIECfflSCHEB  DICHTER. 


Hr.  Th.  Bergk  beginnt  seine  recension  meines  Sophokles  (oben 
s.  361 — 391)  mit  den  Worten :  ^hätte  ich  eine  neue  ausgäbe  des  Sopho- 
kles besorgt  und  hr.  Nauck  wäre  der  recensent,  so  wQrde  er  wahrschein- 
lich sein  urteil  kurz  in  die  worte  zusammenfassen :  «er  habe  nichts  daraus 
gelernt»  (s.  Euripideische  Studien  II  s.  92).  ich  bin  bescheidener  und  zu- 
gleich* gerechter  als  der  Petersburger  akademiker.'  will  hr.  Bergk  für 
seine  vielHÜtigen  iitterarischen  niederlagen  durch  wolfeiles  selbsliob  sich 
schadlos  halten,  so  ist  ihm  dies  kleine  vergnügen  zu  gönnen;  nur  sollte 
er  nicht  so  unlogisch  verfahren  auf  das ,  was  ich  seiner  (vielleicht  richti- 
gen, vielleicht  falschen)  meinung  nach  unter  gewissen  umständen  wahr- 
scheinlich sagen  wfirde,  sein  selbstlob  zu  gründen. 

S.  361  heiszt  es:  *nur  darf  man  von  hm.  N.  nicht  zu  viel  Schonung 
-der  eigentfimlichkelt  des  Schriftstellers  erwarten.'  hr.  B.  ist  so  glücklich 
organisiert  in  jedem  einzelnen  falle  mit  untrüglicher  Sicherheit  sagen  zu 
können,  was  eigentümlichkeit  des  Schriftstellers,  was  fehler  der  abschrei- 
ber  sei :  wir  anderen  haben  nur  zu  lauschen  was  er  decretiert.  auf  die 
Eigentümlichkeiten  des  Sophokleischen  genius  versteht  er  sich  so  meister- 
haft, dasz  er  Ant.  436  keinen  anstand  nimt  dem  Wächter  die  worte  in 
den  mund  zu  legen:  dXX'  f)b^ujc  ffi'  fOtyc  KdXTeivtifC  fifio.  andere 
werden  meinen ,  das  sei  ein  ganz  abscheuliches  griechisch ;  aber  hr.  B. 
weisz  dasz  es  die  eigentümlichkeit  der  attischen  Wächter  war  ein  ab- 
scheuliches griechisch  zu  reden,  mit  gewohntem  tacte  läszt  hr.  B.  die 
frauen  bei  Sophokles  ganz  exquisit  sprechen ,  z.  b.  Deianeira  Trach.  460 
oöx^  X<if^pG(C  TrXcfcrac  ävfjpeic  *HpaKXf\c  lv\\^^  ^i^;  ^^s  überlieferte 
dvf|p  elc  ist  nemlich  Mndignum  Sophode^  dvf)peic  dagegen  *Bergkio 
dignissimum'.  höchst  eigentümlich  klingt  auch  was  El.  363  und  567  die 
heldin  des  Stückes  stammeln  soll,  l]i(A  T&p  ^ctuj TOÖ|il fif)  tvutttciv 
jLiövov  ßöcKTiMa,  und  Oeäc  aUwv  Kar"  fiXcoc.  das  verbum  TVUTrTcTv 
hat  die  kühne  Jungfrau  Elektra  aus  dem  lexikon  des  Hesychios  hervorge- 
holt, ohne  zu  merken  dasz  daselbst  die  Schreibung  tvutttciv  der  alpha- 
betischen folge  widerstrebt  und  darum  als  höchst  verdächtig  erscheint; 
nach  welcher  aualogie  sie  äiZuJV  gebildet  und  was  sie  damit  gemeint  hat, 
4las  wissen  die  gölter  und  vielleicht  hr.  BergL 

S.  375 :  *wenn  er  (N.)  zu  seiner  rechtfertigung  den  grundsatz  auf- 
stellt, dasz  überall,  wo  sich  etwas  besseres  als  die  überlieferte  lesart 
finden  lasse,  die  stelle  für  verdorben  zu  erachten  sei,  so  heiszt  dies, 
7umal  der  begriff  des  besseren  ein  sehr  schwankender  und  von  subjec- 
tivem  belieben  abhängiger  ist,  den  dichter  selbst,  nicht  die  abschreiber 
korrigieren.'  ob  die  überlieferte  lesart  oder  ein  besserungsvorschlag 
besser  sei,  darüber  werden  an  zahllosen  stellen  die  stimmen  der  kritiker 
geteilt  sein;  aber  man  braucht  nur  ein  minimum  von  logik  zu  besitzen, 
um  einzusehen  dasz  dies  hier  nicht  in'betracht  kommt,  ich  rede  nemlich 
von  dem  falle  wo  sich  etwas  finden  läszt  was  besser  ist  (nicht  was 

Jahrbttdur  flkr  d«tt.  pUlol.  1868  hfU  11.  49 


754  A.  Nauck:  zur  kritik  griechischer  dichter. 

diesem  oder  jenem  besser  scheint]  als  die  überlieferte  lesarL  ^ubicnn- 
que  nobis  reperire  licet'  so  laaten  meine  worte  *quod  iradita  lectione 
melius  sit,  corruptam  iudico  librorum  lecttonem;  neque  enim  tarn  in* 
opem  aut  infantem  arbitror  Sophoclem  quem  nos  ^mtovoi  mellora  pos- 
simus  edocere.'  diese  meine  ansieht  glaube  ich  auch  jetzt  noch  aufrecht 
erhalten  zu  müssen,  urteilt  hr.  B.  anders,  so  mag  er  den  groszen  philo- 
logen  nennen ,  der  ein  besserer  kenner  des  griechischen  und  ein  begab- 
terer dichter  ist  als  der  kleine  Sophokles,  doch  ich  stelle  eine  unbillige 
forderung :  den  berühmten  kriliker,  an  welchem  Sophokles  seinen  melster 
endlich  gefunden  hat,'^kennt  ja  die  gelehrte  weit  hinlänglich ;  ihn  im  nen- 
nen verbietet  hm.  Bergk  seine  bescheidenheit. 

S.  379  f.:  Hn  der  Elektra  v.  87  habe  ich  den  prosodischen  fehler 
\b  q)äoc  dtvöv  Kai  Tnc  icö^otpoc  äfip  ganz  einfach  durch  herstellung 
der  form  Icö^opoc  entfernt;  wer  handschriflen  kennt,  weisz  dasz  die 
abschreiber  regelmäszig  in  Zusammensetzungen  -fioipoc  statt  -^opoc 
schreiben,  hr.  N.  zieht  die  conjectur  von  Porson  IcöjiOip'  vor,  wo  der 
vocativ  nicht  passend  an  die  stelle  des  nominativs  tritt:  nun  das  ist  seine 
sache;  wenn  derselbe  aber  (Eurip.  Studien  II  s.  81)  diese  meine  verbesse* 
rung  icö^Opoc  als  einen  beweis  «der  übermütigen  laune,  mit  welcher 
Bergk  im  Sophokles  schaltet»  anführt  und  meint,  ich  hätte  einen  metri- 
schen fehler  hineingebracht,  um  einen  prosodischen  zu  entfernen,  so 
verräth  hr.  N.  eine  so  arge  Unkenntnis  in  metrischen  dingen ,  wie  man 
sie  einem  herausgeber  der  griechischen  tragiker  kaum  zutrauen  sollte: 
denn  dasz  derselbe  wenigstens  die  geselze  der  einfachen  versmasze  wie 
der  anapästen  kenne,  dürfte  man  billigerweise  voraussetzen,  dasz  in 
anapästischen  versen  der  proceleusmaticus  zulässig  sei ,  lehren  schon  die 
alten  metriker;  wo  er  statthaft  ist,  kann  jetzt  jeder  aus  Rossbachs  und 
Westphals  metrik  lernen.'  auf  diese  lange  dedamation  kann  meine  ant- 
wort  kurz  ausfallen,  die  anapästen  El.  86 — 120  zeigen  keine  einzige 
auflösung  die  nicht  in  strengen  anapästischen  Systemen  zulässig  wäre^ 
und  soweit  meine  kenntnis  reicht,  hat  sich  in  strengen  anapästen  kein 
tragiker  jemals  den  proceleusmaticus  gestattet;  bei  Sophokles  aber  findet 
sich  die  licenz  des  proceleusmaticus  weder  in  strengen  noch  in  freieren 
anapästen.  erst  wenn  hr.  Bergk  diese  sätze  widerlegt  hat  (widerlegt  aber 
können  sie  werden  nur  durch  beispiele,  nicht  durch  gesdiwätz),  werde 
ich  die  conjectur  IcöfiOpoc  zwar  durchaus  nicht  für  richtig,  aber  doch 
in  metrischer  hinsieht  für  fehlerlos  halten ;  bis  jetzt  behaupte  ich  dasz  es 
von  hrn.  B.  höchst  unklug  war  so  viel  geschrel  zu  machen  über  ein  tot- 
geborenes kind. 

Als  beleg  dafür  dasz  ich  das  metrum  in  rein  mechanischer  weise 
corrlgiere,  wird  s.  380  angeführt  dasz  ich  El.  100  schreibe: 

Koöbek  TOUTUiv  oIktoc  [dir"  äXXiic 
f{  VoC]  9^p€Tai,  coO  iTaT€p  o&ru>c 
älKUJC  oiicTp«&c  T€  OavövTOC. 
durch  tilgung  der  eingeklammerten  worte  wird  nemlich  eine  responsioa 
<ioq  anapästischen  Systems  mit  dem  antisystem  gewonnen,  und  eine 

"ision  zwischen  System  und  antisystem  herzustellen  Ist  in  den  angen 


A.  Nauck:  zur  kritik  griechischer  dichter.  7Ö5 

des  groszen  melrikers  ein  reiner  mechanismus.  hinterher  aber  verrSlh 
hr.  B. ,  er  selbst  habe  froher  vermutet  KOÖbelc  [toütiuv]  oIktpc  &it  ' 
Sk\r\c  [f[  VoO]  (p^perai,  d.  h.  hr.  Bergk  klagt  sich  desselben  mecha- 
nismus an ,  den  er  mir  zum  schweren  Vorwurf  macht,  weiter  wird  ge- 
sagt: 'hr.  N.  nimt  ohne  allen  grund  an  dir'  SXXtic  anstosz.'  mögen  nun 
meine  bedenken  gegen  dir'  dXXiic  gegründet  oder  ungegrQndet  sein,  so 
beweg  mich  zur  tilgung  der  worle  dir'  fiXXrjc  f\  ^oG,  wie  hr.  B.  selbst 
eingesteht,  doch  jedenfalls  nicht  ausschliesziich  das  bestreben  einen  glei- 
chen umfang  der  beiden  anapastischen  Systeme  zu  gewinnen.  Von  der 
mutter'  sagt  hr.  B.  im  folgenden  'kann  Elektra  natürlich  keine  teilnähme 
erwarten,  aber  auch  die  Schwester  Chrysolhemis  erscheint  ihr  lässig: 
darauf  zielt  eben  dieser  ausdruck  (dn'  dXXr^c),  und  es  heiszt  liie  inlen- 
tionen  des  dichters  geradezu  vernichten,  wenn  man  in  dieser  willkür- 
lichen weise  streicht.'  also  Sophokles  setzte  dir'  fiXXiic,  wo  er  nichts 
weiter  als  dir'  db€X(pf)c  meinte?  es  heiszt  sich  gegen  die  vemunfi  auf- 
lehnen, wenn  man  in  dieser  willkürlichen  weise  interpretiert. 

lieber  Eur.  Phoen.  323  sagt  hr.  Bergk  s.  383 :  'hr.  N.  behauptet, 
der  vers  müsse  notwendig  ein  dochmischer  sein,  weil  dochmien  voraus- 
gehen und  folgen,  diese  leichtfertige  behauptuug  überschreitet  das  masz 
des  entschuldbaren  irtums:  ein  herausgeber  der  tragiker  sollte  wenig- 
stens so  viel  wissen ,  dasz  unzählige  mal  iambische  verse  oder  kola  zwi- 
schen dochmien  vorkommen.'  die  worte  über  welche  der  grosze  metriker 
sich  ereifert  lauten  (Eurip.  Studien  II  s.  92):  'man  meinte  nemlich  in 
den  Worten  öaKpuöecc'  dveica  TrcvOf^pt]  KÖjitov  einen  dochmischen 
dimeter  suchen  zu  müssen,  zumal  da  an  jener  stelle  dochmien  vorauf- 
gehen und  nachfolgen.'  wenn  aus  diesen  meinen  Worten  gefolgert  wird, 
ich  behaupte  dasz  nirgends  in  der  tragödie  iambische  verse  zwischen 
dochmien  vorkommen,  so  kann  ich  diese  entstellung  mit  hm.  Bergks 
bekannter  flüchtigkeit  nicht  entschuldigen,  vielmehr  fälscht  hr.  B.  ge- 
flissentlich meine  worte,  nur  um  hinterher  seinem  unmut  luft  zu  machen. 

In  einer  anm.  aufs.  383  wird  gesagt:  'die  verfehlte  änderung  in 
Soph.  OK.  939  habe  ich  längst  selbst  als  soldie  erkannt;  für  irrige  con- 
jecturen  anderer  mich  verantwortlich  zu  machen,  wie  hr.  N.  thut,  ist  ein 
kläglicher  kunstgrilf,  den  der  würdige  akademiker  gewissenlosen  calum- 
nianten  überlassen  sollte.'  die  ersten  worte  dieses  passus  bezielien  sich 
darauf  dasz  hr.  Bergk  OK.  939  zu  schreiben  vorschlug:  ifd)  oüx*  fivav- 
bpov  TVjvbc  Tf)V  iTÖXiv  Stu^v,  wie  im  Tauchnitzer  Soph.  s.  LH  zu  lesen 
ist.  dasz  hr.  Bergk  diese  conjectur  jetzt  zurficknimt ,  ist  mir  eine  sehr 
angenehme  Überraschung;  schlimm  genug  freilich  dasz  ein  herausgeber 
des  Sophokles  einen  so  knabenhaften  metrischen  Schnitzer  zu  machen  im 
Stande  war.  was  von  den  irrigen  conjecturen  anderer,  dem  kläglichen 
kunstgriff  und  den  gewissenlosen  calumnianten  geredet  wird ,  geht  auf 
meine  worte  Eurip.  Studien  H  s.  91  f. :  'unter  andern  will  Bergk  s.  8 
den  tragikem  die  licenz  zueignen,  im  iambischen  trimeter  einen  Choriam- 
bus stellvertretend  statt  einer  iambischen  dtpodie  anzuwenden,  «sane 
qui  hos  trimetros»  lauten  seine  worte  lad  pervagata  metricorum  prae- 
cepta  rediget,  is  necesse  est  aegre  ferat  choriambum  dipodiae  iambicae 

49» 


756  A.  Nauck:  zur  krittk  griechischer  dichter. 

locum  obtinere:  at  sunt  baec  ex  rhythmicae  artis  legibus  aestimanda : 
est  autem  haec  licentia  ex  lyricorum  carminum  modulatione  repelenda.» 
Bonitz  ahnte  wol  nicht,  als  er  in  seinen  beitragen  zur  erklärang  des 
Soph.  II  s.  4  die  Vermutung  von  Buchholz  xpilCTÖC  ö  OeToc  zu  anfaag 
eines  iambischen  trimeters  (Soph.  AnU  24}  fflr  einen  metrischen  fehler 
ausgab,  dasz  er  sich  unnütze  scrupel  machte  oder  vielmehr  dtsz  die  ge- 
setze  der  rhythmischen  kunsl  ihm  gftnziich  fremd  waren.'  wAre  es  rich- 
tig, was  hr.  Bergk  behauptet,  dasz  die  tragiker  im  trimeter  stau  eloer 
iambischen  dipodie  einen  Choriambus  anwenden  dflrfen,  so  wflrde  gegen 
den  trimeter  xpilCTÖc  6  OeToc  xal  v6)yi(}i  KaT&  x^vöc  von  melracher 
seite  nichts  zu  erinnern  sein  (wie  nach  der  zukunftsmetrik  des  hm.  Bergk 
in  den  Avorten  baKpuöecc'  dvetca  Tr€v6f|pT)  KÖfiav  ein  Untegerrimus 
trimeter'  vorliegt),  d.  h.  Bonitz  hatte  unrecht,  wenn  er  aus  einem  m^ri- 
sehen  gründe  die  conjectur  xpilCTÖc  ö  Oeioc  Ant.  24  ffir  fehlerliafi  hielt 
wenn  nun  hr.  Bergk  mir  vorwirft,  ich  hatte  ihn  verantwortlich  gemacht 
fQr  die  irrige  conjectur  von  Buchholz ,  so  bin  ich  nicht  Im  stände  diese 
entstellung  der  Wahrheit  mit  hm.  Bergks  mangel  an  logik  zu  unschul- 
digen, vielmehr  gestattet  sich  hr.  Bergk  auch  hier  eine  faischung:  ^ein 
kläglicher  kunslgriff,  den  der  wQrdige  professor  gewissenlosen  dlmn- 
nianten  flberlassen  sollte.' 

S.  387  anm. :  <ebd.  (Soph.  El.)  681  führt  er  (N.)  jetzt  tö  KOivöv 
als  lesart  des  Thomas  Mag.  an,  wahrend  er  früher  scturieb:  «t6  KOivdv 
'€XXdboc  vermutete  Schneidewin.»  hr.  N.  darf  sich  natürlich  dtes  er- 
lauben, wahrend  er  mir  in  den  Euripideischen  Studien  11  s.  81  zom  Vor- 
wurf macht  lesarten  des  Triclinius  als  meine  conjecturen  bezeichnet  n 
haben.'  sollte  in  hm.  Bergks  äugen  wirklich  das  übersehen  eines  Sopho- 
kleischen  citates  bei  Thomas  Mag.  für  einen  herausgeber  des  Sophokles 
ebenso  compromittierend  sein  als  die  Unkenntnis  von  lesarten  des  Trkli- 
nius?  doch  es  kann  uns  gleichgilUg  sein,  wie  hr.  Bergk  darüber  urtdlt 
die  hauptsache  ist  die:  was  hr.  B.  von  meinem  übertragen  einer  lesart 
des  Thomas  Mag.  auf  Schneidewin  erzahlt,  ist  nicht  mehr  und  nicht  we- 
niger als  seine  eigene  erfindung.  in  der  texlausgabe  des  Sophokles  (Ber- 
lin 1867),  die  hr.  B.  recensiert,  sage  ich  s.  75 :  *681  tö  KOlVÖv  Thomas 
M.  p.  286, 4'  und  s.  76 :  *694  tö  KOtvöv  Schneidewinus'.  entsprechad 
im  anhange  zur  vierten  aufläge  der  Eiektra : 

'681  KOIVÖV  statt  xXctvöv  Thomas  Mag.  p.  286,  4.' 
*694  TÖ  KOIVÖV  ^EXXdboc  vermutete  Schneidewin.' 
etwas  anderes  habe  ich  niemals  behauptet,  wie  kommt  es  nun  dasz  hr. 
Bergk,  der  doch  zu  lesen  versteht,  meine  angaben  über  zwei  verschiedene 
verse  der  Eiektra  durch  einander  wirft  und  auf  diese  seine  confusion  den 
Vorwurf  gründet,  ich  sei  ebenso  leichtfertig  wie  er? 

S.  386 :  *hr.  N.  selbst  aber  eignet  sich  trotz  seiner  wiederholtes 
Versicherung  die  prioritat  anderer  gelehrten  gewissenhaft  zu  respecUereo 
eine  ganze  anzahl  fremder  conjecturen  an.'  dazu  die  annt :  ^einiges  hat 
er  jetzt  selbst  beseitigt,  z.  b.  OK.  145  hat  er  seine  unglückliche  co^jeclnr 
irpuiTf^c  statt  Trp(j(iTT]C  zwar  aufrecht  erhalten,  legt  sie  aber  jetsi  Vau- 
villers  bei.    El.  163  hatte  er  die  coigectur  veufUXTi  früher  als  eigene 


A.  Nauck:  zur  krilik  griechischer  dichter.  757 

TOrgelragen,  jetzt  nennt  er  Burges.'  soll  man  wirklich  aolchen  ftusze- 
rungen  gegenflber  noch  ^in  wort  verlieren?  nun  wolan,  es  sei.  bei  dem 
umfaag  und  der  zersplittening  der  philologischen  lilteratur  ist  das  über- 
sehen fremder  conjeeturen  kaum  vermeidlich;  auch  wenn  jemand  nur 
opera  .posluma  hiulerliesze,  würde  er  trotz  des  redlichsten  bestrebens 
allen  gerecht  zu  werden  vielfach  den  Prioritätsrechten  anderer  zu  nahe 
treten ,  und  eben  darum  wird  kein  verstandiger  um  der  bloszen  thatsache 
willen  dasz  jemand  eine  fremde  conjectur  als  die  seinige  vortragt  ihn  für 
einen  plagiarius  halten,  natürlich  ist  es  auch  mir  in  zahllosen  fUlen  be- 
gegnet  conjeeturen  zu  machen  die  von  anderen  mir  vorweggenommen 
waren ;  nicht  selten  habe  ich ,  wie  es  auch  anderen  ergangen  ist  und  tag- 
täglich vorkommt,  derartige  irtümer  erst  nach  der  Veröffentlichung  einer 
Vermutung  erkannt,  in  solchen  füllen  bin  ich  stets  bemüht  gewesen  mein 
unrecht  wieder  gut  zu  machen ,  wie  ich  es  für  die  pflicht  jedes  heraus- 
gebers  alter  autoren  halte  den  ersten  urheber  einer  conjectur  zu  ermit- 
teln und  nur  ihn  zu  nennen,  habe  ich  also  ehemals  (1857  und  1858) 
OK.  145  TTpUiTnc  und  El.  163  vetJ^art  vermutet,  ohne  zu  beachten  dasz 
Vauvillers  und  Burges  dasselbe  vermutet  iiatlen,  so  sind  diese  meine 
Unterlassungssünden  nicht,  wie  hr.  B.  meint,  erst  im  j.  1867,  sondern 
bereits  1861  und  1862  von  mir  selbst  gesühnt  worden,  indem  ich  Vau- 
villers und  Burges  in  ihr  recht  einsetzte,  wie  begründet  nun  hr.  B.  seinen 
Vorwurf  dasz  ich  eine  'ganze  anzahl  fremder  conjeeturen'  mir  'aneigne'? 
er  führt  an,  OT.  890  habe  ich  im  j.  1856  anerkannt,  dasz  er  zuerst  die 
Interpolation  eines  ganzen  verses  wahrgenommen  habe;  elf  jähre  spiter 
dagegen  sage  ich  'verba  dc^nruiv  {p&rai  1^  tiöv  delenda  suspicatur  N.', 
und  in  gleicher  weise  wolle  ich  auch  die  antistrophe  zuerst  von  den  stö- 
renden Zusätzen  gerehiigt  habra.  ich  gebe  zu,  es  wäre  gerechter  ge- 
wesen, wenn  ich  in  der  teitausgabe  des  Sophokles  neben  meinen  vor- 
schlagen die  früheren  Bergkschen,  zwar  nicht  gleichen  aber  doch  ähnlichen 
Vermutungen  erwähnt  hatte,  und  sollte  meine  teitausgabe  einmal  erneuert 
werden ,  so  wird  dies  geschehen ;  der  Bergkschen  Vermutungen  nicht  be- 
sonders zu  gedenken  veranlaszten  mich  zwei  umstände,  die  meine  schuld 
mildern  werden,  einmal  das  streben  nach  kürze,  sodann  ganz  besonders 
der  umstand  dasz  ich  nicht  nur  im  j.  1856,  sondern  auch  1861  und  1866 
im  anhange  zur  vierten  und  Tünften  aufläge  des  Schneide winschen  OT.  die 
detaillierten  mitteilungen  gegeben  hatte,  dazu  kam  dasz  lange  vor  hrn. 
Bergk  schon  Reiske  die  dittographie  in  OT.  890  wahrgenommen  halte; 
ich  hatte  also  zuerst  von  Reiske,  dann  von  hrn.  Bergk,  endlich  von  mir 
reden  müssen,  weitere  belege  für  die  behauptung  dasz  ich  eine  ganze 
anzahl  fremder  conjeeturen  mir  aneigne  hat  hr.  B.  nicht  gegeben,  ich 
fordere  dringend  von  hrn.  B.  weitere  belege,  und  um  ihn  zu  ermutigen, 
mache  ich  mich  anhelscliig  für  jede  fremde  conjectur,  die  ich  in  meinem 
Sophokles  mir  angeeignet  habe,  zehn  fremde  conjeeturen  namhaft  zu 
machen,  die  hr.  B.  in  seinem  Sophokles  sich  angeeignet  hat.  für  jetzt 
verweile  Ich  einige  augenblfcke  bei  dem  Universalmittel  das  hr.  Bergk 
anzuwenden  liebt,  um  sogar  mit  nennung  der  urheber  fremde  conjee- 
turen 'sich  anzueignen',   wie  jedermann  weisz,  hat  hr.  B.  die  gewohnheit 


758  A.  Nauck:  zur  kritik  griechischer  dichter. 

fremde  conjecturen,  die  ihm  zusagen,  mit  der  stereotypen  wendimg  ein- 
zuführen :  ^scripsi'  oder  *malim'  das  und  das,  *quod  etiam  N.  N.  coniecit', 
wo  statt  des  *etiam',  sogar,  in  seltenen  f&Uen  ein  etivas  bescheideneres 
*quoque'  ange%vendet  wird:  hie  und  da  finden  sich  auch  gewisse  ?ani- 
tionen  des  ausdrucks,  die  im  wesentlichen  dasselbe  besagen,  diese  hm. 
Bergk  eigenlOmlicbe  sitte  oder  unsitle  ist  so  bekannt,  dasz  es  genögea 
wird,  wenn  ich  einige  beispiele  anführe,  wo  er  mich  mit  dieser  citatioos- 
weise  beehrt.  Soph.  s.  IX  anm.  15  'bucceßeic]  malim  buqicveic,  quod 
etiam  Nauck  coniecit'  s.  L:  ^1415  posi  hunc  v.  inserendi  videnlttr 
V.  1424 — 1431,  ita  tamen,  ut  forlasse  chori  duo  versus  interciderint 
similis  est  Nauckii  suspicio '  (ich  hatte  behauptet  dasz  die  verse  1424— 
1431  unmittelbar  zwischen  v.  1415  und  1416  zu  stellen  seien,  eine 
änderung  die  ich  später  im  texte  vorgenommen  habe,  übrigens  sind  die 
beiden  angeführten  stellen  die  einzigen  im  Tauchnltzer  Sophokles,  wo 
meiner  gedacht  wird),  lyr.  s.  767  ed.  alt.  (1003  ed.  tert.}:  ^nunc  malui 
b  *  fiveui  scribere ,  quemadmodum  etiam  Nauck  conieciL'  s.  910  ed.  alt. 
(1161  ed.  tert.):  ^Simonides  fort.  ä^iOpficat  scripsit,  quod  etiam  Naack 
coui.'  anlh.  lyr.  ed.  alt.  s.XV:  *fr.  102  1oKäCT€U)  scripsi  —  [dem  Naud 
et  0.  Sclmeider  commendaverunt.'  s.  XXXI:  *fab.  CX  v.  4  conieci  cu  bi]* 
Ouveic,  quod  Nauck  quoque  proposuil.'  s.  XLUl:  7ab.  XIII  v.  3  possis 
iravoupTOiciv  scribere,  quod  etiam  Nauck  commendavit/  was  derartige 
ausdrucksweisen  zu  bedeuten  haben  ^),  darüber  besteht  in  der  philologi- 
schen weit  nicht  der  geringste  zweifei,  wie  z.  b.  daraus  hervorgebt  dasz 
Meineke,  Herwerden,  Dindorf  u.  a.  von  meiner  Umstellung  der  verse  OT. 
1424 — 1431  notiz  nehmen,  ohne  hm.  Bergks  beistimmende  aosicbi 
einer  erwähnung  zu  würdigen,  um  so  weniger  begreift  main  wie  hr.  B. 
nicht  müde  wird  bei  fremden  Vermutungen,  die  er  sich  ^aneignet',  hinle^ 
her  in  einem  relativsatze  des  Urhebers  der  von  ilim  gebilligten  Vermutung 
zu  gedenken,  ebenso  unnütz  ist  es,  wenn  hr.  B.  in  der  recension  s.  386 
anm.  25  uns  erz&hlt,  die  von  Herwerden  im  j.  1855  pubiiderte  Verbesse- 
rung fiövTic  TÖb'  ^ct'  äbeXq)öv  IcmVjviic  Kdpa  OK.  321  habe  er 
selbst  ^schon  vor  vielen  jähren'  gemacht,  aber  diese  conjectur  ^wie  viele 
andere'  gar  nicht  erwähnt,  wir  bewundern  bei  den  vielen  nicht  erwähn- 
ten conjecturen  hrn.  Bergks  eigentümliche  bescheidenheit,  die  ihn  bewog 
die  besten  Vermutungen  zurückzuhalten  und  mit  desto  mehr  schlechten 
einßillen  hervorzutreten;  aber  wir  zweifeln  ob  seine  Versicherung,  dasz 
er  viele  seiner  conjecturen  unterdrückt  habe,  ausreichen  dürfte  ihm  das 
Prioritätsrecht  zu  sichern  für  alle  etwa  künftig  noch  zu  machenden  con- 
jecturen, die  vor  seinen  äugen  gnade  finden  sollten,  bemerkenswerth 
ist  noch  eine  andere  weise,  wie  hr.  B.  frühere  leistungen  benutzt  in  der 
zweiten  ausgäbe  der  lyriker  s.545  versuchte  er  die  beiHariusPlotiu8s.268 
als  beleg  eines  reinen  iambiscben  trimeters  in  fehlerhafter  gestalt  ange- 
führten dichterworle  herzustellen  durch  folgendes  autoschediasma:  iiri\yi 


1)  zu  Simonides  Amorg.  fr.  10  wurde  ehemals  bemerkt  s.  583:  ^Nauck 
nOiv  bi&  \6tu)v.'  besser  jetzt  s.  745:  'scripsi  )uiaKpdrv  b\ä  Xöywv, 
ium  etiam  Naack  conL' 


A.  Nauck:  zur  kritik  griechischer  dichter.  759 

TX  beir^i  jLifk  'it'  &X^viq  rp^irctv.  ich  erinnerte  dagegen  dasz  dies  weder 
«In  reiner  noch  ein  richtiger  trimeter  sei ,  darum  well  an  der  dritten  und 
an  der  vierten  stelle  ein  spondeus  stehe ;  zugleich  war  es  in  folge  ehier 
privatmitteilung  meines  freundes  H.  Keil  mir  möglich  das  original  des 
llarius  Plotius  herzustellen,  nemlich  Aesch.  fr.  139  id)  KälK€  MiiciaC 
T*  dTTippoat.  von  meiner  erörterung  (bulletin  de  I'Acad.  Imp.  des  sc.  de 
^t.-P^tersbourg  II  s.  335  f.  »^  m^langes  Gröco-Rom.  II  s.  265  f.)  nfmt 
hr.  B.  in  der  dritten  ausgäbe  der  lyriker  s.  731  notiz;  aber  wie?  er  sagt: 
^ollm  hie  quoque  Archilochl  versum  delitescere  arbitratus  teutavi  iwi\\ 
Ti  bctiij,  iii\  *7r*  dxTiviij  rp^Trciv  —  sed  videtur  Plotius  potius  Aeschyli 
versum:  iib  KdiVe  Muctai  t'  ^TrippouC*  ex  Myrmidonibus  sive  potius 
Hysls  adhibulsse  (fr.  139),  quod  si  recle  memini  etiam  alii  coniecerunt.' 
erinnerte  sich  br.  B.  wirklich  nicht  mehr  dasz  ich  es  gewesen  war  der 
ihm  die  beiden  falschen  spondeen  nachgewiesen  hatte?  äbrlgens  brauche 
4ch  kaum  zu  sagen  dasz  hr.  B.  bei  fremden  conjecturen ,  die  er  'sich  an- 
-eignet',  den  Urheber  zu  nennen  mehrenteils  uuterläszt;  dies  gänzliche 
ignorieren  fremder  lelstungen  wird  am  leichtesten ,  freilich  nur  vorüber- 
gehend ,  andere  teuschen. 

S.  389 :  *ich  mache  unter  anderm  darauf  aufmerksam ,  dasz  in  der 
altern  tragödie  sich  mehrfache  spuren  des  ionischen  oder  altattischen 
<iialektes  finden,  die  hr.  N.  entweder  verdrSngt  oder  wenn  sie  in  den 
Varianten  verborgen  sind  ganz  übergeht,  wie  z.  b.  Aituirrtii  bei  Ion  von 
Chios ;  darüber  sagt  hr.  N. :  «wie  es  eiii  eigentümliches  verhalten  zu  den 
-l^esetzen  der  grammatik  verräth ,  wenn  Bergk  p.  4  bei  dem  tragiker  Ion 
fr.  40  auf  die  form  AItuitt(ii  dringt» ;  d.  h.  hr.  N.  sucht  mich  bei  den 
lesern  seiner  Studien ,  die  meine  abhandlung  nicht  kennen ,  zu  verdäch- 
tigen ,  als  hätte  ich  einen  grammatischen  Schnitzer  begangen,  eine  pole- 
mik,  die  zu  so  kläglichen  mittein  ihre  Zuflucht  nimt,  richtet  sich  selbst.' 
<da  hr.  B.  seine  worte  nicht  anführt,  so  werde  ich  es  thun;  sie  lauten: 
^atque  etiam  apud  lonem  tragicum  fr.  40  restituendum  est  AlTUTrriii  ex 
Athenaei  llbris,  quam  varielatem  scripturae  Nauckius  plane  praetermisit.' 
wer  in  einem  tragischen  trimeter  AiTUTTTir)  herstellen  will,  verletzt  aller- 
<lings  die  gesetze  der  grammatik;  er  begeht,  wie  hr.  B.  sagt,  einen 
grammatischen  Schnitzer,  ebenso  halte  ich  es  für  einen  grammatischen 
Schnitzer,  wenn  bei  Soph.  El.  10  in  einem  trimeter  die  form  TTcXoTTibäv 
«mpfohlen  wird  (Soph.  ed.  Bergk  s.  XLV),  was  hr.  B.  vermutlich  als 
'^Schonung  der  eigenlümlichkeit  des  Schriftstellers'  betrachtet. 

In  einem  programm  von  1859  sagt  hr.  Bergk  s.  2  anm.:  'etiam 
allae  singulares  vocabulorum  formae  apud  Sophodem  leguntur,  velut  in 
Inacho  fr.  260  ßoC  genilivo  casu  dixit,  qua  forma  etiam  Aeschylus  usus 
-est,  cum  alii  etiam  ßoCc  dixerint,  velut  est  apud  Hesychium:  Kara  ßoOc 
«CEacGe*  efix^cOe  xara  ßoöc,  quod  ex  oraculo  aliquo  videtur  petitum 
-esse.'  ich  erinnerte  Eurip.  Studien  II  s.  92,  dasz  hr.  B.  durch  einen 
<lruckfeliler  der  Aldina  sich  habe  verleiten  lassen  einen  gen.  ßoCc  zu  er- 
dichten, darauf  folgt  in  der  recension  s.  389  die  Zurechtweisung:  'es 
ist  recht  freundlich  und  wolwoUend  von  hrn.  N.  dasz  er  meine  vermeint- 
liche (?)  mishandlung  der  grammatischen  gesetze  mit  einem  druckfehler 


760  A.  Nauck:  zur  kriük  griechischer  dichter. 

der  Aidina  zu  enlschuldigea  (?)  sucht;  aher  ich  masz  mir  diese  nnt£^ 
Stützung  (?)  verbitten :  ich  weisz  und  habe  gewust,  was  im  codex  und 
was  in  den  ausgaben  steht,  da  ich  frfiher  immer  (?)Schow  nachgeschlagen 
habe.  Hesychios  hat  freilich  ßoöc  genchriebeu,  wie  die  reiheofolge  der 
artikel  lehrt,  aber  dasz  ßoOc  zu  sprechen  oder  zu  schreiben  sei,  zeigt 
der  vers,  denn  die  glosse  stammt  wahrsclieinlich  aus  einem  orakel,  und 
die  form  ßoO,  die  ich  aus  Aescbylos  und  Sophokles  anführe,  setzt  einen 
genitiv  ßoCc  voraus,  so  gut  wie  NauciKubou,  *AvTiq)dvou,  *Apiao- 
xX^ou  aus  NauciKubouc,  *AvTiq)dvouc,  'ApiCTOKX^ouc  entstanden  siod, 
nicht  aus  NauciKubcoc  usw.'  in  den  früheren  ausgaben  des  Hesychios 
las  man,  wie  noch  bei  Alberti  steht,  Karä  ßouc  eCEacGe,  was  nur  ein 
druckfehler  der  Aidina  war.  der  codex  bietet  KttTO  ßooc  €uEac6€,  wie 
Salmasius  richtig  vermutet  hatte,  hr.  Bergk  räumt  ein  dasz  Hesychios 
nicht  Kard  ßouc,  sondern  KQTd  ßoöc  geschrieben  habe,  hält  aber  den- 
noch fest  an  dem  gen.  ßoCc   hier  drängen  sich  uns  folgende  fragen  auf: 

1)  warum  sagt  hr.  B.  in  dem  programm  nichts  davon  dasz  bei  Hesychios 
KOTd  ßoöc  die  allein  verbürgte  und  aliein  mögliche  lesart  ist?  warum 
führt  er  aus  Hesychios  etwas  an  was  dieser  nicht  geschrieben  hat? 

2)  würde  er  statt  des  von  Hesychios  geschriebenen  KOrd  ßooc  sein 
fehlerhaftes  xard  ßoöc  auch  dann  gesetzt  haben,  wenn  in  den  ausgaben 
vor  M.  Schmidt  nicht  KttTd  ßouc  stände?  —  vermutlich  wird  er  mit 
einem  kecken  *ja'  antworten:  denn  hr.  B.  besitzt  die  eigen tflmlichkeii 
auch  auf  höchst  seltsame  fehler,  die  andere  vor  ihm  gemacht  haben,  un- 
abhängig von  ihnen  zu  verfallen*);  aber  ich  muste  für  das  Bergksche 
KttTd  ßoöc  den  erklärungsgrund  in  dem  KQTd  ßoOc  der  Aidina  suchen, 
darum  weil  hr.  B.  in  seinem  programm  die  handschriftliche  lesart  des 
Hesychios  mit  keinem  Sterbenswörtchen  erwähnt  hatte;  3)  wenn  die 
glosse  des  Hesychios  wahrscheinlich  aus  einem  orakel  stammt,  liefert 
sie  dann  einen  sichern  beweis  für  die  existenz  einer  unerhörten  form?') 
—  doch  *die  form  ßoO  setzt  einen  gen.  ßoöc  voraus',  wenn  der  grosze 
heilenist  dies  im  ernst  behauptet,  so  müssen  wir  ihm  die  lectüre  des 
kleinen  Buttmann  empfehlen,  der  gen.  ßoO  setzt  nichts  weiter  voraus 
als  den  nom.  ßoöc :  denn  es  entspricht  sich  nom.  ßouc  und  gen.  ßoO, 
wie  ttXoöc  ttXoO,  Oibtirouc  OibCrrou  u.  ä.  in  ähnlicher  weise  ist  Nau- 
ClKubou  nicht  aus  dem  gen.  NauciKubouc  gemacht,  sondern  aus  den) 
nom.  NauciKu6r]C.  diese  Weisheit  wird,  denke  ich,  auf  den  Schulbänken 
aller  preuszischen  gymnasien  gelehrt. 

S.  3904  'meine  ausgäbe  des  Sophokles  hat  er  (N.)  von  aufaog  an 
als  eine  völlig  fiberflüssige  und  verunglückte  arbeit  zu  beseitigen  ver- 


2)  besonders  merkwürdig  ist  in  dieser  hinsieht  das  was  G.  Hermaoo 
zu  £nr.  Hei.  s.  137  f.  mitteilt  (vgl.  meine  teztausgahe  des  Soph.  b.  V 
anm.).  8)  dasz  die  phrase  xaTdi  ßoöc  eÜSacOai  auf  ein  orakel  sarfick- 
geht  ist  wol  möglich;  für  unrichtig  aber  halte  ich  die  ganz  willkär- 
licbe  voraussetznng  dasz  Hesychios  den  Wortlaut  des  orakels  erbalten 
'  ^be.  bei  Suidas  lesen  wir  ^i\  xrdvTa  xard  ßoöc  Sctc,  bei  Diogenisn 
&5  ixr\btv  Kard  ßoöc  eOEq.    vielleicht  kamen  in  einem  orakel  die 

e  Tor:   ^i^  irdvra  xaral  ßoöc  eÜSq  (so  Meineke  zu  Tbeokr.  s.  468). 


A.  Nauck:  zur  kritik  griechischer  dichter.  761 

sucht,  während  freilich  jetzt  seine  neueste  ausgäbe  zeigt,  wie  er  selbst 
wider  willen  mir  in  vielen  puncten  sich  angesclilossen  hat.'  hr.  Bergk, 
der  sich  darüber  beklagt  dasz  ich  in  den  Schriften  der  Petersburger  aka- 
demie  seinen  Sophokles  angegriffen  habe,  während  ich  jetzt  ihm  viel- 
fach beistimme ,  scheint  nicht  zu  wissen  dasz  ich  wie  vor ,  so  auch  nach 
dem  erscheinen  seines  Sophokles  mit  der  fortsetzung  der  Schneidewin* 
sehen  ausgäbe  beschäftigt  gewesen  bin.  sollte  er  irgend  eines  der  in  den 
jähren  1860 — 1866  erschienenen  neun  bändchen  des  Schneidewinschen 
Sophokles  zufällig  einmal  zu  geeicht  bekommen,  so  kann  er  aus  dem» 
selben  lernen  dasz  ich  seine  ausgäbe  des  Sophokles  nicht  erst  jetzt ,  son- 
dern von  jeher  beachtet,  dasz  ich  seine  Vermutungen,  soweit  ich  sie  ffir 
richtig  oder  wahrscheinlich  hielt,  von  jeher  dankbar  acceptiert  habe,  es 
ist  eine  kecke  Unwahrheit,  wenn  hr.  B.  behauptet,  ich  habe  seinen  Sopho- 
kles zu  beseitigen  versucht  oder  als  eine  flberflQssige  arbeit  bezeichnet, 
wie  früher,  so  meine  ich  noch  jetzt  dasz  der  Bergksche  Sophokles  eine 
höchst  leichtfertige  und  gewissenlose  arbeit  ist,  in  der  wie  vieles  andere, 
so^  namentlich  ein  gegen  Schneidewin  gerichteter  ausfall^)  den  tiefsten 
Unwillen  hervorrufen  musz,  dasz  aber  eben  diese  ausgäbe  des  Sophokles 
auch  ansprechende,  zum  teil  recht  dankenswerthe  textesverbesserungen 
enthält ,  dasz  sie  also  zwar  bei  weitem  schärferen  tadel  verdient  als  ich 
ihr  bisher  habe  angedeihen  lassen ,  aber  keineswegs  als  eine  überflüssige 
arbeit  zu  betrachten  oder  zu  beseitigen  ist. 

Alle  irtümer  oder  unziemlichkeilen  die  hr.  Bergk  in  seiner  recension 
vorbringt  zu  beleuchten  habe  ich  weder  zeit  noch  lust;  um  die  manier 
hm.  Bergks  zu  charakterisieren  glaube  ich  schon  im  vorstehenden  eher 
zu  viel  als  zu  wenig  gethan  zu  haben :  denn  dem  philologischen  publicum 
ist  beides  bekannt,  die  ars  wie  die  aries  des  hm.  Bergk.  wer  weiteres 
begehrt,  den  verweise  ich  auf  Ritschis  upuscula  phllologica  bd.  II,  na- 
mentlich s.  768—771.  hrn.  Bergks  unglflck  war  sein  dünkelhafter  hoch- 
mut,  der  ihn  verleitete  zu  einer  mit  jedem  jähre  sich  steigernden  leicht- 
fertigkeit  und  gewissen losigkell. 


4)  hr.  Bergk  behauptete  einstmals  (jahrb.  LXI  [1851]  s.  243  f.),  der 
schlasz  der  Trachinierinneu  sei  unecht,  und  andeutungen  oder  bmch- 
stücke  des  authentischen  Schlusses  fänden  sich  bei  Lucian  de  morte 
Peregrini,  bei  Dien  Chrysostomos  und  Aristoteles,  dieser  Bergkschen 
bebauptung,  die  sonst  kaum  von  jemand  auch  nur  beachtet  worden  ist^ 
erwies  Schneidewin  die  sehr  unverdiente  ehre  einer  Widerlegung,  dar- 
auf  breitete  hr.  Bergk  über  den  früheren  ganz  haltlosen  einfall  ein 
künstliches  Zwielicht,  seiner  verletzten  eitelkeit  aber  machte  er  luft 
durch  folgenden  passus  (Soph.  s.  XXXVI  zu  anfang):  «Schneidewinus, 
qui  solus  se  iactavit  Graecos  poetas  in  teiligere  et  novam  quasi  inter- 
pretandi  artem  sibi  invenisse  visus  est,  caeco  aliis  adversandi  studio 
abreptus  frustra  conatus  est  tuen  hanc,  quae  nobis  est  in  manibus,'  tra> 
goedxam.' 

St.  Petersbubo.  August  Nauck. 


762  P.  Holtfch :  anz.  v,  Kicomachi  introdacUo  anüuneüea  ed.  B.  Hoehe. 

101. 

ZUR  LITTERATÜR  DES  NIKOMACHOS  VON  6EKASA. 


1)  NlCOMAHI  GrEKASEKI  PttHAOOREI  IHTRODUCTIOKIB  AMSTBUSri' 
CAS  LIBRI  II.  KBCEH8UIT  BiCARDUS  HOCHE.  ACCEDCKT 
OODIOIB  ClZEHSIS  PROBLBM ATA  ARITHMBTICA.     Lipsiae  in  »edi- 

boB  B.  O.  Teabneri.  MDCCCLXYI.  XI  ü.  199  s.  8. 

2)  IQANNOY  rPAMMATIKOY  AA€£ANAP€fiC  TOY  OlAOHONOY  €IC 
TO   A€YT€PON   THC  NIKOMAXOY   APISMHTIKHC  ClCAröfHC 

PRiMUM  EDiDiT  RiCABDüS  HocHE.    Borolini  Rpud  S.  Cal- 
yarj  eiasque  socimn.    MDCCCXVII.    VIII  u.  38  s«   gr.  4. 

Die  arithmetische  einleitung  des  Nikomachos  tod  Gerasa  lag  bisher 
in  zwei  ausgaben  Yor,  der  Pariser  aus  der  officio  Christian  Wechels  vom 
j.  1538  und  der  von  F.  Ast,  welche  im  j.  1817  als  anhang  der  ^Iheolo- 
gumena  arithmeticae'  erschien,  die  edltio  princeps  fuszte  auf  einer  Tor- 
trefflichen  quelle,  welche,  wenn  wieder  aufgefunden,  der  besten  jetzt 
bekannten  liandschrifl  ebenbürtig  zur  seite  stehen  wfirde.  Ast  bezweck- 
te, wie  er  selbst  bekennt,  mit  seiner  ausgäbe  hauptsachlich  nur  dem 
mangel  an  exemplaren  des  Schriftstellers  abzuhelfen ;  dabei  habe  er  jedoch 
kurze  kritische  anmerkungen,  wo  es  ihm  nötig  schien,  hinzugefugt, 
hierzu  standen  ihm  drei  MOnchener  hss.  zu  geböte,  von  denen  er  aber 
gerade  die  beste,  weil  sie  mit  der  Pariser  ausgäbe  sich  nahe  verwandt 
zeigte,  fast  ganz  unbeachtet  liesz,  während  die  beiden  anderen  mit  ihren 
zahlreichen  iuterpolatiunen  und  conjecturen  ihm  reichliche  gelegenheit 
boten  bald  hier  bald  dort  nach  subjectivem  belieben  eine  bequemer  schei- 
nende lesart  aufzunehmen,  wie  weit  diese  willkur  gebt,  möge  ^In  bei- 
spiei  statt  vieler  zeigen,  für  ^€Taßaiv€t  s.  3, 18  ist  bereits  frObzeitlg  das 
ansdieinend  elegantere  ^erappei  conjiciert  worden  und  dies  in  einige 
jüngere  hss.  übergegangen,  soll  man  nun  der  angäbe  Asts  (s.  206)  glau- 
ben, so  hätte  die  Mfinchener  hs.  238  beide  lesarten  zu  )ui€Tapp€i  Kod 
iiaßaivei  verbunden;  der  neueste  hg.  dagegen  schreibt  diese  combination 
Asts  eigener  erfindung  zu.  wie  dem  auch  sein  mag,  jedenfalls  hat  die 
kritik  gegen  diese  schlimmste  sorte  von  schlechten  lesarten ,  welche  die 
iuterpolation  mit  der  echten  Überlieferung  zusammenflicken,  entschieden 
sich  zu  erklären,  ein  kurzes  stück  weiter,  s.  5,  19,  ist  überliefert  biio 
^^Oobot  dTTiXrjipovTai  dmcni)uioviKal  Kai  bieuKpiviicouci.  Ast  schrieb 
dafür  a^i  bieuKpivricouci,  was  der  neueste  hg.  mit  recht  zurückgewiesen 
hat.  aber  da  die  hsl.  lesart  jedenfalls  dadurch  anstosz  erregt,  dasz  ein 
verbum  finitum  folgt,  wo  man  eine  apposilive  bestimmung  zu  |üi^tol>oi 
erwartet,  so  scheint  Kai  bieuKpiv^jcGUcai  das  ursprüngliche  zu  sein. 

Durch  die  vorliegende  ausgäbe  hat  sich  hr.  Hoche  das  grosse  ver- 
dienst erworben  den  tezt  des  Schriftstellers  auf  die  älteste,  von  absicht- 
lichen entstellungen  noch  ziemlich  verschonte  Überlieferung  zurückzu- 
fuhren, diese  ist  uns  erhalten  in  der  Göttinger  hs.  des  lOn  jh.  (6),  deren 
^"*nzung  dem  hg.  durch  Sauppes  Vermittlung  möglich  wurde,  wenn 
^n  hiernach  hergestellten  text  mit  den  zahlreichen,  häufig  sehr  weit 


F.  Huitsch:  anz.  y.  Nicomachi  introductio  arithmelica  ed.  R.  Hoche.    763 

gehenden  änderungen  der  jüngeren  bss.  vergleicht,  so  erh&ll  man  einen 
überraschenden  einblick  in  die  ausdehnung  und  kfibnheil  der  interpolalo- 
riscben  thatigkeit,  von  welcher  kein  alter  tezt,  mochte  er  auch,  wie  der 
vorliegende  streng  mathematische,  der  willkürlichen  nmbildang  noch  so 
wenig  spielranm  bieten,  verschont  geblieben  ist.  während  nun  einerseits 
die  treffliche  Göltiuger  hs.  einen  guten  teil  dieser  fälschungen  unmittel- 
bar durch  ihre  autorität  aufdeckt,  so  ist  anderseits  zu  erwarten,  dasz 
auch  diese  verbal tnisrnSszig  doch  junge  quelle  der  Überlieferung  von  dem- 
selben übel  nicht  ganz  verschont  geblieben  ist.  aber  der  grosze  vorzug 
ist,  dasz  in  G  dergleichen  glosseme  noch  leicht  sich  als  solche  erkennen 
lassen,  wahrend  weitere  interpolationen  in  den  jungem  hss.  daraus  eine 
leidliche  lesart  zu  stände  gebracht  haben,  welche  ohne  kenntnis  der 
altern  Überlieferung  schwerlich  als  unecht  entlarvt  werden  würde,  dies 
zeigt  sich  schon  im  kleinen,  wie  s.  5,  5,  wo  in  der  bisher  üblichen  lesart 
at  bi  imcTf))uiai  TrdvTUiC  TrenepacM^vuiv  eiclv  £1ttcTfi^al  das  doppelte 
i7TlCTf)^al  jedem  auffallen  musz.  sieht  man  nun  dasz  G  a\  bk  a\  diriCTf]- 
^ai  hat,  80  leuchtet  sofort  ein  dasz  Nikomachos  al  bi,  irdvnjüc  ttcttc- 
pac^^vujv  eiclv  £incTf))uiat  geschrieben  und  zu  dem  voranstehenden  a\ 
bi,  was  undeutlich  scheinen  mochte,  ein  spaterer  erklarer  al  iiriCTfifLiat 
hinzugefügt  hat.  in  gleicherweise  ist  die  stelle  s.  19,8  zu  beurteilen,  hier 
gibt  zwar  die  vulgau  ^övou  ToO  ^^cou  irpdc  touröv  iroXXairXacia- 
Zofi^vou  einen  ertraglichen  sinn ;  aber  in  G  fehlt  das  particip  und  G*  hat 
es  an  anderer  stelle,  ein  selten  trügendes  zeichen  jüngerer  Interpolation, 
ferner  hat  G  nicht  )uiövou  ToO,  sondern  )uiövov.  vergleichen  wir  nun 
damit  die  vorhergehende  auseinandersetzung  des  Nikomachos,  so  kann 
schwerlich  ein  zweifei  darfliier  sein ,  dasz  in  G  die  worte  )uiövov  ^^cou 
irpöc  daurdv  von  einer  randglosse  herrühren,  in  welcher  das  unpassende 
jLiövov  und  die  falsche  masculinform  ^aurdv  auf  rechnung  des  interpo- 
lators  kommen,  wahrend  die  worte  jüidcou  irpöc  daUTÖ  ausgeschrieben 
waren  von  s.  19,  3.  Nikomachos  selbst  gab  in  dem  von  ihm  gewählten 
beispiele  einfach  die  Zahlenresultate,  schlosz  also  mit  vSj)  ÖKTdKic  f], 
ohne  die  sachliche  erklarung,  die  er  eben  vorher  mitgeteilt  hatte,  hier 
nochmals  zu  wiederholen. 

Leichter  kann  man,  wie  schon  angedeutet,  die  interpolatorische 
thatigkeit  da  erkennen,  wo  G  von  derselben  verschont  gebUeben  ist.  in- 
iles  ist  nicht  auszer  acht  zu  lassen,  dasz  dieselbe  hs.  mehrere  kleine 
lücken  hat,  welche  die  jüngere  handschriftenfamilie  nicht  teilt,  es  kann 
also  der  umstand  allein,  dasz  ein  oder  mehrere  worte  in  G  fehlen,  noch 
nicht  für  deren  Verurteilung  entscheiden ;  wol  aber  musz ,  wenn  ander- 
weitige gründe  hinzukommen ,  eine  solche  abweichung  sehr  ins  gewicht 
fallen,  so  fehlt  s.  6,  23  in  dem  citat  aus  ArchyUs  Kai  ccpaipiKfic  auszer 
in  G*  auch  in  der  Pariser  ausgaiie.  vergleicht  man  nun  noch  dazu  die 
weit  ausführlichere  fassung  dieses  citales  bei  Porphyrios  zu  Ptolemaos 
harmonika*),  so  wird  sofort  klar,  dasz  die  schon  an  sich  auffallige  er- 


*)  Wallisii  op.  mathem.  bd.  III  s.  236;    Hartenstein   de  Archytae 
TTarentini  fragmentis  (Leipzig  1833)  s.  41. 


764  F.  HuItMh :  anz,  ▼.  Nicomadii  inlroductio  aritbmelica  cd.  R.  Boche. 

wähDung  der  cqMnptKif|  hinter  t€Ui^€Tpticf|  xal  Äpi^irnKrj  tm  eiieo» 
Interpolator  herrQhrt,  welcher  sich  durch  die  bei  Nlkom.  a.  6,  7  fo^fac^ 
gehende  anfflbrttng  der  cqMXipiKrj  dazu  verleiten  Uesz.  offenbar  leigi 
sich  auch  als  glossem  s.  42, 1  der  in  6  fehlende  und  w^en  der  umaiitd- 
bar  folgenden  worte  eöpiocui  töv  t  äpiO^öv  ganz  uberfiOssige  xusau 
Tic  äpiOjLiöc  iciu  die  vom  hg.  angezogene  vergleichung  von  Boetios 
insi.  ariihm.  1  20  (s.  42,  28  Friedlein)  ist  nicht  enlseheidend,  da  üer 
lateinische  bearbeiter  frei  übersetzt;  ja  es  kann  vielleicht  umgekebrl 
daraus  geschlossen  werden  dasz ,  wie  Bo€lius  numerus  nur  Einmal  bat, 
so  auch  bei  Nikomacbos  dpi6)uiöc  mit  G  nur  Einmal  zu  lesen  sei.  luim. 
kann  sich  daher  nicht  damit  einverstanden  erklaren ,  dasz  der  hg.  dieses 
und  manchen  andern  erklärenden  oder  erweiternden  zusatz  der  arl,  wei- 
chen G  nicht  kennt,  in  den  text  aufgenommen  hat.  allerdings  sied  sokbe 
abweichungen  durch  kleineren  druck  von  der  ältesten  überliefeniDg  un- 
terschieden ;  aber  wenn  sie  einmal  im  leite  stehen ,  erwecken  sie  onwill- 
kflrlich  die  Vorstellung,  dasz  sie  ebenso  wie  andere  ergänzungen,  wekbe 
wirkliche  lücken  von  G  ausfüllen,  als  unentbehrlich  gellen  sollen,  ws 
die  äuszere  Unterscheidung  durch  den  druck  betrifft,  so  ist  zu  s.  63  die 
kleine  berichtigung  nachzutragen,  dasz  nicht  z.  2,  sondern  z.  7  irpu^TOV 
durch  Petitschrift  zu  geben  war. 

Es  mögen  nun  zu  einzelnen  stellen  des  ersten  buche«  einige  bemer- 
kungen  folgen,  welche  den  zweck  haben  der  guten  Überlieferung,  wo  $ie 
bisher  noch  nicht  anerkannt  ist,  ihr  recht  zu  verschaffen. 

Unwesentlich  mag  es  erscheinen,  dasz  s.  9, 19  in  den  worten  dvm- 
peö^VTOC  tap  TOÖ  iäou  dvatpeiTai  Kai  6  äv6pu)Troc  G  den  ariikel  6 
weglSszt.  überliest  man  die  stelle  im  Zusammenhang,  so  ergibt  sich  dasx 
der  Schriftsteller  den  artikel  niclit  weggelassen  haben  kann;  wol  9^ 
scheint  aus  der  lesart  von  G  hervorzugehen ,  dasz  er  xal  fivOpuiffOC  ge- 
lesen und  verstanden  wissen  wollte,  beilftufig  sei  hier  noch  der  druck* 
fehler  s.  42,  16  'cüv06TOC  für  dcüvOexoc  erwähnt,  weil  es  auf  den 
ersten  blick  scheinen  könnte,  als  sei  hier  die  krasis  KdoJvOCTOC  übe^ 
liefert,  doch  die  Pariser  ausgäbe  zeigt  keine  spur  davon ,  und  in  der 
nähe  steht  mehrmals  Kai  dcuvOcTOC. 

Was  G  s.  15,  1  bietet:  t6  dpridKic  dpriov  Kai  dpTtoir^pKCOVr 
während  die  vulgata  den  artikel  nach  Kai  wiederholt,  scheint  unanstöszig 
nach  dem  beispiel  anderer  nachattischer  Schriftsteller,  ob  etwa  eine  aoi* 
logie  bei  Nikomacbos  selbst  sei  es  dafür  oder  dagegen  spricht,  vermag 
unterz.  nicht  sich  zu  erinnern. 

Warum  s.  19,  19  näcav  ^^pouc  irocÖTnxa  nach  drei  interpolier- 
ten hss.?  die  teile  des  dprioir^pirroc  dpiO^öc  schweben  bereits  als 
bekannt  vor  (wie  es  gleich  nachher  s.  20,  1  heiszt  Tf|V  büva|itv  Tou 
ji^pouc);  also  steht  doch  wol  richtig  näcav  Tf|v  toö  ^i{iO\K  nocö- 
TT)Ta  in  G  und  genau  so  in  der  Pariser  ausgäbe  (nicht  li^v,  wie  in  dff 
adnotatio  gedruckt  ist). 

Mit  unrecht  ist  s.  20,  4  die  vulg.  6vO)uiaT07T€noiim^vov  geg^^ 
die  richtige  Überlieferung  in  G  d)VO^aT01r€1TOl1lfl^vov  stehen  gebüebeti- 

'^TOireiTofaiTai  führt  £usUthios  zu  Od.  a  s.  6,  12  ed.  Lips.  tf« 


F.  Holtsch:  aoz.  v.  Nicomachi  introductio  arithmetica  ed.  R.  Hoche.    765 

gestützt  wird  diese  form  auszerdem  durch  die  attischen  bildangen  dibo- 
7T€iro(f])uiai  und  lmroTeTpöq>TiKa  (Krüger  spr.  S  ^^^  l^i  3)  sowie  durch 
|ie^€Xo7T€iTOirmdvoc  bei  Athen.  10  s.  453^  (und  bei  Eust.  zu  II.  V  705 
8.  318  9  25  ed.  Lips.).  dagegen  kann  nicht  in  betracht  iLommen,  dasz 
^bbonciroiim^vii  bei  Xenopbon  anab.  5,  3,  1  nicht  sicher  überliefert 
und  daher  von  L.  Dindorf,  dem  Breitenbach  in  der  neuesten  ausgäbe  folgt, 
in  (bboTTOirm^VTi  geändert  ist.  denn  wenn  man  auf  diese  weise  Xeno- 
pbon als  gewUhrsmann  beseitigt,  so  trit  an  dessen  stelle  Arrian  anab. 
1,  26,  1.  3,  13,  2  als  vollgültiger  zeuge  für  den  entsprechenden  ge- 
brauch bei  Nikomachos  ein. 

Fraglich  kann  es  s.  24,  5  erscheinen,  ob  d7T0T€VVilC0VTai  in  der 
bedeutung  eines  futurum  passivi  anzuerkennen  ist.  G  hat  übereinstim- 
mend mit  der  Pariser  ausgäbe  änoTCVfjcovTai.  warum  soll  der  mathe- 
matische Sprachgebrauch  nicht  ebenso  dTTOTivecOoi  als  intransitiv  zu 
diroTCVVÖv,  wie  der  allgemeine  Sprachgebrauch  titvecOat  neben  t€V- 
vfiv  verwendet  haben?  äiroTCVllO^V  ist  überliefert  in  den  Heronischen 
definitionen  84 ,  1  (s.  die  bemerkung  dazu  im  index). 

Was  die  Verwendung  von  ^^xpi  als  conjunction  betrifft ,  so  bietet 
die  kurze  schrift  des  Nikomachos  im  kleinen  ein  recht  deutliches  bild  von 
der  manigfaltigkeit,  welche  hierin  dem  griechischen  Sprachgebrauch  durch 
alle  zelten  eigeu  war.  die  frage  ist,  was  wir  s.  31,  5  zu  lesen  haben, 
wo  in  6  liixpic  oö  irpoxuipeTv  ^O^Kwfiev,  in  der  Pariser  ausgäbe 
piixpxc  oO  irp.  £O^Xofi€V,  in  den  Jüngern  hss.  ^^XP^c  oü  dv  np.  iM- 
Au))ui€V  steht.  Nikomachos  gebraucht  anderwärts  1)  jüt^XP^  ßouXei  s.  104, 
21  (lui^XPtc  0(3  haben  PGH):  2}  M^XP^c  oi3  ßoOXei  s.  41,  4.  47,  3.  50, 
18.  65,  25.  88, 7  u.  ö.,  }x4.xp\c  oö  ßoOXcraf  Tic  npoxwpciv  s.  100, 19, 
fi^XPtc  oi}  buvQTÖv  s.  14, 16;  3]  ^^xpic  &v  npoxtupeiv  IBlkrjc  s.  20, 
15,  \xixp\c  Sv  cÖTOvfl  TIC  s.  43,  18.  63, 18,  ^expic  fiv  KOTavT/jcij 
s.  15,  9.  nach  dieser  Übersicht  könnte  es  an  der  obigen  stelle  zunächst 
<als  das  gerathenste  erscheinen  iO^Xuijitev  in  6  für  einen  leichten  Schreib- 
fehler anzusehen  und  mit  der  Pariser  ausgäbe  Ji^XP^^  ^^  TTpoxiupcTv 
40^XojU€V  zu  lesen,  der  hg.  zieht  mit  den  jungem  hss.  ^^XPtC  od  &V 
irp.  dd^Xujjutev  vor.  da  dieses  hinzugefügte  fiv  sicher  nicht  auf  alter 
Überlieferung  beruht,  sondern  einfach  als  conjectur  zu  betrachten  ist,  so 
läszt  sich  noch  über  die  ihm  zugewiesene  Stellung  rechten.  liixP^^  oiS 
dv  wird  im  thesaurus  Steph.  s.  953*  aus  Aristoteles,  Theophrastos  und 
Athenäos  angeführt;  M^Xptc  6v  oiS  dagegen  haben  Polybios  5,  56,  2 
und  Diodoros  16,  60,  1.  doch  warum  soll  dem  Nikomachos  durchaus 
die  durch  die  Überlieferung  beglaubigte  und  durch  den  frühem  gebrauch 
bestätigte  stractur  von  M^XP^  ^^  (ohne  dv)  mit  dem  conjuncliv  abge- 
sprochen werden?-  ich  übergehe  die  fünf  stellen  ans  Thukydides,  welche 
zuerst  Poppo  observ.  s.  143  und  nach  ihm  die  hgg.  zu  1,  137,  2  zu- 
sammengestellt haben,  sowie  die  belege  aus  Xenopbon  und  Theophrast 
für  M^XPic  (o^n®  oiS)  und  fixptc  oiS  mit  einfachem  conjunctiv,  welche 
Lobeek  zu  Phrynichos  s.  15  anm.  anführt,  entscheidend  ist  der  nach- 
weis,  dasz  audi  der  spätem  gräcität  die  stractur  nicht  fremd  ist:  vgl. 
Polybios  d,  93,  5,  ferner  die  stellen  aus  der  jüngtoi,  nicht  von  Hippo- 


766    F.  HuJtsch:  anz.  ▼.  Nicomachi  iolrodaclio  ariÜuneUci  ed.  R.  Hocbe. 

kraUs  herrObrenden  schrift  über  frauenkranUieUea ,  welche  Lobeck  a.  o. 
t.  14  citiert,  woran  sich  die  beispiele  aus  Plotarcb  nod  anderea  ^teren 
bei  demselben  s.  16  aom.  anreihen. 

Nicht  ganz  sicher  ist  s.  35,  20  KOTaXemerai ,  da  sonst  in  diesem 
sinne  das  einfache  Xeiirecdai  (wie  hier  auch  jflngere  bss.  baben)  sieb 
findet,  und  überdies  in  G  die  auf  eine  comiptel  hiadeatende  form  Korro* 
XfirotTO  steht,  die  prftp.  xara-  konnte  leicht  aas  der  vorliergeheBdei 
zahl  Ktt  irtflmlich  entstehen;  der  rest  des  Wortes  scheint  dann  Xontä  rd 
gelesen  werden  zu  müssen  {v^L  z.  12  XotirP|  ^oväc,  nicht  ra  gedenkoi 
des  sehr  gewöhnlichen  gleichartigen  gebrauches  bei  Heron  u.  a.). 

S.  42,  2  lautet  die  vuig.  &  iiV  irpoOircbeixOn  ^nach  dem  was 
vorher  gezeigt  worden  ist',  allein  die  erste  band  in  G  schrieb  irpoica- 
TT)x6n  9  ^3s  höchst  wahrscheinlich  aus  einem  ursprünglichen  irpoKorn- 
Xffit]  'nach  dem  was  vorher  gelehrt  worden  ist'  seinen  urspnmg  hat 

S.  66,  22  ist  nach  übereinstimmender  hsl.  Überlieferung  der  ein- 
fache Optativ  T^voiTO  im  potentialen  sinne,  gegen  Ast  welcher  t^oito 
T&p  öv  schrieb,  wieder  hergestellt,  dann  musz  aber  auch  s.  27,  6  mit  G 
und  der  Pariser  ausgäbe  das  im  gleichen  sinne  stehende  buvatvr'  dXXoi 
T€V^c6m  (nicht  btjvaivr'  öv)  als  echt  anerkannt  werden. 

Nicht  recht  ersichtlich  ist  es,  aus  welchem  gründe  bisweilen  ein« 
im  text  stehende  lesart  nochmals  als  Variante  in  der  adnotatio  erscheint, 
so  s.  28, 6  ^vdnp  GP^  s.  34, 6  ^T^vero  Gm.  das  soll  doch  wol  heiszen, 
dasz  die  übrigen  hss.  etwas  anderes  haben ,  und  vermutungsweise  kann 
man  annehmen ,  dasz  diese  abweichende  lesart  in  der  Astschen  ausgäbe 
zu  finden  sei ,  nemlicb  an  der  ersten  stelle  ^vvdTtu,  an  der  zweiten  ix^- 
vero.  doch  da  diese  ausgäbe  nicht  jedem  zur  band  sein  kann ,  so  wire 
zu  wünschen  gewesen  diese  Varianten  anstatt  der  bestAtlgung  der  im 
text  stehenden  lesart  unten  verzeichnet  zu  finden,  ganz  unverstlndlicfa 
ist  iu  folge  eines  anderweit  dazugekommenen  Versehens  die  anmerkuag 
zu  s.  39,  9  geworden  cjiieiZova  om.  Sff^  qui  post  diroq>.  add.  ^dccui. 
Kai  aie\  GP*.  schlägt  man  die  Pariser  ausgäbe  nach ,  so  findet  man  ge- 
nau dieselbe  lesart  wie  im  Hocheschen  text,  und  das  gleiche  steht  voraus- 
sichtlich auch  in  6.  also  ist  «aiel  GP»  eine  bemerkung  für  sieh  und 
zwar  nach  der  eben  gezeigten  art  eine  bestätigung  des  lextes,  wihrend 
Ast  und  dem  stillschweigen  nach  die  Jüngern  hss.  dcl  baben.  was  nun 
in  der  von  uns  ausgeschriebenen  anmerkung  noch  vorhergeht,  sciieint 
nur  so  einen  sinn  zu  haben,  dasz  man  annimt,  die  hss.  SH  fügen  ^dccui 
hinzu  und  haben  dann  Kai  anstatt  dXX*.  auch  in  die  anmerkung  zu 
s.  12,  6  hat  sich  einige  Verwirrung  eingeschlichen,  welche  nur  zum  teil 
sich  leicht  beseitigt,   denn  ob  G  ti^  oder  £k  toö  hat,  bleibt  zweifelhaft. 

Die  interpunctlon  scheint  geändert  werden  zu  müssen  an  der  scliwie- 
rigen  stelle  s.  16  S  10,  welche  nach  der  vorliegenden  ausgäbe  noch 
schwerer  verständlich  geworden  ist  zunächst  musz  z.  16  hinter  aörou 
wenigstens  ein  komma  stehen  (so  bei  Ast;  ein  kolon  hat  die  Pariser  aus- 
gäbe), dann  fängt  z.  18  mit  den  werten  Kard  dvTtnepicraciv  fi^vroi 
ein  neuer  satz  an;  also  davor  nicht  komma,  sondern  volle  interpunctlon; 
''"(Uich  aber  vor  ji(a  ^iv  komma  anstatt  des  kolon.   der  bau  der  periode 


F.  Hultsch:  anz.  v.  Nicomacfai  introductio  arithmetica  ed.  R.  Hoche.   767 

£av  liiv  (Ziciv  . .,  ^ia  pkv  oux  oTa  re  usw.,  wozu  das  gegenglied  SU 
in  anderer  form  folgt,  ist  zu  beurteilen  nach  dem  was  Kroger  spr.  %  69, 
16)  2  und  zu  Xen.  anab.  3,  1,  43  bemerkt. 

Der  hg.  folgt  in  der  griechischen  Zahlenbezeichnung  gewissen  eigens 
von  ihm  aufgestellten  regeln,  die  frage  ist  noch  eine  durchaus  offene, 
und  jeder  weitere  urkundliche  beitrag  dazu,  wie  das  s.  X  der  vorrede  be- 
merkte ,  sehr  dankenswerth.  die  bezeichnungsweise  ist  eine  verschiedene 
in  verschiedenen  handschriftengruppen.  was  insbesondere  die  bruch- 
zeichen betrifft,  so  hatte  unterz.  in  seiner  ausgäbe  der  Heronischen  geo- 
metrie  sich  nach  dem  Pariser  codex  2013,  aus  welchem  er  den  text 
abschrieb,  gerichtet,  nur  hatten  mit  rücksicht  auf  die  typographische 
herstellung  die  kleinen  schleifen ,  welche  an  das  Zahlzeichen  angefügt  zu 
werden  pflegen*),  wegbleiben  müssen,  dazu  kam  in  der  vorrede  zu  den 
metrol.  Script.  I  s.  174  eine  in  möglichst  kurze  form  gefaszte  Vermutung 
Ober  die  entstehung  dieser  bezeicbnung.  dasz  der  doppelte  nach  links 
gerichtete  abkürzungsstrich  in  andern  HÜlen  -€iv  bedeutet,  und  wieder 
andere  bedeutungen  der  nach  rechts  gewendete  einfache  oder  doppelte 
strich  hat,  das  konnte  und  sollte  an  jener  stelle  nicht  berührt  werden, 
nie  aber  auch  ist  es  unterz.  beigefallen  in  die  theorie  der  bruchzahlen 
das  aufzunehmen  was  s.  XI  der  vorrede  zu  lesen  ist:  <ß''  Hultschius  vult 
esse  bcirrepov  vel  bOocrov» :  denn  das  zeichen  für  Yj  ^^^  ^  ^^^  heiszt 
auf  griechisch  fifiicu,  wie  im  Heron  nicht  gerade  selten  gedruckt  steht, 
für  eine  weitere  behandlung  der  streitigen  frage  musz,  so  scheint  es, 
noch  besonders  darauf  hingewiesen  werden ,  dasz  es  sich  zunSchst  nicht 
sowol  darum  handelt,  wie  überhaupt  die  Ordinalzahlen,  sondern  nur  wie 
die  bruchzahlen  in  Verbindung  mit  ganzen  zahlen  bezeichnet  worden  sind, 
man  vergleiche  die  bnichrechnungen  in  der  Heronischen  geometrie  c.  34 
— 36.  die  doppelsetzung  des  nenners  zur  bezeicbnung  der  mehrheit, 
z.  b.  €  e  =  TT^^Ttra  ist  hsl.  vollkommen  gesichert,  wie  aus  den  seltenen 
abweichungen,  die  in  der  adnotatio  angemerkt  sind,  hervorgeht;  dieselbe 
wird  daher  schwerlich  beseitigt  werden  können,  selbst  trotz  des  ana- 
thema  welches  in  der  z.  f.  d.  gymnasialwesen  XX  s.  129  darüber  ausge* 
sprochen  wird:  ^bei  dieser  verkehrten,  ganz  ungriechischen'  —  aber 
leider  handschriftlich  überlieferten  ^-  'bezeicbnung  nehmen  sich  die 
18  multiplicationsschemata  der  geometrie  eigen  aus  und  haben  ihre 
Übersichtlichkeit  verloren.'  wollte  man  nun  mit  hm.  Hoche  in  jenen 
rechnungen  ni}mxa  durch  e^  und  entsprechend  die  übrigen  bruch- 
zeichen geben,  so  ist  klar  dasz  damit  viel  weiter  von  der  gesicherten 
Überlieferung  abgewichen  würde  als  durch  die  bezeicbnung  e"  e'\  bei 
welcher  nur  die  anwendung  der  striche,  nicht  aber  das  wesentliche, 

*)  anf  die  nachbildnngen  dieser  züge  bei  Montfaneon  und  Angelo 
Mai  ist  metroL  Script.  I  s.  174  verwiesen,  die  gleichen  zeichen  fand 
auch  Friedlein  für  die  bräche  V,  V4  V5  Ve  V»  ^  seinen  hss.  des  Pedia- 
simos  vor:  vgl.  s.  14  aam.  38  und  fig.  130.  dieselben  erscheinen  ferner 
auch  in  der  Wolfenbüttel  er  hs.  des  Pediasimos.  wie  jedoch  bereits  ans 
den  nachbildnngen  bei  Friedlein  sich  zeigt,  dass  die  schleife,  wo  ihre 
anfügnng  unbequem  war,  weggelassen  wurde,  so  fehlt  sie  auch  in  der 
Wolfenbütteler  hs.,  z.  b.  T  k^V  fol.  16»»  =>  s.  28,  11  (Friedlein). 


768  F.  Hultsch :  ans.  ▼.  If ioomadii  introdiicüo  ariümietiea  ed.  R.  Hoche. 

nemlich  das  doppelt  gesetzte  zahlzeichea  streitig  sein  kann,  denn  den 
einzigen  Yorsddag,  der  noch  denkbar  wSre,  €^  e^  zn  schreiben,  wird 
wol  niemand  im  ernst  vertreten  wollen. 

Doch,  wie  gesagt,  weitere  forschongen  werden  wenigstois  das  ^ine 
sicher  ergeben,  dasz  nicht  ^in  allgemeines  gesetz  ffir  griechische  zahlen- 
bezeichnung  aufgestelit  werden  kann,  sondern  verschiedene  methodai 
derselben  anzuerkennen  sind,  dazu  mögen  hier  noch  einige  kleine  ha- 
trage  folgen,  entnommen  aus  dem  cod.  Vaticanus  1038  des  elltea,  viel- 
leicht schon  zehnten  jh.,  welcher  aof  fol.  130 — 132  die  Heroniscben 
^eTpTJC€iC  (s.  188 — 207  der  ausgäbe)  enthalt 

Die  Zahlzeichen  a  bis  ^  erscheinen  horizontal  überstrichen,  lediz- 
lidi  der  willkfir  des  Schreibers  ist  es  zuzurechnen,  wenn  anstatt  des 
geraden  Striches  eine  schlangenförmige  linie  gezogen  Ist.  mehrere  Zahl- 
zeichen, welche  zusammen  ^e  zalil  bilden,  haben  einen  gemeinsame 
strich,  auch  die  Zahlzeichen  /a  bis  /9  =  1000  bis  9000  werden  fliier- 
strichen,  und  zwar,  wenn  mit  kleineren  zahlen  verbunden,  mit  diesen 
gemeinschaftlich;  z.  b.  Jv^  s.  190,  1,  /TCM  190,13,  /TuiM  189,  23, 
Jfi  190,  18.  nur  Einmal,  s.  198,  2,  findet  sich  /B  B  =  2002,  also  das 
zeichen  für  die  tausende  gelrennt  und  nicht  überstrichen,    umgekehrt 

/B  ä  s.  200, 20,  also  ebenfalls  die  tausende  abgetrennt,  aber  diese  Olier- 
strichen,  wahrend  B  =s  2  durch  einen  schrägen  nach  links  gerichteten 
strich,  der  über,  nicht  neben  dem  zahlbuchstaben  steht,  iKizeichnel  ist. 
dieser  übergesetzte  strich  kommt  auszerdem  noch  einige  mal  vor:  t  s. 
197, 15,  d  201,  21,  Krj  203,  7;  an  anderen  stellen  ist  er  aber  beräu 
nach  rechU  zur  seite  gerückt:  le'  198, 19,  X'  (sUtt  '^')  202,  18.  end- 
lich erscheint  derselbe  schiefe  strich  auch  combiniert  mit  dem  horixontal- 

strich,  und  zwar  entweder  darüber:  i^,  6  194, 6,  oder  daneben:  i&pov 
a  194,  3,  xg^  198,  27.  am  allerseltensten  ist  der  fall,  dasz  jedes  bei- 
zeichen fehlt ,  wie  bei  i)  202,  19,  was  lediglich  als  versehen  des  Schrei- 
bers zu  betrachten  ist  (ebenso  bei  der  brndizahl  xa  195,  16}. 

Die  zeichen  für  1000  bis  9000  sind  die  der  entsprechenden  einer 
mit  einem  vorn  in  gleicher  linie  stehenden,  oft  mit  der  zahl  zusammen- 
gezogenen schiefen  strich,  beispiele  sind  bereits  im  vorigen  gegeben, 
s.  190, 12  hat  bei  acQCT  die  erste  hand  den  vordem  strich  weggelassen, 
und  erst  eine  jüngere  ihn  ergänzt. 

Die  zeichen  für  10000  bis  90000  sind  wiederum  die  der  entspre- 
chenden einer  mit  je  zwei  puncten.  von  den  folgenden  kldneren  zahlen 
stehen  sie  getrennt,  wie  auch  in  der  gesprochenen  rede  die  myriaden 
besonders  gruppiert  werden,  also  ä  /ec  192,  23,  und  so  auch  bei  vor» 
hergehender  bezeichnung  der  myriaden:  füiupiäbac  B/&tk  193,3.  als 
richtiger  musz  es  betrachtet  werden,  wenn  in  letzterem  falle  die  buch- 
Stäben  für  die  myriaden  als  einheilen  bezeichnet  sind,  wie  (luptdbcc  A 
196,  12,  A  jLiupidbac  196,  13.   ebenso  EH  ji /Aciff]  und  f  ß  yBHKK 

205,  3.  4,  wo  ji  und  \x  die  abbrevialuren  für  jiupidbec  shid. 

Das  zeichen  der  balfle,  eigentlich  8^  ist  gewöhnlich  cursiv  gezogen 
zu  S,  häufig  airch  mit  dem  vorhergehenden  Zahlzeichen  In  ^inen  zug 


F.  Hultsch:  anz.  y.  Nicomachi  introductio  arithmetica  ed.  R.  Hoche.   769 

^usammeDgeschrieben.  irgend  ein  beizeichen  gehört  dem  8  ursprünglich 
dicht  zu,  und  so  fehlt  es  auch  in  der  ha.  mehrmals,  wie  191,  16«  195, 
10.  11.  16.  198,  12  u.  ö.;  allein  es  ist  nicht  zu  verwundem,  wenn 
iiiifch  die  unmittelbare  nahe  der  beizeichen  auf  den  ganzen  und  gebro- 
chenen zahlen  auch  das  halflenzeichen  einen  strich  erhalten  liat.  am 
häufigsten  findet  sich  der  schiefe  strich  darflber,  seltener  der  horizontale 
strich,   vereinzelt  ist  il  197,  6. 

Die  eigentOmllche  bezeichnung  ur  für  Yj  (metrol.  script.  I  s.  174) 
hat  der  Schreiber  s.  194,  14.  16  das  ^ine  mal  zu  xal,  das  zweite  mal  zu 
i  cornunpiert  die  andere  Schreibweise  für  denselben  bruch,  Reiche 
metrol.  script.  a.  o.^ erwähnt  ist,  findet  sich  in  folgenden  formen:  /B  201, 
15,  /B  204,  15,  8  201,  20.  23  u.  d. 

Es  kommen  nun  die  brfiche  Vsi  V4  usw.,  welche  im  griechischen 
•durch  den  einfachen  zahlbuchstaben  des  nenners  ausgedrüclit  werden, 
vielfach  hat  hier  der  Schreiber  keinen  unterschied  von  der  bezeichnung 
der  ganzen  zahlen  gemacht,  selbst  da  wo  durch  diese  Unterlassung  die 
rechnung  geradezu  unverständlich  wird:  z.  b.  äpov  TÖ  S  f  191,  23  soll 
heiszen  äpov  TÖ  T^rapTOV*  jn^vouci  TpiaKÖcioi.  aber  je  mehr  weiter 
im  texte  die  bruchzeichen  sich  hflufen ,  desto  constanter  trit  die  absieht 
hervor  dieselben  von  den  ganzen  zahlen  zu  unterscheiden,  dies  führt 
deutlich  darauf  hin,  dasz  in  dem  original,  welchem  der  Schreiber  folgte, 
die  Unterscheidung  noch  besser  durchgeführt  war,  dieselbe  aber  von 
jenem  anfangs  als  irrelevant  nicht  beachtet  war.  zuerst  erscheint  einige- 
mal das  dachförmige  zeichen ,  welches  auch  andere  hss.  hin  und  wieder 
bieten:  t  192,  12,  r  194,  7,  oder  dasselbe  abgerundet:  g  192,  12. 
aber  nach  und  nach  wird  der  darOber  oder  an  der  seite  hinzugefügte 
schiefe  slrlch  immer  häufiger,  so  dasz  man  diese  bezeichnung  getrost  als 
die  regel  betrachten  kann ,  welcher  der  redacleur  der  samlung  folgte,  es 
scheint  passend  als  beispiel  von  s.  195,  9  an  einige  zellen  im  Zusammen- 
hang zu  geben ,  wobei  nur  zu  bemerken ,  dasz  C  das  oben  beschriebene 
cursive  zeichen  der  hälfte  ausdrücken  soll,  und  dasz  für  A  als  zahl- 
reichen b  gesetzt  ist:  TtTvovrai  Ä  b  H  t?  F  gfC  M  4  b  H  xal  Z!f^  i* 
€x€i  d^ßaboöc  £S/'  OH  C  b'-  tIvovtoi  Ä  SR  i'  F  JIS'  &  C  b'  g^  Kai 
iö^  KH-  lx€»  ^Mßabouc £^y  H  b'  A'fiwYtax  n  f\i  bF  KH'^Cm- 

4cai  AV  &.  £x€i  ^Mßttl^oiPC  ä^yKÜf'  Tivcrai  Ä  i'  H'  F  ig  m  f  usw. 
in  der  weitem  folge  wird  der  schiefe  strich  noch  regelmSsziger  als  in 
dem  eben  gegebenen  beispiele,  immer  jedoch  hin  und  wieder  verwechselt 
mit  dem  horizontalen  striche. 

Auch  die  multiplicativen  zahladverbia  auf -dKic  erscheinen  nicht  selten 
durch  Zahlzeichen  gegeben;  die  beizeichen  dazu  wechseln  aber  so  will- 
kürlich, dasz  es  unmöglich  ist^  irgend  eine  regel  herauszufinden,  man 
vergleiche  nur  unter  einander  l  la  d.  i.  «^irrdiac  Svb€Ka  194,  12,  i  p 
d.  i.  beKÄKic  iKaxöv  197,  14,  g  d.  i.  Ödwc  197,  14.  15,  g  197,  15, 

1  197,  14,  t  197,  15,  endlich  Td  198,  7.  vielleicht  ist  die  letztere  be- 
zeichnung diejenige ,  welche  der  redacteur  der  samlung  selbst  angewen- 
det hat. 

Jfthrbacher  für  class.  phUoU  1868  hfU  11.  50 


770  F.  Polle:  zu  Piatons  apologit. 

Nirgends  findet  sich  za  irgend  einem  Zahlzeichen  die  endsilbe  des 
"Wortes  Iieigeschriebes,  für  welches  jenes  gesetzt  ist. 

Zum  schfasz  hat  unterz.  noch  auf  die  zweite  in  der  Oberscfarift  an- 
gefflhrte  publicalion  hm.  Hoches  hinzuweisen,  die  scboiieo  des  loannes 
Philoponos  zu  dem  ersten  buche  des  Nikomachos  waren  bereits  im  j.  1864 
erschienen,  zu  den  drei  hss. ,  welche  dem  hg.  damals  zu  geböte  standeo, 
ist  jetzt  für  die  schollen  zum  zweiten  buche  noch  der  Mflnchener  codex 
482  geliommen ,  aus  welchem  auch  (vorrede  s.  VII  f.)  einige  nachtrige 
zu  dem  ersten  teile  des  Werkes  mitgeteilt  werden,  dagegen  sind  die  ab- 
weicimngen  der  Zeizer  hs.,  welche  eine  zum  teil  weit  abweichende  recen- 
sion  der  schollen  vertrit,  in  die  adnotatio  critica  dieses  zweiten  teiles 
nicht  mit  aufgenommen ,  sondern  für  eine  spätere  veröffentlicbuDg  aufge- 
spart worden,  wer  irgend  in  seinen  Studien  auf  Nikomachos  gefuhrt 
wird ,  wird  dem  hg.  für  die  nun  voUslSndig  vorliegende  scholiensamlusg 
nicht  weniger  als  für  die  ausgäbe  des  autors  selbst  dank  wissen. 

Dresden.  Friedrich  Hui.t8Gb. 


102. 

ZU  PLATONS  APOLOGIE. 


Je  höher  man  den  werth  einer  wissenschaftlichen  leistung  anschligL^ 
um  so  lebhafter  pflegt  der  wünsch  zu  sein ,  dieselbe  von  all  und  jedem 
makel  6ca  TävGpidireta  gereinigt  zu  sehen,  von  diesem  gesichtspuncte 
aus  wolle  man  die  folgenden  zeiien  beurteilen. 

In  Piatons  apologie  26*0*.  heiszt  es:  ToOra  X^TU),  d)C  tö  irapdrrav 
oö  vo^iZelC  OeoOc  —  ^Q  Oaujuäae  MAiitc,  Iva  xi  toOto  X^€ic; 
oiibk  f(Kioy  ovbi  ceKr)Viiv  fipa  vojiiiZuj  Oeoöc  elvai,  djcirep  o\  äXXot 
ävOpwTTOi;  —  Md  Al\  \b  ävöpec  bucacrai,  direl  töv  ^kv  ^Xtov 
Xi0ov  q)f]dv  elvm ,  ifjv  bt  ceXrjviiv  fr\v.  —  *Ava£aTÖpou  otci  kotti- 
Topeiv,  iZi  qpiXe  MdXf]Te,  xal  outuj  xaraqppoveTc  Tuivb€  xal  ofci 
aurouc  äncipouc  TPOtMM^^uJV  eTvai,  diicTe  oök  eib^vai  6ti  t&  'Avo- 
SoTÖpou  ßißXia  ToO  KXoZojuieviou  T^)i€i  toijtujv  ti£»v  Xötu>v;  Kod 
bf\  Kai  ol  v^oi  raCra  irap '  djucO  jnavGdvouciv ,  &  Secrtv  £vioT€ ,  d 
ndvu  TToXXoO ,  bpaxfifjc  ^k  Tfic  öpxrjcrpac  irpia^^votc  CtuKpdrouc 
KttTatcXäv,  töv  irpoc7TOtf)Tai  dauToO  elvai,  fiXXuiC  t€  xal  o(|tuic 
firona  dvra.  hier  gibt  die  treffliche  ausgäbe  Grons  folgende  anmerkan- 
gen.  zu  bpaXMf)c:  *der  gewöhnliche  eintrittspreis ,  der  durch  Perikles 
Veranstaltung  den  Ärmeren  bflrgem  aus  der  slaatscasse  verabreicht  wurde 
(biwßeXia),  betrug  nur  den  dritten  teil,  zwei  obolen.  man  musz  daher 
annehmen,  dasz  entweder  der  eintrittspreis  fQr  drei  tage  —  so  lange 
dauerten  die  theatralischen  auffOhrungen  —  gemeint  ist,  oder,  wofür  die 
Worte  ei  irdvu  iroXXoO  sprechen  mochten ,  dasz  die  besseren  platze  von 
dem  pSchter  (OearpiIiVTic ,  OcarpOTTiIiXiic)  um  einen  hohem  preis,  bis 


F.  Polle:  zu  Platons  apologie.  771 

zu  einer  dracbme,  vermietbet  wurden.*  und  zu  ^k  Tf)c  öpXH^^Tpac:  in- 
sofern sie  von  der  orchestra  aus,  dem  ort  zwischen  der  bOhne  und  dem 
Zuschauerraum ,  wo  die  cborlänze  und  die  chorgesange  ausgeführt  wur- 
den, dem  Zuschauer  dargeboten  wurden,  die  tragödiendichter,  besonders 
Euripides,  der  ein  schüler  des  Anaxagoras  genannt  wird,  brachten  philo- 
sophische lehren ,  die  sie  teils  den  personen  ihrer  dramen  in  den  mund 
legten,  teils  in  die  chorgesAnge  einflochten ,  auf  die  bühne.  so  soll  Eur. 
in  der  verloren  gegangenen  tragftdie  <l>a^Gu)V  die  sonne  xptiC^dv  ßu)Kov 
genannt  haben,  vgl  Or.  983.'  Shnlich  erklären  Stallbaum  und  Held  diese 
stelle,  und  mit  dieser  erlcUrung  stimmt  auch  die  Übersetzung  von  Hier. 
Möller,  ich  kann  dieselbe  aus  folgenden  gründen  nicht  für  richtig  halten, 
erstens  würde  Sokrates  sehr  unpassend  auf  die  dilettantischen  anhSnger 
der  Anaxagoreischen  lehre  verweisen,  statt  auf  den  Urheber  selbst,  es 
kommt  ihm  ja  hier  alles  darauf  an,  dasz  die  Jünglinge  erfahren,  wer 
dieser  urheber  ist.  im  theater  aber  würde  der  betreffende  dichter  ihnen 
ebenfalls  fremde  Weisheit  unter  eigenem  namen  auftischen  und  er  könnte 
diese  weishelt  ja  auch  von  Sokrates  geborgt  haben:  kurz  die  Jünglinge 
würden  hier  durchaus  nicht  in  den  fall  kommen  Sokrates  zu  verlachen, 
der  niedrige  satz  des  theatergeldes  aber  reicht  nicht  aus  die  Verweisung 
des  Sokrates  an  eine  secundflre  quelle  zu  entschuldigen,  statt  dessen 
hätte  er,  wenn  nötig,  sicher  vorgezogen  zu  sagen:  man  kann  das  buch 
des  Anaxagoras  um  zehn  drachmen  kaufen,  zweitens  kann  Sokrates  un- 
möglich so  ohne  jede  vermittelnde  andeutung  von  Anaxagoras  auf  die 
dramendichter ,  seine  schüler,  überspringen,  müste  die  steile  auf  diese 
bezogen  werden,  so  wSre  vorher  eine  lücke  anzunehmen;  es  könnten 
dann  etwa  hinter  KXaZofieviou  die  worte  eingesetzt  werden :  Kai  iroX- 
Xal  TpaTqjblai  tuiv  Ma0iiTU>v  auroO  oder  etwas  ähnliches,  drittens 
kann  kein  leser  oder  hörer  nach  der  vorausgegangenen  erwähnung  der 
ßißXia  'AvoSoTÖpou  das  wort  TrpiajLidvotc  anders  als  im  eigentlichen 
sinne  verstehen ;  auch  ist  dx  Tf)c  öpxrjcTpac  TrpiacOai  in  dem  sinne, 
den  Cron  diesen  worten  beilegt,  ein  höchst  auffallender,  der  einfachen 
Sokratischen  spräche  völlig  unangemessener  ausdruck.  viertens  hat 
Sokrates  nicht  das  mindeste  interesse ,  den  preis  für  alle  drei  tage  oder 
für  die  besseren  platze  anzugeben;  in  seinem  interesse  wäre  es  gewesen, 
auch  wenn  wir  seine  Verachtung  aller  rhetorischen  kunstgriffe  mit  in 
rechnung  bringen,  von  zwei  obolen  zu  sprechen,  statt  von  einer  drachme. 
endlich  wird  jeder  unbefangene  leser  die  stelle  zunächst  vom  bücher- 
kaufen  verstehen,  und  nur  der  umstand  dasz  von  einem  buchhandel  in 
der  orchestra  des  theaters  sonst  nichts  bekannt  ist ,  kann  der  grund  sein 
diese  auffassung  zu  verwerfen,  dennoch  ist  sie  richtig  und,  von  Dacier 
abgesehen,  schon  längst,  schon  1817,  gegen  die  falsche  vertheidigt  wor- 
den, in  Böckhs  Staatshaushaltung  der  Athener  I'  s.  68  (Slallbaum  ver- 
weist auf  diese  stelle,  aber  freilich  erst  in  der  vierten  aufläge,  und  ohne 
sich  fiberzeugen  zu  lassen)  heiszt  es :  'die  Hellenen  hatten  wie  die  Römer 
gebildete  haussklaven,  welche  sie  zum  abschreiben  verwenden  konnten ; 
so  war  Philoxenos  der  dithyrambiker  früher  sklave  bei  Melanippides  dem 
Jüngern;  Eukleides  läszt  zu  Megara,  nach  Piatons  Theätet,  durch  einen 

50* 


772  F.  Polle:  zu  Platons  apologie. 

sklavcD  ein  philosophisches  gesprtch  vorlesen;  Rhianos  der  dicfatff ,  to 
weise  Aesop  waren  erst  sklaren.  ich  fibergehe  anderes,  indessea  gib  es 
allerdings  bindler  mit  bfichem;  in  Sokrales  zeit  moss  in  der  orekestn 
des  Dionysischen  theaters,  natfirlich  zur  zeit  wann  nicht  gespidt  wank, 
ein  buchhandel  gewesen  sein,  wo  man  des  Anaxagoras  bficher,  weu 
hoch,  zu  einer  draclmie  haiMsn  konnte.'  und  in  eino*  anmerkaag  fügt 
er  hinzu:  *dies  ist  der  sinn  der  meistenteils  misrerstandenen  sidledes 
Piaton  apol.  s.  26**.'  damit  vergleiche  man  die  verbesserungeo  aDd 
nachtrSge  s.  IV:  *wenn  man  zu  dem  werthe  des  papiers  noch  den  arkits- 
lohn  in  anschlag  bringt,  ist  es  auf  den  ersten  blick  schwer  iiegreUÜcfa, 
wie  bflcher  des  Anaxagoras ,  die  man  sich  freilich  nicht  gross  vontdia 
darf,  wenn  tbeuer,  um  eine  drachme  zu  haben  waren;  man  kann  versscbt 
sein  anzunehmen,  dasz  in  Sakrales  zeilen  die  schrifloi  des  Anaxagons 
wenig  gesucht  und  alle  abschriflen  bisweilen  wolfeil  ausgebolen  wordo. 
in  der  thal  führt  der  ausdruck  des  Piaton  &  Sccnv  £vtOT€,  dnävii 
iToXXoO ,  bpaxMfic  £k  tt^c  öpxifjcrpac  TrptofA^otc  auf  diese  ansickt. 
überdies  sind  die  worte  des  Piaton  so  unbestimmt,  dasz  man  aanefaioes 
kann,  der  preis  den  er  angibt  beziehe  sich  auf  ein  einzelnes  buch,  nicht 
auf  mehre,  vergleicht  man  aber  die  römischen  preise  der  kaisennta 
(Ad.  Schmidt  gesch.  der  denk-  und  glaubensfreiheit  im  ersten  jL  der 
kaiserherschaft  s.  136  f.),  so  ftllt  Oberhaupt  jener  preis  ffir  schrilteD  des 
Anaxagoras  nicht  auf;  man  musz  nur  annehmen,  dasz  im  PerikleLscbes 
Zeitalter  schon  wie  in  der  kaiserzeit  die  schreiiier  die  fertigkeit  biiteo 
sehr  schnell  zu  schreiben/  weiteres  Aber  den  buchhandel  im  griechi- 
schen altertum  s.  in  Beckers  Gharikles  II'  s.  113  IT.,  wo  es  s.  117  u 
bezug  auf  unsere  slelle  heiszt:  *und  wenn  Böckh  den  preis  einer  einzigeo 
drachme  ffir  das  werk  des  Anaxagoras  nicht  zu  niedrig  findet,  soseui 
dieser  jedenfalls  einen  regen  verschleisz  voraus.'  die  erkUruog,  ^ 
Böckh  von  dviOTC  gibt,  hat  allerdings  einige  wahrscfaeinlichkeil;  ^ 
gewis  aber  kann  sie  nicht  gelten,  wir  werden  uns  bescheiden  mässes 
etwas  bestimmtes  darfiber  nidil  feststellen  zu  können,  da  die  erbaitcB^ 
lilleratur  uns  Ober  diesen  punct  im  stieb  iXszl.  jedenfalls  aber  passt  das 
ivioTC  auch  sehr  übel  zu  Crons  erkUrnng ,  da  ja  die  ihealralischeo  i^' 
fahrungen  regelmflszig  wiederkehrten,  was  Piaton  schwerlich  durch 
£viOT€  ausgedrückt  haben  dürfte. 

Noch  eine  bemerkung  Crons  hat  mir  anslosz  erregt.  25*  schreibt 
er  zu  den  werten  Ü5  npdc  Aide  M^Xf]Te:  ^anrede  mit  belheueroog,  die 
auch  ohne  folgenden  vocativ  vorkommt  vgl.  26  ^'  es  dürfte  dies  die 
einzige  anmerkung  im  ganzen  buche  sein ,  die  überflüssig  ist.  überflüssig 
aber  ist  sie  —  und  zwar  im  günstigsten  falle  —  denn  sie  enthält  nid)t5 
was  der  schüler  nicht  selbst  sähe,  ich  musz  sie  aber  auch  für  positiv 
unrichtig  hallen,  irpöc  Aiöc  ist  keineswegs  eine  betheuerungsforniel 
(solche  sind  ji&  Aia,  vf|  Aia),  sondern  eine  ^obtestandi  formula',  ^ 
Held  sagt,  der  sie  zugleich  richtig  erklärt  (vgl.  Krüger  gr.  spr.  68, 37, 2). 

Dresden.  Friedrich  Polle- 


J.  Jeep :  anz.  t.  Q.  Curtiiis  Rufas  ed.  £.  Hedicke.  773 

108. 

Q.  CüRTI  RUFI  HISTORIARUM  AlEZANDRI   MAONI  MaCEDONIS   LIBRI 
QÜI   8UPERSUNT.     E.   HeDICKE   RECEK8ÜIT.     ACCEDIT   TABT7LA 

GEOGRAPHICA.     Berolini  apnd  Weidmannos  HDCCCLXYII. 
VI  u.  266  8.   8. 

Der  neue  herausgeber  desCurlius  dr.  Hedicke  folgt,  wie  es  Aach 
seinen  ^quaestiones  Curtianae'  (Berlin  1862)  nicht  anders  zu  erwarten 
war,  dem  Yon  C.  G.  Zumpt  angebahnten  wege.  er  legt  seiner  recenslon 
nicht  die  neueren,  interpolierten,  sondern  die  alteren  handschriften  zu 
gründe  und  bat  es  sich  zunächst  angelegen  sein  lassen  den  aus  diesen  zu 
entnehmenden  kritischen  apparat  zu  erweitem  und  fester  zu  begrflnden. 
zu  diesem  zwecke  bat  er  den  Leidensis,  Parisinus  und  Vossianus  ver- 
glichen, den  Bemeusis  I  und  Florentinus  1  aber  hat  er  leider  nicht  selbst 
vergleichen  können,  daher  gibt  er  die  iesarten  dieser  nach  der  gröszern 
Zumptschen  ausgäbe  und  der  aaskunft  welche  er  über  einzelne  stellen 
der  gefälligkeit  anderer  gelehrten  verdankt,  den  Bern.  1  Flor.  I  Leid, 
und  Voss,  bezeichnet  er  als  sorgfältiger ,  den  Par.  als  nachlässiger  ge- 
schrieben, mit  letzterem  glaubt  er  den  Goloniensis  des  llodius,  die  Darm- 
stadter,  Würzburger  und  Wiener  (S)  fragmente  in  gleiche  reihe  stellen 
zu  dflrfen.  beiläufig  sei  hier  bemerkt,  dasz  auch  die  in  der  Wolfenbötl- 
1er  handschrift  de  oriu  tnagni  Alexandri  Macedonis  (ezlrao.  163}  ent- 
haltenen fragmente  aus  dem  zehnten  buche  des  Curtius,  über  welche  ich 
früher  in  diesen  jahrb.  1855  s.  125  ff.  berichtet  habe,  einem  dem  Par. 
und  den  schedae  Vindob.  verwandten  codex  entnommen  sind,  zum  beweise 
führe  ich  die  diesen  hss.  eigentümlichen  Iesarten  an :  X  5, 9  optimissimum 
P.  aptissimum  W.  5,  16  plerumque  vano  PW.  5,  17  cum  caniugibus 
PW.  ac  sueti  PW.  5,  22  qui  posi  Alexandrum  PW.  6,  16  piholofneo 
PW.  delegi  W.  diligi  P.  7,  2  suo  meriio  PW.  7,  6  non  aUum  regem 
se  PW.  passuras  PW.  periinacia  et  PW.  7,  9  in  potesiätem  PW. 
7,  13  archideus  PW.  elanguerat  PW.  7,  18  huc  qui  P.  hw:  qui  W. 
sequi  qui  P.  seq  qui  W.  eos  qui  PW.  10,  10  non  alias  quam  SW. 
regione  SW.  10, 12  nondum  destituerai  SW.  10,  14  filium  amairi  S. 
filium  a  maire  W.  Spartana  victoria  SW.  bei  dieser  auffallenden  Über- 
einstimmung mit  dem  Par.  und  den  seh.  Vindob.  gewinnen  die  Wolfen- 
büttler  fragmente  auch  för  die  stellen  bedeutung,  wo  sie  eine  Vermutung 
oder  nicht  zureichend  sichere  iesart  bestätigen,  zu  berücksichtigen  sind 
in  dieser  hinsieht  folgende  Iesarten :  X  5, 8  magnitudinem  capere.  5, 20 
ex  nepiibus,  6, 3  ac  primum.  6, 8  cogitandumque.  7, 3  vocandum  esse» 
10,  2  Laomedonii.  10,  16  ungulam. 

In  der  Übereinstimmung  der  sorgfältiger  oder  naciilässiger  vergli- 
chenen älteren  hss.  erkennt  H.  die  Iesart  des  codex  archetypus ;  weichen 
sie  von  einander  ab,  so  stellt  er  es  reiflicher  erwägung  anheim,  welche 
Iesart  aufzunehmen  sei  (^ubi  diasentiunt  Codices  reputandum  est  quid  se- 
quendum  videatur'}.  mit  dem  über  die  beschaffenheit  des  Bern.  I  Flor.  I 
Leid,  und  Voss,  und  über  die  des  Par.  bemerkten ,  wie  auch  mit  der  an- 
nalune  dasz,  wenn  beide  teile  übereinstimmen,  in  dieser  Übereinstimmung 


774  J.  Jeep:  ani.  t.  Q.  Cnrtios  Bufus  ed.  E.  Hedk^ 

die  lesari  des  codex  archetypus  za  cfteonen  sei,  biD  ich  eiBvcnUBdea; 
weoiger  damit  dasz  io  deo  fiJIeo,  wo  eine  Terschiedenheil  zwiscbei  bd- 
deo  sUUfiodel,  die  wähl  der  einen  oder  andern  letart  allein  dem  sobjedi- 
ven  ermessen  des  heratisgebers  fiberlassen  sein  soIL  denn  es  mun  skk 
nach  einer  genauen  prGfung  der  beiderseiügen  lesarten  enischeidea  las- 
sen, ob  auf  den  Par.  oder  die  anderen  hss.  mehr  za  geben  Ist,  ond  ludi 
dieser  enischeidang  entweder  jener  oder  diese  der  recension  zur  gmad- 
lage  dienen,  doch  wird  sich  diese  frage  erst  nach  einer  genauen  ^tc 
gleichung  des  Bern.  I  und  Flor.  1  genfigend  beantworten  lassen. 

Nach  dem  angegebenen  grundsaUe  sucht  H.  die'erste  aufgäbe  wdd« 
er  sich  gestellt  hat  'omissis  slngulorum  codicum  erroribos  totam  codicrs 
archetypi  varietatem  ezhibere'  zu  lösen,  dies  geschieht  mit  grosser  um- 
sicbt  und  Sorgfalt  es  sind  nemlicb,  damit  jedem  das  eigne  urteil  iiabe- 
nommen  bleibe,  an  den  stellen,  an  welchen  seine  recension  entweder  rot 
sämtlichen  guten  hss.  oder  von  einigen  unter  ihnen  abweicht,  die  ver 
worfenen  lesarten  In  wenigen  unter  dem  tezte  befindlichen  seilen  genza 
angegeben,  die  der  interpolierten  aber  da,  wo  sie  als  wlridlche  verfaesse 
Hingen  der  Alteren  in  den  text  aufgenommen  sind. 

Die  zweite  absieht  welche  H.  verfolgt  ist  seine  ausgäbe  *usiii  disci* 
pulorum  accommodare'.  um  diese  absiebt  zu  erreichen  konnte  er  bei  den 
roanlgfachen  Verderbnissen  der  liss.  nicht  umbin  viele  conjecturen,  Slten 
und  neuere,  eigene  und  fremde  aufzunehmen,  er  sagt  selbst  dasz  er, 
um  den  lezt  lesbar  zu  machen,  sich  nicht  gescheut  habe  hie  ond  da, 
namentlich  bei  ausffillnng  von  Ificken,  Vermutungen  die  nicht  darchaas 
sicher  seien  zu  verwenden,  hätte  er  dies  gethan,  ohne  zu  den  vennuluz' 
gen  unter  dem  tezte  die  handschrifüicben  lesarten  zu  bemerken,  so  könnte 
sein  verfahren  Irrungen  veranlassen,  da  aber  stets  angegeben  wird,  was 
Vermutung  und  was  handschriftliche  lesart  ist,  so  kann  die  aufnähme 
einer  unsichem  Vermutung  nicht  nachteilig  sein,  ja  wol  selbst  ihre  Zu- 
sammenstellung mit  der  hsl.  lesart  zur  auffindung  des  richtigen  fahren, 
nur  würde  ich  zweifelhaften  Vermutungen  auszer  der  lesart  der  ilteren 
hss.  auch  die  auf  den  interpolierten  beruhende  vulgala  beigegeben  haben, 
zu  nutz  und  frommen  derer  welche  diese  vorziehen  möchten,  der  hierzu 
erforderliche  räum  konnte  leicht  eingebracht  werden,  wenn  bei  eigen- 
namen  wie  Mazaeus,  Ptolomaeus  u.  a.  nicht  überall  die  fehlerhalten 
Schreibweisen  angeführt  wären,  übrigens  verdient  die  mühe  welche  fl- 
sich  gegeben  hat  die  an  verschiedenen  orten  zerstreuten  conjecturen  zu- 
sammenzubringen,  die  brauchbaren  von  den  verwerflichoi  zu  scheiden 
und  jene  auf  ihre  wahren  urheber  zurückzuführen,  anerkennung  und 
dank,  wie  viel  hier  zu  ergänzen  und  zu  berichtigen  war,  zeigt  eine  ober- 
flächliche vergleichung  der  neuen  ausgäbe  mit  den  früheren,  noch  nach 
abschlusz  derselben  gaben  neue  hüifsmittel  zu  mehreren  nachtrigen  in 
dem  Vorworte  s.  IV  f.  anlasz.  ob  IV  2,  6  die  Vermutung  dimissi  tuos 
mit  recht  Orelli ,  und  VII  7,  28  iussii  ewn  confidere  Mützell  zugeschn^ 
ben  wird ,  kann  ich  in  diesem  augenbllcke  nicht  sagen,  beide  habe  icb 
in  meinen  'quaestiones  criticae'  vom  jähre  1833  abdrucken  lassen.  — 
Ein  Verzeichnis  der  eigennameu  ist  der  ausgäbe  s.  264—265  beigegeben* 


J.  Jeep :  anz.  v.  Q.  Curtius  Rufus  ed.  E.  Hedicke.  775 

Ehe  ich  nun  zu  genauerer  besprechung  einzelner  stellen  übergehe, 
bemerke  ich  dasz  es  ebenso  wenig  meine  absieht  ist  alle  die  Verderbnisse, 
welche  in  der  vorliegenden  ausgäbe  teils  durch  benulzung  der  älteren 
hss. ,  teils  durch  aufnähme  eigener  und  fremder  Verbesserungen  beseitigt 
sind ,  als  die  stellen  anzuführen ,  welche  nach  meiner  ansieht  der  heilung 
noch  bedürfen,  ich  beschrünke  mich  vielmehr  darauf  zunächst  einige 
stellen  hervorzuheben,  an  welchen  sich  mir,  ehe  ich  H.s  ausgäbe  in  bän- 
den hatte,  entweder  dieselben  Vermutungen,  welche  von  ihm  gemacht 
und  aufgenommen  sind,  oder  doch  ähnliche  dargeboten  haben,  und  an 
•diese  andere  zu  reihen,  an  welchen  ich  zu  einem  sichreren  resultate  als  H. 
gelangt  zu  sein  glaube,  mit  ihm  zusammengetroffen  bin  ich  in  folgenden 
Vermutungen :  HI  8,  25  ergo  non  mediocris  omnium  animorum  formido 
.  •  raptimque  arma  capiebant  III  11,  20  cumque  plus  raperenl  quam 
'Caperent  (vgl.  V  6 ,  4  e/  cum  omnia  quae  rapiebant  capere  non  pos- 
^ni).  III  11 ,  22  omni  plcmctu  iumuliuque  .  .  ccatra  repleverant  (vgl. 
IV  1,  10  coloniasque  .  .  omni  clade  vasiavii).  IV  6,  12  ut  erat  non  in- 
iactae  superslilione  meniis  (vgl.  Livius  V  15,  6  vir  haud  iniacU  reli- 
{fione  animi.  11 36, 3  haud  sane  Über  erat  religione  animus),  VI  11, 20 
legem  se  de  supplicio  coniunciorum  sontibus  remitiere  edixit,  VII  5, 42 
^tiamsi  forsitan  .  .  minus  admirabilis  videri  ars  haec  possit.  VII  6,  21 
diripiiussiL  deleta  eaMemacenishaudiniuria  infesius.  VIII  9,8  Ganges 
4lecursurum  lomanen  (oder  in  mare  lomanen)  intercipit  (vgl.  Piinius  n,  h. 
VI  S  69  amnis  lomanes  in  Gangem  per  PaUboihros  decurrit).  VIII 13, 4 
Samaxus  quoque . .  adductus  est.  IX  4,  6  seque  ac  liberos . .  cremant. 

An  folgenden  stellen  weiche  ich  von  H.  ab  und  lege  ihm  meine 
Vermutungen  zu  gefälliger  erwägung  und  zu  beliebigem  gebrauche  vor. 
ill  11,  15  equi  pariter  equiiesque  Persarum  serie  lamnarum  [ob  id 
•genus]  graves,  agmen^  quod  celeritate  maxme  constat,  aegre  molie^ 
bantur,  da  die  worte  ob  id  genus  sich  in  allen  hss.  finden  und  ein  grund 
sie  einzuschalten  nicht  vorliegt,  so  ist  es  mir  wahrscheinlich  dasz  Curtius 
4terie  lamnarum  obsiii^  genus  grave,  agmen  . .  aegre  moliebantur  ge- 
schrieben habe,  mit  genus  gebildete  appositionen  kommen  bei  den  ge- 
schieh tschreibern  häufig  vor:  vgl.  VII  3,  6  Parapamisadae  appellantur, 
agreste  hominum  genus.  Livius  XXXIV  27,  9  caslellaniy  agreste  genus. 
XXXVI  17,  4  f.  exercitus  hostium  üle  et  numero  maior  et  militum  ge- 
nere  aliquanio  melior:  quippe  illic  Macedones  erant^  hie  Syri  et  Asia- 
iid  Graeci,  vilissima  gener a  hominum.  Florus  I  19,  4  Ligures  .  .  tuti 
hcis  et  fuga^  durum  atque  velox  genus.  —  III  13,  9  at  tV/i,  qui  sub 
oneribus  erant^  omissis  iis  per  metum  capessunt  fugam,  H.  hat  mit 
Acidalius  Hs  ohne  not  hinter  omissis  eingeschoben,  illi  bedarf  des  Zu- 
satzes qui  sub  oneribus  erant  nicht ,  da  es  nur  auf  Gangabas  .  .  onera 
j>ortantes  {$  7)  bezogen  werden  kann;  omissis  aber  fordert  eine  nähere 
bestimmung.  daher  ist  at  iüi^  quis  sub  oneribus  erant  omissis  (d.  i. 
-oneribus^  sub  quWus  erant,  omissis)  zu  lesen,  vgl.  V  7,  7  omissa  igitur 
quam  poriaverant  aqua  mit  Cic.  acad.  pr.  II  11 ,  33  quo  enim  omnia 
Judicanlur  sublato,  und  über  quis  sub  Curtius  VI  2,  10  quis  e  duodecim 
MÜia  in  congiarium  militum  absumpta  sunt. 


776  J.  Jeep :  an^.  v.  Q.  Cartius  Rufus  ed.  E.  Hedicke. 

IV  1,  31  velut  in  medio  positis  bonis  hoiiium  cunda  agdxatur, 
Ale  bsl.  lesart  posUis  dis  (patiiii  edis  L)  fährt  eher  diuf  posiüs  utiis  i\s^ 
auf  positis  bonis:  vg].  Justinus  XXIV  1,5  qui  adunato  exercitu  vrbm 
sataque  in  hi»  campis  posiia  depopulatur,  —  IV  8,  6  fama  est,  cum 
rex  urbis  futurae  muros  polenta  .  •  desiinasset^  avium  greges  advo- 
lasse  et  polenta  esse  pastas.   H.  hat  die  von  Modius  herrOhrende  ver- 
mutung  urbis  futurae  muros  aufgenommeo.    da  sich  aber  in  den  gnten 
hss.  urbem  futuri  muris  und  in  einigen  der  interpolierten  (Bern.  B  Fior. 
CE6H)  urbem  futuris  muris  findet,  so  ist  cum  rex  crbem  futuris  muris 
polenta  .  .  destinasset  zu  lesen :  vgl.  S  2  octoginta  siadioruM  muris 
ambitum  destinat  mit  Livius  XXXIV  9 ,  2  Graecum  oppidum  .  .  totum 
orbem  muri  minus  quadringentos  passus  patentem  habebat.  —  IV  U, 
19  quae  post  Euphraten  sunt  liberaliier  donat.   ubi  igitur  me  adeatiSy 
\nempe']  obliti  estis:  nempe  ultra  Euphraten  sum,   UberaUtatem  wn- 
mam !   die  aufnähme  von  adeatis  für  adfatis  uud  die  ausstoszung  des 
Wortes  nempe  vor  obliti  heisze  ich  gut;  aber  mit  dem  ausrufe  liberalHa- 
tem  summam!  kann  ich  mich  nicht  befreunden,  der  susammenhang  Te^ 
laugt  den  gedanken  'ich  habe  den  Euphrat,  die  Suszerste  grenze  seioer 
freigebigkeit,  überschritten',  und  auf  diesen  weist  auch  die  lesart  der  hss. 
liberalitati  summum  {liberatis  summum  P)  hin :  denn  es  braucht  nor 
ultra  Euphraten  sum^  liberalitatis  summum  geschrieben  zu  werden« 
vgl.  Hör.  epist.  II  1 ,  32  venimus  ad  summum  fortunae.    Shnliche  «ppo- 
sitionen  finden  sich  bei  Curtius  häufig:  vgl.  Mützell  zu  III  9,  4.  —  i^ 
16,  3  refrenare  equos  iussi^  qui  sequebantur^  agmenque  ctmstitit.  H. 
schreibt  mit  Foss  sequebantur  statt  vehebantur.   da  aber  der  Gol.  oor 
agmen  hat  und  que  zur  Verbindung  der  beiden  Satzglieder  wenig  ge- 
eignet ist,  so  ziehe  ich  vor  refrenare  equos  iussos^  qui  vehebantur, 
agmen  constitit.   es  mag  que  eingeschaltet  sein ,  nachdem  iussis  irtüm* 
lieh  von  einigen  mit  iussi^  von  anderen  mit  iussit  vertauscht  worden  war. 
V  6,  15  incolae^  qui  sparsis  tugurüs  habitabant^  cum  se  cM^s 
inviis  saeptos  esse  credidissent  usw.    die  hsl.  lesart  callibus  ist  mit  cd- 
libus  vertauscht,   es  kann  aber  callibus  den  scbriftzflgen  nach  ebensowol 
aus  saltibus  hervorgegangen  sein,  und  dazu  passt  das  beiwort  ini^ 
besser  als  zu  coUibus:  vgl.  Livius  IX  11,  3  resiituat  le^ones  intrasal' 
tum^  quo  saepiae  fuerunt  mit  IX  14,  10  non  haec  furculas  nee  Ce»' 
dium  nee  saltus  invios  esse,    auch  IV  9,  22  empfiehlt  sich  weder  das 
aufgenommene  callibus  noch  das  bandschriftliche  coUibus  (coüig^^^  ^!^ 
sondern  es  wird,  da  von  den  Amanicae  pylae  die  rede  ist,  entweder 
convaUibus  oder  saltibus  zu  lesen  sein,  —  V  7,  11  ipsum^  iif /r»w«* 
gravatae  ebrietate  menti  quies  rediit^  paeniluisse  constat.   die  hier  auf- 
genommene Vermutung  A.  Ilugs  weiclit  von  der  lesart  der  hss.  gravot^ 
ebrietate  mentem  quies  reddidit  weiter  ab  als  nötig  ist.  es  genügt  ^ 
primum  gravato  ebrietate  mentem  quies  reddidit  zu  schreiben:  ^'' 
VI  4,  28  Pino  gravatus.  IV  13, 17  tandem  gravatum  asmd  ans^ 
corpus  altior  somnus  oppressit.  Scribonius  Largus  emnpos.  medie*  U 
eadem  herba  ebrio  data  copiosa  in  crapula  pinum  diseutit  men^^ 
restituit.    dagegen  würde  ich  IV 5, 3  die  conjectur  Hugs  vereri ss^** 


J.  Jeep:  asz.  v.  Q.  Curlius  Rufus  ed.  E.  Hedieke.  777 

inani  ae  puerili  mente  $e  e/ferrei  ohne  bedenken  aufgenommen  haben, 
ttur  ist  ad  Mera  nieht  ratt  agerety  sondern  mit  se  efferret  zu  Terbinden: 
vgl.  IV  10,  3  eaelum  vanis  cogiiationibus  petere.  Hör.  carm.  I  3,  38 
caelum  ipsum  pelhnus  itültUia,  I  1 ,  36  subKmi  feriam  sidera  vertice. 
— >  V  8,  3  XZJT  mäia  peditum  sequebaniur^  in  quibus  Graecorum 
erant  IUI  tniUa ,  fide  erga  regem  ad  uUmum  invicta.  da  die  bss.  fide- 
liier  haben,  die  letzten  buchstahen  dieses  Wortes  aber  diltographie  der 
ersten  des  folgenden  erga  sein  können,  so  ist  es  wahrscheinlich  dasz 
Cnrtius,  um  die  Griechen  Tor  den  übrigen  auszuzeichnen,  fide  hi  (oder  it) 
erga  regem  .  .  intncia  sehrieb.  —  V  8,  14  #f  hie  animus  omnibus  esty 
si  haec  lexy  nullt  non  parta  liberias  est:  nemo  usw.  der  zusalz  H.s 
omnibus  est  ist,  da  nulK . .  nemo  .  .  nemo  folgt,  nicht  unbedingt  not- 
wendig, jedenfalls  wird  die  rede  kraftiger,  wenn  wir,  wie  III  12,  19 
sie  ..  sie  statt  si  . ,  si  aufgenommen  werden  muste ,  so  hier  Sit  hie  ani- 
mus^ Sit  haec  lex  lesen:  vgl.  Hör.  epist  I  10,  53  Sit  spes  fallendiy 
miscebis  sacra  profanis.  —  V  9,  8  proinde  si  Bactra^  quod  tutissimum 
receptaeulum  est^  petimus^  praefectum  regionis  eius  Bessum  regem 
temporis  gratia  staiuamus:  rebus  compositis  iusto  regi  tibi  fiduciarium 
restituet  imperium.  die  bessern  bss.  kennen  die  worte  statuamus  und 
rebus  nicht ,  die  jflngem  aber  schieben  nach  Zumpts  angäbe  statuamus 
hinter  gratia  und  rebus  hinter  compositis  ein.  hatten  wir  nur  die  aller- 
dings verderbte  lesart  der  altem  hss.,  da  wflrde  heutiges  tags  schwerlich 
jenes  mittel  ihr  aufzuhelfen  ergriffen  werden,  sondern  eher  meine  Vermu- 
tung praefectus  regionis  eius  Bessus  regni  temporis  gratia  compos  Sit: 
is  iusto  regi  tibi. .  restituet  imperium  beifall  finden,  petimus  mag  dazu  an- 
lasz  gegeben  haben,  dasz  praefectus . .  Bessus  regni  schon  früh  in  prae-- 
fectum  . .  Bessum  regem  Clbergieng:  vgl.  Cic.  p.  Sestio  69, 146  an  ego  in 
hac  urbe  essepossim  his  pülsis^  qui  me  huius  urbis  compotem  fecerunt  ? 
VI  2,  9  miMe  hi  fuerunt:  inier  quos  repertus  est  Oxathres  Darei 
f rater  usw.  sollen  im  folgenden  S  11  die  worte  Oxydates  erat^  nobifis 
PerseSy  gut  usw.  niclit  ohne  allen  anhält  und  allen  Zusammenhang  mit 
dem  vorhergehenden  sein,  so  müssen  hinter  repertus  est  die  worte  Oxy- 
dates  ety  welche  vor  Oxathres  leicht  ausfallen  konnten,  eingeschaltet 
werden,  übrigens  bemerkt  Acidalius  mit  recht,  dasz  der  satz  Oxathres 
erat  nobüis  Perses  .  .  honore  servato  passender  hinter  quam  indole 
animi  clarior  seine  stelle  haben  würde.  —  VI  5,  11  itaque  rex  indig* 
naius ,  si  una  gens  posset  efficere^  ne  invictus  esset^  impedimentis  cum 
praesidio  reUctis  valida  manu  comüante  procedit,  H.  hat  mit  Mülzell 
valida  statt  des  hsl.  invicta  geschrieben,  andere  haben  mülta ,  reliqua^ 
expedita^  indicta^  delecta,  electa  vermutet,  die  menge  dieser  versuche 
zeigt,  wie  schwer  es  ist  ein  einzelnes  wort  zu  finden,  weiches  einerseits 
den  Zügen  von  invicta  gleicht,  anderseits  einen  in  den  Zusammenhang 
passenden  sinn  gibt.  Alexander  ist  in  Hyrkanien  ehigedrungen  {$  1  iam 
ultima  Byrcaniae  intraverai):  die  halsstarrigkeit  der  Marder  veranlaszt 
ihn  aber  zu  einer  Seitenbewegung  mit  einem  teile  seines  heeres.  das 
übrige  beer  nebst  dem  gepack  bleibt  auf  der  eingeschlagenen  strasze,  der 
ndHiaris  via  (V  13,  23),  und  Alesander  kehrt  nach  bestegung  der  Marder 


778  J.  Jeep:  anz.  ▼.  Q.  Curiius  Rufos  ed.  £.  Hadieke. 

zu  ihm  zurück  (S  22  quinio  die  in  siativa  reveriüur).  diese  Uge  der  dinge 
macht  es  mir  wabrscheiulich  dasz  reUciis  in  via  ciia  ptanu  comHanie  pro- 
€edit  zu  leseo  sei:  vgl.  Cflsar  b.  civ,  I  1,15  reUctus in itinere cum pauäs 
incidii  in  Vibtdlium  Rufum.  Curiius  IV  4,  6  rex  cUusem  in  divenm 
partem  agi  iusserat  XXX  minoribus  nauigiit  reliciis  tu  lüore. 
'  VH  2,  9  nisij  quae  delala  essent^  excussissem^  valde  dissimukk 
mea  suspecia  esse  potuisset.  sed  satius  est  purgaios  esse  quam  n- 
spectos.  die  Veränderung  des  hsl.  superare  in  suspeeta  esse  ist  as  »ch 
keine  leichte  und  wird  durch  die  ganz  verschiedene  beziehuog  tod  «• 
^pecta  und  suspectus  noch  auffallender,  daher  habe  ich  frOher  dissm- 
latio  me  asperare  potuisset  vorgeschlagen,  jetzt  ziehe  ich  dissimulatmi 
asperari  potuissent  oder  dissimulatio  ea  asperare  potuisset  ?or:  v§L 
Tac.  ann,  11  27  mox  libellos  et  auctores  redtat  Caesar  y  ita  moderm 
ne  lenire  neve  asperare  crimina  videretur,  diese  steile  kann  hier  ua 
so  eher  verglichen  werden,  als  interim  Libonem  omat  praetura^  cor- 
victibus  adhibeiy  non  mdtu  alienatuSy  non  verbis  commotior  (adeoin» 
condiderat)  vorhergehL  —  VII  3,  8  tuguria  latere  crudo  struunt  et . 
usque  ad  summum  aedificiorum  fastigium  eodem  laierculo  läuniur- 
die  hsl.  lesart  latere  primo  ist  mit  latere  crudo  verlauscht,  da  akr  die 
Worte  usque  ad  summum  . .  fastigium  eine  bezeiclmung  des  uotero  teib 
der  hauen  voraussetzen,  so  dürfte  latere  per  ima  struunt  sich  mehr 
empfehlen :  vgl.  %  9  structura  latior  ab  imo  .  .  ad  ultimum  in  carui(K 
maxime  modum  coit,  —  VII  5,  7  ergo  quidquid  vini  oleique  erat,  an- 
bus  ingerebatur.  den  ausdruck  oribuSy  welchen  Zumpt  und  Hedicke  sutt 
der  hsl.  lesart  hominibus  aufnehmen,  hat  nach  Mfltzells  gefilbl  elva^ 
massives,  dieser  nicht  unbegründete  tadel  wird  wol  am  leichteslen  ver- 
mieden, wenn  wir  ab  omnibus  ingerebatur  lesen.  —  VII  6, 12  Ber^ 
quendam  misit  ex  amiciSy  qui  denuntiaret  iiSy  ne  Tanaim  amnem  rt^A 
iniussu  \regis'\  transirent.  mit  reciit  nimt  H.  an  der  lesart  der  hs-  ^ 
Tanaim  amnem  regionis  iniussu  regis  transirent  anstosz :  denn  regia^ 
ist  zu  Tanaim  amnem  ein  unpassender  zusatz.  er  ändert  aber  zu  willko^ 
lieh,  nach  meiner  ansieht  ist  ne  Tanaim  amnem  legiones  iniussu  rtfi 
transirent  zu  schreiben,  auch  IX  2,  24  sero*hostium  legiones  numerar^ 
coepistis  werden  die  schwärme  der  barbaren  durch  legiones  bezeichnet. 
VIII 4, 16  forte  Macedo  gregarius  miles  seque  et  arma  vix  susten- 
tans^  tamen  in  castra  pervenerat,  es  findet  sich  vix  in  den  iiss.  nicht 
und  tamen  kann  nur  gewaltsam  von  susientans  getrennt  werden,  daher 
ziehe  ich  es  vor  forte  Macedo^  gregarius  mileSy  aeger  sed  arma  sutitn- 
tans  tamen  zu  schreiben,  der  erste  buchstab  von  seque  kann  eine  Wie- 
derholung des  vorhergehenden  sein ,  der  letzte  das  zu  et  erforderliche  i 
und  das  übrige  equ  das  wort  aeger  enthalten:  vgl  IX  10,  1^  ^  ^ 
ietrius  quidem  aegri  sequi  poterant,  —  VIII  6,  19  data  singuUs  l^' 
iertia  conlaudatique  quod . ,  perseverasseni,  da  die  hss.  conUtudoUt^ 
aufweisen,  so  wird  wol  conlaudatis  quoque  zu  schreiben  selo.  —  YIU  9. 
13  nee  cur  inverterit  se  natura  causa,  eine  Ursache  cur  mi»^<^' ^ 
natura  kann  Gurlius  nicht  in  abrede  stellen ,  sondern  nur  sagen  dasz  er 
sie  nicht  kenne  und  sich  nicht  um  sie  kümmere,   vgl.  Tac.  Agr*  ^0  noi»- 


J.  Jeep :  anz.  v.  Q.  Curtios  Rufus  ed.  E.  Uedicke.  779 

ram  aceani  atque  aesius  nee  quaerere  huius  operis  est  et  mulH  rettu- 
lere  und  als  gegenleil  Curtius  IX  9,  26  unde  iantum  redisset  subito 
mare^  quo  pridie  refugisseiy  quaenam  esset  eiusdem  elementi  natura 
.  .  mirabundi  requirebant,  daher  glaube  ich  dasz  unter  den  verderbtea 
Worten  der  hss.  nee  cur  ubi  se  natura  causa  nichts  weiter  verborgen 
ist  als  nee  curo  novisse  naturae  causam :  vgl.  IX  10,  3  naturam  maris 
noscerent.  Cic.  de  re  p,l  6^11  quod  nee  didicerint  nee  umquam  scire 
euraverint.  Hör.  sat.  II  8,  19  sed  quis  cenantibus  una^  Fundani^ 
pulcre  fuerit  tibi  nosse  laboro,  epist,  I  17,  5  quod  eures  proprium 
fecisse,  —  VIIl  11 ,  24  rex  locorum  magis  quam  hostium  victor  tarnen 
magnae  victoriae  speciem  sacriftcOs  et  culiu  deum  fecit,  der  Vermutung 
Matzells,  der  speciem  wider  die  hss.  einschiebt,  wärde  ich  die  leichtere 
Zumpis  magnam  victoriam  .  .  fecit  vorgezogen  haben:  vgl.  Cic.  p.  Caelio 
15,  36  verbis  parvam  rem  magnam  facis. 

X  1,  26  Bagoae  spadoni  .  •  nullum  honorem  habuit  admonitusque 
a  quibusdam  nequam  Alexandre  cordi  esse  respondit^  amicos  regis^ 
non  scorta  se  colere,  statt  der  gewöhnlichen  lesart  quam  findet  sich  in 
den  hss.  equam  {aequa  P).  H.  schreibt  dafür  nequam.  die  Änderung  ist 
leicht,  aber  nequam  für  sich  allein  von  dem  gewöhnlichen  Sprachgebrauch 
abweichend,  soll  die  person  bezeichnet  werden,  so  nehme  ich  bei  den 
manigfacben  imingen,  welchen  die  eigennamen  unlerllegen,  keinen  an- 
stand Bagoan  Jlexandro  cordi  esse  zu  lesen.  —  X  1 ,  31  auro  argen- 
toque  conditorium  repletum  esse  crediderat.  mit  Heinsius  condilorium 
statt  des  hsL  conditum  zu  lesen  halte  ich  für  bedenklich:  denn  dies  sonst 
von  Curtius  nicht  gebrauchte  wort  ist  hier,  da  sepulcrum  vorhergeht, 
uberflassig.  eher  möchte  ich  argentoque  condilo  cum  rege  schreiben. 
rege  konnte  vor  repletum  leicht  übersehen  werden :  vgl.  $  34  ex  Dareo 
ita  accepi  III  miUa  talentum  condita  esse  cum  Cyro,  —  X  7,  10  rur- 
sus  Philippum  trahens  secum  inrupit  regiam^  clamitans  suffragari  spei 
de  novo  rege  paulo  ante  conceptae  robur  aetatis.  Tellier  und  Heinsius 
Andern  die  hsl.  lesart  rei  publicae  in  spei  publicae  ab ;  H.  schreibt  spei. 
da  aber  nach  seiner  angäbe  publicae  in  den  hss.  nicht  abgekürzt,  son- 
dern ausgeschrieben  ist  {rei  publice  W) ,  so  darf  es  nicht  auszer  acht  ge- 
lassen werden,  mir  scheint  es  daher  rathsamer  im  nächsten  anschlusz  an 
die  Überlieferung  (W  hat  paulo  ante  concepte)  suffragari  rei  publicae 
de  novo  rege  paulo  ante  conceptis  robur  aetatis  zu  lesen:  vgl.  Quin- 
tilian  Vi  pr.  2  illum  enim^  de  quo  summa  conceperam  et  in  quo  spem 
unicam  senectutis  reponebam  .  .  amisi.  —  X  8,  6  atque  ille  seditione 
provisa^  cum  rex  contionem  adisset^  inierrogare  eum  coepit^  an  Per* 
diccam  comprehendi  ipse  iussisset.  die  aufgenommene  Vermutung  Halms 
cum  rex  contionem  adisset  weicht  von  dem  hsl.  cum  regem  adisset 
weiter  ab  als  nötig  ist.  es  genügt ,  da  Arridftus  immer  nur  als  ein  Werk- 
zeug in  Meleagers  banden  erscheint ,  cum  regem  accisset  zu  schreiben : 
vgl.  V  12,  7  inter  haec  Dareus  Artabazum  acciri  iubet.  —  X  9,  2  ^4 
cum  pluribus  corpus^  quam  capiebat^  onerasset^  cetera  membra  de* 
ficere  coeperunL  ich  bin  allerdings  der  ansiebt,  dasz  pluribus  hier 
ebensowol  durch  capitibus  ergänzt  werden  musz,  wie  X  6, 8  capite  opus 


780  G.  Scheibe:  in  Ciceronis  de  oratore  llbrain  tertinm. 

est:  hocine  und  an  pJuribus^  in  vestra  poiesiate  est  das  in  den  hss. 
fehlende  pluribus  aufgenommen  ist.  doch  glaube  ich  dasz  capUibusMi 
mit  Niebuhr  an  die  stelle  von  quam  capiebai  zu  setzen ,  sondern  hiDter 
capkhaty  nach  welchem  worte  es  leicht  ausfallen  konnte,  eiozufOgeobL 
vgl.  %  4  cum  sine  suo  capite  discordia  membra  trepidareni.  W  9, 28 
velut  truncum  corpus  dempto  capite  .  .  ludibrium  hostis  fuiufos. 

Zum  schlusz  dieser  anzeige  fasse  ich  mein  urteil  fiber  die  voiiiegenie 
ausgäbe  des  Gurtius  kurz  zusammen,  der  hg.  hat  zwar  das  ziel ,  wdcb 
er  sieh  gesteckt,  nicht  ganz  erreichen  Itönnen.  es  fehlte  ihm  dazu  w 
allem  eine  genaue  vergleicliung  der  beiden  zur  feslslellung  der  lesarta 
des  codex  archetypus  so  wichtigen  handschriflen  Bern.  I  und  Flor.  L 
auch  hat  er  an  einzelnen  stellen  sowol  handschriftliche  lesarten  als  eigae 
oder  fremde  Vermutungen  in  den  text  aufgenommen,  welche  ihres  pbu 
auf  die  dauer  wol  nicht  behaupten  werden,  dies  hindert  mich  aber  tiM 
es  mit  voller  Überzeugung  auszusprechen,  dasz  durch  seine  ausgal)e eä 
wesentlicher  fortschritt  in  der  kritischen  behandlung  der  schrift  des  Cr 
tius  gemacht  ist.  er  hat  den  text  durch  vergleichung  und  benutzung  ito 
zuganglicher  handschriflen  fester  begründet  und  oft  berichtigt,  ihn  darcb 
aufnähme  nötiger  emendatlonen  verständlicher  gemacht  und  die  lesarta 
der  guten  hss.  auf  beschranktem  räume  zuverlässiger  verzeichnet  und  vkt- 
sichtlicher  geordnet,  als  es  in  weit  umfangreicheren  ausgaben  der  fall  is^ 

WOLPBNBÜTTEL.  JüSTUB  JeK"« 

(67.) 

IN  CICERONIS  DE  ORATORE  LIBRUM  TERTIUM 


Coniuuctionem  enim  ut  apud  Ciceronem  Tusc.  disp.  V  37  S 
ferri  non  posse  ostendi  in  bis  annalibus  1867  p.  67,  ila  defendipo^ 
nego  in  interrogatione  ad  enumerationem  continuaudam  adhibita  sp 
eundem  Ciceronem  de  oratore  III  33  $135  haec  fuii  P.  Ürassi  il^ 
veteris^  haec  Ti.  Coruncanii^  haec  proavi  generi  mei  Sciponis  pr^- 
dentissimi  hominis  sapientia  .  . .  quid  enim  M,  Catoni  praeter  hs»c 
politissimam  doctrinam  transmarinam  atque  adventiciam  defuit^  b«" 
causam  superioris  sententiae  non  adferri  ex  eo  apparet,  quod  vucabuio 
eidemque  non  compreheuduntur  veteres  nnfversl ,  sed  soli  ilü  <iui  ^^ 
nominati  sunt  indicantur.  quae  res  etsi  Baku  acumen  non  fugit,  ^^ 
quod  uncis  ille  includendam  censuit  coniuuctionem  enim  ut  intemp^s^'^^ 
insertam,  cum  non  habeat  unde  eam  quove  casu  buc  irrepsisse  diral« 
intempestivum  iudicium  esse  patet.  immo  vitium  contraxisse  illam  voc«- 
lam  veri  simile  est,  ut  scribendum  videatur  aut  quid  autem  M,  Cot(f^' 
nam  confundi  autem  et  enim  perpetuum  est  (cf.  Ellendtius  ad  Cic  u^ 
orat.  n  58  S  236) ,  aut  quid  denique  M.  Catoni.  Catonis  enim  eiaa- 
plum  postremo  adfertur,  quo  illos  veteres  non  in  una  aliqua  arie^ 
disclplina  elaborasse  et  praestitisse,  sed  omnes  esse  complexos  doclriB^^ 
earumque  varietatem  et  copiam  cum  negotiis  et  publicis  et  privativ  atfu^ 
cum  rei  publicae  procuratione  conitmxisse  probetur. 

Dbbsda£.  Cabolus  Schbi^' 


B.  Schmidt:  anz.  v.  Senecae  tragoediae  edd.  R.  Peiper  et  G.  Richter.  781 

104. 

L.  Annabi  Senbcae  tbagoediae.    aooedvnt  inoebtab  originib 

TBAGOBOIAB    TBBS.      BECBNBYEBVNT  RVDOLFVS   PsiPEB  BT 

Gystavvb  Bicbteb.    Lipsiae  in  aedibns  B.  G.  Tenbneri 
MDCCCLXVn.    XLVm  u.  692  s.  8. 

Eine  neue  ausgäbe  der  tragödien  des  Seneca  war  gewis  an  der  zeit, 
denn  diese  dramen ,  ehemals  so  hoch  gefeiert  und  ton  einer  reihe  zum 
teil  ausgezeichneter  philologen  bearbeitet,  waren  seit  dem  vorigen  jahr- 
htindert  mehr  und  mehr  vemachlaüssigt  worden,  und  in  Deutschland  hatte 
seit  Bothe  und  Baden,  d.  h.  seit  nahezu  fünfzig  jähren,  niemand  wieder 
«ine  gesamtausgabe  derselben  veranstaltet. 

Bekanntlich  sind  diese  tragödien  in  zwei  verschiedenen  recensionen 
auf  uns  gekommen,  in  einer  besseren,  welche  in  der  neuen  ausgäbe  durch 
E  bezeichnet  ist ,  und  in  einer  schlechteren ,  A.  von  jener  besitzen  wir 
«inen  einzigen  Vertreter,  den  im  zwölften  oder  vielleicht  schon  im  elften 
jh.  geschriebenen  codex  Florentiuus  der  Laurentianischen  bibliothek  (hSufig 
auch  Etruscus,  Tuscus,  Mediceus  genannt),  welchen  im  siebzehnten  jh. 
Job.  F.  Gronov  entdeckte  und  zuerst  für  die  kritik  verwerthete.  diese 
hs.  haben  die  herausgeber  im  j.  1863  durch  Hermann  Peter  von  neuem 
vergleichen  lassen ;  für  zwei  chorgesänge  des  Oedipus  und  des  Agamemnon 
halte  ihnen  auszerdem  0.  Ribbeck  aus  der  von  ihm  gemachten,  noch  nicht 
veröffentlichten  collation  derselben  hs.  excerpte  mitgeteilt,  auch  die 
schon  von  Bothe  benutzten  handschriftlichen  bemerkungen  Jacob  Gronovs, 
welche  sich  auf  der  k.  bibliothek  zu  Berlin  befinden  und  ein  par  nach- 
trage zu  den  von  seinem  vater  veröffentlichten  mitteilungen  aus  dem  Flo- 
ren tinus  enthalten,  sind  von  den  hgg.  wieder  durchgesehen  worden,  der- 
selben recension  wie  der  Florentiuus  gehören  auszerdem  die  excerpte 
aus  Senecas  tragödien  in  dem  bekannten  miscellancodex  des  Thuanus 
(ur.  8071  der  kais.  bibliothek  zu  Paris)  an,  welcher  auch  aus  Gatull, 
Martial  und  vielen  anderen  dichtem  auszüge  enthSlt.  eine  genaue  ab- 
schrift  derselben  erlangten  die  hgg.  ^  durch  die  gefSlligkeit  des  nun  ver- 
storbenen F.  Dflbner.  diese  excerpte  sind  zwar  bedeutend  5lter  als  der 
Flor.  —  nach  Dflbner  in  Schwabes  Catullausgabe  praef.  s.  1!  ist  jene  hs. 
des  Thuanus  zu  ende  des  neunten  oder  am  anfang  des  zehnten  jh.  ge- 
schrieben —  aber  an  umfang  leider  so  gering,  dasz  sie  für  die  kritik 
nur  sehr  wenig  in  belracht  kommen:  sie  enthalten  den  chorgesang  in 
den  Troades  v.  67  ff.')  (nebst  den  drei  vorausgehenden  senaren),  ferner 
Medea  682 — 597,  Oed.  110 — 137  und  einiges  wenige  aus  dem  v.  407 
beginnenden  chorgesang  desselben  Stücks  (s.  praef.  s.  XXIV — XXVI,  wo- 
selbst diese  fragmente  so  wie  die  Dübnersche  abschnft  sie  bietet  abge- 
druckt sind). 

Die  andere  schlechtere  recension  des  textes  dieser  tragödien  wird 
repräsentiert  durch  alle  übrigen  uns  bekannten  hss.,  deren  zahl  sehr 


1)  es  versteht  sich  dasz  ich  in  dieser  recension  dorchaas  nach  der 
verszählong  der  neuen  ausgäbe  citiere. 


782  B.  Schmidt:  anz.  v.  Senecae  Iragoediae  edd.  R.  Peiper  et  G.  Richter. 

grosz  ist,  von  welchen  indessen  keine  einzige  älter  zn  sem  sdieislals 
das  vierzehnte  jh.  derselben  recension  gehörte  auch  schon  derjenige  co- 
dex an ,  von  welchem  Ritschi  in  dem  Amhrosianischen  palimpsest  de< 
Plautus  einige  blütter  aufgefunden  hat.  von  den  hss.  dieser  recensu 
haben  die  hgg.  mehrere  teils  selbst  verglichen  teils  vergleicheo  Iissa 
nemlich  ffinf  hss.  der  Rehdigerschen  bibliothek,  welche  simüich  des 
vierzehnten  jh.  angehören  (und  zwar  zwei  von  ihnen,  R  oder  R  11  imi 
R  13,  bestimmt  dem  ausgang  desselben),  ferner  ^ine  hs.  der  Rmlacer 
Universitätsbibliothek  aus  dem  ende  des  fünfzehnten ,  zwei  Gothasche  t 
eine  aus  dem  fünfzehnten  jh.,  wie  es  scheint,  die  andere  aus  dem  sed- 
zehnien),  ^ine  hs.  der  kais.  bibliothek  zu  Wien  aus  dem  vienebDiei;t 
(codex  Vindobonensis,  durch  V  bezeichnet),  von  welcher  den  hgg.  für  ^ 
ersten  Hercules  zwei  collationen ,  eine  von  Vahlen  und  eine  andere  ^ 
J.  Haupt  gefertigte,  zu  geböte  standen,  für  die  Octavia,  wo  uns  der  Flor 
im  stich  läszt,  sind  auszer  den  Rehdigerani ,  den  Gothani  uod  dem  Visde- 
bonensis  noch  besonders  benutzt  worden  die  collationen  einer  Leidens 
hs.  des  vierzehnten  jh.  und  einer  hs.  des  britischen  museums,  ^  ^^ 
demselben  Zeitraum  angehört. 

Dasz  die  grosze  menge  der  schlechteren  hss.  wirklich  auf  eioe  be 
sondere  recension  zurückgeht  und  nicht  etwa  dem  Flor,  oder  demjeni^ö 
codex  aus  welchem  dieser  abgeschrieben  ist  ihren  Ursprung  verda&ki 
lehren  folgende  thatsachen  auf  das  bestimmteste,  die  Octavia,  weklie^ 
stück  bekanntlich  nicht  von  Seneca  herrührt,  fehlt  im  Flor,  giozlid^ 
während  sie  in  allen  übrigen  hss.  enthalten  ist.  der  FJor.  hat  im  t^ol^ 
Hercules  einige  gröszere  lücken,  von  welchen  die  schlechteren  hs&  (rf- 
sind,  die  reihenfolge  der  tragödien  ist  in  diesen  eine  andere  als  io  jeoeQ* 
auch  die  tiiel  der  stücke  sind  zum  teil  verschieden,  im  texte  selbst  ib^ 
weichen  an  vielen  stellen  der  Flor,  einerseits  und  die  übrigen  hss.  ao«^' 
seils  in  so  erheblicher  weise  von  einander  ab,  dasz  die  lesart  der leUi^ 
ren  unmöglich  durch  bloszes  versehen  der  abschreiber  aus  der  des  ersttf« 
entstanden  sein  kann  (beispiele  dafür  unten),  dies  sind  untrügliche  \>^ 
weise  für  das  Vorhandensein  zweier  besonderer  recensionen,  von  welcba 
freilich,  wie  wir  noch  näher  sehen  werden,  die  eine  der  andern  ao  veriii 
sehr  bedeutend  nachsteht,  dasz  indessen  auch  diese  schiechtere  receosiod 
in  verhältnismäszig  früher  zeit  entstanden  ist,  zeigen  zwei  vondeabg^ 
(praef.  s.  IV)  mit  recht  hervorgehobene  thatsachen ,  nemlich  die  eiisleoi 
der  oben  erwähnten  Ambrosianischen  fragmente,  welche  in  uncialen  on 
ohne  Worttrennung  geschrieben  sind  und  gleichwol  schon  dieser  rece^ 
sion  angehören ,  und  sodann  die  beschaffenheit  eines  citates  aus  Seoec^- 
Thyestes  bei  Lactantius,  dem  commentator  des  Statius,  welcher  zur  Tl^ 
hals  IV  530  einige  verse  aus  jener  tragödie  anführt  und  v.  347  Dieit' 
fores  liest ,  wie  der  Flor.,  sondern ,  was  in  allen  übrigen  hss.  steht,  iT^ 
bes^  woraus  folgt  dasz  bereits  dieser  scholiast  ein  exemplar  der  scblec 
tern  recension  vor  sich  hatte. 

Es  versteht  sich  aber  von  selbst,  dasz  diese  beiden  recensfoneo  tro 
aller  Verschiedenheit  zuletzt  doch  auf  einen  einzigen  urcodex  zaruckgC" 
wie  sollte  man  sich  sonst  gewisse  beiden  gemeinsame  eigentümil^^^  ^^ 


B.  Schmidt:  anz.  v.  Senecae  tragoediae  edd.  R.  Peiper  et  G.  Richter.   78S 


derhnisse  erklaren?  wenn  z.  b.  Thy.  1012  sowol  E  als  A  statt  des  von 
mir  hergestellten  ienebrasque  die  unsinnige  lesart  le  nosque  haben,  so 
zwingt  dieses  zu  dem  schlösse ,  dasz  jener  fehler  bereits  der  uns  verlore- 
nen, beiden  recensionen  zu  gründe  liegenden  Urquelle  anhaftete  oder 
wenigstens,  dasz  die  mittleren  buchstaben  des  wortes  tenebbasqye  in 
derselben  unleserlich  waren. 

Ueher  diesen  archetypus  nun  haben  sich  die  hgg.  praef.  s.  IV  f.  eine 
sonderbare  ansieht  gebildet ,  welche  schwerlich  anhünger  finden  dflrfte : 
sie  identificieren  denselben  nemlich  mit  dem  manuscripte  des  dich- 
ter s  selbst  und  behaupten  alles  ernstes,  dasz  die  recensionen  E  und  A 
unmittelbar  aus  jenem  hervorgegangen  seien,  auch  die  beschaffen- 
heit  dieses  manuscriptes  kennen  die  hgg.:  es  soll  ungeordnet,  eilfertig 
geschrieben ,  mit  zusetzen  und  zahlreichen  Änderungen  versehen  und  für 
die  herausgäbe  nicht  bestimmt  gewesen  sein.'}  zur  begröndung  dieser 
ansieht  werden  zunächst  folgende  stellen  angeführt,  an  welchen  E  und  A 
mehr  oder  weniger  stark  von  einander  abweichen : 


Phae.  831  deformis  senii  mon- 
siret  imaginem*) 

Phae.  347  venere  insiincius 
suacipit  audax  grege  pro  Mo 
beUa  iuvencus*) 

Herc  36  patrem  probavi  glo- 
riae  feci  locum  qua  sol  re- 
ducens  quaque  reponens 
diem^) 

Herc.  627  leneone  in  auras 
editum  an  vana  fruor*) 

Herc.  675  nocie  sie  mixta 
solet  ^) 

Thy.  347  fores 

—  610  expavescii 

—  1048  detur  via 
Oed.  fr.  327  scelus 
Phoen.  fr.  154  suspensae 
Phae.  283  moderatur ") 


d,  5.  limina  iranseat 

V.  instincti  quam  magna  ge- 
runt  g.p,  t.  6.  iuvenci 

patrem  prohavii  in  de  qua 
lucem  premit  aperiique  ihe- 
tis  qua  ferens  Titan  diem 

verumne  cerno  corpus  an 
fallor  tua 

tale  non  dubie  solet 

trabes 

extimescit 

demus  viam 

nefas 

solUcitae 

iaculatur 


2)  Seneca  selbst  soll  nnr  einzelne  stücke  veröffentlicht  haben 
(praef.  s.  Y  anm.).  3)  hier  stimmen  der  Melissens  nnd  einige  andere 
hss.  der  schlechteren  recension  mit  £  überein.    über  diese  fälle  später. 

4)  ebenso  eine  ganze  reihe  von  hss.  der  recension  A,  was  hr.  Richter 
in  der  adnotatio  criüca  nicht  angeführt  hat  vgl.  Gronov  und  Schröder 
zTL  d.  st.  5)  auch  hier  gehen  ein  par  Codices  der  andern  recension 

mit  £.  6)  ebenso  der  Melissens  nnd  einige  andere  hss.  der  reo.  A. 

7]  ebenso  diner  der  Palatini  Gmters  nnd  Y  (nnr  dasz  dieser  ndsta), 

8)  dieselbe  lesart  bieten  die  meisten  hss.  Delrios,  was  Richter 
wieder  unerwähnt  läszt;  sie  ist  auch  schon  lange  vor  Gronov  in  den 
text  aufgenommen  worden. 


784  B.  Schmidt:  au.  t.  Seoecae  tngoediie  edd.  R.  Peipcr  et  G.  Rkkte. 

hierzu  bemeiien  die  hgg.  (s.  VI):  *haec  ei  qiiae  sunt  similia  appanl  iu 
non  posse  ezplicari,  ot  altera  scriptura  ex  altera  aut  depravata  aat  Hknrii 
Ubidioe  mntata  aut  interpretandi  caussa  adacripta  esse  dicatur.  imnom 
est  dubium  qain  utraque  quodam  modo  ab  ipso  poeta  profecta  lit,  mi 
pugillaribus  ntriusque  generis  auctorem  usum  esse  diximus.  qaosquds 
codicillos  cum  poeta  crebro  correxisset,  Induceudo  nimirumsitpra- 
scribcudo  Tcrba  versusque  sive  inter  lineas  si?e  ad  mar- 
ginem  adiciendo  et  ita  quidem  ut  quid  legi  Teilet aotqis 
quaeque  pertinereot  multis  locis  dob  saiis  aceuratesigBi' 
ficaret:  fieri  non  potuit  quin  duo  illi  librani  qui  diverso  lenporepoe- 
tae  chirograpbo  ad  describendum  uterentur  dubitantes  saepe  qiiii 
vel  quo  ordine  describerent  alter  boc  alter  illod  eligereL  i!«^ 
alterum  sequeretur  versuum  ordinem ,  haud  raro  uterque  quae  legi  •£- 
nino  non  poterant  omittereL'   sehen  wir  uns  nun  die  oben  angeffibKa 
beispiele  etwas  näher  an.   zunftchst  mOssen  ans  der  zahl  derselben  so(<r 
zwei  als   hier  gar  nicht  in  betracbt  iLommend  ausgeschieden  werift 
Thy.  1048  sind  die  lesarten  in  E  und  A  keineswegs  so  verschieden,  dai: 
nicht  die  eine  aus  der  andern  durch  bloszes  versehen  hStte  talsitha 
iLönnen.    dasselbe  gilt  von  dem  beispiel  aus  Tlij.  610,  wo  wir  flbrigea^ 
den  nicht  einzig  dastehenden,  unten  nAher  zu  besprechenden  fallhabs. 
dasz  A  das  richtige  bewahrt  hat ,  wShrend  E  eine  corrupte  lesart  h«^ 
und  bevor  hr.  Richter  die  letztere  in  den  text  aufnahm ,  hätte  er  f£t 
billig  flberlegen  sollen,  ob  expavescere  äliquid  ab  alt  quo  \Am^ 
sei.    wahrscheinlich  war  in  demjenigen  codex ,  aus  welchem  der  Hdr 
direct  abgesciirieben  ist,  der  drille,  vierte  und  fOnfle  buchstab  des  v»^' 
tes  extimescü  undeutlich,    was  aber  die  flbrigen  stellen  betrüR,  «^"^ 
jeder  der  dieselben  prüft  sich  dberzeugen,  dasz  an  sftmtlichen  ^^ 
E  gebotene  lesart  unbedingt  den  vorzug  verdient  vor  derii^ 
wie  denn  auch  die  hgg.  selbst  an  allen  diesen  stellen  der  erstem  gefoil*' 
sind,   überhaupt  aber  wüste  ich  von  allen  denjenigen  stellen  dieser  tn- 
gödien ,  an  welchen  die  Verschiedenheit  zwischen  beiden  receosiooefl  d^ 
art  ist,  dasz  dieselbe  einem  bloszen  unwillliürlichen  versehen  dcf  Ab- 
schreiber nicht  zugeschrieben  werden  kann  —  und  es  gibt  dereo,  "^ 
bereits  oben  bemerkt  worden,  eine  grosse  zahl  —  kaum  zwei  zu  oeutefi. 
an  welchen  A  besseres  oder  auch  nur  ebenso  gutes  böte  als  E.  als  2^ 
sich  gleich  passend  können  vielleicht  Herc.  1025  die  lesarten  occü^ 
(so  E  nebst  V)  und  auferam  (A)  bezeichnet  werden.    Oed.  343  bat  ^^ 
einigen  grund  zu  schwanken,  ob  vuUum  solis  aus  E  (mit  wdcbesi 'ii<^ 
der  Melisseus  übereinstimmt)  oder  nicht  vielmehr  vultum  obUquoi  dSß  ^ 
aufzunehmen  sei:  vgl.  Gronov  zu  d.  st.    denn  die  beiden  ausier  diesem 
letztern  von  den  hgg.  praef.  s.  XVlii  hierfür  angeführten  beispiele  köo»^ 
als  solche  durchaus  nicht  anerkannt  werden :   dasz  Oed.  250  mit  <^ 
Flor,  zu  lesen  sei  Sphinx  ei  nefandi  carminis  tristes  minae^  kosD^^ 
die  hgg.  schon  die  von  Gronov  herangezogene  parallelstelle  aos  Sop 
OT.  130  lehren,  welche  uuserm  tragiker  vorgelegen  hat,  f|  itoikiAuh)^ 
Cq)lTH  TÖ  TTpdc  TTociv  CKOireiv  iiieO^VTac  fjinäc  Tdupayf]  npooiT^Tö 
die  von  A  gebotene  lesart  prohibent  nefandi  c.  /.  m.,  weichest* 


S.  Schmidt:  anz.  v.  Senecae  tragoediae  edd.  R.  Peiper  et  G.  Richter.   785 

lirn.  Peiper  wieder  in  den  text  gesetsl  wonlen  ist,  leidet,  wie  ebenfalls 
«cbon  Gronov  bemerkt -liat,  an  dunkelheit  (daher  auch  Famabius  diese 
Worte  roisverstand),  und  wenn  die  hgg.  von  eider  naohdrflcklichen  wieder- 
liolung  des  verbum  prohibere  reden,  so  ist  dagegen  zu  bemerlcen  dasz 
hierzu  an  dieser  stelle  gar  Icein  gntnd  vorlag,  öbrigens  in  diesem  falle 
auch  prohibusrunt  hatte  stehen  müssen,  nicht  prohiheni,  und  ebenso 
«icher  ist  Herc  965  Macetumque  Tempe^  was  E  bietet,  das  richtige, 
«loht  was  in  A  steht  und  von  den  hgg.,  nachdem  es  längst  als  ganz  un- 
passend beseitigt  war,  wieder  aufgenommen  worden  ist,  marcentque 
Tempe.  ich  werde  auf  diese  stelle  später  noch  einmal  zurQckkommen, 
verweise  aber  gleich  hier  auf  Gronovs  bemerkung  zu  derselben. 

Die  eben  besprochene  thatsache  nun  reicht  allein  schon  hin ,  um  die 
lialtlosigkeit  der  von  den  hgg.  vorgebrachten  hypothese  darzuthun.  denn 
w5ren  wirklich  bereits  in  dem  manuscrlple  Senecas  selbst  an  vielen  stel- 
len doppelte  lesarlen  vorhanden  gewesen  und  hätte  der  dichter  dieses 
manuscript  in  Wahrheit  in  einem  so  äuszerst  liederlichen  zustande  hinter- 
lassen, wie  die  hgg.  uns  möchten  glauben  machen :  so  würde  es  unerklär- 
lich sein,  dasz  von  diesen  doppelten  lesarten  die  besseren  (welche  selbst- 
Terständlich  als  die  nachträglich  von  Seneca  gemachten  correcturen  an- 
gesehen werden  mästen)  fast  ohne  alle  und  jede  ausnähme  in  E  erscheinen, 
die  sclilechteren  dagegen  in  A.  dieser  umstand  beweist  vielmehr,  dasz 
an  allen  stellen  der  bezeichneten  artE  allein  die  wahre  band  des 
dichters  wiedergibt,  während  das  von  A  gebotene  nichts  ist  als  will- 
kürliche änderung.  dasz  die  hss.  der  letztern  recension  vielfach 
interpoliert  sind,  steht  unzweifelhaft  fest  und  wird  auch  von  den  hgg. 
keineswegs  In  abrede  gestellt,  welche  selbst  praef.  s.  XVI  f.  zahlreiche 
heispiele  dafür  anführen,  mit  diesen  beispielen  nun  stehen  die  oben 
zusammengestellten  abweichnngen  in  A,  welche  die  hgg.  aus  der  exislenz 
doppelter  lesarten  im  manuscript  des  dichters  erklären  zu  müssen  glau- 
ben, auf  vollkommen  gleicher  stufe,  was  nicht  schwer  ist  im  eih- 
zelnen  nachzuweisen,  der  Urheber  der  recension  A,  d.  h.  der  Schreiber 
des  den  schlechteren  hss.  zu  gründe  liegenden  archetypus,  ist  bei  seiner 
arbeit  sehr  kühn  und  eigenmäditig  verfahren,  wo  in  dem  ihm  vorliegenden 
originale  lücken  oder  unleseriiche  stellen  waren,  hat  er  statt  deren  eigene 
einfalle  in  den  text  gesetzt ;  corruptelen  hat  er ,  statt  sie  treu  wiederzu- 
geben, nach  dem  masze  seiner  Urteilskraft  und  seiner  kenntnisse  zu  hei- 
len versucht;  worte,  deren  sinn  er  nicht  begrifToder  misverstand,  oder 
an  welchen  er  aus  Unkenntnis  des  Sprachgebrauchs  des  dichters  anstosz 
nahm,  hat  er  ohne  bedenken  nach  eignem  gutdünken  umgemodelt;  wobei 
-es  ihn  im  allgemeinen  wenig  kümmerte,  ob  seine  änderungen  zu  den 
überlieferten  buchslaben  einigermaszen  stimmten  oder  niclit,  es  genügte 
ihm  meist  dasz  sie  sich  den  gesetzen  des  metrums,  so  weit  ihm  dieselben 
bekannt  waren,  fügten,  mitunter  laufen  die  gewaltstreiche  dieses  inter- 
polalors  ungefähr  auf  denselben  gedanken  hinaus  wie  die  echten  worte 
des  dichters,  wiewol  sie,  gegen  diese  gehalten,  auszerordentlich  matt, 
schwächlich  und  unbeholfen  erseheinen,  man  vergleiche  z.  b.,  um  bei 
den  oben  angeführten  stellen  stehen  zu  bleiben ,  Herc.  627,  wo  Seneca 

JahrbQcher  f&r  class.  philoL  1868  hft.  11.  51 


786   B.  Schmidt:  anz.  v.  Senecae  tragoediae  edd.  R.  Peiper  et  G.  Richter. 

schrieb  ieneone  in  auras  editum  an  väna  fruor  deceptus  umbraf  jeaer 
dagegen  setzte  verumne  cemo  corpus  an  fallor  tua  d.  u.T  welch  ein 
unterschied !  oft  aber  sind  die  eingeschwSrzten  ioterpoIatioBen  geradeta 
absurd,  so  Herc.  675  iale  non  dubie  solei^  welche  Jesart  schon  Gmter 
sehr  richtig  *tuta  lutea*  nannte,  und  es  gehörte  von  seiten  der  hgg* 
wahrlich  eine  blinde  Verliebtheit  in  ihre  hypothese  dazu,  um  sie  za  dem 
Wahne  zu  verleiten ,  dasz  auch  dieser  schund  'quodam  modo'  tod  Seneca 
ausgegangen  sei.  nicht  immer  läszt  sich  ganz  bestimmt  erkeDnen ,  wel- 
cher von  den  angegebenen  gründen  zur  Interpolation  den  anlasz  gegeben 
hat,  bisweilen  mögen  mehrere  zusammengewirkt  haben,  an  der  zoletzt 
angeführten  stelle  scheinen  die  worle  nocte  sie  mixta  im  original  onles- 
bar  gewesen  zu  sein,  derselbe  umstand  hat  oflenbar  Thy.  347  obgewal- 
tet, und  wol  auch  Oed.  fr.  (d.  i.  Phoen.)  327 :  wenigstens  kann  man  sich 
keinen  grund  denken,  der  den  Schreiber  bewogen  haben  konnte  statt 
eines  deutlich  dastehenden  scelus  das  synonyme  nefas  zu  setzen  (er 
mflste  denn  alberner  weise  an  der  Wiederholung  Jenes  Wortes  anstosz 
genommen  haben) ;  dasz  vom  dichter  selbst  aber  wirklich  nur  scehts  her- 
rühren kann ,  geht  mit  evidenz  hervor  aus  der  die  worte  des  boten  auf* 
nehmenden  antwort  des  Oedipus:  ego  ille  sunt  qui  scelera  cottmitii 
veiem  usw.  Herc.  627  scheint  dem  interpolator  der  sinn  von  teneo  un- 
verständlich gewesen  zu  sein  (es  könnte  hier  übrigens  auch  an  das  ein- 
dringen einer  erklärenden  randbemerkung  in  die  hss.  der  recension  A  ge- 
dacht werden).  Phoen.  fr.  154  (516)  änderte  er  suspensae  in  soiüciiae 
oflenbar  aus  Unkenntnis  des  Sprachgebrauchs  (vgl.  Gronov  z.  d.  st.\ 
Phae.  831  schrieb  er  deformis  senii  Hmina  transeai  statt  d.  s.  monstret 
imaginem  ohne  zweifei  deswegen,  weil  er  den  Wunsch  des  chores,  dasz 
die  jugendlich  schöne  gestall  des  Hippolytus  seiner  eignen  sfdierheit 
halber  das  häsziichc  aussehen  des  greisenalters  anndimen  möchte,  lh*>- 
richter  weise  für  unangemessen  hielt :  man  vgl.  Gronov  in  der  anm.  zu 
d.  st.  und  in  der  diatribe  zu  Statins  silvae  cap.  21  (bd.  1  s.  204  f.  Hand\ 
übrigens  ist  nicht  einmal  anzunehmen,  dasz  gleich  von  dem  urheber  die- 
ser immerhin  in  verhältnismäszig  frühe  zeit  hinaufreichenden  recension 
die  ganze  grosze  menge  der  Interpolationen  ausgegangen  sei ,  mit  wel- 
chen ihre  uns  erhaltenen  Vertreter ,  lauter  junge  hss. ,  behaftet  sind :  ein 
guter  teil  derselben  ist  jedenfalls  erst  später,  in  dem  langen  Zeitraum 
welcher  zwischen  der  entstehung  der  recension  A  und  dem  vierzehnten 
jh.  liegt,  in  den  text  hineingekommen,  dies  kann  schon  a  priori  als  sicher 
angenommen  werden;  es  fehlt  aber  auch  nicht  an  stellen,  an  welchen 
sich  die  stufenreihe  der  allmählich  fortschreitenden  fälschung  noch  heute 
deutlich  erkennen  läszt.  so  Agam.  282,  wo  zwischen  der  aus  versehen 
entstandenen  corruptel  euro  ianium^  welche  in  E  erscheint  und  die  von 
Gronov  richtig  in  Euroian  iuum  corrigiert  worden  ist,  und  der  in  A  ste- 
henden Interpolation  a  tanto  viro  eine  zeit  lang  ein  der  richtigen  dber- 
lieferung  näher  stehendes  mittelglied  a  viro  tanto  existierte,  eine  lesart 
i'^he  Gronov  in  der  that  noch  in  einigen  hss.  vorfand,  man  vergleiche 
ie  Varianten  zu  Thy.  9.  Ich  werde  unten  gelegenbeit  haben  noch 
f  diesen  punct  zurückzukommen. 


B.  Schmidt:  anz.  v.  Senecae  tragoediae  edd.  R.  Peiper  et  G.  Richter.  787 

Wenu  ferner  die  hgg.  zur  stütze  ihrer  hehauptung  auf  solche  fälle 
sich  berufen,  wo  im  Flor,  selbst  oder  auch  in  beiden  handschriftenfami- 
lien  zugleich  eine  doppelte  lesart  sich  vorfindet,  so  hält  auch  dieser 
grund  nicht  stich,  zunächst  musz  bemerkt  werden,  dasz  dies  keineswegs 
häufig  vorkommt  und  es  sich  dabei  immer  nur  um  ein  einziges  wort 
handelt,  die  von  den  hgg.  angefahrten  beispiele  sind  folgende:  Herc.  688 
errat  ludii  E  ludit  A,  1157  cur  en  E  (nach  dem  zeugnis  Peters,  während 
Gronov  schweigt)  cur  A,  Oed.  fr.  47  recipe  admiite  E  recipe  A,  Phoon. 
fr.  41  conciia  cursu  celerem  gradum  E  (nach  Peter)  conc.  celerem  gr. 
A,  Med.  769  netnoris  anliqui  decus  domus  £  n.  a.  domus  A,  Herc.  19 
veiera  sero  E  und  A.  die  prQfung  dieser  stellen  ergibt  dasz  nur  an 
einer  einzigen  beide  lesarten  gleiche  berechligung  haben,  so  dasz  man 
nach  belieben  die  eine  oder  die  andere  wählen  kann ,  nemlich  Herc.  688, 
wo  man  Gronovs  bemerkung  nachsehe.  Herc.  19  ist  keine  von  beiden 
lesarten  dem  sinne  ganz  angemessen,  ich  werde  auf  diesen  vers  später 
zurfickkommen.  an  den  übrigen  stellen  läszt  sich  unschwer  nacliweisen, 
dasz  die  eine  von  beiden  lesarten  entweder  die  allein  richtige  ist  oder 
wenigstens  vor  der  andern  einen  entschiedenen  vorzug  hat.  Herc.  1157 
ist  cur  das  einzig  richtige ;  en ,  was  hr.  Peiper  in  den  text  gesetzt  hat, 
unterbricht  in  sehr  lästiger  weise  die  reihe  hastiger  fragen,  welche  Her- 
cules hervorstöszt,  nachdem  er  aus  seinem  tiefen  schlafe  erwacht  und 
zur  besinnung  zurückgekehrt  ist.  Oed.  fr.  (Phoen.)  47  ist  admiite  schon 
wegen  des  gleichklangs  mit  dem  vorhergehenden  omitte  zurückzuweisen, 
aus  welchem,  es  auch  durch  versehen  entstanden  sein  kann;  übrigens 
haben  die  hgg.  zu  bemerken  unterlassen,  dasz  admitte  (ohne  recipe)  im 
Melisseus  und  in  den  Palatini  steht,  woraus  folgt  dasz  auch  A  ursprüng- 
lich beide  lesarten  darbot.  Phoen.  fr.  41  (403)  sieht  cursu  wie  eine 
irtümlicher  weise  in  den  text  gerathene  randglosse  aus,  welche  zur  er- 
klärung  von  concita  beigeschrieben  war.  Med.  769  ist  domus  allein 
statthaft:  denn  unter  decus  nemoris  könnte  nur  das  laub  verstanden 
werden  (vgl.  Med.  718),  und  wäre  es  nicht  absurd  von  diesem  zu  sagen 
amisit  umbras'i  wenn  demnach  für  diese  stellen  feststeht  dasz  von  den 
doppelten  lesarten  immer  nur  die  eine  von  Seneca  herstammt,  während 
die  andere  im  verlauf  der  textesgeschichte  dieser  tragödien  durch  irgend 
einen  derjenigen  manigfaitigen  zufalle  entstanden  sein  musz,  durch 
welche  überhaupt  Varianten  und  corruptelen  in  den  hss.  herbeigeführt  zu 
werden  pflegen ,  so  dürfte  wol  auch  von  den  par  übrigen  fällen  der  be- 
zeichneten art  ein  gleiches  gelten,  an  jenen  beiden  stellen  Herc.  19  und 
Oed.  fr.  (Phoen.)  47,  an  welchen  die  doppelten  lesarten  sowol  in  E  als 
auch  in  A  erscheinen,  musz  die  entstehung  derselben  allerdings  weit  zu- 
rückreichen ,  jedenfalls  noch  über  die  zeit  jenes  archetypus  hinaus ,  wel- 
cher, wie  oben  bemerkt,  als  die  gemeinsame  quelle  für  beide  recensionen 
anzunehmen  ist.  möglich  dasz  auch  diejenigen  doppelten  lesarten,  welche 
nur  in  E  sich  finden,  bereits  in  demselben  archetypus  gestanden  haben: 
denn  es  ist  leicht  denkbar  dasz  der  urheber  der  recension  A,  wie  er  denn 
überhaupt  viel  weniger  gewissenhaft  war  als  derjenige  welcher  £  schuf, 
da  wo  er  doppelte  lesarten  vorfand  in  der  regel  nur  die  eine  aufnahm, 

51* 


IbS   B.  SchffiMt :  aoz.  r.  S^necae  tragoediae  edd.  R.  feper  et  G.  HktUr, 

die  andere  dagegen  wegtiesz.    dieselben  köoooi  iodesaem  amdb  ^terr. 
Ursprungs  sem. 

Lebrigeos  erstreckten  sich  nach  der  ansieht  der  bgg.  die  vercMsi:'.- 
liciien  zwiefachem  lesarten  nicht  nur  auf  einzelne  Wörter  oder  voriger- 
hiudungen,  sondern  auch  auf  ganze,  durch  mehrere  Tcrse  sich  faizidiirch- 
ziehende  gedanken;  and  bald  sollen  beide  aus  dem  exemplar  Senecae  in 
beide  adscbriften  fibergegangen  sein,  bald  die  eine  in  die,  die  andere  iz 
jene,  für  diesen  letztem  fall  indessen,  welcher  allein  too  entscheiden  der 
Leweiskraft  für  die  richtigkeit  ihrer  behauptung  sein  würde,  wisaes  &i 
hgg.  keine  anderen  beispiele  anzuführen  als  eben  jene  abweichoageA  ia 
A.,  von  denen  ich  oben  nachgewiesen  habe  dasz  sie  nichts  weiter  sind  aL< 
iülerpolaüoaen. 

Den  unmittelbaren  Ursprung  der  recensionen  E  und  A  aas  deü 
Itandexeniplar  des  dichters  selbst  sollen  femer  jene  fragraente  beweisec 
welche  im  Flor,  den  namen  Phoenissae  fuhren,  in  denen  aber  jedeafaib 
teile  zweier  tragödien  uns  vorliegen,  eine  ansieht  die  zuerst  von  mir  «ie 
emend.  Senecae  trag.  rat.  pros.  et  melr.  s.  76}  in  einer  thesis  aufgestellt', 
dann  von  Richter  (de  Seneca  trag,  auctore  s.  20  f.)  angenonimen  und 
ausgeführt  worden  ist,  dessen  bemerkungen  übrigens,  beiläufig  gesagt. 
sehr  der  erweiterung  fähig  sind,  zum  teil  auch  der  berichtigung  bedürfen, 
wenn  nun  die  hgg.  (praef.  s.  VU)  meinen  dasz,  falls  Seneca  selbst  dte 
veröfTentlichung  seiner  tragödien  besorgt  hätte,  er  diese  fragmeiite  nicht 
mit  publiciert,  sondern  zurückbehalten  haben  würde,  so  gehen  sie  dabei 
von  der  Voraussetzung  aus ,  dasz  dieselben  unausgeführt  gelassene  ent- 
würfe des  dichters  seien,  könnten  sie  aber  nicht  auch  als  die  überbleibsei 
zweier  einst  vollständiger,  später  verstümmelter  Tragödien  belrachiet 
werden?  es  dürfte  kaum  möglich  sein  dies  endgültig  zu  entscheidea. 
der  platz  welchen  diese  fragmente  in  den  hss.  zwischen  den  übri£!€a 
stücken  einnehmen,  und  der  umstand  dasz  die  einzelnen  scenea  nicht 
allein  am  ende  unvollständig  sind,  sondern  zum  teil  auch  am  anfang  uini 
in  der  mitte,  sprechen  mehr  für  die  letztere  als  für  die  erslere  annähme, 
auf  der  andern  seile  ist  zuzugeben,  dasz  man  schwer  begreift,  was  für  eine 
tragödie  aus  den  beiden  ersten  bruehslücken  (v.  1—319  und  320 — 362\ 
welche  uns  den  blinden  Oedipus  vorführen,  wie  er  an  der  band  der  Anti- 

9)  später  habe  ich  gesehen  dasz  schon  von  ßwoboda  (Senecas  tra- 
gödien bd.  III,  Wien  1830,  s.  279)  und  Schöne  (allg.  Bchalaeitnng  1831 
abt.  II  8.  1029)  auf  die  möglicbkeit  dieses  Sachverhalts,  hingewiesen 
worden  ist,  wiewol  es  sehr  verkehrt  war,  wenn  der  erstere  meinte 
dasz  das  eine  der  beiden  bmchstücke  einem  Oedipns  auf  Kolonos  an- 
gehört haben  möge,  eine  auch  von  Richier  a.  o.  a.  22  geäusierte,  aber 
schon  von  Schöne  zurückgewiesene  Vermutung,  nenerdings  hat  W. 
Braun  im  rhein.  rnnseum  }ÜC  s.  272  ff.  meine  ansieht  bestritten,  aber 
mit  gründen  die  gar  keine  .berticksichtigung  verdienen,  überhaupt 
sclieint  sich  derselbe,  sicher  nicht  zu  seinem  vorteil,  in  etwas  leichtfer- 
tiger polemik  zu  gefallen,  so  macht  er  in  demselben  anfsatze  s.  273 
auch  einwendungen  gegen  den  von  mir  de  emend.  Sen.  trag.  s.  7  aaf 
grund  der  besten  Senecahss.  und  des  Zeugnisses  Priscians  wiederher- 
gestellten titel  Phaedra  und  möchte  wieder  Hippolytus  an  deasen  stelle 


_ .  X ..  — . 


B.  Schmidt:  anz.  v.  Senecae  tragoediae  edd.  R.  Peiper  et  G.  Richter.  789 

gone  lebensmüde  in  den  wäldern  bei  Theben  umherirrt,  sich  habe  ent- 
wickeln und  namentlich  wie  ein  chor  in  derselben  habe  auftreten  können ; 
viel  eher  kann  man  sich  eine  Vorstellung  von  demjenigen  stocke  machen, 
zu  welchem  die  beiden  andern ,  auf  der  nachahmuug  d^r  Euripideischen, 
Phoenissen  beruhenden  scenen  (v.  363 — 442  und  443—664)  gehören, 
wenngleich  auch  hier,  da  die  einheit  des  ortes  nicht  gewahrt  wird,  in 
betreff  des  chores  einige  Schwierigkeiten  sich. ergeben  muslen.  wie  dem 
aber  auch  sei,  so  viel  steht  fest  dasz  die . beirufuug  der  hgg.  auf  diese 
ziemlich  räthselhaften  brnchstücke  ihrer  hypotheae  keinen  halt  verleihen 
kann :  denn  selbst  wenn  dieselben  wirklich  blosze  entwürfe  sind,  so  kann 
doch  daraus  wahrlich  nicht  gefolgert  werden,  dasz  sämtliche  tragödien 
Senecas  aus  dessen  unfertigem  nachlasse  pubUct^t  worden  seien,  und 
noch  dazu  von  den  Urhebern  der  beidep.  uns  vorliegenden  texiesrecensio- 
nen  selbst. 

JkVenn  endlich  die  hgg.  noch  den  ^eblusz  eines  chodiedes  im  Oedlpus 
(v.  772 — 784),  weldier  das  Schicksal  ^ctaeons  behandelt,  für  ihre  hypo- 
these  verwerthen  zu  können  meinen,  indem  sie  behaupten  dasz  die  be- 
rührung  dieses  gegenständes  weder  a^  jener  stelle  nodi  sonst  wo  im 
stüdte  angemessen  sei,  so  ist  dieses j^ollends  ein.gans  hinfälliges  argu- 
ment:  denn  bei  gehöriger  erwägung  des  zusanmiienhänges  ergibt  sich 
dasz  jene  verse  doch  an  ihrem  platze  sind,  wie  bereits  Braun  a.  o.  s.  286 
anm.  15  richtig  nachgewiesen  hat 

Hit  den  gründen  also ,  auf  welche  die  hgg.  ihre  hypothese  aufge- 
baut haben,  ist  es  schlecht  bestellt,  und  wie  unwahrscheinlich  ist  diese 
hypothese  schon  an  sich !  die  beiden  in  unseren  hss.  vorliegenden  recen- 
sionen  der  Senecaschen  tragödien  sind  naturlich  nicht  zu  einer  und  der- 
selben zeit  entstandtfi ,  sondern  die  eine  von  ihnen  ist  Alter ,  die  andere 
jönger.  den  Ursprung  der  schlechteren  ^  A,  setzen  die  hgg.  ins  vierte  jh. 
(praef.  s.  Xlll) ;  die  bessere ,  E ,  ist  nach  ihrer  meinung  schon  etwa  drei 
Jahrhunderte  vorher  entstanden  (praef.  s.  XV):  das  wäre  also  nicht  gar 
lange  nach  Senecas  tode,  jedenfalls  noch  im  laufe  des  ersten  jh.  *^)  wenn 
sonach  eine  ganz  bestimmte  iraditioa  des  textes  frühzeitig  vorhanden 
war  und  auf  die  nachfolgenden  zelten  sich  forterbte,  erscheint  es  da  wol 
glaublich  dasz  man  trotzdem  im  vierten  jh.  das  bedürfnis  sollte  gefühlt 
haben,  auf  das  —  nach  der  annähme  der  hgg.  — r  eilfertig  geschriebene, 
ungeordnete,  von  correcturen  wimmelnde  manuscript  Senecas  selbst, 
welches  überdies  durch  sein  hohes  alter  äuszerst  unleserlich  geworden 
sein  muste  (die  auch  nicht  gerade  wahrscheinliche  Voraussetzung ,  dasz 
es  damals  überhaupt  noch  existierte,  wollen  wir  hier  auf  sich  beruhen 
lassen)  zurückzugehen  und  daraus  eine  neae  recension  zu  schaiTen?  und 
wenn  dieses  manuscript  von  vom  herein  in  einem  dermaszen  liederlichen 
zustande  sich  befand ,  dasz  bereits  der  Urheber  der  recension  E  oftmals 


10)  trotsdiBüi  wird  s.  IX  behauptet,  daaz  das  mannscript  des  dich- 
ters,' ehe  es  alv^eschrleben  worden,  in  die  bände  mehrerer  besitzer 
übergegangen  und  von  diesen  stark  interpoliert  worden  sei.  auch  aus 
anderen  anzeichen  lüast  sieh  sehBeszen,  dasz  die  hgg.  bei  obigem  an* 
Satz  sioli  ein  wenig  Terrecbnet  haben. 


790  B.  Schmidt:  anz.  v.  Senecae  tragoediae  edd.  R.  Pelper  et  G.  Rkhler. 

in  Zweifel  darüber  war,  was  eigentlich  der  Terfasser  gelesen  wissen 
wolhe  oder  in  welcher  Ordnung  (praef.  s.  VI):  wamm  nahm  mau  da  oidii 
fiberall,  wo  es  möglich  war,  zu  den  von  Seneca  seihst  besorgten  einzel- 
ausgaben ,  welche  ja  die  hgg.  für  mehrere  stücke  zugestehen  (praef.  s.  V 
anm.),  seine  Zuflucht,  die  doch  die  beste  norm  abgeben  mosten?  *^) 

Mit  der  so  eben  beurteilten  ansieht  der  hgg.  h2ngt  nun  audi  die 
schon  von  vielen  mehr  oder  weniger  ausfiihrlich ,  wenn  auch  noch  von 
keinem  erschöpfend  behandelte  frage  zusammen,  ob  sämtliche  tragödia 
(die  Octavia  nalfirlich  ausgenommen)  vom  philosophen  Seneca  heiruhreo 
oder  nur  ein  teil  derselben,  die  hgg.  erklaren  (praef.  s.  VBl)  den  Aga- 
memnon und  den  zweiten  Hercules  für  untergeschoben:  es  lasse  sich 
ganz  sicher  beweisen  dasz  diese  beiden  stucke  weder  den  philosoph» 
Seneca  noch  überhaupt  einen  Zeitgenossen  desselben  zum  Verfasser  hat- 
ten. ")  früher  hatte  Richter  (de  Sen.  trag.  aoct.  s.  32}  auch  die  echtfaeii 
eines  dritten  Stückes,  des  Oedipus,  angezweifelt,  eine  meinung  weiche 
hier  ausdrücklich  widerrufen  wird,  es  würde  mich  viel  zu  weit  föhreiu 
wenn  ich  auf  diese  umfangreiche  frage  nSher  eingehen  wollte,  und  ich 
darf  mich  in  dieser  sache  um  so  kürzer  fassen,  da  die  hgg.  selbst  ihre 
ansidit  zwar  gleich  auf  dem  tilell)latt  ihrer  ausgäbe  zur  geltung  gebracht, 
übrigens  aber  auf  einige  wenige  bemerkungen  darüber  sich  beschriakt 
habeu.  bereits  in  meinen  observ.  crit.  s.  13  ff.  habe  ich  «inige  belang- 
reiche sprachliche  eigen lümlichkeiten  angeführt,  welche  der  AgamemDOD 
und  der  zweite  Hercules  mit  den  übrigen  tragödien  so  wie  mit  des  pro- 
saischen Schriften  Senecas  gemein  liaben,  und  an  diesen  beispielen  ge- 
zeigt, wie  vorsichtig  man  bei  erörterong  dieser  ganzen  frage  zu  werte 
zu  gehen  habe,  dasz  in  jenen  beiden  stücken,  wie  die  hgg.  beiiaupteo. 
ein  ^dicendi  genus  ab  Annaeano  non  modice  differens'  sich  zeige,  kaoo 
ich  nicht  zugeben.'*}     die  aus  der  metrik  zu  gewinnenden  thatsacbei 


11)  halten  es  doch  die  hgg,  selbst  für  möglich,  dasz  die  spätereo 
grammatiker ,  welche  verse  aus  Senecas  tragödien  anfuhren,  ihre  kejut* 
nis  derselben  jenen  'fabnlae  separatim  editae'  verdankten. 

12)  immerbin  könnten  dieselben  dann  nicht  lange  nach  Senecai 
tode  geschrieben  sein,  da  sie  sieh  schon  in  der  recension  £  Torfinden, 
welche  nach  der  annähme  der  hgg.  noch  im  ersten  jh.  entstanden  ist 
aber  gleichwol  sollen  sie  weder  demselben  Verfasser  noch  anch  der- 
selben zeit  angehören:  der  Verfasser  des  zweiten  Hercules  soll  den  des 
Agamemnon  erst  wieder  nachgeahmt  haben  (in  diesen  jahrbücheni  1^^ 
8.  264  bemerkt  Richter,  der  Herc.  Oet.  scheine  'nicht  lange  vorder 
zeit  des  Fronto*  entstanden  zu  sein),  übrigens  ist  nach  der  meinoog 
der  hgg.  anch  vom  Agamemnon  kein  fertiges,  sondern  ein  mit  sshl- 
reichen  änderungen  seines  Verfassers  versehenes  ezemplar  zu  dem  poe- 
tischen nachlasz  des  Seneca  von  den  besitzem  des  letzteren  hinxnge- 
füg^  worden,    so  wird  hjpothese  auf  hypothese  gehäuft. 

13}  vielmehr  sind  Stil  und  Sprachgebrauch  in  allen  tragödien  (die 
Octavia  ausgenommen)  im  wesentlichen  gleich,  die  von  Richter  de 
8en.  trag.  anct.  s.  24 — 29  aus  den  einzelnen  stücken  Zusammengestell* 
ten  sprachlichen  besonderheiten  können  zum  teil  als  solche  gar  nicht 
anerkannt  werden,  wie  ich  bereits  observ.  crit.  s.  16  f.  an  einem  hsnd- 
-•hen  beispiel  gezeigt  habe;  zum  andern  teil  sind  sie  weiugiteiu 
^r  art,   dasz  sie  nicht  von  einem  und  demselben  scixriftsteuer 


(fi.  Schmidt:  anz.  v.  Senecae  tragoediae  edd.  R.  Peipcr  et  G.  Ricliter.  791 

(von  Richter  de  Sen.  trag.  auct.  s.  18  ff.  und  s.  23  f.  gröstenteils  nach 
meiner  schrift  de  emend.  Senecae  trag.  rat.  pros.  et  inetr.  zusammenge- 
stellt) scheinen  mir  doch  nicht  so  erheblich,  um  wirklich  als  beweise 
.gegen  die  echtheit  beider  iragödien  verwendet  werden  zu  können,  und 
jedenfalls  wäre  dann  auch  die  echtheit  des  Oedipus  in  frage  gestellt, 
welclie  die  hgg.  nicht  anfediten.  wenn  ferner  heJiauptet  wird ,  dasz  in 
jenen  zwei  stücken  nachahmung  der  acht  ersten  tragödien  unverkennbar 
sei,  so  verliert  dieses  argument  seine  bedeutung  durdi  die  thatsache, 
Klasz  Seneca  in  gedanken  und.  Wendungen  sich  häufig  wiederholt,  nicht 
•nur  in  seinen  dichtungen,  sondern  auch  in  den  philosophischen  Schriften ; 
dasz  im  zweiten  Hercules  vieles  besonders  an  das  erste  stück  dieses  na- 
mens und  im  Agamemnon  manches  besonders  an  den  Thycstes  erinnert, 
erklärt  sicli  obendrein  aus  der  Verwandtschaft  der  behandelten  Stoffe, 
richtig  ist  dasz  der  Agamemnon  und  der  zweite  Hercules  hinsichtlich  der 
«dramatischen  Ökonomie  von  den  übrigen  stücken  sich  unterscheiden,  in- 
sofern in  beiden  je  zwei  chöre  auftreten  und  in  dem  letztem  auch  die 
einheit  des  ortes  unterbrochen  ist.  allein  auch  das  beweist  nichts,  denn 
•ila  Seneca  bei  abfassung  seiner  tragödien  überhaupt  mehr  rhetorische 
^Is  dramatische  zwecke  im  äuge  halte  und  jedenfalls  nicht  für  die  bühne 
schrieb  ^^),  so  sehe  ich  nicht  ab,  warum  er  nicht  da,  wo  der  stoff  ihm  die 


Icönaten  ausgegangen  sein,  ganz  dasselbe  gilt  von  den  in  dem  index 
ortbographicns  der  neuen  ausgäbe  abschnitt  III  (s.  574  ff.)  unter  der 
Überschrift  'singularia  quaedam  ad  nominom  et  verborum  flezionem 
pertlnentxa'  aas  E  notierten  differenzen.  Agam.  464  and  789  bietet  E 
-die  form  rate$  als  nom.  sing,  für  ratU^  and  die  bgg.  haben  dieselbe 
ihrer  lehre  von  dem  spätem  ursprang  dieses  Stücks  sa  liebe  als  eine 
<dem  Verfasser  desselben  schon  zuzatrauende  vulgilrfonn  in  den  text 
gesetzt,  allein  da  haben  sie  einen  Schreibfehler  aufgenommen ,  der 
aach  Med.  631  in  derselben  hs.  sich  findet  (voluere$  statt  volucris);  den 
^umgekehrten  fall  haben  wir  Oed.  fr.  (Phoen.)  23,  wo  im  Flor,  jntpis  für 
rupes  steht.  —  Im  zweiten  Hercules  v.  762  toto  iacet  mundo  gemendus 
braucht  toto  nicht  notwendig  als  dativus  gefaszt  za  werden.  —  Wenn 
in  abschnitt  I  des  index  orthogr.  (s.  569)  bemerkt  wird,  das  ursprüng- 
liche 0  nach  conaonantischem  u  biete  der  Flor,  nur  im  zweiten  Hercu- 
les, und  die  beispiele  dafür  seien  in  diesem  stücke  so  häufig,  dasz  der 
-Verfasser  desselben  offenbar  dieser  Schreibweise  sich  bedient  habe,  so 
wird  man  doch  daraus  nicht  einen  verschiedenen  Ursprung  folgern  wol* 
len.  denn  dasz  auch  Seneca  in  Wörtern  wie  volmts  voltits  und  ähnlichen 
o ,  nicht  u  schrieb,  zeigen  die  hss.  durch  welche  uns  die  philosophischen 
Schriften  desselben  überliefert  sind,  zur  genüge,  wenn  also  der  Flor, 
nur  im  Herc.  II  beispiele  solcher  schreibang  darbietet,  so  ist  dies  zu« 
fall,  d.  h.  während  in  den  übrigen  stücken  der  Schreiber  dieser  hs.  con- 
■sequent  u  setzte,  hat  er  in  der  letzten  tragödie  o  mehrmals  unabsicht- 
lich beibehalten. 

14)  denn  hätte  er  dies  gethan,  so  müste  man  ihn  eines  fast  unbe- 
greiflichen mangels  an  einsieht  beschuldigen,  wie  sehr  richtig  von  Ja- 
cobs bemerkt  worden  ist  in  den  nachtragen  zu  Sulzers  allg.  theorie  der 
schonen  künste  bd.  IV  s.  358,  dessen  vortrefflichen  aufsatz  ich  jedem 
zu  lesen  empfehlen  möchte,  dem  es  darum  zu  thun  ist  sich  über  den 
ästhetischen  werth  dieser  tragödien  ein  richtiges  urteil  zu  bilden,  selbst 
eine  aufführung  derselben  in  vertrauten  kreisen  scheint  mir  nicht  ge- 
^rade  wahrscheinlich,    an  welche  Lucian  Müller  denkt  in  diesen  jähr- 


792  B.  Schmidt:  aiiz.  v.  Senecae  tragoediae  edd.  R.  Peiper  et  G.  Richter. 

yeraDlassung  dazu  gab,  von  seinem  sonst  befolgten  und  im  aligemeiBei» 
den  regeln  der  griechischen  iragödie  entsprechenden  schema  in  der  ange- 
gebenen weise  sollte  abgewichen  sein«  übrigens  ist  zu  erinaera,  daax. 
auch  in  dem  bruchstflck  der  Phoenissen  (ich  meine  hier  eben  nur  dic^ai- 
gen  scenen,  welche  dem  Euripideischen  stücke  dieses  namens  entsprecbea 
und  ohne  zweifei  einer  und  derselben  tragödie  angehörten  oder  wenig- 
stens fQr  eine  und  dieselbe  bestimmt  waren)  Wechsel  des  ortes  statt- 
findet.'^) so  lange  also  nicht  scliwerer  wiegende  gründe  ffir  die  ent- 
gegengesetzte ansieht  können  gellend  gemacht  werden,  halte  ich  an  der 
Überzeugung  fest,  dasz  die  im  Flor,  vereinigten  tragödien  simtlicb 
vom  Philosophen  Seneca  herstammen.'')  man  trifft  im  Agamemnon  and 
im  zweiten  Hercules  dieselbe  manier,  dieselben  fehler  und  vorzfige  an 
wie  in  den  übrigen  dramen,  und  besonders  im  Hercules  spiegelt  sich  der 
geist  Senecas  mit  solcher  treue  ab,  dasz,  hätte  dieses  stück  ein  anderer 
als  Seneca  verfaszt ,  er  ganz  die  eigenart  dieses  merkwürdigen  manaes  in 
sich  aufgenommen  haben  müste,  was  ich  für  unmöglich  halte. 

Was  die  Octavia  betrifft,  welche  nur  in  den  hss.  der  recension  A 
sich  vorfindet  und  die  schon  durch  ihren  Inhalt  als  ein  von  anderer  hand 
nach  Senecas  zeit  verfasztes  werk  steh  darstellt,  so  weisen  die  hgg.  praef. 
s.  XII  (s.  auch  Richter  in  diesen  jahrb.  1867  s.  260  ff.)  zuvörderst  mit 
gutem  grund  die  abenteuerliche  ansieht  W.  Brauns  (die  tragödie  Octavia 
und  die  zeit  ihrer  entslehung,  Kiri  1863)  zurück,  welcher  in  diesem 
stücke  ein  erzeugnis  des  roiltelallers  erkennen  wollte,  so  sicher  es  aber 
ist  dasz  diese  praetexta  aus  dem  alterlum  stammt,  so  schwierig  scheint 
es  innerhalb  desselben  genau  die  zeit  zu  fixieren ,  welcher  sie  angehört, 
doch  ist  sie  nach  meiner  meinung  entschieden  ftHer  als  lias  vierte  jh.,  in 
welclies  die  hgg.  ihre  entstehung  seUen.  und  wenn  dieselben  vollends 
die  Vermutung  aussprechen  (praef.  s.  XIV),  dasz  der  urheber  der  recension 
A  zugleich  der  Verfasser  der  Octavia  sein  möchte,  so  genügt  hiergegen 
die  einzige  bemerkung,  dasz  selbst  eine  dichtung  wie  diese  unendlich  viel 
zu  gut  ist,  um  einem  Schreiber  zugetraut  werden  zu  können,  der  sich 
durch  seine  albernen  Interpolationen  als  einen  menschen  von  so  geringen 
fähigkeiten  und  kenntnissen  verräth  wie  jener. 


büchern  1864  b.  413,  der  übrigens  ebenfalls  sngibt  dasz  diese  stücke- 
vorzugsweise  für  die  recitation  und  lectüre  geschrieben  waren,  die- 
neulich  von  H.  Well  (revne  arch^ol.  1865  I  s.  21  ff.)  gemachte  interes* 
sante  beobachtang,  nach  welcher  noch  von  Seneca  an  der  bekanntexk 
regel  der  griechischen  dramatiker  von  den  drei  schanspielem  festge* 
halten  worden  ist  —  woraus  Tenffel  gesch.  der  röm«  litteratnr  s.  17 
schlieszen  zn  dürfen  glaubt,  dasz  dieser  dichter  doch  wol  an  aufflih- 
rang  seiner  stücke  gedacht  habe  —  vermag  mich  in  meiner  ansieht 
nicht  irre  zu  machen:  vgl.  auch  Luc.  Müller  m  diesen  jahrb.  1867  s.  6S. 
15)  dasz  auch  die  Griechen  nicht  für  nötig  hielten  die  einheit  dea 
ortes  unter  allen  umst&nden  festzuhalten,  lehren  die  Enmeniden  des 
Aeschylos.  16)  zu  der  nemlichen  ansieht  bekennt  sich  Lncian  Müller 
in  diesen  jahrb.  1864  s.  411.  erinnern  möchte  ich  noch  daran  dasz, 
was  den  Agamemnon  anlangt,  auch  schon  die  stelle  welche  derselbe 
in  der  besten  hs.  einnimt  (als  drittletztes  stuck  zwischen  Oedipns  and 
Thjestes)  gegen  die  annähme  einer  spStem  hinznfügnng  desselben  spricht» 


1 
B.  Schmidt:  anz.  v.  Senecae  iragoediae  edd.  R.  Peiper  et  G.  Richter.  793 

Wir  sahen  oben  dasz  wir  in  dem  Flor,  die  einzige  quelle  besitzen, 
welche  eine  relativ  unverl^lschte  öberlieferung  darbietet,  gleichwol  kön- 
nen wir  die  hss.  der  andern  recension  nicht  völlig  entbehren,  wennschon 
dieselben  vorzugsweise  fflr  die  Octavia  in  betracht  kommen,  welelie,  wie 
mehrmals  bemerkt  worden,  der  besten  hs.  abgeht,  so  sind  sie  doch  auch 
für  die  krilik  der  übrigen  stücke  von  einigem  nutzen :  denn  abgesehen 
von  den  an  zahl  geringen  stellen ,  an  welchen  der  Flor,  lücken  hat  und 
mithin  die  überlielening  des  textes  auf  ihnen  allein  beruht,  bieten  sie 
auch  öfters  da  wo  jener  corrupt  Ist  das  richtige,  beispieie  hierfür  sind 
von  den  bgg.  praef.  s.  XVIll  zusammengestellt,  man  würde  irren,  wollte 
mau  annehmen  dasz  in  allen  diesen  fällen  die  band  des  dichters  vom  Ur- 
heber der  riecension  A  oder  von  gelehrten  des  vierzehnten  und  fünfzehn- 
ten jh.  durch  conjectur  sei  hergestellt  worden,  denn  es  ist  gar  nicht  in 
abrede  zu  stellen,  dasz  auch  der  Schreiber  des  Flor,  seinerseits,  wie  sorg- 
fältig und  gewissenhaft  er  im  allgemeinen  auch  war,  doch  beim  copieren 
des  ihm  vorliegenden,  ohne  Worttrennung  geschriebenen  (vgl.  s.  576  der 
neuen  ausgäbe)  und  jedenfalls  auch  in  folge  seines  alters  an  manchen 
stellen  unleserlich  gewordenen  exemplars  ziemlich  häufig  sich  versehen 
und  fehler  begangen  hat.  der  Ursprung  derselben  läszt  sich  in  der  reget 
leicht  erkennen,  femer  ist  der  Flor,  mehreren  correctoren  anheimgefal- 
len und  an  manchen  stellen  die  erste  band  desselben  bis  zur  Unkenntlich- 
keit ausradiert:  vgl.  z.  b.  Gronov  zu  Herc«  86  und  223  (219  der  Gronov- 
schen  ausgäbe),  wenn  wir  arber  nur  von  einigen  der  besseren  hss.  der 
recension  A  genaue  collationen  besäszen,  so  würde  dieses  vollkommen 
ausreichen ,  und  die  grosze  menge  der  übrigen  liönnten  wir  dann  als  un- 
nützen ballast  unbedenklich  über  bord  werfen. 

Als  die  besseren  Codices  dieser  classe  nun  müssen  notwendif^er 
weise  diejenigen  angesehen  werden,  welche  häufig  gegen  den  consensus 
der  übrigen  mit  dem  Flor,  in  der  richtigen  lesart  übereinstimmen,  zu 
diesen  gehört  vor  allen  der  ehemals  von  Justus  Lipsius  besessene  und  für 
die  kritik  benutzte  Meiisseus,  von  sämtlichen  uns  bekannten  Codices  der 
recension  A  unbedingt  der  vorzüglichste '*),  welcher  aber  leider  spurlos 
verschwunden  zu  sein  scheint,  ferner  der  von  Gronov  eingesehene  ^Vos- 
sianus  melior'  und  ander«,  die  hgg.  nehmen  an  (praef.  s.  XIX),  dasz  diese 
hss.  entweder  selbst  nach  einem  «lemplar  der  bessern  recension  corrigiert 
worden  oder  aus  einem  in  solcher  weise  corrigierten  codex  geflossen  seien, 
dies  mag  für  die  mehrzahl  derselben  zutrefTen.  da  indessen  die  recension 
A,  wenn  sie  auch  von  vorn  herein  der  andern  an  werth  bedeutend 
nachgestanden  haben  m^UBz,  doch  nicht  gleich  anfangs  so  erbärmlich 


17)  wenn  ^e  bf^g.  praef.  s.  XIX  etwas  verächtlich  bemerken :  ^Me- 
lissens  ille  cni  nimis  [sie]  tribnit  Gronovins*,  so  weisz  loh. nicht  wie 
Bie  diese  ttuszernng  Verantworten  wollen.  Gronov  hatte  vollkommen 
recht,  n  Heb  st  dem  Flor,  dieser  bs.  die  meiste  bedentung  ztizasprecfaen. 
man  vergleiche,  um  nnr^intge  wenige  stellen  anzuführen,  an  denen  der 
Melissens  allein  mit  dem  Flor,  gebt,  Thy.  1.  9.  Med.  891.  Pboen.  181. 
320.  Pha«.  291.  293.  Oed.  275.  wollen  etwa  die  hg^.  ihrem  Rebdige- 
ranas  11  oder  dem  einen  Gothanns  (g)  gröszern  werth  eingeräumt  wissen? 


794  B.  Schmidl:  anz.  v.  Seuecae  iragoediae  edd.  R.  Peiper  et  G.  Bichter. 

schlecbt  gewesen  sein  wird ,  nie  der  gröste  teil  ihrer  reprisenUBlen  aus 
dem  vierzehnten  und  fünfzehnten  jh.  (einige  belehning  gewahres  in  dieser 
beziehung  die  leider  sehr  geringen  Ambrosiaoischen  fragmente,  wddif 
an  drei  stellen  gegen  die  spSleni  hss.  mit  E  ubereiBstuameii :  a.  die  bgg. 
praef.  s.  XXXII),  so  ist  es  keineswegs  unwahrscheinlicfa  dasz,  weo»  nicht 
auch  einige  andere  hss.,  so  %vcnigstens  der  Helisseus  den  arspräog- 
liehen  teit  dieser  recension  mit  mehr  treue  bewalirt  hat  als  der  irosz 
der  abrigen.  alsdann  sind  diejenigen  Interpolationen,  von  weldieB  der 
Melisseus  frei  ist,  als  erst  spater  in  den  teit  der  recension  A  eingedrun- 
gen zu  betrachten. 

Eine  besondere  bewandtnis  hat  es  mit  dem  von  den  hgg.  zuerst  fcr 
die  kritilt  herangezogenen  Vindobonensis.  während  derselbe  in  all» 
Obrigen  stocken  meist  mit  den  schlechtesten  Codices  der  schlechtem  recea- 
sion  band  in  band  geht  (praef.  s.  XX},  zeigt  er  in  ^iner  tragddie,  dem  erstea 
Hercules^  auffallende  Übereinstimmung  mit  dem  FlorJ^  man  vergleicht 
z.  b.  folgende  stellen,  an  welchen  er  in  gememschaft  mit  diesem  letzten 
gegen  alle  übrigen  hss.  (so  weit  deren  lesarten  uns  bekannt  sind)  da« 
richtige  hat:  Herc.  374  sociemur  animis  {sociemus  animos  A),  594  cor- 
mine  [cantibus  A),  601  archana  d.  i.  arcana  [secreia  A),  919  Tu  ^2>» 
A),  953  ruU'lam  [rutilat  A},  1025  occidat  (auferam  A),  1124  grvves 
{leves  A}  1316  fessam  (quassam  A).  öfters  ist  der  Melisseus  der  dritu 
im  bunde,  z.  b.  Herc.  281  precor  {iuis  A),  366  geranl  {agarU  A),  44:2 
sperai  [penelrat  A),  1037  senior  \genUor  A).  aber  nicht  allein  im  rich- 
tigen, sondern,  was  gleichfalls  bemerkenswerth,  auch  in  Schreibfehlers 


18)  die  hgg.  legen  ansserdem  noch  grosses  gewicht  aaf  den  nic- 
«tand,  dasz  in  dieser  hs.  vor  den  Phoenissen  die  worte  staken:  Imcip^ 
jtecundus  edtppi  eiusdem  anUgone  (s.  s.  56  und  103  ihrer  aase.),  nad  habes 
auf  grund  derselben  dem  ersten  teile  dieses  brnchstUcke  den  titel  OeS^ 
fraomentum  gegeben,  allein  jene  Überschrift  hat  nicht  die  ^erin^ste 
bedeatnng.  denn  da  dieselbe  ausser  dem  namen  des  Oedipas  auch  des 
der  Antigene  enthält,  so  ist  es  offenbar  dasz  hier  die  beiden  in  ätr 
«raten  scene  der  Phoenissen  auftretenden  personen  genannt  wserden. 
und  dasz  vor  diesen  namen  der  titel  des  stÜcks  ausgefallen  ist  (rgh 
auch  die  in  einem  Lugdunensis  am  ende  der  zweiten  tragödie  stehen- 
den Worte,  welche  praef.  s.  XXXIX  mitgeteilt  werden},  in  demjenigen 
codex  welcher  dem  Schreiber  des  Vindob.  vorlag  werden  die  worte  etwa 
so  gelautet  baben:  Incipit  secundtu  (nemlioh  Uber^  denn  vorhar  geht  in  V: 
MardJ  Luc{j  Annei  Seneee  cordubensi»  iragediarum  Hb  er  primic«  kercu- 
les  Exptimt^  und  die  Phoenissen  sind  in  dieser  hs.  das  zweite  stück i 
€iu8dem  P/toenUsae  \  Oedipwt  Antigone.  auf  dem  titelblatt  des  Vindob.,  wo 
die  namen  sämtlicher  tragödien  aufgeffihrt  werden  (s.  praef.  s.  XXXUI'u 
steht  nur  Pheniisa.  —  Bei  dieser  gelegenheit  will  ich  nicht  nnterlassen 
darauf  hinzuweisen,  dasz  aus  dieser  sitte  der  Schreiber,  anmittelbar 
hinter  den  titel  des  Stückes  die  namen  der  in  der  ersten  scene  dessel- 
ben auftretenden  personen  zu  setzen»  ohne  Zweifel  auch  die  entstcdini^r 
•der  tragödientitel  äippolgtus  (statt  Phaedra)  nnd  Heeuba  (statt  JVoades. 
in  einem  teil  der  hss.  der  recension  A  zu  erklären  ist.  denn  zu  anfan^ 
der  Phaedra  tritt  Hippolytus,  zu  anfang  der  Troades  Heeuba  allein 
auf.  in  dem  Vindob.  hat  sich  sogar  der  name  lyno  Yom  anfang  des 
^n  Hercules  hinweg  unter  die  namen  der  tragödien  aaf  dem  titel- 
verirrt. 


B.  Schmidt:  anz.  v.  Senecae  tragoediae  edd.  R.  Peiper  et  G.  Richter.  795 

oder  sonstigen  verseilen  gehen  der  Flor,  und  der  Vindob.  an  manchen 
stellen  mit  einander,    so  haben  beide  Herc.  351  ikalamis  statt  ihcdamis- 
que^  697  meiusque  für  metus^  952  rapial  für  rapiei^  968  recipi  sed 
für  recipis  ei^  1247  furor  recesiit  statt  furore  cessiL    allein  auf  der 
andern  seite  ist  der  Vindob.  auch  in  dieser  ersten  tragödie  durch  sehr 
zahlreiche  corruptelen  entstellt  (deren  durchgängige  anföhruug  wir  der 
Vorliebe  des  hrn.  Peiper  ffir  diese  hs.  verdanken),  uud  einen  guten  teil  der- 
selben hat  er  mit  andern  hss.  der  schlechtem  recension  gemein ,  so  z.  b. 
Herc.  215  exeai  für  meat^  233  menalum  für  maenalium^  270  recipit 
für  recepit^  285  Interque  für  iierque^  439  virtus  für  viriutis^  502  egisii 
für  Aegypti^  519  rogem  (ivoi  aus  rogus  im  vorhergehenden  verse  ent- 
standen) für  colam  und  anderes,   das  schlimmste  aber  ist,  dasz  an  nicht 
'wenigen  stellen  des  ersten  Hercules  der  text  im  Vindob.  durch  ganz 
•dieselben  handgreiflichen   Interpolationen  entstellt  ist, 
welche  überhaupt  den  hss.  der  recension  A  oder  einem  teile  derselben 
anhaften,    eines  der  schlagendsten  beispiele  hierfür  liefert  die  schon  frü- 
her angeführte  stelle  Herc.  627,  woselbst  eine  sehr  starke  interpolaüon 
—  sie  erstreckt  sich  auf  einen  ganzen  senar  —  dem  Vindob.  mit  den 
meisten  hss.  der  recension  A  gemeinsam  ist:   hier  haben  vielmehr  der 
Melisseus  und  einige  andere  Codices  dieser  classc  zusammen  mit  dem 
Flor,  die  echte  Überlieferung  bewahrt,   weiter  vergleiche  man  v.  12  fera 
4:oma  9\A\i  ferro  minaci^  464  exese  (d.  i.  exesae)  für  Idaeae^  737  au- 
ditur  statt  aditur^  985  Marcenique  statt  Macetumque^  1006  Procum- 
hat  statt  perlucet^  1016  feriei  statt  ferei^  1023  Renwfli^v  ieneo,  1203 
nunc  für  non^  1302  Bedite  (d.  i.  reddite)  für  reddoi  alles  deutliclie  bei- 
piele  der  Interpolation,  wovon  jeder  bei  unbefangener  prüfung  dieser 
stellen  sich  überzeugen  wird. 

Diese  tliatsachen  zwingen  zu  dem  Schlüsse,  dasz  auch  der  Vindob. 
durchaus  aus  einem  codex  der  schlechtem  recension  geflossen  ist,  wel- 
cher aber  in  der  ersten  tragödie  nach  einem  exemplar  der  bessern  recen- 
sion durchcorrigiert  war,  jedoch  nicht  genau  und  vollständig,  so  dasz  an 
mehreren  stellen  die  interpolierten  lesarten  stehen  geblieben  waren,  aus 
diesem  exemplar  der  recension  E  stammt  auch  die  aufschrifl  auf  dem 
titelblatt  des  Vindob.  her,  wo  die  tragödien  in  derselben  reihenfolge  und 
mit  denselben  namen  aufgeführt  werden  wie  im  Flor.,  nur  dasz  noch 
üctavia  und  luno  (s.  darüber  oben  anm.  18)  am  ende  hinzugefügt  sind ; 
während  in  der  hs.  selbst  die  stücke  in  der  vulgären  Ordnung  auf  einan- 
der folgen  (mit  der  einzigen  ausnähme  dasz  der  Thyestes  als  vorletztes 
stück  zwischen  der  Octavia  und  dem  zweiten  Hercules  steht)  und  auch 
die  namen  derselben  zum  teil  andere  sind. 

Wenn  man  nun  auch  nicht  von  vom  herein  die  möglichkeit  be- 
streiten darf,  dasz  der  so  beschaffene  V  im  ersten  Hercules  hie  uml  da  ein- 
mal aus  Zufall  allein  das  richtige  darbieten  könne,  so  wird  doch  ein 
besonnener  kritiker  gegen  diese  nachweislich  auOh  in  jenem  stück  von 
interpolalionen  keineswegs  freie  quelle  stets  mistrauen  hegen  und  nur 
unter  ganz  besonderen  umständen  sich  entschlieszen  eine  von  der  über- 
iieferung  des  Flor,  abweichende  lesart  derselben  aufzunehmen,   den  hgg. 


796  B.  Schmidt:  ajiz.  v.  Seuecae  tngoedUe  edd.  B.  Peiper  et  G«  Bichier. 

kann  man  solche  vorsieht  nicht  nachrühmen,  vielmehr  hat  br.  Peiper,  der 
bearbelter  der  ersten  tragddie,  m  diesem  stäel^e  dem  verdichtigeo  ge- 
sellen einen  entschiedenen  vorzug  vor  dem  treu  bewAhKeii  Flor,  einge- 
räumt wid  hinfig  sogar  solche  Varianten  desselben,  in  welcben  ein  onfie- 
fan^ner  hlicit  sofort  teils  Schreibfehler  teils  interporlationen  erkenoi,  als 
glAcklich  aufgefundene  goldkörner  in  den  text  gesetzt  auch  gewisse 
längst  beseitigte  Interpolationen  in  den  hss.  der  recension  A  Oberhau^ 
haben,  weil  sie  vom  Vindob.  geschOtst  werden,  in  den  äugen  hm.  Peipers 
tu  neuem  glänze  sieh  verkllri  und  sind  von  ihm  wieder  in  den  text  eis* 
geführt  worden,  ich  gedenke  dieses  im  einzelnen  welter  unten  nachiv- 
weisen,  hier  will  Ich  dagegen  die  sehr  geringe  anzahl  deijenlgen  beson- 
deren lesartra  des  Vindob.  zusammenstellen,  welche  sich  mir  necb  sor^- 
i^lllger  Prüfung  als  der  aufnähme  allein  würdig  ergeben  haben,  vor  alle 
kommt  hier  eine  stelle  in  betracht ,  an  welcher  die  erste  band  des  Flor, 
nicht  zu  erkennen  ist,  nemlich  Herc.  112  i(Wt  odia  (so  der  Flor,  voa 
zweiter  band  und  A}^  wofür  V  voia  gibt,  was  ohne  zweifei  das  richtige 
ist.  wahrscheinlich  ist  auch  v.  116  aus  V  aufzunehmen  me  vidi  et  se 
tineai  statt  $ne  panier  ei  te  tfineai  {pariier  im  Flor,  von  zweiler  hand 
in  einer  rasur).  v.  1278  ist  e/^er  unbedingt  besser  als  effler  (so  A  und, 
nach  Gronovs  und  Peters  seh  wagen  zu  schlieszen,  auch  der  Flor.},  t.  727 
h^t  V  von  erster  band  richtig  speciem ,  was  übrigens  bereits  nicht  nur 
her  Gronov  sieht,  sondern  auch  in  der  ausgäbe  des  Scrhrerios  vom  j. 
1651  (der  Flor,  und  A  fehlerhaft  speeimen).  v.  1026  wird  wol  passender 
mit  V  dem  Amphitryo  zugeteilt  als  mit  A  der  Vegara  (im  Flor,  stdii  vor 
diesem  verse  ans  versehen  hbro.).-  hierzu  können  endlich  noch  ein  par 
orthographische  kleinigkeiten  hinzugefügt  wa*den :  v.  1165 /*efv  (/od» 
£),  1187  inpotens  {imp,  E),  1304  inmisii  {imm.  £).  ziemlich  bedenklKh 
ist  dagegen  v.  929  Uxboris  {labores  E  und  A). 

Aber  auch  wo  der  Vindob.  gar  nicht  in  frage  kommt,  ist  bei  dea 
hgg.  ein  unsicheres  hin*  und  herschwanken  zwischen  den  lesarlen  der 
beiden  recensionen  zu  bemerken,  und  wenn  sie  auch  im  princip  aner- 
kennen, dass«  die  textesherstellung  vorzugsweise  vom  Flor,  eosgehen 
müsse  (vgl.  praeC  s.  XIV  und  XVII),  so  haben  sie  doch  bei  bearbeiUug 
der  einaehien  sifloke  den  von  mir  de  eroend.  Sen.  trag.  s.  4  ausgespro- 
chenen gmndsatz,  dasz  man  von  dieser  durch  alter  wie  durch  treue  alle 
anderen  weit  übertreffenden  hs.  nur  notgedrungen  abweichea  dfirfe^ 
ausser  äugen  gelassen,  die  uichtbefolgung  desselben  aber  musz  notwen- 
diger weise  zu  Willkür  führen. 

Wie  nun  die  hgg.  in  vielen  flilen  von  der  Überlieferung  des  Flor, 
mit  unbegreiflichem  leichtsinn  und  zum  grösten  schaden  des  textes  abge- 
gangen sind,  so  haben  sie  wiederum  in  anderen  AUen  dnrdi  blosBe  ver- 
sehen des  Schreibers  dieser  hs.  oder  ihres  Originals  sich  wonderlick  irre 
leiten  lassen,  fireilich  sind,  um  hier  sicfaer  zu  gehen,  umsiebt  und  kriti- 
scher tact  erforderlich ,  eigenschaften  die  den  hgg.  in  geringem  grade  zu 
geböte  stehen,  die  beweise  für  alle  diese  behauptongen  werde  ich  nicht 
schuldig  bleiben. 

Bevor  ich  aber  zur  bespreefaung  einzelner  stellen  übergehe,  nrasz 


B.  Schmidt:  anz.  v.  Senecae  tragoediae  edd.  R.  Peiper  et  6.  Richter.  797 

ich  noitli  einen  gq^enatand  berühren ,  welcher  hauptsichllch  der  schlOssel 
zur  beurieiluJig  des  Verfahrens  der  bgg.  auf  dem  gebiete  der  conjeetural- 
kriük  ist.  sie  glauben  nemlich  an  ein  von  Seneca  auf  alle  teile  seiner  tra- 
gödien,  die  lyrischea  wie  die  nichllyriacben,  angewandtes  strophisches 
gesetz,  und  dier  Wiederherstellung  dieses  vermeintlichen  geaetzes  ist  ihre 
kritische  thätigkeit  vorzugsweise  gewidmet,  wie  ganz  unwahrscheinlich 
die  annähme  verborgener  Strophen  in  den  cantica  dieses  dichters  schon 
sn  sich  ist,  iiat  bereits  Lucian  MflUer  hervorgehoben  hi  diesen  jahrb. 
1864  s.  497.  nun  soll  Seneca  vollends  auch  den  dialog  durchweg  stro- 
phisch gegliedert  haben,  es  ist  freilich  nicht  schwer  hier  wie  dort  eine 
gewisse  strophische  gleicbmAszigkeit  zu  erzielen,  wenn  man  mit  der  ober- 
lieferung  so  beispiellos  kühn  umspringt  wie  die  bgg.  da  werden,  je  nach 
bedOrfnis,  lücken  statuiert  und  verse  bald  hinausgeworfen,  bald  an  eine 
andere  stelle  versetzt,  um  eine  ungefähre  Vorstellung  zu  geben  von  dem 
masze.  in  welchem  diese  freilich  sehr  bequemen  kunstgriffe  zur  anweu- 
dung  kommen ,  bemerke  ich  beispielsweise ,  dasz  hr.  Peiper  in  der  ersten 
tragödie  allein  nicht  weniger  als  45  verse  gestrichen  hat.  es  soll  keines- 
wegs geleugnet  werden,  dasz  zuweilen  in  diesen  tragddien  ein  vers  oder 
auch  mehrere  hinta*  einander  au  unrichtige  stellen  gerathen,  andere  ganz 
ausgefallen,  noch  andere  untergeschoben  worden  sind,  mitunter  weist 
die  Überlieferung  des  Flor,  selbst  darauf  hin.  aber  einmal  bestreite  ich 
entschieden,  dasz  solches  in  so  colossaler  ausdehnung  stattgefunden  habe, 
wie  die  ligg.  uns  einreden  wollen,  und  zweitens  versteht  es  sich  von 
selbst,  dasz  zur  annähme  des  einen  oder  des  andern  dieser  falle  nur  sehr 
dringende  innere  gründe  berethtigen.  was  insbesondere  die  annähme  von 
Interpolationen  betriiTl,  so  kann  man  bei  einem  anerkannter  maszen  so 
üppigen  und  schwülstigen  dichter  wie  Seneca  nicht  vorsichtig  genug  sein, 
gar  manches,  was  bei  einem  maszvoUem  autor  uns  nicht  möglich  er- 
scheinen und  zum  streichen  gerechten  anlasz  bieten  würde,  müssen  wir 
bei  ihm  geduldig  hinnehmen,  es  ist  ja  eben  einer  der  fehler,  weiclie  die- 
sen Schriftsteller  noch  im  altertum  selbst  und  dann  wieder  in  der  neuern 
zeit  so  sehr  in  miscredit  gebracht  haben,  dasz  er  sich  nicht  zu  behersohen 
weisz,  sondern  seiner  lebhaften,  überreizten  phanlasie  die  zügel  schieszen 
iSszt  und  des  guten  stets  zu  viel  thut.  es  liegt  in  seiner  manier,  die  ge- 
danken  nach  allen  selten  zu  drehen  und  in  immer  neuen  formen  vorzu- 
führen ,  die  darstellung  mit  Sentenzen  und  sonstigen  milteln  der  rhetorik 
zu  überladen,  die  bilder  und  erzdhiungen  bis  zur  ermfldung  des  lesers 
auszuspinnen.  der  relchtum  und  die  fruchtbarkeit  seines  geistes,  denen 
wir  auf  der  einen  seite  grosze  Schönheiten  verdanken,  haben  ihm  doch 
auch  den  blick  für  das  angemessene  und  schickliche  geirflbt  und  ihn  bis- 
weilen sogar  zu  oiTenbaren  Ungereimtheiten  verführt*  n^les  eum  suo 
ingenio  dixisse^  alieno  tudido  sagt  sehr  rtditig  von  ihm  Quintilian.  diese 
fehler  und  schwächen  des  autors  seihst  machen  allerdings  die  krrtik  in 
seinen  werken  zum  teil  schwierig  und,  ich  gestehe  es,  vielfadi  auch  uner- 
quicklich, es  geht  aber  hieraus  hervor,  wie  verkehrt  es  ist  in  diesen 
tragödien  verse  tilgen  zu  wollen,  welche  in  der  bezeichneten  eigentüm- 
lichkeit  Senecas  ihre  genügende  erklSrung  und  relative  rechtfertigung 


1 

I 


798  B.  Schmidt:  anz.  v.  Seoecae  iragoediae  edd.  R.  Peiper  et  G.  Richter. 

finden,  die  hgg.  haben  in  dieser  hinsieht  sehr  hSufig  gefehlt.  aW  auch 
an  sich  völlig  tadellose,  ja  schöne  stellen,  die  jeder  dichter  sich  gefallen 
lassen  könnte,  sind  von  ihnen  ohne  bedenken  ausgemerzt  worden,  es 
entscheidet  eben  bei  ihren  athetesen  sowol  als  bei  ihren  versversetiuzic» 
und  lückenanoahmen  stets  in  erster  linie  und  oft  ausschliesslich  ihr  dcrcb 
nichts  bewiesenes,  aus  der  lult  gegrilTenes  strophenprincip.  ondda^f 
ilinen  selbst  bedenklich  vorkam  alles,  was  in  unserer  fiberliefening •){* 
erstrebten  euryihmie  entgegensteht,  nur  auf  rechnung  der  zeit  und  <ifr 
abschreiber  zu  bringen ,  so  haben  sie  sich ,  um  gleichwol  die  menge  i}:^r 
gcwaltmaszregeln  zu  rechtfertigen,  noch  etwas  anderes  ausgedacht  ml- 
dem  sie  ihre  oben  besprochene  hypothese  Ober  den  Ursprung  der  beiii^ 
unseren  hss.  zu  gründe  liegenden  textesrecensionen  und  Ober  die  bescia'- 
fenheit  des  Senecaschen  manuscripts  mitgeteilt,  fahren  sie  praef.  s.  ^K 
wörtlich  also  fort:  *quae  cum  ita  sint,  ubi  aut  lacunas  significaTimos  2b: 
versus  sive  transponendos  sive  eiciendos  censuimus,  nemini  prufectoet 
videbimur  omnia  temporum  vel  librariorum  iniuriae  tribuisse.  irnrn  ' 
pro  diltographiis  roulta  eorum  quae  exciusimus  habenda  sunt,  iia  nc^ 
paucos  versus  ambitum  stropharum,  quibus  et  in  diverbüi 
et  in  carminibus  poeta  orationem  discripsit,  supriiustos 
modum  augentes  ab  ipso  poeta  arbitramur  profectosess- 
(velut  Herc.  552.  745.  791  alios],  qui  quidem  sciibendi  impelu  abreptL« 
eandem  rem  qua  erat  ingenii  ubertate  variando  et  alits  verbis  itenun  ^' 
saepius  inlustrando  non  numquam  legem  illam  quam  ipse  siii 
scripserat  strophicam  violasse  existiroandus  est.  quaemeDd); 
tragoedias  in  emendatum  exemplar  et  publico  usui  destinatum  transcnf- 
sisset,  quin  sublaturus  fuerit  vel  resecando  vel  augendo  orationem  mmf 
dubitandum  arbitramur.  quo  tamen  in  genere  num  in  el  igendis  versiU* 
qui  essent  damnandi  nobis  contigerit  ut  verum  semper  invenireis!-'< 
vehementerdubitamus.'  man  traut  seinen  äugen  kaum ,  weoQ  Q*'> 
solch  leichtfertige  und  kecke  rede  liest,  die  hgg.  haben  sich  also  acf^ 
roaszt  Seneca  selbst  zu  verbessern,  gewissermaszen  indes^tr- 
fassers  namen  seinen  nachgelassenen  werken  die  letzte  feile  zu  gel"^'' 
sie  haben  verse  gestrichen ,  von  denen  sie  sich  selber  sagen  musten  da>i 
es  keine  Interpolationen  sein  könnten ,  und  Ificken  statuiert  oder  TP^ 
Setzungen  vorgenommen,  wo  der  Zusammenhang  der  gedanken  nach  ibrtr 
eigenen  ansieht  nicht  gestört  war.  statt  im  hinblick  auf  diese  tbat»cb^^ 
an  der  richligkeit  ihrer  Strophenhypothese  irre  zu  werden ,  mögen  s;< 
lieber  dem  dichter  eine  öftere  Verletzung  desjenigen  gesetzes  schuld  g^^*^^* 
welches  er  doch  sich  selbst  ohne  not,  aus  freiem  antrieb  soll  vorgeschm- 
ben  haben,  angenommen  selbst  dasz  sie  damit  recht  bitten,  stunde  <^' 
ihnen  dann  zu  diesem  gesetze  tiberall  geltung  zu  verschalTen?  miioH'^' 
ten:  denn  so  viel  ich  weisz,  ist  die  aufgäbe  der  texikritik  nur  eio^c 
Schriftsteller  von  den  Verderbnissen  der  Überlieferung  zu  reinigen:  df> 
Schriftstellers  eigene  fehler  und  versehen  zu  corrigieren  ist  nicht  ü*^ 
^ruf.  welche  verse  sollte  man  denn  auch  in  diesem  falle  als  die  eigesi- 
äberschflssigen  betrachten?  die  hgg.  selbst  hegen  starke  zweifeK  ob 
'  der  aus  wähl  (!)  der  zu  beseitigenden  verse  immer  (!)  das  HchD^^ 


B.  Schmidt:  anz.  v.  Senecae  tragoediae  edd.  R.  Peiper  et  G.  Richter.  799 

gelrofTen.  was  heiszt  denn  hier  überliaupt  das  richtige  treffSen?  doch 
nichts  auderes  als  diejenigen  verse  streichen ,  welche  Scneca  selbst  bei 
veralTentlichung  seiner  stQcke  T\'ärde  gestrichen  haben,  ja  freilich,  da 
konnten  sie  nicht  immer  sicher  zu  gehen  hoffen ,  und  hStte  ilinen  Zeu» 
das  Siegel  der  macht  auf  die  stirne  gedrOckt.  man  wird  aber  nun  auch 
erkennen ,  was  eigentlich  der  treibende  gjrund  fdr  die  aufstellung  jener 
hypothese  von  dem  unfertigen,  zur  publlcation  nicht  bestimmten  nachlasz 
des  dichters  gewesen  ist:  durch  sie  sollte  der  durch fOhrong  der  Strophen- 
theorie  die  bahn  geebnet  werden,  die  Jigg.  scheinen  zu  glauben ,  dasz 
die  von  ihnen  geschaffenen  Strophen  Ihre  rechtfertigung  In  sich  sellier 
trflgen.  aber  auch  da  sind  sie  in  arger  leuschung  befangen,  durch  den 
gesperrten  druck  gewisser  worte,  die  sich  teils  zufällig  teils  in  folge 
innerer  notwendigkeit  wiederholen ,  werden  sie  niemand  fOr  Ihre  anficht 
zu  gewinnen  vermögen,  wie  es  um  die  strophische  gliederung  der  dlrer- 
bien  steht,  können  stellen  lehren  wie  Herc.  1219.  1294  (um  aus  einer 
menge  von  beispielen  nur  diese  zwei  herauszuheben),  wo  die  antistrophe 
in  der  mitte  nicht  blosz  des  gedankens,  sondern  auch  des  verses  anbebt, 
oder  wie  Thy.  693,  wo  senare,  deren  enge  Zusammengehörigkeit  schon 
Suszerlich  durch  fflnfmallge  Wiederholung  des  Wortes  ipse  angedeutet  isi^ 
durch  den  beginn  einer  neuen  atrophe  von  einander  getrennt  werden, 
gleich  in  der  ersten  scene  des  ersten  Hercules  hat  die  vermeintliche  fünf" 
zeilige  stroplie  a  gar  keine  responsion.  was  die  anapflstischen  caotioi 
betrifft,  so  werden  monometer,  welche  Strophen  schlieszen,  nach  der 
theorie  der  hgg.  nicht  gezählt,  so  dasz  also  einer  siebenzeiligen  durch 
einen  dimeter  geschlossenen  Strophe  eine  achlzeilige  durch  einen  mono- 
meter geschlossene  entsprechen  kann,  wie  das  z.  b.  Herc.  194 — 208  der 
fall  ist  nirgends,  weder  im  dialog  noch  in  den  lyrischen  teilen ,  sehe  ich 
aus  der  strophischen  gliederung  einen  vorteil  erwachsen,  welcher  zu  den 
sich  nötig  machenden  ungeheuren  opfern  auch  nur  einigermaszen  in  Ver- 
hältnis stünde,  die  kröne  haben  die  hgg.  ihrer  willkur  aufgesetzt  in  den 
vier  Chorgesängen  desOedipus  407  ff.  722  ff.  und  des  Agamemnon  610  ff. 
845  ff.,  wo  sie  zugleich  mit  strophischer  gleichmäszigkeit  auch  einen 
umgusz  der  freieren  rythmen  in  die  hergebrachten  angestrebt  haben, 
man  betrachte  nur  einmal  die  fetzen,  in  welche  hier  innerlich  wol  zusam- 
menhängende gcdichte  auseinandergerissen  worden  sind,  und  man  wird 
mir  recht  geben,  wenn  ich  sage  dasz  kein  Schriftsteller  des  allertums 
jemals  von  seinen  bearbeilern  so  kläglich  zugerichtet  worden  ist  wie 
unser  tragiker  in  dieser  neuen  ausgäbe. 

Nach  diesen  allgemeineren  bemerkungen  Aber  den  kritischen  stand- 
punct  der  hgg.,  dessen  vorbergängige  erörterung  mir  notwendig  erschien, 
wende  ich  mich  zur  speciellen  besprechung  einzelner  stellen,  die  hgg. 
haben  sich  in  ihr  geschäft  in  der  weise  geteilt,  dasz  jeder  von  ihnen, 
übrigens  nach  gleichen  princlpien,  fünf  tragödien  bearbeitet  hat.  und 
zwar  sind  von  hrn.  Peiper  die  beiden  Hercules,  der  Oedipus,  die  Troades 
und  der  Agamemnon,  von  hrn.  Richter  die  übrigen  stücke  Senecas  nebst 
der  Oclavia  übernommen  worden,  um  nun  dem  Vorwurf  zu  entgehen,  als 
hätte  ich ,  unter  absichtlicher  nichtachtung  des  guten  und  lobenswerthen 


800  Philologische  gelegenheiUschriften. 

in  dieser  ausgäbe,  Qherall  nur  nach  beweisen  f&r  die  oben  von  mir  aus- 
gesprochenen behauptungen  gehascht,  werde  Ich,  anslalt  aus  simüicbeii 
tragödien  eine  anzah]  stellen  zu  n&herer  betrachlung  beliebig  aosxuwilikD. 
vielmehr  zwei  ganze  stficke,  ein  von  Peiper  und  ein  von  Richter  bearlKi- 
tetes,  und  zwar  gleich  die  beiden  erslen,  Hercules  und  Tbyestes,  durch- 
gehen und  an  ihnen  die  leistungen  der  hgg.  prüfen. 

(Der  schlnaz  folgt  im  nKchaten  hefte.) 
Jbna.  Bebmbabd  SoEafisT. 

(81.) 

PHILOLOGISCHE  GELEGENHEITSSOHEIPTEN. 

(fortsetsang  von  8.  786.) 


Gera  (gynin.,  zur  Sohtissler-feier  17  ootbr.  1868)  A.  Banmeister: 
spicilegii  cntici  in  scriptores  Graeoos  et  Latinos  pariicnla  I.  liofbncii 
dmckerei.   8  b.  gr.  4. 

Jena  (univ.,  doctordiasertationen)  L.  Schumacher:  qnaeitionnc 
criticamm  Sophoclearom  specimen  I.  drnck  von  Ratz.  1868.  60  s.  S.  - 
H.  Wessig:  de  aetate  et  anctore  Philopatridia  dialogi  qai  nn»  cns 
Lucianeis  edi  aolet.    drack  von  H.  Hildenbrandt  in  Cobleiia.  1869.  S7  s 

fr.  8.  —  F.  C lausen:  de  Horaiii  libri  primi  epistula  nndaficeniu 
ruck  von  Ratz.  1868.  82  8.  ^  >-  C.  F.  J.  Nick:  de  Vergili  caxmici 
buB  a  Drydeno  poeta  in  linguam  Britannicam  translatis.  drack  tod^ 
Stumpf  in  Bochum.  1868.  26  8.  gr.  8.  —  E.  Jung:  gedanken  über  die 
menschliche  sprachaneignnng.  eine  sprachphilosophiache  stndie.  drsck 
von  Ratz.   1868.  84  8.  8. 

Kiel  (zur  Jubelfeier  der  univ.  Bonn)  P.  W.  Forchhammer:  die 
gründung  Roms,  mit  einer  karte,  druck  von  C.  F.  Mohr.  1868.  VIc 
60  8.   gr.  8. 

Leipzig  (ges.  der  wies.)  M.  W.  Drobiseh:  weitere  unteniuko 
gen  über  die  formen  der  hezam^ter  des  Virgil ,  Horaz  Und  Homer,  ü^ 
den  berichten  der  hist.-phil.  classe  1868  f.  16—66.  gr.  8.  [fortsetxia! 
einer  frühem  abhandluug  'ein  statistiBch^r  versuch  über  die  formeo  äi 
lateinischen  bezameters'  ebd.  1866  s.  75—139.]  —  J.  Overbeek:  U^' 

geschichtliche  miscellen.  erste  reihe:  zur  archaischen  kaust,  ebeadtj 
er  1868  s.  66—91.  gr.  8.  —  (univ.,  zur  Verkündigung  der  von  mai  Ido' 
bis  april  1868  creierten  doctoren  der  pbil.)  R.  Klotz:  emendatiooso 
Plautinarum  libellus.  druck  von  A.  Edelmann.  1868.  9  s.  gr.  i  ' 
(doctordissertationen)  A.  Thierfelder:  de  Ghristianomm  psaU  <- 
hymnis  usque  ad  Ambrosii  tempora.  druck  von  B.  G.  Teubner.  1^- 
41  s.  gr.  8.  —  W.  H.  Roseber:  de  aspiratione  vulgari  apud  Oraeco^' 
druck  von  Melzer.    1868.   64  s.  gr.  8. 

Leitmeritz  (obergymn.)  W.  KlouSek:  zu  Vergil  und  Hor&2 
druck  von  H.  Mercy  in  Prag.    1868.    11  s.   gr.  4. 

Upsala  (univ.)  J.  F.  Job  an  so  n:  de  usu  modorum  in  verbU<^f* 
bere,  posse  sim.  in  primariis  sententiis  condicionalibus  oommentati' 
academica.  druck  von  Edquist  u.  Berglund  (verlag  von  S.  Calrarf  ^■ 
comp,  in  Berlin).   1868.    56  s.   gr.  8.  .^ 

Zürich  (univ.,  zur  Verkündigung  der  preisaufgaben  für  1868-^^ 
lull  Eznperanti  opnsculum  a  G.  Bursian  reoogi£tam.  druck  von  Zar* 
eher  und  Furrer.  VIII  u.  5  8.  4.  —  (zur  begrüszung  der  univ.  Bonn  3  »«^^ 
1868)  Ex  Hygini  genealogiis  ezcerpta  a  G.  Bursian,  restitata.  ^^ 
16  8.  4.  —  (kantonsschule)  K.  Thomann:  der  französische  atlas  i- 
'läsars  gallischem  kriege.    1868.    18  s.   gr.  4. 


ERSTE  ABTEILUNa 
FÜR  CLASSISCHE  PHILOLOGIE 

HSBAUSGEGEBSN  VON  ALFRED  FlECKBISEN. 


105. 

DIE  ILIASSCHOLIEN  DES  CODEX  VENETÜ8  B. 


In  den  lliasscholien  des  codex  Venelus  453  ^  glaubte  Gobet  zwei 
bände  zu  erkennen');  dieser  annähme  widersprach  Rose  (AristoU  pseudep. 
s.  161),  welcher  glaubt,  ein  und  derselbe  Schreiber  habe  die  6ine  classe 
der  schollen  sorgfältiger,  die  andere  nachlässiger  geschrieben,  zweifel- 
liaft  waren,  wie  es  schont,  Zanetli  und  Bongiovanni,  die  Verfasser  des 
kalalogs  der  Marciana. ')  durch  eine  neue  vergleichung  der  handschrift, 
die  durch  die  freundliche  Vermittlung  von  hrn.  prof.  0.  Jahn  ermöglicht 
wurde ,  glaube  ich  im  stände  zu  sein  diese  frage ,  welche  für  die  feslstel- 
lung  der  verschiedenen  bestandteile  der  lliasscholien  nicht  unwichtig  ist, 
ihrer  erledigung  näher  zu  bringen. 

Dasz  wir  bei  den  schollen  zwei  verschiedene  dassen  zu  unterschei- 
den haben,  zeigt  schon  der  flüchtigste  anbllck  der  handschrift.  die  ^inen 
sind  in  groszen  schonen  zögen  von  derselben  band  geschrieben  wie  der 
teit  und  befinden  sich  in  regelmäsziger  weise  ober,  unter  und  neben  dem- 
selben, sie  sind  numeriert,  so  dasz  immer  dieselbe  Ziffer  über  dem  erklär- 
ten Worte  und  vor  dem  scholion  steht,  und  zwar  wird  auf  der  zweiten 
Seite  eines  jeden  blattes  mit  a  begonnen,  wie  für  den  text,  so  sind  auch 
für  diese  schollen,  die  wir  kurz  als  die  älteren  bezeichnen  wollen, 
linien  gezogen,  die  scliolien  der  zweiten  classe  sind  in  weit  kleineren 
Zügen  und  mit  mehr  abkörzungen  geschrieben,  nicht  mit  Ziffern,  sondern 
mit  verschiedenartigen  zeichen  versehen,  und  befinden  sich  teils  an  dem 
für  die  anderen  schollen  bestimmten  platze,  wo  derselbe  frei  geblieben 


1)  über  diese  handschrift  (B  bei  Villoison  und  Bekker)  im  allge- 
meinen vgl.  Graeca  D.  Marci  bibl.  s.  243.  Villoison  proleg.  asur  Ilias 
8.  XLV.  Kose  Aristot.  pseudep.  s.  150  ff.  Hoffmann  21b  und  228  buch 
der  Ilias  proleg.   s.  22  ff.  2)  Mehler  im  rhein.  muB.  YIII  s.  144: 

'später  wurde  aaf  dem  frei  gebliebenen  ranm  des  randes  unser  scholion 
von  einer  späteren  band  geschrieben.'  vgl.  desselben  ausgäbe  von 
Herakleitos  alleg.  s.  94  anm.  1.  das  betreffende  scholion  (zu  C  468) 
gehört  zu  der  gleich  zu  erwähnenden  zweiten  classe.  3)  Graeca  D. 
Marci  bibl.  s.  243:  'seeunda  (sc.  scholia)  minori  et  fortasse  recentlori 
oharactere.* 

Jahrbücher  für  elaM.  philoL  1868  hft.  12.  52 


802  E.  HiUer:  die  Uiasscholien  des  codex  Venetus  ß. 

ist ,  teils  auf  dem  Suszern  rande ,  selten ,  und  nur  wenn  sie  tod  geriDgeo 
umfange  sind,  zwisclien  den  alleren  schollen  und  dem  leite,  aufdieüoiea 
ist  bei  Ihnen  keine  rflcksicht  genommen. 

Dasz  diese  schollen  von  einer  andern  hand  geschrieben  sind  als  die 
älteren ,  wird  gewis  ein  jeder  nach  dem  ersten  einblick  in  die  hs.  anoeh- 
men,  und  dies  ist  auch,  wie  gesagt,  die  ansieht  Cobets.  eine  sichere 
entscheidung  liszt  sich  aber  hier  ans  den  zögen  allein  wol  nicht  ßllu. 
wie  schon  der  blosze  umstand  beweist,  dasz  ein  haudschriftenkenDer  wk 
Rose  das  gegenteil  annimt.  und  in  der  that  kommen  noch  ganz  andm 
krilerien  in  betrachL  zwei  gründe  bringt  Rose  fär  seine  meinuog  bei, 
zunächst  die  thatsache  dasz  öfter  ein  älteres  scholion  in  der  kleiDen 
Schrift  fortgesetzt  wird,  dabei  fibersab  er  aber  einen  umstand,  durth  dea 
die  ganze  beweiskraft  seines  argumentes  vernichtet  wird,  sowol  an  des 
von  ihm  angefahrten  stellen  nemlicb  (fol.  78.  190^  283^]  als  aoaüeo 
anderen  dahin  gehörigen  I9szt  sich  ganz  deutlich  erkennen,  dasz  am  ende 
der  gröszeren  schriftzOge  ursprünglich  das  zeichen  des  Schlusses  :^  ^• 
banden  war.  dasselbe  wurde  von  dem  schreiher  der  fortsetzung  eatweder 
ganz  ausradiert  oder  zum  teil  für  das  folgende  wort  verwertbet  (oameoi- 
lieb  in  der  weise  dasz  der  querstrich  den  obern  strich  eines  t  bildet!. 
wenn  also  Rose  von  dem  Schreiber  der  schollen  sagt :  'cum  vel  priai 
ordinis  scholiis  interdum  finem  imponat,  mutata  ut  in  secundis  litteraruoi 
magnitudine  specieque',  wonach  das  kleiner  geschriebene  scholioD  io 
unmittelbarem  anschlusz  an  das  vorhergehende  und  zu  derselben  zeit  vm 
dieses  geschrieben  w9re,  so  ist  dies  falsch ;  die  beiden  stücke  sind  vieloeiir 
zu  verschiedenen  zeiten  geschrieben ,  und  nichts  berechtigt  uns  zu  d^o 
Schlüsse  dasz  sie  von  derselben  hand  seien. — Das  zweite  argument  Roses 
bezieht  sich  auf  das  scholion  zu  A  300  *cuius  altera  pars'  wie  h^i 
sagt  Mn  scholia  primI  ordinis  errore  immergitur ,  eisdem  ibi  quibus  bis 
litteris  scribitur/  dieser  zweite  mit  groszer  schrift  geschriebene  teil  b^ 
ginnt  mit  den  Worten  \xi\  dKpaTp|c  cTvai  s.  27**  48  Bk.  nun  würde  scbo« 
an  und  für  sich  die  thatsache,  dasz  der  Schreiber  anfangs  klein  und  zienf 
lieh  flüchtig  schrieb,  dann  aber  mitten  in  einem  satze  plötzlich  aas  vcf' 
sehen  in  eine  grosze,  sehr  schöne  schrift  überspringt,  daszerst  seltsam 
erscheinen,  aber  auch  hier  gibt  uns  eine  genauere  besichtiguog  den 
klarsten  aufschlusz.  die  bemerkung  zu  A  299  s.  27^  23—27  Bk.  stehi 
auf  fol.  11*  unten,  die  letzte  zeile  derselben  reicht  von  crepou^^vip 
(z.  25  Bk.)  bis  zum  Schlüsse,  hier  befindet  sich  nicht  das  gewöbnlicbe 
schluszzeicben ,  sondern  ein  anderes,  auf  dem  reste  der  zeile  aber  (aoa 
dies  ist  das  entscheidende]  war  das  scholion  ursprünglich  forlgC' 
setzt:  die  rasur  ist  so  deutlich  wie  nur  möglich,  die  folgende  seile  be- 
ginnt dann  mit  den  worten  ^f)  dKpaTfjC  elvai.  der  klein  geschriebene  ao* 
fang  des  scholions  zu  A  300  steht  neben  dem  scholion  zu  v.  299  auf  dem 
Auszeren  rande;  bei  Siriuc,  dem  letzten  dieser  klein  geschriebenen  worie^ 
findet  sich  ein  zeichen  '\'  welches  sich  vor  \xi\  äxparfic  wiederholt,  ^ 
diese  worte  an  öiriuc  anzuschlieszen.  die  sache  verhielt  sich  also  folg^' 
dermaszen.  in  den  von  der  ersten  hand  geschriebenen  scholien  war  das 
•   •    n  27»»  23— 27  Bk.  und  die  bemerkung  des  Porphyrios  zu  v.  300  io 


E.  Hiller:  die  Iliaascholien  des  codei  Venetus  B.  803 

^in  flcholion  vereinigt,  wie  denn  auch  sonst  Porpbyrios  in  dieser  samlnng 
benutzt  ist  (wenn  auch  selten  wörtlich  wie  in  den  jflngeren  schollen).  *) 
der  fibergang  durch  welchen  sie  verbunden  waren  mochte  etwa  gelautet 
haben:  bf)Xov  b'  ÖTi  ö  'AxiXXeuc  tva  pf|  äxpaific  usw.  oder  ähnlich; 
denn  so  viel  belrflgl  etwa  der  räum  der  ausradierten  worte.  der  scbreiber 
der  später  eingetragenen  schollen  nun  sah,  dasz  der  zweite  teil  des  ganzen 
Stückes  zu  einer  bemerkung  des  Porpbyrios  gehöre,  die  er  ▼ollslflndig  vor 
sich  hatte.  ^)  er  radierte  also  jene  flbergangsworte  aus  und  schrieb  den  voll- 
ständigen anfang  des  Porphyrianischen  scholions  auf  den  Suszern  rand. 

So  Hlllt  also  jeder  grund  für  die  ansieht  Roses  weg,  der,  wie  bereits 
bemerkt,  der  augenschein  widerspricht,  und  auch  abgesehen  davon  zeigt 
noch  ein  anderer  umstand  ihre  unwahrscheinlichkeit ,  ja  Unmöglichkeit, 
die  zusammenhängenden  blatter  68  und  69  nerolich,  €  259—366  ent- 
haltend, sind  später  eingefügt;  der  text  ist  von  einer  ganz  andern  band 
(oder  vielmehr  wieder  von  zwei  unter  einander  verschiedenen  banden) 
als  wir  sie  sonst  finden.')  offenbar  wurden  die  ursprünglich  hier  befind- 
lichen blätter  irgendwie  beschädigt  und  musten  durch  die  neuen  ersetzt 
werden:  denn  die  nummern  der  alteren  scbolien  auf  fol.  70*  zeigen, 
dasz  auch  fol.  69^  solche  numerierte  scbolien  halte,  auf  den  beiden 
neu  eingefügten  blättern  nun  sind  die  scholien  teils  von  denselben  bänden 
wie  der  text  geschrieben,  teils  von  der  band  der  gewöhnlichen  jüngeren 
scholien.  eines  dieser  letzteren  (s.  167**  16  Bk.)  beginnt  auf  fol.  69** 
und  wird  auf  fol.  70*  fortgesetzt,  nun  müste  nach  der  ansieht  Roses 
der  Sachverhalt  folgender  sein,  zuerst  wird  der  text  mit  den  älteren 
scholien  geschrieben,  später  werden  fol.  68  und  69  beschädigt  und 
durch  neue  blatter  ergänzt:  die  neu  eingesetzten  stücke  aber  sind  nicht 
von  der  altern  band,  sondern  von  einer  andern,  weit  schlechtem;  auch 
werden  die  verloren  gegangenen  schollen  nicht  wiederholt,  sondern  einige 
wenige  ganz  werthlose  dem  text  beigeschrieben,  und  schlieszlich  tragt 
wieder  der  Schreiber  der  älteren  scholien  seine  'curas  secun- 
das")  in  die  hs.  ein.  wie  seltsam  erscheint  es  dann,  dasz  jene  erganzung 
nicht  ebenfalls  von  ihm  herrührt,  sondern  in  so  schlechter  weise  ange- 
fertigt ist!  völlig  klar  und  einfach  erscheint  dagegen  das  Verhältnis,  wenn 
wir  annehmen  dasz  nach  der  erganzung  der  beiden  blatterein  neuer 
Schreiber  die  mit  kleinerer  schrift  geschriebenen  scholien  in  die  hs. 
eingetragen  hat 

Bei  diesen  letztern  aber  lassen  sich  wieder  zwei  classen  unterschei- 
den, die  zeichen  nemlich ,  die  das  scholion  und  den  zu  erklärenden  vers 
auf  einander  beziehen,  sind  teils  schwarz  teils  roth.  die  scholien  mit 
rotheu  zeichen  scheinen  später  eingetragen  zu  sein  als  die  anderen ;  we- 


•4)  8.  Rose  a.  o.  s.  162.  5)  einen  ähnlichen  fall  finden  wir  in  dem 
ebenfalls  von  Porphyrios  herrührenden  scholion  zu  C  98,  welches  von  der 
ersten  band  geschrieben  ist.  die  worte  von  bouXeOwv  s.  490*  12  Bk.  bis 
Zffv  z.  14  fernen,  sind  aber  am  rande  von  der  zweiten  band  ans  einem 
vollständigen  ezemplar  nachgetragen,  ebenso  ein  offenbar  richtiges  &t& 
vor  Möva  z.  16.  6)  das  gleiche  ist  der  fall  mit  fol.  146  (A  167—217); 
die  band  ist  hier  dieselbe  wie  anf  68  ^  und  69.        7)  Kose  a.  o.  s.  161. 

62* 


804  E.  Hiller:  die  Iliasscholien  des  codex  Venelus  B. 

nlgstens  ist  die  dinle  meistens  bedentand  schwärzer,  doch  ist  dies  nicht 
darcbgehend,  und  eine  genaue  Untersuchung  der  sache  wQrde  schwerlich 
die  darauf  verwandte  zeit  lohnen,  wichtig  dagegen  ist  der  unterschied 
zwischen  den  beiden  classen  in  bezug  auf  den  Inhalt,  durchmustern  wir 
nemlich  zunächst  die  schölten  mit  schwarzen  zeichen,  so  erlLennen  wir 
alsbald,  dasz  dieselben  zum  bei  weitem  grOsten  teil  einer  samlung  tob 
scholien  des  Porphyrios  (die  in  vollständiger  fassung  mitgeteilt  waren} 
entnommen  sind,  in  diese  samlung  eingeschoben  aber  waren  mehrere 
Biüicke  aus  Herakleilos  Homerischen  allegorien,  und  daraus  erklirt  sieh 
der  umstand  dasz  in  anderen  scholienhandschriften ,  die  auf  denselben 
Ursprung  zurückgehen,  solche  stocke  zuweilen  mit  der  bezeichnung  TTop- 
qpuptou  erscheinen;  in  dem  titel  der  samlung  war  wol  nur  Porphyrlos 
genannt,  dasz  sich  öbrigens  unter  diesen  scholien  auch  noch  andere,  meist 
kleine  und  unbedeutende  bemerkungen,  sowie  glossen  befinden,  wird 
niemand  wunder  nehmen,  der  mit  der  scholienlitteralur  bekannt  ist. 
jedenfalls  darf  behauptet  werden,  dasz  bei  einem  scholion  von  Porphy- 
rianischer  färbung  die  Vermutung,  dasz  es  von  Porphyrios  sei,  wesentlich 
dadurch  verstärkt  wird,  dasz  es  sich  unter  diesen  scholien  mit  schwarzen 
zeichen  befindet. 

Bei  den  scholien  mit  rothen  zeichen  treten  zwei  hauptbestandleile 
hervor:  sprachliche,  namentlich  etymologische  bemerkungen,  die  sich  mit 
gröszeren  oder  geringeren  abweichungen  im  Etymologicum  und  in  den 
Homerischen  epimerlsmen^)  wiederfinden,  und  die  bekanntlich  einen  wich- 
tigen teil  der  Homerscholien  bildenden  IcTOpiai  nebst  verwandten  sach- 
lichen bemerkungen,  die  meist  auch  in  den  sogenannten  scholia  Didjml 
stehen,  ob  diese  zwei  bestandleile  aus  zwei  samlungen  oder  aus  ^oer 
entlehnt  sind,  musz  dahingestellt  bleiben,  auch  hier  finden  sich  nalfirlkh 
glossen  und  manche  andere  zulhaten ,  auch  einige  ganz  wenige  Porphy- 
nana ,  die  hier  offenbar  derselben  samlung  wie  die  lcTOp(ai ,  also  einer 
den  scholia  Didymi  ähnlichen,  entlehnt  sind. 

In  denjenigen  fällen ,  wo  ein  scholion  der  ersten  band  durch  die 
zweite  ergänzt  wird  (s.  oben  s.  802) ,  läszt  sich  nicht  immer  mit  Sicher- 
heit feststellen,  welcher  von  beiden  classen  die  ergänzung  angehOrt.  ab- 
gesehen von  diesen  fällen  aber  wird  eine  genaue  ausgäbe  der  Iliasscholien 
nicht  nur,  was  bereits  Rose  a.  o.  s.  153  aussprach,  die  scholien  der  ersten 
und  die  der  zweiten  band'},  sondern  auch  bei  den  letzteren  die  mit 
schwarzen  und  die  mit  rothen  zeichen  zu  unterscheiden  haben. 


8)  in  Cr&mers  anecd.  Oxon.  bd,  I  nnd  onecd.  Paris.  II  s.  29i  ff. 
9)  dazu  kommt  noch  eine  dritte  hand,  von  der  aber  nur  ftosserst  we- 
nige und  meist  ganz  werthlose  scholien  herrühren,  doch  befindet  sich 
daranter  aach  das  scholion  s.  166*^  61  Bk.  bei  dieser  gelegenheit  sei 
bemerkt,  dasz  das  citat  in  demselben  Kai  cöpf)C€tc  toOto  ffiirpocOev  ^v 
Tifi  vO  in  dieser  vollständigen  form  nicht  nur  im  Lipsiensis,  sondern 
auch  im  Venetas  B  steht,  in  letzterer  hs.  aber  hat  es  seine  richti^keit 
damit:  denn  zu  N  296  ist  dort  das  scholion  s.  69*  28  Bk.  wiederhole 
dies  als  ergänzung  zu  Rose  s.  166. 

'^RANKFUBT   AM   MaIN.  EdüABD   Hn.TiBK. 


L.  Kayser:  anz.  v.  Dionysi  Hai.  antlq.  rom.  rcc.  A-Kiessling.  vol.  III.  805 

106. 

DiONTBi  Halicabnasensis  antiqvitatvm  bomanarvm  qvab  sypBB- 
8VNT  BB0EN8VIT  AdolphvbKibsslino.  VOL.  III.  Lipsiae 
in  aedibufi  B.  G.  Teubneri.  MDCCCLXVn.  XXXV  u.  329  b.  8. 

(vgl.  jahrganjf  186a  s.  1—11.   1866  s.  86-47.) 

Etwas  rascher  als  der  zweite  band  auf  den  ersten  ist  der  dritte  (das 
siebente,  achte  und  neunte  buch  enthaltend)  auf  den  zweiten  gefolgt, 
sonst  aber  mit  anwenduag  derselben  maximen  in  der  constiluieruug  des 
textes,  für  welcheo  auch  in  diesen  bfichern  der  codex  Urbioas  105  (B) 
bei  weitem  die  wichtigste  grundlage  bildet:  denn  auch  hier  wird  nur 
eine  mäszige  anzahl  von  stellen  aus  dem  Chisiauus  (A)  alleiu  berichtigt, 
sehr  wenige  aus  dem  Coislinianus  (C),  fast  keine  aus  Ü  (Regius),  dem 
original  der  editio  princeps.  zu  den  bereicherungen  aus  A  darf  man 
20,  23  Töv  bilMOV,  138,  12  6Xk\  142,  28  cpuXdiuiv,  204,  26  oöt€ 
diTieava,  207,  1  KaxacreiXai,  237,  9  TrpocfJKev  (für  irpocniai),  270, 
31  X€T6iv,  294,  29  dirdTCiv,  300, 17  öx^oc,  322,  22  i\br\  bi€CK6- 
bacfi^voi  (soll  fahr]  bieoceuocji^voi  heiszen)  wol  zählen;  auszerdem  zu- 
säUe  wie  45,  1  und  186,  25  von  fäp,  207,  4  und  296,  20  von  piv, 
101,  12  und  209,  26  von  tc,  271,  26  und  316,  4  von  bi,  300,  20 
von  Kai;  dagegen  fehlen  Wörter  die  anderswo  widersinnig  stehen,  wie 
71,  7  bf|,  105,  1  auTÖc,  124,  2  d)c,  290,  2  {m\  306,  29  bk;  endlich 
sind  richtigere  lesarten  sonst  oder  wenigstens  in  B  verschriebener  Wörter 
29,  31  dvoMoXoTrjceTe ,  62,  25  öcpeirai,  125,  22  TCtxojbiaxiac  (von 
zweiter  band],  143,  13  (ptXouc  iroiou^EGa,  188,  6  odacTrjv,  240,  12 
K^pac,  293, 11  dKKXiiciav,  309, 15  ^qpebpiaic.  aus  C  und  D  war  45, 11 
unbedenklich  TiOevrai  aufzunehmen ;  sonst  bietet  G  31, 12  &  t^iuc,  42, 20 
diraiTwv,  50, 13  6<p'  ujiTv,  63,  24  iKpOTuvexo,  206, 19  dv  dcpavci 
T^  böEij,  und  durch  correctur  am  rande  53,  25  ^inTpTi|iai,  221,  29 
äirob€iicvuTat  trpdc  auriDv  pecoßaciXeuc,  276,  7  xai  Tdc,  283,  23 
f|  trept  Tf)c  icXripouxicic  CTdcic,  307,  32  ^dXiu;  diese  Verbesserungen 
scheinen  eher  das  werk  eines  gelehrten  lesers  als  aus  einer  guten  bs. 
übertragen  zu  sein,  die  menge  der  blosz  B  angehörenden  vorzüglichen 
lesarten  ist  dagegen  so  grosz,  dasz  man  darauf  verzichten  musz  sie  auf- 
zuzählen, mit  wenigen  ausnahmen  zieren  sie  jetzt  den  text  Kiesslings; 
Reiske  wies  ihnen  noch  allzu  oft  ihren  platz  in  den  noten  au ,  wie  unter 
anderem  32,  23,  wo  er  den  echten  werten  ol  ixiv  im  rate  irepi  tq  cujii- 
ßöXaia  ßXdßaic,  ol  b'  ^ttI  t^  nepi  Tdc  Ttpdc  ^Xarroicei  eine  ganz 
ungeschickte  interpolatton  des  cad.  Rom.  Tdc  ^k  toO  brjjüiou  dvaicxtJV- 
riac  (sc.  ßapciuc  qp^povrec)  vorzog,  besser  verfulir  er  225,  25,  an 
welcher  stelle  durch  das  homöoteleuton  Ix^VTa  —  ^x^VTiuv  zwei  volle 
Zeilen  in  den  übrigen  hss.  ausgefallen  sind;  interessant  ist  es  hier  zu 
sehen,  wie  geschickt  Gelenius  und  Gasaubonus  sich  zu  helfen  wüsten, 
während  Lapus  unsinniges  übersetzt,  Portus  aber  dem  Appius  eine  sei- 
nem rathe  ganz  widerstrebende  behauptung  in  den  mund  legt,  Sylburg 
gar  eine  tautologie  wahrnehmen  will,    was  Gelenius  in  seiner  version 


806  L.  Kayser:  anz.  v.  Dtonysi  Hai.  antiq.  rom.  rec.  A.  Kiessling.  vol.  111. 

andeutete  'polestatem  intercessoriam  sacrosanctam  et  legibus  confirmatam 
uon  posse  nisi  suismet  dissolvi  viribus',  muste  die  spateren  bearbeiter  auf 
den  rechten  weg  leiten;  doch  nur  Casaubonus  bat,  was  unter  diesen  um- 
ständen allein  möglich  war,  den  entsprechenden  gedanken  ergSnzl.  K. 
tränt  280,  18  als  *casu  non  receptum'  TpiqciXiujv  T€  xai  rptCKaibCKO 
nach;  ebenso  war  77,  19  bixaiUJC  Obc  ohne  weiteres  aufzunehmen; 
79,  27  bietet  ebenfalls  fi  das  richtige,  da  Coriolanus  nur  mit  beziehung 
auf  sich  selbst  spricht ,  Tic  also  den  sinn  seiner  worte  ungehörig  ver- 
ander iVOrde;  108,  21  muste  K.  mit  B  Ik  Tf)c  nöXetiuc  ö  Tupawoc 
dvaipei  schreiben ,  weil  dem  bfj^oc  in  concreto  die  person  des  tyrannen 
entgegengesetzt  wird;  171,  5  hat  B.  den  satz  Kai  ö  brijüioc  dncKupiucE 
TaOra  nicht,  er  kann  recht  wol  von  einem  corrector  herrflhren,  der  meinte 
dasz  auch  ein  solcher  bescblusz  des  Senates  noch  der  ausdrflckllchen  be- 
statigung  des  Volkes  bedOrfe,  wie  späterhin  allerdings  über  die  crrichtung 
des  tempels  der  Fortuna  muliebris  die  comitien  berufen  werden;  aber 
gerade  daraus  mag  der  interpolator  den  schlusz  auf  die  notwendlgkeit 
eines  gleichen  Zusatzes  gezogen  haben,  noch  einiges  andere  der  ari, 
was  unserer  ansieht  nach  aufnähme  verdiente,  werden  wir  unten  be- 
rühren, die  bemerkung  aber,  welche  der  hg.  zu  11,  16  macht  «T€  kqi 
iTOVTipOTdTiUV  quae  a  Ba  afuerant  eicienda  videnlur,  siquidem  hoc  addi- 
lamenlo  sermonis  aequabilitas  corrumpilur»  möchte  auf  sehr  viele  ähnliche 
fälle  auszudehnen,  und  die  frage,  ob  was  so  vorzügliche  hss.  nicht  haben 
beizubehalten  sei,  lieber  dahin  zu  beantworten  sein,  dasz  dergleichen  hin- 
reichende berücksichtigung  in  den  kritischen  noten  finde. 

Einigemal  trägt  die  adnotatio  critica  versäumtes  nach,  wie  36,  6 
ä7TOCTpoq)f|V  AB  ^quod  recipere  debui%  ähnlich  29,  31  dvo^oXorn- 
ceT€,  39,  31  u^Tv,  48, 12  Aexiou  nach  Gelenius,  54, 16  Ujiiv,  59,24 
itdvrec  ye,  63, 11  dvTiirpdTTeiv,  76, 19  diovro  bcTv  cuvdrciv,  88,  6 
Aorivie,  115,  5  ^aipeO^,  191,  4  cupireptXaiiißdvwv  mit  voller  iuier- 
punction  erst  nach  fOvii,  258,  26  «TaCra  quod  om.  AB  delendum  erat», 
vgl.  was  wir  oben  zu  11 ,  16  äuszerteu.  als  bessere  lesart  wird  aus  A 
noch  15, 18  dbeiav  anzuführen  sein  und  aus  B  54, 1  i&v  TrpoC€Tp(߀TO 
T^  ßouX^,  derselbe  scheint  152,  11  nicht  blosz  KaOriM^^ac,  sondern 
wie  Reiske  berichtet  f)jüiäc  KaOrijüi^vac  zu  haben;  292,  32  muste  ftui- 
Kav  (aus  A)  fortbleiben. 

Wir  verzeichnen  nun  zuerst  die  von  K.  selbst  herrührenden  vielen 
berichtigungen  des  lextes  in  diesem  bände,  dahin  gehört  die  richtige 
Schreibung  des  eigennamens  fdioc  Oöic^XXioc  Toutac,  wofür  bei 
Reiske  noch  Kai  louKiXXtoc  T.  steht  (Pdtoc  wollte  schon  Portus) 
34,  6;  xöXcp  für  6xXuj  82,  27;  dvpuejüiqj  statt  iy  p\)B\iC^  94,  17, 
wodurch  eine  sinnlose  Unterscheidung  von  Kiviicic  und  ^u6|iöc  hervor- 
gebracht wurde;  iiii  tt^c  .  .  dpxf^c  101,  8 ,  wo  in  iK  t.  d.  eine  falsche 
auffassung  vom  ausbruch  des  krieges  läge  (audi  105,  5  ist  £Kq)€p€i  das 
richtige);  öcomep  dirdcaic  für  öcoi  trapd  trdcaic  132,  8;  iviauTUj 
b'  öcrepov  beuT^piu  statt  des  vagen  d.  b'  u.  ^T^piu  171,  29,  welches 
niina  t^Aifirefügten  drtikcl  nicht  wol  die  bedeutung  des  lateinischen  aller 
^vs  haben  kann;  äqji^axi<£)V ,  der  übliche  ausdnick  für  die 


L.  Kaiser:  anz.  v.  Dionysi  Hai.  antiq.  rom.  rec.  A.  Kiessling.  vol.  IIL  807 

leidenscbaflllche  aliercatio^  statt  des  sonst  nicht  wiederkehrenden  dvri^a- 
Xrjceic  175, 9  (vgl.  u.  a.  286, 14);  &ixa  ndcac  177, 12  für  fipa  Ttdcac, 
wie  schon  Suidas  u.  MäpKioc  hat;  189,  15  bijurivouc  mit  Verweisung 
auf  279,  31  und  313,  19  statt  biot  jitiivöc;  eäijiuxuic  statt  des  von 
Reiske  nicht  glücklich  vertheidiglen  euTUXilfC  270,  14;  Treptecnv  für 
irdpecTiv  274,  4;  tQ  biio}  an  stelle  des  genetivs  282,  9;  XoTtCMÖc 
an  der  von  XÖTOC  289,  6;  icx^rwv  für  akxiCTUiv  290,  26;  diro- 
Kpoöeiv  für  äirepuKeiv  321, 15  und  325,  20  Taßivuiv  für  Caßivujv, 
woran  selbst  Reiske  keinen  anstosz  nahm,  vgl.  alter  Livius  III  6 ;  329,  30 
Tijüiia  für  Ta^€Ta.  mehrmals  ist  der  richtige  gedanke  durch  ergänzung 
6ines  oder  mehrerer  worte  gewonnen,  wie  53,  30  von  Xt^^i,  74,  25 
vou  fi^a,  99,  7  von  6v,  163,  3  von  elc,  179, 23  von  KaracnicdjLievov, 
196,  22  von  Tf)V  bk  (dies  iiat  übrigens  schon  Gelenius  vorgeschlagen), 
301,  13  von  TtSj  KOtvi^,  319,  32  von  Kai;  oder  auch  durch  tilgung, 
resp.  einklammeruog  ungehöriger  zusAtze,  dergleichen  68,  12  xp^cröv 
ist,  womit  Sylburg  und  Reiske  zu  viele  umstände  machten;  141,  3  Otjo- 
XouCKOic,  93,  30  und  252,  11  Kai,  313,  32  aurdc.  die  zahl  dieser 
art  von  emendationen  des  textes  konnte  K.  noch  belrSchtlich  vermehren, 
wenn  er  folgenden  die  unseres  erachtens  ihnen  gebührende  stelle  im 
texte  anwies:  56,  5  irpoßouXeGcai ,  54,  29  itujc  ydp  dv,  78,  6  dM- 
Kim'  dvbpöc,  123,  29  diravTiüci  TrdvTCC  TrpoTeivovxec  kcTTipiac, 
171,  2  CTTJXiic  briMOciac  d7nTpaq>Q,  176,  2  dvociou  ?PT0U,  213,  6 
dTatninac  h'  dv  dTifiXOov,  246, 14  irpoKaOim^vuiV,  265,  24  dvrei- 
XOV;  wenn  er  die  lucken  45,  15  durch  auTÖv,  50,  29  durch  irdci, 
69,  25  durch  }ir\Te  Movapxiav,  94,  8  durch  ö  ji^v  vor  TrpujTOC,  295, 
20  durch  yäp  wirklich  ausfüllte  und  nicht  blosz  in  der  adn.  crit.;  wenn 
er  6,  20  MaXaKÖc,  52,  21  ibc  trpöc  elböxac  dnavTac,  91,  14  ötto- 
Xaßetv,  140, 31  i^  Tijifiv,  245, 10  rfiv  CTpaTidv  mit  klammern  versah, 
auch  durch  Umstellung  war  einigemal  die  sinngemSsze  fassung  zu  er- 
halten, wie  wenn  wir  240,  3  K^pac  fvOa  ö  JVJdXXioc  fjv  verbinden, 
261, 17  Tpo7Tf]c  TToXXfic  ?Ti,  287,  8  Trpocuxp^Xouv  oöt€  T^xvil  OÖT€ 
dXXo,  305,  21  T^iv  ößpiv  oure  irepieibe,  wo  K.  sich  zu  bescheiden 
begnügte  in  den  noten  darauf  hinzuweisen;  nur  325,  14,  wo  die  ver- 
tauschung der  platze  von  dTTOßaXövTCC  und  dTTOKT€ivavT€C  mit  den 
davon  abhängigen  objecten  durch  die  Situation  geboten  ist,  hat  er  sie 
im  texte  zugelassen,  als  absichtliches  hyperbaton  wird  weniger  iioXXf)c 
d^irecouciic  Trdvu  21,  1  anzusehen  sein  als  41,  2  ÖMOVOf)cou  oiö^e- 
voc  Tf|V  TTÖXiv,  hier  ist  dem  vorschlage  oioficvoc  ö^ovof\cai  t.  tt. 
nicht  zuzustimmen,  treffend  ist  noch  die  bemerkung,  dasz  111,  11  aus 
'AXßavoi  entweder  Aartvoi  oder  Caßivot  werden  müsse  und  103,  13 
dircipOTroX^liOuc  aus  dtroX^iiiouc,  41,  3  olov  aus  öcov. 

Belege  für  herstellung  correcter  syntax  sind  die  teils  aufgenomme- 
nen, teils  nur  vorgeschlagenen  lesarten ,  wie  13,  29  ol  dvbiQTpißovTCC, 
18,  12  Tf|v  ciTOÖeiav,  91,  23  dvf|p,  167,  20  töv  ßiov,  204,  15  ö  .  . 
CTpaTTiTÄv,  230,  4  toiv  dv  dKji^,  237,  30  6  vö/ütoc,  245,  26  dv  TOic 
irdvu,  314,  3  ol  dTrobcixOdvrcc,  wie  63,  24  &  AdKioc  dKpaTt}v€TO, 
64,  23  öjavuirdTüKi  Tiva . .  biKij,  wie  18,'  15  dx^veTO,  23,  30 


808  L.  Kayser:  anz.  v.  Dionysi  Hai.  aotiq.  rom.  rec.  A.  Riessling.  toL  m. 

dEein,  36,  28  ferai,  58,  28  ircipdcoMai,  97,  28  imeevrec,  115,  5 
d^aipee^,  137,  8  ^tUiVicdM^Ba,  148,  21  cir^crciXev,  151, 19  bi€- 
Xucav,  178,  11  boO^,  189, 1  öencojidvac,  193, 18  Tevo^evnv,  237, 
9  irpocr|K€i,  281,  31  KarnTOpricciv,  295,  30  dvT^X€iv,  327,  24  fiTn- 
cerai,  wie  22,  23  Kai  ijjieTc  hk,  38,  13  ti  &v,  39,  7  oihc  fiv  dra- 
vaKTTJcaiTe,  61,  22  ouk  öv  dtaTnicavTec  (sonst  ist  die  stelle  nicht, 
wie  SinleDis  meinte,  verdorben),  80,  16  oirx  fljitv,  134,  3  xai  dbwd- 
TOic,  1Ö7,  27  dfioi  TC,  endlich  wie  3,  30  dTrcKaXeiTO,  47,  7  irpoeTircv 
fm^pav,  112, 17  ^TTeppüücGiicav,  117, 20  Yrapaoceudcaceai,  122, 22 
dcßlacd^evot ,  188,  26  Tf)c  xibpac  uircpopov,  214, 1  dircxtupricav, 
280,  26  KaToOopußoOvTec  touc  d1^oXoTOU^evouc,  303,  23  dvoiicei, 
306,  4  irpociövTi,  48,  22  per'  ou  iroXu. 

Auszer  den  conjecturen  K.s  sind  in  diesem  bände  besonders  die  ron 
Sintenis  hervorzuheben,  von  welchen  der  bg.  in  anerkennenswerther 
weise  gebrauch  gemacht  hat.  unter  den  Verbesserungen,  welche  das  Ver- 
ständnis des  historikers  ermöglichen  oder  erleichtern,  nennen  wir  1,8 
XapiecTepot,  19,  30  diroKeiji^vac,  51,  32  picobtiMordroic,  58,  2 
irapiouct,  61,  2  iSjcirep  ^XP^v,  66,  19  TroX^jiou  be,  67,  30  raurnv 
THV  x<^piv,  77,  7  XP^icxv,  93,  21  biaq>uXdTTOVT€C,  130, 3  dXXa  q>^p€ 
ci  bk  br\  (statt  des  frähern  dqpaipdcet  hk  bfi),  294, 10  dirö<paciv,  214, 
21  öpoiv  dq>avüjc,  227,  9  eCvoiJV,  291,  20  irapioOca  und  27  ncpiT- 
TÖv  dcnv,  315,  5  £v  t^  irevia;  ferner  die  ergjinzungen  87,  7  oute 
bioiiqcdpevoc,  110,  23  Ixovct  (schon  Sylburg  wollte  KaT^xouci). 
162,  1  CTioubdZeTC,  218,  26  diriKOupia,  315,  12  nXiipx]  6puiv;  ge- 
tilgt wird  252,  11  xal  und  262, 19  troiiicdpcvou  aufnähme  verdieoce 
übrigens  noch  2,  30  cäpetv,  10,  6  bpöpoc  iy^vcTO,  88,  16  xat  beu- 

T€pOV  TÖ  övap,  91,  16  €IT£  KOT*  dXXllV  cTtC  KOT*  ^KCivtiv,  105, 11 

cuveXOeiv,  113,  9  ouk  dbiKCicOc,  191,  4  cupircpiXapßdvujv,  mit 
forlsetzung  des  satzes  hh  fOvil,  worauf  das  neue  capitel  mit  ToOra  be- 
ginnen musz;  191,  11  direbuiKe,  196,  28  ß{a  KaT^xofCt,  215,  22 
-^Kovrec,  236, 11  Kai  KaxaßaXövrcc,  260, 11  diniTaTC,  275, 9  crpa- 
TTiTetv,  277,  9  q)UTÖVT€C,  278,  9  dTrilre,  289, 24  irap^ecav,  314, 22 
iroiricdpevoc,  dir^CTCiXav. 

Von  Cobels  emendationen  sind  hier  166,  2  dveXet  fflr  dv€tX€, 
262,  25  xpucöc  für  xpilCTÖc  benutzt,  das  marginale  163,  24  Ikovov 
£v  YrapdbciYpa  Kai  oIkciov  als  solches  nach  Cobets  Vorgang  anerkannt, 
74,  3  ^rerpdxuvTO  statt  ^rpaxuvero  wenigstens  angeführt,  sonst 
haben  die  neueren  wenig  beigesteuert,  desto  mehr  Sylburg  und  Retske, 
deren  namcn  so  ziemlich  auf  jeder  seite  wiederkehren,  wir  übergehen 
die  zahlreichen  steilen ,  worüber  K.  sich  mit  ihnen  durch  reception  ihrer 
berichtigungen  einverstanden  zeigt,  wo  unsere  ansieht  ebenfalls  zustimmt, 
und  sprechen  nur  von  den  correcluren  welche  unverdient  fibergangen 
scheinen.  26,  22  ist  wol  Sylburgs  dtrecTcpficGai  passender  als  K.s 
dnocTepecOai,  54,  21  irepl  ^auröv  dessen  irap'  iow^  vorzuziehen, 
wie  62, 9  t6  kujXöcov  irap '  upuiv  der  vulg.  tö  k.  irop '  äpäc ;  66,  32 
durfte  K.  ^iravacetcBeicac  nicht  stehen  lassen,  wo  Reiske  und  Sinlanis 
Sylbiirfl'«  ^T^"^aTa6eicac  gebilligt  hatten;  89,  11  ist  TrpovfTOupevoc, 


L.  Kayser:  anz.  y.  Dionysi  Hai.  antiq.  rom.  rec  Ä.  KieasIlDg.  fol.  UI.  809 

wofflr  A  weoigsteus  1rpoaTÖ^€VOC  bietet,  cu  belegen  mit  100,  4  töv 
TrpofiTn^d^evov  ttic  iropTrfjc;  110, 3  verlaagt  iroXeiüiiuiv  ireipoG^VTEC 
sclion  der  in  tJ^a)v  liegende  gegensatx;  173,  25  ist  ölToXl1TÖ^€VOC, 
weil  dem  falgenden  bu)pT)cdiLi€VOC  entsprechend,  notwendig;  175,  5 
war  irpobÖTOu  statt  des  plurals  anzunehmen  und  TTap€X6uiv  fdr  irpoeX- 
eüiv ;  196,  9  xmapHi  fflr  uirdpxei ;  auch  197,  SO  ist  &OK€t  das  rich- 
tigere lempus  und  nach  Reiskes  (Hudsons)  angäbe  lesart  des  cod.  B; 
199,  7  Tf|V  KXnpouxtav  der  hier  allein  richtige  casus;  211,  16  em- 
pfiehlt sich  sehr  der  verschlag  ii  {mtpheiiov  ^TriT^vuiVTai  X^^pi^^^ 
vgl.  UI  64;  212,  7  darf  dem  Zusammenhang  gemiaz  nur  Kai  T^p  xai 
OUTOi  stehen  und  das  zweite  Ka\  nicht  fehlen;  219,  26  wird  man  lieber 
den  ausdruck  absichtlichen  enthaltens  }xvibi.y  iffii\x]C€^  ipx&cacQax  im 
texte  sehen  als  ein  einfaches  }X.  elpTacOTO ;  244 ,  23  ist  KivbuveuouciV 
bedeutender  als  das  futurum ;  267,  25  muste  drroxfic  unbedenklich  ge- 
schrieben werden  für  ^TTOxfic;  s.  277  ist  sowoi  z.  9  q>UTÖVT€C  als  z.  26 
£q>irrov  richtiger;  278,  25  gibt  diroptqi  kaum  einen  erträglichen  sinn, 
imeipiq,  dagegen  einen  sehr  guten;  292, 19  verliert  irpöc  aÖToO  durcli 
die  zu  weite  eulfemung  seine  beziehung,  es  konnte  leicht  aus  irpöc 
"Afmiou  entstehen ;  309, 24  ist  6  pdXtcra  fxajivev  ungezwungener  als 
^  IX.  ^Kapvov,  auch  hat  B  den  Singular. 

Neben  Sylburg  hat  Portus  sich  durch  eine  schöne  reihe  von  emen- 
dationen  um  diese  drei  bOcher  verdient  gemacht,  vgl.  58,  23.  71 ,  24. 
75,  6-  116,  10.  145,  32.  146,  18.  165,  1  und  3.  188,  27.  224,  6 
und  12.  245,  31.  286,  6,  welche  alle,  mit  ausnähme  des  in  der  note 
gebilligten  aöraic  116,  10,  bei  K.  aufnähme  gefunden  haben;  er  durfte 
aber  auch  50,  12  iroponcivbuveiiovTCC  dem  aorist  vorziehen,  und  126, 
27  mit  Portus  rote  xelxeci  xdv  TröX€^ov  trpocdHovTOC  lesen  statt  t. 
T.  ToG  TroX^^ou  n. ,  was  die  ganz  ähnliche  stelle  134 ,  31  ci  ToX^ric€lC 
irpocäteiv  xoic  xeixcci  töv  iröXepov  erweist.  164,  18  dagegen 
scheint  eher  ^xovTac  iniP^^i^^^c  fivbpac  den  obelos  zu  verdienen  als 
die  von  K.  approbierte  änderung  ^xovrac  Kai  irpoTeivovrac  iripatouc 
fivbpac  beibehalten  werden  zu  können,  von  Gelenlus  war  160,  21  iroici 
fQr  liroici,  166,  24  ii  oi3  statt  ii  d»v,  vielleicht  auch  181, 11  oTovrai 
anzunehmen,  wo  alndiVTai  nicht  recht  passen  will;  von  Stephanus  wol 
57,  12  i^  für  Kai,  132,  2  KaekTacOai,  174,  17  tevoM^voic. 

Auch  von  Reiske  muste  der  hg.  bedeutend  mehr  verwenden  als  er 
für  gut  befunden  bat.  zu  den  evidenten  Verbesserungen  gehören  wol  6, 5 
KOraXtiO^vroc,  13,  18  die  ergänzung  von  KaTT)|LiAiiC6V ,  wo  es  wenig 
hilft  £k^€uc6  für  KcXcucac  zu  lesen ;  17,  26  entspricht  der  Situation 
nur  dvoXojüißdveiv:  denn  dasz  die  colonie  Velitrae  den  Römern  gehörte, 
versteht  sich  von  selbst;  38,  11  erkannte  Reiske  in  Iv  und  12  in  jüifj 
störende  zuthaten,  die  wenigstens  in  klammem  einzuschlieszen  waren; 
50,  9  gilt  von  övtujv  dasselbe;  59,  30  muste  |ie^VT]M^voc  als  unver- 
ständlich mit  bebcTiM^voc  vertauscht  werden ;  63,  10  ist  für  ävTtTTpdr- 
TCCOai,  wie  K.  in  der  note  bemerkt,  ävTiTTpdTTCiv  zu  schreiben;  wie 
dieses,  holt  er  zu  83,  1  dm<pav€(cnc  cq>{ci  nach  statt  des  drolligen 
q>ave(ciic  ^iri  cq>(civ ;  92 ,  25  ist  rä  bi  irepi  Tf|v  oibtii  gewis  dem  tö 


810  L.  Kayser:  ans.  v.  Dionysi  Hai.  aotiq.  rom.  rec.  A.  Kiesding.  vol.  111. 

bi  TT.  T.  cc.  vorzaziehen;  102,  24  wird  man  lieber  dpp^i^^roc  . « irei- 
cofiai  als  £ppi|i^ai . .  ireicöpevoc  im  teile  sehen,  die  hss.  haben  ao 
beiden  stellen  das  participium ;  103,  16  können  wir  bticaiatc  bei  irpd- 
Eeci  durchaus  nicht  entbehren ;  108, 5  erHihrt  der  leser  nicht  dasa  Reislie 
U7rdpX€tv  vorschlug;  £x^iv  mit  B  auszulassen  ist  darum  nicht  rathsam, 
weil  sonst  der  falsche  gedanke  enlstlnde,  alle  bflrger  hätten  die  ihooi 
gebührende  freiheit  als  besondere  begOnstigung  erhalten ;  auch  litte  dann 
die  conslruction  an  grosser  hirte.  128,  28  darf  irpöc  vor  TauTT]V 
nicht  fehlen;  139,  13  wird  der  satz  undeutlich,  wenn  man  nicht  iirö 
vor  dvdTKnc  einschiebt;  161,  22  bedarf  die  behauptung  OuoXoCCKOi 
b^  nökx)  TÖ  aöOabec  ^x^uciv  der  restriction  auf  die  gegenwart  durch 
vuv  fibf ;  weiterhin  scheint  eic  rairetväc  Kai  qxxuXac  (sc.  Tuxac)  selt- 
sam ausgedrückt  statt  eic  Taireiva  Ka\  q>auXa;  163,  28  wird  auric 
ohne  vorgestelltes  Kai  keinen  rechten  sinn  haben;  167,  20  scheint  töv 
bei  ßiov  nicht  fehlen  zu  können;  168,  21  ist  an  d^  richtigkeit  von 
7rpoafJK€i  kein  zweifei  möglich;  dieselbe  Verwechslung  kommt  237,9  Tor, 
wo  K.  selbst  das  prisens  für  7rpocf)K€V  herstellt;  186,  3  ist  der  zusatz 
von  icdpiO^ov  zu  trXiiOct  neben  ÖTiXiCfiOic  ö^oidrpoTrov  wenigsteos 
sehr  ansprechend;  196,  21  musz,  wenn  der  redner  nicht  mit  sicii  selbst 
in  Widerspruch  gerathen  soll,  vor  eTvai  eine  negalion  stehen,  freilich 
nicht  OUK,  was  Reiske  vorschlug ,  sondern  ^f) ;  gleich  darauf  verlangt  das 
vorhergehende  Yf)c  die  rflckbeziehung  mit  urräp  aun]C,  nicht  iitip  au- 
TUJV;  197,  15  ist  der  satz  ohne  Reiskes  Ikoctov  eicq>^p€tv  unvoUstio- 
dig;  desgleichen  208,  14  oubevl  Ix*  fiv  zwischen  ou6€|üi(a  und  (ppov- 
tIc  eine  notwendige  ergSnzung ;  die  emendalion  ekrj  214 ,  26  hat  Sin- 
tenis  emend.  111  s.  18  noch  einmal  gemacht;  sehr  wahrscheinlich  ist 238, 
6  6coi  bf)  dTViuKare  für  öcot  bi€TV(i)KaT€;  242,  12  passt  zu  Tocaun) 
das  von  Reiske  beigefügte  buva^ic  besser  als  dK^rj ;  dem  gedanken  nach 
suppliert  er  269,  17  richtig  böia\}xi  rdp  <öv  ou>  cöv  biKq  irdcxtiv: 
wenn  man  den  angeklagten  ungehörl  verurteilt,  wird  er  immer  als  mir- 
tyrer  betrachtet  werden;  auch  für  npö  ö(p6aX|iU)V  ^x^vrec  271 ,  20 
statt  TTpoeXövrec,  für  8v  xal  auröv  287,  27,  für  KaOiiTai  nach  dpTÖc 
300,  17  und  ävaTKi)  ebd.  z.  24  vor  i),  für  In  nach  bOKoOv  vOv  302, 
1  und  TTpoiöv  ebd.  z.  5  nach  fi^XPt  TravTÖc,  und  irdvTUiv  z.  27  vor 
ßaciX^UJV  müssen  wir  uns  erklären;  endlich  als  annehmliche  correcturen 
300,  24  oöb€vl  euTUxf),  320, 16  ^KcpepÖMCVOC  bezeichnen,  wie  262, 11 
TÖT£  lii  bfi,  15,  14  Kai  bi\  Kai  toOto,  17, 17  xeXeuTujVTCC  oöv; 
weniger  sicher  scheint  59, 8  dq>^€i,  vgl.  54,  26 ;  und  nicht  völlig  not- 
wendig 1 70,  7  in  beivöxepov,  194,  24  Gdxcpov  MÖvov. 

Rci  aller  Zurückhaltung  des  hg.  in  der  aufnähme  eigener  und  frem- 
der correcturen  sind  doch  einige  zur  geltung  gekommen,  denen  man  ihren 
platz  bestreiten  kann,  so  ist  zu  bezweifeln ,  ob  die  parallelstelle  VI  79 
(306,  27)  TOCoÖTUiV  oöv  Kai  ttiXikoütoiv  diniXXaTM^voi  KaKWV  . . 
cpcÜTWiLiev  zu  der  fassung  trepl  ttiXikoOtuiv  Kal<TOCOUTUJV>X€T€iv49, 
13  berechtige,  wo  nicht  die  zahl  der  gegenstände  in  anscblag  zu  briogeD 
ist,  sondern  nur  ihre  Wichtigkeit,  eher  gienge  daher  Reiskes  TrjXiKOt;- 
TUJV  Kai  TOioÜTuiv ,  doch  scheint  Kai  vor  X^T^tv  nur  durch  versehen 


L.  Kayser:  anz.  v.  Dionysi  Hai.  aotiq.  rom.  rec.  A.  Kiessling.  vol.  III.  811 

in  den  text  geraüien  zu  sein,  wenn  55,  12  AB  ei  Ka\  haben,  die  vulg. 
aber  elre ,  so  war  es  vielleicht  rathsamer  jenes  beizubehalten  als  dieses 
einzuklammern.  70,  31  war  es  vielleicht  nicht  nötig  dvOdbe  mit  dv- 
6dvb€  zu  vertausciien;  Sylburg  meint  nur  «possis  etiam  legere  ivB^vbe». 
warum  soll  92,  22  kqi  touc  ä2[euKT0UC  Tinrouc  einer  änderung  in 
Kat  tTTYTOUC  6levYCX0vc  bedOrfen?  warum  118,  22  xuipioic  fQr  q>pou- 
piotc  gelesen  werden,  da  doch,  wie  307,  12  f.  darthun  kann,  beide 
Wörter  synonym  sind?  kein  grund  liegt  vor  124,  6  aÖTOiC  in  auTo\ 
zu  verwandeln;  unter  auToTc  ist  das  beer  der  Volsker  zu  verstehen, 
eher  könnte  man  aÖTijj  schreiben,  für  das  corrupte  tcac  in  B  126,  15 
hat  Sintenis  lb{ac  vorgeschlagen  und  K.  hat  dies  aufgenommen ;  da  aber 
damit  eine  seibstanklage  des  gesamten  senales  bezeichnet  wlre,  so  wird 
man  das  wort,  welches  in  ACD  fehlt,  lieber  streichen.  127,  11  war 
für  lrpoblb6^evOl  nicht  nach  Reiskes  Vorgang  das  perfec^  zu  setzen: 
denn  der  verrath  war  mehr  gearg wohnt  als  wirklich  geschehen,  die 
Snderung  paOÖVTCC  bi\  136,  24  konnte  unterbleiben,  da  auch  jiaBövTec 
hi  in  den  Zusammenhang  passt.  ebenso  war  177, 17  i'tif\v  als  ausdruck 
der  mehr  zu  tage  tretenden  eigenschaflen  nicht  mit  dvf)v  zu  vertauschen, 
zu  streichen  ist  193,  17  toOto,  welches  wol  Sylburg  hat,  aber  Reiske 
mit  recht  wegliesz.  natOrlicher  scheint  auf  den  ersten  blick  202,  23 
oic  oüb^v  auTf)c  M€Tfiv,  doch  könnte  Dionysios  mit  absieht  fjc  oubiv 
auToTc  ^€Tf)v  geschrieben  haben,  um  auf  das  erste  pronomen  mehr  ge- 
wicht zu  legen,  weshalb  soll  218,  26  otKo6€V  an  die  stelle  von  noOev 
treten,  wenn  die  Römer  auch  von  ihren  bundesgenossen  durch  frische 
truppen  verstärkt  werden  konnten?  227,  20  ist  ßXäßrjC  6ixa  eine  ge- 
wähltere bezeichnung  als  ßXdßfic  alria,  man  musz  dabei  an  eine  ab- 
schauung  des  Schadens  denken ,  vgl.  100,  9 ;  229,  30  kann  diriKOupt- 
KOO  stdtt  des  nominativs  stehen  bleiben,  kern  unnützer  zusatz  ist  276, 
21  iv  ToSet,  vgl.  311,  4;  dagegen  versteht  sich  das  dafür  eingesetzte 
tv  Täx6i  von  selbst,  der  eigentümliche  ausdruck  tÖ  7TavoupYU)C  coq>öv 
303,  29  brauchte  nicht  mit  dem  einfachen  tö  iravoOpTOV  vertauscht 
zu  werden,  der  accusativ  aÖTÖV  musz  305,  5  bleiben ,  wenn  nicht  die 
antithese  an  bedeutung  verlieren  soll. 

Weit  häufiger  sind  K.s  vorschlage  in  der  adnotatio  critica  stehen 
geblieben,  wie  wir  oben  nachwiesen  nicht  immer  zum  vorteil  des  textes. 
die  fälle  wo  wir  sie  mehr  als  anregende  fragen  betrachten  möchten, 
weniger  ihre  benutzung  für  die  diorthose  räthlich  finden ,  sind  hier  nicht 
alle  aufzuzählen :  wir  begnügen  uns  mit  einer  auswahl.  unnötig  scheint 
es  18,  21  TTÖXei  einzuschieben,  wo  iv  tQ  jiieXXouci]  sich  auf  xwpocv 
z.  19  zurückbezieht,  etwas  ezacter  wäre  wol  70,  15  oibiv  fJTTOV 
(|i€c6€  bcTv  ditobeucvuvai  als  oiblv  fJTTOv  äTrobeiicvirrc ,  doch  muste 
das  nicht  ausgesprochen  sein,  dasz  der  senat  neben  den  consuln  fortbe- 
stand; vielmehr  enthält  dirobeiKVUTe  schon  den  ausdruck  der  constanten 
ansieht  der  patricier ,  der  senat  müsse  als  controlierende  behörde  existie- 
ren, die  Verstärkungen  dvrairoboOfivat  und  irpoopäv  77,  5  und  12 
für  dTrobo6f)vai  und  öpdv  macht  der  Zusammenhang  überflüssig,  die 
beziehung  der  zeit  83,  28  durch  töte  nach  ^TtveTO  anzugeben  ist 


812  L.  lajser:  att.  v.  OMMiysi  HiL  aatiq.  ran.  rec  A.  Kicsdiag^.  id.  DL 


Biciit  Mr  «BBöUg;  es  «Ire  sogar  da  störeader  znsaU,  da  Ua  lK^o^ 
gehoba  wird  dass  die  geridrtsiieffcMt  der  plebs  dsr^  die  voriadusg  der 
|iatncier  seitens  der  tribmee  gegroodet  war.  nach  mt  fehlt  103,  o 
nicht  eucpTCciav,  wie  K.  verawlet,  die  |>arlikel  soll  Taunpf  TersUricn. 
andere  nicht  notwendige  snppleaiente  sind  259, 1  |iovov,  324,21  eivoi; 
selbsl  249,  28  kann  |iiav  neben  injuipa^  fehlen,  die  worte  6fioce  Tok 
icoXc^iC  116,  30  mochte  K.  tilgen,  aber  sie  sind  wegen  des  folgendeii 
iropcdUipelv  nnentbehrlich.  aoch  qiOövov  190, 4  mit  dem  obpedsgcBeÜT 
ToC  . .  q)pov€iv  wollen  wir  stehen  lassen,  vgl.  298,  5  äroiouv  Toura 
96ovt|i  ToO  fire^iövoc  der  umsteUnng  beiv  auraic  bedarf  es  90, 16 
nicht,  da  die  XU  17, 23  nachgewiesene  stereotype  folge'otofiai  betv  (wes^ 
halb  eben  da  ouk  d|k>VTO  betv  confonn  wire)  bei  der  Terschiedenen  be- 
denlung  des  infinitivs  hier  keine  anwendung  findeL  der  InfinitiT  mosz 
67, 26,  wie  Casanbonns  verlangte,  hergestellt  werden,  ebd.  will  IL  ohne 
not  Y^vijcorro  schreiben,  und  68,  14  Yiäcxctv,  wo  der  indicativ  mit 
oIb€,  nicht  mit  Ikeüy  symmetrisch  ist;  149,  23  wSre  öireX^XaKCV 
nicht  passender  als  dnoXäluicev,  vgl  X  58;  163,  22  kann  Xuiif)COUCi, 
wofür  XunoOa  vorgeschlagen  wird,  mit  besonderem  bezog  aof  ^era- 
Xofißdvouci  gesagt  sein:  sie  empfangen  anderswo  das  bfirgerrecht,  ohne 
damit  die  absieht  za  hegen  von  dorther  ihr  Vaterland  anzngreifen. 

Durch  eine  interpretatioo,  deren  gang  zu  errathen  bisweilen  schwie- 
rig ist,  bestimmt  rälh  K.  zu  änderungen  wie  17,  1  diropprj'^v  ^"'^ 
äicoppiiTOtc,  55,  8  ßouXojüi^voic  fOr  beofüi^voic,  97,  8  CetXnvoC  statt 
'EX^vnc,  83,  22  M£TaXa|ißdvetv  sutt  Xo^ßccvetv,  107,  2  nXrieeciv 
für  fjOcciV ,  fOr  dasselbe  303 ,  23  cnfjOectv.  anderswo  kann  man  xu- 
geben  dasz  z.  b.  143,  4  6i|i€Uic  mit  q>uc€U)C,  241,  9  tou  köitov  mi 
TÖ  Xoiiröv  vertauscht  werden  könnte,  171,  25  ävacraOfivat  mit  <iva- 
TeOfivai,  151,  29  iciTiiccv  öbupojüi^vuiv  mit  iciia  cuvobupo^^vtuv, 
189,  10  irpuiTOV  mit  irpdrepov  seine  stelle  wechseln  dürfe,  ohne  dasz 
jedoch  ein  entschiedener  gewinn  dabei  herauskäme,  eher  wird  man  216. 
2  bÖTMa  1tOlr|ca^^vnc  t^c  ßouXf]c  der  vulg.  bÖTM<3t  irotT)cäM€V0i  ßou- 
Xf)c  (sc.  ol  uirarot)  vorziehen,  mit  vergleichung  von  229,  15;  und  220, 
19  aÖToTc  mit  aGOic  verlauschen,  da  jenes  kaum  auf  'Pul^atot  gedeutet 
werden  kann« 

Hinsiehtlich  des  von  K.  bezweilellen  Sprachgebrauchs  macheo  wir 
zu  73,  27,  wo  bi€XOövT€C  zu  bieEeXGövrcc  erweitert  werden  soll,  ao^ 
98,  31  öXita  bieXdeiv,  zu  103,  31,  wo  ffir  ilmaz^c  das  simples  ver- 
langt wird,  auf  Demosth.  Lept.  98,  wegen  KOpu(pf]C=»  K€(paXf)C  auf 
das  lateinische  veriex  aufmerksam,  nicht  nötig  ist  es  88,  23  cuvapTia- 
cO^vra  durch  dvoptracO^VTO  zu  ersetzen;  icpoOeivai  ebd.  z.  31  fi^r 
irpocOeivat  stritte  sogar  gegen  den  Inhalt  der  erzfthlung,  dasz  zasi  tede 
des  sobnes  die  krankhek  des  vatars  hinzukam,  wozu  die  conslruclioo 
biKTiv  äqp^EovTac  vwö  toO  bVifiou  in  5.  ü.  im  t.  b.  abgeändert  wurde; 
warum  135,  1  ic  rd  äjioia  (vgl.  190,  3)  besser  sein  soll  als  k.  to 
oticeüa ;  was  gewonnen  wird ,  wenn  man  232 ,  18  dniTeixicjita  ttov^co- 
Mevoi  KOTÖt  Tfjc  ^xdpac  liest  für  L  iTOii)CÖ|ievot  t.  i,  da  die  bezweckte 
bezeicbnuflg  schon  in  dTTiTeixtCfio  liegt,  vermögen  wir  nicht  zu  erkeo- 


L.  Kayser:  anz.  v.  Dionysi  Hai.  antiq.  rom.  rec  A.  Kiessling.  vol.  III.  813 

nen;  249,  6  war  weder  ao  dem  ausdruck  ävGuTroTOC  ^Souda  statt 
övOuirdTOU  i.  noch  an  der  beziehung  ebd.  z.  11  von  iXdrruj  auf  Tcrf- 
juara  zu  zweifeln,  wofür  iXdrruJV  ^t)va^lC  allerdings  eintreten  könnte. 
Von  der  bisher  eingehaltenen  teils  zustimmenden  teils  dissentieren- 
den relation  wollen  wir  nun  zur  position  übergehen  und  versuchen  noch 
einiges  zur  berichtigung  dieses  teiles  der  äpxatoXoTia  beizutragen. 
20,  19  liest  man  dasz  die  ansichlen  der  patricier  Aber  das  gegen  den 
tribun  Brutus  und  seine  Parteigänger  zu  beobachtende  verfahren  sehr 
verschieden  waren:  t&v  \iky  olo)biivu)v  betv  Gepaircueiv  töv  M|fiov 
. .  Ka\  Touc  ffrcpövac  ainov  ^€TptulT^pouc  irapacKeudZeiv,  nO^vrac 
elc  \iicov  T&  irpäTUCtra  Kai  ixerä  cq>a>v  iiixkp  toC  KOtv^  cupcp^pov- 
Toc  (so  corrigierl  K.  gut  die  vulg.  koivoO  c.)  TTapcncaXoOvTac  ckott€Tv, 
Td)v  bk  [irfilv  dvbibövai  xal  ^aXaidZccOm  cufißouX€t>6vTUJV  irpöc 
[töv  b^povl  SxXov  aöOdbn  usw.  hier  hat  A  die  werte  töv  bfjpov 
vor  irapaKaXoOvrac,  wo  sie  auch  hingehören.  B  läszt  sie  an  beiden 
stellen  weg,  Reiske  versetzt  sie  vor  dx^^V,  wo  sie  jetzt  K.,  aber  in 
klammern,  beibehalt;  xal  vor  fiaXaKi£€c6ai  fehlt  in  AB,  K.  möchte  dv- 
bibövai  einschlieszen ;  eher  dürfte  Dionysios  }xr\6iy  ivbibövai  |üiaXa- 
KÖV,  wie  113,  15  und  an  anderen  stellen,  geschrieben  haben,  um  Stö- 
rung der  conlio  zu  verhüten,  besprach  sich  Brutus  mit  den  consuln: 
(21,  30)  TTpocXOdiv  6  BpoOxoc  toöc  öirdrouc  ffiiov  boefjvai  Xötov 
aÖT«^ ,  TTQtJceiv  ömcxvoiJjüievoc  Tf|V  crdciv.  schon  Reiske  schlug  vor 
öoOvat  zu  lesen  und  Sintenis,  wie  jetzt  K.,  ist  ihm  gefolgt;  vergleichen 
wir  aber  77,  5  dStdrv  äTTOboOf^vai  ^(av  €Ö€pT€c(av  ccpici  und  104, 
28  TTpoc^px^Tm  Tok  öndroic  6  . .  ^tjvuttjc  ,  so  ergibt  sich  die  rlcli- 
tigkeit  des  passivs  und  die  notwendigkeit  dann  TTpoceXOibv  ToTc  öird- 
TOic  zu  corrigieren:  denn  weder  irpoeXOübv  noch  irapeXOubv,  was  K. 
will,  passt  zur  Situation,  corrupt  ist  23,  17  das  hsl.  6x\oc  .  .  5coc 
oöirdiTTOT*  ibÖKCt  cuvf)X8€,  doch  ist  schwerlich  mit  eiuiOet  geholfen, 
man  wird  am  besten  thun  ^bÖKCi,  was  in  A  auch  18,  17  in  störendster 
weise  vor  Ti&  brjjiip  steht,  geradezu  zu  tilgen,  nicht  7raibeuö|i€V0i 
wollen  wir  25,  6  für  7ToXiT€u6|Lievoi  lesen^  sondern,  worauf  Trpöc  TOÖc 
uloöc  führt,  dvTtiroXiT€UÖjüi€VOi,  indem  wolmeinende  väter  eine  gewisse 
diplomatie  gegen  ihre  heranwachsenden  söhne  anwenden,  als  verfehlter 
ergSnzungsversuch  ist  aviT6  bpoiciv  30,  25  zu  beirachlen,  weil  der 
interpolator  nicht  einsah  dasz  das  verbum  finitum  erst  f covrat  und  irpd- 
iovci  ist;  es  bedarf  dann  nicht  der  änderung  TOirro  b'.  merkwürdig  er- 
scheint 32,  6  die  Verschiedenheit  der  lesarten:  A  hat  äXXa  iroXXd  ^bi- 
icr)c6€,  B  dXXa  Tivd  i^biKf)c6ai.  vielleicht  genügte  dem  Verfasser  die 
bescheidenere  form  dXXa  Tiv'  d  oder  dXX'  dtra  d,  dieses  konnte 
dann  vom  abschreiber  in  das  ihm  geläufigere  dXXa  TToXXd  verludert 
werden,  nicht  ipfac6\x€V0\  war  36,  31  für  dptacd^evot  zu  lesen, 
sondern  umgekehrt  Trotiicd|üi€VOi  statt  irotT]c6)üi€VOi :  denn  die  ange- 
kündigte Widerlegung  aller  vorwürfe  musz  sich  auf  vorausgegangene 
wollhaten  stützen,  kurz  vorher  36, 13  möchten  wbr  ävaYKa{t|»  strei- 
chen und  z.  15  o\  jLiiv  Tdp  an  die  stelle  von  ol  füi^v  f€,  setzen ;  zugleich 
würde  die  transposiüon  von  C(p6bpa  vor  iy  Katp<|i  rathsam  sein,   nur 


814  L.  Kayser:  anz.  v.  Dionysi  Hai.  antiq.  rom.  rec.  A.  Riessling.  vol.  lU. 

schwache  loterpunction  gehört  39,  29  nach  ^Ea^apidvciv  dann  ist 
TTopceqi^VTCC  efaizuschiehen  hinter  KdSotev  öjiiiiv:  denn  dtraof  be- 
zieht sich  der  redner  offenbar  in  dem  satze  dvctTKa2IÖfi€8a  b4  aürä 
irapacp^peiv  vuvt  40,  2 ,  und  ßouXö^evoi  39,  30  ist  nur  mit  xpt^ci- 
^6^a  zu  construieren,  Trapaq>^povT€C  aber  musz  dem  Irpo€x6^evol 
z.  27  entsprechen,  schwerlich  ist  die  repetition  von  fipa  in  prolasis  uod 
apodosis  41,  31  f.  ursprCIngltch ;  nach  beispielen  wie  56, 14  zu  urteilen, 
wird  die  partiltel  nur  an  zweiler  stelle  am  platze  sein.  45,  5  wird  fär 
öiraTtKÖv  eher  äiröbiKOV,  wie  sclion  Gelenius  wollte ,  als  das  von  Syl- 
bürg  angegebene  li^aiTiov  passen,  ilberflflssig  erscheinen  46,  12  die 
Worte  Tipdc  töv  .  .  ß(ov,  wenn  man  VI  79  (306,  15)  f|  tiSv  kcxG'  fm^- 
pav  ävctfKaiuiv  cirdvic  vergleicht,  dasselbe  gilt  wol  48,  7  von  koXöv 
neben  dpxatov,  was  nicht,  wie  K.  meint,  mit  hülfe  eines  kcA  zu  cooser- 
vieren  ist,  und  von  bk  nach  q>^pciv  ebd.  z.  22 ,  welches,  statt  q>.  bi\  zo 
schreiben ,  einfach  zu  tilgen  ist.  dagegen  erscheint  48,  16  fjy  oux  olöv 
T6  jif)  b^EacSai  toic  dirdTOic  offenbar  defect,  es  musz  heiszen  oäx  oföv 
t'  f)V.  wieder  49,  28  ist  bfifüiÖTaic  wenigstens  entbehrlich,  es  geoQgt 
nicht  50, 16  ol,  welches  B  nicht  hat,  zu  streichen,  auch  TÖv  bi^fiov  x.  15 
musz  neben  den  participien  dirtbeiSd^cvot .  .  irapacxÖMevot  wegfallen; 
auch  ist  schwer  zu  begreifen,  wozu  die  worte  ly  xoOv  T^  biKaiiji  dienen 
sollen,  nachdem  dTpdq>(|i  bk . .  q>tJC€uic  biKaiifi  vorhergegangen  ist.  noch 
mehr:  in  B  fehlt  das  scheinbar  nötige  xal  z.  17  vor  trepl  Tf|V  diraXXa- 
Tf|V  T(£rv  TroX€|iiU)V'  sieht  man  genauer  auf  den  Inhalt  des  satzes  noX- 
\oi)C  . .  iroX^jiOuc,  so  stellt  sich  heraus  dasz  er  nur  eine  ganz  entbehr- 
liche explication  des  folgenden  enthält,  die  52,  8  zuerst  von  K.  mit 
recht  ausgeschiedenen  worie  etre  Kord  XoTic^dv  T^TOve  raOra  öp6ov 
Kai  TÖ  cujicp^pov  CKOirouvra  rfjc  nöXcuic  waren  urspranglich  wol  so 
gefaszt:  xard  XoTiQiöv  öpOdv  xd  . .  ttöXcujc  und  dienten  als  erkli- 
rung  von  52,  4  XoTiCMi|ii  Trpoiböjiievoi.  ist  diese  annähme  richtig,  so 
beweist  sie  zugleich  dasz  an  TTpoibö|Li€VOi,  wofür  K.  TrpoeXöjLievot  vor- 
schlägt, nichts  zu  ändern  ist  ebd.  z.  30  soll  gewis  tÄv  br)MOTU^V  nur 
fj^div  erklären,  ist  femer  f|  npdireiv  unpassend,  dagegen  musz  wol 
KaO'  fiMUJV  zu  eiTTcTv  hinzugefflgt  werden,  weil  sonst  die  antithese 
mangelhaft  wäre,  auf  derselben  seite  52  Ist  eine  sehr  Iflckenhafle  perlode 
z.  14  i\io\  iikv  Tdp  boK€^:€  rrcpl  }xkv  rdc  bioXOcetc  tviumq  rq  ߀X* 
TiCTij  K6Xpf)cGai . . .  olc  dvdtKTj  cTkciv  . . .  ToO  ß^ßaia  tiipeiv  tö 
CUTKctjLieva.  Sintenis  glaubt  emend.  lU  s.  9:  ^qui  ad  sequentia  atteode- 
rit,  in  quibus  iuris  iurandi  sanctitas  praedicatur,  quo  rdc  btoXuceic  olini 
confirmaverint  (6,  89) .  .  partem  scnlentiae  intercidisse  intelleget  quae 
continuerit  illam  tujv  öpKUJV  religionem  quibus  olim  se  obstrinxerinl: 
oTc  refertur  ad  toOc  6pK0UC  quae  exciderunt  cum  aliis  quibusdam,  quae 
praestari  nequeunt',  worin  wir  ihm  nicht  beistimmen  können;  vielmehr 
musz  das  dvönfKii  €Ik€IV  dem  TViüMq  tQ  ßeXricTr)  K€xpf)c6at  anii- 
thetisch  entsprochen  haben,  und  nach  Kcxpficdat  folgte  etwa  ^oub^ 
oiecOat  Toiavrra  eTvai  dK€lva>  (sc.  td  TreirpaTM^va  z.  12)  olc  dvdT- 
Kr|  eiKeiv  <oötuj  cq>öbpa  diri|i€Xoü^€voi5  toO  ß^ßaia  mpcW  to 
niYicedieva.    das  widersinnige  Kol  pfj  TÖ  KttO*  teirrouc  ?E€iv  dc(pa- 


L.  Kayser:  anz.  v.  Dionysi  Hai.  anliq.  rom.  reo.  A.  Kiessliog.  vol  III.  815 

\C)C  wird  nicht  sowol  in  fj  ^^v  TÖ  K.  L  i.  d.  abzuändern  als  durch  ein 
particip  wie  icxvoVTOC  nach  |if|  zu  heilen  sein,  mit  fucei,  was  K.  für 
unverständlich  erklärt  und  durch  cqpici  ersetzen  möchte,  ist  die  verschie- 
dene abstammung  der  plebejer  und  patricier  bezeichnet  das  60, 17  man- 
gelnde verbum  stellt  K.  mittels  einer  etwas  gewaltsamen  conjectur  her: 
KOTeTTTTixöav  f||iiv  in  pfiXXov  dv^KCtro"  xal  lepdv . .  itpr]  öciv  diro- 
5€ix0f)vai  Tf|v  dpxTJv  eine  leichtere  abhfilfe  wäre  fOr  k.  f).  ^TretTa 
kpdv  zu  schreiben  k.  f|.  diravTU&v  kpdv  oder  k.  f\.  dTnivra  xal  kpdv, 
vgl.  72,  14  TTOpd  TV(l)|iT)V  dTnfjvniTai  jioi  rd  irop^u^ujv.  dieselbe 
coDStruetion  wie  in  diesem  citat  wird  man  nach  Sylburgs  Vorgang  62,  9 
einfahren  dürfen:  TÖ  KUiXOcov  Trap'  i)\itjjv  statt  tö  k.  irap'  äjiäc.  die 
corruptel  b6bOKi^aC|üi^VT)V  för  bebucacji^Vriv  64 ,  2  scheint  den  zusatz 
£v  T(fi  v6|üit|j  nach  sich  gezogen  zu  haben,  daher  Ist  weder  iiA  Tip  vö^iji 
noch  iy  Till  bi^|Li(|i ,  was  nach  biljüioctav  auch  sehr  Qberflflssig  wäre ,  an- 
nehmbar, man  tilge  nur  die  unnützen  worte.  66,  24  fragt  es  sich  wie 
das  Ka\  ei  bf|  ireptbpdccTe  zu  behandeln  sei,  da  K.s  Kai  eTircp  bf)  bpd- 
C€Te  schwerlich  genügt;  das  einfachste  wäre,  wenn  Appius  fortführe  mit 
ei  b^  xal  bpdc€T€  Sfüioia  olc  X^t^tc.  eine  überflüssige  prSposition  ist 
68,  5  auch  in  cuvoiceiv  für  oTceiv  zu  bemericen ,  und  74,  14  wird  man 
lieber  ^vavnouju^vuüv  mit  ttlgung  von  b'  schreiben  als  ein  neues  com- 
positum bievavTiouji^vuiv  bilden,  unrichtiges  tempus  ist  68,  29  dtro- 
Xuöjievov,  aber  das  dafür  empfohlene  dTToXucö^evov  nicht  das  richtige 
genus,  wie  aus  73,  11  und  76,  16  erhellt,  wo  liirö  TUiv  ÖKTUi  Kai  £ve- 
viiKOvra  Xöxu)V  dTroXud/jcccOat  töv  dvbpa  auch  für  unsere  stelle 
maszgebend  ist:  denn  73,  11  dient  dTroXucerai  als  medium,  für  iiA 
b(icr)v  73, 6  will  K.  dnibiKOV,  richtiger  scheint  äiröbtKOV.  weder  aÖTol 
noch  das  blosz  auf  die  tribuuen  bezügliche  oGtoi  passt  76,  27,  man 
lasse  daher  die  pronominale  beziehung  ganz  fallen,  ebd.  z.  9  gab  sich  K. 
wol  unnötige  mühe  mit  der  Verwandlung  von  Yi^pac  in  T^pac ,  welclie 
er  nicht  genügend  aus  IV  20  toOto  b'  f}v  cirdvtov  Kai  oO  Maxpdv 
dn^XOV  dbuvdTOU  rechtfertigt;  der  satz  fjv  iZicirep  tr^pac  touto  ist 
nur  eine  höchst  unnütze  bemerkung ,  welche  noch  dazu  die  construction 
zerreiszt:  man  verbinde  &CT€  . .  irpocXOeiv  Kai  cxtcO^VTUJV  bixa  tuiv 
irpoTdpuiv  . .  Xöxiüv  Tf|v  TeXeirraiav  t|rf|(pov  iTrevexOeicav  dKcivaic 
alriav  T^v^cOat  Tfic  ^iri  Odrepa  ^oytt^c.  wie  sollte  Dionysios  80,  29 
oCrroc  \iky  ouv  ö  MdpKioc  geschrieben  haben?  eher  wird  man  das  irpuLi- 
TOC  Kai  liövoc  aus  z.  30  heraufrücken  und  dXX'  o\3toc  npulTOC  Kai  ^6" 
VOC  [MdpKiOc]  schreiben  dürfen,  oder,  wenn  der  eigen name  zu  erhalten 
wSre,  dXX'  oirroc  ö  M.  irpuJTOC  k.  }X,  wol  nur  durch  versehen  steht 
82,  11  dEdtetv  für  iiiiexv.  nicht  sowol  ist  86,  9  Kai  vor  btKaiuiv 
einzureihen  als  TciüV  zu  tilgen,  desgleichen  wird  man  91,  13  tiA  T^ 
TTÖXet,  was  vielleicht  eine  teilweise  dittographie  aus  £mTrib€U^dTU)V 
z.  14  ist,  streichen  dürfen,  und  die  Snderung  iv  t^  iröXei  unterlassen, 
die  ergänzung  6  M^V  irpdiTOC  94,  8  ist  oben  gebilligt  worden,  aber 
leichter  wäre  es  Kai  rrpuiTOC  zu  schreiben.  98,  28  genügte  Kai  ßap- 
ßdpouc  Tivdc  mit  Versetzung  von  ßapßdpouc  und  Kai,  wie  verfiel  K. 
auf  ß.  Kai  irXdvTiTac?  warum  R.  in  dem  einschieben  von  'OXujUTriaci 


816  L.  Kayser:  aoz.  r.  Dionysi  HaL  antiq.  rom.  rec  A.  KiesaÜDg»  toL  DI. 

99, 2  Rieiske  gefolgt  ist,  erfahren  wir  nicht;  der  insati  ist  inrehans  ent- 
beiirllch.  vom  der  Stadt  Ecetra  urteilten  die  zum  kriege  gegen  Ron  sich 
verschwörenden  Vobker:  (106, 16)  oStt)  . .  ^bÖKCt  icaXXicTi|  xeicBcn  6^ 
cuv<S5({i  rate  äXXotic  f|  iröXic  K.  berichtet  in  der  adn.  er.  cKoUicTT) 
K€ic6at  a;vöbiu  Ba,  iy  KaXXicrr)  k.  c  ABh,  quod  correzi ;  £v  KoXXicnf; 
K.  cuvöbou  maluerunt  Reiske  et  Lobeck  ad  Pfaryn.  pw  280».  sollte  aber 
Dionysios  hier  nicht  vor  allem  an  Thukydides  gedacht  und  nach  1  36 
KdXXtcra  k.  cuvöbou  geschrieben  haben?  für  iroTC  dvrec  109, 1%  ist 
irpdrcpöv  t^  als  selbstverständlich  nicht  die  rechte  Verbesserung,  nd- 
leicht  iro6'  äXövTCC.  statt  111,  27  nach  ^Trerp^Miare  mit  Reiske  eisen 
satz  z»  erganzen  wie  irepl  6'  ^oC  d£iu»  öpäc  die  irepi  qiiXou  ßeßaiou 
reicht  es  hin  bi  fflr  yäp  zu  lesen,  angemessener  ab  ivatäviUA^  scheial 
115,  9  iirorTÖVTUJV  zu  sein,  vgl.  117,  17.  eine  richtige  erglnsuog  ist 
118,  6  äTTObciEat,  aber  die  restUution  der  stelle  ist  nicht  vollständig, 
Dionysios  muste  fortfahren:  ^Krr^pireiv  ht  ^ninii,  {uic  fivoÖTOiäc- 
Tr^fiH'UJCi  bövaptv.  man  tilge  daselbst  das  komma  nach  ibtouc.  123, 
21  ist  Kai  a&ni  zu  schreiben  sUtt  xai  aÖTf|.  132,  36  wäre  in&f&c 
fflr  ^Trdnfi]  eine  wahrscheinlichere  änderung  als  z.  23  iircrröpcvoc  für 
^Trdruiv.  glQcklich  ist  die  transposition  164,  26  von  uqi'  div  ^apoi- 
v€Tai  iräca  öpiffl  Kai  dvrl  toO  piceTv  töv  cxBpöv  dXeei  nach  Ikctt]- 
piac  Kai  XiTdc,  aber  der  satz  koI  tö  KoroipirfEtv  IfA  touc  ^biKi]- 
^dvouc  TÖ  dtbiKoCv  Tattcivöv  musz  als  ganz  ungehörige  parenihese 
entfernt  werden,  es  hilft  nichts  ihn  teilweise  an  dXcci  anzuschliesieo 
mittels  der  änderung  Ikeü  t6  dbiKOÖv  xaTOupurdv  im  t.  i^.  [tö  ra- 
TTCivöv],  da  unter  andern  übeiständen  tö  dbiKOÖv  als  subject  schJecbt 
mit  dem  object  TÖV  ^X^pöv  sich  verträgt.  178,  26  will  K.  in  bvo^i- 
vouct  fflr  ivbiafi^voua  lesen,  lieber  lasse  man  £v  weg,  weiches  xu 
CUijidTUJV  nicht  passt,  aber  sioli  leicht  einschlich,  wenn  Spurius  Cassios 
den  plebejern  die  Latiner  und  Herniker  als  mitbesitzer  des  ager  pubiicos 
zugesellen  und  sie  davon  flberzeugen  wollte ,  dasz  dadurch  ihr  eigener 
besitz  gegen  eingriffe  der  patricier  gesichert  werde,  so  bewies  er  nichts 
mit  der  behauptung  194, 7  elvai . .  dcqKxX^CTCpov  TOic  itoXXoic  ^iKpa 
XaßoOci  ßeßaiU)C  ^X^iv,  weil  sich  so  seine  argumentation  hi  eiBem 
Zirkel  bewegte;  ö|ioiuic  fx^iv  musz  bleiben,  aber,  um  jene  sicherstelliuig 
auszudrücken,  ^Kcivoic,  welches  nach  ^x^tv  leicht  ausfiel,  hinzukommen, 
weniger  dTroKpivdb^cOd  tc  als  d.  bi\  scheint  198,  4  angemessen,  ob 
dbiKHIia  der  richtige  ausdruck  für  das  vergehen  der  Vestalin  220, 13 
sei ,  darf  bezweifelt  werden ;  eher  gienge  dpdpTTiJLia  oder  dc^TlMQ  *°i 
vermutlich  begnflgte  sich  aber  Dionysios  mit  der  einfachen  andeuiung 
TÖ  ^r]VUÖ|üi€VOV.  wenig  ansprechend  ist  K.s  Vorschlag  227,  12  Tili 
TTpdirovTi  dmTp^TTOVTOC  Kol  xp*lc«|üi^vouc  ßuji,  Statt  dessen  wir  an 
<dv>  Trp^TTOVTt  <Kaip(|»>  X*  ß^  dachten;  ähnlich  wird  233, 11  KOta 
TÖ  ftKOTOV  Tf\c  irepl  TÖV  (JiraTOV  Tiiiflc  mil  ergänzung  eines  parücips 
wie  dqpatpoOvTec  oder  d^€XoövTec  zu  helfen  sein,  dagegen  ist  284, 1 
das  zu  £pTOic  tünepoipiac  tc  xal  Kcrraqppovificcujc  iroXXjic  hinzöge- 
fügte  TCVO)X^vr|C  lästiger  überflusz,  den  weder  Reiske  mit  fi^\K\y 
noßh  Sintenis  mit  x^voji^voic  viel  erträglicher  gemacht  haben.    244, 


L.  Kayser:  anz.  v.  Dionysi  Hai.  antiq.  rom.  rec.  A.  Kiessling.  vol.  III.  817 

16.  18  war  TroXXd  T€  von  Reiske  anzunehmen,  aber  auszerdem  xivcrai 
hk  für  f.  T€  zu  schreiben ,  so  dasz  T€  und  bk  ihre  platze  wechseln,  da 
246,  14  Tivujv  zu  allgemein  und  unbestimmt  ist,  mag  öXitUJV  oder 
dviuiv  ausgefallen  sein,  nicht  CTpaTubraic,  sondern  cTpareuofi^voic 
oder  icTpaTCUji^volC  wird  247,  20  die  ursprüngliche  lesart  sein,  zu 
welcher  jemand,  um  eine  anüthese  zu  br]^öciOV  zu  gewinnen,  das  hier 
sehr  Abel  angebrachte  ibuirraic  beifOgte.  nicht  ist  ibc  b€i  271,  2 
zu  tilgen,  der  gedanke  verlangt  dafür  iLv  bei,  ci:  ^es  ist  strafe  ge- 
nug, für  thaten  welche  anerkennung  verdienen  nicht  belobt  zu  wer- 
den.' för  ^K  ToC  äpicTOU,  was  K.  ebd.  z.  18  mit  ix.  ToO  ^(jicTOU 
vertauschen  will,  entspricht  wol  mehr  äirö  ToO  KpaTfcrou  der  rede- 
weise  des  Dionysios:  vgl.  27B,  24,  auch  84,  23.  wie  234,  1  YCVOM^- 
VOic,  dOrfle  dxo^^VT)C  286,  28  blosz  eine  vermeintliche  stutze  fOr  Tf)c 
iy  ToTc  i}iVjq>oic  sein,  die  änderung  dpxojüi^viic,  die  Sintenis  emend.  III 
s.  28  verrilh,  ist  darum  nicht  zulässig,  weil  die  abslimmung  Über  die  lex 
vorerst  unterblieb.  Ähnlich  ist  294,  17  buvaii^VTi  ungeschickte  ergftn« 
zung  von  jemandem,  der  nicht  bemerkte  dasz  ^x^^^^  X^Xr)6€V  zu  er- 
gänzen sei.  die  starke  corruptel  313,  2  f\y  b*  oök  dtdiv  Ttaci  TOlc 
TToXXoTc  Kai  n^vfict  Twfidujv  f\  biavo^fj  tt^c  x^i^pac  «bc  dTrcXauvo- 
l^dvoic  Tf)c  Ttorrpiboc  hebt  K.  sdieinbar  sehr  ansprechend  durch  fjv  b* 
o{»K  dY(Xtn£»ci,  was  gewis  griechischer  lautet  als  Reiskes  fjy  b'  oök 
&yay  dciracnfj,  nur  passt  der  begriff  des  dYarrotv  nicht  ganz  zu  der 
Stimmung  der  plebejer ,  welche  nicht  sowol  mit  dem  unzufrieden  waren, 
was  man  ihnen  zugedacht  hatte,  als  überhaupt  keine  lust  fühlten  ihre 
heimat  zu  verlassen;  letzteres  auszudrücken  mag  Dionysios  geschrieben 
haben  fjv  b*  ouk  ^dcM^voic^  dKOÖcact  toTc  iroXXoTc  usw.,  d.  h.  als 
sie  von  dem  beschlusse  des  Senates  hörten,  bezeigten  sie  keineswegs 
freude  darüber;  vgl.  VI  96.  XI  59  g.  e.  eine  ergünzung  sclieint  auch 
26, 17  erforderlich;  ob  aber  K.  recht  hatte  aöni  irpoeXOoCca  f|  crpa- 
Tid  ixi%p\  TTÖXeuic  *Avt(ou  btxa  <itövou>  citou  iroXXoC  . .  ^TKpaTfic 
dx^VCTO  in  den  text  zu  setzen,  wird  man  bezweifeln  dürfen;  wir  ver- 
muten dasz  von  einer  tellung  dieses  feldzugs  die  rede  war,  also  etwa 
bixci  ^cxtcOcica^  ursprünglich  gelesen  wurde.  68,  26  aber  ist,  wie  an- 
dere stellen  zeigen,  £Xe€ivöv  nur  glosse  zu  cx^jia  Taireivöv,  vgl.  168,27. 

Ob  biax€ipiZo|iai  auch  Dionysios  im  sinne  von  biaxpwMOti  an- 
wandte und  beides  ihm  gelSufig  war,  oder  letzteres  13,  21  und  305,  11 
aus  168,  11  corrigiert  werden  müsse,  wollen  wir  dahin  gestellt  sein 
lassen;  aber  gewis  durfte  80,  25  d1^€^T^oX$  ohne  bedenken  (vgl.  den 
Pariser  thesaurus  u.  d.  w.)  die  vulg.  direjiTroXct  verdrängen,  auffallend 
ist  51,  25  £dv  in  laic  airrak  cujiqp^pujvrat  Tuxaic,  wo  man  i^ifi- 
puivrai  erwartete. 

Die  correctur  iSszt  manches  zu  wünschen  übrig  und  die  zahl  der 
corrtgenda  künnle  man  noch  um  einige  vermehren,  wie  144, 29  oÖK  Ica, 
178,  10  TÖv  oTkiiciv*  zu  250,  19  ist  die  adn.  crit.  durch  ein  versehen 
unverständlich ,  Reiske  wollte  iv  tQ  ^&xq. 

HSIDELBBBG.  LUDWIQ  KaTSSK. 

JihrbQcber  fttr  cIms.  pbilol.  1868  hft.  12.  53 


818   A.  Schöne :  anz.  v.  J.  H.  Scbneiderwirlh  geschichte  der  Insel  Rhodos. 

107. 

Gesohightb  deb  INSEL  Rhodüs  maoh  den  quellen  beabbeitet 

VON  DR.  JOH.  HeRK.  8 OHNE ID ER WIRTH,  GYMNASIALLEHRER. 

Heiligenstadt,  vorlag  von  B.  Dunkelberg.  1868.  243  8.  gr.  8. 

Der  Tf.  gehört  zu  jener  erfreulicherweise  immer  wachsenden  zahl 
von  gymnasiallehrem,  weiche  ihre  musze  nicht  nur  mit  wissenschaftlichen 
arbeiten  auszufallen ,  sondern  hierbei  auch  Stoffe  auszuwählen  verslehea, 
deren  bearbeitung  (IQr  die  Wissenschaft  ein  wirkliches  bedOrfnis  ist.  aach 
diese  neue  schrift  zeugt  wieder  für  den  saromelfleisz  und  den  versUodigen 
sinn  des  bereits  frflher  durch  mehrere  verdienstliche  arbeiten  bekannl  ge- 
wordenen Verfassers:  abgesehen  von  einigen  alsbald  zu  erörternden  aus- 
Stellungen  wird  man  gern  zugestehen  dasz  sie  leistet  was  sie  versprichL 
an  der  band  der  quellen,  aus  denen  das  material  in  wQnschenswerlber 
Vollständigkeit  ausgezogen  ist,  wird  hier  ein  abrisz  der  geschichte  von 
Rhodos  gegeben,  einem  der  wichtigsten  griechischen  inselstaaten,  dessen 
wirtschaftliche  und  mercanlile  bedeutung  ihm  auch  eine  längere  lebeos- 
dauer  erhallen  hat  als  der  mehrzahl  der  Übrigen  griechischen  inselo,  ganz 
zu  geschweigen  von  den  hellenischen  continentalslaaten.  allerdings  ist 
an  dem  vf.  das  laudabunt  aln  claram  Rhodon  des  Horaz  zur  wahrheil 
geworden:  es  finden  sich  manche  stellen,  an  denen  ihn  die  Vorliebe  fOr 
seinen  stoff  zu  einer  flberschatzung  der  Rhodier  gefölirl  haL  auch  mdchie 
der  vf.  ins  künftige  etwas  mehr  auf  seine  darstellungsweise  achten,  denn 
abgesehen  von  manchen  störenden  nachlftssigkeiten  des  slils  wünschte  ich 
aus  einer  so  sorgfilltigen  arbeit,  die  ohne  zweifei  mehr  für  fachgenosseo 
als  für  Schüler  bestimmt  ist,  eine  nicht  unbedeutende  anzahl  von  —  gerade 
herausgesagt  —  trivialen  bemerkungen  entfernt,  allgemeinen  senieuen 
von  so  unbestrittener  Wahrheit ,  dasz  sie  nach  dem  bekannten  ausspniche 
nicht  mehr  gesagt  zu  werden  brauchen,  wenn  es  z.  b.  s.  33  heiszt:  'fes- 
seln bleiben  fesseln ,  wenn  sie  auch  nicht  von  eisen ,  selbst  wenn  sie  von 
gold  sind',  oder  s.  20:  *  wahre  grösze,  verdienter  rühm  ist  noch  nie 
mühelos  erreicht  worden' ,  so  sprechen  die  arbeiten  des  vf.  zu  deutlich 
für  seine  allgemeine  und  wissenschaftliche  bildung  als  dasz  ich  nicht  an- 
nehmen möchte,  er  werde  gern  bereit  sein  ins  künftige  derartigen  billigen 
schmuck  seiner  darstellung  zu  vermeiden. 

Eine  einleituog  (s.  1 — 12)  gibt  das  wissenswerthe  über  die  geogra- 
phische läge  und  beschaffenheit  von  Rhodos  sowie  die  vorgescliichte  der 
insel.  die  eigentliche  geschichte  gliedert  sich  in  drei  hauptabschnitte: 
1)  von  den  zeiien  der  dorischen  ansiedlung  bis  zum  ausgang  der  belage- 
rung  des  Uemetrios  s.  13 — 62 ;  2)  glanzperiode  des  rhodischen  Staates 
s.  52 — 122;  3)  Rhodos  in  römischer  clientel  bis  zur  aufbebung  seiner 
freiheit  durch  Vespasian  s.  122 — 148.  daran  reihen  sich  fünf  capitel, 
Seemacht  und  handel,  Verfassung  und  volkscharakter,  reiigion,  litteratnr 
und  endlich  die  kunst  behandelnd  (s.  148—202).  im  anhang  s.  202— 
243  ist  das  quellenmaterial  unter  hinzufügung  mehrerer  interessanter 
excurse  mitgeteilL  von  den  ausslellungen,  zu  denen  einzelne  stellen  der 
schrift  aoiasz  geben,  führe  ich  nur  einige  beispiele  an. 


A.  Schöne:  anz.  v.  J.  H.  Schneiderwirth  geschichte  der  insel  Rhodus.  819 

Auf  8.  8  vgl.  204.  209  wird  die  besiedelung  der  insel  durch  Karer 
angenommen  auf  grund  von  Konon  narr.  47.  in  der  benutzung  des  Ro- 
non  ist  vorsieht  anzuempfehlen,  so  lange  man  nichts  genaueres  über  seine 
quellen  erforscht  hat.  gewis  ist,  dasz  sich  in  seinen  50  biT)Trjcetc  neben 
vielem  guten  auch  sehr  viel  spreu  findet,  und  so  wird  vorsieht  insbeson- 
dere da  geralhen  sein,  wo  er,  wie  hier,  als  alleiniger  gewährsmann  für 
eine  wenn  auch  an  sich  nicht  unglaubhafte  nachricht  auftrit.  —  Wenn 
der  vf.  s.  16  Ober  Kleobulos  von  Llndos  handelt  und  s.  217  anstosz  daran 
nimt  dasz  er  bei  Clemens  von  Alexandrien  (s.  217  anm.  14  ist  zu  schrei- 
ben üb.  4  cp.  125)  und  Plutarch  als  alleinherscher  und  tyrann  bezeichnet 
wird,  so  läszl  sich  schwer  darüber  mit  ihm  rechten,  zumal  wenn  man 
die  glaubwürdigkeit  der  meisten  derartigen  die  griechische  Vorgeschichte 
betreffenden  nachrichten  anzuzweifeln  sich  bereciitigt  glaubt,  ich  halte 
es  für  eine  überaus  schwere  aufgäbe,  den  wirlilich  historischen  kern  aus 
dem  wttst  von  fast  ausnahmslos  sehr  späten  berichten  über  diese  frühen 
Perioden  der  griechischen  geschichte  herauszuschälen,  insbesondere  hat 
sich  z.  b.  um  die  sieben  weisen  schon  in  früher  zeit  eine  kritisch  sehr 
schwer  zu  sichtende,  teils  volkstümlich  teils  gelehrt  sagenhafte  Überliefe- 
rung gelagert,  für  deren  unhistorischen  Charakter  die  aufßllige  ähnlichkeit 
der  einzelnen  berichte  unter  einander  einen  deutlichen  fingerzeig  gibt, 
hier  ist  nur  etwas  zu  leisten,  wenn  man,  mehr  als  bisher  geschehen,  der 
geschichte  der  Überlieferung  nachgeht  und  sich  vor  allem  die  frage  zu 
beantworten  sucht ,  woher  alle  diese  nachrichten  stammen,  und  ob  es 
überhaupt  denkbar  ist  dasz  man  von  jenen  zeiten  eine  so  bestimmte  ge- 
schichtliche künde  gehabt  haben  sollte.  —  S.  21  sagt  der  vf.:  'eine  frühere 
erhebung  gegen  Athen,  deren  zeit  wir  nicht  wissen,  war  mis- 
glückt'.  genau  allerdings  wissen  wir  die  zeit  niclit,  aber  einigermaszen  an- 
nähernd läszt  sie  sich  doch  bestimmen.  Dorieus,  der  kraftvolle  und  tapfere 
söhn  des  Diagoras ,  wird  bei  diesem  aufstand  von  den  Athenern  zum  tode 
verurteilt  und  verläszt  sein  Vaterland,  indem  er  sich  nach  Thurioi  wendet, 
von  ihm  sagt  Pausanias  6,  7,  1  Atupieuc  bk  ö  veturaTOC  TraTKpaTtip 
viKrjcac  öXufiTTidciv  ^q)€£f)c  rpici.  also  in  drei  Olympiaden  hinterein- 
ander hat  Dorieus  gesiegt  nun  heiszt  es  femer  bei  Thukydides  3,  8  t\v 
b'  öXu^Trtdc  ^  Aiüpieiic  Töbtoc  tö  beurepov  dviKa.  nach  der  Chro- 
nologie des  Tliukydidcs  wird  hier  die  88e  Olympiade  bezeichnet,  also 
428,  und  somit  siegte  Dorieus  432, 428  und  424.  Thukydides  aber  nennt 
ihn  noch  Rhodier,  während  Pausanias  a.  o.  S  ^  s^H^'  ävilTOp€UOVTO 
b^  piSröc  (Dorieus)  T€  Kai  6  TTeicipoboc  Ooupiot,  bttaxd^vrec  örrö 
Ttliv  dvncTaciiüTÄv  ^k  ttIc  Töbou  xal  ic  IraXiav  irapd  ©oupiouc 
^ncXBövTec.  damit  stimmt  es  dasz  ihn  Xeuophon  Hell.  1,  5, 19  tto- 
XiTeuovra  irap'  auroTc  (toTc  Ooupioic)  nennt,  wenn  nun  Dorieus 
beim  zweiten  siege  noch  Rhodier  heiszt,  überhaupt  aber  einmal  in  Olym- 
pia als  Thurier  verkündigt  worden  ist,  so  kann  dies,  falls  wir  den  aus- 
druck  des  Thukydides  urgieren,  nur  bei  seinem  dritten  siege,  also  424 
geschehen  sein,  und  danach  hat  jener  für  die  rhodische  Eratidenfamilie 
verhängnisvolle  aufstand  zwischen  428  und  424  stattgefunden.  —  Auf 
8.  61  setzt  der  vf.  das  grosze  erdbeben  von  Rhodos  in  das  jähr  224 

53* 


820  A.  Schüoe:  anz.  v.  J.  H.  SchneiderwirLh  geschiclite  der  insel  Rhodus. 

und  rechtfertigt  diese  datierung  s.  225  aDm.  47.  ich  bemeiie  hierzu, 
dasz  sich  die  ooliz  Caria  et  Rhodus  Ha  terrae  motu  concussae  sunt^  ut 
colossus  magnus  rueret  bei  Eusebios-Uieronymus  (vgl.  meine  ausgäbe 
bd.  n  s.  123]  nicht  zu  o1.  139,  2  sondern  zu  dem  ersten  jähr  dersell)eii 
Olympiade  gestellt  findet,  also  nach  der  gewöhnlichen  Zählung  zu  224, 
eine  angäbe  die,  wie  man  sieht,  der  vom  vf.  vorgeschlagenen  datierung  zur 
Unterstatzung  gereicht,  auch  fflr  die  folgenden  erdbeben  vgl.  Eusebios- 
Hieronymus  zu  ol  145,  2;  168,  2;  206,  4.  —  S.  179  heiszt  es  bei 
gelegenheit  des  rhodischen  dichters  Peisandros :  *dasz  Strabo  seine  auto^ 
Schaft  hinsichtlich  jener  attribule  (der  l(eule  und  löwenhaut)  des  gotles 
(Herakles)  bezweifelt,  hat  nicht  viel  zu  bedeuten;  mehr  aber  sagt,  dasx 
Clemens  von  Alexandria  ihn  zu  einem  litterarischen  dieb  macht,  der  das 
ganze  gedieht  dem  Pisinos  aus  Lindos  nach-  oder  abgeschrieben  habe.' 
der  satz  ist  nicht  recht  verstand  heb.  bei  Strabon  15,  688  steht:  f|  ToO 
'HpaicX^ouc  bk  CToXf|  f|  toioutti  . .  irXdc^a  tujv  t#|v  'HpdicXciav 
iroiricdvTUJV,  etxe  TTetcavbpoc  ?iv  cTt'  fiXXoc  nc.  das  besagt  doch 
nichts  anderes  als  dasz  auch  Strabon  es  als  zweifelhaft  ansieht,  ob  die 
Herakleia  von  Peisandros  herrfilire.  und  aus  der  stelle  des  Clemens  ström. 
6, 2, 25  aÖTOTcXetc  fäp  rd  dr^pu^v  i&cpeXöjievot,  wc  ibia  ^Erivencav, 
KaOdircp  . .  TTeicavbpoc  Kajiipeöc  TTicCvou  toO  Aivbfow  Tf|v  *Hpd- 
kXciqv  ergibt  sich  dasz  die  im  altertum  vorhandene  Herakleia  als  unecht 
betrachtet  wurde,  nur  wird  man  nicht  daran  glauben ,  dasz  bereits  Pei- 
sandros litterarischen  diebstahl  geGbt  habe,  sondern  man  wird  geneigt 
sein  auch  von  ihr  das  urteil  gelten  zu  lassen,  das  Suidas  u.  TTeicavbpoc 
über  die  Obrigen  seinen  namen  tragenden  gedichte  ausspricht:  Ta  ö' 
äXXa  Tujv  TTOirmdTUiV  vö0a  aöroO  boH&crai ,  T^vöficva  üirö  t' 
dXXujv  Ka\  'ApiCT^uiC  toO  ttoititoO.  —  S.  187  gedenkt  der  vf.  der 
rhodischen  schule  der  beredsamkeit.  sicher  würde  sein  urleil  über  sie 
minder  günstig  lauten,  wenn  er  berücksichtigt  hatte  was  F.  Blass  griech. 
beredsamkeit  von  Alexander  bis  auf  Augustus  (Berlin  1865)  s.  89  fT.  Über 
sie  bemerkt,  nach  Blass  ist  auch  zu  verbessern ,  was  der  vf.  über  den 
Charakter  der  rhodischen  beredsamkeit  im  allgemeinen,  über  ihre  angeb- 
liche begründung  durch  Aeschines  sagt,  sowie  ebd.  s.  95  mit  recht  der 
berühmte  rhodische  rhetor  nicht  Apollonios  Molon,  sondern  nur  Moloo 
genannt  wird.  —  S.  197:  wenn  Brunn  künstlergesch.  I  s.  415  die  nach- 
richten  des  Pbilon  von  Byzanz  über  den  koloss  zu  Bhodos  als  mSrcben 
bezeichnet,  so  halte  ihm  der  vf.  beipflichten  und  sich  nicht  zum  va*tbei- 
diger  einer  so  späten  und  unzuverlässigen  compilation  machen  sollen, 
[vgl.  Jahrb.  1865  s.  644  IT.] 

Schliesziich,  um  diese  ausstellungen  nicht  zu  lang  auszudehnen,  nur 
noch  die  frage,  warum  denn  der  vf.  seinen  lesern  die  Unbequemlichkeit 
bereitet,  den  Strabon  nach  den  Seitenzahlen  der  Didotschen  ausgäbe  zu 
eitleren  (z.  b.  s.  212)  und  wie  er  auf  den  wunderlichen  einfall  geratben 
ist,  s.  240  eine  stelle  des  Plutarch  nicht  nach  dem  urtext,  sondern  nach 
der  lateinischen  Übersetzung  kritisch  und  erklärend  zu  behandeln? 

Leipzig.  Alfred  Schöne. 


J.  H.  Ch.  Schubart:  Verschiebungen  im  Pausanias.  821 

(73.) 

VERSCHIEBUNGEN  IM  PAUSANIAS. 

(naohtrag  zu,  b.  629 — 686.) 


Bekanntlich  gehört  es  zu  den  schwierigsten  aufgaben ,  die  beschrei- 
bung  Athens,  wie  Tansanias  sie  gibt,  in  einklang  zu  bringen  mit  den 
topographischen  thatsachen,  und  es  scheint  als  ob  alle  in  dieser  beziehung 
angestellten  versuche  von  der  lösung  der  Schwierigkeit  fern  geblieben 
seien,  der  eine  mehr,  der  andere  weniger,  hauptsächlich  kommt  hier  die 
excursiou  nach  dem  liissos  in  betracht,  die  wol  als  unerklärlich  bezeichnet 
worden  ist.  mit  einem  neuen  verschlag  ist  Gurt  Wachs muth  aufge- 
treten in  seinem  schönen  aufsatze  ^bausteine  zur  topographie  von  Athen' 
welcher  im  rhein.  museum  XXIII  s.  1 — 65  abgedruckt  ist.  einleitend 
sagt  er,  man  habe  immer  zweierlei  festzuhalten:  erstens  dasz  Pausanias 
die  absieht  habe,  denen  welche  Griechenland  bereisten  einen  leitfaden  für 
die  sehenswerthen  gegenstände  an  die  band  zu  geben,  wobei  er  jedoch 
voraussetze  dasz  man  sich  an  wichtigeren  orten  von  den  sich  daselbst 
aufhaltenden,  zum  teil  unwissenden  periegeten  umherfQhren  lasse,  der 
von  diesen  eingeführten  Ordnung  schliesze  sich  Pausanias  an.  wie  ab- 
hängig er  von  diesen  fremdenf öhrern  und  ihrer  Ordnung  sei,  habe  auch 
Gurtius  Pelop.  II  s.  52  an  einem  auffallenden  beispiele  gezeigt,  (hierüber 
ausführlich  zu  sprechen  wird  sich  weiter  unten  eine  passende  gelegenheit 
finden.)  zum  andern ,  sagt  Wachsmuth ,  dürfe  man  nicht  vergessen  dasz 
wir  in  den  Attika  die  erste,  unvollkommenste  arbeit  des  Pausanias  besitzen, 
und  noch  dazu  für  Athen  blosz  einen  au szug  aus  seinem  tagebuche, 
den  er  angefertigt,  um  nur  das  wissenswürdigste  von  den  zahlreichen 
und  zum  teil  allgemein  bekannten  merkwfirdigkeiten  Athens  zu  bieten, 
wozu  man  vergleichen  müsse  3, 11,  1  5  £v  tQ  cuTTPCtq)^  MOi  tQ  *AT0t6i 
£Travöp6u)|Lia  (nicht  inavdpQ^ixa)  dr^vETO ,  \xi\  rd  Trdvra  ^6  dq>€£f]C, 
Td  hi  MdXicra  SExa  [iyf\[ir\c  ^TriX€£d|i€vov  *)  &n '  aÖToiv  eipriK^vm, 
briXdicuj  hi\  Tipö  ToC  Xötou  tou  ic  CnapTidTac.  von  anfang  an,  fährt 
er  dann  fort,  habe  er  den  plan  gehabt  von  den  vielen  und  nicht  der  er- 
wähnung  werthen  dingen,  &  iKacroi  iropd  ccpict  X^TOUCiv^nur  die  merk- 
würdigsten herauszuheben,  d)c  oOv  eO  ßeßouXeu^^voc  oök  Ictiv  fiirou 
1Tapaß1^co^al.  es  war  erforderlich  diese  stelle  in  ihrem  Zusammenhang 
herzusetzen ,  um  so  mehr  da  sie  auch  sonst  zu  irriger  auffassung  anlasz 
gegeben  hat.  zunächst  mag  nun  bemerkt  werden,  dasz  dieselbe  streng 
genommen  eigentlich  die  vorliegende  frage,  nemlich  die  topographische 
aufzählung  der  Sehenswürdigkeiten,  gar  nicht  berührt.  Paus,  spricht  hier 
lediglich  von  einer  auswahi  unter  den  localen  sagen,  &  iKacTOt  irapd 
cqpici  X  ^  T  0  u  c  i  V '  indessen  darf  man  wol  unbedenklicii  annehmen,  dasz 
wir  hier ,  nach  sinn  oder  worten ,  eine  lücke  haben ,  und  dasz  Pausanias 


1)  an  dem  unzulässigen  ^mXcEd^cvov  hat  zuerst  Zink  anstotz  ge- 
nommen; er  sohlftgt  ixXeld^EVOv  Yor;  es  ist  aber  wol  d1roX€£d^evov  su 


schreiben. 


822  J.  H.  Cb.  Schubart:  verscbiebungen  im  Pausanias. 

an  unserer  stelle  ganz  dasselbe  sagen  wollte  wie  an  der  andern  worauf 
er  sich  bezieht,  1,  39,  3,  er  wolle  eine  Auswahl  treffen  unter  dem  was 
am  bemerkenswertbesten  sei  iv  XÖTOtc  KaiOeujptifiactv.  ganz  ab- 
gesehen von  'allem  andern  Uszt  sich  aus  unserer  stelle  durchaus  nicht 
folgern,  dasz  wir  für  Athen  blosz  einen  auszug  aus  dem  tagebuche  des 
Paus,  haben ;  nicht  eine  auswahl  aus  den  von  ihm  aufgezeichneten  notizen 
verspricht  Paus.,  sondern  ganz  zweifellos  erklärt  er,  es  sei  gleich  von 
anfang  an  sein  plan  gewesen,  nicht  etwa  alle  Sehenswürdigkeiten  und 
sagen  aufzuzeichnen,  sondern  unter  diesen  eine  auswahl  zu  treffen  und 
nur  die  zu  erwähnen,  die  ihm  besonders  merkwürdig  erschienen,  da  wir 
auch  anderweitig  nicht  die  leiseste  andeutung  finden ,  dasz  wir  nur  einen 
tagebuchsauszug  besitzen,  so  wird  es  gerathen  sein  diesen  grund  auf  sich 
beruhen  zu  lassen  und  ihm  keinerlei  einflusz  auf  die  vorlegende  Unter- 
suchung zu  gestatten. 

Fast  darf  man  sich  wundern  dasz  eine,  wie  mir  scheint,  so  klare 
stelle  auch  nach  einer  andern  seite  hin  zu  einem  misverstSndnis  anlasz 
gegeben  hat.  Gurtius  (Pelop.  I  s.  142  anm.  10)  findet  dasz  Pausanias  an 
unserer  stelle  ^ganz  deutlich  von  dem  dTTav6p6u)jLia,  der  zweiten  redac- 
tion,  spreche,  welche  er  mit  seiner  Atthis  vorgenommen  habe;  dasselbe 
priucip,  sage  er,  wolle  er  auch  bei  Sparta  befolgen.'  dieses  wunder- 
liche ^princip  einer  zweiten  redaction',  welches  er  sich  nach  1,  39,  3 
gleich  von  anfang  an,  H  äpXTIc,  vorgesteckt  haben  müste,  hat  man 
lediglich  aus  dem  worte  dTTav6p6uj|Lia  gefolgert,  ohne  daran  anstosz  zu 
nehmen ,  dasz  ein  nur  leidlichermaszen  verständiger  Schriftsteller  doch 
nicht  leicht  sagen  wird,  er  habe  sich  gleich  von  anfang  an  vorgenommen 
eine  zweite  redaction  (eben  das  vorliegende  buch)  zu  veranstalten,  nem- 
lich  eine  ganze  reihe  von  notizen  seines  tagebuches  zu  streichen  und  diese 
sonderbare  Verbesserung  nur  bei  Athen  und  Sparta  in  anwendung  zu 
bringen,  das  wort  dnavöpdüDjLia  scheint  nicht  zu  den  sehr  gewöhnlichen 
zu  gehören;  der  Pariser  Stephanus  fahrt  es  aus  Piaton,  Aristoteles  und 
Demoslhenes  an,  und  zwar  in  der  bedeutung  von  Verbesserung,  berich- 
tigung';  eben  dahin  führt  auch  die  etymologie.  dasz  aber  diese  bedeutuug 
hier  nicht  stattfinden  könne,  ebenso  wenig  wie  die  der  Vedaction',  Iril 
ja  augenscheinlich  hervor,  sobald  man  die  worte  nur  übersetzt.  *was  mir 
In  der  beschreibung  von  Altika  Verbesserung  war'  oder  *was  mir  in  der 
beschreibung  von  Attika  redaction  war*  —  hat  das  einen  sinn?  nein, 
trotz  etymologie  und  trotz  der  im  Stephanus  angeführten  stellen  musz 
das  wort  hier  eine  andere  bedeutung  haben,  und  dies  kann  keine  andere 
sein  als  die  welche  bisher  alle  ausleger  des  Pausanias  darin  gefunden 
haben,  die  lateinische  Übersetzung  bis  auf  Diudorf  herab  bat  'quod  in 
Allica  historia  professus  sum',  Ciavier  übersetzt,  eben  nicht  glücklich, 
^pr^caution',  Goldhagen:  Svas  ich  für  gut  befunden' ,  Siebeiis :  *grund- 
satz';  richtig  erklärt  er  es  durch  öpOöv  ßoüXeujüia*  und  unwillkürfich 
beitcffnet  es  Gurtius  selbst,  dasz  er  es  mit  —  ^princip'  Übersetzt,  damit 
f|t  dte  ^deutliche  zweite  redaction'  zusammen,  und  der  *auszug 
^tfcbes'  den  auch  Gurtius  (u.  o.  s.  123)  darauf  begründet  ver- 
unterläge,   die  stelle  des  dritten  buches  findet  notwendig  ihre 


J,  H.  Ch.  Schubart:  Verschiebungen  im  Pausauias.  823 

erklärung  in  der  des  ersten  buches,  und  sie  sagt  nichts  weiter  aus  als 
dasz  er  sich  von  anfang  an^  den  grundsatz,  den  plan,  das  princip  festge- 
stellt habe,  nicht  alles  zu  beschreiben,  sondern  nur  mit  auswahl  das 
bemerkenswertheste,  €0  ßeßouXeujüievoc. 

Nach  diesen  Vorbemerkungen  können  wir  zur  sache  selbst  Übergehen. 
*vor  allem  kommt  es  mir  darauf  an'  sagt  Wachsmuth  s.  3  *die  Überzeu- 
gung zu  erwecken,  dasz  auch  hier  die  bescfareibung  des  Pausanias  einen 
einfachen  und  leidlich  rationellen  plan  verfolgt,  dasz  sie  in  ihren  einzelnen 
teilen  wol  unter  einander  zusammenhängend  die  vielfachen  klagen  über 
lose  Verknüpfung,  über  mangel  an  übersichtlicher  disposition,  über  will- 
kürliches hin-  und  herspringen  nicht  eben  verdient.'  störend  trit  nun 
hier  die  'Kalliirhoö-tour'  ein,  welche  wie  eine  episode  die  topographische 
periegese  durchbricht,  zur  Wiederherstellung  einer  sachgemlszen  Ord- 
nung schlägt  daher  Wachsmuth  (s.  34}  die  Umstellung  eines  ganzen  ab- 
schnittes  vor.  *die  beschreibung  der  gegend  am  Ilissos  ist  in  zwei  un« 
gleiche  teile  aus  einander  gerissen,  der  gröszere  teil  findet  sich  in  engem 
Zusammenhang  mit  der  Wanderung  vom  Olympieion  und  Pythion  her 
nach  dem  Kynosarges  und  Lykeion  cap.  19  $  5  bis  7;  er  hört  mitten  in 
Agrä  auf.  der  zweite  teil,  der  den  abgerissenen  faden  der  beschreibung 
von  Agrä  wieder  aufnimt  und  zu  ende  führt,  findet  sich  schon  an  einem 
früheren  ort,  cap.  8  S  6  bis  14  $5,  hier  aber  mitten  in  eine  wolge- 
fügteundauf  das  beste  an  einander  scfalieszendetour  hinein- 
geworfen, scheidet  man  diesen  zweiten  teil  an  der  stelle ,  wo  er  sich  in 
unseren  handschriften  findet,  aus,  so  schlieszt  sich  das  unmittelbar  fol- 
gende (cap.  14  S  6)  direct  an  das  unmittelbar  vorausgehende  (cap.  8  S  5} 
an.  setzt  man  die  ausgeschiedene  partie  nach  cap.  19  $  7,  also  am  ende 
des  hanptteiles  der  beschreibung  der  Uissosgegend  ein ,  so  ist  auch  hier 
der  natürliche  gang  der  periegese  wieder  hergestellt.' 

Ob  eine  solche,  jedenfalls  etwas  gewaltsame  Umstellung  unumgäng- 
lich notwendig  ist,  und  oh  durch  die  vorgeschlagene  alle  Schwierigkeiten 
wirklich  gehoben  werden,  musz  ich  der  beurteilung  kundiger  überlassen. 
SO  beachtenswerth  und  ansprechend  mir  aber  der  Vorschlag  scheint,  so 
hat  er  doch  vom  standpuncte  der  texteskritik  seine  groszen  be- 
denken, es  kommt  hierbei  zunächst  die  so  oft  übersehene  frage  in  betracht, 
ob  überhaupt  und  inwieweit  thatsachen  ein  einflusz  auf  die  texteagestal- 
tung  eingeräumt  werden  darf,  oder  wo  die  grenzlinie  zwischen  Interpre- 
tation und  kritik  gezogen  werden  musz.  fehlerlos  ist  auch  der  schrift- 
steiler nicht,  und  bei  einer  schülerhaften  arbeit  ist  nicht  abzusehen, 
warum  man  sich  sehr  gegen  die  annähme  eines  schülerhaften  Versehens 
sträuben  sollte,  unbillig  ist  es  dabei  stets  nur  die  abschreiber  verant- 
wortlich zu  machen,  bei  gestaltung  des  textes  ist  die  wesentliche  unter- 
läge, gute  oder  schlechte,  das  diplomatische  material ;  wo  dieses  im  9tiohe 
läszt,  ist  in  bezug  auf 'die  form  des  textes  der  Vermutung  freier  räum 
gelassen,  ergeben  sieh  alsdann  sachliche  irtümer,  so  mag  man  unter- 
suchen ,  ob  diese  durch  die  beschaffenheit  des  materials  hervorgebracht 
sein  können,  oder  ob  der  Verfasser  sie  verschuldet  haben  möge,  im 
letzterti  falle  fällt  die  sache  der  Interpretation  zu;  im  erstem  darf  man 


824  J.  H.  Ch.  Schubarl:  ▼erschiebungen  im  Pausaoias. 

schlagende  gründe  erwarten,  dasz  dabei  ausdrücke  wie  'tolle  laune' 
^baarster  mutwille'  ^jflmmerliche  verhoDzuog'  usw.,  so  stark  sie  auch 
sind,  nur  untergeordnete  beweiskraft  haben  und  einen  prüfenden  schwer* 
lieh  bestechen  werden,  kann  wol  ohne  weiteres  vorausgesetzt  werden, 
diplomatisch  steht  die  aufeinanderfolge  der  periegese  so  fest,  wie  alle 
handschriften  und  ausgaben  sie  bieten ;  nicht  das  leiseste  zeichen  deutet 
in  dieser  rücksicht  eine  Störung  an.  allerdings  stammen  unsere  sämt- 
lichen handschriften  des  Paus,  in  zweiter ,  höchstens  dritter  generaUon 
von  einem  gemeinschaftlichen  urcodez  ab;  dasz  dieser  einer  guten  zeit 
angehört  haben  müsse,  ergibt  sich  aus  den  formen  einiger  buchstaben, 
wie  ich  sie  in  meinen  ^bruchstücken  zu  einer  diplomatischen  krilik'  nach- 
gewiesen zu  haben  glaube,  in  ihm  fand  sich  schon  ganz  die  jetzt  ge- 
wöhnliche anordnung ;  dasz  er  ebenfalls  einem  ebenso  geformten  codex 
entflossen ,  können  wir  mit  Sicherheit  aus  der  abwesenbeit  jeder  andeo- 
tnng  schlieszen,  welche  eine  solche  Umstellung  notwendig  mit  sich  geführt 
haben  mflste.  die  gerechtigkeit  erfordert  es  übrigens  ausdrücklich  zu 
bemerken,  dasz  Wachsmuth  die  Umstellung  nicht  einem  gewöhnlichen 
abschreiber,  sondern  einem  'eifrigen  leser'  zuschreibt,  *auf  dessen  exem- 
plar  direct  oder  durch  Zwischenglieder  der  urcodex  zurückgeht',  wir 
hätten  also  gewissermaszen  einen  diorthoten;  Wachsmuth  gibt  dabei  zu 
bedenken ,  wie  willkürlich  spätere  diorthoten  z.  b.  mit  dem  arrangieren 
und  versetzen  der  verschiedenen  partien  der  Aristotelischen  politik  gewirt- 
schaflet  haben,  bei  meiner  unbekanntschaft  mit  der  angeführten  Sachlage 
sollte  ich  mich  eigentlich  des  Urteils  enthalten;  dennoch  aber  wird  es 
nicht  als  anmaszung  gelten,  wenn  ich  mich  dahin  ausspreche,  dasz,  so 
begreiflich  mir  auch  diorthosen  bei  Aristoteles  sind ,  ich  mich  doch  nicht 
entscblieszen  kann  ein  ähnliches  verfahren  bei  einem  so  untergeordneten, 
in  der  früheren  zeit  fast  vergessenen  Schriftsteller  wie  Paus,  für  wahr- 
scheinlich zu  halten,  und  zu  welchem  zwecke  sollte  der  eifrige  leser 
eine  Umstellung  vorgenommen  haben,  durch  welche  die  sachgemäsze 
anordnung  in  eine  verkehrte  umgewandelt  wurde?  Wachsmuth  versucht 
dafür  folgende  erklärung :  einleuchtend  sei  es ,  dasz  ein  derartiger  leser 
topographische  Interessen  nicht  verfolgt  habe,  wol  aber  möglicherweise 
historische,  nun  enthält  das  erste  buch  in  zahlreichen  excuraen  auch 
manigfaches  schätzbares  historisches  material;  einem  leser,  welcher  den 
Paus,  zu  historischen  zwecken  studierte,  möge  es  leicht  passend  und 
bequem  erschienen  sein,  die  hauptmassen  an  einander  zu  rücken,  was  er 
so  gethan  habe,  dasz  er  bei  dem  ersten  möglichen  abschnitte,  d.  h.  am 
ende  des  Umgangs  um  den  südlichen  teil  der  agora,  die  spätere  masse  ein- 
schob, um  die  herum  er  eben  nur  so  viel  heraushob  (?),  als  fest  mit  ihr 
zusammengefügt  war  durch  irXiiciov,  imkp  Tf|V  KprivTiv  und  ixi  ditu)- 
T^pui.  ein  wunderlicher  leser  müste  das  doch  gewesen  sein,  der  sich 
viel  mühe  gab,  um  einen  kleinen  zweck  zu  erreichen,  las  er  den  Paus. 
in  historischem  Interesse  und  zogen  ihn  demnach  die  excurse  über  die 
diadochen  besonders  an ,  so  lag  es  ihm  in  der  that  näher ,  er  schrieb  sich 
einfach  dieselben  ab ,  als  dasz  er  seinen  Schriftsteller  auf  unverantwort- 
11.1. — ^  verunstaltete  und  noch  dazu  seinen  zweck  nur  unvollkonunen 


J.  U.  Ch,  Schuhart:  Verschiebungen  im  Pausanias.  825 

crreiclile.  nocli  dazu  war  ein  solches  verfahren  nur  ausführbar,  wenn  der 
diorthot  zugleich  der  abschreiber  war;  eine  Vereinigung  dieser  beiden 
ihatigkeilen  will  mir  aber  bei  Paus,  eben  nicht  wahrscheinlich  vorkom- 
men, für  Wachsmullis  hypothese  spricht  also  zwar  die  zweckmSszigkeil, 
und  man  kann  wünschen  dasz  Paus,  so  angeordnet  hätte,  wie  er  vor- 
schlägt; anderseits  aber  leidet  sie  an  so  vieler  diplomatischer  Schwierig- 
keit ,  dasz  man  ihr  wenigstens  auf  die  feststellung  des  textes  keine  eiu- 
wirkung  gestatten  darf. 

Auf  andere  weise  sucht  E.  Curtius  die  nun  einmal  vorhandene 
Schwierigkeit  wenn  auch  nicht  aus  dem  wege  zu  räumen ,  doch  zu  er- 
klären, in  dem  ^erläuternden  text  der  sieben  karten  zur  topographie  von 
Athen'  (Gotha  1868)  wird,  schon  mit  benulzung  der  Wachsmuthschen 
bausteine,  dieser  gegenständ  einer  neuen  eingehenden  Untersuchung 
unterzogen  und  dabei  neben  eigner  kenntnis  des  grundes  und  bodens 
hauptsächlich  die  periegese  des  Pausanias  zu  rathe  gezogen.  *}  bei  dem  in- 
teresse  welches  die  sache  hat  wird  es  erforderlich  sein  die  ansieht  des 
geistreichen  mannes  ausführlich  darzulegen.  'Pausanias  war  kein  mann 
von  schriftstellerischem  lalent  und  selbständiger  gelehrsamkeit.  er  hatte 
für  eine  darstellung  des  griechischen  landes  kernen  andern  beruf  als  den 
einer  unermüdlichen  lembegierde;  er  gab  sich  also  den  ortsgelehrleu 
vollkommen  hin  und  zeichnete  in  seinem  tagebuche  nichtmehrund 
nicht  weniger  auf,  als  was  ihm  von  ihren  mitteilungen  wichtig  er- 
schien, ohne  das  empfangene  zu  verarbeiten,  daher  lassen  sich  auch  in 
seiner  beschreibung  die  absätze  wahrnehmen,  welchemitdem  Wech- 
sel der  ortsführer  zusammenhängen,  und  wir  können  in  seiner 
beschreibung  Athens  einen  sechs-  oder  siebenfachen  curs  annehmen: 
1)  thorstrasze  zum  Kerameikos  und  ein  teil  des  marktes  bis  zum  burgauf- 
gange;  2)  KallirrhoS  mit  ihrer  Umgebung;  3)  restdes  marktes  mit  Umge- 
bung bis  zum  Prytaneion ;  4)  Olympieion  und  Uissosgegend ;  5}  tripoden 
und  theater  bis  zum  aufgang  der  bürg;  6)  akropolis.  wahrscheinlich 
kann  man  noch  als  besonderen  giro  die  merkwürdigkeiten  unter  dem 
burgaufgang,  den  Areopag  und  die  alten  blutgerichtshöfe  hinzufügen.  — 

')   seine  abhängigkeit  von  den  ortsführern  war  so  grosz,  dasz 

auch  diejenigen  Wanderungen,  welche  nicht  der  topographischen  Ordnung 
folgten,  in  seiner  schrift  dieselbe  stelle  einnehmen;  daher  die  Unter- 
brechung der  marktbeschreibung  durch  die  KallirrhoS-wanderung,  welche 
aus  zufälligen  gründen  eher  vorgenommen  wurde,  als  der  zweite 
Kerameikos-curs  beginnen  konnte,  so  erwähnt  er  das  Eleusinion  unter 
der  bürg  bei  gelegenheit  der  mysterienheiligtümer  am  llissos,  weil  die 
mit  diesen  vertrauten  führer  zugleich  über  das  verwandle  heiligtum  an 
der  akropolis  auskunft  gaben;    endlich  erwähnt  er  beim   Olympieion 


2)  da  mir  diese  eigne  anschaaong  fehlt,  oder  d«  ich,  mit  einem 
namhaften  Berliner  gelehrten  zu  reden,  nicht  ^antops'  bin,  lasse  ich 
alle  topographischen  fragen  nnberührt;  wo  aber  von  Pausanias  die 
rede  ist,  glanbe  ich  dasselbe  recht  £n  haben  mitzusprechen,  welches  an- 
dere für  sich  in  ansprach  nehmen.  3)  die  hypothese  über  eine  zweite 
redaction  und  aoszng  aus  dem  .weitläufigeren  tagebuche. 


9iß  J.  H.  €h.  Schubart:  Verschiebungen  im  Paosanias. 

äiich  äfüdei^,  Mjgelegene  bautet  Hadrians,  ohne  zwei  fei  weil  die  dort 
angestellteta  fOfilrer  audi  ffir  dieae  mit  angestdlt  waren.  soabhiDgi^ 
ist'die  schriftstellerei  dea  Pausanias  von  den  ortsfOhrero. 
auf  diese  weise  wird  sich  auch  wol  die  Seltsamkeit  erklären ,  dasz  Paos. 
erst  Vom  Phaleros  her  zum  südlichen  oder  itonischen  thore  in  die  stadl 
hereinkommt  und  dann  plötzlich  abbricht ,  um  am  westlichen  thore  einen 
zWeit^n  änfaug  zu  hiachen,  von  welchem  aus  er  dann  die  ganze  periegese 
bis  zu  ende  führt,  er  war  nemlich  von  der  kfiste  auf  dem  nlchsten  wege 
hieraufgekommen  und  erst  in  der  stadt  darüber  belehrt  worden ,  wie  nun 
am  zweckmflszigsteh  eine  systematische  besichtignng  der  stadl  vonn- 
nehmen  habe,  ein  pedantischer  mann  wie  Paosanias  muste  darauf  ein 
besonderes  gewicht  legen ,  dasz  seine  periegese  am  rechten  puncte  an- 

fieng.  (?) am  Dipylon  war  ohne  zweifeM)  eine  hauptslatlon  der 

attischen  ortsffihrer;  von  hier  haben  wir  also  auch  ein  gutes  recht 
Paiis.  seine  besichtigung  der  stadtischen  merkwflrdigkeiteD  beginnen  lu 
lassen.'  (a.  ö.  s.  49  f.) 

N^ehmen  wir  das  wiederholte  *ohne  zweifeP  als  das  was  es  in  der 
tliat  rst  (bei  bewiesenen  ding^  ist  ja  der  zusatz  überflüssig),  ab  ein 
herausfordern  zum  zweifeln ,  so  kann*  Ich  nicht  In  abrede  stdlen ,  dasz 
äowol  der  schriftstellerische  charakter  des  Paus,  als  auch  die  daraus  her- 
geleit^en  fölgerungcfn ,  wie  sie  hier  dargestellt  sind,  schwerlich  als  cor- 
rect  zu  betrachten  ^in  dürften,  der  mangei  schriltstellerischen  talenles 
kann  unbedenklich  zugestanden  werden;  weniger  schon  der  mangei  selb- 
ständiger Gelehrsamkeit,  eines  begriffes  der  sich  ganz  verschieden  ge- 
stäTtet,  je  nachdem  man  das  Wort  in  antiker  oder  in  moderner  bedeutnng 
n!mt.  letztere  vöft  ihm  zu  verlangen  wäre  eine  Unbilligkeit;  erslere 
ihm  ohne  weiteres  abzusprechen  eine  Ungerechtigkeit,  ein  mann  der  mit 
einem  Solchen  reichtum  von  kunstwerken  bekanntschaft  gemacht,  der 
mit  so  hohem  Interesse  die  verschiedenen  glaubensformen  verfolgt  und 
in  solchem  umfange  die  zur  erllnterung  derselben  dienende  litteratur 
studiert  'hat,  darf  wol  eine  anerkennung  seiner  gelehrsamkeit  im  antiken 
sinne  in  äns^pfrudh  nehmen;  auch  ist  es  nicht  einleuchtend ,  warum  wir 
die  selbätlndigkert  derserben  in  abrede  stelleti  sollen,  freilich  wären  wir 
dazu  vollkommen  berecJhtig't,  livdnn  es  i^hr  wäre  dasz  er  fn  seinem  tage* 
budife  nicht  mehr  und  nicht  ii^eniger  aufgenommen  habe,  als  was  er  von 
den  ihn  völlfg  beher^endeft  ortsgdehrlen  anzunehmen  fQr  wichtig 
gentig  gehalten  habe,  gert  mochte  ich  ataViehmen  dasz  ich  diese  behanp- 
tuhg  irrfg  ättfgefaszt  habe;  denn  ein  Irtum  liegt  vor.  eine  solche  ab- 
hängigfkeit  Ist  hicht  nur  iftklit  bewegbar,  sondern  das  gegenteil  trit  viel- 
mehr auf  i^eih  blatte  htstvdr,  in  der  'Ranken  fceschreibung  von  Athen 
beruft  e^  sich  Aicht  kfhk  eiozig^  tbüi  auf  das  zeugnfe  eines  penegeten*), 
und  dann  möchte  man  doch  fragen ,  was  er  von  den  Sehenswürdigkeiten 
Athetis  bedeiiteitdes  berichtet,  was  ihn  nicht  der  blosze  anblick  und  allen- 
falls die  befrägung  des  ersten  besten  begegnenden  gelebrt  haben  würde? 

4)  die  dtti^h  den  Üiiick  hervorgehobenen  stellen  tßnä  von  mir 
unterstrichen.  '5)  d^r  1,  13,  8  erwUhnte  Lenkeas,  6  tÜTV  iffi^wpCörv 
(d.  b.  'ApTctuiv)  tEfiKitr^c,  war  ein  buch  und  bezog  sich  «uf  Argos. 


J.  H.  Ch.  Schabart:  verscbiebun^en  im  Pausanias.  827 

die  historischeD  iiolizen  verdankte  er  gewis  wahrscheinlicher  seiner  lec- 
tfire  als  einem  begleitenden  lohnbedienten,  doch  Curtins  soll  ja  (Pelop. 
11  s.  52)  an  einem  ^aufTalienden  beispiele'  die  völlige  abhüngigkelt  des 
Pausanlas  von  dem  Systeme  der  fremdenführnng  ^gezeigt'  haben,  gezeigt 
eigetltlich  nicht,  wol  aber  behauptet,  betrachten  wir  die  stelle  auf 
welche  ein  solches  gewicht  gelegt  wird  (5,  14,  4—10  und  cäp.  15) 
etwas  genauer,  so  Hillt  alsbald  in  die  äugen,  dasz  auch  hier  nicht  die 
leiseste  andeutung  von  einem  fremdenffihrer  zu  entdecken  ist,  dasz  dieser 
vielmehr  nur  vorausgesetzt  und  dann  folgerungen  gezogen  werden,  das 
soll  man  nicht  ^zeigen'  nennen ,  sondern  sich  allenfalls  mit  ^vermuten' 
begnügen,  ist  nun  aber  in  der  stelle  die  leitnng  eines  ortsführers  nur 
wahrscheinlich?  Paus,  sagt  bei  erwähnung  des  ßuijiiöc  li^iCTOC  In 
Olympia,  er  wollte  bei  dieser  gelegenbeit  sogleich  die  übrigen  altare 
anfahren  und  zwar  nicht  in  der  Ordnung  der  topographischen  läge,  8(on- 
dem  in  der  reihenfolge  in  welcher  die  Eleer  auf  denselben  zu  opfern 
pflegten,  um  ja  keine  irrung  zu  verschulden,  bringt  er  S  10  vermutlich 
bei  einem  besonders  auffallenden  sprung  nochmals  in  erinnerung,  dasz 
er  die  altflre  nicht  Kara  croixov  Tf]C  tbpuceiuc  aufgezahlt  habe,  sondern 
T^i  xdEei  TüJV  'HXeiujv  de  xdc  Oudac.  mir  scheint  dies  durchaus  nicht 
allein  verständlich ,  sondern  auch  verständig,  um  nicht  die  periegese  bei 
jedem  einzelnen  altar  durch  angäbe  der  rangordnung  beim  opfern  zu 
unterbrechen,  sagt  er,  er  wolle  ohne  rücksicht  auf  die  läge  der  altäre 
die  reihenfolge  der  opfer  ein  für  alle  mal  angeben,  wodurch  er  einen 
liturgischen  zweck  vollständig  erreichte  und  den  beweis  liefert,  dasz  er 
es  sehr  wol  verstand,  wie  ineinembuchedie  sache  vorgetragen  wer- 
den muste,  während  es  meines  erachtens  fast  undenkbar  ist,  dasz  ein 
fremdenführer ,  ohne  alle  rücksicht  auf  zwischenliegende  Sehenswürdig- 
keiten, einen  ankömmling  in  die  kreuz  und  quer  herumgeführt  haben 
sollte,  um  ihm  zu  zeigen,  in  welcher  reihenfolge  die  Eleer  opferten, 
wollte  Pausanias  überhaupt  diese  nicht  unhiteressante  notiz  mitteilen, 
so  ist  kaum  abzusehen ,  wie  er  es  anders  hätte  machen  sollen  als  gerade 
so  wie  er  es  gethan  hat.  soll  also  aus  dieser  stelle  etwas  gefolgert  wer- 
den, und  die  Versuchung  liegt  allerdings  nahe,  so  wären  es  etwa  folgende 
beiden  Sätze:  1)  er  führt  die  reihe  der  altäre  auf  unabhängig  von  jedem 
einflusz  der  fremdenführer;  und  2)  in  der  übrigen  darstellung  folgt  er 
genau  der  topographischen  Ordnung,  wo  demnach  eine  Übereinstimmung 
zwischen  einem  etwaigen  System  und  den  angaben  des  Paus,  nicht  statt 
findet,  musz  der  Irtum  zunächst  im  Systeme  gesucht,  ein  fehler  des  perie- 
geten  aber  nur  da  angenommen  werden,  wo  ein  solcher  mit  stichhaltigen 
gründen  bewiesen  werden  kann,  die  frage,  woher  Paus,  die  kenntnis  von 
der  reihenfolge  der  Opferfeierlichkeiten  entnommen  habe,  könnte  eigentlich 
ai^  sich  beruhen ,  da  wir  sie  nur  durch  eine  mehr  oder  minder  beliebige 
Vermutung  lösen  können;  soll  aber  einmal  etwas  versucht  werden,  so 
läszt  sich  nicht  absehen ,  warum  er  sie  nicht  aus  einem  buche  geschöpft 
haben  könnte;  ja  es  scheint  nicht  einmal  allzu  kühn,  wenn  wir  die  Ver- 
mutung aufstellen,  er  möge  wol  selbst  einer  solchen  opferprocession  bei- 
gewohnt haben. 


828  J.  H.  Gh,  Schubart:  Terschiebungen  im  Paosanias. 

Ehe  wir  weiter  gehen,  wird  es  wol  förderlich  sein,  wenn  wir  kun 
zusammenstellen,  was  sich  aus  Pausanias  Aber  die  exegeten  beweisen 
I2szt.^  unberöcksichtigt  können  hier  die  Hybläer  bleiben,  von  deaen 
Phiüstos  sagt,  sie  seien  TepdruJV  xaX  ivuirviwv  ^TiTn^ai  (5,  23,  6). 
die  exegeten,  auf  welche  es  uns  hier  ankommt,  kann  man  in  folgende 
drei  dassen  einteilen : 

1.  Pausanias  beruft  sich  auf  Schriften  von  exegeten:  so  in  besog 
auf  den  tod  des  Pyrrhos  auf  den  Lenkeas,  den  imxujpiujv  ^nTT]TT)C 
in  Argos,  der  £v  Ittcciv  geschrieben  hat,  1,  13,8.  von  lophon  aus 
Knosos,  Tuiv  dErifTiTuiv,  heiszt  es,  er  habe  xP^lCfiouc  £v  iia^ip^u 
geliefert  und  gesagt,  Amphiaraos  habe  den  gegen  Theben  ziehenden  Argi- 
vern  dieselben  erteilt,  1,  34,  4.  ob  diese  beiden  metrischen  schriltea 
exegesen  waren,  darf  bezweifelt  werden ;  wol  konnte  der  argivische  eie- 
get  Leukeas  ein  epos  über  die  thalen  des  Pyrrhos  oder  ein  kürzeres 
gedieht  auf  den  tod  desselben  gemacht  haben ;  und  wenn  bei  gelegeaheil 
von  Oropos  xpiicjitoi  des  lophon  angeführt  werden,  so  sind  diese  einem 
gedieh te  des  Knosiers  entlehnt,  dessen  reize  Paus,  ausdrücklich  rühmt, 
welches  aber  mit  der  exegese  von  Oropos  nichts  zu  Ihun  hat.  demnach 
gehören  diese  schriften  oder  schriflchen  nur  insofern  hierher,  als  ihre 
Verfasser  zugleich  auch  exegeten  waren. 

2.  Die  natur  der  sache  brachte  es  mit  sich ,  dasz  bei  den  gröszero 
tempeln,  thesauren  usw.  eigene  personen  angestellt  waren,  deueu  die 
bewahning  der  schätze  und  kunstwerke  oblag,  und  welche  dieselben  den 
fremden  zeigten  und  erklärten,  sich  auch  wol  dadurch  eine  nebeoeio- 
nähme  verschafften,  dasz  sie  bücheichen  zum  verkaufe  verfaszlen,  gerade 
so  wie  es  in  gleichen  Verhältnissen  auch  bei  uns  der  fall  ist;  und  wir 
brauchen  nicht  zu  zweifeln ,  dasz  unter  diesen  katalogen  manche  waren, 
die  einen  wissenschaftlichen  werth  hatten,  ein  solcher  angestellter  eie- 
get  wird  allerdings  nur  5,  15,  10  erwähnt,  und  noch  dazu,  wie  es 
scheint,  nicht  bei  einem  bestimmten  tempel,  sondern  mit  unbekannter 
function  bei  den  groszen  eleischen  opferzügen  in  Olympia,  möglicher- 
weise bekleidete  der  5,  20, 4  erwähnte  Aristarchos,  ö  tOuv  'OXu^iriaciv 
ÜrWlf^A^  zu  des  Paus,  zeiten  diese  stelle ,  der  sich  hier  als  exegel  des 
Heräons  zeigL  bei  den  opfern  lag  ihnen  vielleicht  die  Währung  des  her- 
kömmlichen riluals  ob.  unter  den  5, 18, 6  in  der  mehrzahl  genannten  eie- 
geten,  welche  über  die  öine  darstellung  an  der  Kypseloslade  verschiedene 
erklärungen  gaben,  möchte  ich  von  solchen  angestellten  tempelbeamteo 
verfaszte  schriften  verstehen,  auf  solche  aufzeichnungen  beziehe  ich 
nicht  allein  5,  21,  8,  sondern  auch  5, 21, 9,  wo  die  angäbe  der  eleischen 
exegeten  den  amtlichen  Verzeichnissen  der  Eleer  entgegengesetzt  wird. 
bemerkenswerth  ist  die  stelle  5,  10,  7.  hier  wird  erzählt,  die  Trözenier 
nennten  den  wagenlenker  des  Pelops  Sphairos,  während  6  ^nTn*^^^ 
^v  'OXujLiTriqi  ihm  an  der  darstellung  im  giebelfelde  des  olympischen  Zeos 

6)  mehrere  notizen,  welche  allerdings  wahrscheinlich  auf  mündliche 
mitteilnngen  oder  auf  schriftliehe  anfzeichnung  xurüokznfÜhren  sind, 
müssen  hier  übergangen  werden,  da  sich  nicht  nachweisen  I&sst,  oh 
sie  von  exegeten  dem  stände  nach  herrühren. 


J.  H.  Gl).  Schubart:  Verschiebungen  im  Pausanias.  829 

den  namen  Killas  gebe,  darf  man  den  singular  pressen ,  so  haben  wir 
hier  den  oben  erwähnten  Aristarchos  wieder:  denn  Paus,  beruft  sich 
ebenfalls  auf  dessen  mündliche  erkISrung.  schriftliche  notizeu  dagegen 
vermute  ich  5 ,  6 ,  6  unter  den  eleischen  exegeten ,  welche  ein  ereignis 
aus  Xenophons  leben  erzählten ;  wie  leicht  aber  solche  dinge  traditionell 
wurden  und  sich  in  sage  und  schrift  fortpflanzten ,  liegt  auf  der  band, 
alle  jetzt  genannten  exegeten  waren  eleische,  und  ich  denice  bei  ihnen  an 
angestellte  beamte,  weil  solche  hier  bezeugt  sind  und  alle  angaben  sich 
ohne  schwieriglieit  auf  sie  zurQckfQhren  lassen. 

3.  Auszer  diesen  exegeten,  welche  das  geschäft  amtlich  betrieben, 
gab  es  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  auch  solche  die  ein  gewerbe  daraus 
machten  oder  die  sich  aus  liebliaberei  der  erforschung  tujv  ^mxujpiujv 
widmeten  und  ihre  kenntnisse  in  schriften  niederlegten  oder  wol  auch 
die  führer  angesehener  fremden  machten,  alles  gerade  so  wie  es  zu  unserer 
zeit  in  Italien  vorkommt,  wenn  ich  die  folgenden  belege  hier  einreihe, 
so  geschieht  dies  nur,  weil  ich  für  die  amtliche  Stellung  dieser  exegeten 
keinen  beweis  habe;  immerhin  bleibt  es  darum  möglich,  dasz  der  eine 
oder  der  andere  in  die  zweite  classe  gehörte,  an  schriftliche  fuhrer  haben 
wir  höchst  wahrscheinlich  1, 42, 4  zu  denken:  Paus,  erwähnt  eines  tem- 
pels  der  Athena  Aiantis  mit  der  bemerkung  Ta  de  ainö  Metoipdiuv  ira- 
peiTai  ToTc  dEilTYl'rotTc,  weshalb  er  seine  meinung  mitteilen  wolle,  auch 
die  'ApT€iuJV  iirwx^^i  2,  23,  6,  welche  nur  als  die  organe  der  in  Argos 
herschenden  meinung  erscheinen  (vgL  %  5),  mögen  geschriebene 
stadigescbichten  gewesen  sein ,  wie  aus  XdXT]6€V  und  X^TOUCi  hervor- 
geht, es  ist  vom  Palladion  die  rede,  und  Paus,  macht  ihnen  den  Vorwurf, 
dasz  sie  gegen  besseres  wissen  die  volksmeinung  vortrügen.  2,  31,  4  ist 
von  einem  tempel  der  Artemis  Lykeia  In  Trözen  die  rede;  da  Paus,  über 
den  beinamen  von  den  exegeten  nichts  erfahren  konnte,  trägt  er  seine 
meinung  vor.  dasz  die  Stadt  Andania  ihren  nameu  von  einem  weibe  habe, 
ist  einstimmige  ansieht  der  exegeten  4, 33,  6.  der  TiXrv  dirtxuipiuiv  TTa- 
TpeOciv  iirxxryiilC  erzählte  (ihm)  etwas  von  dem  Olympioniken  Cheilon, 
was  er  selbst  6 ,  4,  7  unter  anderm  als  Vermutung  ausgesprochen  hat, 
nemlich  dasz  derselbe  auf  eigene  band  sich  an  dem  kriege  um  Lamia 
beteiligt  habe  und  daselbst  gefallen  sei;  eine  in  mehrfacher  beziehung 
interessante  stelle.  9,  3,  3  widerspricht  er  dem  was  ö  TUlv  dTitxujpiuJV 
dHrf(T)Tr]C  über  die  periodischen  Dädalafeste  (ihm)  mitgeteilt  hat.  über 
eine  gewisse  bauart  konnten  ihm  o\  CiKUUJviuJV  dSliiniTai  keine  auskunft 
geben  2,  9,  7. 

Aus  allen  diesen  stellen  —  denn  1 ,  35,  8  den  wunderlichen  streit 
mit  Aubuüv  dHriTn'^oi^c  können  wir  als  fernliegend  übergehen  —  geht 
hervor  dasz  sich  Paus,  zwar  bei  den  exegeten  nach  manchem  erkundigte, 
darunter  nach  dingen  deren  kenntnis  man  nicht  eben  bei  jedem  lohnbe- 
dienten voraussetzen  darf;  es  geht  ferner  unbestreitbar  daraus  hervor, 
dasz  er  die  Unabhängigkeit  seines  Urteils  sehr  wol  zu  wahren  wüste,  dasz 
er  keineswegs  blindlings  seinen  fflhrern  folgte,  dasz  er  nicht  nur  das  auf- 
zeichnete, was  ihm  von  den  mitteilungen  derselben  beachtenswerth  er- 
schien ,  nicht  mehr  nicht  weniger ;  es  wird  endlich  daraus  hervorgehen. 


830  J.  H.  Ch.  Schabart:  verschiebungeD  im  Pausanias. 

dasz  alle  diese  exegelen  auf  einer  höliereD  stufe  der  bildang  standen  als 
man  denen  zuzutrauen  braucht,  welche  etwa  am  Dipylon  ihre  bauptstaiion 
hatten,  um  die  ankommenden  fremden  abzufangen,  da  alle  die  orte,  wo 
kunsl-  oder  andere  schätze  aufbewahrt  wurden,  gerade  wie  bei  ans,  ihre 
eigenen  custoden  hatten,  die  fremden  aber,  ebenfalls  wie  bei  uns,  von 
diesen  ihre  belehrung  einholten,  so  blieb  für  die  lohnbedienten  am  Dipylon 
lediglich  das  geschäft  den  eiligen  fremden  an  den  verlangten  platz  hinzu- 
führen, es  darf  allerdings  nicht  bezweifelt  werden ,  weil  es  eine  nator- 
liche  notwendigkeit  ist,  dasz  es  auch  im  altertum  in  den  bedeulenderai 
Städten  leute  gab,  welche  als  führer  oder  Wegweiser  den  fremden  dieoteO) 
diesen  auch  an  den  besuchtesten  orten  ihre  dienste  anboten  —  die  eio- 
zige  spur  eines  solchen  bei  Paus,  haben  wir  1,41,2,  wo  ihm  zwar  der 
titei  0  tOjv  imxuipiuiv  iEiiTTlTfic  gegeben  wird,  die  mitgeteilte  noiix 
aber  eine  echte  führernotiz  ist  — ;  dasz  sie  aber  zu  diesem  zweck  eine 
Stadt  in  gewisse  regionen  geteilt  und  dieselben  unter  sich  verteilt  bStteo, 
so  dasz  der  fremde  beim  eintritt  in  eine  andere  region  den  orisfobrer 
wechselte,  ist  an  sich  schwer  glaublich  und  entbehrt  jedes  beweises, 
ja  jeder  analogie;  es  erscheint  mir  eine  solche  annähme  wenig  geeignet, 
um  dadurch  eine  schwierige  frage  zu  erledigen. 

Eine  Schwierigkeit  soll  nicht  durch  eine  gröszere  Schwierigkeit  be- 
seitigt werden,  betrachten  wir  einmal  die  sache  ganz  einfach,  wie  es 
jetzt  sein  würde,  wie  es  damals  gewesen  sein  musz.  Pausanias,  ein  erfah- 
rener reisender  und  ein  wolhabender  mann  —  denn  wie  hätte  er  sonst 
so  grosze  reisen  machen  können?  —  kam  zur  see  an  und  gieng  alsbald 
von  der  küste  nach  der  Stadt;  sklaven  trugen  sein  gepäck;  am  thor  ao^e- 
kommen,  gleichgiltig  an  welchem,  zog  er  nicht  etwa  seine  schrdblafei 
heraus  und  begann  die  aufzeichnung  der  nächsten  gebäude  und  kunsl- 
denkmäler,  sondern  er  erkundigte  sich  nach  einem  Wirtshaus  oder  einem 
gastfreunde,  an  empfehlungen  wird  es  ihm  ja  nicht  gefehlt  haben,  zu- 
nächst suchte  er  sich  nun  in  der  Stadt  zu  orientieren  in  hegleilung  eines 
freundes  oder,  mag  es  sein,  eines  lohnbedienten,  falls  er  es  nicht  vorzog 
die  eben  nicht  allzu  grosze  sladt  allein  zu  durchwandern ;  war  er  nur 
einigermaszeu  neugierig,  so  besuchte  er  zuerst  die  akropolis,  dann  wie 
es  der  zufall,  der  lauf  der  straszen  fügte,  die  anderen  Stadtteile. *)  dasi 
er  mit  dem  plane  eine  topographische  beschreibung  zu  liefern  schon  ein- 
getreten sei  und  gleich  am  eingangsthor  damit  begonnen  habe,  bis  er  erst 
in  der  Stadt  belehrt  wurde,  wie  man  am  zweckmäszigsten  eine  syste- 
matische besichtigung  vorzunehmen  habe,  hat  nur  wenig  Wahrscheinlich- 
keit; mindestens  ist  die  andere  annähme,  dasz  erst  nach  besichtigung  der 
Stadt  der  reichtum  an  denkmälern  in  ihm  den  gedanken  erweckte  diesel- 
ben aufzuzeichnen,  ebenso  berechtigt,  über  die  dauer  seines  aufenlbaltes 
wissen  wir  gar  nichts ;  sechs  bis  sieben  tage  anzunehmen  ist  ebenso  will- 
lieh  als  sechs  bis  sieben  wochen;  dennoch  neige  ich  mich  lieber  der 


7)  hat  man  überall  berücksichtigt,  dasE  nach  dem  strasseosii^ 
mancbe  gebäude  so  lagen,  dasK  der  besuoher  andere,  weit  entfernte 
eher  erreichte  aU  die  n&her  gelegenen? 


J.  H.  Cb.  Schubart:  verschiebungea  im  Pausanias.  831 

Jelzteren  amiabme  zu,  weil  ich  mir  vorstelle,  er  habe  seine  Attika  in  Athen 
geschrieben  und  (gerade  wie  ja  auch  unsere  Romrahrer,  wenn  sie  einige 
Wochen  in  Rom  gewesen  sind ,  schnell  über  einen  alten  stein  oder  eine 
bemalte  scherbe  etwas  schreiben  und  drucken  lassen,  weil  es  doch  eine 
sflnde  wäre  die  gelehrte  weit  länger  in  Spannung  zu  erhalten ,  und  weil 
es  so  hflbsch  ist  ein  werk  mit  seinem  namen  in  der  ewigen  Stadt  gedruckt 
zu  sehen)  —  und  alsbald  herausgegeben,  wobei  er  dann  seine  junge  ge- 
lelirsamkeit  in  den  so  ungehörigen  episoden  niederlegte,  zeit  war  dazu 
immerhin  erforderlich,  wenn  auch  nicht  so  viel  als  zur  ausfüllung  des 
raumes  zwischen  der  abfassung  des  ersten  und  zweiten  buches  notwendig 
angenommen  werden  musz.  wol  aber  konnte  er  nach  herausgäbe  des 
ersten  huches  sich  noch  längere  zeit  in  Athen  aufhalten  und  ernstere 
Studien  betreiben,  so  dasz  er  mit  gereifteren  kennlnissen  und  fortge- 
schrittener bildung  seine  weitere  reise  fortsetzen  konnte  und  nun  auch 
seine  mit  sichererem  plane  ausgeführte  arbeit  nicht  so  übereilt  in  die 
offen tliclikeit  zu  bringen  brauchte,  einen  gesunden  plan  vermissen  wir 
aber  im  ersten  buche  leider  nur  zu  sehr;  die  denk  Würdigkeiten  zeichne^ 
er  auf  in  der  Ordnung,  wie  er  sich  dieselben  gleich  anfänglich  aufge- 
schrieben halte,  ohne  durchgreifende  Überarbeitung;  dasz  ihn,  wieder- 
hole ich,  von  vorn  herein  die  absieht  geleitet  habe,  eine 
regelrechte  topographische  beschreibung  Athens  zu  lie- 
fe rn, sind  wir  durchaus  nicht  genötigt  anzunehmen;  springt 
er  also  von  der  route  ab ,  nach  einer  ganz  andern  gegend  hin ,  nun  so 
mag  ihn  einer  der  hundert  möglichen  zufalle  in  der  Wirklichkeit  dahin 
geführt  haben;  den  absprung  entweder  ausdrücklich  zu  bemerken  oder 
bei  der  Überarbeitung  auszugleichen  hatte  er  nicht  nötig,  da  er  eben 
keine  topographie  versprochen  hatte,  man  kann  sagen,  diese  hypothese 
stehe  in  der  luft;  mag  sein;  sind  die  andern  auf  felsen  gegründet? 

Gern  hätte  ich  den  schriftsteiler,  dem  ich  fast  mein  ganzes  leben 
gewidmet,  in  günstigerem  lichte  erscheinen  lassen,  um  so  mehr  da  in 
neuester  zeit  die  urteile  über  ihn  immer  schneidender  werden,  hat  doch 
ein,  errathe  ich  den  namen  richtig,  berühmter  philolog  ganz  kürzlich 
selbst  die  religiösen  anschauungen  des  Pausanias  für  eitel  heuchelei  und 
alberne  nachäfifung  der  Herodotischen  auszugeben  den  versuch  gemacht. 
ich  weisz  kaum  einen  schriAsteller,  den  man  in  gleichem  masz0  benutzt 
und  mit  ladel  überschüttet,  wie  den  Pausanias;  ist  das  nicht  eine  art 
von  lob? 

EIassel.  Joh.  Hbinbioh  Ch.  Sohubast. 


832  A.  Schaefer:  ArisU>demos  echt  oder  unecbt? 

(35.) 

AKISTODEMOS  ECHT  ODER  UNECHT? 


Seit  ich  gleichzeitig  mit  BQcheler  in  dieser  zeitBchrift  oben  s.  81  ff. 
das  von  C.  Wescher  herausgegebene  bruchslOck  des  Arislodemos  besprach, 
erschien  im  rhein.  museum  XXIII  s.  303  ff.  ein  aufsalz  von  Curt  Wachs- 
muth,  in  welchem  die  unechtheit  des  *neuen  historikers'  behauptet  wird. 
nach  Bflchelers  entgegnung  oben  s.  237  ff.  hat  Wachsmuth  wiederum  im 
rh.  mus.  XXIII  s.  582  ff.  seine  ansieht  verlheidigt,  endlich  ebd.  s.  673  ff.  in 
einem  schluszworte  einige  puncte  nochmals  besprochen,  veranlaszt  durch 
eine  abhandlung  von  Hermann  Hiecke,  der  in  der  haoptsache  mit  ihm  ein- 
verstanden den  *  unechten  Aristodemos'  in  der  z.  f.  d.  gymnasiaiwesen 
1868  s.  721  ff.  beleuchtet  hat.  Ich  geatelie  dasz  leb  ungern  auf  den  so 
wenig  ergibigen  fund  zurückkomme,  aber  ich  mag  nicht  durch  sliil- 
schweigen  den  schein  auf  mich  laden  als  flberhöbe  ich  mich  der  mühe 
eine  der  meinigen  entgegenstehende  ansieht  zu  prüfen. 

Allerdings  bin  ich  keinen  augenblick  an  der  Überzeugung  irre  ge- 
worden dasz  wir  es  mit  einem  oberflächlich  compilierten  Schulbuch  eines 
alten  grammatikers,  und  nidil  mit  einer  modernen  ßlschung  zu  thun 
haben,  was  die  beschaffenheit  der  handschrift  betrifft ,  so  kann  ich  den 
gegen  Dflbners  (s.  E.  Hiller  im  Journal  des  savans  1868  niai  s.  318  f.}, 
Weschers  und  Neynckes  zeugnis  ohne  neue  technische  prüfung  derselben 
erhobenen  bedenken  kein  gewicht  beilegen ;  ebenso  wenig  vermag  ich  io 
den  vielfaltigen  Verderbnissen  ein  versteckenspielen  des  schlauen  belrü- 
gers  zu  erkennen ,  der  sie  eingeschwSrzt  haben  soll,  am  wenigsten  fasse 
ich  wie  die  von  Wachsmuth  gesammelten  und  von  Hiecke  des  weiteren 
besprochenen  parallelstellen  aus  anderen  alten  Schriftstellern  den  Verfasser 
als  ein  kind  unserer  tage  erweisen  sollen,  ein  moderner  bischer  hStle 
meines  erachtens  seineu  leitfaden  entweder  aus  einer  neuem  bearbeilung 
der  griechischen  geschichte  entnommen,  oder  aus  einem  alten  schrid- 
steller,  und  seine  paraphrase  mit  da  und  dorther  aufgelesenen  läppen 
ausgeputzt,  deren  risse  und  nähte  überall  durchscheinen  würden,  dagegen 
halte  ich  einen  heutigen  Graeculus  für  unfähig  eine  so  künstliche  masiT- 
arbeit ,  wie  sie  in  der  behaupteten  fälschung  vorausgesetzt  wird,  in  einen 
von  anfang  bis  zu  ende  gleichmäszigen  slil  der  erzählung  einzukleiden, 
es  erscheint  mir  einfach  ein  unding  zu  behaupten,  wie  Hiecke  thut(s.735 
vgl.  731 — 733),  dasz  die  zwölf  zeilen  über  das  ende  des  Themlslokles 
s.  360,  6 — 18  ^aus  Thukydldes,  dem  ersten  und  zweiten  schollen  zu 
Aristophanes  rittern  (v.  84)  und  dann  gar  in  den  kleinsten  Satzteilen  ab- 
wechselnd aus  dem  zweiten  schollon  und  Diodor'  zusammengetragen  seien, 
ich  erkenne  hierin  nichts  anderes  als  dasz  wir  eine  aus  der  gleichen  schnl- 
tradition  entnommene  erzählung  lesen,  aus  der  auch  die  scholien  Über- 
reste haben,  nicht  anders  verhält  es  sich  mit  der  geschichte  von  der  ve^ 
rätherei  und  dem  tode  des  Pausanias  s.  357,  7  bis  359,  4,  welche  in 
dreizehn  absätzen  aus  Plutarch,  Pausanias,  Thukydldes,  DIodor,  Suidas 
zusammengestoppelt  sein  soll,  ohne  dasz  die  parailelstellen  vöUig  aus- 


A.  Schaefer:  Aristodemos  echt  oder  unecht?  83$ 

reicheo  wollen,  bemerkt  doch  Hiedce  selbst  s.  727:  ^auffallend  bleibt 
aber,  dasz  sich  Aristodemos  nirgends  an  die  von  Plutarch  und  Pansanias 
gebrauchten  ausdrucke  anlehnt,  sollte  es  noch  ehie  andere  quelle  geben, 
die  er  hAtte  benutzen  können?' 

Besonderer  nacbdruck  is€  darauf  gelegt  dasz  Aristodemos  s.  362, 16 
bis  363,18  aus  denPh^iudeischen  scholien  zu  Hermogenes  (ir.  eup^ccuic 
II  5  8.  80  ÖTi  Tdc  TpiOKOvrouieic  cirovbdc  fXucav)  V  s.  388  (Walz) 
abgeschrieben  sei.  dagegen  scheint  mir  gleich  aus  dem  ersten  satze  fOr 
einen  unbefangenen  beurteiler  so  klar  zu  erhellen  dasz  Aristodemos  das 
original  gibt  welches  den  scholien  zu  gründe  liegt,  dasz  ich  nicht  unter- 
lassen mag  ihn  lodimab  herzusetzen: 

Nach  dem  kyprischen  kriege  und  Schol.  Hermug. :  TpiaKOVTOiJT€tc 
Kimons  tode  spricht  Aristodemos  von  crrovbai  aiSrai*  juerä  Td  Mr)biKa 
Kailias  und  fährt  fort :  fjbil  E^pEou  dfto96ap6rroc  xal 

^ApToS^pSou  £iri6€)i6^TO<0  vioO 
ceü0ic  ToTc  Kard  tf\v  *Adav'€XXii- 
vtKotc  irpdYMoa  Ka\  btoupöpuic 
odroc  6  KaXXiac  ^crrelcaro  npdc  ditoKpoucWvroc    ti|c    iXiriöoc, 
'ApToS^p&lv  Kai  Toöc  Xonroic  €?TacTrovbd&v*6XXTiciT€Vop^a)v 
TT^pcac.  if4voYTO  bi.  a\  arovbai  xd  ßapßdpoic ,  alc  öpia  direiri^- 
iTx\  ToTcöe*  ^9*  &  ÄVTÖc  Kuav^uiv  T€cov  Kudveai  ir^pai  kgA  wotq- 
Kai  N^ccou  TrOTCtiüioO  xal  Oac/jXi-  pöc  N^ccoc  koI  0dcr)Xi€ 
öoc,  f\T\c  dcrl  TTÖXic  TTajuicpiAtac,  iröXic  TTajLicpuXiac 
xal    XeXibov^ujV    iii\    jiiaKpotc  xal  X€Xtbu)v^at  dKpumfjpiov, 
irXoiotc  KaTaYrX^u)Ct  TT^pcat,  xal 
ivrbc  Tpiüöv  f||üi€piöv  6bo()  f\v  fiv 
tinroc  dvucij  biu)K6|ui€V0C  jiifi  Ka* 
Tiujciv.  KalcrrovbaloöviT^ovTO 

TOiaOrot.  |Li€Td  bi  töOtö  *6XXii-  4t^v€to  'CXXitci  btaf»opd  Ü  aU 
viKÖc  irdXe^oc  tfivero  HE  aWac  riac  TOiaütiic. 

TOiaUTTlC. 

Ueber  die  Varianten  in  den  folgenden  fast  gleichlautenden  zeilen 
habe  ich  nach  dem  was  Bflcheler  (oben  s.  240)  darüber  gesagt  bat  nichts 
weiter  zu  bemerken,  übrigens  erinnere  ich  dasz  die  handschrift  des 
Aristodemos  in  den  vom  schollasten  übergangenen  werten  s.  363,  1 
nicht  dvucq  sondern  dvoicQ  hat;  nicht  völlig  entsprechen  Diodor  XII  4 
Touc  bfe  Tiöv  TTcpcÄv  caipdiiac  juifi  KaTaßaiveiv  ln\  OdXatrav  Kaiu)- 
T^pu)  Tptüüv  fifiepuiv  öböv.  Demoslheoes  ti.  TrapaTrp.  273  s.  428  sagt 
TiTirou  piv  bpö^ov  fui^pac  neCrji  ixi\  xaraßaCvetv  in\  ii\y  ddXarrav 
ßaciX^a  Plutarch  Kimoa  13  Tutrou  \xky  bpö)üiov  del  ttIc  '£XXriviKf)c 
öniX^xyf  GoXdcciic.  Suidas  u,  KOmjjv  *  —  \ir\bk  Xnnox)  bpöjiiov  fm^pac 
€VTÖc  liii  OdXarrav  xaTaßaiveiv  ßaciX^a.  an  andern  stellen  wird  die 
eotfernung  auf  400  oder  500  Stadien  angesetzt. 

Französische  gelehrte  haben  dem  neugefuudenen  fragmente  unver- 
diente  lobsprüche  gespendet,  und  die  gesellschaA  zur  befdrderung  der 
griechischen  sludien  in  Frankreich  hat  sich  veranlaszt  gesehen  einen  ab- 

JahrbQcher  fGür  clats.  philol.  18S8  hft.  12.  54 


S34  G.  Meyncke:  über  die  bandschrift  des  Arislodemos. 

drack  desselben  in  ibren  jahresbericbt  aufiaoebmen  (annuair*  de  Fasse- 
cialion  poor  rencouragement  des  eludes  Grecqaes  en  France.  2^  annee, 
Paris  1868 ,  s.  53 — 78).  nnler  uns  Deutschen  lul  niemand  es  rühmens- 
werlh  gefanden,  dher  als  ein  zengnis  der  getstesrerflacfaung  in  den  schulen 
griechischer  granunaliker  wird  es  denke  ich  seinen  platz  behaupten. 

BoMH.  Abhold  Schaefbb. 


108. 
ÜBER  DIE  HANDSCHKIFT  DES  AMSTODEMOS. 


Die  beiden  scharfsinnigen  aufsitze  von  hm.  C.  Wachsmutb  im  rhefai. 
museum  XXII!  s.  303  ff.  und  s.  582  ff.  und  die  sorgßllige  parallelstellen- 
samlung  von  hrn.  H.  Blecke  in  der  z.  f.  d.  gjmnasialwesen  1868  s.  721  ff. 
haben  so  sehr  die  allgemeine  aufmerksamkelt  auf  die  Pariser  handscbrift 
nr.  607  (des  griechischen  Supplementes)  geriditel,  dasz  einige  genauere 
nolizen  aber  die  blSlter,  deren  Inhalt  excerpte  aus  Philostratos  und  Aris- 
todemos  sowie  einige  medicinische  fragmente  bilden,  nicht  ohne  interesse 
sein  dOrflen. 

Schon  im  verOossenen  frfihling  halle  ich,  um  den  anfragen  der  hm. 
Bficheler  und  Wachsmutb  über  einzelne  puncte  nachzukommen ,  die  hs. 
<Ier  griechischen  poliorkeiiker  eingesehen ,  jedoch  nur  fluchtig,  da  es  mir 
2u  einer  genauem  pröfung  an  zeit  fehlte  und  die  kaiseriiche  bibllotbek 
plötzlich  geschlossen  wurde,  einige  meiner  damak  gemachten  angaben 
sind  inzwischen  von  den  genannten  herren  aus  meinen  briefen  im  rhein. 
museum  a.  o.  s.  585  und  in  diesen  jabrbächem  oben  s.  237  veröffent- 
licht worden,  im  allgemeinen  und  in  allen  wesentlichen  puncten  kann 
ich  meine  frfiheren  angaben,  nachdem  ich  die  hs.  aufs  neue  durchgesehen, 
nur  besUtigeu ;  einige  bedürfen  aber  einer  modification  oder  wenigstens 
prScislerung ;  andere  sind  nachzutragen. 

Zuvor  musz  ich  gestehen ,  dasz  weniger  die  von  hrn.  Hiecke ,  von 
dem  man  sagen  kann  'qui  nimium  probat  nihil  probat' ,  als  die  von  hm. 
Wachsmutb  namentlich  in  seinem  zweiten  aufsatze  voi^ebrachten  Ter- 
daclitsgrOnde,  von  denen,  einzeln  betrachtet,  keiner  zwingend  ist,  in  ihrer 
gesamtheit  ein  solches  gewicht  ausüben,  dasz  ich  durch  dieselben  wahr- 
scheinlich selbst  von  der  f^lscliung  der  Aristodemos-excerpte  überzeugt 
worden  wäre  —  wenn  ich  die  handschrift  nicht  gesehen  hätte. 

Im  folgenden  will  idi  nun  durchaus  nicht  den  beweis  der  echtheit 
antreten,  welcher  der  natur  der  sache  nach  unter  keinen  umstlnden  weder 
in  diesem  noch  in  einem  andern  falle  geführt  werden  kann,  noch  weniger 
die  Unmöglichkeit  der  fälschung  nachweisen,  da  ich  nicht  zu  denen  ge- 
höre, welche  die  grenzen  des  möglichen  eng  zu  stecken  pflegen;  son- 
dem  es  kommt  mir  nur  darauf  an  deu  thatbestand  nach  einigen  seilen 
iiin  festzustellen  und  manche  puncte  scharfer  zu  bestimmen.') 

X)  ich  wiederhole  hier  von  der  allgemeinen  beschreibong  der  band- 


G.  Meyncke:  Ober  die  haodschrifl  des  Aristodemos.  835 

Der  kern  der  hs.  (bekanntlich  die  griechischen  poHurketiker  und  eine 
mililärische  beispielsamlung  enthaltend)  ist  durch  sechs  bidtter  unterbro- 
chen, und  zwar  so  dasz  das  erste  (fol.  81  nach  der  neuen  zAhlung)  vor 
ein  einzelnes  zum  hanptteile  gehöriges  blatt  (fol.  82)  eingeschoben  ist, 
während  sich  die  fQnf  flbrigeu  hinter  einander  vor  der  militärischen  bei- 
spielsamlung befinden,  dem  schriftcharakter  nach  scheint  dieser  ganze 
teil  der  hs. ,  die  erwähnten  sechs  blätter  fremdartigen  inhalls  mit  einbe- 
griffen ,  dem  zehnten  oder  elften  jh.  anzugehören,  genaueres  wage  ich 
über  die  zeit  nicht  zu  versichern. 

Die  elf  Aristodemos  und  Philostratos  enthaltenden  selten  sind  ein 
wenig  kleiner  und  enger  geschrieben ,  als  es  meistens  in  dem  hauptteile 
der  fall  ist.  übrigens  sind  in  den  poliorkelikern  selbst  drei  bis  vier  ver- 
schiedene bände  zu  unterscheiden ,  wie  hr.  Wescher  bereits  bemerkt  hat 
auch  finden  sich  im  ganzen  kerne  der  hs.,  hin  und  wieder  zerstreut, 
namentlich  aber  zwischen  fol.  19^  und  61^,  Seiten  die  durchgängig 
dem  schriftcharakter  nach  von  dem  Aristodemos-Philostratos-teile  kaum 
abweichen,  bisweilen  selbst  eine  noch  kleinere  form  der  buchstaben  auf- 
weisen als  die  in  den  verdächtigten  blättern  durchschnittlich  angewen- 
dete, man  könnte  in  dieser  beziehung  zur  vergleichung  auf  fol.  46*  bis 
47  ^  oder  fol.  51  hinweisen,  welche  von  einer  band  geschrieben  sind,  die 
überhaupt  derjenigen,  von  welcher  Philostratos  und  Aristodemos  her- 
rühren, sehr  ähnlich  ist,  ohne  ihr  jedoch  völlig  zu  gleichen. 

Die  betreffenden  blätter  waren  mit  dem  kerne  der  hs.  durch  einen 
frühern  einband  verbunden,  den  man  natürlich  verwerfen  muste,  als 
man  noch  andere  Schriften ,  Lysias  usw.,  die  sich  alle  zusammen  in  dem 
jetzigen  einbände  befinden,  damit  verschmelzen  wollte,  auf  diese  an- 
nähme führt  die  alte  griechische  paginierung ,  auf  die  ich  später  zurück- 
kommen werde,  wälirend  im  kerne  der  hs.  durchgängig  ziemlich  breite 
ränder  an  beiden  selten  sowie  oben  und  unten  leer  gelassen  sind,  findet 
man  die  elf  besonders  in  betracht  gezogenen  seiten  fast  ganz  beschrie- 
ben, dasz  nach  auszen  die  buchstaben  des  teztes  jetzt  dicht  an  den 
rand  reichen,  ist  zum  teil  aus  der  starken  beschneidung  der  blätter, 
bevor  sie  dem  jetzigen  einbände  einverleibt  wurden ,  zu  erklären ;  nach 
innen  ist  aber  gleichfalls  ein  verhältnismäszig  sehr  schmaler  räum  frei 
gelassen. 

Hau  möchte  aus  dem  umstände,  dasz  die  randbemerkungen  auf  den 
Aristodemos -Philostratos-blättern  so  verstümmelt  sind ,  dasz  sie  heute 
gröstenteils  nicht  mehr  entziffert  werden  können ,  zu  schlieszen  geneigt 
sein ,  dasz  das  format  der  folien  ursprünglich  gröszer  war  als  das  im 
üiirigen  teile  der  hs.  angewendete,  diese  annähme  ist  aber  nicht  nur  an 
sich  sehr  unsicher,  sondern  man  könnte  selbst  gegen  dieselbe  anführen, 
dasz  auf  fol.  83*  d.  h.  der  Vorderseite  eines  blattes  dessen  rückseite  mit 
Aristodemos  beschrieben  ist,  die  ränder  fast  ebenso  breit  sind. wie  im 


Schrift,  welche  von  hm,  Wescher  mit  musterhafter  genauiskeit  geliefert 
worden  ist,  nur  dasjenige  was  zur  beurteilung  der  sechs  blätter,  welche 
die  oben  angegebenen  stücke  enthalten,  anentbehrlich  ist. 

54* 


836  G.  Heyncke:  Ober  die  bandschrifl  des  Alistod 

kerne  der  hs.,  gaox  zn  geachweigeB,  dasz  wir  gar  nichl  wismb  köoBcn 
wie  weit  die  rlBder  im  iLerse  der  hs.  dorcfa  die  besciuMidoBg  der  bUuer 
veri(firzt  waren,  da  auch  dort  randliemerkiiogeB  erster  band  voi  der 
sciiere  nicht  verschont  gebKeiien  sind.  wttnscM  flbrigens  jemand  die 
▼erschiedenartiglteit  des  Inhrits  der  sedis  bewnsten  IdStter  von  dea  po- 
KoitetÜLem  zur  anterstatzung  des  beweises  der  fUschung  hcranzBielMi, 
so  ist  er  dazu  dnrch  das  ohen  von  mir  fliier  die  lireite  der  rinder  gesäte 
noch  melir  bereclitigt  als  vor  bervorhebong  dieses  nmstandes.  dRe  an- 
nähme eines  grdszem  formales  wSre  dazu  völlig  iAcrllAssig. 

BeilSufig  hemeike  ich,  dasz  weder  die  poliorfceliker  noch,  nad  viel 
weniger  (wie  sich  zum  teil  schon  aus  der  Sparsamkeit  ndt  dem  petgamest 
ergibt)  die  PhÜostratos-Aristodemos-partien  als  kalligrapliisclie  sckrifl- 
muster  des  zeluntea  bis  elften  jh.  betrachtet  werden  können,  wie  etira 
die  ungeßhr  gleichzdlige  Demostlienes-iiandsdtfifl  (^,  wekkt  ich  oiit 
nr.  607  verglichen  bal>e.  vielmehr  sind  diese  teile  ebenso  wie  dk  mili- 
tlriscbe  beispieisamlnng  nüt  einer  gewissoi  noncbalance  geschrieben  nad 
weit  entfant  von  der  sorgCalt  die  auf  prachtliaiidscIinfteB  verwcadet  xu 
werden  pflegte,  die  figuren  z.  b.  in  dem  die  poliorkeliker  umEisieadeB 
teil  sind  weder  was  zeidmung  noch  was  maieiei  betrilä  gut  aoagefihrt 
und  bieten  der  betrachtung  nacht  den  geringsten  genusz  dar. 

Auf  die  alte  paginiemng  mit  griechischen  zalden  oder  gar  auf  den 
alten  einband,  fiber  dessen  bedeutong  Ich  ganz  derselben  ansiebt  bin  irie 
hr.  Wachsmuth,  wäre  natürlich  nicht  das  geringste  gewicht  zu  legen, 
sobald  die  fiüscbuog  aus  anderen  gründen  bewiesen  würde,  ehe  äts 
aber  geschehen  ist,  hat  die  alle  paginieruag  allerdings  eia  gewicht,  ich 
wlederliole  dasz  dieselbe  sich  nur  auf  die  poliorkeliker,  die  sechs  uns 
beschäftigenden  bUtter  und  die  mlli  lyrische  beispiekamlang  erstredU 
d.  b.  87  folia  umüaszt   sie  ist  inmer  von  derselben  band  geschridteB^ 

schwerlich  nach  dem  16n  jlu  auf  foi.  81  Ist  die  alle  zahl,  wdche&E 
hätte  sein  BaOssen,  ganz  weggeachnitten'),  während  das  hiatt  in  die  allge- 
meine zfthiung  eingeschlossen  ist  und  sich  also  sdion  an  dieser  stelle 
liefand,  als  der  frühere  einband  die  poliorkeliker,  Philoslratos,  Anstode- 
mos  und  die  milüärische  beispielsamlung  umfaszte.  hr.  Wachsmath  stellt 
in  seinem  zweiten  aufimtze  den  fall  als  möglich  hin,  dasz  die  elf  setser 
ansieht  nach  von  einem  modernen  falscher  herrührenden  selten,  nachdem 
sie  bereits  durch  den  einband  (den  jetzt  vorhandenen  nemücfa)  mil  dem 
ülirigen  verbunden  waren,  aus  irgend  einem  gründe  leer  geblieben  sttd 
später  vom  (tticber  mil  Philoslratos  und  Arlstodemos  beschrieben  worden 
wären,  in  dieser  annähme  glaubte  ich  anfangs  selbsi  ein  neues  argomeni 
für  die  HUschung  zn  erkennen,  da  ich  bei  geieganheit  einer  nachvergiei- 
cbung  iiemerkl  halte^  dasz  am  ende  von  fol.  87  ^  die  ahkflrzungen  auaxer- 
ordenlltch  gehäuft  sind,  als  ob  der  Schreiber  das  was  ^m  noch  vorlag 


2)  beiläufig  folgt  aus  diesem  umstände,  dasz  die  starke  beschnei* 
dnng  der  ränder  zum  teil  demjenigen  Kageschrieben  werden  muss,  wel- 
eher  die  übrigen  hss.  vorn  and  hinten  mit  dem  kerne  verband  und  den 
heutigen  einband  um  das  ganze  legen  Hess. 


G.  Meyncke:  Ober  die  handschrift  des  Aristodemos.  837 

gerade  auf  diesen  räum  halle  hinbringeo  mQssen  oder  wollen.'}  bei 
n&herer  beCrachiong  zeigt  sich  aber  die  unmögUeUbeit,  das«  diese  blätter 
noeh  unbeschrieben  waren,  nachdeo  sie  sich  mhim  in  dem  jeUlgen  ein- 
band  be&nden.  die  sechs  blltter  wur.dcB  nemlich  ebepso  wie  die  noXiop* 
KTiTiKd  gleichm&szig  beschnitten,  um  mil  dem  übrigen  ^iu  corpus  zu 
bilden  und  zusammen  eingebunden  zu  weisen,  da  lum  «ber  die  randbe- 
aerlcungen  auf  denselben  durdi  die  beaelmeiduitg  ider  rSnder  verstümmelt 
worden  sind,  so  müssen  sie  vor  .dieser  beachnAidjung  geschrieben  worden 
sein,  da  ferner  die  raudbemerkungen  von  derselben  band  und  ^leichzeitif; 
mit  dem  texte,  wenigstens  nicht  früher  als  der  text  selbst,  geschrieben 
sind,  so  musz  der  text  um  so  mehr  bereits  vorhanden  gewesen  sein,  bevor 
die  verschiedenen  teile  der  hs. ,  so  wie  sie  jetzt  unter  einband  vor  uns 
liegt,  zusammengebunden  wurden,  an  eine  den  Jheutigeji  einband  nach- 
folgende aosfOliung  leergelassener  selten  ist  ^so  nicht  zu  denken. 

Hiernach  müste  der  falscher,  wenn  die  elf  selten  gefälscht  wSren, 
folgendes  verfahren  beobachtet  haben,  zunächst  brachte  er  die  betreffenden 
sechs  bUtier,  mögen  sie  nun  danuüs  leer  gewesen  sein  um  später  be- 
schrieben zu  werden,  oder  teilweise  oder  ganz  beschrieben,  genau  in  die 
läge  welche  sie  jetzt  zwischen  den  iroXiopKr]TtKd  einnehmen,  darauf 
paj^ierte  er  das  ganze  mit  den  griechischen  zahlen  nach  einem  schrift- 
muster  des  15n  bis  16n  jh.  und  liesz  es  einbinden  oder  auch  nicht, 
jedenfalls,  wenn  er  es  schon  eingebunden  hatte,  fand  er  sipMer  dasz  sein 
betr^g  auf  diese  weise  noch  niciit  hlnlünglich  vor  enldeckung  gesichert 
sei.  er  nahm  4lso  die  übrigen  hss.  hinzu  und  beschnitt  alles  stark,  die 
50  erreichte  grfiszere  maniglaUigkeit  des  inhaltes  liesz  erwarten,  dasz 
die  aufmerksamkeit  nicht  zu  schnell  auf  die  geHdschten  seilen  gerichtet 
werde,  jedenfalls  erst  nachdem  durch  den  ehrwürdigen  eindruck  des 
ganzen  das  urteil  bestochen  und  jeder  zweifei  oder  verdacht  zurücl^e- 
drängt  wäre,  zugleich  durfte  er  hoffen  dasz  die  durchschneidung  der 
randbemerkungen  wenn  nicht  seinen  blättern  ein  alleres  ausseben  ver- 
leihea,  so  doch  den  gedanken  an  eine  fälschung,  namentlich  eine  nach- 
trägliehe, ferner  rücken  würde. 

Hr.  Wachsmuth  hebt  in  seinem  zweiten  aufsalze  den  umstand  als 
auffallend  hervor,  dasz  der  abscbreiber  der  Philostratos-  und  Aristodemos- 
excerpte  dreimal  zusammengehAriges  durch  fremdartiges  getrennt,  sich 
also  dreimal  in  der  reihenfolge  geirrt  haben  sollte:  das  erste  mal  fol. 
81^  wo  Philostratos  an  anderer  stelle  fortgesetzt  wird;  zweitens  83^  wo 
statt  der  fortsetzung  des  Philostratos  Aristodemos  geJiracbl  wird;  end- 
lich 85*  wo  an  stelle  der  spater  (fol.  ^6**  bis  87**)  folgenden  fort- 
.setzung  des  Aristodemos  ein  neues  stück  von  Philostratos  anßngt  und 
zwar  zur  ergänzung  des  ersten  fol.  81^  oben  unterbrochenen  fragmentes. 
w9re  für  dieses  so  eben  auseinandergesetzte  verfahren  keine  erklärung 

3)  denkbar  ist  übrigens  wol,  dasz  diese  sechs  hltttter,  bevor  sie  in 
den  jetzigen  einband  gebracht  wurden,  nachdem  sie  aber  bereits  alle 
mit  den  poliorketikern  und  der  militärischen  beispielsamlnng  ^in  cor- 
pus bildeten,  leer  geblieben  und  später  erst,  nm  irgendwie  ansge füllt 
zu  sein,  mit  Phüostratos  und  Aristodemos  beschrieben  worden  wären. 


838  G.  Meyncke:  fiber  die  handschrifl  des  Aristodemos. 

möglich;  wäre  es  wirklich  notwendig  anzunehmen,  dasz  dem  Schreiber, 
wie  hr.  Wachsmuth  meint,  die  Zusammengehörigkeit  der  beiden  brach- 
stflcke  des  Aristodemos  und  Phllostratos  bewust  gewesen  sei,  dasz  der- 
selbe also  absichtlich  die  bestehende  Verwirrung  angerichtet  habe  —  so 
wSre  dieser  ^ine  umstand  zum  beweise  der  fUschung  hinreichend,  uner- 
klarbar  ist  aber  diese  durcheinandermischung  nicht,  es  ist  immerhio 
denkbar  und  nicht  ohne  beispiel,  dasz  dergleichen  anweisungen,  wie 

z.  b.  die  fol.  81^  oben  stehende  Zr\  TÖ  Xttrdv  TOtJTOU  ontdev  ty  u) 
ciipetov  €cnv  toioCtov  o-h>  von  dem  gelehrten,  der  die  thatigkeit 
der  Schreiber  öberwachte,  zur  berlchtigung  eines  irtums,  sei  es  zwischen 
die  Zeilen,  sei  es  an  den  rand  geschrieben  waren,  darauf  aber  gedankenlos 
und  ohne  rflcksicht  auf  ihren  Inhalt  vom  abschreiber  dem  texte  hlnzoge- 
fQgt  wurden,  so  dasz  die  alte  Verwirrung  dennoch  fortbestehen  blieb. 
der  anfängliche  irtum  aber,  der  durch  die  notiz  des  grammatikers  berich- 
tigt werden  sollte,  liesze  sich  vielleicht  auf  ursprüngliche  rollenverUo- 
schung  oder  bliktterversetzung  zurflcklühren.  da  nemlich  das  erste  Philo- 
stratos-fragment  nur  unbedeutend  länger  ist  als  das  zweite,  das  dritte 
aber  ungefihr  so  viel  räum  einnimt  wie  die  beiden  ersten  zusammenge- 
nommen ,  so  könnte  man  annehmen  dasz  in  einer  altem  Philostratoshand- 
schrift  das  folium  durchschnittlich  so  viel  enthielt,  wie  jedes  der  beiden 
ersten  fragmente  umfaszt.  was  die  beiden  Aristodemos  •bruchslOcke 
betrifft,  so  haben  sie  etwa  den  gleichen  umfang. 

Diese  annähme  ist  aber  nicht  die  allein  mögliche  und  nicht  die  ein- 
fachste, unter  vielerlei  denkbaren  erkllrungen  führe  ich  nur  noch  eine 
an ,  die  von  der  Voraussetzung  ausgeht ,  dasz  die  sechs  blätter  aus  irgend 
einem  gründe  leer  geblieben  waren,  sei  es  als  sie  teilweise  noch  zu  einer 
andern  hs.  gehörten,  sei  es  als  sie  bereits  oder  selbst  dasz  sie  immer  alle 
mit  den  poliorketilieru  zusammenhiengen.  angenommen  dasz  zur  ausfül- 
lung  der  leeren  seilen  die  fönf  vorliegenden  slflcke  aus  Philostratos  und 
Aristodemos  ausgewählt  waren  und  sich  auf  ebenso  viel  blättern  befanden, 
so  kann  man  sich  deuken  dasz  der  abschreiber,  dem  es  hauptsachlich  dar- 
auf ankam  das  ihm  vorliegende  auf  den  auszufüllenden  leeren  räum  zu  brin- 
gen, zuerst  die  beiden  kürzesten  fragmente  zusammenschrieb,  weil  er  eio 
blatt  dazu  hinreichend  fand;  spater  aber  (fol.  85')  das  dritte  stock  des  Phi- 
lostratos vor  die  fortsetzung  des  Aristodemos  setzte ,  sei  es  mit  absiebt, 
weil  es  ihm  werthvoller  schien  und  er  ffirchlete  dasz  für  beide  zusammen 
der  Qbrige  räum  nicht  mehr  hinreichte ,  sei  es  weil  er  sich  diesmal  irrte, 
man  könnte  sich  als  veranlassung  zu  diesem  verfahren  denken ,  dasz  dk 
betrelTeudcu  sechs  blatter  ursprflnglich  einen  nachlrag  zu  einer  hs.  im 
besitz  derselben  person  bildeten,  in  der  sich  u.  a.  Philostratos  und  Aristo- 
demos befanden ,  die  nachgetragenen  stocke  aber  an  ihrer  stelle  ausge- 
lassen waren. 

Die  medicinischen  fragmente  habe  ich  absichtlich  unberücksichtigt 
gelassen ,  weil  sie  von  ganz  anderer  hand  geschrieben  sind  und  auch  ihr 
alter  leicht  um  fünfzig  oder  mehr  jähre  von  den  Aristodemos-Philostratos- 
stücken  sowie  einem  teile  der  poliorketlker  selbst  verscideden  sein 
könnte. 


E.  Plew :  zu  einer  griechisclien  inschrift.  839 

Die  aufzälilung  der  verschiedenen  möglichkeiten  bedarf  in  diesem 
falle ,  wo  alles  auf  möglichkeil  oder  Wahrscheinlichkeit  hinausläufl,  wol 
keiner  eutschuldigung.  eine  bestimmte  antwort  auf  die  vorliegende  frage 
"Würde  erst  dann  möglich  sein ,  wenn  jemand  nach  eigener  anscbauung 
41er  hs.  das  entscheidende  indicium  der  flilschung  entdeckte,  der  dann  zu 
erwartende  nachwels  wörde  um  so  interessanter  sein ,  als  er  unfehlbar 
das  bisherige  vertrauen  der  philologen  auf  alte  pergamente  bedeutend 
«rschdltern  mOste.  den  übrigens  ziemlich  zahlreichen  philologen,  die 
hier  bis  jetzt  die  hs.  selbst  untersucht  haben,  ist  es,  soviel  ich  weisz, 
noch  nicht  gelungen  einen  palHographischen  verdachtsgrund  ausfindig  zu 
machen,  mir  ist  es  immer  so  ergangen ,  dasz  ich  mit  der  Überzeugung, 
es  müsse  sich  die  f^lschung  irgendwo  verrathen,  die  hs.  öffnete,  dasz  aber 
jedesmal  meine  zweifei  und  bedenken  durch  die  autopsle  wieder  zerstreut 
Avorden  sind. 

Paris.  Gustav  Metnckb. 


109. 
Zu  EINER  GRIECHISCHEN  INSCHRIFT. 


Im  38n  bände  der  annali  d.  inst.  arch.  (1866)  s.  139  ff.  veröfTent- 
licht  Henzen  eine  'iscrizione  di  Cheronea'  aus  dem  ende  des  2n  oder  dem 
■anfang  des  3n  jh.  nach  Gh.:  0Xaßiav  Aavekav  . . .  rfjv  dTVordiriv 
4€pa96pov  Tt\c  dxiac  Efctboc ,  Upeiav  bia  ßiou  Tf}c  dnd  Cetpidboc 
€[ctboc.  wer  ist  HATTOCElPlAAOCElCtC?  wenn  die  lesung  der  einzeN 
nen  buchstaben  keinem  iweifel  unterliegt,  so  wird  man  Henzen  beistim* 
<men,  dasz  es  unmöglich  ist  in  der  angegebenen  stelle  den  "'Ocetpic  in 
irgend  einer  Verbindung  zu  suchen,  und  mit  ihm  dirö  Ccipidboc  abteilen 
müssen,  dies  erklärt  Henzen  so ,  dasz  er  in  C€iptdc  eine  ableitung  von 
^Ceipioc  sieht  s.  v.  a.  hundsstemperiode  und  das  ganze  also  als  *die  Isis 
von  der  hundsstemperiode'  auffaszt.  eine  solche  bezeichnung  gibt  doch 
aber  eigentlich  keinen  sinn,  und  namentlich  ist  das  dirö  so  ganz  undenk- 
i)ar.  vielmehr  scheint  das  dirö  eine  locale  bezeichnung  nach  sicli  zu  ver- 
langen ,  und  einer  solchen  Uszt  sich  vielleicht  in  folgender  weise  auf  die 
spur  kommen.  losephos  jüd.  alt.  I  2,  3  sagt,  Seth  (wol  eine  judaisierung 
von  Thot)  habe  zwei  seulen  gebaut,  eine  von  ziegeln,  die  andere  vou 
■steinen,  und  darauf  seine  erfindungen  und  entdeckungeu  eingegraben,  da- 
mit, wenn  etwa  die  flut  die  eine  seule  zerstören  sollte,  die  andere  noch 
^brig  bliebe ,  um  den  menschen  seine  entdeckungeu  bekannt  zu  machen, 
die  Steinseule  erhielt  sich,  fidv6t  b'  dxpt  ToO  b€Opo  xard  t^v  Tf)V 
Cipidba  —  oder  nach  Eustathios  hexaöm.  s.  27  etjp^dr)  eic  rd  Ci^pt- 
boc  öpoc  xal  &Ttv  Su)C  dpTi.  hiermit  stimmt  Synkellos  chron.  s.  72 
Dind.,  wonach  Manetho  in  dem  buche  ne(A  Cu)0€oc  gesagt  haben  soll, 

^K  Ttt»V  iv  Tq  CtlptablK^  T?  KClJl^VWV  CTTlXlUV  .  .  .  K€XCtpaKTTlpiC|Ll^- 


S40  E.  Plew:  zu  einer  griechitchen  inscbrift 

vulv  imb  9u»6  .  . .  irpocq}Uivfi€at.  besprochen  sind  diese  MXStm  lel 
Jablonski  panlh.  AegypU  111  s.  174 — 184,  Movers  Pböniiier  I  s.  104 — 
108,  C.  Maller  fragm.  bist  gr.  II  s.  512.  in  diesem  sinadischen  oder 
serladiscfaen  lande  sieht  Jablonski  a.  o.  wol  mit  recht  eine  beseichiHBig 
ffir  Aegyptien,  ändert  aber  dazu  das  Ciifnobiicii  bei  Synkellos  im  anscbliias 
an  eine  stelle  des  Ammianus  Marcellinus,  schon  nach  älterem  vorgas^ 
in  oipiTTtKtl  d.  h.  das  an  cupiTTCC  reiche  land.  dies  ist  aber  ausserlidb 
und  Innerlich  ganz  umiöglich.  vielmehr  wird  man  das  öberlieferte  weH 
acceptieren  kftnnen,  nur  der  autoritit  des  losephos  als  der  bei  weitem 
ältesten  quelle  (denn  die  llaDelbooische  scbrifl,  ras  derSyikelkis  schöpf- 
te ,  war  wol  nicht  vor  dem  dritten  jh.  aadi  Gh.  auf  den  Banaes  Maseth»«- 
gefälscfaft)  folgend  Ctptdc  als  die  «raprängüche  schreihang  iNeses  Und- 
namens  annehmen  missen,  schon  d^halb  darf  man  an  die  Serer  ^  die 
Goar  zu  der  stelle  des  Synkellos  zur  erkl3rung  heranzieht,  nicht  (denken, 
wir  erfahren  aber  dasz  der  Nil  in  einem  teile  seines  obem  laufsGpic  hiesz  r 
Stephanos  Byz.  Cufjvr),  iröXtc  p^cr)  Aiuwrou  Kai  AlGioiiiac  ivX  iv^ 
NeiXi)),  ficO'  f\y  dbvöfiacTOi  Cipic  6  irora^öc.  Dionysios  perieg.  223 
NeiXou  öc . .  Aißtirjecv  in*  dvToXiiiv  iroXuc  Spiruiv  Opic  <m*  Al9i6- 
iitjjv  KtKXt'jcKeTai '  ol  bi.  Cufjviic  dwa^rai  €Tp€90^VTt  ficr'  oCvo^a 
NeTXov  £6€VT0.  Plinius  it.  h,  V  53  circa  . .  Meroän  Astobores  Jaevo 
alveo  dicius . . .  dextra  vero  AstOMpes  . .  mc  unteNihts  quam  se  iotwn 
aquis  rursus  concordibus  iunxit:  sie  gvoque  etiatn  nunc  Siris  ante 
nominatus  per  aliquot  milia.  C.Möller  im  coromentar  zu  Dionysios  sagt: 
*itaque  Siris  notnen  nonnisi  parti  iuvji,  iiiter  Syekien  etHeroCn  Msulam 
mediae,  indebatur.'  danach  könnte  Ctpfdtc  (t^)  sehr  gut  eilM  hezeidinMig 
fflr  ein  vom  'Siris'  durchströutes  gdiiel  Aieihiopiens  seht:  da  diese  gegeed 
gebirgig  ist,  köiwCe  andi  das  Cciptboc  ipoc  des  £ualathiM(»  Mls  e» 
nicht  auf  reiner  iiction  iieruht,  erkllrt  werden;  liier  bitte  man  3ioh:ala# 
jene  von  TIrot  geaetetcfn  seiilen  gedacht,  zu  letclerm  umtotaftde  ^rei^gleiohe 
man  auci),  dasz  nach  Diodor  I  27  grftber  der  göiter  mid  mit  «odsbrlfteft 
äher  deren  leben  versehene  sielen  i&irdpxctv  ^v  Mud]  Ttjc  'ApO^ioc; 
db^^  fjc  Kttl  Nucatov  rdv  Aiövncov  d^vofü&cOau  öns  Oberhaupt  sehr 
obenleu^iche  und  unbestimmte  arabische  Nysa  vertrat  Jiier  wol  die  istelle 
eines  vraprünglichen  äthiopischen  Nysa  (Eerod.  -11 14€^2.  JU  d7,l.  ^Xl\ 
das  damals  nelleicfat  sehen  der  kenstnts  zu  naAte  lag,  als  AwAi  man  jeM 
Inschriften  bSite  dahin  setzen  können,  wie  ich  hofle,  Jftazt  aioh  das  vor- 
hergehende auch  auf  unsere  inschrifl  anwenden :  wir  erbalten  in  derael- 
ben  so  «äine  *isis  irem  siriscben  lande'  —  iind  mCLssen  wol  amiehneiH 
dasz  in  €hfiroaea  ans  locaien,  uns  uidbekannten  gründen  wlffklioih  ein  ouU 
ius  der  Isis  unter  dieser  benennung  neben  einem  endern  oultus  decaettien 
göltin  ohne  besondern  beinamen  bestand,  dasz  mKn  in  spftltner  seit  !ge- 
fllssentlich  solche  abgelegene  aamen  «nd  anscba«ungen  auch  dem  eultti» 
einverleibte,  kann  mKer  anderem  d^  hasbyrnnos  von  Andros  lehfen. 


C.  Fuhrmann:  äk  «crgleichMfi^ssHte  bei  Piautus.  841 

110. 

DIE  VERGLEICHTJNGSSÄTZB  BEI  PLAUTU8. 


Flcclieiten  fiOirt  in  diesen  jahrhOiDheni  1667  s.  6B0  Jbei  der  behand- 
lang  des  Teraes  atd.  H  4, 1^,  wo  erMi  itecbt  da«  ^tlqueAer  1ms.  In  ^am 
veribesseit,  noch  swei  otn^raüviitne  ans  PleuUis.an9  im  wcd«hen  sich 
cttque  als  comparaüvpaitikel  in  den  bas.  nnd  aiisgahen  findet:  mere,  8d7 
ond  Gas.  V  1 ,  6 — 8.  cur  erkiftmog  dietts  aifue  m  diesen  beiden  «flUeo 
lOgt  Fieckcisen  hinra,  daaz  die  negaüan  den  be^ilf  der  langleiohbeit  auf- 
hebe und  deahalb  atque  ebenso  iwie  ^fumm  in  dem  verse  der  aulularia^ 
wo  die  negaiion  den  begriff  der  snii  ueque  beiciichneten  gleieU>eit  auf- 
hebt, nicht  den  mindesten  anstosz  gebe. 

Es  sind  dies  bei  Piautus  die  beiden  einzigen  beispiele,  wo  in  einen» 
negativen  comparativsatze  sich  atque  als  comparativpartikei  findet,  und 
das  rousz  bei  einem  dichter  "wie  Piautus,  dessen  Sprachgebrauch  nicht 
nur  Mn  typiscl)  gewordenen  pfarasen  bis  auf  die  wortslelinng  unvieffander- 
lieh  %u  sein  i^l^gt',  sondern  fler  audh  im  gefaranch  der  partilieln  und  con^ 
junetionen  mit  der  gröstl^n  consequenz  verfihrt,  doch  gewis  einiges  be- 
denicen  g^n  die  richtigkeit  ifieses  ^tique  erregen,  wie  kommt  es  deoü 
dasz  unser  diditer  in  kemem  ttiiem  negativen  ooniMrati^reaUie  ~  «vd 
deren  ftadet  sich  bd  ihm  ttodielne  groaze  anzahl  -^  tUque  gdiiraucht? 
Bind  etwa  nm*  diese  beiden  sitze,  die 'schon  vietfaöh>«inetirttx  inierpretnm 
gewesen,  von  der  aberarbdtung  spaterer  grammatiker  verschont  gelilie- 
ben,  oder  sind  wir  nicht  vielmehr  gerade  bei  Plautns  zu  dem  entgegen- 
gesetzten sdhlusse  bei^chtf|ft,  daaznemlleh  diese  beiden  Meilen  eomus- 
plert  sind? 

Vm  diese  froge  zu  entscheiden,  wollen  wir  einmei  zusehen,  in  wel- 
ciien  sAtzen  ^lavlus  aique  als  sog.  comparativpartikei  gebraucht. 

Wir  fitaden  atque  nur  ^in  positiven  sAlzen,  und  zwar  dretOMil  nach 
aeque:  Bacöh.  214  eUam  Epidicwn^  quixm  ego  fabulam  aeque  ac  me 
ipsutn  amo  .  . .  mere.  760  f.  nempe  üxorruri  esttua^  quam  dudum 
dixeras  OdUse  te  aeque  atque  angues,  irm,  491  ff.  verwn  nos  kamuneuH 
ßeimäiuia  untmae^  quam  quam  extemplo  emiiimus^  Aequ6  mendicus 
iUque  ^e  9pulenUs$iwms  Cem^reeneu  ad  Jeheruntem  moriu^e:  — * 
dreimal  nadh  aliue  und  aUter:  ttem.  flOd  f.  dUttm  tmnc  mi  oratianem 
de$poliato  praedicas^  jäiam  atque  eHm  quam  inlidebas  me  adie  blande 
ac  benediee.  Pseuä,  1182  alio  sunt  ilii  ingei^  atque  tu.  truc.  1 2,  70 
ego  fateor^  eed  lange  idäer  est  amicus  aique  arnaier;  — Je  einmal  Mcii 
par  und  pariter:  ghr.  1251  f.  si  amdpii  umquum  nui  Sparern  hie 
eapienüam  habet  Mcformam^  Per  amörem  si  quid  feeero  ^  elemenii 
ignoscet  animo,  Men.  Ibl  ecdsior  patiter  hoc  aique  alias  res  sdes; 
—  und  enditch  auch  ^nn^l  nach  idem:  mast.  220  f.  eundem  dnimum 
oporiei  nunc  mihi  esse  gratum  ui  inpeiravi  Atque  otim^  prius  quam  id 
eodudi^  quem  üli  subblandiebar. 

Seilen  wir  uns  nun  diese  beisplele  etwas  genauer  an.  ist  hier 
uique  wirklich  die  sog.  comparativpartikei,  die  von  aeque ^  alius  aiüer 


842  C.  Fahnnann:  die  vergleichoogssltze  bei  Plautus. 

usiv.  abbAogt?  keineswegs,  id  allen  diesen  sitzen  bat  aique  durchaus 
seine  eigentlicbe,  ursprQnglicbe  bedeulung  bewabrt;  es  verbindet  einfach 
zwei  gegenstände,  deren  gleich-  oder  anderssein  dann  durch  aeque^  par 
pariierj  idem  oder  aUus  aUler  näher  bezeichnet  wird,  so  wird  atüt. 
^04  und  mast  220  nunc  und  oUm;  glor,  1251  sapienUa  und  forma: 
Men,  752  hoc  und  aUae  res;  Pseud.  1132  üU  und  tu  usw.  durch  aique 
-verhunden ,  und  wir  können  es  in  allen  diesen  fällen  durch  *nnd'  Aber- 
setzen,  indem  wir  aus  dem  ersten  satzgliede  jedesmal  das  ganze  pri- 
dicat  ergänzen:  z.  b.  iruc,  I  2,  70  'ganz  anders  ist  ein  freund  und  ein 
liebhaber'  sc.  ist  ganz  anders;  mere,  760  ^dein  weih  hassest  du  auf 
gleiche  weise  und  die  schlangen'  sc.  hassest  du  auf  gleiche  weise,  oder 
'dein  weih  und  6ie^  schlangen  hassest  du  auf  gleiche  weise*,  und  so  in 
allen  angeführten  beispielen. 

Vergleichen  wir  nun  hiermit  die  sStze  in  welchen  nach  aeque,  alius 
aUter  die  partikel  quam  steht. 

Nach  aeque  finden  wir  quam  viermal:  Epid.  II  3, 1  f.  nuBum  isse 
opinor  ego  agrum  in  ^omnt}  agro  AlUco  Aequä  feracem  quam  hie  e$t 
noster  Periphanes.  glor,  464  f.  nSque  eques  neque  pedes  prt^ectosi 
quisquam  tanta  audacia^  Qui  aeque  faciat  confidenter  quiquam  quam 
quae  mulieres.  Such,  217  ridiculus  aeque  nuUust  (jquam  hic^  quando 
esurit.  ebd.  274  f.  Mercürius^  loms  qui  nuniius  perhibeiur^  numquam 
aeque  pairi  Suo  niMium  lepidum  aitulii^  quam  ego  nunc  meae  nun- 
tiabo  erae.  alle  diese  beispiele  sind  negativ  und  in  zweien  derselben  ha- 
ben auch  beide  Satzteile  ihr  besonderes  prädicat.  aber  gesetzt  auch  beide 
Satzteile  hätten  nur  ^in  prädicat,  was  ja  glor.  464  f.  und  Slich.  217 
der  fall  ist,  so  konnte  Plautus  dennoch  hier  aique  nicht  gebrauchen;  denn 
ridiculus  aeque  nuUust  aique  hie  kann  bei  ihm  nur  beiszen :  ^keiner  ist 
auf  gleiche  weise  lächerlich  und  dieser*  sc.  ist  nicht  auf  gleiche  weise 
lächerlich ;  womit  wol  eine  Verschiedenheit  des  lächerlicliseins  angegebeu 
wörde,  nicht  aber  auf  welcher  seile  das  mehr  oder  minder  des  lächerlich- 
sefns  liegt;  um  dieses  zu  bezeichnen  konnte  Plautus  nur  die  partikel 
quam  gebrauchen. 

Auszer  dem  verse  auL  II  4,  18,  wo  bereits  Fleckeisen  das  aique  der 
hss.  und  ausgaben  in  quam  verbessert  hat,  finden  sich  noch  drei  stellen  bei 
Plautus,  wo  die  hss.  und  ausgaben  in  solchen  mit  aeque  gebildeten  nega- 
tiven sätzeu  atque  bieten:  capt,  999  f.  verum  enim  vero  nuüa  adae- 
quest  Acheruns^  kique  ubi  ego  fui  in  lapiddinis.  Cas,  I  1,  40  f.  ntim- 
quam  edepol  ieiunium  leiünumsl  aeque  atque  ego  te  ruri  reddibo.  glor. 
668  tum  ad  saltandum  non  cinaedus  malacus  aequest  atque  ego.  in 
den  beiden  ersten  beispielen  ist  atque  einfach  zu  streichen  und  dal&r 
quam  zu  setzen,  in  dem  dritten,  welches  bis  aequest  auch  von  Nonius 
s.  5  bezeugt  wird,  war  jedenfalls  am  ende  des  verses  ein  sum  wegge- 
fallen und  ist  dann  von  einem  späteren  grammatiker,  um  das  metrum 
wieder  in  orünung  zu  bringen ,  aus  quam  ego  das  atque  ego  gemacht ; 
denn  der  Plaullnische  Sprachgebrauch  erfordert ,  wenn  ich  anders  recht 
gesehen  habe,  auch  in  diesem  salze  durcliaus  ein  quam,   der  vers  wQrde 


C«  Fubrmano:  die  vergleichungssäUe  bei  Plautus.  843 

tdemnach  lauten :  tum .  ad  sallandum  nön  cinaedus  mdlacui  aequesi 
^udm  ego  sum. 

Von  den  mil  alius  aliter  gebildeten  salzen ,  in  deren  zweilem  Satz- 
teile qtMm  steht,  ist  aar  ^iner  negativ:  asin,  236  nie  quemquam  in- 
ierea  aHum  admiiiat  prorsus  quam  me  ad  se  virum.  dasz  auch  hier 
Plaulus  atque  nicht  gebrauchen  i[onnte,  ist  nach  obigem  klar:  denn  aique 
me  wOrde  heiszen  ^und  mich'  sc.  soll  sie  nicht  bei  sich  aufnehmen,  wie 
schon  gesagt,  es  musz  nach  atque  stets  das  ganze  prSdicat,  also  auch 
•die  negatfon  wiederholt  werden,  die  drei  übrigen  sAtze  sind  positir:  Cas. 
II  5 ,  37  quid  ei  fors  aliter  quam  volee  evenerit?  Pseud.  1239  f.  nunc 
mihi  certumst  alio  pacta  Peeudolo  insidiae  dare^  Quam  in  aliis  comoe- 
dOs  fit.  Stich.  43  f.  et  si  Uli  inprobi  eint  atque  aliter  nos  fdciant^ 
Quam  aequöm  Sit .. .  halten  wir  diese  mit  den  oben  angeführten  beispie- 
ien,  in  welchen  atque  steht,  zusammen,  so  sehen  wir  leicht  den  unter- 
schied, in  diesen  drei  beispielen  werden  nicht  wie  in  den  obigen  zwei 
|[egensUlnde  die  ein  gemeinsames  prSdicat  haben  verbunden ,  sondern  es 
werden  zwei  prSdicate  zusammengestellt,  so  wird  z.  b.  Cae.  H  5,  37 
das  fallen  (cadere)  des  looses  mit  dem  wünsche  {velie)  eines  andern  ver- 
glichen und  durch  aliter  ihre  —  möglicherweise  eintretende  —  Verschie- 
denheit bezeichnet  eben  dies  ist  auch  der  fall  in  den  beiden  anderen  mit 
quam  gebildeten  sfltzen.  Plautus  konnte  hier  atque  nicht  anwenden,  weil 
atque  weder  eine  relative  bedeutung  hat  noch  auch  die  modalilSt  eines 
pradicats  naher  bestimmen  kann. 

Auszer  den  beiden  oben  angeführten  beispielen  mit  par  und  pariier^ 
in  welchen  atque  steht,  finden  sich  bei  Plautus  noch  zwei  andere,  in 
welchen  nach  par  und  pariter  die  relative  partikel  ut  gesetzt  ist  aus 
4lemselben  gründe,  aus  welchem  nach  aliter  nicht  atque  sondern  quam 
steht:  Bacch.  1108  igitür  pari  fortuna  aetate  ut  sumus  utimur.  ohne 
zweifei  bitte  hier  Plaulus  sagen  können  pari  fortuna  alque  aetate  uti- 
mur \  sobald  er  aber  ein  zweites  prädicat  eintreten  Iflszt  und  dieses  mit 
dem  erstem  vergleicht,  kann  er  nicht  mehr  atque  gebrauchen.  Amph, 
1019  pariter  hoc  fit  atque  ut  alia  facta  sunt:  feriam  fores.  dasz  hier 
ut  allein  die  vergleichungspartikel  ist,  nicht  alque  uty  oder  noch  weniger 
atque  allein  und  ut  nur  ^abundanter'  hinzugefügt  sei ,  leuchtet  nach  obi- 
gem ein.  atque  kann  nur  die  beiden  salzteile  pariter  hoc  fit  und  ut  alia 
facta  sunt  mit  einander  verbinden,  was  soll  aber  hier  atque  1  'dies  ge- 
schieht auf  gleiche  weise  und  wie  anderes  gescliehen  ist.'  stände  ut 
allein ,  es  würde  doch  wahrlich  niemand  ein  atque  vermissen,  da  nun 
Plautus  die  Umgangssprache  nachahmt,  die  ja  oft  den  mund  etwas  voll 
zu  nehmen  pflegt  —  man  vergleiche  Verbindungen  wie  trin.  931  nimium 
mirimodis  mirabües.  Men.  119  aeque  ambo  pares  und  dgl.  —  so  bin 
ich  fest  überzeugt  dasz  Plautus  hier  nicht  atque  sondern  aeque  geschrie- 
ben hat,  so  dasz  aeque  zur  Wiederholung  und  zugleich  Verstärkung  aes 
vorausgehenden  pariter  dient:  vgl.  Pseud.  678  f.  proinde  . .  ita  prae- 
cellet.  Cure.  690  ita  .  .  itidem  ut.  Pseud.  382  simulier  itidem  ut.  sind 
doch  auch  in  unserer  Umgangssprache  Verbindungen  wie  *ganz  ebenso 
wie'  oder  ^gerade  ebenso  wie'  durchaus  nicht  ungewöhnlich. 


844  C.  Fährmann:  die  vergleicbaagssltze  bei  PUutus. 

Nach  idem  seUl  Plaulus  gewoboHch  das  pron.  relaL  quu  our  xwci 
beispiele  fioden  sich,  wo  nach  der  adverbialen  besUmmaog  eodempael» 
(=  itidem)  die  relative  parükel  ut  steht:  eapt,  778  f.  nunc  eerta  res 
estj  eädem  paeio  ut  comici  servi  solent  Canieimm  in  eoüumpäOkm. 
merc,  262  f.  tum  Ua  amo  ut  sani  soknt  Hominis^  sed  eodempocio 
ut  insani  soieni  (vgl.  damit  trin,  710  und  Poen,  IV  2,  72  L}.  imd  ein- 
mal nach  dem  iocalen  adverbium  e^dem  das  demselben  entspredMnde 
relativadverbium  unde:  asin.  139  egc  pol  te  redigam  eodem  unde  orto'f : 
Verbindungen  die  nicht  nur  dem  Plautinischeo ,  sondern  flbenbaupt  den 
lateinischen  spracbgebrauche  ilnrchaus  entspredien. 

Kehren  wir  nun  lu  dea  beiden  negativen  comparativaüKen,  vea 
denen  wir  ausgegangen  xurAok:  C<u.  V  1^  6  L  lautet  in  ^lA  bss.  und 
ausgaben: 

MC  faUadam  dstutidrem  uüus  feät 

paita  atque  ut  kaic  est  fabri  faeia  a  wMs. 

hebt  hier  die  negation  den  comparativen  begriff  wirklich  auf?  ich  glaal« 
nicht.  Plautus  will  doch  sagen :  *kein  dichter  hat  eine  soblauere  list  ge- 
sponnen als  diese.'  die  negation  gehört  also  zu  vXlus  poeta  feeit.  da  oun 
atque  bei  Plautus  nicht  comparativpartikel  sein  kann,  so  fragt  es  sich 
nur:  gibt  atque  als  copulalivpartikel  hier  einen  passenden  sinn!  *und  kein 
diditer  hat  eine  schlauere  list  gesponnen  und  wie  diese  ktlnstlich  f<m  uns 
gesponnen  ist.'  ist  hier  nicht  atque  vollkommen  OberflQssig ,  ja  fär  den 
gedanken.gang  sogar  störend?  Plautus  hat  ohne  alten  zwelfel  nidbt  atque 
sondern  aeque  geschrieben ,  welches  wir  nocli  dreimal  bei  ihm  ebenfalls 
in  negativen  Sätzen  beim  comparatlv  finden'):  capt.  700  nee  gvis- 
quamst  mi  (atter}  aeque  melius  quoi  velim  (so  Brix).  ebd.  828  qm  hO" 
mine  ^hominutn}  adaeque  nemo  vivit  fortunatior,  merc,  335  homo  mi 
miseriör  nullus  ist  aeque  ^  opinor,  die  Verbindung  von  aeque  ut  kann 
ebenso  wenig  wie  die  von pariter  ut  und  itidem  ut  einen  anstosz  geben; 
auszerdem  sind  uns  auch  noch  zwei  stellen  bei  Plautus  erhalten,  wo  auf 
aeque  ein  ut  folgt:  eist.  1  1,  57  neque  münda  adaeque  es  %d  soles. 
asin,  838  putem  Sgo?  quem  videam  aeque  esse  maestum^  ut  quasi  dies 
si  dicta  Sit,  an  der  zweiten  stelle  hat  Fleckeisen  tct  weggelassen.^  ich 
musz  offen  bekennen  dasz  mir  die  Verbindung  von  ut  quasi  bei  Plautus  an 
dieser  steile  nicht  den  mindesten  anstusz  erregt:  man  vergleiche  in  un- 
serer Umgangssprache  *wie  wenn  ihm  gleichsam'  nsw.  die  Verbindung 
von  ut  si  in  der  hedeutung  *wie  wenn'  oder  *als  ^enn'  kennt  aber  die 
Plautiniscbe  spräche  nicht ,  ebenso  wenig  wie  ein  atque  si  oder  ac  si, 
sehe  icli  recht,  so  gehört  ut  zu  aeque  und  quasi  zu  dem  vorschwebenden 
begriff  maestum. 

Der  zweite  negative  comparativsatz  lautet  in  den  hss.  und  ausgaben 
merc.  896  f.  omnia  Cönmostrabo,   amicior  mihi  nullus  vivit  atque  i$ 


1}  hiermit  erledigt  sieh  auch  die  meinang  Lindenuiniis  sn  glor.  11 4, 4S 
und  Holtses  in  seiner  syntaxis  11  s.  336 ,  dasz  ut  an  diesen  stellen  'abuo- 
danter  adiectnm  esse'. 

*}  [nach  dem  Vorschlag  von  Lindemaan  zu  Jmg^.  T  1,  26.    A.F.] 


G.  Fährmann:  die  vergleich ungssfitze  bei  Piaulos.  845 

est  Qui  ülam  habet,  hier  liesze  sich  aique  schon  eher  als  copnlativpar- 
tikd  auffassen:  *ich  wiil  dir  alles  zeigen,  ich  habe  keiaeii  gröszeren 
freund  und  er  ist  es  welcher  jene  liat'  usw.  aber  auch  hier  ist  ütque  dem 
f  edankengange  mehr  hemtiend  als  förderlich :  denn  es  erwartet  doch  ge- 
wis  ein  jeder  nach  den  werten  atmcior  mihi  nuilus  fnvit  ein  'als'  oder 
'wie  der  ist  welcher  jene  hat.'  sicherlich  hat  wol  auch  Plastus  so  ge- 
schrieben, nemlich  aeque  ut  esi^  Qui  iüam  habet,  das  fehlen  des  pron. 
der  dritten  person  in  aeque  ut  est  bei  unmittelbar  darauf  felgendeoi  rela- 
tivsatze  ist  auch  bei  Plautns  durchaus  nichts  singulares :  vgl.  Poen.  III  5, 
19  itä  mihi  renuntiatumst  quibus  eredo  satis.  truc.  I  2,  104  pr^pe  e&t 
profecta  quo  aum,  IV  3,  38  piue  potest  qui  plus  valeU  V  62  mM  efT 
quod  tu  das;  und  oft  genug  est  qui  usw. 

Prüfen  wir  nun  noch  einige  andere  sStze,  in  welchen  atque  ab  comi- 
paratiTpartilLel  aufgefaszt  wird.  Jmph.  443  lautet  in  den  hss.  und  ans- 
gaben:  . . .  tarn  censimHitt  atque  ego,  dasz  atque  nicht  von  consimiMs 
4ibhängl,  wie  Holtze  a.  o.  II  s.  336  meint,  leuchtet  von  seihst  ein.  wSre 
atque  richtig,  so  könnte  ee  nur  die  dem  demonstrativum  twn  entspre- 
-chende  relatifvpartikel  sein,  denn  als  copulativpariikel  läszt  es  sich  wol 
nicht  gtft  hier  auffassen,  wo  hat  aber  atque  bei  Plantus  je  eine  relative 
bedeutung?  die  Verbindung  von  tarn  .  .  atque  wSre  ein  nnicum  der  Plau- 
tinischen  spräche,  sicherlich  ist  aber  unser  dichter  auch  an  dieser  stelle 
von  seinem  sprachgebrauche  nicht  abgewichen;  und  dieser  ist  der  dasz 
bei  ihm  auf  ein  tarn  stets  nur  ein  quam  [quasi)  folgt,  ebenso  wie  auf 
itidem  stets  ein  ut  oder  quasi,  ohne  zweifcl  verdanken  wir  dieses  atque 
einem  spAtern  corrector,  der  in  seinem  Plautustexte  las :  tarn  consvmUst 
quam  ego ,  wo  also  das  su,  vielleicht  in  folge  des  zum  ntchsten  verse 
gehörenden  sura^  bereits  ausgefallen  war,  und  der  nun,  um  das  raelrum 
wieder  herzustellen,  unbekümmert  um  den  Plautinischen  Sprachgebrauch 
^as  quam^  welches  allein  richtig  ist,  hi  atque  verwandelte. 

An  noch  einer  andern  stelle  wird  atque  als  vergleichungspartikel 
von  similis  abhängig  aufgefaszt:  glor,  400  f.  ut  ad  id  exempiwn  aom- 
fiium  consimile  somniatnt  Atque  üt  tu  suspieattts  es  ^tey  eam  vidisae 
ausculantem.^  ist  atque  hier  durchaus  festzuhalten,  so  kann  man  es 
sich  so  erklären,  dasz  der  mit  atque  angeknüpfte  setz  ein  zweites,  spe- 
cielleres  moment  anführt:  *und  dazu  wie  du  vermutet  hast.'  denn  dasz 
Scelednis  die  Philocomaslum  auseulantem  cum  altera  gesehen  halle  v. 
288,  i«t  ihm  ja  die  haupisaohe,  und  Philocomaslum  hebt  dies  soch  selbst 
V.  390  bei  der  erzahlung  ihres  ingierten  traumes  ganz  besonders  wieder 
hervor,  in  diesen  auaculari  Hegt  non  aber  nicht  blosz  eine  ähnlicbkeit, 
sondern  vidmehr  eine  gleichheit  des  traumes  der  PMoeovnsium  und 


2)  für  consünüe  haben  die  hss.  quiu  simüe  oder  quoii  simüe.  dasz 
quam  timUe^  wie  bereits  Camerarius  geschrieben,  dem  Plantinischen 
sprachgebraueh  oioht  widerspricht,  zeigen  beispiele  wie  oWn.  681  ut 
Hdeimuiabat  Sataream  med  esse  quam  facete.  Stich.  670  gräphiettm  mortalem 
Antip/ionem:  ut  apolooum  fecU  quam  fahre,  in  dem  letateren  beispiele 
haben  Ritschi  und  Fleckeisen,  wie  mir  scheint  mit  unrecht,  das  quam 
-der  hss.  getilgt. 


846  C.  Fuhrmaiin:  die  vergleicbiugssäUe  bei  Plautus. 

dessen  was  Scelednis  gesehen,  und  ich  glaube  dasz  Plautos  diese  gleich- 
heit  hier  auch  ausgesprochen  und  aeque^  nicht  aique  geschrieben  hat 

Ein  solches  aeque  steckt  jedenfalls  auch  in  dem  atque  welches  nn» 
die  hss.  und  ausgaben  bieten  Cos,  IV  4,  21  nebtda  haud  est  moOis 
atque  huius  est:  der  vers  scheint  wie  der  darauf  folgende  ein  iambischer 
senar  zu  sein  und  llszt  sich  bis  auf  den  letzten  fusz  auch  mit  ziemlicher 
Sicherheit  wtederhersteilen :  nebula  haud  est  mcXHs  aeque  ut  huius  est 
w  -  oder  auch  huiust  -  ^  ^  oder  huius  sunt  ^  -. 

Amph,  274  lautet  in  den  hss.  und  ausgaben :  n^que  se  luna  quo- 
quam  mutat  atque  uti  exortast  semeL  Holtze  a.  o.  U  s.  336  sagt  ^mu- 
tare  ponitur  pro  aUud  esse,*  dasz  aber  hier  mutare  nicht  für  oMud  esse 
stehen  kann ,  zeigt  schon  das  localadverbium  quoquam ,  welches  bereits 
Im  vorhergehenden  verse  bei  einem  Yerbum  der  bewegung  steht  ich 
sehe  auch  nicht  ein  wie  der  sklav  Sosia  hier  von  einer  Wahrnehmung 
der  Veränderung  des  mondes  selbst  in  einer  nacht  reden  kann,  mutare 
ist  doch  ohne  zweifei  contrahiert  aus  movitare;  seine  spStere  bedeutuog 
Iftszt  sich  wenigstens  sehr  gut  daraus  erklären,  ebenso  wie  die  von  mu- 
ftifim,  wofür  nach  Varro  de  LI.  \  $  119  die  Siculer  fioiTOV  sagten,  es 
steht  dann  mutare  hier  in  seiner  ursprünglichen  bedeutnng :  *der  mood 
bewegt  sich  nicht  von  der  stelle.'  was  soll  aber  dann  atque  uti  exortast 
semel  bedeuten:  ^und  wie  er  einmal  aufgegangen  ist'?  ich  glaube  nicht 
dasz  sich  Plautus  solclie  aposiopesen  gegen  seine  zuhörer  erlaubt  hal, 
oder  ihnen  zugemutet  aus  v.  276  üa  stathn  stant  Signa  hier  schon  im 
voraus  sich  ein  stat  zu  ergänzen.  Pylades  hat  hier  jedenfalls  schon  das 
richtige  gesehen ,  der  für  atque  geschrieben  statque ,  und  jeder  der  die 
Worte  des  Sosia  v.  271 — 276  unbefangen  betrachtet,  wird  ihm  hieria 
beipflichten  müssen. 

glor.  1130  f.  lauten  in  den  hss.:  numquid  videtur  demutare  aui 
utique  Dixi  esse  vobis  dudum  hunc  moechum  miHtemf  dasz  in  aut  eine 
corruptel  stecke,  haben  mit  recht  alle  hgg.  angenommen.  Plus  schrieb 
atque  prout^  Camerarius  atque  uti  ego^  Guyet  atque  ante  ego^  Botbe 
atque  ut  quidem^  dem  auch  Ritschi  und  Pleckeisen  gefolgt  sind,  alle 
stimmen  darin  überein,  dasz  in  dem  aut  der  hss.  ein  atque  stecke,  was 
sie  dann  wie  es  scheint  als  vergleich ungsparlikel  auffassen,  dasz  aber 
Plautus  ein  solches  atque  nicht  kennt,  haben  wir  oben  gesehen.  Lach- 
mann zu  Lucr.  IV  638  s.  250  hat  hier  wol  richtiger  gesehen ,  der  nach 
v.  1291  unseres  Stückes  oratio  alio  mihi  demutandast  mea  in  dem  hsl> 
aut  ein  alio  vermutete,  dasz  er  aber  nach  alio  hier  atque  setzte,  wo 
nach  Plautinischem  sprachgebrauche  durchaus  nur  quam  richtig  wäre, 
kann  ich  nicht  billigen,  ich  glaube,  wir  kommen  der  hsl.  fiberlieferong 
am  nächsten  und  genfigen  auch  dem  Plautinischen  sprachgebrauche,  wenn 
wir  schreiben : 

numquid  videtur  demutare  alio?  Oi  quidem 
dixi  isse  vobis  düdum  hunc  moechum  miUtem, 

Noch  in  einem  andern  verse  glor.  764  haud  centensumam  Partetn 
dixi  atque  otium  rei  si  sit^  possum  expromere  wird  atque  als  vergiei- 
chungspartikel  genommen,  vergleicht  man  damit  cap/.  421  Lpolisticfne 


C.  Fuhrmano:  die  verglcichungssälze  bei  Plaulus.  847 

haud  centensumam  Pdrtem  laudai^  quam  ipse  raeriiust  ui  laudetur 
laudibus^  so  kdunle  man  allerdings  meinen  atque  stehe  hier  vollkommen 
gleichbedeutend  mit  quam,  erhalten  wir  denn  aber  keinen  guten  sinn, 
wenn  wir  hier  atque  In  seiner  ursprünglichen  bedeutung  nehmen? 

Endlich  findet  sich  auch  ein  beispiel,  wo  aique  nach  einem  positiv 
die  vergleichungspartikel  sein  soll.  Bacch.  549  sicut  est  hie  quem  esse 
amiicum  raius  sum  aique  ipsus  sum  mihi.  w*elches  der  sinn  dieser  worte 
sein  soll,  ist  klar.  Hnesilochus  will  sagen,  er  habe  den  Pistoclerus  ebenso 
geliebt  wie  sich  selbst,  liegt  dies  denn  aber  klar  in  den  überlieferten 
Worten?  der  gedanke  scheint  mir  viel  zu  matt  und  unvollständig  ausge- 
drückt zu  sein,  als  dasz  er  in  dieser  fassung  von  Plautus  herrühren  kann, 
ich  möchte  deshalb  vorschlagen  den  vers  so  zu  schreiben :  sie  ui  est  hie 
quem  6sse  amicum  rdtus  sum  aeque  ut  ipsus  süm  mihi,^)  war  einmal 
das  ut  ausgefallen ,  so  war  von  einem  spätem  corrector  das  aeque  leicht 
in  aique  verändert. 

Hiermit  möchte  ich  noch  zwei  andere  fragen  verbinden* 


Wie  kommt  es  dasz  Plautus  bei  der  groszen  anzahl  von  comparatlv- 
sätzen  so  selten  die  parlikel  quam  ausgelassen  und  den  ablativ  ge- 
setzt hat? 

Dasz  Plautus  in  Sätzen  wie  most,  607  f.  neque  ego  taeiriorem  he- 
luam  Vidisse  me  umquam  quemquam  quam  ie  censeo.  glor,  128  neque 
p^ius  quemquam  odisse  quam  isium  miiiiem,  ebd.  803  f.  nön  potuil  repe- 
rire^  si  ipsi  Soli  quaerundas  dares^  Lepidiores  duas  ad  hanc  rem  quam 
egomei  und  ähnlichen  den  ablativ  nicht  anwendete,  ist  klar,  seine  zuhörer 

—  und  für  diese  hat  ja  unser  dichter  ausschlleszlich  seine  stücke  verfaszt 

—  würden  nicht  sogleich  erkannt  haben,  was  subject  und  was  object  sei ; 
hier  muste  er  also  der  leichtern  Verständlichkeit  wegen  die  partikel  quam 
gebrauchen,  was  bewog  ihn  aber  nur  in  ganz  bestimmten  comparativsälzen 
den  sog.  comparativablativ  zu  gebrauchen?  ist  nur  die  leichtere  Verständ- 
lichkeit die  Ursache  oder  liegt  dem  noch  etwas  anderes  zum  gründe? 

Ich  will  hier  sämtliche  cumparativsätze ,  in  welchen  sich  mit  aus* 
lassung  von  quam  der  ablativ  findet,  anführen,  die  ich  der  leichteren 
Übersicht  wegen  in  folgende  classen  einteile;  womit  ich  jedoch  nicht  be- 
haupten will  dasz  diese  einleilung  die  richtige  sei,  aus  der  sich  möglicher- 
weise noch  ein  tieferer  grund  als  der  der  leichtern  Verständlichkeit  für 
seine  zuhÖrer  auffinden  lasse,  der  den  dichter  bewogen  nur  in  diesen 
Sätzen  den  ablativ  zu  gebrauchen. 


3)  da  sie  stets  auf  das  vorhergehende,  ut  aber  auf  das  folgende  hin- 
weist,  Bo  müssen,  scheint  mir,  bei  Plantus  beide  partikeln  auch  getrennt 
geschrieben  werden,  auch  das  metmm,  glaube  ich,  zwingt  uns  zu  die- 
ser getrennten  Schreibung,  most.  881  «fc  ui  ego  adveniu  patris  nunc  quaero^ 
quid  fadam  ndser.  ebd.  416  Hc  üt  ego  efficiamy  quae  facta  Me  turboüimus.  glor, 
518  sie  üt  eiiam  nunc  neecio  quid  viderim.  Poen.  Hl  \,  Z  sie  ut  ego  hos 
duco  advocaios,  glor,  727  sie  uti  merd  pretium  staiuit.  in  dem  letzten 
beispiele  könnte  sicuH  bei  Plautus  doch  nur  ein  creticus  sein. 


848  C.  Fahrmano:  die  Tergleichgngsiilte  bei  Plaatos. 

Eb  sind  dies: 

a)  solche  sätxe  in  welcheo  eio  pnmomen  personale,  reUUmm  oder 
demoMtraÜTQfli  entweder  allelo  oder  mit  dnem  nomen  YorbunJe«  ia  ab- 
lativ  steht:  Amph.  153  ^  me  olUr  est  mudador  4wmo  otcl  fm  eonfi- 
denihrf  1046  qui  me  Thebis  alter  vivk  mieerior?  1060  nee  mS  mise- 
rhr  feminast  negue  uUa  videaiur  magis.  aeim,  IIB  non  ee$e  servos 
peier  hoc  quiifuam  poUst.  543  intro  M:  nam  ie  qmiem  eäepei  mkä 
est  inpudentms,  557  faettStmst:  qui  mest  nr  fo/rUor  ad  sufferendas 
piagas?  aul,  II  2 ,  29  näque  illo  quisquamst  alter  hodie  ex  pauperiate 
pareior.  ll(  2,  5  homo  nüBust  te  seelesHor  qui  vioai  hodie.  V  2  L 
quddrüibrem  aulam  (^haney  auri  otmstam  habeo :  quis  mesi  ditior  T  Qms 
me  Athenis  nunc  magis  quisquamst  homo^  quoi  di  sini  propitüT^  eapl, 
540  quis  homost  me  haminum  miseriorf  Cas.Ul  1, 11  meminero.  T  hem^ 
nunc  enim  te  demum  nuUum  seitum  sciUuet.  V  1, 10  L  opiümse  ore 
nunc  pervelim  progrediri  Senem^  quo  senex  nequür  nuUus  vivit. 
Bacch.  87  f.  quia  isloc  inlecebrosius  Fieri  nä  patest^  nox,  muüer^ 
vinum  homini  adulescentulo.  1180  vidi  igo  nequam  hommes^  verum 
te  neminem  deteriorem,  most.  150  ff.  quo  neque  indüstrior  de  iuven^ 
titie  erat  [Arte  gxfmnattica]  Disco  ^  hastis^  pila^  oursu^  armiSj  equoj 
0  0  ^  ^  1^  ^  victUalfdi  vohtp.*)  1072  alter  hae  Athenis  neaso 
doctior  dici  potest,  909  nön  equidem  ullam  in  publice  esse  nudorem 
hoc  existumo.  Men.  620  nihU  hoc  confidenOust.  glor.  313  SeHedre^ 
Sceledre^  quis  homo  in  terris  alter  leei  audadorJ  1024  mdhtmst  hoc 
stoUdius  saxum.  merc,  335  homo  mi  mieeriör  nuüus  äst  aeque  opsnor. 
700  mis^rior  mulier  me  nee  fietnec  fuU.  Pseud.  336  f.  sie:  qma^  Si 
ego  emortuos  sim^  Athenis  te  sil  nemo  nequior.  541  f.  quis  me  anda- 
cior  Sit^  si  istuc  faeinus  audeamf  Poen.  V  2,  31  ntdlus  mest  hoOe 
Poenus  Poenior.  Pers.  564  f.  sihanc  emeris^  Di  inmortaleSy  nuOus  leno 


4)  auL  V  2  lautet  in  den  hsa.  nnd  ausgaben :  guaäriUbrem  atdom  auro 
onustam  habeo:  quis  mest  dittor?  dass  das  metrmm  hier  nicht  ia  Ordnung 
sei,  ist  klar,  bei  Wagner  in  seiner  ausgäbe  lantai  dieser  Ters:  gumdri- 
Hbrem  mUam  onmstam  auro  habeo:  quis  mest  ditior  ««t.  er  hat  nach  IV  2,  4 
and  10  unseres  Stuckes  die  Wörter  auro  onustam  umgestellt  und  nimt 
nach  quis  mest  ditior  eine  lücke  an.  beides  scheint  mir  nicht  nötig  su 
sein,  das  metrum  wird  hergestellt,  wenn  wir  das  proa.  hone  einsetaen, 
welches  nach  aulam  von  einem  abscbr eiber  leicht  übersehen  werden  konnte 
(ygl.  ▼.  8  quin  ego  iUi  me  irmemsse  dieo  hanc  praedam).  statt  des  abl. 
auro  habe  ich  aber  den  gen.  auri  gesetzt,  weil  an  beiaen  oben  citierten 
stellen  unseres  Stückes  fv  2,  4  und  10  der  gen.  auri  bei  onustus  steht 
und  der  dichter  an  zwei  anderen  stellen  IV  8,  9  und  V  13  deotlioh 
zeigt,  dasz  ihm  hier  onustus  und  plenus,  welches  er  nur  mit  dem  genetiv 
verbindet,  Tollständig  gleichbedeutend  sind,  wie  leicht  konnte  nicht 
auch  der  gen.  otirt  vor  dem  folgenden  onustam  in  den  abl.  oaro  ver- 
schrieben werden!  6)  wir  vermissen  in  diesem  sataa  nicht  nur  das 
zweite  neque  {nee)^  sondern  auch  das  pron.  qutsquam  oder  uilus  mit  einem 
Substantiv,  ohne  sweifel  ist  nicht  nur  die  eine  hülfte  von  v.  158,  wo 
vielleicht  das  zweite  necue  (nee)  stand,  sondern  auszerdom  anoh  noch 
ein  ganzer  vers  ausgefallen,  in  welchem  das  fehlende  qmsquem  oder 
uUus  mit  einem  substaaitiv  stand,  welches  der  sinn  des  saises  sein  soll, 
kann  nicht  zweifelhaft  sein,  und  das  fehlende  ist  leicht  zu  eiigaaiseiu 


C.  Fuhrmann:  die  vergieichungssätze  bei  Plaulus.  849 

ie  alter  erii  opulentior.  rud.  279  neque  hoc  quod  vidSs  ampliüs  nobis 
quicquamsi.  281  misericordiör  nulla  mist  femindrum.  359  ne  te  dlea- 
tor  nuUus  est  sapientior.  520  eheü^  quis  vivit  me  mortalis  miserior? 
1281  quis  mest  mortalis  miserior  qui  vivat  alter  hodie?  Stich»  367  f. 
conspieatus  sum  interim  Cercurum ,  quo  ego  me  maiorem  non  vidisse= 
censeo.  trin.  692  quis  me  inprobior  perhibeatur  esse?  929  qui  homost 
me  insipientior y  qui  ipse^  egomet  ubi  sim^  quaeritem?  ebenso  nach 
aeque:  Amph,  239  nMust  hoc  meticulosus  aeque.  Cure,  141  Pdlinure^ 
in  terra  qui  me  erit  aeque  fortunatus?  Cas.  III  5,  45  neque  dst  neque 
fuit  me  senäx  quisquam  amdtor  Adaeque  miser,  most,  39  ff.  quo  nSmo 
adaeque  iuventute  ex  omni  Attica  Antehdc  est  -habitus  parcus  nee 
magis  conlinens^  Is  nunc  in  aliam  partem  palmam  possidet.  und  ein* 
mal  aucli  nach  alter:  asin.  492  f.  neque  me  alter  est  Athenis  hodie 
quisquam^  Quoi  credi  rede  aeque  putent, 

Amph.  279  ndque  ego  hac  nocte  longiorem  me  vidisse  censeo. 
446  nihü  hoc  similist  similius,  818  quid  illac  inpudenti  audaciust? 
nsin.  704  ne  te  equo  magis  est  equos  nuUus  sapiens,  auL  I  1 ,  21  f. 
scelistiorem  me  hac  anu  certe  scio  Vidisse  numquam,  III  6,  25  f.  quo 
quidem  agno  sat  scio  Magis  cüriosam  nusquam  esse  uUam  beluam. 
capL  644  certon?  IT  quin  nihil^  inquam^  invenies  magis  hoc certo  certius. 
828  qui  honUne  (Jiominwny  adaeque  nemo  vivit  fortunatior,  Cas.  II 3, 28 
quid  tu  sds  ?  ^  te  sene  senum  omnium  neminem  esse  ignaviorem.  most, 
256  vdh^  quid  illa  pole  peius  quicquam  mülieri  memorarier?  279  tit 
perdocte  cuncta  caüet:  nihü  hac  docta  doctiust  Men.  630  nihil  hoc 
homine  audaciust»  merc.  100  f.  discübitum  noctu  ut  imus ,  ecce  ad  me 
advenit  Muli^r^  qua  mutiere  alia  nuUast  pulcrior,  Pseud,  938  neque 
ego  hoc  homine  quemquam  vidi  magis  malum,  Poen,  II,  29  f.  sed 
lenone  istoc  Lyco ,  Illius  domino ,  non  lutumst  lutulentius.  Pers.  202 
nüllus  puero  hoc  peior  esse  hodie  perhibetur,  alle  diese  salze  haben 
etwas  gemeinsames :  sie  sind  negativ. 

b)  solche  sitze  in  welchen  der  verglichene  gegenständ  und  der  mit 
welchem  er  verglichen  wird  entweder  durch  dasselbe  oder  durch  ein 
gleichbedeutendes  nomen  bezeichnet  wird.  Amph,  906  f.  cum  ea  tu 
sermonem  nee  ioco  nee  serio  Tibi  hdbeas^  nisi  sis  stultior  stultissumo, 
asin.  614  o  m^lle  dulci  dulcior  tu's,  111  an  quid  oUm  hominist  Salute 
melius?  auL  II  1,  19  alia  alia  peior ^  f rater ^  est.  III  5,  20  f.  ego  fdxim 
muli^  pretio  qui  superant  equos ^  Sint  viliores  Gdllicis  cantheriis,  IV  1, 
13  f.  erile  inperium  ediscat^  ut  quod  frons  velit^  oculi  sciant^  Quöd 
iubeat  citis  quadrigis  citius  properet  persequi,  capt.  150  tibi  ille  t/fit» 
cust^  mi  etiam  unico  magis  unicus,  Cure,  551  stultior  stulto  fuisti^ 
qui  his  tabellis  crederes,  eist,  III  13  o  salute  mea  Salus  salubrior! 
Epid,  III  3,  44  niAf?  h^mini  amicost  opportune  amicius,  III  4,  88  mal- 
leum  sapientiorem  manubrio.  Bacch,  123  t,  stultior  es  barbaro  Po' 
Udo.  394  ndm  pol  meo  quidem  animo  ingraio  homine  nihil  inpensiust. 
887  ff.  si  tibist  machaera^  at  nobis  veruinast  domi:  Qua  quidem  te 
fadam ,  si  tu  me  inritaveris ,  Confössiorem  soricina  nenia,  glor,  307 
quid  peiust  mutiere  aut  audadus?  Poen,  I  2,  18  pöl  id  quidem  haud 

Jahrbacher  fOr  dass.  philo!.  1S68  hfu  12.  55 


850  C.  Fuhrmann :  die  vergleich ungssäUe  bei  Piantos. 

meniire:  nam  iu*$  lapide  süice  slültior,  1  2,  93  pülcrum  omaium  tur- 
pes  mores  peius  caeno  conlinunl.  111  1 ,  1  iardo  amico  nihil  est  quiC" 
quam  iniquius.  11!  6,  17  levior  plumast  graiia,  V  4,  66  ita  Ihdnc 
canem  faciam  tibi  oleo  tranquiUiorem,  rud.  675  morinsi  par  nee  me-- 
liust  mörte  in  miseriis.  irin.  1154  tunica  propior  paüiosl.  iruc.  II 
4,  20  heia^  hoc  est  meüe  dulci  dulcius.  es  sind  dies^  wie  mir  scheint, 
allgemein  bekannte  Sentenzen  und  besonders  im  mande  des  volkes  lebende 
redensarten.  zu  den  letzteren  gehören  wol  besonders  asin.  717.  Epid. 
III  3,  43.  Bacch,  394.  glor.  307.  Poen.  III  1,  1.  rud.  675,  weiche, 
wie  die  unter  a  angeführten  betspiele,  ebenfalls  negativ  sind. 

c)  ausier  diesen  finden  sich  bei  Plautus  nur  noch  wenige  compara- 
tivsälze,  in  welchen  quam  ausgelassen  ist  und  der  ablaüv  steht:  Cure. 
14  plus  iam  anno  scio,  Bacch.  818  f.  hunc  si  üllus  deus  amaret^  plus 
4innis  decem ,  Plus  idm  viginti  mortuom  esse  oportuit.  Men.  446  plus 
triginta  natus  annis  ego  sum.  in  diesen  Sätzen  ist  aber  der  abiativ  keines* 
wegs  vom  comparaliv  abhSngig :  denn  aus  beispielen  wie  Men.  205  quät- 
tuor  minis  ego  istanc  emi  anno  uxori  meae.  Amph.  91  f.  etiam  his- 
iriones  anno  quom  in  proscaenio  hie  Jovem  invocarunt^  venit  erhellt  dasz 
im  älteren  latein  der  abiativ  gebraucht  wurde  nicht  nur  zur  bezeicfanuog 
des  zeitpunctes  in  welchen  eine  handlung  fsllt,  sondern  .auch  zur  bezeich* 
nung  des  Zeitabschnittes  vor  welchem  eine  handlung  eingetreten  ist.  auch 
hat  Plautus  nach  den  comparativen  plus  und  minus,  sobald  eine  bestimmte 
zahlangabe  folgt,  stets  die  partikel  quam  ausgelassen,  ohne  den  casus  zu 
Terlndern:  ygl  Epid.  III  4,  62.  Men.  446.  894.  glor.  1064.  Stich.  160. 
irin.  402.  truc.  V  21.  hierher  möchte  ich  auch  die  redensart  p/t/5  satis 
rechnen  Poen.  I  2,  17.  75. 

Ferner  gehören  hierher  sitze  wie  Amph.  545  prius  ^enim^  tua 
cpinione  hie  adero,  auL  Hl  6,  7  f.  neque  pöl,  Megadore^  mihi  nee 
quoiquam  pauperi  Opinione  meUus  res  struciast  domi.  Cas,  U  5,  30 
opinione  melius  res  tibi  habent  tuae.  glor,  1238  istüc  curavi  ut  opinione 
illius  pulcrior  sis.  auch  in  diesen  beispielen  hängt  der  abiativ  opinione 
nicht  vom  comparatlv  ab,  sondern  ist  der  sog.  ablativus  limitationis,  der 
sich  auch  sonst  bei  Plautus  oft  genug  findet ,  z.  b.  mea ,  tua  sententia : 
meo,  tuo,  suo  arbilrio;  meo  animo  usw.  im  comparativsatze  6ndet  sich 
jedoch  nur  opinione  als  ablativus  limitationis. 

Endlich  findet  sicli  auch  ein  beispiel ,  wo  im  comparativsatze  beim 
sog.  ablativus  temporis  die  partiliel  quam  weggelassen  ist:  mosi.  690 
melius  anno  höc  mihi  nön  fuit  domi. 

Erkennen  wir  nun  an  dasz  Plautus  nur  in  negativen  comparativsätzen 
ein  pronomen  entweder  allein  oder  mit  einem  nomen  verbunden  in  den 
sog.  comparationsablativ  gesetzt  hat  —  und  die  unter  a  angeführten 
beispiele  scheinen  uns  doch  wol  dazu  zu  zwingen  —  so  kann  der  abl. 
hoc  in  glor,  21  peiuriorem  hoc  hominem  si  quis  viderit  nicht  von 
Plautus  geschrieben  sein,  die  hss.  haben  fOr  hoc  entweder  huc  oder  hae 
oder  lassen  es  ganz  weg ,  ein  beweis  dasz  die  Überlieferung  getrübt  ist. 
'Menfalls  ist  Bergks  Vorschlag  homonem  zu  lesen  (philol.  XVII  s.  56)  an* 


C.  Fuhrmann :  die  vergleichungssfltze  Lei  Plaulus.  851 

zunehmen  und  die  stelle  so  zu  schreiben :  peiüriorem  homonem  si  quis 
viderit  Aul  glöriarum  pleniarem  quam  illic  est,  Me  sibi  kabeio  usw. 

Epid.  1  1,  24  lautel  in  den  hss.  und  ausgaben:  quem  dkes  dignio- 
rem  esse  hominem  hodie  Athenis  alterum,  dasz  hier  das  melrum  nicht 
in  Ordnung  ist ,  ist  klar.  Pareus  hat  zwischen  quem  und  dices  ein  me 
eingeschoben,  dasz  in  dieser  negativen  frage  das  pronomen  im  ablaliv 
stehen  kann ,  zeigen  uns  die  oben  angeführten  beispiele.  um  aber  dann 
einen  irochäischen  septenar  zu  erhalten,  müssen  wir  esse  streichen,  was 
hier  allerdings  auch  fehlen  kann,  da  aber  die  unmittelbar  vorhergeheuden 
und  darauf  folgenden  verse  iambische  seplenare  sind,  so  ist  zunächst  kein 
grund  vorhanden  diesen  vers  in  einen  trochäiscben  septenar  umzuge- 
stalten, viel  leichter  oder  doch  wenigstens  ebenso  leicht  als  nach  quem 
kann  nach  digniorem  das  me  ausgefallen  sein;  der  vers  würde  dann 
lauten:  quem  dices  digniorem  me  esse  hominem  ködie  Athenis  alterum  f 
wollen  wir  me  nicht  aufnehmen,  also  die  frage  allgemein  fassen,  so  müs- 
sen wir,  um  einen  richtigen  iambischen  septenar  zu  erhalten,  für  hodie 
schreiben  hocedie,  ganz  abgesehen  aber  vom  context,  scheint  mir  nach 
Plautinischem  Sprachgebrauch  ein  me  hier  durchaus  erforderlich  zu  sein. 

Ein  drittes  beispiel,  welches  dem  gebrauche  i\es  comparativablativs 
bei  Plautus  widerspricht,  findet  sich  Amph»  548.  nachdem  Jupiter  sich 
von  Alcumena  verabschiedet  hat,  gebietet  er  der  nacht,  die  bisher  will- 
fährig auf  ihn  gewartet,  dem  tage  zu  weichen  mit  folgenden  worten 
(546  f.):  nunc  te,  nox^  quae  me  mansisti^  mittOy  ut  concedas  die,  ^t 
mortalis  inlucescas  luce  clara  et  Candida,  auf  diese  worte  folgen  nun 
in  den  hss.  und  ausgaben  noch  folgende  drei  verse,  in  welchen  sich  der 
erwähnte  verstosz  .gegen  den  Plautiniscben  gebrauch  findet:  dtque 
quanto,  nox,  fuisti  longior ^hac  proxuma,  Tdnto  brevior  dies  ut  fiat 
faciam ,  ut  aeque  disparet  Ei  dies  e  nocte  accedai,  ibo  et  Mercurium 
subsequar.  bis  zu  den  worten  ut  fiat  faciam  sieht  man,  was  der  dichter 
dieser  verse  hat  sagen  wollen,  die  folgenden  worte  aber  ut  aeque  dis- 
paret et  dies  e  nocte  accedat  sind  völlig  unverständlich  oder ,  wenn  ver- 
ständlich, ganz  überflüssig,  was  soll  hier  cftsparare  bedeuten?  soll  es 
für  disparascere  stehen?  dann  hätten  wir  ja  nur  eine  Wiederholung  des 
eben  erst  gesagten  tanto  brevior  dies  ut  fiat,  was  soll  femer  die  redens- 
art  heiszen  et  dies  e  nocte  accedatt  etwa  'der  tag  soll  anbrechen'?  dies 
ist  ja  viel  schdner  und  deutlicher  v.  546  f.  gesagt,  auch  klingt  mir  diese 
redensart  unlateinisch.  Fleckeisen  hat  sich  bemüht  in  diese  höchst  un- 
klaren worte  klarheit  hineinzubringen,  er  schreibt  die  beiden  letzten 
verse  folgendermaszen :  tdnto  brevior  dies  ut  fiat,  faciam,  dispar  ut  dies 
Aeque  noctem  accedat.  ibo  et  Mercurium  supsequar»  jedenfalls  will 
Fleckeisen  aeque  mit  dispar  verbunden  wissen,  die  Stellung  aber,  in  der 
wir  aeque  bei  ihm  finden,  nötigt  uns  es  auf  accedere  zu  beziehen;  was 
aber  dann  aeque  hier  soll,  begreife  ich  nicht,  auch  möchte  ich  bezwei- 
feln dasz  die  redensart  dies  noctem  accedit  lateinisch  sei;  man  weisz 
nicht  recht,  soll  man  dies  von  dem  anbrechenden  oder  von  dem  zu  ende 
gehenden  tage  verstehen,  ich  bin  aber  überzeugt  dasz  der  dichter  dieser 
drei  verse,  die  ich,  auch  abgesehen  von  dem  onplautinischen  comparaliv- 

55* 


852  C.  Fuhrmann :  die  vergleicliungssälze  bei  Plautus. 

ablaliv,  entschieden  für  ein  späteres  machwerk  halle,  selbst  Iceine  klare 
Vorstellung  von  diesen  Worten  gehabt  hat,  und  wir  wollen  uns  auch  weiter 
nicht  bemühen  durch  irgend  welche  änd^ung  einen  sinn  hineinzabringeo. 
wir  streichen  diese  drei  verse  und  lassen  diese  scene  schlieszen  ^nill  den 
Worten  nunc  te,  nox^  quae  me  mansisti^  mitio^  ui  concedas  die,  Vt  mor» 
iaiis  inlucescas  luce  clara  et  Candida,  einen  schöneren  schlusz  kann 
ich  mir  wahrlich  nicht  denken  und  wird  auch  niemand  hierauf  noch  irgend 
etwas  vermissen,  am  wenigsten  aber  eine  so  triviale  erlSuterung,  wie 
uns  die  folgenden  verse  mdgl icherweise  haben  geben  sollen. 

n 

Hat  Plaulus  die  partikeln  proin  und  proinde  ohne  unterschied  ge- 
braucht? nach  den  hss.  und  ausgaben  sollte  man  dies  fast  meinen,  wir 
wollen  untersuchen ,  in  welchen  slltzen  sich  proin  und  in  welchen  pro- 
inde sich  findet. 

a)  proin. 

jmph,  311  proin  tu  isiam  cenam  largire,  si  sapis^  esurieniibus, 
capt.  63  proin  si  quis  pugnam  expectat,  Utes  contrahat.  651  proin 
tu  ab  isioc  procul  recedas.  855  proin  tu  tui  cotidiani  vieti  ventrem 
ad  me  adferas,  Cas.  1 1,  25  mea  praedast  Uta,  proin  tu  te  in  laqueum 
induas.  Epid.  III  4,  19  proin  tu  dlium  quaeras,  quoi  centones  far- 
das.  Bacch.  739  f.  nunc,  pater  mi,  proin  tu  ah  eo  ut  caveca  tibi,  Suco- 
phantias  componit.  1061  non  iquidem  accipiam:  proin  tu  quaeras  qui 
ferat,  Men,  327  proin  tu  ne  quo  abeas  longius  ab  aedibus.  782  proin 
tu  me  hinc  ahducas.  glor.  780  f.  proin,  Palaestrio,  Quam  potis  tarn 
verba  confer  maxume  ad  conpendrum.  Pseud.  1197  f.  proin  tu  Pseu- 
dolo  Nünties  abduxisse  alium  praedam.  rud.  1331  proin  tu  vel  aias 
vel  neges.  Stich.  670  proin  tu  lavare  propera.  trin.  977  proin  tu  te 
ilidem  ut  charmidatu's,  rursum  (iey  decharmida, 

b)  proinde. 

Amph,ß3  faddm  sit,  proinde  ut  dixi,  tragieomoedia.  516  f.  m/m- 
quam  edepol  quemquam  mortalem  credo  ego  uxorem  suam  Sie  ecflictim 
amare,  proinde  ut  hie  te  ecfHctim  deperit.  583  f.  dt  ego  faciam,  nequam, 
hocedie,  proinde  ut  meriiu's  ut  minus  Vdteas  et  misere  sis  sahos  .  .  . 
973  rScte  loquere  et  proinde  diligentem  ut  uxorem  decet.  982  fac  sis 
proinde  adeo  ut  veüe  med  inlellegis.  capt.  307  f.  it  quidem  si  proinde  ut 
ipse  fui  imperator  familiae  Hdbeam  dominum,  non  verear  ne  .  .  . 
314  is,  uti  tu  me  hie  habueris,  proinde  Hlum  Uli  curaverit.  931  ff.  fecisti 
ut  tibi,  Philocrates,  numquam  referre  gratiam  possim  satis,  Proinde 
ut  tu  promeritu's  de  me  et  filio.  Cas.  I  1 ,  7  f.  possisne  necne  dam 
me  sutelis  tuis  Praeripere  Casinam  uxorem,  proinde  ut  postulas.  U 
1,  11  fddam  uti,  proinde  ut  est  dignus,  vitdm  colat,  most,  96  ff. 
atque  höc  vosmei  ipsi,  sdö,  proinde  uti  nunc  Ego  isse  autumö,  quando 
dicta  audietis  Mea  aut  dliter  id  dicetis.  Men.  953  proinde  ut  insanire 
Video,  quattuor,  nihilo  minus.  Pseud.  679  f.  prdnde  ut  quisque  for- 
tuna  utitur ,  'Ita  praecellet  alque  exinde  sapere  eum  omnes  didmus. 
Stich.  284  proinde  üt  decet  virum  amat  suum  et  cupide  expetit.   759 


C.  Fuhrmann:  die  vergleichungssaitze  bei  Phutus.  853 

si  hoc  eduxeris^  proinde  ut  consuetu^s  antehac^  celeriier,  Irin.  65  ede- 
pol  proinde  ut  diu  vivilur,  bene  vivitur.  659  et  tibi  nunc  proinde  ut 
mereris  habeo  summam  gratiam,  ^11  f«  dt^^  si  eris  nancius,  proinde 
ut  corde  amantes  sunt  caii^  Ne  scintillam  quidem  reUngues.  Poen,  IV 
2 ,  23  proinde  habet  hie  orationem,  quasi  ipse  sit  frugi  bonae.  Stich, 
99  f.  quom  tarnen  absentes  viros  Proinde  habetis^  quasi  praesentes  sint, 
truc.  II  3,  3  f.  M'  proinde  amentur  mulieres  diu  quam  iavant,  Omnes 
amantes  balneatores  sient. 

Man  sieht  auf  den  ersten  bliclt ,  welchen  untersciiied  Plautus  im  ge- 
brauch dieser  parlilieln  macht:  proin  braucht  er  als  aufTorderungspar- 
tikel  bei  ermunter ungen  und  ermahnungen  in  Verbindung  mit  dem  con- 
junctiv  oder  imperativ;  wobei  er  stets  das  erforderJiche  pronomen  der 
zweiten  und  auch  der  dritten  person  hinzufügt,  nur  glor,  780  felilt  das 
tu  und  iunn  fehlen,  weil  die  person,  an  welche  die  aulforderung  gerichtet 
wird  —  nesilicb  PalAstrio  —  sogleich  genannt  wird,  proinde  dagegen 
ist  bei  Plautus  das  demonstrative  adverbium  similitudinis,  welchem  das 
relative  ut  entspriciit,  zweimal  auch  quasi  (Poen.  IV  2,  23.  Stich.  99) 
und  Einmal  quam  {truc,  II  3 ,  3) ,  niemals  aber  ein  ac  (oder  aique) ,  was 
Fleckeisen  jahrh.  1867  s.  637  Amph.  583  wegen  des  gleich  darauf  fol- 
genden ut  finale  festhalten  möchte,  wihrend  er  in  seiner  ausgäbe  das 
überlieferte  ac  richtig  in  ut  corrigiert  liatte.  denn  ac  und  atque  sind, 
wie  oben  erwähnt,  niclH  ßihig  die  JDodalit&t  eines  prädicals  näher  zu  be- 
zeichnen und  haben  bei  Plautus  auch  ebenso  wenig  eine  relative  bedeu- 
tung.  die  beispiele  aber,  wo  ut  als  modal itfttsadverbium  und  in  finaler 
bedeutung  in  einem  satze,  ja  in  einem  verse  sich  finden,  sind  bei  Plautus 
durchaus  nicht  uoerhört:  vgi.  asin,  28.  auL  I  1,  38.  Cas.  II  3,  11.  Pers, 
616.  rud.  411  und  besonders  Cas.  U  1,  11  fdciam  uti  proinde  ut  est 
dignus  vHdm  colat. ') 

In  den  folgenden  beispielen  nun,  die  alle  eine  aufforderung  enthal- 
ten, finden  wir  aber  nicht  proin  y  sondern  proinde  in  den  hss.  uml  aus- 
gaben, es  fragt  sich ,  sollen  wir  hier  proinde  in  proin  verwandeln,  oder 
sollen  wir  annehmen  dasz  unser  dichter  zyviv  proin  auf  die  aufforderungs- 
sätze  beschrftnlit,  proinde  aber  als  adverbium  similitudinls  und  auffor- 
derungspartikel  gebraucht  habe?  ich  entscheide  mich  unbedeukücli  für 
das  erstere,  zumal  sich  in  einigen  fsllen  in  den  hss.  noch  spuren  des,  wie 
mir  scheint,  allein  richtigen  proin  finden. 

Ich  will  hier  zunächst  die  in  frage  stehenden  beispiele  anführen. 
capt,  865  proinde  tu  deum  hunc  saturitate  facias  tranquillum  tibi. 
Cure.  298  proinde  se  domi  contineant^  vilent  infortunio.  Amph.  558 
proinde  üt  commodümst  et  lubet^  quicque  facias.  asin.  27  f.  proinde 
dciuium  istuc  quid  sit  quod  scire  expetis  Elöquere:  ul  ipse  scibo^  te 


6)  80  scheint  mir  wenigstens  dieser  vers  gelesen  werden  zu  müssen, 
obgleich  die  unmittelbar  vorhergebendeD  verse  baccheiscbe  sind: 

ego  (Hunt  fcane^  ego  iltum  $iti 
maledictii,  male f actis  amätorem  täciscar. 
ego  ilbim  probe  incommodi»  dtctis  ängam, 
fdciam  uti  proinde  ut  est  dignus  vitäm  colat. 


854  C.  Fuhrmano :  die  rergleicliungssjitze  bei  PUuta«. 

faciam  ut  scias,.  644  prainde  iitud  facias  ipsfj  quod  faciamus  nobis 
suades,  capU  292  proinde  aUis  ut  credat  vide.  Amph.  214  f.  prainde 
uH  Properi  de  finibus  suis  exerciius  deducerenU  960  proinde  eri  ut 
sint^  ipse  item  iit:  voltum  e  voitu  comparet.  capt.  794  fdcere  cer- 
turnst,  proinde  ita  omnes  itinera  iniistani  sua,  Pers,  570  proinde  tu 
tibi  iubeas  coneludi  aedis  foribus  ferreis. 

Sehen  wir  uns  diese  beispiele  näher  an:  es  sind  grostenteils  aafTor- 
derungen  an  eine  zweite  person.  hat  nun  aber  unser  dichter  in  sätzen  wie 
Epid.  III  4,  19.  rud.  1331.  Stich.  670  und  ähnlichen,  wo  der  impe- 
rativ oder  conjuncliv  fast  unmittelbar  z\xi  proin  folgt,  das  pronomen  tu 
gesetzt  —  wahrscheinlich  doch  um  seine  zuhÖrer  schon  im  voraus  auf 
die  person,  an  weiche  die  anfforderung  ergehen  soll,  aufmerksam  zu 
machen  —  so  hat  er  es  sicherlich  auch  gethan  in  solchen  beispielen  wie 
asin.  27  und  Amph.  558 ,  wo  das  zu  proin  gehörende  verbum  ersl  im 
folgenden  verse  steht  oder  doch  von  der  aufforderungspartikel  durch 
mehrere  Wörter  getrennt  Ist.  wie  leicht  konnte  auch  von  einem  ab- 
schreiber  proin  tu  in  proinde  geändert  werden! 

In  den  beiden  zuerst  angeführten  beispielen  haben  nun  die  hss.  das 
proin  auch  noch  erhalten,  und  bereits  in  der  dritten  von  Gruter  besorgten 
Taubmannschen  ausgäbe  ist  der  vers  capt,  865  dem  Plautinischen  sprach* 
gebrauche  geroSsz  geschrieben  (denn  B  hat  nur  proin,  nicht  proinde): 
proin  tu  deum  kunce  sdturitate  facias  tranquillüm  tibi.  Cure.  298  lautet 
in  B :  proin  se  dornt  contineant,  nitent  infortunia,  für  infortunia  haben 
die  hgg.  wol  mit  recht  infortunio  geschrieben,  dasz  in  diesem  verse  das 
metrum  nicht  in  Ordnung  ist,  ist  klar,  es  fragt  sich,  was  kann  hier  aus- 
gefallen sein?  jedenfalls  das  pronomen  der  dritten  person,  tÜi,  jene  die 
Curculio  vorher  genannt  hat.  ich  möchte  deshalb  vorschlagen,  den  vers 
so  zu  schreiben :  proin  iüi  se  dömi  contineant^  vitent  infortunio,  in  den 
beispielen  Amph.  558.  asin.  27.  644.  capt.  292  ist  proinde  ohne  wei- 
tere Veränderung  oder  Umstellung  der  worte  einfach  in  proin  tu  zu  än- 
dern, wofern  nemlich  meine  behauptung  richtig  ist,  dasz  Plautus  die  Par- 
tikeln proin  und  proinde  streng  geschieden  und  ersteres  nur  in  aufforde* 
rungssätzen ,  letzteres  als  adverbium  similitudinis  gebraucht  hat.  in  den 
vier  letzten  beispielen  Amph.  214.  960.  capt.  794.  Pers.  570  wäre  dann 
nur  die  silbe  de  in  proinde  zu  streichen  und  Pers.  570  iubeas  und  con- 
eludi umzustellen,  so  dasz  der  vers  lauten  wilrde :  proin  tu  tibi  conciudi 
iubeas  aidis  foribus  ferreis. 

Bonn.  Carl  Fvbsmaks. 


B.  Schmidt:  anz.  v.  Senecae  tragoediae  edd.  B.  Peiper  et  G.  Richter.   85& 

(lOJ.) 

L.   AkBAEI   SeNEOAE   TBAGOEDIAE.      ACCEDVNT   IKCSRTAE   ORIOIKI8 
TRAGOEDIAE    TRES.      RE0EK8TERYNT   KVDOLFVS   PeIPGR  ET 

OvsTAVVs  Richter.    Lipsiae  in  aedibus  B.  6.  Teubneri 
MDCCCLXVII.     XLVm  u.  692  s.  8. 

(schluBZ  von  8.  781—800.) 


quO' 
er  in 


HERCULES.») 
V.  12  war  gar  {(ein  grund  vorhanden  das  was  der  Flor,  von  erster 
hand  bietet,  ferro  minaci^  zu  verschmähen  und  statt  dessen  ferro  minax 
zu  setzen,  was  im  Flor,  von  dritter  hand  an  den  rand  geschrieben  ist.  — 
V.  15  quibusque  natis  mobilis  tellus  sieiit  hätte  die  conjectur  Spanheims '°) 
zu  Kallimacbos  s.  477,  Delus  (besser  Delos)  für  iellut^  auf  welche  neuer- 
dings Lucian  Müller  (in  diesen  jahrb.  1864  s.  423)  aufmerksam  gemacht 
bat,  wol  verdient  erwähnt  zu  werden.  — -  V.  19  ff.  bietet  die  vulgata: 
sed  veiera  (hinter  welchem  wurt  die  hss.  noch  sero  einschieben)  queri'- 
tnur:  una  me  dira  ac  fera\Thebana  nurü>us  sparsa  tellus  impiis 
tiens  novercam  fecil?  welche  worte  mir  auch  nach  dem  was  L.  Mül 
diesen  jahrb.  1867  s.  63  zu  ihrer  vertheidigung  gegen  die  von  mir  oh- 
serv.  cril.  s.  7  ausgesprocheneu  bedenken  vorgebracht  hat,  nicht  ganz 
ohne  anstosz  erscheinen  wollen,  allein  die  art,  wie  hr.  P.  die  vielbespro- 
chene stelle  behandelt,  kann  ich  eben  so  wenig  billigen,  er  schreibt:  sed 
veiera  [sero"]  querimur.  una  me  Dirce  fera  [Thebana  tellus  viribus 
sparsa  inpHs"]  quotiens  n.  ff  zunächst  werden  durch  diese  Schreibung 
die  von  mir  a.  o.  angeregten  bedenken  gar  nicht  beseitigt,  denn  da  Dirce 
aatarlich  in  dem  sinne  von  tellus  Thebana  stehen  würde  (wie  Oed.  238)> 
so  bliebe  der  sinn  vollständig  derselbe.  P.  hat  aber  offenbar  auch  aus 
^anz  andern  gründen  die  stelle  ändern  zu  müssen  geglaubt,  er  bat  wol 
mit  Withof  (praemetium  crucium  criticarum,  Lugd.  Bat.  1749,  s.  31)  in 
der  Verbindung  der  worte  dira  ac  fera  ^-  sparsa  inpHs  eine  lästige  tau- 
tologie  gesehen,  indessen  eine  solche  häufung  ähnlicher  begriffe  hat  bei 
Seneca  nichts  aufßlliges  und  würde  hier ,  wo  Juno  in  grüster  gemfltser- 
regung  diese  worte  spriclit,  selbst  bei  einem  weniger  schwülstigen  dichter 
^u  ertragen  sein,  oder  sollte  P.  mit  demselben  Withof  (a.  o.)  gemeint 
haben  *poUus  inverso  ordine  ob  emphasin  ac  dicendi  regulas  fera  ac  dira 


19)  beiläufig  merke  ich  hier  an,  weil  es  für  die  mit  Seneca  sich 
1)e8ohäfttgenden  siebt  ohne  interesse  sein  dürfte»  dasz  von  dem  im  j. 
1866  verstorbenen,  durch  seine  arbeiten  über  Petronioa  bekannten  nord- 
americanischen  gelehrten  dr.  Carl  Beck  eine  specialaosgabe  dieser 
tragodie  existiert,  wie  ich  ans  einer  notiz  in  der  (Augsburger)  allg. 
xeitunff,  anszerord.  beilage  vom  4n  mal  1866  ersehen  habe,  aber  we- 
der habe  ich  dieselbe  je  vor  angen  gehabt,  noch  weisz  ich  wann  nnd 
wo  sie  erschienen  ist.  20]  auch  Paul  de  Lagarde  hat,  ohne  die 

prioritftt  Spanheims  zu  kennen,  dieselbe  Vermutung  neuerlich  vorge- 
bracht in  einer  schrift,  in  welcher  man  sicher  nicht  erwartet  etwas 
über  Seneca  zu  finden,  nemlich  in  den  anmerkungen  zur  griechischea 
Übersetzung  der  proverbien  (Leipzig  1863)  s.  VII. 


856  B.  Schmidl:  anz.  v.  Senecae  iragoediae  edd.  B.  Peiper  et  G.  Richler. 

dicenduQi  fuisse'?  wie  unbegröndet  dieses  wäre,  zeigt  gleidi  v.  32. 
naclidem  aber  lir.  P.  eilimal  dira  ac  in  JOirce  geändert,  muste  er  naiflrlich 
den  folgenden  vers,  welclier  nun  nicht  melir  am  platze  war,  als  fremdes 
einschiebsei  ganz  ausscheiden,  allein  dieser  vers  ist  nicht  nur  an  sich 
ganz  tadellos,  sondern  auch  in  dem  zusammenhange,  in  welchem  er  mit 
dem  folgenden  steht,  gerade  sehr  passend,  denn  es  sieht  doch  jeder,  dasz 
die  Worte  nuribus  sparsa  . .  inpiis  das  folgende  quoiiens  vorbereiten  und 
die  erklflrung  dazu  geben:  ^Theben  ist  besonders  reich  an  unzuch- 
tigen frauen,  daher  hat  dieses  allein  schon  so  oft  den  Jupiter  zur  untreue 
verleitet  und  mich  zur  Stiefmutter  gemacht.'  ich  kann  diese  stelle  nicht 
verlassen,  ohne  noch  eines  hinzuzufügen,  die  hss.  weichen  in  v.  20 
in  der  Stellung  der  worte  von  einander  ab:  der  Flor,  bietet  Thebana 
iellus  nuribus  sparsa  impiis^  gegen  das  melrum;  die  übrigen  hss.,  V 
nicht  ausgenommen,  haben  richtig  Thebana  nuribus  sparsa  tellus  im- 
piis,  obwoFnun  P.  sonst  so  sehr  geneigt  ist  im  Hercules  dem  V  vor  dem 
Flor,  den  vorzug  zu  geben,  hall  er  sich  doch  hier  an  die  von  dem  letztem 
gebotene  Wortfolge ,  schreibt  aber  viribus  statt  des  in  dieser  Stellung 
unmöglichen  nuribus.  ich  balle  es  für  ein  ziemlich  unnützes  beginnen^ 
in  einem  als  unecht  bezeichneten  verse  docli  noch  conjecturen  vorzuneh- 
men, was  übrigens  die  hgg.  mehrfach  thun.  so  setzt  hr.  P.  auch  v.  54 
eine  9nderung  Wiiliofs  in  den  text,  wiewol  er  diesen  vers  zugleich  mit 
den  vier  vorhergehenden  —  wieder  ohne  triftige  gründe  —  einklammert 
sodann  aber  wünschte  ich  zu  erfahren,  was  denn  eigentlich  viribus  sparsa 
inpiis  heiszen  soll,  denn  ich  gestehe,  dasz  es  mir  nicht  gelungen  ist 
einen  irgend  statthaften  sinn  aus  dieser  Vermutung  herauszubringen, 
auch  andere  conjecturen  P.8  zeichnen  sich  durch  ihre  dunkelheit  aus.  man 
Vgl.  z.  b.  seine  Vermutung  in  Thy.  v.  3« 

V.  38  heiszt  es  von  der  sonne :  binos  propinqua  tingii  Aethiopas 
face,  hier  wird  aus  V  und  zwei  andern  schlechten  hss.  gegen  die  bessere 
Überlieferung  tangii  aufgenommen,  dasz  dies  falsch  ist,  zeigen  die  worte 
propinqua  . ,  face,  —  V.43,  wo  die  vulgata  lautet:  quae  fera  iyranm 
iussa  violenio  queani  nocere  iuvemf  hat  P.  für  quae  aus  V  und  einigen 
andern  scidechten  hss.  quo  aufgenommen,  was  ofTenbar  nichts  ist  als 
corruplel.  die  betrachtung  des  Zusammenhangs  zeigt  ganz  deutlich,  dasz 
quae  das  einzig  ridilige  ist.  Juno  klagt  dasz  alle  ihre  besirebungen  Her- 
cules zu  verderben  vereitelt  worden  sind,  ja  dem  verhaszteo  Stiefsohn  nur 
noch  mehr  rühm  und  ehre  eingetragen  haben,  auf  dem  ganzen  erdkreis, 
sagt  sie,  preist  man  ihn  als  einen  gott.  schon  gebricht  es  mir  an  Unge- 
heuern ,  um  sie  ihm  entgegenzustellen ,  und  mit  geringerer  mühe  führt 
Hercules  die  ihm  gegebenen  befehle  aus,  als  ich  dieselben  ersinne, 
welche  befehle  des  Eurystheus,  ruft  sie  nun  aus,  könnten  ihm  noch 
schaden  bringen?  keine,  ist  der  sinn,  denn  selbst  die  schwersten  hat  er 
ja  mit  leichtigkeit  volibraclit.  in  derselben  weise  hat  sie  v.  30  gefragt: 
quae  belia?  dagegen  würde  die  frage:  'wodurch  oder  inwiefern  {quo) 
könnten  ihm  des  Eurystheus  befehle  schaden?'  gar  nicht  In  den  Zusam- 
menhang passen.  —  V.  62  hat  P.  aus  V  aufgenommen  ieira  monstri  colla 
devicia  iniuens^  während  alle  übrigen  hss.  depicii  bieten,  allerdings  sieht 


B.  Schmidt:  anz.  v.  Senecae  tragoediae  edd.  R.  Peiper  el  G.  Richter.   857 

im  Flor,  nach  Peter  das  letzte  t  in  einer  rasur.  aber  selbst  wenn  die 
beste  ha.  deutlich  devicta  gäbe,  dürften  wir  darin  doch  nur  einen  Schreib- 
fehler erblicken,  deon  dasselbe  schwächt  den  begrifT/oe/ra  ab,  auf  welchen 
es  hier  besonders  ankommt,  wie  das  folgende  zeigt  {iimui  hnperasse),  — 
V.  65  durfte  P.  nicht  praeripiat  aus  V  fOr  praeripiei  aufnehmen  und  die 
Worte  sceptra  praeripiat  pairi  mit  dem  vorhergehenden,  durch  ne  ein- 
geleiteten nebensatze  verbinden,  denn  hierdurch  entsteht  ein  selbst  bei 
diesem  dichter  sehr  lästiges  asyndeton.*^)  d^z  praeripiei  die  allein  rich- 
tige lesart  ist,  zeigen  auch  die  folgenden  worte  nee  in  astra  lenta  ve- 
niet  ut  Bacchus  via,  > —  V.  84  schreibt  P.  mit  V:  sed  tidt  otnnes,  ist 
denn  aber  der  so  entstehende  gedanke  mit  dem  was  in  den  unmUtell>ar 
vorhergehenden  versen  gesagt  ist,  besonders  mit  den  worten  subiimis 
alias  luna  concipiat  feras^  irgendwie  vereinbar?  kann  Juno  wirklich 
sagen,  Hercules  habe  alle,  auch  die  neu  vom  moude  zu  schaffenden 
ungeheuer  und  wilden  thiere  schon  besiegt?  mau  mäste,  wollte  man  das- 
omnes  lies  V  aufrecht  erhalten,  wenigstens  sed  vincei  schreiben,  aber 
aller  anstosz  wird  beseitigt,  wenn  man  so  liest,  wie  sämtliche  hss.  auszer 
V  die  stelle  bieten:  sed  vicii  isia.  dieses  neutrale  ista  bezieht  sich  ia 
seiner  allgemeinheit  gar  nicht  auf  die  einzelheiten  der  vorhergehenden 
Sätze,  sondern  besagt  nur,  dasz  Hercules  dergleichen  gefahren,  wie 
sie  von  Titanen,  Gigant^  und  nie  zuvor  gesehenen  Ungetümen  drohen^ 
bereits  siegreicli  bestanden  habe,  es  drückt  geringschätzung  aus,  wie 
V.  253  quid  ista  prosuni?  übrigens  sind  die  worte  sed  vicit  ista  ab 
nachsatz  eiues  v.  79  beginnenden  mehrgliedrigen  hypothetiscliea  Vorder- 
satzes zu  betrachten,  denn  wenn  sich  auch  der  dichter  in  dieser  ganzen 
ersten  scene  des  Hercules  mehr  als  einmal  in  widrigen  schwulst  verliert^ 
so  kann  doch  Juno,  nachdem  sie  v.  77  gesagt:  quid  tanta  mandas  odia 
(d.  i.  quid  alOs  exequenda  commiiiis)^  nicht  trotzdem  unmittelbar  darauf 
wieder  anderen  personen  die  ausfübrung  der  räche  übertragen,  der 
sinn  der  ganzen  stelle  ist  vielmehr  dieser*,  ^wenn  ich  auch  die  Titanen 
und  die  rieseu  gegen  ihn  loslasse,  wenn  auch  der  mond  für  ihn  neue 
ungeheuer  hervorbringt,  ich  werde  dadurch  doch  nichts  erreichen,  denn 
solche  gegner  hat  er  bereits  besiegt'  wer  bei  dieser  —  wie  mir  scheint^ 
einzig  möglichen  —  auffassung  der  stelle  in  v.  84  etwa  an  sed  anslosi 
nimt,  der  schreibe  devicii  ista,  zur  construclion  ist  unten  v.  507  zu 
vergleichen.  —  V.  95  wird  von  P.  getilgt,  jedenfalls  als  Wiederholung 
von  V.  92k  allein  wenn  man  denselben,  wie  in  den  früheren  ausgaben 
geschieht,  mit  den  folgenden  worten  quidquid  relictum  est  verbindet  und 
hinter  dieselben  ein  punctum  setzt,  so  dasz  dann  veniat  zu  scelus  usw. 


21)  aSTodetische  Bneinanderreibtiiig  kurzer  hatiptsätze  ist  aller- 
dings eine  charakteristische  elgentSmlicfakeit  der  diotion  Senecas,  ood 
Lucian  Müller  (in  diesen  jahrb.  1867  s.  64)  hätte  gegen  die  von  mir 
obsery.  crit.  s.  11  vertheidigte  lesart  Herc.  II  1203  tucem  recepi^  Ditie 
evici  moras  nicht  einwenden  sollen,  dasz  ihm  daran  das  asjndeton  mis- 
falle,  denn  beispxele  solcher  art  finden  sich  bei  Seneca  sowol  in  den 
tragödien  als  in  den  prosaischen  Schriften  anaühlige.  aber  anders  ver- 
hält es  sich  in  den  nebensätzen. 


858   B.  Schmidt:  anz.  t.  Senecae  Iragoediae  edd.  R.  Peiper  et  G.  Richter. 

prädieat  wird,  so  gewährt  er  keinen  anslosz.  freilich  verletzt  er  das 
gesetz  der  eurythmie,  welches  die  hgg.  im  Seneca  entdeckt  zu  haben 
meinen :  denn  er  ist  der  siebente  vers  einer  sechszeiligen  anlistrophe. 

V.  116  f.  werden  die  worte  et  cupiat  tnori  ab  inferis  reversus  wie- 
der beseitigt:  dieselben  sollen,  wie  es  praef.  s.  X  heiszt,  zar  erklSrung 
des  vorausgehenden  gedankens  te  vincat  von  anderer  band  beigescbrieben 
-worden  sein,  allein  dieser  gedanke  ist  in  der  that  an  sich  gar  nicht  so 
verstflndlich,  dasz  wir  einer  nahern  erläuterung  desselben  gut  entbehren 
könnten,  und  wer  sieht  ferner  nicht  ein,  dasz  der  vom  dichter  gemaelite 
lusalz  eben  so  schön  als  notwendig  ist?  enthSlt  er  doch  eine  pointe,  die 
wahrlich  nicht  an  einen  interpolator  erinnert,  sondern  vielmehr  den  ech- 
ten Seneca  verräth,  dessen  geist  man  freilich  kennen  musz,  ehe  man  sich 
anmaszt  in  seinen  Schriften  kritik  zu  Oben :  ^Hercules  soll  sich  selbst  besie- 
gen und,  nachdem  er  ruhmreich  aus  dem  lande  der  toten  zurQck- 
gekehrt,  sich  den  tod  wQnschen'  nemlich  in  seinem  schmerz  über 
die  von  ihm  in  der  raserei  gemordeten  sein  igen.  —  Nach  v.  146  nimt 
P.  eine  lucke  von  öinem  verse  an.  die  rede  Ist  uutadelhafl  und  berechtigt 
zu  solcher  annähme  durchaus  nicht  allein  br.  P.  bedurfte  noch  eines 
verses,  um  eine  siebenzeillge  anlistrophe  zu  gewinnen.  —  V.  153  haben 
die  hss.  einstimmig  folgendes :  carhasa  ventis  credit  duhiui  navita  vitae^ 
woran  gewis  nichts  auszusetzen  ist.  es  mQste  denn  jemand  daran  anstosz 
nehmen,  dasz  der  schilTer  hier  dubius  vitae  bebzt,  wahrend  er  unten  (v. 
160  ff.)  mit  zu  denjenigen  gezahlt  wird,  innocuae  quibus  est  vitae  trän- 
quilla  gutes  usw.  dies  wäre  aber  verkehrt,  denn  unter  der  tranquiUa 
quies  ist  nicht  das  freisein  von  gefahren  zu  verstehen,  sondern  von 
wilden  leidenschaften.  allein  für  hm.  P.  waren  hier  ein  par  worte 
überschfissig,  denn  die  von  ihm  geschaffene  epode  sollte  nur  sieben  verse 
haben,  daher  streicht  er  die  worte  carhasa  und  vitae  als  'interpreta- 
menta'  und  stellt  dann  so  um:  credit  dubius  navita  ventis,  was  erbalten 
wir  da  für  einen  gedanken?  *der  schiffer  traut  zweifelnd  den  winden.' 
es  sieht  doch  jeder  dasz  dubius  ohne  ein  näheres  object  unmittelbar 
neben  dem  intransitiven  credit  unsinnig  ist:  zwei  unvereinbare  begriffe 
wQrden  hier  mit  einander  verbunden  werden,  also  auch  an  dieser  stelle 
hat  hr.  P.  trefflichen  sinn  durch  seine  gewaltmaszregeln  geradezu  zer- 
stört, freilich  erhalten  wir  zum  ersatz  fQr  diese  einbusze  eine  Strophe. 
—  V.  163  f.:  diese  stelle  ist  von  mir  de  emend.  Sen.  trag.  s.  62  f. 
behandelt  worden,  worauf  ich  hier  verweise  (vgl.  auch  meine  observ.  crit. 
s.  8).  P-  hat  meine  Vermutung  spes  inmanes  (so,  nicht  immanes^  hatte  icli 
geschrieben)  in  den  text  aufgenommen  (nur  mit  der  endung  is  des  adjec- 
tivs),  zugleich  aber  auch  die  erste  halfle  des  in  den  besten  hss.  fehlenden 
und  schon  von  Gronov  mit  recht  fflr  unecht  erklarten  dimeters  turbine 
magno  spes  soUicitae ,  so  dasz  in  der  neuen  ausgäbe  die  stelle  lautet : 
turbine  magno  spes  inmanis  urbibus  errant  trepidique  metus,  ich  kann 
dieses  verfahren  nicht  billigen,  denn  dadurch  dasz  nun  spes  inmanis 
nicht  mehr  die  erste  stelle  des  neuen  salzes  einnlmt,  verliert  der  in  dem- 
selben ausgesprochene  gegensatz  zum  vorhergehenden  sehr  an  kraft,  aucli 
begreift  man  so  die  genesis  der  Verderbnis  und  Interpolation  in  den  hss« 


B.  Schmidt:  anz.  v.  Scnccae  Iragoediae  edd.  R.  Peiper  et  6.  Richter.  839 

Tiel  weniger,  r—  V.  167  hat  P.  nicht  gut  daran  gethan  die  alte  emenda- 
iion  hic^  weiche  seil  Hieronymus  Avantius  in  allen  ausgaben  steht,  wieder 
zu  verdrSngen  und  an  deren  stelle  ac  zu  setzen,  welches  allerdings  ducch 
tlie  hss.  überiiefert,  aber  hier  unmöglich  ist,  weil  es  zwei  ganz  verschiedene 
thatigkeiten ,  welche  einander  entgegengesetzt  werden  musten,  verbindet, 
wie  dem  illum  in  v.  170  ein  hie  in  v.  173  entspricht  (welchen  vers  frei- 
lich P.  wieder  ausgeworfen  hat,  worüber  nachher},  so  musz  auch  dem 
nie  in  V.  165  ein  solches  hie  entsprechen,  und  dieses  kann  nur  in  v.  167 
gestanden  haben,  es  werden  in  der  ganzen  stelle  v.  165 — 175  behufs 
der  Charakteristik  des  unruhigen ,  masziosen  treibens  in  den  stüdten ,  im 
gegensatz  zu  dem  stillen  frieden  Undlicher  beschafti^ungen,  oflenbar  vier 
typen  aufgestellt:  der  eine,  sagt  der  dichter,  buhlt  um  die  huld  der 
groszen;  der  andere  scharrt  unermesziiche  schätze  zusammen;  wieder 
ein  anderer  iSszt  sich  durch  die gunst  der  menge  blenden;  ein  vierter 
endlich  verdingt  sich  den  streitenden  als  rechtsanwalt.  —  In  v.  172  hat 
übrigens  P.  —  der  bei  Seneca  sehr  fraglichen  synaphie  der  anapSsten  we- 
gen —  das  hsl.  aura  in  cura  geändert,  was  dem  sinne  nichts  weniger  als 
angemessen  ist.  der  hierauf  folgende  monometer  hie  clamosi  wird  ge- 
strichen, wofdr  wieder  kein  anderer  grund  abzusehen  ist  als  der,  stro- 
phische responsion  zu  gewinnen,  sicher  ist  aber,  dasz  durch  dieses  ver- 
fahren der  Zusammenhang  ebensowoi  wie  die  in  der  abwechslung  der 
pronomina  iUe  und  hie  bestehende  Symmetrie  der  rede  zerstört  werden. 

V.  220  ff,  las  man  in  den  früheren  ausgaben  seil  Gronov:  gemina 
cristati  eaput  |  angues  ferebant  ora^  quos  contra  obvius  \  reptavit 
infans,  igneos  serpeniium  |  oculos  remisso  lutnine  ac  placido  iniuens  \ 
artos  serenis  vuUibus  nodos  iulit^  \  et  tumida  tenera  guttura  elidens 
manu  \  prolusit  hydrae.  hier  hat  P.  in  v.  222  für  reptavit  oder  —  was 
im  Flor,  steht  und  noch  besser  ist  —  repiabat  aus  V  und  dem  Pulaviensis 
raptavit  aufgenommen,  was  er  sich  darunter  gedacht  hat,  ist  mir  unklar; 
raptavit  könnte  doch  nichts  anderes  bedeuten  als  *er  risz  die  schlangen 
-weg',  ein  gedanke  der  zu  der  hier  gegebenen  beschreibung  des  bekannten 
abenteuers,  welches  Hercules  in  der  wiege  zu  bestehen  hatte,  in  keiner 
weise  stimmt,  und  wie  will  hr.  P.  bei  dieser  lesart  die  worie  contra 
obvius  erklären?  wir  wollen  darüber  kein  worl  weiler  verlieren:  jeder 
der  die  stelle  unbefangen  betrachtet  wird  sich  sofort  davon  überzeugen, 
dasz  raptavit  unmöglich  und  weiter  nichts  als  corruptel  ist.  —  Wunderbar 
ist  auch  P.s  verfahren  in  dem  unmittelbar  folgenden  verse  (223).  hier 
las  man  bisher  lutnine  nach  dem  Helisseus,  mit  welchem  auch  eine  Pariser 
hs.  übereinstimmt,  im  Flor,  ist  die  erste  band  ausradiert  und  von  zweiter 
band  vultu  geschrieben,  gegen  das  metrum:  nach  J.  F.  Gronovs  zeugnis 
weisen  indessen  die  spuren  der  ersten  band  ziemlich  deutlich  auf  lumina 
hin,  während  Peter  das  wegradierte  worl  aus  acht  buchstaben  bestanden 
zu  haben  schien,  von  den  übrigen  hss.  haben  die  meisten  pectore,  einige 
pectore  und  vultu  neben  einander,  jenes  scheint  aus  Phoen.  187  remisso 
pectore  ac  placido  feras  hierher  gezogen  worden  zu  sein,  um  dem  verse 
genüge  zu  leisten,  wie  schon  Gronov  vermutete,  nichts  desto  weniger 
hat  lir.  P.  diese  sehr  verdächtige  lesart,  welche  auch  für  den  sinn  keines- 


860  B.  Schmidt :  anz.  v.  Senecae  tragoediae  edd.  R.  Peiper  ei  G.  Richter. 

wegs  angemessen  ist  (es  folgt  iniuens)^  wieder  aufgenommen,  zugleich 
aber  vorher  vullus  an  stelle  des  gut  bezeugten  oculos  gesetzt,  und  zwar^ 
wje  es  scheint,  deswegen,  well  dieses  letztere  wort  in  eiuigen  der  schlech- 
tem hss.  fehlt  und  in  einer  andern  von  Baden  eingesehenen  hs.  desselben 
Schlags  vuHu  remisso  steht,  dasz  vultus  hier  nicht  am  platze  sei,  konnte 
gleich  der  folgende  vers  (224)  zeigen,  welcher  lautet:  artos  serenis  vui- 
tibus  nodos  tulit.  allein  dieser  vers  wird  freilich  von  P.  wieder  ausge- 
worfen ^nach  dem  vorgange  Withofs'  wie  er  sagt,  was  indessen  unrichtig 
ist:  denn  jener  (a.  o.  s.  45  f.)  wollte  nur  einige  worte  in  dem  verse 
ändern,  keineswegs  denselben  ganz  beseitigen,  aber  auch  einer  ändening 
liedarf  der  vers  nicht,  der  smn  desselben  ist  ganz  klar:  'Hercules  ertrug 
mit  heiterer  miene  die  festen  knoten,  in  welchen  die  schlangen  sich  um 
seinen  leib  gewunden.'  auch  ist  serenis  vultibus  nach  remisso  lumine 
ac  placido  gar  nicht  auffällig :  denn  erstlich  ist  beides  nicht  völlig  das- 
selbe, und  sodann  liegt  häufung  verwandter  begriffe  durchaus  in  Senecas 
manier.  die  behandlung  dieser  ganzen  stelle  von  selten  P.s  zeigt  den 
mangel  an  melhode  iu  besonders  grellem  lichte.  —  Nach  v.  234  nimt  P., 
bewogen  durch  seinen  mitarbeiter,  wieder  eine  lücke  an,  ohne  allen 
grund.  —  Nach  v.  271  werden  wieder  sechs  senare  hinter  einander  ein- 
geklammert, auch  hier  ist  ein  triftiger  grund  zu  dieser  maszregel  nicht 
vorhanden,  allerdings  enthalten  dieselben  nichts  wesentlich  neues,  zum 
teil  variieren  sie  nur  den  in  den  vorhergehenden  versen  ausgesprochenen 
gedanken;  allein  nach  dem  frQher  bemerkten  berechtigt  dies  keineswegs 
zu  ihrer  beseiligung.  selbst  die  zweimalige  bezeichnung  des  Lycus  durch 
exul  nach  kurzem  Zwischenraum  (273  und  278)  darf  bei  Seneca  nicJit 
auffallen ,  ich  werde  auf  derartige  Wiederholungen  unten  noch  näher  zu 
sprechen  kommen,  es  wird  aber  einem  aufmerksamen  leser  nicht  ent- 
gehen, dasz  der  v.  273  mit  iremiiis  beginnende  satz,  welcher  nicht  als 
verwundernde  frage,  sondern  als  ausruf  zu  fassen  ist,  auf  die  worte 
v.  263  quem  dominum  iremis?  die  antwort  gibt,  und  so  hat  die  eine 
stelle  an  der  andern  ihre  feste  stütze.  —  In  dem  einen  der  in  klammern 
eingeschlossenen  verse  (273)  schreibt  übrigens  P.  statt  quo  decidisiisT 
nach  den  spuren  in  V  quorsum  excidistis?  was  ja  an  sich  ganz  gut  wäre, 
wiewol  zu  erinnern  ist ,  dasz  der  sonstige  gebrauch  Senecas  für  die  vul- 
gata  spricht  (s.  die  von  Baden  aus  den  philosophischen  Schriften  Senecas 
zu  unserer  stelle  angeführten  parallelen),  unbegreiflich  aber  ist,  wie  P. 
in  demselben  verse  statt  der  einzig  richtigen  lesart  ignavum  den  dem 
Flor,  mit  ein  par  schlechten  hss.  gemeinsamen  Schreibfehler  ignarum  in 
den  text  hat  setzen  können. 

V.  332  quem  saepe  transit  casus  y  aliguando  invenit  (so  die  hss.) 
wird  gestrichen,  weil  derselbe  sich  unter  den  sentenzen  des  Publilius 
Syrus  befindet ,  wo  er  (s.  Ribbeck  com.  lat.  rel.  s.  266  v.  84)  mit  verän- 
derter Wortstellung,  so  dasz  der  spondeus  in  die  zweite  stelle  kommt,, 
lautet:  c€tsus  quem  saepe  transit^  a,  i.  es  ist  bekannt,  was  es  mit  jener 
spruchsamlung  für  eine  bewandlnis  hat :  dasz  sie  durchweg  mit  fremden 
elementen  versetzt  ist  und  nur  äuszerst  wenige  der  in  ihr  vereinigten 
verse  mit  Sicherheit  auf  jenen  mimendichter  als  auf  ihren  Urheber  sich 


B.  Schmidi:  anz.  v.  Senecae  tragoediae  edd.  R.  Peiper  et  G.  Richter.  861 

2urGckfflhren  lassen,  gerade  die  sentenzenreichen  Schriften  des  jüngerti 
Seneca  aber  sind  für  die  fälsclier  eine  ergibige  quelle  gewesen,  wie  ver- 
kehrt ist  es  daher,  einen  Senecaschen  vers  aus  keinem  andern  gründe  zu 
alhelieren,  als  weil  er  auch  unter  den  sogenannten  Sentenzen  des  Syrus 
vorkommt!  allein  die  hgg.  haben  eine  ganze  reihe  von  versen  (s.  praef. 
s.  IX  f.)  als  ^syrianae  [sie]  senlentiae  vel  earum  similes'  getilgt.  —  Die 
beiden  verse  339  und  340  werden  als  Interpolation  gestrichen,  hinsicht- 
lich des  letztem  bin  ich  damit  vollkommen  einverstanden ,  da  zu  Isthmos 
unmöglich  videi  prädicat  sein  kann ;  noch  unpassender  wäre  derselbe  vor 
v.  339 ,  welche  stelle  ihm  der  Flor,  und  Vind.  anweisen,  eben  daraus 
aber  scheint  hervorzugehen,  dasz  dieser  y&ts  vom  rande  irtamlicii  in  den 
text  zuerst  zwischen  v.  336  und  339  hineingerathen  und  dann  von  einem 
«orrector  hint«r  den  letztem  gestellt  worden  ist.  —  Dagegen  wüste  ich 
nicht  was  an  v.  339  auszusetzen  w9re.  in  hrn.  P.s  text,  welcher  hier 
;ius  seinem  liebling  V  veriice  celso  videi  aufgenommen  hat  statt  vertice 
excelso  t?.,  was  alle  übrigen  hss.  bieten,  ist  derselbe  freilich  ein  mon- 
strum.  ich  weisz  nicht  zu  sagen,  ob  der  hg.  den  metrischen  Schnitzer 
gar  nicht  erkannt  oder  ob  er  geglaubt  hat  denselben  zur  Unterstützung 
seiner  athetese  verwerthen  zu  können,  natürlich  ist  celso  in  V  für  excelso 
.fifichtigkeitsfehler  des  Schreibers,  wie  in  derselben  hs.  v.  457  dedit  statt 
sdidit  und  v.  665  loqui  statt  eloqui  steht.  —  V.  357  ist  im  Flor.,  Vind. 
und  andern  hss.  ein  einsilbiges  wort  zwischen  posse  und  invidiam  aus- 
gefallen, die  übrigen  hss.  fügen  te  ein,  was  ohne  bedenken  aufzunehmen 
war,  wie  es  denn  auch  in  den  früheren  ausgaben  steht,  denn  es  ist  für 
<len  sinn  sehr  passend,  und  wie  leicht  es  nach  posse  ausfallen  konnte, 
begreift  sich,  die  von  P.  in  der  adn.  crit.  vorgebrachte  Vermutung  pon- 
4us  invidiae  paii  ist  verfehlt,  schon  deshalb  weil  dadurch  posse  beseitigt 
wird,  welches  hier  mit  nachdruck  steht  und  nicht  verdrangt  werden  darf. 
—  V.  381  und  382  werden  wieder  als  interpolation  ausgeworfen,  dasz 
Avir  dieselben  recht  gut  entbehren  könnten,  wird  niemand  bestreiten, 
aber  das  ist  noch  kein  grund  sie  zu  streichen.  —  V.  383  f.  haben  die 
fass. :  patrem  dbslulisti  regna  germanos  larem  \  palriam.  P.  schreibt : 
patria  a.  r.  g,  /.  patrem^  ofTenbar  deswegen  weil  im  folgenden ,  wo  Me- 
;gara  das  was  ihr  Lycus  geraubt  recapituliert,  das  vaterland  nicht 
wieder  erwähnt  wird,  während  sonst  patrem  xin^  parente^  germanos 
und  fratre^  regna  und  regno,  larem  und  lare  sich  genau  entsprechen, 
ich  halte  indessen  diesen  grand  nicht  für  triftig  genug,  um  hier  eine 
jnderang  vorzunehmen:  von  den  aufgezählten  fünf  Verlusten  werden  die 
-vier  schwersten  wiederholt,  durch  weglassung  des  fünften  wird  nach 
meiner  ansieht  der  harmonie  der  rede  kein  abbruch  gethan.  specieü  gegen 
hm.  P.s  Vermutung  habe  ich  noch  einzuwenden ,  dasz  dieselbe  dasjenige 
wort,  worauf  offenbar  das  meiste  gewicht  liegt  und  welches  nach  der 
überliefemng  ganz  richtig  den  anfang  des  satzes  einnimt,  patrem^  ans 
ende  stellt ;  ferner  dasz  sie  larem  patrem  auf  einander  folgen  läszt  und 
dadurch  einen  dem  obre  nicht  angenehmen  gleichklang  erzeugt.  —  V.  396 
. — 398  werden  wieder  gestrichen,  praef.  s.  XI  wird  gesagt,  dieselben  seien 
•«ine  ganz  alberne,  mit  dem  vom  dichter  behandelten  gegenstände  in  keiner 


862  B.  Schmidt:  anz.  v.  Senecae  tragoediae  edd.  R.  Peiper  el  G.  Richter. 

-weise  zusammenhaiDgende  inlerpolalion.  trotz  der  bestimrotheil,  mit  der 
diese  behaupluog  ausgesprochen  wird ,  erlaube  ich  mir  an  der  richtigkeil 
derselben  zu  zweifeln,  warum  soll  denn  Cadmus,  der  zur  strafe  fOr  seine 
vermessenheit  von  den  gittern  in  eine  schlänge  verwandelte,  nicht  mit 
unter  denjenigen  aufgezählt  werden,  an  welchen  sich  der  v.  389  gelhane 
ausspruch  sequitur  superbos  ultor  a  (ergo  deus  bewahrheitet  habe? 

V.  444  beginnt  ein  zum  teil  in  stichischer  responsion  sich  ab- 
wickelndes Wortgefecht  zwischen  Amphilryo  und  Lycus,  welcher  letztere 
die  von  jenem  behauptete  göttliche  abstammung  des  Hercules  mit  ver- 
schiedenen gründen  bestreiteL  auf  die  bemerkung  des  Lycus  v.  458, 
dasz  es  eines  gottes  unwürdig  sei  sich  wie  Hercules  mit  Ungeheuern  und 
wilden  thieren  herumzubalgen  (über  den  von  mancher  seite  misverstan- 
denen  sinn  dieses  verses  habe  ich  in  diesen  jahrb.  1866  s.  553  gespro- 
chen ,  worauf  ich  hier  verweise) ,  führt  Amphilryo  v.  459  das  beispiel 
Apollos  an ,  welcher  einst  einen  kämpf  mit  einem  drachen  zu  bestehe» 
gehabt  habe,  nun  heiszt  es,  nach  der  personenverteilung  und  inter- 
punction  der  früheren  ausgaben  seit  Gronov,  welter  also: 

Lto.  quam  gravia  parvus  tulerit  ignoras  mala  ?  460 

Amph.  e  mairis  utero  f ulmine  eiecius  puer 

mox  fulminanti  proximus  patri  stetit. 

quid  qui  guhernai  aslra ,  qui  nubes  quatit^ 

non  laiuit  infam  rupis  Idaeae  specu? 
in  den  hss.  sind  alle  diese  verse  dem  Amphitryo  zugeteilt,  und  in  alten  aus- 
gaben findet  man  demgemäsz  die  beiden  ersten  (460  und  461)  zu  Einern 
satze  verbunden  und  hinter  puer  interpungiert.  indessen  schon  Gruter  war 
der  ansieht,  welche  dann  Gronov  und  alle  folgenden  hgg.  angenommen 
haben,  dasz  v.  460  dem  Lycus  gehöre,  und  in  der  that  ist  nichts  gewisser 
als  dieses,  denn  gehörten  diese  worte  dem  Amphitryo,  so  würden  sie 
zusammen  mit  den  folgenden  versen  immer  noch  antwort  sein  auf  den 
V.  458  von  Lycus  gemachten  einwand,  diese  antwort  würe  aber  höchst 
absurd,  kann  denn  Amphilryo  die  bemerkung  des  Lycus,  dasz  kämpfe  mit 
bestien,  wie  sie  Hercules  zu  bestehen  gehabt,  keinem  gölte  beschieden 
seien,  vernünftiger  weise  dadurdi  widerlegen  wollen,  dasz  er  die  dorcb 
einen  blitzscblag  erfolgte  gehurt  des  Bacchus  und  das  versteck  des  Jupi- 
terkindes  in  der  höhle  des  Fda  anführt?  diese  belsplele  passen  doch  auf 
Lycus  einwand  in  keiner  weise,  man  kann  dem  ferner  hinzufügen ,  dasz 
bei  der  Verbindung  der  verse  460  und  461  zu  ^inem  satze  parvus  vor 
puer  nicht  nur  überQüssig,  sondern  sogar  abgeschmackt  Ist,  sowie  dasi 
dann  v.  462  den  halt  verliert,  dagegen  ist  jeder  anstosz  beseitigt,  sobald 
man  v.  460  dem  Lycus  in  den  mund  legt:  derselbe  macht  hiermit  einen 
neuen  grund  gegen  die  behauptete  göttliche  abkunft  des  Hercules  geltend,, 
nemlich  dessen  leid  volle  klndheit,  die  keinem  göttersohne  zu  teil  werde; 
er  deutet  hin  auf  das  allbekannte  abenteuer  des  Hercules  in  der  wiege, 
zu  diesem  einwände  stimmen  dann  die  zwei  im  folgenden  von  Amphi- 
tryo angeführten  belspiele  des  Bacchus  und  des  Jupiter  ganz  vortrefflich, 
allein  hr.  P.  hat  ^^  man  sollte  es  kaum  für  möglich  hallen  —  diese  stelle,, 
welche  die  krilik  bereits  vor  mehr  als  drillhalbhundert  jähren  vollstlndig 


B.  Schmidl:  anz.  v.  Senecae  Iragoediae  edü.  R.  Peiper  et  G.  Richter.  863^ 

abgelhan,  wieder  verdorben  dadurch,  dasz  er  v.  460  dem  Amphilrya 
zurückgibt  und  mit  dem  folgenden  verse  zu  Einern  satze  verbindet,  v.  462, 
der  nun  freilich  ziemlich  zusammenhanglos  dasteht ,  wird  dann  wieder  in 
der  so  beliebten  weise  behandelt,  d.  h.  geslrichen. 

V.  528  ff.  lauten  nach  der  vulgata :  o  Fortuna  viris  invida  forti" 
bvs^  I  quam  non  aequa  bonis  praemia  dividis!  \  Eurysiheus  facili 
regnet  in  oiio :  \  Jlctnena  genilus  bella  per  omnia  \  monstris  exagiiet 
caeliferam  manutn  usw.  Bothe  hat  richtig  erkannt  dasz  v.  530 — 536 
Worte  der  hier  redend  eingeführten  Fortuna  seien.  P.,  dadurch  nicht 
befriedigt,  hat  es  vorgezogen  v.  630  aus  V  und  zwei  hss.  der  Rehdiger- 
sehen  bibliolhek  regnat  in  den  lext  zu  setzen  und  hierauf  ausfall  dreier 
verse  anzunelimen.  was  hierdurch  erreicht  werden  soll,  sehe  ich  nicht 
ab;  die  annähme  einer  lOcke  hat  jedenfalls  nur  den  zweck  strophische 
gleichmäszigkeit  zu  erreichen,  übrigens  benutze  ich  diese  gelegenheit, 
um  eine  in  v.  529  von  mir  (obs.  crit.  s.  16)  vorgebrachte  conjectur  gegen 
Lucian  Hüller  (in  diesen  jahrb.  1867  s.  64  f.)  zu  vertheidigen  oder  we- 
nigstens zu  zeigen,  dasz  ich  nicht  ohne  grund  an  jener  stelle  anstosz. 
genommen,  ich  schlug  vor  statt  bonis  zu  schreiben  komini:  denn  ich 
hielt  es  und  halte  es  noch  für  unlogisch  zu  sagen:  Tortuna  verteilt  ihre 
gaben  ungerecht  unter  die  braven:  den  Eurystheus  läszt  sie  in  ruhe 
herschen,  dem  Hercules  dagegen  legt  sie  mühsale  aller  art  auf.'  entweder 
durfte  Eurystheus  gar  nicht  erwähnt  werden,  oder  es  muste  im  vorher* 
gehenden  gesagt  sein:  Tortuna  verteilt  ihre  gaben  ungerecht  (wider 
verdienst)  unter  die  menschen.'  dazu  kommt  dasz  es  eine  auch  bei 
Seneca  unerträgliche  taulologie  ist,  wenn  von  Fortuna,  die  bereits  als 
viris  invida  fortibus  bezeichnet  worden,  noch  in  demselben  satze  gesagt 
wird:  non  aequa  bonis  praemia  dividis.  dasz  aequa  hier  ^gleich'  bedeute,, 
habe  ich  nicht  behauptet,  und  dasz  es  ^gerecht'  bedeuten  könne,  war  mir 
nicht  unbekannt.  —  V.  552,  ganz  tadellos,  wird  wieder  gestrichen,  es  ist 
dies  einer  von  denjenigen  versen,  welche  nach  der  hgg.  eigenem  gesländnis 
nicht  von  einem  interpolator,  sondern  von  Seneca  selbst  herrühren,  aus- 
drückli<5h  als  solche  bezeichnet  werden  (praef.  s.  Vll)  auszerdem  v.  745^ 
und  791  uuserer  tragödie.  namentlich  die  lilgung  dieses  letzten  bewirkt 
eine  unverantwortliche  Verstümmelung  der  rede.  —  V.  562  f.  evincas 
utinam  iura  ferae  Slygis  \  Parcarumque  colos  non  revocabiles  werden 
hinter  v.  593  gesetzt,  allerdings  stehen  dieselben  in  den  hss.  schwerlich 
an  ihrem  richtigen  platze,  es  scheint  mir  aber  einfacher  und  passender 
sie  unmittelbar  vor  v.  570  zu  stellen. 

V.  651  schreibt  P.  statt  pande  viriutum  ordinem^  woran  schoa 
Withof  a.  0.  s.  56  anslosz  genommen  hatte,  ziemlich  kühn/>.  fatorum  o. 
allein  dasz  vom  dichter  wirklich  virtutum  ausgegangen  und  nicht  fato- 
rum  oder  etwas  dem  ähnliches,  zeigt  acta  in  v.  654.  die  verse  652  und 
653  stehen  jener  lesart  nicht  entgegen:  wenn  man  mehr  ihren  sinn  im. 
allgemeinen  (höllenfahrt  und  besiegung  des  Cerberus)  als  den  strengen 
Wortlaut  ins  äuge  faszt,  so  können  sie  recht  wol  als  eine  ausführung  des> 
begriffs  virtutes  angesehen  werden,  dasz  dann  Theseus,  der  virtutum 
ordinem  und  casus  horridos  (v.  661)  erzählen  soll,  zunächst  hierum. 


864  B.  Schmidt:  aoz.  v.  Senecae  tragoediae  edd.  R.  Peiper  et  G.  Richter. 

unbekfimmeK  ein  breites  gemllde  der  Unterwelt  entvrirfl,  wird  niemand 
befremden  der  Senecas  manier  J^ennt.  übrigens  wOrde  dieser  aastosz, 
wenn  es  einer  wire,  auch  durch  die  änderung  faiarum  nicht  beseitigt 
werden.  —  V.  663  f.  hat  P.  die  vulg.  tfuam  tota  inriia  quaesivk  Aeina 
maier  ^  welche  sich  nach  meiner  Überzeugung  darch  keine  kunst  der 
Interpretation  halten  liszt,  unverändert  stehen  lassen,  indem  ich  in  betreff 
dieser  lesart  auf  das  obs.  crit.  s.  17  f.  von  mir  bemerkte  verweise,  füge 
ich  hier  noch  folgendes  hinzu,  was  hoffentlich  jedermann  von  der  unhalt- 
barkeit  derselben  überzeugen  wird,  bevor  Theseus  seine  erzählong  be- 
ginnt, ruft  er  auszer  dem  fas  omne  mundi  Pluto  und  Proserpina  an  und 
bittet  sie  es  nicht  ahnden  zu  wollen,  wenn  er  die  geheimnisse  ihres 
reiches  verrathe.  er  nennt  jedoch  diese  beiden  gulter  nicht  mit  namen. 
sondern  Pluto  bezeichnet  er  durch  die  worle  dominantem  regno  capaci 
in  einer  jedem  verstindlichen  weise  als  beherscher  der  Unterwelt,  nun, 
meine  ich,  musle  der  dichter  auch  von  Proserpina,  deren  namen  er  gleich- 
falls unterdrückt,  notwendig  einen  ausdruck  gebrauchen,  durch  welchen 
diese  gdtlin  in  bestimmter  weise  eben  als  die  herscherin  In  der  nn  ter- 
weit  bezeichnet  wird,  das  ist  aber  bei  der  vulg.  keineswegs  der  fall, 
denn  wenn  ich  sage:  'du,  welche  die  mutter  auf  dem  ganzen  Aetna  Ter- 
geblich  gesucht',  so  ist  das  —  ganz  abgesehen  davon  dasz  dieser  ge- 
danke  mit  dem  allbekannten  mythus  in  Widerspruch  steht  —  jedenfalls 
kein  ausdruck,  der  den  begriff  der  unterirdischen  göttin  ausliillte 
und  demjenigen  entspriche,  durch  welchen  Plutos  name  umsdirieben 
worden  ist.  aus  ganz  demselben  gründe  musz  ich  mich  auch  gegen  die  von 
Lucian  Müller  jüngst  (in  diesen  jahrb.  1867  s.  65)  vorgeschlagene  con- 
jeclur  iuia . .  Henna  (oder  Enna^  welches  letztere  bereits  in  der  editio 
Aldina  vom  j.  1517  sieht)  erklären,  ich  bin  daher  auch  jetzt  noch  der  festen 
Überzeugung,  dasz  Seneca  in  Übereinstimmung  mit  der  mythischen  tradl- 
tion  quam  ioto  inrita  q,  orbe  m,  geschrieben  hat.  hierdurch  wird  der 
oben  ausgesprochenen  forderung  vollkommen  genüge  geleistet,  die 
worle  Mu,  welche  die  mutter  vergeblich  auf  dem  ganzen  erd- 
kreise  gesucht'  bezeichnen  in  der  rechten  weise  die  unterirdische 
gdttin:  denn  das  suchen  der  mutter  nach  der  tochter  auf  der  ganzen 
erde  ist  ja  eben  darum  ein  vergebliches  gewesen,  weil  diese  sich  nicht 
mehr  auf  der  erde,  sondern  bereits  unter  der  erde  befand,  dasz  orbe 
ziemlich  weil  von  der  Überlieferung  sich  entfernt ,  habe  ich  selber  einge- 
standen, uud  ich  weisz  recht  gut  dasz  eine  solche  conjectur  nicht  leicht 
überzeugt,  allein  wenn,  wie  es  hier  der  fall  ist,  durch  keine  leichtere 
Änderung  dasjenige  gewonnen  werden  kann,  was  der  sinn  gebieterisch 
fordert,  und  alle  erwägungen  auf  ein  bestimmtes,  wenn  auch  den  über- 
lieferten buchstaben  ziemlich  fem  stehendes  wort  hinweisen,  so  kann  die 
kühnheit  der  conjectur  ihrer  probabilitai  keinen  abbruch  thnn.  niemand 
wird  Herc.  1236  die  richtigkett  der  emendation  Witbofs  arcum  für  en- 
tern bezweifeln,  wiewol  jenes  w^ort  diesem  auch  nicht  eben  nahe  stehu 
übrigens  will  ich  gar  nicht  behaupten  dasz  orbe  durch  bloszes  mecha- 
nisches versehen  der  abschreiber  in  Aetna  corrumpiert  worden  sei;  icfa 
halle  es  für  wahrscheinlicher,  dasz  dieses  wort  aus  einer  randglosse  zu 


B.  Schmidt:  anz.  v.  Senecae  tragoediae  edd.  R.  Peiper  et  G.  Richter.  865 

unserer  stelle,  welche  etwa  besagte  dasz  Ceres  auf  dem  Aetna  die 
fackeln  für  ihre  weite  Wanderung  angezQndet  habe,  in  den  text  ge- 
rathen  ist. 

V.  788  schreibt  P.  statt  capita  sehr  unglücklich  latera.  offenbar 
hat  er  mit  Withof  a.  o.  s.  64  f.  daran  anstosz  genommen,  dasz  im  folgen- 
den verse  caput  steht,  nachdem  capita  schon  v.  785  vorausgegangen, 
allein  solche  Wiederholungen  desselben  wertes  in  nächster  nahe,  welche 
allerdings  nicht  schön  sind  und  von  den  meisten  dichtem  vermieden  wer- 
den (einige  aber  waren  in  dieser  beziehung  nicht  eben  sehr  sorgfältig, 
worüber  man  Haupt  obs.  crit.  s.  30  vergleiche} ,  finden  sich  in  den  tra- 
gddien  Senecas  in  solcher  menge **),  dasz  es  thöricht  sein  würde  aus 
ihnen  ohne  weiteres  auf  corruptelen  des  textes  schlieszen  zu  wollen,  viel- 
mehr musz  der  gröste  teil  derselben  auf  rechnung  des  dichters  selbst 


22)  dafür  mögen  hier  einige  beispiele  stehen,  die  sämtlich  dem 
«rsten  Hercules  entnommen  sind:  v.  798  terret  und  801  exterretj  nach- 
dem bereits  ▼.  787  terrüat  yoransgegangen ;  791  and  798  sibilai;  807 
summisit  und  815  iummiMo;  827  and  830  terram;  944  und  946  diem  (in 
dem  ersteren  dieser  verse  schreibt  P.  statt  diem  nach  eigener  vermutang' 
polum);  969  iralio  and  978  trakam  (wenigstens  bietet  dies  statt  feram 
Aaszer  anderen  hss.  nach  Qronovs  Zeugnis  auch  der  Flor.,  eine  lesart 
die  wunderbarer  weise  von  P.  gar  nicht  angeführt  wird);  1010  furens 
und  1014  furenii;  1110  vasios  und  1112  vastUgue;  1123  fortis  und  1126 
fortes]  1260  fruciu»  und  1264  fructum;  1261  timui  und  1263  iimetur;  1297 
üer8a  und  1301  vertam,  auf  ganz  gleicher  stufe  mit  anserer  obigen  stelle 
steht  endlich  v.  747  f.  longa  permenms  diu  \  felicis  aevi  spatia  vel  caelum 
petii  I  vel  laeia  felix  nemoris  elytii  loca ,  worte  welche  von  P.  nicht  an- 
gefochten worden  sind,  wiewol  hier  ebenfalls  die  Wiederholung  ^ines 
und  desselben  wortes  innerhalb  zweier  unmittelbar  auf  einander  folgen- 
der verse  stattfindet,  indessen  gerade  auf  dieses  beispiel  möchte  ich 
selbst  nicht  zu  viel  gewicht  legen,  da  die  ganze  stelle  v.  743  von  quia- 
qvi»  est  an  bis  zu  den  Worten  iudex  futurus  in  y.  749  aus  anderen  grün- 
den verdacht  erregt,  lästig  ist  schon  v.  746  die  tautologie  longa — diu, 
«odann  ist  petit  in  v.  747  sehr  unpassend,  wofür  man,  da  hier  von  strafen 
und  belohnungen  die  rede  ist,  vielmehr  tuhU  erwartet,  auffällig  ist 
überhaupt  in  dieser  beschreibung  der  unterweit  die  erwähnung  des 
himmels  als  lohnes  für  milde  herscher  neben  dem  elysium,  noch  auf- 
fälliger die  erwähnung  des  vorausgehenden  langen  und  glücklichen 
erdenlebens  derselben,  femer  erregt  anstosz  dasz,  nachdem  v.  741 — 743 
von  den  strafen  grausamer  herscher  in  der  unterweit  gesprochen  und 
hierauf  zu  den  belohnungen  übergegangen  worden  ist,  welche  den  milden 
herscher  erwarten  (v.  743—749),  ooch  die  rede  noch  einmal  (v.  749  ff.) 
auf  die  dem  tyrannen  bevorstehenden  strafen  zurückspringt,  es  ist 
klar  dasz  hierdurch  der  Zusammenhang  gestört  wird;  die  worte  «an^tntf 
humano  .  .  maiore  veMtra  (749 — 751)  schlieszen  sich  offenbar  viel  besser 
unmittelbar  an  scindi  tyranni  in  v.  743  an.  man  könnte  nun  allerding^s 
bessern  Zusammenhang  dadurch  herbeiführen,  dasz  man  den  satz  quii' 
quis  est . .  iudex  fltturuM  hinter  die  worte  maiore  ventra  in  v.  751  stellte, 
aber  dann  würde  sich  wieder  die  frage  des  Amphitryo  v.  751  ff.  nicht 
mehr  so  passend  anschlieszen.  und  da  durch  diese  Umstellung  ohnehin 
nicht  jeder  anstosz  beseitigt  würde,  so  halte  ich  es  für  wahrscheinlicher 
dasz  jener  ganze  satz  ein  fremdes  einschiebsei  ist.  da  die  vorausgehen- 
den und  die  nachfolgenden  worte  Senecas  eine  unverkennbare  beziehung 
auf  die  römische  kaiserzeit  enthalten,  so  lag  die  Versuchung  nahe  die- 
selben in  solcher  weise  zu  erweitem. 

Jahrbaeher  f&r  cUtt.  phUoL  1SG8  hfl.  IS.  56 


866  B.  Schmidt:  anz.  v.  Senecae  tragoediae  edd.  R.  Peiper  et  G.  Richter. 

gesetzt  werden ,  und  wenn  G.  Hermann  elem.  doctr.  metr.  mehrmals  (s. 
387.  431)  die  Vermutung  Suszert,  dasz  diese  tragödien  der  letzten  hand 
nicht  teilhaftig  geworden  sein  möchten,  so  haben  ihn  hierzu  wol  vor- 
zugsweise diese  Wiederholungen  bestimmt,  welche  Qbrigens  zum  teil  auch 
durch  die  dem  Seneca  eigentümliche  breite  in  den  gedanken  bedingt  sind, 
ihretwegen  allein  also  Änderungen  des  textes  vorzunehmen  ist  iiöchst 
bedenklich,  und  so  wird  denn  auch  unsere  stelle  nicht  dürfen  angetastet 
werden,  denn  wollte  etwa  jemand  einen  weitem  verdachlsgrund  gegen 
die  vulgata  aus  dem  Wechsel  des  numerus  herleiten ,  indem  erst  von  den 
capita  und  gleich  darauf  von  dem  caput  des  bdllenhundes  die  rede  ist, 
so  wäre  darauf  zu  erwidern,  dasz  zuerst  Cerberus  durch  erwähnung  der 
drei  häupter  cliaraklerisiert  und  dann,  bei  weiterer  beschreibung  seines 
aussehens ,  singularisch  von  seinem  haupte  im  gegensatz  zu  anderen  kör- 
perteilen  desselben  gesprochen  wird. 

V.  801  schreibt  P.  für  a  laeva  sehr  kühn  JlcideSy  woi  weil  er 
meinte  dasz  die  deullichkeit  dieses  wort  hier  erfordere:  denn  dasz  er 
nicht  Withofs  (a.  o.  s.  67}  ansieht  über  unsere  stelle  teilt,  zeigt  die  art 
wie  er  geändert  haL  allein  der  Wechsel  des  subjects  ist  genügend  be- 
zeichnet durch  ipse  in  v.  802 ,  welches  dagegen  ziemlich  fiberflüssig  sein 
würde,  wenn  Alcides  vorausgienge.  übrigens  findet,  was  l>el  dieser  gele- 
genheit  bemerkt  werden  mag,  in  diesen  tragödien  subjectwechsel  dflers 
statt,  ohne  dasz  derselbe  äuszerlich  irgend  wie  angedeutet  wird,  z.  b. 
Herc.  780.  811.  1010.  1200  (wo  Amphitryo  subject  ist  zu  refugit).  ~ 
V.  804  wird  ganz  verkehrt  zu  den  vorhergehenden  werten  gezogen ,  er 
gehört  offenbar  zu  den  folgenden.  —  V.  826  wird  ohne  allen  grund 
gestrichen.  —  Etwas  gerechtfertigter  ist  dagegen  die  athetese  des  v.  854, 
welcher  insofern  einigen  verdacht  erregt,  als  v.  861  von  allen  ausser  den 
kindem  gesagt  wird:  vaduni  per  opaca  tristes,  auch  wird  durch  ihn 
die  Symmetrie  der  rede  verletzt,  wie  dem  aber  auch  sei ,  jedenfalls  hStte 
P.  die  lesart  des  Flor,  nicht  Übersehen  sollen,  welcher  nach  dem  zeugnis 
Jacob  Gronovs  in  dem  Dietzischen  manuscript  (s.  Botlie  zu  unserer  st.  in 
der  ausg.  v.  1819)  statt  des  ganz  unpassenden  et  longa  s.  v.  dem  sinne 
viel  angemessener  haut  l  s.  v.  bietet.  —  V.  869  f.  haben  die  hss. :  nemo 
ad  id  sero  venit  unde  numquaniy  \  cum  semel  venit^  potuit  reverti, 
hier  hätte  P.  nicht  Bothes  poterit  aufnehmen  sollen ,  was  einen  matten 
schwächlichen  gedanken  erzeugt,  die  worle  sind  so,  wie  die  Überliefe- 
rung sie  bietet,  vortrefilich  und  bedürfen  nicht  der  geringsten  änderung. 
zu  potuit  reverti  ist  quisquam  als  subject  zu  ergänzen,  was  bei  dem  vor- 
ausgehenden nemo  keine  härte  ist;  potuit  aber  Ist  zu  erklären  nach  dem 
bekannten  dichterischen  Sprachgebrauch,  n.ich  welchem  bisweilen  das 
perfectum  statt  des  praesens  gesetzt  wird  von  etwas  das  zu  geschehen 
pflegt:  vgl.  in  unserm  stück  v.  1194.  1245.  Seneca  liebt  diesen 
Sprachgebrauch  und  hat  ihn,  beiläufig  bemerkt,  auch  in  seinen  pro- 
saischen Schriften  angewandt,  wo  er  in  beigeordneten  Sätzen  gern  das 
perf.  mit  dem  praesens  wechseln  läszl:  vgl  z.  b.  dial.  II  11^  2  H.  nam  et 
pueri  OS  parentum  feriunt  et  crines  malris  turbavit  laceravitque  infans 
usw.  —  V.  871  hat  P.  sehr  übel  daran  gethan  an  stelle  des  gut  bezeug- 


B.  Schmidt :  anz.  v.  Senecae  tragoediae  edd.  R.  Peiper  et  G.  Richter.   867 

teD  und  sehr  passenden  durum  aus  dem  Yind.  und  den  beiden  Turouenscs 
dirum  aufzunehmen.  —  Auch  v.  933  passt  die  aus  V  aufgenommene  les- 
art  serena  zu  dem  wünsche  dasz  die  gestirne  inoffensos  agant  cursus 
weniger  gut  als  das  von  allen  übrigen  hss.  gebotene  aeterna.  —  V.  985 
wird  die  treffliche  lesart  des  Flor.  Maceiumque  (über  welche  s.  Gronov 
z.  d.  St.)  verschmäht  und  die  langst  beseitigte  corruptel  marcentque  wie- 
der In  den  text  gesetzt,  weil  auch  V  im  bunde  mit  den  übrigen  hss.  der 
schlechtem  recension  dioselbe  bietet,  meint  etwa  hr.  P.  dasz  ein  unsin- 
niges wort  im  munde  eines  rasend  werdenden  besonders  schön  und  ange- 
messen sei? 

Ganz  dasselbe  verfahren  beobachtet  P.  in  v.  1006 ,  wo  er  die  inter- 
polierte lesart  procupibai^  welche  seit  Gronovs  zeiten  glücklich  aus 
den  ausgaben  verschwunden  war,  wieder  in  den  text  gesetzt  hat  statt 
des  vom  Flor,  gebotenen  einzig  richtigen  perluceL  die  ganze,  zum 
teil  corrupt  überlieferte  und  mehrfach  misverstandene  stelle  v.  1000 
— 1006  ist  von  mir  obs.  crit.  s.  19  ff.  ausführlich  behandelt  worden, 
worauf  ich,  um  nicht  bereits  gesagtes  zu  wiederliolcn ,  verweise,  hier 
nur  noch  wenige  worte  über  ein  par  einzelheiten.  v.  1001  hat  P.  die 
Überlieferung  der  hss.  omnisque  laiebras  unverändert  beibehalten,  die- 
selbe hat  neulich  auch  Lucian  Müller  (jahrb.  1867  s.  66)  vertheidigt,  aber 
ohne  mich  zu  überzeugen  (ich  gestehe  nicht  einzusehen,  wie  es  möglich 
sei  prolem  et  laiebras  als  Sv  bid  buoTv  zu  fassen ,  oder  wie  eruere  in 
der  bedeutung  von  patefacere  auch  prolem  als  object  zu  sich  nehmen 
könne),  v.  1005,  wo  die  hss.  haben  rumpatque  posteSy  schreibt  P.  ruanU 
queposies.  ich  selbst  hatte  vorgeschlagen  ruptoque  poste.  welche  von 
diesen  beiden  conjecturen  die  bessere  sei ,  will  ich  hier  dahingestellt  sein 
lassen:  sie  kommen  beide  auf  denselben  sinn  hinaus,  und  P.  selbst  hat  in 
der  z.  f.  d.  gw.  1866  s.  280  gegen  die  meinige  nichts  anderes  einzu- 
wenden gewust  als  dies ,  man  zerbreche  sich  ihn  köpf  (!) ,  um  zu  finden 
wie  sich  statt  eines  ursprünglichen  ruptoque  poste  die  corruptel  rumpai' 
que  postes  habe  einschleichen  können,  aber  wenn  auch  P.  meine  con- 
jectur  nicht  billigen  zu  können  glaubte ,  wäre  es  nicht  seine  pflichi  ge- 
wesen dieselbe  anzuführen,  da  Ich  zuerst  auf  den  fehler  der  Überlie- 
ferung aufmerksam  gemacht  habe?  hinterher  eine  andere  conjectur 
auszusinnen  ist  freilich  nicht  eben  schwer.  —  V.1055  lautet  die  vulgata: 
reciprocos  Spiritus  motus  agit^  mit  welcher  sich  P.  hätte  begnügen  sollen, 
denn  sie  gibt  einen  guten  ^inn  :  unter  den  reciproci  motus  sind  natürlich 
die  bewegungen  der  brüst  beim  ein-  und  ausathmen  der  luft  zu  verstehen, 
wir  haben  hier  einen  der  l^lle,  wo  die  geringeren  hss.  das  richtige  be- 
wahrt haben,  während  der  Flor,  statt  motus  corrupt  in  ortus  bietet,  was 
übrigens  auf  jenes  deutlich  genug  hinweist,  der  Vind.  aber  in  vultus. 
P.  schreibt  virtus  und  schlägt  auszerdem  noch  fluctus  vor,  was  acc  plur. 
sein  müste:  das  eine  wie  das  andere  ist  mir  in  diesem  zusammenhange 
unverständlich.  —  V.  1085  wird  aus  V  linquas  aufgenommen,  was  nicht 
angehL  denn  dann  würde  die  apostrophe  »an  den  schlaf  durch  v.  1084 
sopor  indomitos  adliget  artus  in  höchst  lästiger  weise  unterbrochen 
werden,   dieselbe  hat  vielmehr  schon  v.  1083  ihr  ende  erreicht,  und 

56* 


868   B.  Schmidt :  aoz.  ▼.  Senecae  tragoediae  edd.  H  Peiper  et  G.  Richler 

?.  1085  ist  linqual^  die  lesart  aller  Qbrigen  hss«,  beizubdialten,  wozu 
natfirlicb  sopor  subject  Ist 

V.  1102  wird  wieder  gestrichen,  jedenfalls  nur  um  slraphiscbe 
responsiou  zu  gewinnen,  denn  was  ist  an  diesem  verse  auszusetzen? 
nachdem  der  cbor  den  wünsch  ausgesprociien ,  dasz  Hercules  zur  besin- 
nnng  zurflclKliebren  möge,  kommt  ihm  plötziich  der  gedanke,  dasz  es  für 
den  unglücklichen  beiden  doch  eigentlich  am  besten  sei,  wenn  sein  Wahn- 
sinn fortdauere,  als  welcher  seine  Schuldlosigkeit  bezeuge  und  ihm  die 
erkenntnis  seiner  schrecklichen  ihat  erspare,  daher  corrigiert  er  sich 
selbst  und  sagt:  vel  sit  potius  mens  vesano  conciia  molu^  d.  i.  *oder  es 
sei  (bleibe)  vielmehr  sein  verstand  vom  Wahnsinn  er.schötterL'  dieser 
(;edankc  wird  nun,  ganz  in  Senecas  weise,  variiert  durch  die  worte  error 
caecus  qua  coepit  eal  {eat  »«  duret) ,  und  darauf  folgt  die  begrunduug 
dieses  Wunsches.  —  Wenn  nun  unmittelbar  nach  dieser  ausführang 
V.  1106  ff.  der  chor  den  Hercules  zur  trauer  und  bethStigung  seines 
Schmerzes  durch  schlagen  der  brüst  usw.  auffordert ,  so  steht  dies  offen- 
bar mit  dem  vorhergehenden  in  keinem  Zusammenhang ,  und  hier  bitte 
P.  mit  weit  besserem  grund  als  sonst  eine  lOcke  annehmen  können,  in 
der  that  glaube  ich  dasz  nach  v.  1105  ein  par  verse  ausgefallen  sind,  und 
dasz  ursprOnglicli  der  Übergang  von  jenem  wünsche  zu  dieser  aufforde- 
rung  etwa  in  folgender  weise  vermittelt  war:  Mer  Unschuld  am  nächsten 
steht  die  Unkenntnis  der  begangenen  unthat.  allein  auch  tief  empfundene 
und  in  ernster  weise  bethatigte  reue  vermag  dieselbe  zu  sühnen,  also 
zerschlage  sich  jetzt  Hercules  in  seinem  schmerze  die  brüst'  usw.  —  Das 
nun  folgende  (v.  1108—1121—1116)  hat  P.  durch  die  willkürlichsten 
Umstellungen  verunstaltet,  die  von  den  hss.  gebotene  aufeinanderfolge  der 
verse  zu  andern  ist  gar  kein  grund.  dagegen  sind  die  worte  el  qui  me- 
lius iua  tela  tarnen  senserat  air  (so  lauten  sie  nach  der  besten  überlie- 
Terung,  P.  hat  auch  hier  wieder  seinem  V  vor  dem  Flor,  den  vorzug  ge- 
geben) ganz  zu  streichen:  denn  sie  stehen  im  offenbaren  Widerspruch 
zur  übrigen  rede,  es  darf  hier  nur  vom  himmel  (aelher) ,  von  der  unter- 
weit (bezeichnet  durch  atri  regio  popuUy  Cerberus  und  chaos)  und  vom 
meere  {unda  profundi)  die  rede  sein,  das  zeigen  im  folgenden  die  recapi- 
tulierenden  worte  uno  planctu  tria  regna  sonent  ganz  deutlich,  hierzu 
lieszen  sich,  wenn  es  nötig  wflre,  noch  andere  gründe  fügen,  ^ie  z.  b. 
die  Stellung  von  tarnen ,  welches  nur  zu  melius  gehören  kann ,  ebenfalls 
den  interpolator  verräth.  —  Wie  nun  P.  diesen  worteu  nach  v.  1109  einen 
platz  hat  anweisen  können ,  woselbst  sie  völlig  zusammenhangslos  da- 
stehen, so  dasz  er  selbst  wieder  zu  der  annähme  genötigt  ist,  dasz  hinter 
ihnen  einige  worte  ausgefallen  seien,  ist  ganz  unbegreiflich,  das  aber  bt 
klar,  dasz  der  schriftsteiler  durch  ein  derartiges  verfahren  kUglich  zuge- 
richtet wird.  —  V.  1132  f.  und  1137  werden  wieder  ohne  allen  grund 
hinausgeworfen,  wie  jeder  sich  überzeugen  wird ,  der  die  stellen  ansieht ; 
ebenso  grundlos  wird  nach  v.  1142  der  ausfall  eines  dimeters  statuiert, 
bezeichnend  ist  hier  die  art  der  begründung  ^excidisse  unum  versiculum 
stropha  docet',  als  wenn  etwas,  was  selbst  nicht  bewiesen  ist,  als  beweis 
für  etwas  anderes  dienen  könnte.  —  V.  1154  f.  liszt  der  dichter  den 


B.  Schmidt:  aoz.  v.  Senecae  tragoediae  edd.  R.  Peiper  et  6.  Richter.  869 

Hercules,  der  aus  seinem  tiefen  sclilafe  erwacht  ist  und  allmählich  wieder 
zur  hesinnung  kommt,  aher  noch  nicht  weisz  dasz  die  blutigen  leiclien, 
welche  er  vor  sich  sieht,  die  seiner  gattin  und  kinder  sind,  und  dasz  ^r 
dieselben  gemordet  hat,  gewis  recht  schön  folgendes  sagen :  paveo^  nescio 
quod  tnihi^  |  nescio  guod  anitnus  grande  praesagit  malum,  da  v.  1155 
im  zweiten  Hercules  v.  749  wörtlich  wiederkehrt,  so  hat  P.  geglaubt  ihn 
an  unserer  stelle  streichen  zu  müssen,  wenn  ein  solches  verrahren 
schon  an  und  für  sich  höchst  ungerechtfertigt  erscheint  —  denn  warum 
soll  der  dichter  in  verschiedenen  stücken  bei  ähnlichem  anlasz  nicht  einen 
vers  wiederholen  dürfen?  —  so  musz  man  sich  In  unserem  falle  um  so 
mehr  darüber  wundern,  als  ja  der  zweite  Hercules  von  den  hgg.  dem  Sc- 
neca  abgesprochen  wird,  folglich  es  ihnen  am  nächsten  lag  eine  wörtliche 
herflbernahme  jenes  verses  aus  dem  Hercules  des  Seneca  von  selten  des 
vermeintlichen  nachahmers  anzunehmen,  was  bleibt  aber  denn  nun  an 
unserer  stelle  nach  Streichung  des  v.  1155  übrig?  die  worte  paveo  ne- 
scio  guod  tnihu  hier  nun  schreibt  P.  statt  quod^  was  nach  der  Verstüm- 
melung des  Satzes  freilich  unhaltbar  ist,  aus  einigen  schlechten  hss.  quid^ 
und  hiermit  halt  er  alles  für  abgethan.  hat  er  sich  denn  aber  auch 
die  frage  vorgelegt,  ob  eine  solche  redeweise  wirklich  dem  Seneca 
zuzutrauen  sei?  wenn  Terentios  (Phormio  v.  187}  mihi  paveo  sagt,  so 
folgt  doch  daraus  noch  lange  nicht  dasz  auch  ein  tragiker  aus  der 
kaiserzeit  ebenso  gesagt  habe  oder  gesagt  haben  könne,  geschweige 
denn  mihi  paveo  aliquid.  —  V.  1182  kann  die  vulgata  diffcrte  fleius 
unmöglich  richtig  sein,  denn  wie  schon  Witbof  a.  o.  s.  105  erkannt  hat, 
aus  V.  1186  geht  hervor  dasz  erst  wahrend  der  anspräche  des  Hercules 
an  Amphitryo  und  Tbeseus  diese  beiden  letzteren  thrflnen  vergieszen,  und 
zwar  suchen  sie  dieselben  dem  Hercules  zu  verbergen,  folglich  kann 
dieser  nicht  schon  v.  1182  sagen:  *spart  auf  euer  weinen.'  dasz  hier 
ein  fehler  stecke,  zeigt  auch  die  corniptel  im  Flor,  defer  teilus  (so  nach 
Gronovs  zeugnis,  nach  Peter  bietet  freilich  diese  hs.  der  vulgata  viel  ähn- 
licher deferte  fletus)^  welche  auf  etwas  ganz  anderes  hinweist,  es  ist  mir 
jedoch  nicht  gelungen  dieses  herauszufinden.  Withofs  conjectur  resisie  vel 
iu  und  die  des  Nie,  Heinsius  referie  iussi  wollen  mich  nicht  befriedigen, 
y.  1213  ff.  ist  eine  sehr  schwierige  stelle,  die  vulgata  lautet:  rupes 
ligatum  Caspiae  corpus  trahant  \  atque  ales  avida,  cur  Promethei 
vacani  \  scopuli?  pareiur  (dafür  der  Flor,  und  V  vageiur^  was  gar  kei- 
nen sinn  gibt  und  jedenfalls  aus  jenem  verschrieben  ist,  wozu  das  voraus- 
gegangene vacant  den  anlasz  gegeben  haben  mag)  vertice  inmenso  fe- 
ras  I  volucresque  pascens  Caucasi  abruptum  latus  \  nudumgue  silvis, 
Hercules  hat  so  eben  erfahren ,  dasz  er  selbst  in  der  raserei  seine  gattin 
und  kinder  getötet  habe,  und  nun  bricht  er  in  wilden  schmerz  lilcrüber 
aus  und  nennt  eine  ganze  reihe  der  furchtbarsten  strafen,  die  ihn,  den 
mörder,  treffen  sollen,  in  solchen  und  ähnlichen  scenen  verfällt  Seneca, 
von  der  wuchernden  Üppigkeit  seines  geistes  und  dem  verdorbenen  ge- 
schmack  seiner  zeit  irre  geleitet ,  immer  in  schwulst ,  und  man  darf  sich 
nicht  wundern  dasz  vieles  gesuchte,  unpassende,  ja  Ucherliche  in  seine 
Worte  mit  unterlauft,   allein  dasz  er  so  unsinnig  geredet  haben  sollte, 


870  B.  Sclimidl:  anz.  v.  Seoecae  iragoediae  edd.  IL  Pdper  et  6.  Itichter. 

wie  Qberliefert  und  oben  angegeben  bt,  kann  man  ibni  doch  auf  keinen 
fall  zutrauen,  um  anderes  zu  (ibergehen,  so  kann  unmöglich  trahant 
priidicat  zu  rupes  und  zu  alet  zugleich  sein,  und  die  erwibnung  der  äUs 
avida  musle  mit  der  des  Caucasus,  nicht  mit  der  der  caspiscben  fdsen 
in  Verbindung  gebracht  werden.  P.,  welchem  diese  Qbebtlnde  nicht  ent- 
gangen zu  sein  scheinen,  hat  sich  durch  Streichung  der  verse  1214  und 
1215  zu  helfen  gesucht  allein  dadurch  werden  keineswegs  alle  Schwie- 
rigkeiten beseitigt,  denn  znn9chst  wfirde  trahani  von  den  caspiscben 
felsen  und  dem  Caucasus  immerhin  sehr  sonderbar  geugt  sein,  sodann 
wäre  es  gewis  aufHlllig,  wenn  ein  Seneca  hier,  wo  doch  ?on  strafen  die 
rede  ist,  bei  erwähnung  des  Caucasus  nicht  auch  auf  den  die  eingeweide 
des  Prometheus  zerfressenden  geier  gekommen  sein  sollte,  denn  in  den 
Worten  volucres  pascens  könnte  man  kaum  eine  schwache  andeutnng 
jener  begebenheit  erblicken:  vgl.  Herc  II 1381  f.  endlich  steht  die  frage 
cur  Promethei  vacant  tcopuU?  dem  Seneca  sehr  wol  an  und  wdst  nicht 
auf  einen  schwachköpfigen  Interpolator  hin ,  wie  man  ihn  in  erwSgung 
anderer  umstände  hier  annehmen  mflste.  difeie  gründe  veranlassen  mich 
vielmehr  zu  glauben,  dasz  die  ganze  stelle  an  einer  schwereren,  auf  mdi- 
rere  verse  sich  erstreckenden  teztesverderbnis  leidet ;  auszerdem  mag  sie 
auch  noch  durch  ein  fremdes  einschiebsei  verunstaltet  sehi:  denn  ich 
gestehe  dasz  die  werte  verlice  inmen$o  bis  $Üin$  oder  wenigstens  bis 
pascens  in  mir  starke  zweifei  bezfiglicii  ihrer  echtheit  erregen,  es  ist 
mir  indessen  trotz  langen  und  wiederholten  nachdenkens  ober  diese  stelle 
nicht  gelungen  einen  Vorschlag  ausfindig  zu  machen,  welcher  mich  selbst 
befriedigen  könnte.  —  Die  verse  1223 — 1225,  in  welchen  Hercules  die 
absieht  ausspricht  einen  mächtigen  Scheiterhaufen  aufzutflrmen  und  sich 
darauf  zu  verbrennen ,  sind  von  ihrem  richtigen  platze  entfernt  und  an 
eine  stelle  versetzt  worden ,  wo  sie,  wie  jeder  auf  den  ersten  blick  sich 
überzeugen  wird,  den  Zusammenhang  vollständig  zerstören,  nemlich 
hinter  v.  1241.  dort  weiht  Hercules  seine  waffen,  den  bogen,  die  keule 
und  die  pfeile  mit  dem  köcher  den  manen  der  von  ihm  gemordeten,  hat 
denn  nun  hr.  P.  nicht  gesehen ,  dasz  unmittelbar  hieran  die  werte  dent 
arma  poenas  in  v.  1242  sich  anreihen  und  notwendig  sich  anreihen 
müssen,  indem  dieselben  den  in  v.  1238 — 1241  enthaltenen  gedanken  zum 
abschlusz  bringen?  und  hat  er  ferner  nicht  gesehen  dasz,  wenn  Hercules 
hier  sagen  würde:  ^ch  will  meinen  von  ruchlosem  mord  befleckten 
körper  verbrennen',  derselbe  doch  nicht  gleich  darauf  (v.  1242  f.)  sagen 
könnte:  ^auch  euch,  ihr  hände,  die  ihr  meine  wafTen  so  unglücklich  ge- 
führt"), will  ich  (zugleich  mit  den  waffen)  verbrennen'?  —  V.  1291  hat 
P.  pavidamque  matrem ,  was  seit  den  zelten  des  Commelinus  der  einaig 


23)  dies  ist  der  sinn  der  werte  infauMtas  meis  teliSf  an  denen  man 
ohne  grund  anvtosz  genommen  hat.  die  waffen  des  Hercnles  sollen 
strafe  erleiden  und  mit  ihnen  seine  hKnde,  die  doch  an  dem  nnglfick, 
d.  h.  der  entehmng  jener,  schuld  sind.  P.  schreibt  statt  ieli$  mit  Bothe 
und  Baden  in  der  ausgäbe  des  Hercules  von  1798  nach  einer  der  vom 
letztern  eingesehenen  schlechten  hss.  (aedis,  was  ganz  and  gar  nicht 
""aast. 


8.  Schmidt:  anz.  v.  Senecae  Iragoediae  edd.  R.  Peiper  et  G.  Richter.  871 

fichUgen  \e:i9rl pavidasque  matres  gewichen  war,  wieder  aufgenoiumen 
und  damit,  ohne  es  zu  merken,  einen  hialus  in  den  vers  gebracht,  wei- 
•chen  sich  Seneca  nie  verstaltet  jene  fehlerhafte  iesarl,  welclie  sich 
übrigens  nur  in  wenigen  ganz  schlechten  hss.  finden  kann  (die  Palaliiii 
•haben  sSmtlich  patidasque  maires  und  so  ohne  zweifei  auch  der  Flor., 
über  welchen  weder  Gronov  noch  Peter  etwas  bemerken)  rührt  offenbar 
von  einem  unwissenden  corrector  her,  welcher  sich  den  pluralis  niclit  zu 
•erklären  vermochte,  wie  derselbe  zu  verstehen  sei,  mdge  hr.  P.  aus  den 
bemerkungen  des  Famabius  und  Gommelinus  entnehmen ;  besonders  bitte 
ich  ihn  die  völlig  analoge  stelle  Med.  1015  f.,  auf  welche  von  dem  er- 
steren  auch  verwiesen  wird,  nachzusehen.  —  V.  1292  ff.  sind  zum  teil 
offenbare  fehler  im  texte  stellen  geblieben:  man  sehe  meine  obs.  crit. 
s.  26  f. 

In  bezug  auf  die  stelle  v.  1302 — 1309  verweise  ich  auf  Gronovs 
bemerkungen  zu  derselben  und  auf  meine  obs.  crit.  a,  27  L  hr.  P.  ist 
von  der  einzig  richtigen  personenverteilung  des  Flor,  an  ^iner  stelle  wie- 
^derum  abgewichen,  indem  er  v.  1308,  seinem  V  folgend,  dem  Hercules 
zuteilt,  hiernach  würde  also  Amphitryo  zu  seinem  söhne,  der  im  begriff 
Ist  band  an  sich  zu  legen,  weiter  nichts  sagen  als:  ^sieh,  jetzt  wirst  du 
«in  verbrechen  begehen',  was  äuszerst  matt  wäre,  und  Hercules  darauf 
erwidern:  *ja,  mit  meinem  willen  und  wissen',  was  albern  wäre,  denn 
Einmal  wflrde  da  Hercules  seinen  vater  zugeben ,  dasz  der  von  ihm  beab- 
sichtigte Selbstmord  wirklich  ein  verbrechen  sei,  wihrend  er  doch  in  dem- 
selben vielmehr  eine  notwendige  sflhnung  für  die  an  den  seinigen  verüble 
unlhat  erblickt;  und  zweitens  würde  er  durch  jene  werte  indirect  die 
Ermordung  seiner  gattin  und  kinder  entschuldigen ,  denn  der  gegensatz 
-dazu  wäre  offenbar:  'jene  andere  tliat  verübte  ich  wider  willen  und 
wissen.'  nichts  aber  liegt  Hercules  ferner  als  eine  solche  absieht,  ihm 
<]er  sich  ja  für  die  wenngleich  in  der  raserei  begangene  tliat  allein  ver- 
antwortlich macht  und  die  von  Amphitryo  angefahrten  entschuldigungs- 
gründe  nicht  gelten  lassen  will,  wie  vortrefflich  ist  dagegen  der  sinn  der 
stelle  bei  der  personenverteilung  des  Flor,  und  der  übrigen  hss.  da  sagt 
Amph.:  *sieh,  jetzt  wirst  du  ein  verbrechen  begehen  mit  deinem  willen 
und  wissen',  d.  h.  wihrend  du  vorher  im  wahnwitz  ein  verbrechen  ver- 
übtest, das  eben  darum  diesen  namen  nicht  verdient  und  wofür  jedenfalls 
-dich  kein  Vorwurf  treffen  kann,  begehst  du  jetzt  ein  solches  bei  klarem 
verstände,  lädst  also  jetzt  eine  wirkliche  schwere  schuld  auf  dich.  vgl. 
unten  v.  1320.  —  V.  1312  miserum  haut  potes  me  facere^  felicem 
jwtes  streicht  P.  mit  hinweis  auf  v.  517  miserum  veta  perire^  felicem 
iube^  nimt  also  jedenfalls  an  dasz  derselbe  nacli  diesem  muster  von  einem 
interpolator  zusammengeschweiszt  sei.  was  haben  denn  aber  beide  verse 
mit  einander  gemein  auszer  den  werten  miserum  und  felicem^  gar 
nichts,  der  gedenke  selbst  ist  total  verschieden,  v.  517  spricht  Lycus 
^ie  tyrannenmaiime  aus:  einen  unglQcklichen ,  fQr  walchen  das  leben 
geringen  oder  gar  keinen  werth  habe,  dürfe  man  nicht  tüten,  ihn  mOsse 
«lan  zu  seiner  eigenen  quäl  leben  lassen;  dem  glücklichen  dagegen,  dem 
<Ias  leben  mit  seinen  gütern  und  reizen  tiieuer  sei,  solle  man  das  leben 


8  72  B.  Schmidt :  anz.  v.  Seuecae  tragoediae  edd.  R.  Peiper  et  G.  Richter^ 

nehnien.  an  unserer  stelle  dagegen  sagt  Amphitr)'o  zu  seinem  söhne: 
'unglOcklich  kannst  du  mich  dadurch,  dasz  du  dich  lötest,  nicht  macLes,. 
denn  in  diesem  falle  töte  ich  mich  auch  (und  numquam  est  iüe  miser 
cui  facile  est  mor t  Herc.  II  111),  wol  aber  kannst  du  mich  glticklich 
machen  dadurch  dasz  du  mir  den  söhn  erh2iltst.'  beide  verse  aUimen 
ganz  den  geist  des  philosophen  Seneca ;  hr.  P.  freilich  scheint  weder  de» 
einen  lioch  des  andern  sinn  hegriffen  zu  halien.  —  V.  1319  lautet  nach 
dem  Flor,  und  andern  hss.  so :  letale  ferro  pectus  inpresso  mduam^  und 
man  hat  diese  lesart  mit  Berufung  auf  die  Vorliebe  unseres  dichters  für 
die  figur  der  hypallage  vertheidigen  wollen,  aber  schon  Withof  a.  o. 
s.  127  verwarf  dieselbe  mit  vollem  rechte.  P.  nun  schreibt  vulnus  für 
pecius.  allein  diese  conjectur  Ist,  abgesehen  von  ihrer  köhnheit,  schon 
dcium  zurückzuweisen,  weil  vulnus  induere  notwendig  ein  beziehungs- 
object  erfordern  würde,  welches  hier  fehlt,  weit  mehr  empfiehlt  sich  der 
Vorschlag  Withofs  letale  in  senile  zu  andern,  es  ist  mir  aber  denn  dock 
wahrscheinlicher,  dasz  Seneca  schrieb  letale  ferro  pectori  inpressum  tu- 
duam^  was  nicht  nur  in  alten  ausgalien  steht,  sondern  auch  in  dreien  der 
freilich  geringen  hss.  Badens  sich  fiudet  und  worauf  auch  mehrere  andere 
hss.  hinweisen  (die  mehrzahl  der  hss.  Gruters  hat  impressum^  der  codex 
des  Caietanus  auch  ferrum),  hr.  P.  kennt  diese  Varianten  gar  nichL  zu 
der  Verbindung  ferrum  pectori  induere  vgl.  Phoen.  180  manum  cerebro- 
indue,  zu  dem  pleonasmus  inpressum  induam  unten  v.  1345  ff.  redde 
me  infemis  precor  umbris  reductum  meque  subiectum  tuis  re- 
slitue  vinclis.  —  V.  1347  f.  werden  wiederum  zwei  halbverse,  die  noch 
dazu  einen  trefilichen  gedanken  enthalten,  ausgeworfen,  besser  hätte  hr» 
P.  gelhan  v.  1339  f.  die  worte  astra  transversos  agunt  obUqua  cursus 
zu  beanstanden,  welche  ein  interpolator  mit  benutzung  von  v.  932  f.  hier 
eingeschwSrzt  haben  dürfte,  denn  die  Sterne  können  doch  auch  in  der 
Vorstellung  des  Hercules  nicht  zu  gleicher  zeit  mit  dem  sonnengotte 
ihr  entsetzen  vor  dem  mörder  bekunden. 

Ich  komme  nunmehr  zu  der  von  hm.  Richter  bearbeiteten  tragödie 

THYEßTES. 

V.  15  rührt  die  emendation  addi  nicht  von  Bothe  her,  wie  R.  ai»- 
gibt,  sondern  von  Gronov,  welcher  auch  die  ganze  stelle  zuerst  richtig 
abgeteilt  hat.  —  Die  stelle  v.  32 — 36  ist  sehr  willkürlich  behandelt,  sie 
lautete  seit  Gronov  so :  superbis  fratribus  regna  exddani  \  repetanique 
profugos:  dubia  violentae  domus  \  fortuna  reges  inter  incertos  labet  \ 
miser  ex  potente  fiat^  ex  misero  potens^  \  fluctugue  regnum  casvs 
assiduo  ferat;  woran,  wer  Senecas  manier  kennt,  gewis  nichts  auszo» 
setzen  haben  wird,  "wie  repeiantque  ^  was  der  Flor,  nebst  andern  hss. 
bietet,  aufzufassen  sei,  hat  bereits  Gronov  richtig  auseinandergesetzL. 
R.  nun,  damit  nicht  zufrieden,  ist  zu  der  llngst  beseitigten  lesart  der 
schlechten  hss.  repetatque  zurückgekehrt  und  verbindet  demgemtsz  rfpe- 
tatque  profugos  dubia  v,  d.  fortuna.  hierauf  streicht  er  den  ganze» 
V.  35  als  eine  den  Zusammenhang  zerreiszende  Interpolation,  es  heiszl 
darüber  praef.  s.  XI:  Mnculcato  versu  35  labet  in  proximo  (?)  versu  om* 


B.  Schmidt:  ans.  v.  Senecae  Iragoediae  edd.  R.  Peiper  el  G.  Richter.  873 

nino  nun  habet  unde  pendeat,  nam  qiiae  vos  antecedit  fortuna  ad  eam 
nequaquam  polest  referri.'  ich  möchte  doch  wissen ,  warum  label  nicht 
prSdical  zu  foriuna  sein  könne ,  sondern  notwendig  auf  casus  in  v.  36 
bezogen  werden  mflsse.  -—  V.  57  ff.  las  man  bisher  dexira  cur  pairui 
vacat?  I  nondutn  Thyesles  liberos  deflet  suosf  (ohne  frage  Bothe)  | 
ecquando  tollet  ?  nach  den  hss, ,  nur  dasz  diese  et  guando  bieten.  R.  hat 
umgesieWi  liberos  deflet  suos  \  nondum  Thyesiesf  dexira  cur  patrui 
vacat?  I  ecquando  tollet f  worauf  ihn  wol  zunächst  die  bemerkung 
Schröders  geführt  hat.  dann  ist  entweder  dextra  liberos  zu  tollet  zu 
erganzen,  wie  Schröder  wollte,  oder,  was  mir  besser  scheint,  patruus 
dextram^  in  dem  sinne:  *wann  wird  Atreus  die  band  zum  morde  der 
kinder  seines  bruders  erheben?'  ich  gebe  zu  dasz  diese  Umstellung 
etwas  fflr  sich  hat,  als  notwendig  kann  ich  sie  jedoch  nicht  ansehen,  die 
erklfirung  Gronuvs,  weicher  die  worte  ecquando  tollet  f  auf  den  nachmals 
aus  blutschänderischem  Umgang  entsprossenen  söhn  des  Thyestes,  Aegis- 
thus,  bezieht,  ist  doch  nicht  so  künstlich  oder  w*eit  hergeholt,  wie 
Schröder  und  Bothe  meinen,  v.  42  wird  auf  dasselbe  factum  angespielt, 
wie  schon  Baden  hen^orgehoben ,  und  bei  dem  bekannten  haschen  Sene- 
cas  nach  pointen  ist  die  annähme,  dasz  es  auch  hier  geschehen,  keines- 
wegs unstatthaft,  dazu  kommt  dasz  bei  der  Gronovschen  erklArung  die 
hsl.  Überlieferung  et  quando  ganz  unverändert  beibehalten  werden  kann. 
—  V.  68  hat  R.  statt  ad  stagna  et  amnes  et  recedentes  aquas  geschrie- 
ben ad  stagna  et  amnis  ad  r.  a.,  eine  leichte  und  sich  empfehlende  Ände- 
rung, durch  welche  das  tautologische  der  rede  um  ein  betrSchtliches  ver- 
mindert wird.  —  V.  100  darf  das  von  den  hss.  gebotene  sequor  nicht 
beseitigt  werden :  Tanialus,  von  der  furie  bis  zur  Verzweiflung  geschreckt 
und  gequält,  spricht  nach  langer  Weigerung  mit  diesem  worte  endlich 
seine  bereitwilligkeit  aus,  den  an  Ihm  haftenden  fluch  in  seiner  enkel 
haus  zu  tragen,  nach  sequor  sind  mehrere  worte  ausgefallen,  wie  auszer 
dem  roetrum  auch  kunc  hunc  furorem  in  v.  101  zeigt ,  worte  welche 
zum  vorhergehenden  eigentlich  in  keiner  beziehung  stehen. 

V.  130  f.  hat  R.  eingeklammert,  nachdem  schon  vor  ihm  Goebel 
(z.  f.  d.  gw.  1862  s.  741)  nicht  nur  diese,  sondern  —  ohne  jeden  trif- 
tigen grund  —  auch  die  vier  vorhergehenden  verse  hatte  ausscheiden 
wollen,  diese  athetese  ist  gerechtfertigt,  hauptsächlich  deswegen,  well 
jene  beiden  verse  die  grammatische  construction  in  einer  hei  der  son- 
stigen groszen  correclheit  der  Senecaschen  diction  auffilligen  weise 
unterbrechen.  —  Dagegen  v.  222  f.  thut  R.  sehr  übel  daran  seinem  mit- 
herausgeber  zu  folgen ,  welcher  hier  wieder  einmal  durch  Streichung  der 
Worte  coniugem  stupro  abstulit  regnumque  furto  den  teit  verpfuscht, 
davon  wird  sich  jeder  leicht  überzeugen,  der  die  stelle  betrachtet;  mir 
aber  wird  man,  nachdem  ich  hrn.  Peiper  bereits  auf  seinen  irfahrten  im 
Hercules  mit  möglichster  geduld  begleitet  habe,  gewis  nicht  zumuten  ein 
gleiches  auch  in  diesem  stücke  zu  thun.*^)  —  V.  336—338  werden  mit 

24)  ebeoao  nnbegründet  sind  andere  von  K.  angenommene  athete- 
aen  P.8  in  dieser  traglSdie.  so  z.  b.  die  streichnng  des  v.  416  (vgl.  das 
EU  Herc.  382  von  mir  bemerkte),  der  verse  778*^^782',  der  worte  latus 


S74  B.  Schmidt:  ans.  ▼.  S^oecae  tragoediae  edd.  R.  Peiper  et  G.  Richter. 

gutem  recht  als  an  dieser  stelle  ganz  ungehörig  beseitigt  einige  wahr- 
scheinliclikeit  hat  auch  die  weitere  Vermutung  R.s,  dasz  der  echte  anfang 
dieses  chorgesangs  verloren  gegangen  sei;  wiewol  derselbe  allenfalls  auch 
mit  V.  839  beginnen  Icann.  —  Dagegen  mit  den  Itühnen  versversetzungen, 
welche  R.  weiter  in  diesem  gesange,  fast  ganz  nach  dem  Vorgang  Swo- 
bodas  (111  s.  268  ff.) 9  vorgenommen  hat,  liann  ich  mich  durchaus  nicht 
emverstanden  eriülren.  die  fiberiieferte  reihenfolge  der  versa  ist  nicht 
nur  nicht  anstöszig,  sondern  in  der  that  viel  besser  als  die  von  Swoboda 
hergestellte,  so  folgen  die  verse  353—357  weit  passender  auf  die  worte 
^uem  non  ambitio  inpotens  .  .  vulgi  praecijntis  movety  indem  auch  sie 
€ine  ausführung  der  mala  pectoris  (v.  349)  enthalten  (^liönig  ist  wer  von 
den  leidenschaften  des  ehrgeizes  und  der  babsuclit  unberührt  bleibt'),  als 
auf  V.  347 ,  wohin  jener  sie  versetzt  und  wo  sie  nichts  weiter  sind  als 
«ine  Iftstige  Wiederholung  des  schon  v.  344  durch  opes  ausgedrfldclen. 
auch  wäre  es  gewis  eine  sonderbare  Verbindung,  wenn  Seneca  gesagt 
hüte,  wie  er  nach  Swoboda  und  Richter  gesagt  haben  mOste:  regem 
non  facti  guidquid  ieril  area.  nach  der  Überlieferung  sagt  der  dichter 
vielmehr:  rex  est  quem  non  movet  guidquid  ierü  area,  ich  aoUte  mei- 
4ien,  das  sei  doch  wol  eiu  besserer  gedanke.  —  V.  353 — 355  fehlen  im 
Flor,  nach  Peters  zeugnis  und  sind  deshalb  von  R.  gestrichen  worden. 
es  fragt  sich  aber  doch,  ob  wir  in  ihnen  wiridicli  eine  Interpolation  zu 
erkennen  haben,  da  sie  an  sich  so  wol  als  in  dem  Zusammenhang,  in  wel- 
chem die  Überlieferung  sie  bietet,  tadellos  sind  (dort,  wohin  sie  Swoboda 
und  Richter  bringen,  sind  sie  freilich  unbequem)  und  da  der  Flor,  be- 
kanntlich auch  an  einigen  anderen  stellen  lückenhaft  ist.  —  V.  388  hätte 
R.  schon,  um  den  lästigen  gleichklang  mit  dem  folgenden  cupiei  zu  ver- 
meiden, statt  meiuit  nicht  schreiben  sollen  meluei»  woran  übrigens  schon 
andere  vor  ihm  gedacht  hatten. 

V.  450  f.  wirft  R.  die  worte  capere  securai  dapes  humi  imcenUm 
als  'conflala  ex  eis  quae  secuntur'  aus.  praef.  s.  X  indessen  zweifeln 
-die  ligg.  selbst,  ob  sie  statt  derselben  niclit  vielmehr  v.  452  hätten 
streichen  sollen,  wer  sich  des  oben  über  Senecas  stil  von  mir  bemerkten 
erinnert,  wird  zugeben  dasz  weder  das  eine  noch  das  andere  geboten  er* 
scheint  —  V.  529  wird  von  R.  als  aus  den  Sentenzen  des  Puhliliua  Syrus 
hier  eingeschmuggelt  (praef.  s.  X)  beseitigt :  vgl.  das  zu  Herc.  332  (oben 
s.  860  f.)  gesagte.  —  Nach  v.  572  wird  eine  lücke  von  ^em  verse  ange* 
nommen,  nur  der  vermeintlichen  atrophe  halber,  ebenso  nach  v.  585.  — 
V.  586  und  587  werden  mit  P.  als  einschiebsel  eines  albernen  interpo- 
iators  (vgl.  praef.  s.  XI)  gestrichen,  anstdszig  ist  die  erwähnuag  Itfaacas 
allerdings  aus  dem  gründe,  weil  bisher  nur  von  einem  stürm  auf  dem 
^^bruttischen'  d.  i.  sicilischen  meere  und  dessen  folgen  die  rede  war.  aber 
noch  weit  anstösziger  ist  doch  wol  die  von  den  hgg.  sonderbarer  weise 
nicht  beanstandete  erwähnung  der  Gyeladen  in  v.  595:  eine  stelle  die 
gleich  jener  über  bord  zu  werfen  selbst  hm.  P.  unmöglich  schdnen 

^xpUeuit  in  t.  809.  gans  unnötig  sind  femer  anch  mehrere  von  P.  im 
Thjrestes  vorgenommene  nnd  von  B.  gebilligte  vemveraetsnngen,  ao  die 
amstelliuig  von  v.  689  nach  692,  von  v.  798  hinter  801,  und  andere. 


S.  Schmidt:  anz.  v.  Senecae  tragoediae  edd.  R.  Peiper  et  G.  Richter.  875 

4Qrflc.  diese  wahrnelimung  führt  zu  dem  unabweisbaren  Schlüsse,  dasz 
•der  dichter  im  vorhergebenden  nicht  von  einem  besondern,  sondern 
vom  meere  im  allgemeinen  geredet  haL  demnach  ist  BruUium  in 
V.  578  falsch,  welches  aus  Herc.  11  654  Bruitia  coro  puUante  fretum 
■lenior  unda  est  hier  eingedrungen  sein  kann,  statt  dessen  wird  ursprOng- 
lich  ein  eine  eigenschaft  des  meeres  bezeichnendes  beiwort  gestanden 
haben;  welches,  lüszt  sich  freilich  nicht  entsclieiden :  denn  der  möglich- 
Iceilen  sind  hier  viele,  sicher  aber  ist,  dasz  durch  Änderung  jenes  ^inen 
Wortes  aller  anstosz  beseitigt  wird  und  mithin  jede  tilgung  unnötig  ist. 
—  V.  590  f.  liest  man  a//a,  quae  navis  titnuit  secare  \  hinc  et  hinc 
ftisis  spatiasa  velis,  der  Flor,  hat  spetiosa  d.  i.  speciosa,  das  sieht  mir 
nicht  wie  ein  bloszer  Schreibfehler  fQr  spatiosa  aus,  vielmehr  halte  ich 
tpeciosa  für  die  richtige  lesart.  der  begriff  des  groszen  fahrzeugs  im 
gegensatz  zum  nachen  ist  bereits  durch  das  wort  navis  so  wie  durch  die 
hinc  et  hinc  fusa  vela  hinreichend  ausgedrückt,  und  speciosa  passt 
offenbar  besser  zu  velis  als  spatiosa.  auch  Tro.  830  ist  wol  zu  lesen 
urbibits  centum  speciosa  Crete^  worauf  wieder  der  Flor,  hinweist,  der 
^paciosa  bietet  (spatiosa  die  übrigen  hss.).  man  vergleiche  stellen  wie 
Hör.  epist.  I  16,  45  speciosum  pelle  decora^  Tac.  ann.  111  55  opihus 
domo  paratu  speciosus,  an  der  stelle  der  Troades  hat,  wie  ich  nach- 
iräglich  sehe,  schon  Peiper  (addenda  s.  XL VII)  an  speciosa  gedacht. 

V.  632  quis  hie  nefandi  est  conseius  monstri  locus?  wird  in  der 
besten  hs.  noch  dem  boten  in  den  mund  gelegt ,  einzig  richtig ,  denn  er 
ist  offenbar  der  abschlusz  des  ganzen,  v.  627 — 631  durch  eine  reihe 
speciellerer  fragen  {Argos  .  .  Scythaef)  ausgedrückten  gedankens:  *bin 
ich  iu  einem  civiüsierlen  lande  oder  unter  barbaren?'  und  nimt  die  erste 
frage  quaenam  isla  regio  est?  wieder  auf,  dieselbe  bestimmter  fassend, 
selir  verkehrt  gibt  R. ,  den  schlechteren  hss.  folgend ,  diesen  vers  dem 
chore,  welcher  vernünftiger  weise  nur  fragen  könnte  cuius  hie  nefandi 
est  c.  m.  /.  Y  denn  dasz  die  schandthat  von  welcher  der  voller  entsetzen 
aus  Atreus  bürg  herausgeeilte  hole  spricht,  in  Mycenae  verübt  worden 
und  nicht  etwa  im  lande  der  Scythen  oder  gott  weisz  wo,  darüber  konnte 
iler  chor  doch  siclierlich  nicht  in  zweifei  sein.  —  V.  788  hätte  R.  nicht 
patefiant  aus  dem  Flor,  aufnehmen  sollen ,  was  nichts  als  Schreibfehler 
ist.  der  sinn  der  ganzen  stelle  fordert  gebieterisch  das  von  A  gebotene 
futurum:  vgl.  v.  784.  -^  V.  893  f.  können  die  worte  pergam  et  inpleho 
patrem  funere  suorum  unmöglich  richtig  sein,  da  ja  Thyestes  bereits 
bei  dem  grausigen  mahle  sitzt,  etwas  anderes  ist  es,  wenn  Atreus 
V.  983,  bevor  er  dem  bruder  seine  that  enthüllt,  auf  dieselbe  anspielt 
mit  den  zweideutigen  Worten  totumque  turba  iam  sua  inplebo  patrem. 
auf  diese  worle  wird  sich  bei  gehöriger  Überlegung  niemand  berufen 
wollen,  um  die  lesart  der  hss.  an  unserer  stelle  zu  vertheidigen.  es 
Würfle  a]>er  allerdings  sehr  schwierig  sein  hier  eine  emeudation  ausfindig 
zu  machen,  welche  den  fiberlieferten  buchstaben  nahe  sUnde.  dem 
sinne  würde  entsprechen  p.  e.  i.  p.  sanguine  suorum  d.  i.  ^wie  ich 
Thyestes  das  fleisch  seiner  kinder  zum  mahle  vorgesetzt  habe,  so  will  ich 
ihm  nun  auch  ihr  blut  zu  trinken  geben',  wie  es  in  der  that  nachher  ge- 


876  B.  Schmidt:  aoz.  ▼.  Senecac  tragoediae  edd.  R.  Peiper  el  G.  BIcfaler. 

schiehl.  —  V.  915  sclireibl  R.  stall  regumque  regem  nach  dem  Flor- 
regum  atque  regem  ^  wasjch  nicht  hilligen  kann,  denn  erstens  scheint 
mir  que  nach  den  vorausgehenden  Worten  caeKtum  excelsisiimum  dem 
jiinne  nach  angemessener,  und  sodann  ist  es  höchst  unwahrsdieinlicb 
dasz  Seneca,  der  aique  wie  auch  ac  sonst  niemals  nachstellt  (s.  meine 
obs.  criL  8.  11  und  dazu  Lucian  Müller  jahrb.  1667  s.  64),  sich  bler^ 
wo  es  so  leicht  zu  vermeiden  war,  die  Umstellung  dieser  partlkel  ge- 
stattet haben  sollte,  ich  glaube  dasz  atque  im  Flor,  versehen  des  Schrei- 
bers ist.  —  Zu  v.  919  wird  hoc  haec  mensa  cludalur  scypho  als  les- 
arl  des  Flor.  angefOhrt,  wfthrend  doch  J.  F.  Gronov  ausdrficklicb  bemerkt 
dasz  diese  hs.  hoc  hoc  biete,  doch  ist  jenes  allerdings  das  richtige,  wie 
schon  Gronov  gezeigt  hat. 

Das  anapSstische  lied  v,  923—973,  welches  wir  bisher  gewohnt 
waren  als  ein  von  Thyestes  allein  gesungenes  anzusehen ,  hat  br.  R. 
zwischen  diesem  und  dem  chore  geleilt ,  und  zwar  in  der  weise  dasz  eia 
von  dem  letztern  eröffneter  strophischer  wechselgesang  entsteht,  bewo- 
gen hat  ihn  hierzu  zunächst  der  umstand  dasz  der  Flor,  niclit  nur  in  der 
Überschrift  dieser  scene  die  worte  chosvs.  thtebtes  bietet,  sondern 
auch  in  dem  canlicum  selbst  an  vier  stellen  eine  personenbezeichnung 
hat,  nemlich  thy.  vor  v.  942  und  969,  und  cho.  oder  cbob.  vor  946 
und  965.  nach  der  Richlerschen  anordnung  der  scene  indessen  wfirde 
im  ganzen  ein  zehnmaliger  Wechsel  der  person  stattfinden,  wie  völlig 
verkehrt  diese  neuerung  ist,  liegt  so  offen  auf  der  band,  dasz  ich  kein 
wort  weiter  darüber  verlieren  würde ,  kdme  es  mir  nicht  darauf  an  auch 
an  diesem  beispiel  zu  zeigen ,  in  welche  abgründe  eine  kritik  geräth,  der 
es  viel  mehr  auf  herstellung  einer  eingebildeten  formalen  harmonie  an- 
kommt als  auf  sinn,  Zusammenhang  und  innere  Übereinstimmung,  der 
chor  also ,  welcher  in  der  vorausgegangenen  langen  scene  v.  623 — 788 
durch  einen  boten  von  der  schrecklichen  ihat  des  Atreus  die  ausführ- 
lichste künde  erhallen  hat,  der  nicht  nur  weisz  dasz  die  söhne  des 
Thyestes  grausam  ermordet  sind,  sondern  auch  dasz  deren  fleisch  den 
unglücklichen  vater  zum  mahle  vorgesetzt  worden,  derselbe  chor  soll 
hier  den  Thyestes  auffurdern  sorglos  der  freude  sich  hinzugeben  und 
seinem  bruder  mit  vertrauen  entgegen  zu  kommen !  wie  reimt  sich  das 
zusammen?  oder  hat  jemals  der  chor  in  einer  antiken  tragudie  eine  so 
heuchlerische  rolle  gespielt?  nur  andeuten  will  ich,  wie  unpassend 
V.  966  dement  im  muude  mycenischer  unlerthanen  sein  würde,  ist  denn 
aber  nach  der  einrichlung  des  ganzen  Stückes  ein  auftreten  des  chors  in 
dieser  scene  überhaupt  möglich?  wie  kann  dieser,  der  so  eben  noch 
auszcrhalb  der  königsburg  des  herausgeeilten  boten  bericht  anhörte, 
mit  einem  male  im  Innern  des  saales  erscheinen,  in  welchem  Thyestes 
einsam  bei  tafel  sitzt  und  den  Atreus  jetzt  erst  (v.  905),  um  sein  äuge 
an  dem  anblick  des  unglücklichen  zu  weiden,  hat  öffnen  lassen?  zum 
überflusz  lehren  endlich  die  unserer  scene  unmittelbar  vorausgehenden 
und  auf  dieselbe  vorbereitenden  worle  des  Atreus  v.  921  f.  ecce ,  iam 
canius  ciei  fesiasque  voces^  dasz  nur  Thyestes  es  ist  welcher  das  cantt« 
cum  singt,   wie  diesen  klaren  Worten  gleichsam  zum  höhne  hr.  R.  den 


B.  Schmidt:  anz.  ?•  Senecae  tragoediae  edd.  R.  Peiper  et  G.  Richter.  877 

x:hor  das  canticum  sogar  hat  beginnen  lassen  l^önnen,  das  ist  Tollends 
unbegreiflich.  —  Die  erwShnung  des  chors  in  der  Überschrift  dieser  scene 
im  Flor,  und  der  in  demselben  codex  viermal  staltfindende  personen* 
Wechsel  verlieren  dem  gewichte  solcher  grflnde  gegenüber  natürlich  alle 
und  jede  bedeulung :  das  sind  blosze  versehen  des  Schreibers  dieser  hs. 
oder  des  Ihr  zu.  gründe  liegenden  Originals,  hat  sich  doch  R.  selbst  ge- 
nötigt gesehen  die  verse  946  IT.,  welche  die  hs.  dem  chore  gibt,  vielmehr 
dem  Thyestes  zuzuweisen,  an  ^iner  der  angegebenen  vier  stellen,  an 
welchen  der  Flor,  personenbezeichnung  hat,  Iflszt  sich  die  entslehung  des 
fehlers  noch  heute  deutlich  erkennen :  vor  v.  942  hat  sich  thy.  dadurch 
eingeschlichen ,  dasz  Thyesten  unmittelbar  vorhergeht.  —  V.  1008  wird 
ganz  falsch  zwischen  amplexus  und  pater  iuterpungiert:  pater  ist  nicht 
vocativ,  sondern  nominativ.  —  V.  1023  muste  unbedingt  die  vortreflllche 
emendalion  Gronovs  exilia  aufgenommen  werden,  welche  R.  nicht  einmal 
erwähnt:  vgl.  Herc.  1230.  das  hsl.  exttia  ist  unsinnig;  wenn  Baden 
meint,  dies  sei  gesagt  für  nos  exitiosos^  pemiciosos^  so  ist  diese  erkl3- 
rung  unmöglich  wegen  des  dabei  stehenden  nosira^  statt  dessen  etwa 
haec  stehen  moste.  —  Im  folgenden  verse  hftlte  der  Schreibfehler  des 
Flor,  iacei  für  iaces  nicht  in  den  text  gesetzt  werden  dürfen.  —  Nach 
Y.  1057  wird  ohne  allen  grund  eine  Ificke  von  ^inem  verse  angenommen. 

Die  gegebenen  proben  genügen,  denke  ich,  vollauf,  um  das  kritische 
-verfahren  der  hgg.  nach  den  verschiedenen  selten  hin  zu  beleuchten  und 
meine  oben  ausgesprochenen  behauplungen  zu  rechtfertigen,  es  wird  die 
erste  aufgäbe  des  kÜnAigen  herausgebers  dieser  tragödien  sein  müssen, 
^en  text  von  den  massenhaften  willkürlichkeiten  und  Verunstaltungen 
wieder  zu  befreien ,  welche  eine  bodenlose  kritik  in  denselben  eingeführt 
liaL  der  groszen  menge  dieser  Interpolationen  gegenüber  ist  die  zahl 
der  annehmbaren  Vermutungen  eine  sehr  geringe. 

Mehr  verdienst  haben  sich  die  hgg.  durch  den  beigebrachten  kriti- 
schen apparat  erworben,  sehr  willkommen  sind  besonders  die  von  ihnen 
zuerst  veröffentlichten  excerpte  im  Thuaneus  und  die  in  ihrer  ausgäbe 
vorliegende  neue  collalion  des  Florentinus.  wir  ersehen  aus  dieser  letz- 
teren —  und  es  war  dies  bei  dem  standpuncte,  auf  welchem  die  philo- 
logische Wissenschaft  zu  J.  F.  Gronovs  zelten  stand ,  nicht  anders  zu  er- 
warten -^  dasz  dieser  gelehrte  eine  ziemlich  grosze  anzahl  von  Varianten 
der  von  ihm  aufgefundenen  hs.  unerwähnt  gelassen  hat,  oflenbar  weil  sie 
ihm  ohne  belang  zu  sein  schienen ,  darunter  auch  viele  durch  versehen  des 
Schreibers  entstandene  corruptelen  (vgl.  z.  b.  Thy.  496.  498.  507.  544. 
564.  566  usw.).  übrigens  sind  wir  auch  durch  Peters  obwol  dankens- 
werthe  vergleichnng  über  den  text  des  Flor,  doch  noch  lange  nicht  so 
genau  unterrichtet  als  notwendig  wäre ;  sogar  in  manchen  wichtigeren 
iSlien  iSszt  uns  dieselbe  im  stich,  es  steht  zu  hoffen  dasz  durch  die 
ToUstflndige  verölTentlichung  der  von  0.  Ribbeck  angefertigten  collation, 
von  welcher  bis  jetzt  nur  sehr  weniges  bekannt  geworden ,  die  übrig  ge* 
'bliebenen  zweifei  gehoben  werden ,  wie  denn  diese  collation  auch  da  den 
Ausschlag  geben  wird ,  wo  die  angaben  Gronovs  und  Peters  sich  wider- 


878  D.  Schmidt:  anz.  v.  Senecae  iragoediae  edd.  R.  Peiper  et  G.  Richter* 

sprechen,  z.  b.  Herc.  527.  1182.  Thy.  616.  658.  Herc  11  1799;  TgL 
auch  Thy.  1109.  --  Am  meisten  ist  die  von  den  hgg.  benutzte  coUation 
der  Orthographie  zu  gute  gekommen ,  welche  von  Gronov  fast  nirgends 
berücksichtigt  worden  war  und  sich  in  arger  Verwahrlosung  befand ;  hier 
haben  die  hgg.  in  der  that  viel  gesäubert,  reclit  verdienstlich  Ist  der 
index  orlhographicus  am  ende  der  ausgäbe,  durch  welchen  wir  über  die 
Schreibung  der  Wörter  im  l^lor.  meist  genaue  mitteilungen  erlialten.  die 
treraichkeit  dieser  handschrift  zeigt  sich  auch  auf  diesem  gebiete,  ich 
hebe  nur  einiges  wenige  daraus  hervor,  besonders  auch  um  ein  par  bemer- 
kungen  daran  anzuknüpfen,  so  hat  der  Flor,  immer  harena  und  harundo, 
fast  Immer  umerus  und  umor;  immer  cetera  ^  cena^  paelex  oder  pelex^ 
auiumnus^  arius^  quotiens,  lotiens^  conubia.  ferner  steht  im  Flor,  (ebeosa 
In  öinem  Rehdig.  und  in  dem  einen  der  beiden  Gothani)  (ütenWClytemeslra: 
s.  s.  323  (im  Index  orth.  Ist  das  wort  nicht  verzeichnet) ;  vgl.  über  diese 
latinisierte  form  Fleckelsen  fünfzig  artikel  s.  13  und  Ritschi  opuscuia  II  s. 
497  f.  517  f.  an  drei  stellen  bietet  der  Flor,  die  durch  die  hss.  des  Plau- 
tus,  Lucretius,  Vergilius  und  anderer  gesicherte  Schreibung  bracchiumy, 
welche  mit  recht  aufgenommen  worden  ist.  derselbe  codex  hat  stet» 
richtig  quicquam,  aber  auch  immer  fehlerhaft  quicquidi  dasz  diese 
falsche  Schreibung  des  relativpronomens  durchgängig  im  texte  der  neuen 
ausgäbe  erscheint,  ist  sehr  zu  verwundem;  man  hätte  erwarten  dürfen 
dasz  den  hgg.  eines  lateinischen  Schriftstellers  Lachmanns  bemerkung  zu 
Lucr.  s.  286  nicht  unbekannt  sei.  die  bei  Plautus  vorkommende  form 
surrupere  oder  vielmehr  subrupere  für  surripere^  welche  der  Flor. 
Agam.  299  bietet,  haben  die  hgg.  nicht  aufzunehmen  gewagt,  ich  glaube 
indessen  dasz  man  dieselbe  getrost  dem  Seneca  vindicieren  darf,  da  die 
ganz  analoge  form  exsulire  noch  bei  Vergilius  (georg.  111 433}  vorkommt 
und  das  in  der  Zusammensetzung  durch  Schwächung  aus  a  entstandene  u 
bekanntlich  in  vielen  Wörtern,  wie  aucupor  conaäio  usw.  für  alle  Zei- 
ten sich  erhalten  hat  (Fleckeisen  In  diesen  jahrb.  bd.  60  [1850]  s.  252 
undCorssen  ausspräche  usw.  I  s.  314).  die  abgestumpfte  form^o^,  welche 
neuerdings  auf  grund  der  hss.  auch  in  den  texl  des  Vergilius  eingeführt 
worden  ist,  bietet  der  Flor,  vor  Wörtern  welche  mit  /  anlauten,  mehrfach, 
nemlich  Phoen.  215  (577),  Phae.  945,  Med.  303,  Oed.  1077;  und  Tro. 
160  weist  der  Thuaneus  darauf  hin ,  indem  er  poierga  hat  (über  den 
Flor,  fehlt  hier  eine  bestimmte  angäbe),  nur  an  den  beiden  letzten  stellen 
steht  die  kürzere  form  im  texte  der  ausgäbe  (und  zwar  in  einem  worte 
posierga  geschrieben,  was  unnötig),  an  den  drei  übrigen  Ist  post  aus 
versehen  beibehalten  worden  (s.  addenda  s.  XL  VI  f.).  die  bei  Seneca  häufig 
vorkommenden  contrahierten  perfectformen  auf  t  und  t7,  wlepeii^  redi, 
petita  redit  und  andere,  sind  im  Flor,  meist  richtig  geschrieben,  dieselben 
stehen  bei  Seneca  in  der  regel  am.  schlusz  der  verse ,  besonders  der  se* 
nare,  viel  seltener  Inmitten  des  verses  vor  consonanten  (s.  de  emend. 
Sen.  trag.  s.  9  f.).  für  die  frage,  ob  sich  Seneca  der  kürzeren  formen 
auch  vor  vocalen  bedient  habe,  kommen  nur  drei  stellen  In  betracht; 
Herc.  248.  325.  Tro.  816.  an  der  ersten  stelle  bietet  der  Flor,  nach 
Peter  die  contrahierte  form  petit  ab  ipsis^  und  Peiper  hat  dieselbe  auf* 


B.  Schmidt:  anz.  v.  Senecac  tragoediae  edd.  R.  Peiper  et  G.  Richter.  879 

genommen,  an  der  zweiten  bat  die  hs.  die  lungere  form  abnt^  und  so  P. 
im  text.  an  der  letzten  stelle  endlich  hat  P.  ebenfalls  die  form  mit  dop- 
peltem i  in  den  text  gesetzt:  hier  sciieint  er  über  das  was  im  Flor,  steht 
nicht  unterrichtet  gewesen  zu  sein,  allein  diese  ungleichheil  in  der  be- 
handlung  dieser  drei  völlig  analogen  ßlle  will  mir  nicht  gefallen,  und  icl> 
meine  dasz  fiberall  entweder  die  formen  mit  doppeltem  t  beizubehallea 
oder  die  contrahierten  herzustellen  waren,  dies  letztere  aber  möchte  vor* 
'zuziehen  sein,  nicht  blosz  darum  well  an  der  ^inen  stelle  in  der  besten 
hs.  wirklich  peiit  steht,  sondern  auch  deshalb  weil  Seneca,  der,  wie  be- 
merkt, die  contrahierten  formen  überhaupt  hSufig  braucht  und  zwar  auch- 
vor  consonanten,  gar  keinen  grund  haben  konnte  dieselben  vor  folgendem 
vocal  zu  vermeiden ,  woselbst  ihr  vorkommen  am  natürlichsten  ist.  was- 
das  verbum  desse  betrifft,  so  steht  im  Flor,  an  zwei  stellen  (s.  iudex  orth. 
s.  570)  richtig  derat.  die  fehlerhaften  formen  mit  doppeltem  e  sind  von 
den  hgg.  mitunter  stehen  gelassen  worden,  so  Herc.  504.  Thy.  717. 
was  die  aphaeresis  des  stammvocals  von  est  und  es  anbelangt,  so  weisen 
noch  im  Flor,  vereinzelte  spuren  darauf  hin:  so  Tro.  1072  die  corruptet 
Hecuba  ext  für  Hecübae  est,  entstanden  durch  falsche  auflösung  von 
Becuhaest;  Herc.  Oet.  1260  cruoris  für  cruore  es,  eine  genaue  durch» 
forschung  der  hs.  nach  dieser  seite  hin  würde  wol  noch  mehr  belege 
dafür  zu  tage  fördern. 

Das  allenthalben  zerstreute  kritische  material  der  früheren  in  ^iner 
ausgäbe  vereinigt  zu  finden  war  ein  iSngst  gefühltes  bedürfnis.  die  hgg. 
sind  demselben  zwar  entgegengekommen ,  aber  leider  nicht  mit  solcher 
genauigkeit  und  sorgfall,  dasz  wir  uns  unbedingt  auf  sie  verlassen  könn- 
ten, man  vermiszt  in  ihrer  adn.  crit.  gar  manche  Varianten,  selbst  de» 
Flor.,  und  auch  an  irlümlichen  angaben  fehlt  es  nicht,  für  beides  habe 
ich  schon  oben  gelegentlich  mehrere  beispiele  angeführt,  und  die  zahl 
derselben  liesze  sich  leicht  vermehren,  mitunter  stuszt  man  auch  auf 
abweichungen  von  dem  früheren  texte,  ohne  dasz  darüber  etwas  mitgeteilt 
würde,  so  z.  b.  steht  Thy.  123  dotnus  im  texte ,  während  die  früheren 
ausgaben  domos  haben;  ebd.  227  wird  über  das  aufgenommene  huiuSy 
was,  so  viel  ich  weisz,  nur  alte  conjectur  für  cuius  ist  (vgl.  Bothe 
zu  d.  St.},  nichts  bemerkt,  dasz  die  hgg.  nicht  die  ganze  menge  der  von 
den  versdiledenstea  seiten  vorgebrachten  coujecturen  unter  dem  texte 
zusammengestellt  haben,  wird  ihnen  niemand  verargen,  die  auswahl  aber 
hStte  eine  bessere  sein  sollen,  hierbei  will  ich  nicht  unterlassen  auf  eine 
dem  eingeweiheten  leicht  erklärliche  inconsequenz  der  hgg.  hinzuweisen, 
dieselben  pflegen ,  wo  zwei  gelehrte  die  nemliche  Vermutung  vorgebracht 
haben,  beide  zu  nennen :  vgl.  z.  b.  Herc.  II  540.  1838.  Thy.  1088.  sich 
selbst  nehmen  sie  von  dieser  regel  keineswegs  aus :  so  wird  Oct.  297 
eine  conjectur  Lucian  Müllers  auch  als  Vermutung  Peipers  angeführt ;  ebd» 
V.  585  sagt  hr.  R.:  ^fidesque  conieci  cum  Nie.  Heinsio',  und  ahnlich 
far.  P.  Herc  Oet.  49:  *scripsi  cum  Ascensio.'  dagegen  wird  in  den  par 
fallen,  wo  ich  mit  einem  andern  unwissentlich  zusammengetroffen  bin^ 
mein  name  totgeschwiegen,  nun,  nicht  mir  haben  die  herren  damit  ge- 
schadet, sondern  nur  sich  selbst,   an  ^iner  stelle  übrigens ,  Herc.  Oet. 


SSO  B.  Schmidt:  anz.  v.  Senecae  Iragoediae  edd.  B.  Peiper  el  6.  Richter. 

1275,  wo  die  im  texte  der  neuen  ausgäbe  stehende  emendation  dem  Nie. 
Heinsius  zugeschrieben  wird,  mOchte  ich  mir  doch  erlauben  meinen  an- 
Spruch  auf  dieselbe  (de  emend.  Seu.  trag.  s.  25)  so  lange  aufrecht  zu 
erhalten,  bis  hr.  Peiper  nachweist  dasz  prima  tu  ante  omnes  dasselbe  ist 
yrie  prima  tu,  prima  hunc,  was,  wie  ich  jetzt  sehe,  der  holländische 
gelehrte  (advers.  II  10  s.  277)  schreiben  wollte. 

Ein  groszer  übelstand  sind  die  druckfehler,  von  denen  nur  ein  selir 
kleiner  teil  hinter  der  praefatio  berichtigt  wird,  besonders  hSufig  sind 
dieselben  in  den  Variantenangaben  und  verszahlen,  ich  will  im  inter- 
esse  derer  welche  die  ausgäbe  benutzen  wollen  hier  einige  nachtrage  zu 
dem  Verzeichnis  der  corrigenda  liefern,  praef.  s,  V  z.  2  v.  u.  L :  ^exti- 
mescitA  expauescit  E'  —  ebd.  letzte  z,  fehlt  'cf.'  vor  *327'  —  s.  VI  z.  12 
v.  u.  I.  ^errat  ludit  E»  —  s.  VU  z.  7  v.  u.  I.  0  772—784  —  s.  91  vorl. 
z.  der  adn.  crit.  1.  ^vocät  A  vacat  E  t.  Gr.'  —  s.  573  z.  22  v.  o.  l.  Tr. 
688  —  ebd.  z.  5  v.  o.  I.  H  II 1492  (?)  sL  U  II 1510  (wol  versehen  der 
hgg.  selbst)  —  s.  575  z.  22  v.  o.  1.  U  II  1449.  auch  der  text  des  dich- 
ters  selbst  ist  von  druckfehlern  keineswegs  frei:  Herc.  2401.  quae^i, 
qui,  Thy.  315  1.  dire  st.  dure^  ebd.  975  1.  celebremus,  Oct.  452  L  niM 
in.  nicht  selten  fehlen  auch  die  nötigen  interpunctionen ,  so  z.  b.  Thy. 
981  nach  eruntque. 

Die  brauchbarkeit  des  buches  wird  endlich  auch  dadurch  nicht  we- 
nig beeinträchtigt,  dasz  die  hgg.  bald  nach  der  verszShlung  ihrer  eigenen 
ausgäbe,  bald  nach  der  der  älteren  citieren.  so  z.  b.  praef.  s.  X  z.  17 
V.  u.  und  in  der  anm.  zu  Herc.  1155  bezieht  sich  das  citat  HO.  745  auf 
die  früheren  ausgaben  (nach  der  neuen  mflste  749  stehen);  ebenso  wer- 
den zu  Herc  639  citiert  HO.  816  und  1455  statt  820  und  1459; 
ebenso  hätte  es  zu  Herc  II  1417  statt  Herc  I  1079  heiszen  müssen 
1084.  von  Übereilung  und  flüchtigkeiten  sind  demnach  die  hgg.  keines- 
wegs ganz  frei  zu  sprechen. 

Soll  ich  nun ,  am  Schlüsse  dieser  anzeige,  mein  urteil  Aber  die  neue 
ausgäbe  kurz  zusammenfassen ,  so  kann  ich  nicht  umhin  dieselbe  als  eine 
zwar  in  einzelnen  dingen  verdienstliche ,  im  ganzen  aber  verfehlte  zu  be- 
zeichnen, durch  welche  der  dichter  einesteils  wenig  gewonnen  hat,  an- 
dernteils  in  der  erheblichsten  weise  geschädigt  worden  ist. 

Jena.  Bernhard  Schmidt. 


REGISTER 

DER  IM  JAHRGANG  1868  BEURTEILTEN  SCHRIFTEN  UND 

ABHANDLUNGEN. 

seile 
E.  Benoist:  les  oeuvres  de  Virgile.   les  bucoliques  et  les  georgiques 

(Paris  1867) U5 

J.  Si.  Blockte:  Homer  aud  the  Iliad.  vol.  1—4  (Londou  1866)    .     .     577 

J.  Classen:  Thukydides.     3r  band  (Berlin  1867) 105 

A.  ü.Cohausen:  Cäsars  Rheinbrücken  philologisch,  militärisch  und 

technisch  untersucht  (Leipzig  1867) 249 

L.  Dindorf:    Diodori    bibliotheca    historica.     vol.  I  et  II  (Leipzig 

1866.  67) 37 

C,  Freytag:    coniecturarum    in    Theocriti    Carmen    I    lusus    otiosi 

(Meiszen  1864) 137 

G,  Friedfein:  die  geometrie  des  Pediasimus  (Ansbach  1866)  ...  65 
H.  Frohhergev:  ausgewählte  reden  des  Lyslas.  2s  bdchen  (Leipzig 

1868) 600 

/'.  Godefroy:  notice  sur  J,  Fr.  Dübuer  (Paris  1867}       80 

E.  /ledivke:  Q.  Curti  Rufi  historiarum  Alexandri  M.  libri  qui  super- 

sunt  (Berlin  1867) 773 

L.  Herb$l:  über  dv  beim  fatur  im  Thukydides  (Hamburg  1867)  .  181 
H.  van  Herwerden:    Sophoclis  Oedipus  rez.  editio  maior  (Utrecht 

1867) 593 

R.  Hocke:  Nicomachi  Geraseni  introductionis  arithmeticae  libri  II 

(Leipzig  1866) 762 

—  'luidvvou  tpofilüiaTiKou  'AXcHavbpduic  elc  tö  öeuTcpov  thc  Niko- 

Mdxou  dpie^TiTiKHC  €lcaTUiTf\c  (Berlin  1867) 762 

JV.  ,/.  B.  Kappeyne  van  de  Coppetlo:  Aristophanis  Plutus  (Amster- 
dam 1867) 473 

j4,  Kiessling:  Dionysi  Hai.  antiquitatum  romanarum  quae  supersunt. 

vol.  III  (Leipzig  1867) 805 

F,  Matz:  de  Philostratorom  in  describendis  imaginibus  üde  (Bonn 

1867) 59 

A.  Nauck:  Sophoclis  tragoediao  (Berlin  1867) 361 

J.  Ooerbeck:   die  antiken  schriftquellen  zur  geschichte  der  bilden- 
den künste  bei  den  Griechen  (Leipzig  1868) 153 

R.  Peiper  und  G,  Richter:   L.  Annaei  Senecae  tragoediae  (Leipzig 

1867) 781.    866 

Jabrbftchcr  für  clas5.  phUoL  1868  hfU  12.  57 


882  Register  der  lieiiileiltco  Schriften  und  abhandlungen. 

ftcHe 
E.  h\  Poppo:  TbucydidU  de  bello  Pelopoooesiaco  Ubri  octo.  vol.  I 

6cct.  I  et  II.  ed.  altera  (Leipzigs  1866) 169 

M.  Schanz:   beitrage    zur   vorsokratischen   philosophie   aas  Plato. 

l8  heft  (Göttingen  1867) 503 

./.  H.  Schneiderwirth:   geschichte    der  insel  RhoduB  (Heiligenstadt 

1868) 818 

J.  Spengel:  Planti  Truculentus  (Göttingen  1868) 609 

ff\  S.  Teuffei:  über  8allastins  und  Tacitus  (Tübingen  186S)  .  .  646 
H\  Wackernagel:  voces  variae  animantiuoi  (Basel  1867)  ....  326 
N,   H'eeklein:   die  sapbisten  und  die  8ophi«tik  nach  den  angaben 

Piatos  (Würzburg  1865) 513 

E.  H'under:   Sophoelis  trag^oediae.    vol.  I  sect.  III  cont.  Oedipum 

Coloneum.  ed.  quarta  (Leipzig  1867) 441 


SACH- REGISTER. 


Accius  428  ff.  434.  439 

Adonius  versus  M)2  f. 

aerarluni  militare  683  ff. 

Aetichiues,  scholien  749  ff. 

Aeschylos  (hik.)  25  f. 

Afranius  428.  431  f. 

aipecOai  uud  aipelcOai  373 

Alcäische  verse  499  ff. 

Alkäos  747 

dv  beim  futurnm  181  ff. 

aniuti  locativ?  150 

anthologie,  lat.  575  f.  698  ff. 

diroTclveiv  482  f. 

archäologisches  59  ff.  123  ff.  153  ff. 

Aristodemos  81  ff.  237  ff.  397  ff.  832 

ff.  834  ff. 
Aristopbanes  395  ff.  402  f.  (Pluios) 

473  ff.  481 
Aristoteles  (pseudo-)  irepi  Oaujiaciujv 

dKouc^dT()üv  217  ff. 
aique  bei  Plautus  841  ff. 
Aurelias  Victor  571  f. 
Babrios  390 
Babyka  9 
Bion  344 

Cäsars  Rheiuübergänge  249  ff. 
Calpurnius  731 
Casaubonus,  Isaak  510  ff. 
Catullus  384 

CensoriDus  (pseudo  )  432  ff. 
Chancer,  Q.  65 
Cicero  {de  oraL)  488.  643  f.  780.  {p. 

S,  Rotcio)  207  ff.  485  ff.  (de  imp. 

Cn.  Pomp.)  487  f.  (p.  Setlio)  351  ff. 

{epi»L)  354  ff.  (de  re  p.)  540  ff. 
Claudianus  703  ff. 
Commodianas  435 
Curtius  Rufus  773  ff. 
Demophilos  214  f. 
Demosthenes    (9)    139   ff.     (18.   19) 

588  ff. 
Diitrephes  158  f. 
Diodoros  37  ff.  395  f. 
Diomedes  (grarom.)  435  f. 
Dionysios  v.  Ual.  805  ff. 


Donaius  («u  Ter.)  472.  675  ff. 

dorische  Wanderung  3  ff. 

Dübner.  J.  F.  80 

Duris  von  i^anios  667  ff. 

9\  und  f\y  (imperf.)  364  ff. 

-et  und  -q  in  der  zweiten  sing,  per- 

8on  praes.  362  ff. 
Ennius  437  f.  557  f. 
Ephoros  665  ff. 
Etymologicum  Flor.  399  ff. 
Knripides  363.   399  f.  403  ff.   (Ion) 

412  ff. 
Eurystheus-Eurysthenes  4  ff. 
Euthydemos  526  f. 
formale  bildung  10  ff. 
fuUca  fulca  574 
Gellius  415  f.  572  f.  573  f. 
gemmae  littcratae  123  ff. 
gigantomachie  in  Athen  163  ff. 
Gorgias  522  ff. 
grammatisches  10  ff.  (griech.)  181  ff. 

362  ff.  (lat.)  841  ff. 
griechische    altertiimer   49    ff.    ge> 

schichte  1  ff.  81  ff. 
handschriftliches  329  ff.  331  ff.  391. 

576.  652  ff.  711  ff. 
Heinsius,  Daniel  72  ff. 
Hermogenes-scholien  239  ff. 
Herodotos  507  ff. 
hexameter  492  ff.  501  ff. 
Hippias  der  Sophist  516.  520  f. 
Homeros  101  ff.  577  ff.  586  ff.  (hy. 

a.  Hermes)  737  ff.  (Iliasscholien) 

801  ff. 
Horatins  382.  506.  571.  (epi$t.)  185  ff. 

269  ff.  (a.  p.)  544.  verskunst  497  ff. 
inschriftliches  (griech.)  123  ff.  607  f. 

839  f.  (lat.)  214 
Ion  von  Chios  670  ff. 
irritare  428 
Isidorus  438 

Jungermann,  Q.  69  ff.  510 
Juvenalis  (sat.  6)  63  ff.  scholien  438 
Kallimachos  36.  231 
klosterbibliothekcn  66  ff. 


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