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Full text of "Neue philologische Rundschau"

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Neue 


PhilologischeRundschau 


Herausgegeben 


von 


Dr.  C.  Wagener  und  Dr.  E.  Ludwig 


Bremen. 


JahrganK   1008« 


Ootha. 

Friedrich   Andreas   Perthes 

Aktiengesellsohaft. 
1903, 


Register  zur ,, Neuen  Philologisohün  Rundschau'' 

Jahrgang  1903. 


A.  Originalaitlkel: 

I.  Verwendbarkeit  und  Form  einsprachig 
kommentierter  Schulaasgaben  für  den 
französischen  ind  englischen  Unterricht 
(E.  Beckmann)  p.  1. 

II.  Zo  Agrippa  d'Anbign^  Tragiqnes  ans 
Anlals  neuerer  Ansgaben  (Carl  Friesland) 
p.  145. 

III.  Die  Mailander  Demosthenes-Handschrift 
D  112  sup.  (J.  Mav)  p.  241. 

lY.   Zu  Piatons  Apologie,  p.  26  D  (Edm. 

Fritze)  p.  433. 
V.  Tacitenm  (Gast  Wörpel)  p.  563. 

B.  Bezensioneii : 

Aokerkneclit,  Julius,  Wie  lehren  wir 
die  neuen  Vereinfachungen  des  Fran- 
zosischen? (M.  Krüger)  p.  326. 

Aigar,  Alfred  Brofsmer,  Aigar  et 
Maurin,  Bruchstücke  einer  Chanson  de 
geste  nach  der  einzigen  Handschrift  in 
Gent  neu  herausgegeben  (M.  Goldschmidt) 
p.  280. 

Altmann,  Walter»  Architektur  und  Or- 
namentik der  antiken  Sarkophage  (L. 
Koch)  p.  156. 

Aly,  Friedrich  9  Humanismus  oder  Hi- 
storismus (Edm.  Fritze)  p.  232. 

AmrithfWilhelm  Freiherr  y.  Landau, 
Beiträge  zur  Altertumskunde  des  Orients, 
ni.  Die  Stele  von  Amrith.  Die  neuen 
phönizischen  Inschriften  (B.  Hansen) 
p.  253. 

Ij'Axmöe  lingnlfltique  publik  sous  les 
auspices  de  la  Soci^t^  de  Philologie. 
Tome  I.    1901—1902,  p.  523. 

AoreliuB,  Hilma»  Etüde  sur  Temploi  des 
pronoms  personnels  Sujets  en  ancien 
firan^ais  (B.  Böttgers)  p.  501. 

Appel,  Jjadwig,  Auswahl  französischer 
Gedichte  p.  208. 

Aristophaxiia  Aves  cum  prolegomenis 
et  eommentarüfl  edidit  J.  yan  Leeu- 
wen  (Pongratz)  p.  885. 


Ariatophanefl,  Fredericus  H.  M. 
B 1  a  y  d  e  s ,  Spicilegium  *  Aristophaneum 
(Pongratz)  p.  268. 

—  Charles WilliamPeppler,  Comic 
Terminations  in  Aristophanes  and  the 
Comic  Fragments.  Parti:  Diminutiyes, 
Character  Names,  Patronymics  (Ph.  We- 
ber) p.  265. 

AristoteleB,  M.  E.  G  a  u  s ,  Psychologische 
Untersuchung  zu  der  yon  Aristoteles  als 
platonisch  überlieferten  Lehre  yon  den 
Idealzahlen  aas  dem  Gesichtspunkte  der 
platonischen  Dialektik  und  Ästhetik  (E. 
Linde)  p.  101. 

ABbaoh,  J.,  Zar  Geschichte  und  Kultur 
der  römischen  Bheinlande  (0.  Wacker- 
mann) p.  180. 

Aaher,  David,  Die  Fehler  der  Deatschen 
beim  mündlichen  Gebraach  der  eng- 
lischen Sprache.  8.  Auflage.  Heraus- 
gegeben yon  Ph.  Hangen  (H.  Ho£F- 
schalte)  p.  21. 

Asmus,  M.,  Cours  abr^g^  de  la  litt^ra- 
ture  fran9ai8e  depais  son  origine  jusqu*a 
nos  jours  (Carl  Friesland)  p.  591. 

Afsmaxm,  B.,  ygl.  E.  Meier. 

AsBumptlo»  £.  Hack  auf.  Die  älteste 
mittelenglische  Version  der  Assumptio 
Mariae  (-tz-)  p.  351. 

Aubanel,  Nikolaus  Welter,  Theodor 
Aubanel,  ein  proyenzalischer  Sänger  der 
Schönheit  (M.  Ewert)  p.  19. 

Augier,  Erich  Meyer,  Emile  Aagier, 
Le  Gendre  de  Monsieur  Poirier  (P.  Leja) 
p.  306. 

Bachol^  E.,  ygL  Xenophon. 

Baldwin,  Jamea  Mark,  Dictionary  of 
Philosophy  and  Psychology.  Vol.  I,  II 
(F.  Pabst)  p.  565. 

Ball,  A  F.,  ygl  Seneca. 

Bardenhewer,  Otto,  Geschiebte  der  alt- 
kirchlichen Literatur.  Erster  Band :  Vom 
Ende  des  zweiten  Jahrhunderts  bis  zum 
Beginn  des  yierten  Jahrhunderts  (Eb. 
Nestle)  p.  613. 


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IV 


Nene  Philologische  RandBchan  1903. 


Bardt,  O.,  Komische  Eomidien  (H.  Klam- 
mer) p.  458. 

Bartolotto,  B,  ygl.  Demosthenes. 

Baumann,  Friedrich,  Beform  und  Anti* 
reform  im  nensprachlichen  Unterricht 
(Pries)  p.  71. 

Baumann  9  Ida,  Die  Sprache  der  Ur- 
kunden aas  Yorkshire  im  15.  Jahrhun- 
dert (-tz  )  p.  626. 

Bayet,  C,  C.  Pflster,  A.  Kleinolausz, 
Le  Ghristianisroe ,  les  Barbares.  M^fo- 
▼ingiens  et  Carolin^iehs  ( J.  Jung)  ]).d23. 

Beohtel,  F,  Die  attischen  Fraaennamen 
nach  ihrem  System  dargestellt  (Meltser) 
p.  12. 

—  vgl.  Bohert 

Ileokö,  lidiÜB,  Helen  Adair  (Teidhmänn) 
p.  380. 

Beiträge  zur  klassisohen  Philologie, 
Alfred  Schöbe  dargebtächt 09)  p.  299. 

Bdthge,  Itlöiiaird,  Ergebnisse  und  Fort^ 
schritte  der  germanistischen  Wissen- 
sbbäft  im  letzteh  Yierteljahthündert 
(H.  Spies)  p.  142. 

Behsi|g:llel,  Der  Gebranch  dei^  Zeitformen 
im  konjünktiTischeti  iTebensätz  des  Deut- 
schen (C.  D.)  p.  454. 

Bürt,  ih»,  Der  Hiat  bei  iPlantus  uild  die 
lateinische  Aspiration  bis  zum  lO.  Jahr- 
hundert n.  Chr.  (W.)  p.  313. 

Bläjdeü,  Fred.  £L  iA,,  vgl.  Afistöphanes. 

Blülliher,  Hugb,  vgl.  Ovid. 

Boetias,  E.Krämer,  Die  alfen^liächen 
Vetren  des  Boetius  (-iz-)  p.  6l9. 

Bdhm,  Karl,  vgl.  Senecä. 

BöiäfiOnnäBi  B;^  H.  Stihetet,  tJhe  Fa- 
milie pefadant  la  Guerrö  1870/71  (E. 
Werner),  p.  258. 

Bonner  Bditrägd  iuir  Anglistik.  HeN 
ansgegeben  ton  M.  Trautmann,  fieft 
Vll:  Tratttmanh,  Pinn  und  Hildebfahd. 
Zwei  Beiträge  zui^  Eeiinttiis  der  altg^er- 
inaoiächen  Heldeüdichtiinfir.  Heft  Till: 
E.  Krämer,  Die  ältengUschen  Metren 
des  Boetius.  H«>rausgpgebeli  und  init 
vollständigem  Wörterbuch  versehen.  Heft 
Xü:  Sammelheft  (-tz-)  p.  610. 

Boor,  O.  de,  Excerpta  de  legationibus 
(J.  Sitzler)  p.  603. 

ßoTeti  P.,  Vgl.  Platö. 

Boxler  9  Abb^  A.,  Pr^cis  des  Institu- 
tioi  s  publiques  de  la  Grece  et  de  Rome 
anciennes  (  K  Wacke^tnann)  p.  555. 
Brandt,  Jonäa  und  lioeber,  Übungs- 
buch zum  Übersetzen  aus  detn  Deut- 
schen ins  Lateinische.  I.  Teil:  Qdarta 
von  Karl  Brandt,  IH.  Teil:  Untef- 
sektndA  von  Bichatd  Jonas  (E.  Köh- 
ler) p.  520. 
ISirandt,  F«,  vgl.  OVid. 


BroXbmer,  Alfr.,  vgl.  Aigar. 

BrugBoh,  H.,  vgl.  Herodotos. 

Bruhn,  E.,  Hilfsbuch  fnr  den  griechi- 
schen Unterricht  nach  dem  Frankfurter 
Lehrplan  (F.  Adami)  p   518. 

Brunnemann,  Anna»  Marcel  Hubert  et 
Bofsmann,  L'^bo  littäraire,  Journal 
bi-mensuel,  destin^e  ä  Tetude  de  la  lan- 
gue  fran9aise  (Bahrs)  p.  471. 

Buohetmann,  SSdm.,  vgl.  Botrou. 

Budde,  D.  Karl,  Das  Alte  Testament 
und  die  Ausgrabungen  (G.  Fr.)  p.  549. 

Bürger,  Bio.,  vgl.  Ovid. 

Mürgei3B,  Th«  O.»  vgl.  Studies. 

Bumet,  Jannes,  vgl.  Plato. 

Bumett^FraneeBHodgBon,  SaraCrewe. 
Mit  Anmerkungen  zum  Schulgebranch 
versehen  von  F.  M  e  r  s  in  a  n  n  (Job.  Jent] 
p.  70. 

Caselius,  Fr.  Holdewey,  Jugend- 
gedichte des  Humanisten  Johannes  Ca- 
selius  (K.  Ldschhom)  p.  230. 

dauer,  Paul,  Palaestra  vitae.  Eine  neue 
Aufgabe  des  altklassischen  Unterrichtes 
(Edm.  FHtze)  p.  207. 

Oaesar,  Max  Hodetmann,  Unsef e  Ar- 
meespräche im  Dienste  der  Cäsar-Übei:- 
setzung  (Bruncke)  p.  252. 

—  A.  Polaschek}  Studien  tut  gram- 
matischen Topik  im  corpus  Caesarianum 
(P.  Menjje)  p.  122. 

—  Bobert  Schneider,  Text  und  Über- 
setzung zütn  gallischen  Kriege  des  0. 
lulius  Caesar.   I.  Buch  (B.  Melige)  p.  55. 

Charton,  G-rätien,  Die  Schwierigkeiten 
der  französischen  Sprache.  Gebrauchs- 
ahweisnng  von:  „eä,  ne, y  tnd  Subjonc- 
tif"  (K.  doltermann)  p.  140. 

Chaüoei^,  JohhKoch,  Geof&ejr  Chaucer, 
The  Pardoner's  Ptologue  and  Tale  (H. 
Janizeä)  p.  260. 

Chryäoötdnius,  Seth  G.  Gifford, 
Pauli  Epistolas  qua  foi*fnä  legerit  Jo- 
annes Chrysostomüs  (Eb.  Nestle)  p. 
172. 

Oioeronis  olrätio  pro  F.  Ooi^Olio 
Bulla.  Für  den  Schulgebranch  erklärt 
von  P.  Thümen  (0.  Wackermann)  p. 
605. 

—  A.  Führer,  Übungsstoflf  zum  Über- 
setzen ins  Lateinische  im  Anschlufs  an 
Ciceros  Beden  för  S.  Boscits,  über  den 
Oberbefehl  des  Cn.  Pompejus  Und  für 
den  Dichter  Archiäs  (E;  Krause)  p.  229. 

^Hämmelrath  «.Stephan,  Übungs- 
stücke zutn  Übersetiett  ins  Lateifaische 
für  Sekunda  tind  Primä  itn  Anschluls 
an  Cicero  (E.  Krause)  p.  402. 

—  H.  de  la  Ville  de  Mirraoüi^  Cl- 
odron (L.  Beidhftrdt)  p.  588. 


^ 


Begjgter, 


Cleeye,  Iiuoas,  The  Man  in  tbe  Street 
(Teichmann)  p.  380. 

Columella,  Wilhelm  Lnndström, 
L.  Inni  Moderati  Oolnmellae  opera  quae 
exstant.  Fasciculns  sextas  rei  msticae 
libmm  decimnm  contin«n8  (0.  Weise) 
p.  554. 

Corneille,  Le  Cid,  herausgegeben  yon 
Ernst  Dannheifser  (Drees)  p    113. 

—  J.  B.  Segali,  Corneille  and  the 
Spanish  Drama  (Goeri^ing)  p.  233. 

Cmmp,  W.  H.,  English  as  it  is  spoktn 

(Fr.  Blume)  p.  501. 
Caerwinka,  JaUus,  vgl.  Shakespeare. 
CurtiuB-v.  Hartel,  Griechische  Schnl- 

grammatik.    24.  Auflage  bearbeitet  yon 

Fl.  Wei*rel  {ß)  p.  589. 
Dani,Ba8tiaaji  van,  and  Com.  Stoffel, 

Chapters  on  English  Printing,  Prosody, 

and  Pionnnciation  (-tz-)  p.  405. 
Dannheifter,  SS.,  ygl.  Corneille. 
Delahfl^ye,  Victor,  Dictionnaire  de  la 

ProDonciatioD  moderne  (G  Bolin)  p.  472. 
Despr^auz,  XS.,   Histoire  abr^gäe  de  la 

litteratuTö  fran^aise  a  Tnsage  des  ^tran- 

gers  (R.  Mollweide)  p.  209. 
Dessau,    Herrn.,    Jnscriptiones   latinae 

selectae,  vol.  11,  pars  1  (0.  Hey)  p.  363. 
Deiter,  H.,  Übungsstücke  zum  übersetzen 

ins  Lateinische  im  AnschloTs  an  Livias 

1  und  11  (E.  Kraase)..p.  63. 

—  Übungsstücke  zum  Übersetzen  ins  La- 
teinische im  Anscblnls  an  Livins  XXI 
(E.  Krause)  p.  63. 

—  vgl.  Freund. 

Demetrius,  W.  Eihys  Roberts,  De- 
metnus  on  style.  Tbe  Greek  texte  of 
Demetrius  de  elocatione  edited  after  the 
Paris  manuscript  with  introduction, 
translatioo,  facsimiles  etc.  (Ph.  Weber) 
p.  389. 

Demostene.  Le  tre  orazione  contro 
Filippo  iUaltrate  da  G.  Bartolotto 
(May)  p.  361. 

—  W.  W.  Goodwin,  Demosthenes  on 
the  crown  with  critical  and  explanatory 
notes  and  bistorical  sketches  and  essays 
p.  602. 

—  Engelbert  Drerup,  Vorlaufiger  Be- 
richt über  eine  Studienreise  zur  Erfor- 
schung der  Demosthenes  -  Überlieferung. 
Mit  Beitragen  zur  Textgeschichte  des 
Isokrates,  Aschines,  der  Epistolographen 
und  des  Gorgias  (May)  p.  50. 

Dienel,  moh.,  vgl.  Tacitus. 

Dörpfeld,  W.,  vgL  Homer. 

Dorwald,  Faul,  Griechischer  Wortschatz 

(F.  Adami)  p   431. 
Drerup,  Engelbert,  vgl.  Demosthenes. 
Drelbler,  Ferdin.,  vgl.  V.  Thumser. 


Dubray,  O.,  Le  Roman  des  Mets  (K. 

Engelke)  p.  404. 
Dubuo,  F.,  De  Suessiooum  civitate  (Ed. 

Wolff)  p.  657. 
Puruy,  Ludwig  Elinger,  Victor  Du- 

ruy:   Regne  de  Louis  XIV  (E.  Holter- 

mann)  p.  495. 
Eokels,  William  Alezander,  "iiare  as 

an  index  of  style  in  the  orators  (Ph. 

Weber)  p.  294. 
Eliot,  Q-eorge,  by  Leslie  Stephen  (H.  Hoff- 

schnlte)  p.  351. 
Engelke,  K.,  Le  petit  Vocabulaire  (W. 

Rohrs)  p.  46. 

—  Cahier  de  Notes.  Stilistisches  HilfiB- 
und  Merkbuch  des  Französischen  für 
Schüler  der  Oberklassen  (W.  Böhrs) 
p.  236. 

—  vgl.  Sandeau,  Jules. 

Engiert,  A«,  Anthologie  des  po^tes 
fran9ais  modernes  p.  88. 

English  ICen  of  liSttres.  George  Eliot 
by  Leslie  Stephen  (H.  HoffiKsbulte) 
p.  361. 

Enneeoe^rus,  IL,  Versbau  und  gesang- 
licher Vortrag  des  ältesten  Iranzosischen 
Liedes.  Ein  Beitrag  zur  Lehre  vom 
rhythmischen  Verse  (B.  Rottgers)  p.  115. 

Erkmann-Chatrian ,  Karl  Wimmer, 
Histoire  d'uo  Consent  de  1818  par 
Erckmann-Chatrian  (K.  Holter- 
manu)  p.  85. 

Euripides,  N.  Vfecklein>Die kyklische 
Thebais,  die  Odipodee  und  der  Odipus 
des  Euripid  s  (W.  Richter)  p.  97. 

Fabrioius,  Ernst,  Die  Entstehung  der 
römischen  Limesanlagen  in  Deutschland 
(0.  Wackermann)  p.  179. 

Faulhaber,  Miohael,  Hohelied-,  Pro- 
verbien-  und  Prediger-Katenen  (Eb.Nestle) 
p.  172. 

Fay,  Edwin  "W.,  vgl.  Plautus. 

Feoht,  E.  und  J.  Bitzier,  Griechisches 
Übungsbuch  für  Untertertia  (F.  Neu- 
burger) p.  205. 

Feichtinger,  Emanuel,  vgl.  V.  Thumser. 

Fiok,  Aug.,  vgl   Homer. 

Fischer,  tiermann.  Der  Neuhumanis- 
mus in  der  deutschen  Literatur  (T) 
p.  288. 

Fiske,  John,  Essays  Historical  and 
Literary.    Vol.  I  (Wilktns)  p.  550. 

Fliokinger,  Boy  C,  The  meaning  of 
inl  Tfjs  cfxipfflg  in  writers  of  the  fourth 
centuiy  (K.  Weifsmann)  p.  605. 

Freund,  Wilhelm,  Wie  studiert  man 
klassische  Philologie?  Sechste,  ver- 
mehrte und  verbesserte  Auflage »  be- 
arbeitet von  H.  De  it  e  r  (M.  Hodermann) 
p.  615. 


1 


9  oS 


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XA 


Nene 


PhilologischeRundschau 


Herausgegeben 


von 


Dr.  C.  Wagener  und  Dr.  E.  Ludwig 


in 


Bremen. 


Jahrgang   1908. 


Gh)tha. 

Friedrich  Andreas   Perthes 

Aktiengesellschaft. 

1903. 


Gotha,  10.  Januar.  Xr.  1,  Jahrgang  1903. 

Nene 

PhilologischeRundschau 

Heraasgegeben  von 

Dr.  G.  Wagener  und  Dr.  E.  Ludwig 


in  Bremen. 


Erscheint  alle  14  Tage.  —  Preis  fflr  den  Jahrgang  8  Mark. 

Bestellungen  nehmen  alle  Bachhandlangen,  sowie  die  Postanstalten  des  In-  and  Anslandes  an 

Insertionsgebtthr  fflr  die  einmal  gespaltene  Petitzeile  30  Pfg. 

Inhalt:  Verwendbarkeit  und  Form  einsprachig  kommentierter  Schulausgaben  för  den 
französischen  und  englischen  Unterricht  (K.  Beckmann). 
Recen  Bienen:  1)  D.  B.  Mo  uro,  Homer's  Odyssey  (H.  Kluge)  p.  7.  — 
2)  H.  Blümner,  Oyids  Kunst  zu  lieben  (G.  Schüler)  p.  11.  —  3)  P.  Bechtel, 
Die  attischen  Frauennamen  (Meltzer)  p.  12.  —  4)  Ed.  Hailer,  Beiträge  zur 
Erklärung  des  poetischen  Plurals  bei  den  römischen  Elegikem  (0.  Weise)  p.  14.  — 
5)  Th.  Lindner,  Weltgeschichte  seit  der  Völkerwanderung  (A.  Pintschovius) 
p.  15.  —  6)  H.  Knauth,  Lat.  Übungsbuch  fElr  Sekunda  (E.  Krause)  p.  16.  — 
7)  Nikolaus  Welter,  Theodor  Aubanel  (Max  Ewert)  p.  19.  —  8)  G.  Schme- 
ding,  Mati^re  Grammatieale  (Max  Krüger  )p.  20.  —  9)  David  Asher-P.  Hangen, 
Die  Fehler  der  Deutschen  beim  mündlichen  Gebrauch  der  englischen  Sprache 
(H  Hoffschulte)  p.  21.  —  10)  R.  Krön,  A  Vokabulary  with  Explanations  (R.) 
p.  22.  —  11)  S.  Gräfenberg  und  Antonio  Paz  y  Melia,  Brieflicher  Sprach- 
Uiid  Sprechunterricht  für  das  Selbststudium  der  Spanischen  Sprache  (W.  Rohrs) 
p.  23.  —  Anzeigen. 

Verwendbarkeit  und  Form  einsprachig  kommen- 
tierter Schulausgaben 

für  den  französischen  und  englischen  Unterricht. 
Von  E.  Beckmann,  Osnabrück. 
Während  bisher  unsere  Schulansgaben  französischer  und  englischer 
Lektüre  für  Einleitung,  Erklärungen  und  etwaige  Anhänge  sich  der  deut- 
schen Sprache  bedienten  und  nur  in  ganz  vereinzelten  Fällen  die  fremde 
Sprache  zu  diesem  Zwecke  heranzogen,  treten  solche  einsprachig  kom- 
mentierte Ausgaben  in  letzter  Zeit  plötzlich  zahlreicher  auf.  Teils  sind 
es  die  alten  Sammlungen,  welche  zu  dieser  neuen  Form  der  Schulausgaben 
wenigstens  zum  Teil  übergehen,  teils  sind  ad  hoc  neue  Unternehmungen 
ins  Leben  gerufen  (Rofsberg,  Teubner).  Auch  aus  Holland  liegt  mir  eine 
derartige  Ausgabe  vor  (Guy  de  Maupassant  ed.  Lacombl^,  Groningen  1901 
bei  Noordhoff)  und  ebenso  eine  schwedische  (Le  Livre  de  mon  ami  par 


Neue  Philologische  Bundschaa  Nr.  1. 


A.  France,  herausgegeben  von  Privatdozent  E.  Bodhe.  Stockholm  o.  J. 
[1900]).  Indem  ich  mir  eine  Vergleichung  der  verschiedenen  deutschen 
Ausgaben  ffir  eine  andere  Gelegenheit  vorbehalte,  bemerke  ich  nur  kurz 
hier,  dafe  die  Maupassant- Ausgabe,  das  5.  Bändchen  einer  „Conteurs  mo- 
dernes" betitelten  kleinen  Sammlung,  eine  gute  Auswahl  von  Novellen 
bietet  mit  kurzen  Anmerkungen  gröfstenteils  formeller  Art  als  Fursnoten ; 
letzterer  Umstand  ist  wohl  in  einsprachigen  Ausgaben  noch  weniger  an- 
gebi*acht  als  sonst.  Die  schwedische  Ausgabe  rührt  von  einem  Heraus- 
geber her,  der  scheinbar  keine  Fühlung  mit  den  Bedürfnissen  der  Schule 
hat;  wenigstens  sind  seine  Einleitung  und  besonders  sein  Kommentar 
—  die  sachlichen  wie  die  sprachlichen  Erklärungen  —pädagogisch ungeeignet. 
An  fachmännischen  Urteilen  sind  nur  wenige  vorhanden,  die  ein- 
gehend sich  mit  der  Frage  einsprachiger  Ausgaben  befassen.  So  hielt 
Prof.  Kaphengst  (0.  B.  Elberfeld)  im  Juli  1901  einen  Vortrag  über 
diesen  Gegenstand,  in  dem  er  zu  dem  Schlufs  kommt:  „Aus  diesem  Grunde 
also  werde  ich  für  die  oberen  Klassen  praktische  Sacherklärung,  einfache 
und  geschickte  Worterklärung  durch  das  fremdsprachliche  Idiom  für  zweck- 
mäfsig  halten,  nicht  aber  Satz-  und  Konstruktionserklärung.  Für  die 
mittleren  Klassen  aber  halte  ich  die  Benutzung  der  fremden  Sprache  für 
verfrüht"  (Neuphil.  Centralbl.  XV,  S.  297).  Prof.  K.  A.  Martin  Hartmann 
(G.  Leipzig),  der  für  den  mündlichen  Gebrauch  der  fremden  Sprache  im 
Unterricht  selbst  auf  den  Gymnasien  lebhaft  eintritt,  ist  doch  Gegner 
solcher  gedruckter  fremdsprachlicher  Belehrung  der  Schüler  (vgl.  ebd. 
XVI,  S.  224  fr.).  Ohne  jede  Einschränkung  empfiehlt  einsprachige  Aus- 
gaben der  ausführliche  Prospekt  der  Teubnerschen  Sammlung,  der  aber 
in  seiner  Motivierung  nicht  ganz  glücklich  ist,  da  er  mehrfach  die  Be- 
denken derjenigen,  welche  nicht  a  priori  dafür  sind,  eher  wachruft  als 
beseitigt  —  Dr.  Paul  Lange,  einer  der  Herausgeber  der  Eofsbergschen 
Sammlung,  hat  im  gleichen  Verlage  eine  Broschüre  „Zur  Eeform  unserer 
neusprachlichen  Schulausgaben"  erscheinen  lassen,  welche  einsprachige 
Kommentare  als  forderlich  für  die  Erreichung  des  fremdsprachlichen  Un- 
terrichtszieles empfiehlt.  Das  Ziel  ist  ihm  aber  selbständige  und  geläufige 
Handhabung  der  fremden  Sprache.  Als  Weg  zu  diesem  Ziele  gibt  er 
an:  Festlegung  des  Sinnes  der  Lektüre  unter  Leitung  des  Lehrers  und 
Durcharbeitung  des  fremdsprachlichen  Kommentars  zu  Hause  far  die  nächst- 
folgende Stunde.  Beides,  ganz  besonders  aber  ersteres,  wird  selbst  von 
selten  der  Freunde  einsprachiger  Ausgaben  nicht  unbestritten  bleiben. 


^ 


Nene  Philologische  Bondschan  Kr.  1. 


Da  praktische  Erfahrungen  fiber  einsprachige  Kommentare  auch 
noch  nicht  einmal  in  halbwegs  genügender  Zahl  gemacht  worden  sind, 
so  ist  es  Yorlänflg  ein  wesentlich  auf  theoretischer  SchluMolgerung  be- 
ruhender Qedanke,  ebenso  wie  auch  die  Einwendungen  dagegen  nach 
Sichtung  und  Mafs  noch  nicht  endgültig  sein  können.  Hoffnungen  wie 
Befürchtungen,  die  sich  daran  knüpfen,  werden  durch  die  kommenden  Er- 
fahrungen beeinflufst  werden,  und  wenn  auch  letztere  wirklich  gehoben 
werden  sollten,  so  würde  doch  bis  zur  allseitigen  Fixierung  der  Ange- 
legenheit zweifellos  noch  manche  Wandlung  durchgemacht  werden.  Denn 
wenn  wir  auch  von  der  Frage  absehen,  ob  überhaupt  fremdsprachliche 
Kommentare  gebraucht  werden  sollen,  und  uns  auf  den  Boden  der  Tat- 
sache stellen,  dafs  sie  vorhanden  sind,  sich  demnächst  noch  stark  ver- 
mehren werden  und  zweifelsohne  noch  an  vielen  Schulen  Eingang  finden 
werden,  so  bleiben  doch  noch  andere  Fragen  zu  beantworten  übrig:  Welche 
Schulen  können  einsprachige  Ausgaben  gebrauchen?  Welche  Klassen? 
Kann  jeder  Lektürestoff  fremdsprachlich  kommentiert  werden?  Wie  soll 
kommentiert  werden  (sprachliche,  sachliche,  Konstruktions-Erläuterungen)? 
Soll  ein  zweisprachiges  Wörterbuch  daneben  gebraucht  werden?  Wie  soll 
der  Unterricht  dabei  gehandhabt  werden?  soll  die  Übersetzung  ganz  oder 
in  der  Hauptsache  fortfallen?  Das  sind,  mit  Ausnahme  der  letzten,  neu 
auftauchende  Fragen,  über  die  auch  bei  prinzipieller  Annahme  der 
einsprachigen  Ausgaben  noch  eine  Entscheidung  herbeigeführt  werden 
mufs. 

Um  nun  meine  eigene  Anschauung  kurz  darzulegen,  so  glaube  ich 
allerdings,  dafs  es  eine  ganz  natürliche  Konsequenz  des  sogen.  Beform- 
gedankens  ist,  einsprachige  Kommentare  zu  schaffen  und  zu  versuchen. 
Das  bleibt  richtig,  wenn  man  —  wie  es  wohl  die  meisten  Kollegen  tun  — 
Langes  Ansicht  von  dem  Ziel  des  neusprachlichen  Unterrichts  nicht  an- 
erkennt und  sein  Ziel  als  ein  nur  in  sehr  geringem  Umfange  erreichbares 
Neben  ziel  betrachtet.  Wo,  wie  die  preufsischen  Lehrpläne  es  ja  ge- 
statten, in  der  Hauptsache  nur  die  fremde  Sprache  im  Unterrichte  zur 
Verwendung  kommt,  kann  ein  fremdsprachlicher  Kommentar 
wohl  Nutzen  bringen,  jedoch  halte  ich  einen  solchen  Unterricht  nur 
dann  für  wirklich  erspriefslich  in  allen  seinen  Verzweigungen,  wenn  eine 
gut  und  einheitlich  vorgebildete  Klasse  einen  pädagogisch  tüchtigen,  bis 
zur  wirklichen  Beherrschung  der  fremden  Sprache  vorgedrungenen  Lehrer 
hat.    Das  drücken  auch  die  genannten  Lehrpläne  aus,  wenn  sie  hinzu- 


Nene  Philologische  BnndBchaa  Nr.  1. 


fflgOD,  dars  die  Versuche,  das  fremde  Idiom  im  Unterricht  zu  gebrauchen, 
nur  soweit  zugelassen  werden  sollen,  „als  die  Sicherheit  des  Lehrers  und 
die  Entwickelung  der  Schfiler  auch  bei  diesem  Verfahren  die  völlige  Er- 
schliefsung  des  Qedankeninhaltes  gewährleisten  *'. 

Wenn  wir  uns  den  Schlufs  des  obigen  Satzes  betrachten  und  ferner 
uns  erinnern,  dafs  dieselben  Lehrpläne  als  „allgemeines  LehrzieP^  für 
sämtliche  Schulgattungen  an  erster  Stelle  „Verständnis  der  ...  Schrift- 
werke^^ hinstellen  und  in  den  „Methodischen  Bemerkungen  fQr  das  Fran* 
zSsische  und  Englische'^  für  die  Lektüre,  „das  vornehmste  Oebiet  des 
Unterrichts  ^S  „  wenigstens  in  der  zweiten  Hälfte  der  Unterrichtszeit  wert- 
vollen Inhalt  in  edler  Form^^  verlangen  und  vor  einer  „dienenden  Bolle *^ 
derselben  warnen,  so  ergibt  sich  daraus  der  Gedanke  —  und  wer  wollte 
seine  Bichtigkeit  bezweifeln  — ,  dals  die  Lektüre  nicht  wesentlich  als 
eine  Gelegenheit  zu  Sprechübungen  betrachtet,  sondern  ihres  Inhaltes 
wegen  getrieben  werden  soll.  Das  macht  aber  die  fremdsprachliche  Be- 
sprechung des  Textes,  mithin  auch  den  Gebrauch  fremdsprachlicher 
Kommentare  allüberall  da  bedenklich,  wo  schon  mit  Hilfe 
der  eigenen  Muttersprache  das  volle  Verständnis  eines  Lese- 
stückes und  seines  künstlerischen  Wertes  den  Schülern  nur 
mühsam  beizubringen  ist.  Es  scheiden  demnach  für  die  vorliegende 
Frage  alle  diejenigen  Elassenstufen  aus,  in  denen  die  Schüler  teils  infolge 
ihrer  Jugend  noch  nicht  die  nötige  geistige  Entwickelung  besitzen,  teils 
noch  zu  geringe  Wort-  und  Phrasenkenntnis  und  Übung  in  der  fremden 
Sprache  haben.  Es  wird  sich  darüber  streiten  lassen,  welche  Klassen  dazu 
zu  rechnen  sind,  auch  kann  sich  die  Grenze  im  Laufe  der  Zeit  verschie- 
ben. Meines  Erachtens  zählen  bei  dem  jetzigen  Stande  der  Dinge  dazu 
die  unteren  und  mittleren  Klassen  aller  Schulgattungen  und 
wahrscheinlich  auch  die  oberen  Klassen  der  Gymnasien. 

Für  die  übrigbleibenden  Stufen  scheiden  aber  auch  ferner  alle  solche 
Schriftwerke  aus,  die  deshalb  als  Primanerlektüre  betrachtet  werden,  weil 
sie  für  jüngere  Jahrgänge  inhaltlich  als  zu  schwer  erscheinen.  Wenn 
wir  bedenken,  ein  wie  grofses  pädagogisches  Geschick  es  erfordert,  dem 
Verständnis  der  kleinen  Schüler  in  den  untersten  Klassen  einen  neuen 
schwierigeren  Gedanken  oder  gar  eine  Gedankenfolge  in  der  eigenen  Mutter- 
sprache klar  zu  machen;  wenn  wir  uns  erinnern,  wie  wir  Ausländern  ein 
Gleiches  in  deutscher  Sprache  nur  mit  gröfster  Vorsicht,  unter  Anwendung 
kurzer  Sätze  in  einfachstem  Deutsch  und  unter  ängstlicher  Vermeidung 


'-> 


Neue  Phüologifohe  Bundacbaa  Nr.  1. 


aller  selteneren  Aosdrficke  näher  bringen  zn  können  hofften  und  glaubten, 
so  werden  wir  überzeugt  sein,  dafs  ein  ganz  fthnliches  Verfahren  auch 
gegenüber  unseren  größeren  Schülern  erforderlich  ist,  wenn  wir  der  Ge- 
samtheit, auch  dem  schwachen  Schüler,  wichtige  Dinge  mitteilen  in 
einer  fremden  Sprache,  die  ihnen  doch  nicht  weniger  Mühe  bereitet,  als 
den  Sextanern  oder  den  mitten  im  deutschen  Sprachgebiet  lebenden  Aus- 
ländern das  Deutsche.  Wollen  wir  also  auf  Übersetzung  ganz  oder  zum 
grölsten  Teil  verzichten  und  mit  fremdsprachlichem  Kommentar  arbeiten, 
so  kann  nur  leichte  Lektüre  mit  unbedeutenden  Schwierig- 
keiten in  Betracht  kommen.  Hierzu  rechne  ich  in  erster  Linie 
die  in  den  mittleren  Klassen  zur  Verwendung  kommenden  Historiker 
sowie  die  meisten  in  Sekunda  gelesenen  Dramen,  nicht  aber  in 
Bausch  und  Bogen  die  neueste  Novellistik.  Nur  so  können  wir  hoffen, 
die  Schwierigkeiten  des  Stoffes  durch  den  Kommentar  zu  heben:  die  ge- 
ringere Zahl  der  Erklärungen  einerseits,  die  gröfsere  Übung  und  der 
reichere  Wortschatz  des  Primaners  anderseits  werden  vor  der  Qefahr 
schützen,  dafs  der  Kommentar  wiederum  einer  Kommentierung  bedarf, 
oder  ins  Dngemessene  anschwillt,  oder  an  innerem  Gehalte  verliert. 

Die  Lektüre  mufs,  wie  schon  gesagt,  wesentlich  ihrer  selbst  wegen 
getrieben  werden.  Der  Kommentar  darf  also  auch  nur  die  Aufgabe  haben, 
diesen  Selbstzweck  derselben  zu  fördern,  denn  nur  dann  ist  er  eine  wün- 
schenswerte und  natürliche  Begleiterscheinung  des  auf  die  Übersetzung 
verzichtenden  Unterrichts.  Wer  den  fremdsprachlichen  Kommentar  haupt- 
sächlich deshalb  willkommen  heifst,  weil  sich  mit  seiner  Hilfe  bequemer 
Sprechübungen  veranstalten  lassen,  weicht  vom  Hauptwege  ab  und  läuft 
Gefahr,  sich  auf  Holzwegen  festzurennen.  Diese  Erwägung  sowie  die  For- 
derung, nur  leichten  Lektürestoff  hierzu  zu  verwenden,  lassen  es  angebracht 
erscheinen,  dafs  in  der  Regel  nur  sachliche  Erklärungen  in 
den  Kommentar  aufgenommen  werden.  Bisher  und  auch  ferner- 
bin hat  der  Kommentar  die  Aufgabe,  die  Erfassung  des  Inhaltes  der  Lek- 
türe zu  fördern.  Schüler  aber,  denen  fremdsprachliche  Noten  nicht  eine 
Erschwerung,  sondern  eine  wirkliche  Hilfe  für  das  Verständnis  eines 
Schriftwerkes  sind,  werden  nur  in  Ausnahmefällen  einer  sprachlichen  Er- 
klärung bedürfen.  Wo  letztere  in  gröfserer  Menge  nötig  erscheinen,  ist 
diese  ünterrichtsweise  eben  noch  nicht  am  Platze,  denn  sie  würde  das 
Fortschreiten  der  Lektüre  hemmen  und  die  Präparationsschwierigkeiten 
unserer  Schüler  unter  Umständen  bis  zur  Überbfirdung  steigern. 


Nene  Fhilologiscbe  Rnndschaa  Nr.  1. 


Während  nun  bei  der  nach  Art  und  Mafs  aofserordentlich  verschie- 
denen Vorbildang  unserer  Knaben  der  fremdsprachliche  Kommentar  ohne 
die  obigen  Beschränkungen  leicht  geistig  arm  bleibt  und  doch  überaus 
umfangreich  wird,  ist  es  anderseits  schwer,  Lücken  zu  vermeiden  und 
auch  dem  schwächsten  Schüler  genug  zu  bringen.  Was  aber  geschieht 
in  diesem  Falle?  Notgedrungen  greift  der  Schüler  zum  zweisprachigen 
Wörterbuch.  Ich  zögere  nicht  hinzuzufügen,  dafs  viele,  ja,  recht  viele 
Schüler  das  auch  ohne  Not  tun  werden,  und  zwar  immer  dann,  wenn  sie 
die  Präparationsarbeit  dadurch  zu  erleichtem  und  zu  kürzen  glauben. 
Damit  ist  eigentlich  schon  die  Frage  entschieden,  ob  bei  einsprachigen 
Ausgaben  zweisprachige  Wörterbücher  gestattet  sein  sollen. 
Was  wir  nicht  hindern  können,  sollen  wir  auch  nicht  verbieten.  Von 
diesem  Gesichtspunkte  aus  empfahl  sogar  Prof.  Jonas  aaf  der  letzten  Ver- 
sammlung des  Pommerschen  Provinzialvereins  (Päd.  WochenbL  Xn,  10), 
gute  Übersetzungen  geradezu  als  Unterrichtsmittel  zu  verwenden,  „da 
98<>/o  sie  doch  schon  benutzten,  und  dann  das  Gewissen  der  Schüler  er- 
leichtert würde".  Abgesehen  davon  aber  halte  ich  es  auch  gar  nicht 
für  bedenklich,  wenn  zu  Hause  ein  zweisprachiges  Wörterbuch  ge- 
braucht mri.  Wenn  wirklich  dadurch  die  Förderung  im  praktischen  Ge- 
brauch der  fremden  Sprache  ein  wenig  gehemmt  wird,  was  mir  aber  nicht 
sicher  zu  sein  scheint,  so  vermeiden  wir  anderseits  dadurch  eine  Vermeh- 
rung der  häuslichen  Arbeitszeit  unserer  Schüler.  Das  aber  ist  wohl  ein 
kleines  Opfer  wert,  denn  eine  weitere  Steigerung  würde  im  Durchschnitt 
nur  auf  Kosten  der  Gesundheit  oder  der  Gewissenhaftigkeit  der  Schüler 
möglich  sein. 

Durch  einsprachige  Wörterbücher  wie  Larousse  wird  ebenso  wie  durch 
die  Worterklärungen  im  einsprachigen  Kommentar  die  Gefahr  herauf- 
beschworen, die  synonymischen  Kenntnisse  der  Schüler  zu  hemmen  und 
zu  verwirren,  die  doch  für  die  Vertiefung  der  Sprachkenntnisse  sowie  für 
die  völlige  Erfassung  des  geistigen  Ideengehaltes  der  Lektüre  von  so  her- 
vorragender Bedeutung  sind.  Ich  kann  mir  nicht  vorstellen,  dafs  man  der 
Jugend  auf  diesem  ihr  selbst  fürs  Deutsche  noch  schwierigen  Gebiete 
klare  Begriffe  beibringen  kann  mit  Hilfe  derjenigen  Sprache,  die  eben 
gelernt  werden  soll.  Wer  daran  zweifelt,  lasse  sich  einmal  aus  einem 
einsprachigen  Kommentar  eine  Reihe  von  Worterklärungen  ohne  das 
Stichwort  vorlesen  und  suche  letzteres  zu  erraten.  Schon  beim  ersten 
Dutzend  wird  er  erkennen,  wie  schwer  solches  selbst  ffir  ihn  noch  ist. 


/'\ 


Nene  Philologische  Bandschan  Nr.  1. 


Es  kommen  oft  genug  Dinge  vor,  bei  deren  Erklfirung  wir  der  ganzen 
Geläufigkeit  und  Gewandtheit  bedürfen,  mit  der  im  Gegensatz  zur  frem- 
den Sprache  unsere  Muttersprache  von  uns  selbst  angewandt  und  von  un- 
seren Zöglingen  aufgefafst  wird.  Deshalb  hüten  wir  uns,  einem  Prinzip 
zuliebe  uns  Fesseln  anzulegen;  überlassen  wir  die  Worterklärungen  nach 
wie  vor  einem  zweisprachigen  allgemeinen  Wörterbuch  oder  dem  Sonder- 
wörterverzeichnis. Und  wo  ein  Wort  oder  eine  Konstruktion  der  Er- 
klärung bedürftig  erscheint,  steht  im  Kommentar  oft  besser  die  deutsche 
Übersetzung  als  ein  sinnverwandtes  Wort,  welches  der  Schüler  hernach  für 
völlig  gleichbedeutend  hält,  wenn  er  überhaupt  etwas  damit  anfangen  kann. 
Die  preufsischen  Lehrpläne,  bei  all  ihren  Zugeständnissen  an  die 
„Beform"  immer  wieder  einschränkend  und  warnend,  sagen  über  die  Wahl 
der  Unterrichtssprache:  „Dafs  sich  die  Lehrer  bei  dem  Unterrichte  we- 
sentlich der  fremden  Sprache  bedienen,  kann  —  sofern  sie  dies  in  gedeih- 
licher Weise  zu  tun  vermögen  —  als  wünschenswert  betrachtet  werden; 
Gründlichkeit  und  Ernst  darf  der  Unterricht  aber  darüber  nicht  einbüfsen. 
Für  schwierige  und  tiefergehende  Erklärungen,  namentlich  auch  bei  der 
grammatischen  Unterweisung,  wird  überall  mit  Recht  auf  die  Mutter- 
sprache zurückgegriffen  werden.  Dagegen  empfiehlt  sich  die  Anwendung 
der  Fremdsprache  ganz  besonders  für  literatur-  und  kulturgeschichtliche 
Belehrungen/'  Zur  grammatischen  Unterweisung  rechne  ich  auch  Syno- 
nymisches, und  was  von  der  Anwendung  der  Fremdsprache  im  allgemeinen 
gesagt  wird,  gilt  auch  für  die  Verwendung  einsprachiger  Kommentare,  be- 
sonders in  Bezug  auf  die  Einschränkungen.  Meines  Erachtens  aber  sind 
die  Lehrpläne  nicht  nur  offizielle  Richtschnur  für  die  preufsischen  Kollegen, 
sondern  ein  Produkt  klarer  Erkenntnis  der  Sachlage:  sie  bewegen  sich  im 
ganzen  auf  der  Linie,  auf  welcher  „Feinde  und  Freunde  der  Reform" 
früher  oder  später  sich  begegnen  und  die  Hand  reichen  werden. 


1)  D.  B.  Monro,  Homer'B   Odyssey  books  XUI'XXIV.    Oxford, 
Clarendon  Press,  1901.    XII  u.  512  S.  8.  16  s.  {Jt  16). 

Der  vorliegende  Kommentar  zur  Odyssee  ist  die  Fortsetzung  zu  einer 
von  Biddell  begonnenen  und  von  Meny  bis  zum  zwölften  Buche  fort- 
geführten, im  Jahre  1875  herausgegebenen  Ausgabe  der  Odyssee.  Text 
und  Anmerkungen  bieten  mir  keinen  besonderen  Anlafs,  abweichende 
Ansichten  zu  äufsem;  wo  ich  die  Anmerkungen  geprüft  habe,  mulfite  ich 


Nene  Philologische  Bandsohaa  Nr.  1. 


sie  als  zweckmftfsig  und,  vielleicht  geringe  Einzelheiten  ausgenommen, 
zutreffend  anerkennen.  —  Besondere  Aufmerksamkeit  verdienen  die  An- 
hänge, die  einen  grofen  Baum  einnehmen  (von  S.  286—602).  Es  sind  nicht 
weniger  als  sechs,  deren  erster  die  Komposition  der  Odyssee,  der  zweite 
das  Verhältnis  der  Odyssee  zur  Ilias,  der  dritte  Homer  und  die  kyklischen 
Dichter,  der  vierte  die  Geschichte  der  homerischen  Gedichte,  der  fünfte 
Zeit  und  Ort  Homers,  d.  h.  der  Entstehung  der  homerischen  Gedichte 
und  endlich  der  sechste  das  homerische  Haus  behandelt.  Den  Abschlufs 
bilden  zwei  Indices,  einer  der  homerischen  Wörter  und  ein  Sachregister. 
Der  Inhalt  der  einzelnen  Anhänge  ist  sehr  reichhaltig  und  erstreckt  sich 
so  ziemlich  auf  alle  Fragen,  die  mit  den  homerischen  Gedichten  zu- 
sammenhängen. Zweck  dieser  Besprechung  kann  es  natürlich  nicht 
sein,  in  alle  Einzelheiten  dieser  Darstellungen  einzudringen,  deshalb  be- 
gnügt sich  Ref.  mit  einigen  Hervorhebungen.  Die  beiden  ersten  Anhänge 
betreffen  die  Odyssee  im  besonderen.  Der  Herr  Verf.  will  von  denjenigen 
Hypothesen  nicht  viel  wissen,  die  ein  Zusammenwachsen  mehrerer  Epen, 
etwa  der  Telemachie,  des  Nostos,  des  Freiermordes  zu  dem  uns  unter  dem 
Namen  der  Odyssee  bekannten  Epos  annehmen;  seiner  Ansicht  nach  ist 
die  ganze  Dichtung  —  natürlich  bis  auf  nicht  unbeträchtliche  Inter- 
polationen —  so,  wie  sie  vorliegt,  als  ein  Ganzes  gedacht.  Besonders 
sprechen  ihm  die  Beziehungen  der  angeblichen  Bestandteile  aufeinander 
für  die  einheitliche  Auffassung,  die  das  Ganze  durchzieht.  Man  kann 
dagegen  sagen,  dafs  allerdings  die  Odyssee,  wie  sie  vorliegt,  als  Ganzes 
entworfen  sein  kann,  dafs  aber  dennoch  mehrere  ältere  Epen  den  Stoff 
dazu  hergegeben  haben  und  dabei  auch  auf  die  Darstellung  in  mehr  als 
einer  Hinsicht  Einflufs  geübt  haben  können. 

Die  Beziehungen  der  Odyssee  zur  Ilias  sind  sehr  sorgfältig  nach  den 
verschiedensten  Richtungen  mit  Benutzung  der  einschlägigen  Literatur 
verfolgt  und  der  erhebliche  Zeitunterschied  zwischen  der  Entstehung  der 
beiden  Dichtungen  nachdrücklich  und  mit  Recht  betont.  Von  den  her- 
vorgehobenen Unterschieden  wollen  dem  Ref.  zwei  nicht  einleuchten. 
Erstens  wird  auf  S.  338  mit  Ridgeway  behauptet ,  dafs  in  der  Ilias  noch 
deutliche  Spuren  des  Gemeinlandsystems  zu  finden  seien,  während  die 
Odyssee  den  Sonderbesitz  an  Land  kenne.  Ref.  mufs  gestehen,  dafs  ihm 
dieser  Unterschied  in  die  beiden  Epen  hineininterpretiert  erscheint.  Zwei- 
tens wird  S.  339  als  unterscheidend  betont,  dafs  wilde  Tiere  in  der 
Odyssee  viel  seltener  erwähnt  werden  als  in  der  Ilias;  dafs  dieser  Unter- 


■> 


Nene  PbUologiiohe  Bnndfohau  Nr.  I. 


schied  auf  der  durch  die  fortschreitende  Eultor  in  Griechenland  bedingte 
Ausrottung  dieser  Tiere  in  der  Zwischenzeit  zwischen  Uias  nnd  Odyssee 
beruhe,  wie  von  Monro  behauptet  wird,  ist  keineswegs  ein  auch  nnr 
einigermafsen  zwingender  Schlufs;   man  kann  —  falls  man  die  Erschei- 
nung nicht  als  zufällig  ansieht  —  ebensowohl  auf  die  verschiedene  Gegend 
schliefsen,  in  der  die  beiden  Epen  entstanden.  —  In  dem  dritten  Anhang 
wird  ein  recht  guter  Oberblick  fiber  die  kjklischen  Epen,   ihren  Inhalt 
und  ihre  mutmafsliche  Entstehung  gegeben.  Der  vierte  Anhang  bebandelt, 
zum  Teil  sehr  eingehend,  Homer,  Homeriden,  Rhapsoden;  dann  vor  allem 
die  Textfrage,  also  die  frühen  Interpolationen,  die  angebliche  Rezension 
des  Peisistratos  —  die  der  Herr  Verf.  in  sehr  eingehender  Erörterung  als 
ganz  späte,  eigentlich  auf  nichts  beruhende  und  baltlose  Erfindung  or« 
weist  — ,  ferner  die  Frage  der  Yulgata  und  die  Frage  der  Homerkritik 
der  Alexandriner,  alles  mit  Heranziehung  der  einschlägigen  LiterS;tiw.  — 
Zeit  und  Ort  der  Entstehung  der   homerischen  Gedichte,   worflber  der 
ffinfte  Anhang  handelt,  wird  im  wesentlichen  aus  der  homerischen  Sprache 
erschlossen,  und  zwar  gelangt  Monro  zu  der  Hypothese,  dafs  diese  Epen 
nicht  ursprfinglich  äoliscb,  sondern  ionisch  seien,  aber  einem  altioniscben 
Dialekt   angebörig,   der  viele  unterscheidenden   Merkmale   des  späteren 
Ionisch  noch  nicht  besafs.    Die  homerische  Sprache,  wie  sie  uns  jetzt  vor- 
liegt, sei  zwar  durch  die  späteren  Dialekte  bedeutend  beeinflufst  worden, 
aber  sie  stelle  keineswegs  in  der  Hauptsache  ein  Gemisch  aus  äolischem 
und  ionischem  Dialekte  dar,  wie  man  gewöhnlich  annimmt,  sondern  der 
Grundstock  der  epischen  Sprache,  dieses  scheinbare  Gemisch,  zeige  eben 
die  eigentliche  Gestalt  dieses  alten  Ionisch.    Die  Aufstellung  dieser  Hypo- 
these bedingt  eine  Auseinandersetzung  mit  der  Theorie  Ficks,   der  ein 
besonderer  Abschnitt  gewidmet  ist,  und  in  welcher  die  schwachen  Punkte 
der  Annahme  eines  ursprflnglich  äolischen  Epos  und  dessen  vorausgesetzter 
Umschreibung  in   den  ionischen   Dialekt    sehr    einleuchtend  aufgedeckt 
werden.    Auch  mit  Bidgeway,  der  die  Entstehung  der  homerischen  Epen 
mit  einer  keltiscb-achäischen  Eroberung   des  griechischen  Bodens  in  Zu- 
sammenhang bringt,  setzt  sich  Monro  in  einem  besonderen  Abschnitt  aus- 
einander, indem  er  auch  hier  die  schwachen  Seiten  der  Hypoth^  sehr 
sicher  trifft.    Wie  steht  es  nun  aber  mit  seiner  eigenen  Anniihme?    Nun, 
auch  diese  hat  einen  sehr  anfechtbaren  Punkt,  und  zwar,  was  fär  die 
ganze   Theorie  bedenklich  ist,   gleich   in  dem   Fundament  der  ganzen 
Darlegung.     Es  ist  dies  der  schwankende    und  gar  nicht  festzulegende 


10  Neue  Philologisohe  Bnndschan  Nr.  1. 

Begriff  des  nrsprfiDglichen  homerischen  Dialekts,  wie  der  Herr  Verf.  ihn 
sich  vorstellt.  Wenn  Monro  selber  zngiebt,  daTs  später  beträchtliche  Ver- 
änderungen durch  die  jüngeren  Dialekte  hervorgerufen  sind,  und  dafs  eine 
Bekonstruktion  der  ursprünglichen  Form  unmöglich  ist,  so  bleibt  der 
eigentlich  homerische  Dialekt  eben  eine  unbekannte  Qröfse,  und  nur  ver- 
mutungsweise kann  man  die  Grenze  zwischen  dem  Ursprünglichen  und 
dem  durch  spätere  Dialekte  Hinzugekommenen  ziehen.  Die  ganze  Schöp- 
fung eines  altionisch -homerischen  Dialekts  ist  daher  mehr  oder  minder 
ein  Phantasiegebilde,  worauf  die  Hypothese,  dafs  Homer  ein  lonier  ge- 
wesen sei,  sich  nicht  gründen  läfst.  —  Zu  besprechen  bleibt  nun  noch 
der  sechste  Anhang,  der  über  das  homerische  Haus  handelt«  Die  sämt- 
lichen Schwierigkeiten,  die  hier  in  Frage  kommen,  sind  in  der  Abhand- 
lung berührt,  auch  die  Lösung  einiger  ungelöster  Bätsei  versucht,  aber 
—  wenigstens  nach  der  Ansicht  des  Bef.  —  nicht  überzeugend.  Von 
allen  Fragen  sei  nur  eine  herausgehoben:  ist  das  homerische  Haus  dem 
jüngeren  griechischen  Hause  —  also  einem  Bau  von  zusammenhängenden 
Bäumen  —  ähnlich,  oder  ist  das  Gehöft  den  bei  Hissarlik  gefundenen 
gleichzustellen,  bei  denen  jeder  gröfsere  Baum  eigentlich  ein  abgesondertes 
Haus  für  sich  bildet?  Der  Herr  Verf.  entscheidet  sich  für  letztere  An- 
sicht, indem  er  sich  auch  auf  die  mykenischen  Bauten  von  Mykenae 
und  Tiryns  beruft.  Die  tirynthischen  Bauten  sind  tatsächlich  für  diese 
Ansicht  insofern  nicht  beweisend,  als  bei  diesen  doch  immerhin  eine 
Verbindung  der  eng  nebeneinander  gebauten  Bäume  durch  Gänge  und 
dergleichen  vorliegt,  was  allerdings  in  dem  von  Monro  beigegebenen 
Grundrifs  des  Palastes  von  Tiryns  nicht  ersichtlich  ist.  Auch  die  aus 
der  Odyssee  selbst  beigebrachten  Beweise  können  zum  Teil  eher  für  das 
Gegenteil  angeführt  werden.  Denn  wenn  die  Mägde  der  Penelope  genau 
hören  und  sehen  können,  was  in  d9m  Männersaale  vor  sich  geht,  so 
schliefst  Bef.  daraus  eher,  dafs  der  Aufenthaltsort  der  Mägde  durch  eine 
Tür  mit  dem  Männersaal  in  Verbindung  steht,  durch  die,  wenn  sie  offen 
steht,  die  Vorgänge  im  Männersaal  beobachtet  werden  können,  als  dafs 
der  Arbeitsraum  eiuj  besonderes  Gebäude  bildet,  und  wenn  auch  hin- 
sichtlich der  Tür,  die  Telemach  versehentlich  offen  läfst,  so  dafs  Melan- 
thios  den  Freiem  auf  diesem  Wege  Waffen  zutragen  kann,  manches 
rätselhaft  sein  mag,  so  ist  doch  das  eine  sicher,  dafs  dieselbe  nur  in 
innere,  nicht  in  mit  dem  Hofe  verbundene  Bäume  führen  kann,  wie  es  Monro 
annehmen  mufs,  der  meint,  dafs  der  Vorratsraum  abgesondert  vom  Männer- 


O 


Nene  Pbilologisehe  Bondsohan  Nr.  1.  11 

saal  liegt.  Führte  sie  auf  den  Hof,  so  könnten  ebensogut  wie  der  Ziegen- 
hirt auch  die  Freier  durch  sie  nicht  nur  in  die  ^^^,  sondern  auch  in 
den  Hof  gelangen,  wonach  sie  ja  so  eifrig  streben. 

Aus  den  vorstehenden  Ausfahrungen  geht  hervor,  dafs  das  besprochene 
Buch  interessant  ist  durch  eine  Ffille  von  Fragen,  die  sich  an  die  home- 
rischen Gedichte  knfipfen.  Das  eingehendere  Studium  desselben  wird  jeden 
Leser  überzeugen,  dafs  Literatur-  und  Sachkenntnis  und  scharfer  Verstand 
die  Darstellung  auszeichnet,  die  auch  da,  wo  man  dem  Herrn  Verf.  nicht 
folgen  kann,  Interesse  einflöfst. 

Zerbst.  H 


2)  Hugo  Blttmner,  Ovids  Kunst  zu  lieben  in  freier  metrischer 
Übertragung.  Berlin,  Goncordia  Deutsche  Verlagsanstalt,  1902. 
XIX  u.  137  S.  8.  Jt  3.-. 

Um  auch  Ovids  drei  Bficher  von  der  „  Liebeskunst  ^'  einem  grO&eren 
Leserkreise  zugänglich  und  geniefsbar  zu  machen,  hat  sich  B.  bei  der 
Übersetzung  dieses  ebenso  berühmten  wie  berfichtigten  Lehrgedichtes  der 
gereimten  fünffüfsigen  Jamben  bedient.  Nur  drei  Formen  des  Beimes: 
aabb,  abab  und  abba,  sind  verwendet  worden,  damit  der  halb  ernsthafte, 
halb  spöttische  Ton  der  Urschrift  nach  Möglichkeit  auch  ftufserlich  zur 
Wiedergabe  gelange.  Bei  der  Wahl  eines  derartigen  Versmafses  konnte 
Ovids  Hauptstärke  im  Schmieden  von  Distichen  natürlich  nicht  zum  Aus- 
druck gebracht  werden:  Gedanken  nämlich,  die  Ovid  mit  Meisterschaft  in 
ein  Distichon  zusammenfafst,  mufs  B.  gewöhnlich  auf  drei  bis  vier  Verse 
verteilen,  zuweilen  ist  er  sogar  genötigt,  noch  einen  Teil  des  fünften 
Verses  mit  hinzuzunehmen.  B.s  Verse  sind  im  allgemeinen  recht  fliefsend, 
nur  die  Unterbringung  der  Eigennamen  hat  mancherlei  Schwierigkeiten 
verursacht.  Die  Reime  machen  nur  selten  den  Eindruck  des  Gesuchten. 
Die  Sprache  trifft  fast  durchweg  den  Ton  des  Urtextes,  doch  hätte  eine 
grofse  Anzahl  von  Fremdwörtern  und  ein  Teil  von  ziemlich  entlegenen 
Ausdrücken  wohl  vermieden  werden  können. 

Möglichst  geniefsbar  ist  ferner  die  Übertragung  fQr  Leser  der  Jetzt- 
zeit dadurch  gestaltet  worden,  dafs  das  umfangreiche  mythologische  Bei- 
werk Ovids  entweder  ganz  beseitigt  oder  für  das  Verständnis  tunlichst 
vereinfacht  worden  ist.  An  den  übrigen  Stellen  suchen  kurze  Fufsnoten, 
die  eher  zu  knapp  als  zu  reichlich  bemessen  sind,  den  Bedürfnissen  des 
Durchschnittslesers  Bechnung  zu  tragen. 


12  Keae  Philologische  Bnndschau  Nr.  1. 

Wenn  nun  auch  B.  das  Schlüpfrige  and  Aostöfsige  in  der  Urschrift 
nicht  iioeh  mehr  in  die  Augen  springen  läfst,  es  vielmehr  oft  abzu- 
schwächen sucht  und  die  gar  zu  derb  sinnlichen  Ausführungen  11  703 
bis  733  (nicht  729!)  und  III  769— 808  ganz  ausgeschieden  hat,  so  bleiben 
doch  noch  „  Delikatessen  ^*  genug,  die  fQr  jugendliche  Leser  und  Leserinnen 
„ein  sfifses,  tief  eindringendes  Gift*'  sind.  Jedem  Erwachsenen  aber  werden 
namentlich  die  fesselnden  Schilderungen  von  dem  Leben  und  Treiben  der  rö- 
mischen Tugend  zur  Zeit  des  ersten  Kaisers  manche  genufsreiche  Stunde 
bereiten. 

Kür  bequemeren  Verwendung  der  Übertragung  neben  dem  Urtexte  hat 
B.  die  herkömmliche  Zählung  der  Verse  beibehalten,  nur  II 669  —  674  hat 
er  nach  L.  MQllers  Voi^nge  hinter  II  702  gestellt  und  die  Schlnfsverse 
des  zweiten  Buches  nicht  ganz  folgerichtig  weitergezählt  (statt  710,  715, 
720  lies  735,  740,  745). 

Alles  in  allem  kann  B.s  Übertragung  als  ganz  gelungen  bezeichnet 
werden.  Sie  ist  vollauf  imstande,  zur  Erweiterung  des  Verständnisses  für 
das  römische  Altertum  beizutragen. 

Wilhelmshaven  O.  SohUer. 

3)  F.  Bi^ehteli  Die  attischen  Franennamen  nach  ihrem  Sy- 
steme dargestellt.  Oöttingen,  Vandenhoeck  &  Buprecht,  1902. 
VII  u.  144  S.  8.  Ji  5.  ~. 

Was  die  Wissenschaft  der  indogermanischen  und  im  besonderen  grie- 
chischen Namenerklärung  Fick  und  nach  ihm  Bechtel  verdankt,  ist  all- 
bekannt. Ihre  grofsen  Erfolge  haben  sie  u.  a.  durch  die  Vereinigung 
sprachwissenschaftlicher  mit  philologisch -statistischer  Methode  gewonnen. 
Diese  letztere  überwi^,  wie  in  der  gleichfalls  von  Bechtel  besorgten 
zweiten  Auflage  der  „Qriech.  Personennamen",  so  in  dem  vorliegenden 
Buche,  einem  der  verschiedenen  Nachträge  zu  dem  letztgenannten  Werke, 
und  sie  verbindet  sich  mit  einer  seltenen  Kunst  den  scheinbar  so  tabellen- 
artig trockenen  Stoff  durch  psychologische  Ausdeutung  zum  Reden  zu 
bringen  und  ihm  die  lehrreichsten  und  anziehendsten  Aufschlüsse  über  die 
soziale  und  gesellschaftliche  Bedeutung  der  Frauennamen  im  Attischen 
abzulocken.  Dabei  ergibt  sich  für  diese  Mundart  folgendes:  der  Name 
der  Bürgerlichen  ist  auch  den  Nicbtbürgerlichen  zugänglich,  nicht  aber 
umgekehrt.  —  An  namenbildenden  Bestandteilen  finden  sich  fast  keine 
neuen,  sondern  die  weibliche  Bezeichnung  ist  nur  die  Abwandlung  der 


'^ 


Nene  Philologische  Rnndsehaa  Nr.  1.  13 


männlichen,  indem  z.  B.  ^ov  ganz  selten,  dagegen  dyoqd,  dQerij,  doxi^, 
iTtTtog,  y^Xiog,  xgcfrog,  jua^ij,  wxij,  atQatdg  sehr  häufig  begegnen.  — 
Im  4.  Jahrhundert  v.  Chr.  sind  die  Vollformen  noch  viel  häufiger  als  die 
Koseformen.  —  Zwar  werden  Damen  der  Halbwelt  nicht  selten  mit  den- 
selben Namen  bezeichnet  wie  ehrbare  Frauen  und  Mädchen,  aber  von  den 
an  Adjektive  angelehnten  früher  nur  die  mit  ^d6g  OfiDigdg,  aifiSg,  q>ilog, 
die  übrigen  entweder  früher  meist  nur  für  Nichtbürgerliche  oder  für 
bürgerliche  häufiger  erst  in  der  Eaiserzeit,  wobei  meist  das  Femininum, 
weniger  oft  das  (von  Adjektiven  auf  -log  ausg^ngene,  ursprünglich  im 
verkleinernden  Sinne  gebrauchte)  Neutrum  steht.  Vor  den  Kaisern  sind 
bei  Freien  nur  ganz  wenige  Ethnika  nachzuweisen,  wogegen  die  als  Sachen 
nicht  individualisierten  Sklaven  solche  mit  Vorliebe  fahren.  Okeaniden  und 
Nereiden  werden  mehr  in  den  unteren  als  in  den  oberen  Schichten  zum 
Vorbild  genommen.  Nach  einer  Hauptgottheit  heifsen  vor  der  Eaiserzeit 
weder  Freie  noch  Unfreie,  daher  mcht^'AQTefiig  zu  lesen  ist,  sondern 
^A^efÄig  als  Fem.  zu  dem  neben  l,4QTef4tdioqog  als  Kurzform  stehenden 
Mask.  'Agtefiidrig.  Heroinen  erlangen  erst  vom  4.  Jahrhundert  v.  Chr. 
ab  eine  gewisse  Bedeutung  und  diese  nicht  in  gutbürgerlichen  Kreisen, 
sondern  vornehmlich  bei  Hetären.  An  Tieren  werden  bei  jenen  nur  zu- 
gelassen 5,  bei  diesen  überdies  noch  18;  Pflanzen  erscheinen  dort  erst  in 
der  Kaiserzeit,  hier  schon  früher;  Hausgeräte  traten  fast  nur  in  den  nie- 
dereren Bevölkerungsschichten  auf;  Abstrakta  finden  sich  bei  Bürgerlichen 
18  (wovon  8  erst  in  der  Kaiserzeit),  bei  Nichtbürgerlichen  aber  45. 

So  scheint  der  Nachweis,  dafs  auch  die  attischen  Frauennamen  be- 
sonders des  4.  vorchristlichen  Jahrhunderts  dem,  der  ihnen  ihre  Geheim- 
nisse abzusehen  vermag,  ein  Spiegelbild  der  Kultur  und  Mode  entgegen- 
halten, sehr  gut  gelungen.  Aufs  höchste  gesteigert  ist  bei  Bechtel  das 
Gefühl  für  das,  was  im  Griechischen  als  Name  möglich  ist  und  was 
nicht.  Eine  ganze  Reihe  feiner  Beobachtungen  und  Bemerkungen,  die 
nebenher  abfallen,  zeigt,  wie  der  Meister  selbst  aus  sprödem  Gestein  Funken 
zu  schlagen  imstande  ist,  mag  auch  bei  der  Fülle  der  Möglichkeiten 
manches  unsicher  bleiben.  Die  Arbeit  ist  ein  schönes  Beispiel  epi- 
graphisch-philologischer Induktion.  —  S.  17  Anm.  2  dürfte  statt  ßiov  zu 
lesen  sein  ßiov. 

Cannstatt.  Meltser. 


14  Neue  Philologische  Bnndschaa  Nr.  1. 

4)  Ednard  Hailer,  Beiträge  zur  Erklärung  des  poetischen 
Plurals  bei  den  römischen  Elegikem.  Programm  des 
Gymnasiums  zu  Freising.    Freising  1902.    20  S.  8^ 

Bekanntlich  verwenden  die  römischen  Dichter  häufig  den  Plural,  wo 
die  Prosaiker  den  Singular  setzen.  Doch  ist  diese  Erscheinung  nicht  auf 
die  poetische  Literatur  der  Bömer  beschränkt,  sondern  findet  sich  auch 
bei  den  Qriechen,  Germanen  und  anderen  Völkern,  und  überdies  hat  sich 
die  lateinische  Prosa  vielfach  dem  Sprachgebrauche  der  Dichter  an- 
geschlossen. Wer  daher  ein  klares  urteil  über  die  in  Frage  kommenden 
Formen  erhalten  will,  mufs  zunächst  die  entsprechenden  Gebilde  des 
griechischen  Schrifttums  untersuchen  und  ihren  Einflufs  auf  die  lateini- 
schen nachweisen,  sodann  aber  die  Ausbildung  und  Entwickelung  des 
poetischen  Plurals  auf  italischem  Boden  gewissenhaft  verfolgen.  Beides 
unterläfst  Hailer,  da  er  sich  mit  der  Behandlung  des  Gatull,  TibuU,  Pro- 
perz,  Ovid  und  einiger  anderer  begnügt. 

Doch  sieht  man  von  diesem  prinzipiellen  Mangel  ab,  so  verdient 
die  Schrift  entschieden  gelobt  zu  werden.  Denn  einmal  verzeichnet  der 
Verf.  die  einzelnen  Stellen,  an  denen  der  betreffende  Plural  vorkommt, 
so  genau,  dafs  man  den  Zusammenhang  richtig  verstehen  kann,  und  sodann 
sucht  er  überall  die  Gründe  zu  ermitteln ,  die  den  Dichter  zur  Wahl  des 
Plurals  veranlafst  haben.  Nach  seiner  Ansicht  geschieht  dies  bald  um 
des  Metrums  willen,  bald  um  die  Gröfse  und  Ausbreitung  des  Gegen- 
standes hervorzuheben,  bald  um  die  Sprache  erhabener  und  feierlicher  zu 
machen  u.  s.  w.  Ferner  scheidet  H.  überall  zwischen  Konkretis  und  Ab- 
straktis  und  gliedert  jene  wieder  in:  a)  Naturerzeugnisse;  b)  Natur- 
erscheinungen; c)  Körperteile;  d)  Gerätschaften;  e,  res  sacrae;  f)  Orts- 
bestimmungen. Endlich  ist  er  darauf  bedacht  festzustellen,  inwiefern  die 
einzelnen  Elegiker  im  Gebrauche  des  poetischen  Plurals  voneinander  ab- 
weichen, und  kommt  unter  anderem  zu  dem  Ergebnis,  dafs  ihn  Gatull  bei 
konkreten  Substantiven  noch  ziemlich  selten  verwendet,  häufiger  TibuU 
und  noch  häufiger  Properz. 

Wohl  wird  man  im  einzelnen  hie  und  da  anderer  Meinung  sein, 
namentlich  betreffs  der  Gründe,  aus  denen  sich  der  Dichter  für  den  Plural 
entschieden  hat,  doch  in  der  Hauptsache  mufs  man  sich  einverstanden 
erklären.  So  kann  die  Schrift  als  wertvolle  Ergänzung  zu  der  lateini- 
schen Syntax  von  Dräger  angesehen  und  auch  neben  der  neuesten,  viel  um- 


-> 


^\ 


Nene  Philologfsche  Rnndsohan  Nr.  1.  15 

fassenderen  Arbeit  von  P.  Maas  Aber  den  poetischen  Plural  bei  den  BGmem 
(Archiv  f.  Lexikographie  XII,  479— 549)  noch  mit  Vorteil  benatzt  werden. 
Eisenberg  (S.-A ).  O.  Welso. 

5)  Theodor  Lindneri  Weltgeschichte  seit  der  Völkerwande- 
rung. In  nenn  Bänden.  I.  Band:  Der  Ursprung  der  by- 
zantinischen, islamischen,  abendländisch-  christ- 
lichen, chinesischen  und  indischen  Kultur.  Stuttgart 
und  Berlin,  Gottasche  Buchhandlung,  Nachf.,  1901.  XX  u. 
479  S.  8.  Ji  5. 50. 

Für  den  Beginn  mit  der  Völkerwanderung,  durch  den  diese  Welt- 
geschichte schon  in  der  Entstehung  als  Bruchstfick  einer  vollständigen 
gekennzeichnet  wird,  nimmt  Lindner  ausdrücklich  dem  unter  der  Direktion 
von  Lavisse  und  Bambaud  erscheinenden  Werk  gegenüber  die  geistige 
Urheberschaft  in  Anspruch.  Zurückzuweisen  ist  seine  Begründung  mit  dem 
„verhängnisvollen  Bifs"  durch  die  Völkerwanderung  (S.  x.  112 f.),  den 
Bänke,  auch  Breysig  und  Schiller  nicht  kennen  und  den  auch  seine  eigene 
Darstellung  S.  105  f.  110  f.  264  ff.  271  ff.  287  ff.  371  f.  nicht  zeigt.  S.  116 
schlie&t  er  seine  Erörterung  über  die  Ergebnisse  der  Völkerwanderung: 
„Christentum,  Bömertum  und  Germanentum  bildeten  die  Mischung.  Von 
diesen  Bestandteilen  war  das  letztere  das  schwächste  und  vielfach  zerteilt.  ^^ 
Das  Christentum  ist  ihm  aber  auch  für  die  Übermittelung  des  Erbes  aus 
dem  Altertum  von  grofser  Bedeutung  (vgl.  z.  B.  S.  67)  ^).  Lindner  liebt 
es  eben  nicht,  sich  in  die  Anfänge  der  Entwickelung  zu  vertiefen;  auch 
wurzelt  seine  Stärke  in  späteren  Zeiten. —  Tatsächlich  setzt  seine  eigent- 
liche Darstellung  mit  dem  Ende  des  5.  Jahrhunderts  (Chlodowech), 
bzw.  der  Zeit  Justinians  ein  und  führt  uns  bis  zum  Verfall  des  karolingi- 
schen  Beiches,  mit  dem  erst  seine  „Geschichte  des  deutschen  Volkes^' 
ausführlicher  wird.  Es  ist  im  wesentlichen  der  Stoff,  den  Bänke  in  den 
Teilen  IV  (2.  Abteil.),  V  u.  VI  (1.  Abteil,  u.  2  z.  T.)  seiner  Welt- 
geschichte bearbeitet  hat.  Die  Abschnitte,  in  denen  Lindner  hier  auTser- 
dem  China  und  Indien  berücksichtigt,  können  auch  dem,  der  die  ganze 
Entwickelung  der  Kulturvölker  im  Auge  hat,  nicht  als  organisch  mit 
jenen  Stoffen  des  Zeitraumes  zusammenhängend  erscheinen. 

Diese  behandelt  Verf.  auf  engerem  Baume  als  Bänke,  indem  es  ihm 

1)  Vgl.  aach  8.  122  ff.  u.  252  ttber  das  Weiterbestehen  der  alten  Kultur  im  by- 
zantinischen  Beiche. 


16  Nene  Philologische  Bimdschaa  Nr.  1. 

weniger  auf  die  einzelnen  Begebenheiten,  als  anf  den  geschichtlichen  Ver- 
lauf in  seinen  Hauptzügen  ankommt  Wer  aber  Lindner,  dessen  Welt- 
geschichte in  erster  Linie  als  „Entwickelungsgeschichte^*  gedacht  ist,  auf- 
merksam folgt,  wird  gern  zugeben,  dafs  er  „die  wichtigen  Momente  und 
die  mafsgebenden  Kräfte  der  Entwickelung'^  klar  heraushebt  ^)  und,  indem 
er  den  inneren  Zusammenhang  des  Persönlichen  mit  dem  Allgemeinen  im 
Auge  behält,  ohne  einem  Kollektivismus  ergeben  zu  sein,  doch  auch  die 
„Massels  welche  die  Ideen  vorbereitet,  zu  ihrem  Bechte  kommen  läfst. 
Anzuerkennen  ist  nicht  minder,  dafs  er  die  Zustände  des  Verfassungs-, 
des  wirtschaftlichen  und  des  geistigen  Lebens  in  besonderem  Grade  be- 
rücksichtigt, wie  vor  anderen  die  Abschnitte  über  die  inneren  Zustände 
des  byzantinischen,  des  Khalifen-  und  des  fränkisch-merowingischen  Reiches 
zeigen.  Recht  gut  finde  ich  auch  die  Partieen  vom  karolingischen  Reiche 
und  von  Britannien  und  den  Normannen.  —  Auch  die  Einleitung,  die 
in  frühere  Zeiten  zurückgreift,  bietet  eine  recht  ansprechende  Zusammen- 
fassung besonders  über  die  inneren  Verhältnisse  und  das  geistige  Leben 
im  römischen  Reiche,  über  die  älteren  Zustände  bei  den  Germanen  aber 
zu  wenig.  Zu  beanstanden  ist  dort  auch  die  etwas  einseitige  Auffassung, 
dafs  West-Rom  hauptsächlich  nur  durch  seine  elende  Regierung  erlag. 

Erscheint  der  vorliegende  Band  im  ganzen  fast  mehr  wie  eine  Ein- 
leitung zu  einer  eingehenderen  Behandlung  der  späteren  Zeiten  —  in 
dem  vierten  Bande  soll  der  Übergang  in  die  neuere  Zeit  erfolgen  — ,  so 
zeichnet  er  sich  doch  nicht  nur  durch  die  philosophische  Durcharbeitung 
des  Stoffes,  die  wiederholt  auf  des  Verf.  „Geschichtsphilosophie"  hin- 
deutet, sondern  auch  durch  schöne  Darstellung  aus.  Begründungen  fügt 
Lindner  dieser  nicht  hinzu;  die  Literaturangaben  sind,  wie  die  Inhalts- 
übersicht und  das  Personen-  und  Ortsverzeichnis,  sehr  sorgfältig  zu- 
sammengestellt. 

Hadersleben.  Aem.  Plntsohovliis. 

6)    H.    Enanthy     Lateinisches    Übnngsbnch    für    Sekunda 

im    Anschlufs    an    die    Lektüre.    L  Abteilung:    Für   Unter,- 

Sekunda.    Berlin,  Weidmannsche  Buchhandlung,   1902.    VIII 

U.  94  S.  8.  geb  Ji  1.20. 

Das  vorliegende  hübsch  ausgestattete  Bändchen,  das  die  Fortsetzung 

der  bewährten  lateinischen  Übungsbücher  von  Busch-Fries  bildet,  enthält 

1)  Auf  den  grofsen  Einflofs  der  byzantinischen  Kultur  auf  das  slavische  Ost-Europa 
konnte  etwas  deutlicher  hingewiesen  werden. 


•^ 


Nene  Philologiiobe  BvndsebM  Nr.  1.  17 


60  Übungsstücke,  die  teils  an  Livius  Bach  I  u.  II,  teils  an  Gioeros  Beden 
aber  den  Oberbefehl  und  gegen  Eatilina  angeschlossen  sind.  HinzngefBgt 
ist  eine  nach  sachlichen  Gesichtspunkten  geordnete  Phrasensammlung  und 
ein  sehr  reichhaltiges  Wörterverzeichnis,  das  selbst  den  Bedfirfnissen  der 
schwächsten  Schüler  Rechnung  trägt. 

Die  Stücke  sind  mit  grofsem  Geschick  gearbeitet:  sie  bieten  reich- 
lich Gelegenheit  zur  Einübung  der  wichtigsten  grammatischen  und  sti- 
listischen Regeln,  sind  sorgfiltig  im  deutschen  Ausdruck  und  ergeben  nach 
der  Übertragung  ein  mustergültiges  Latein.  Lobenswert  ist  das  Bestreben, 
die  Übungen  inhaltlich  so  zu  gestalten,  dafs  durch  sie  das  Ver- 
ständnis der  behandelten  Autoren  vertieft  wird.  In  allen  diesen  Bb- 
ziehnngen  ist  die  Arbeit  ein  würdiges  Seitenstfick  zu  den  Büchern  von 
Busch-Fries. 

Nur  in  einem  Punkte  weicht  das  Verfahren  des  Verf.  wesentlich  von 
dem  seiner  Vorgänger  ab.  Während  diese  in  der  Anwendung  von  Fufs- 
noten  mit  Recht  sehr  sparsam  sind,  legt  sich  Enauth  diese  Zurückhaltung 
nicht  auf.  Er  betont  zwar  in  dem  Vorworte  sehr  richtig  die  Notwendig- 
keit, „den  jugendlichen  Geist  zur  Selbständigkeit  zu  führen ^S  aber  trotz- 
dem hindert  er  selbst  durch  „fortwährendes  Eingreifen  und  Helfen*^  den 
Schüler  an  jeder  freien  Bewegung. 

Dabei  traut  er  vieles  dem  Untersekundaner  nicht  zu,  was  Busch 
in  seinem  Buche  ohhe  weiteres  bei  dem  Obertertianer  als  bekannt  voraus- 
setzt. (Vgl.  die  Anmerkungen  7,  8;  20,  1;  22,  16;  24,  12;  24,  23; 
27,  2;  28,  1;  29,  16;  32,  7;  33,  9;  40,  8  u.  s.  w.)  So  wird  der  Schüler 
nicht  selten  der  Möglichkeit  beraubt,  das  Wissen,  das  er  in  der  vorigen 
Klasse  erworben,  zu  betätigen,  ja  es  mufs  in  ihm  die  Vorstellung  erweckt 
werden,  dafs  früher  von  ihm  zu  viel  verlangt  worden  ist.  Hielt  En.  an 
solchen  Stellen  überhaupt  einen  Fingerzeig  für  angebracht,  so  war  es 
jedenfalls  richtiger,  den  Paragraphen  der  Grammatik  anzuführen  und  den 
Schüler  so  zu  nötigen,  sich  die  Regel  im  Zusammenhange  anzusehen. 

Auch  sonst  würde  ich  eine  Verringeiiing  der  Fufsnoten  für  wünschens- 
wert halten.  Manches  Lexikalische,  das  jetzt  in  den  Anmerkungen  steht, 
könnte  dem  Wörterverzeichnis  zugewiesen  werden,  wieder  anderes  würde 
besser  in  einem  grammatisch-stilistischen  Anhange  zusammengestellt,  wie 
solcher  von  Busch  gegeben  ist.  Damit  würden  lästige  Wiederholungen 
erspart  (z.  B.  14,  3;  14,  11;  16,  3;  42,  24;  69,  9.  —  27,  10;  28,  7; 
30,  8.  —  9,  1;  12,  2;  19,  5.  —  15,  17;  35,  17;  37,  1).     Ganz  über- 


18  Neae  Philologische  Rundschau  Nr.  1. 

flflssig  sind  die  AnmerkuDgen  48,  13  and  52,  15,  da  die  hier  angegebenen 
stilistischen  Regeln  in  den  Vorübungen  2  und  3  behandelt  sind. 

Kann  sich  aber  der  Verf.  zu  einer  erheblichen  Einschränkung  der  Fufs- 
noten  nicht  entschliefsen,  so  möchte  ich  raten,  wenigstens  die  Anmerkungen 
nicht  unter  die  Teztseiten  zu  setzen,  sondern  sie  am  Schlüsse  des  Ganzen 
zu  bringen.  Denn  bei  der  jetzigen  Einrichtung  ist  das  sonst  so  treffliche 
Buch  besonders  zu  häuslichen  Präparationen,  die  im  Vorworte  mit  Recht 
empfohlen  werden,  wenig  brauchbar.  Kann  es  doch  kaum  kontrolliert 
werden,  ob  der  Schüler  das  in  den  Fufsnoten  Angegebene  wirklich  gelernt 
hat  oder  es  nur  aus  seinem  Buche  während  des  Übersetzens  abliest. 

Abgesehen  von  diesem  methodischen  Bedenken  bleibt  nur  wenig  zu 
erinnern.  Im  Wörterverzeichnis  stehen  versehentlich  auf  S.  87  die  Phrasen 
„zum  Spotte"  und  „Staatsrat"  zweimal,  auch  in  24,  22;  28,  16;  34,  13 
sind  Druckfehler  zu  berichtigen.  Inhaltlich  bedürfen  einige  Stellen  einer 
etwas  anderen  Fassung.  Zu  St.  8 :  Die  Stimme  des  Silvanus  ertönt  nicht 
während  des  Kampfes,  sondern  in  der  Stille  der  Nacht,  also  als  der 
Kampf  schon  vorbei  ist.  Zu  St.  10:  Scävola  fürchtete  nicht  bei  der 
Rückkehr  nach  Rom  für  einen  Überläufer  gehalten  zu  werden,  sondern 
beim  Verlassen  Roms.  Zu  St.  12 :  Koriolan  erhebt  nicht  Einspruch  da- 
gegen, dafs  das  Volk  einen  Anteil  an  dem  Getreide  empfängt,  sondern 
dagegen,  dafs  es  zu  dem  gewöhnlichen  billigen  Preise  verkauft  wird.  Auch 
entspricht  es  nicht  der  Darstellung  des  Livius,  wenn  behauptet  wird,  die 
Patrizier  hätten  Koriolan  keinen  genügenden  Beistand  geleistet.  Zu 
St.  13:  Die  Bürger  waren  nicht  durch  die  gemeinsame  Gefahr  geeinigt, 
auch  halten  nicht  die  Bürger  Rat,  sondern  die  Plebs  zwingt  den  Senat, 
Gesandte  an  Koriolan  zu  senden. 

Diese  kleinen  Schönheitsfehler,  die  naturgemäfs  jedem  neuen  Buche 
anhaften,  können  leicht  in  einer  neuen  Auflage  beseitigt  werden,  und  so 
sind  die  zahlreichen  Anstalten,  in  denen  die  Bücher  von  Busch-Fries  ein- 
geführt sind,  dem  Verf.  für  seine  Gabe  zu  grofsem  Danke  verpflichtet. 
Hoffentlich  findet  Kn.  bald  Zeit,  auch  für  Obersekunda  und  Prima  ebenso 
wertvolle  Lehrmittel  zu  schaffisn. 

Potsdam.  E«  Krause. 


/ 


^ 


Nene  Philologische  Rundschau  Nr.  1.  19 

7)  mkolans  Welter,  Theodor  Aubanel,  ein  provenzalischer 
Sänger  der  Schönheit.  Mit  Aubaoels  Bildnis.  Marburg,  N.  Q. 
Elwertsche  Verlagsbuchhandlnng,  1902.    223  S.  8. 

Ji  3.-;  geb.  Ji  4.-. 

Die  neuprovenzalische  Dichtung  ist  in  Deutschland  noch  immer  ver- 
hältnismäfsig  sehr  wenig  bekannt.  Sieht  man  von  den  Fachgelehrten  ab, 
so  wird  man  nicht  viele  Deutsche  finden,  die  aufser  Mistral  noch  einen 
anderen  neuprovenzalischen  Dichter  kennen.  Und  doch  gibt  es  unter  den 
„Felibem*'  eine  ganze  Beihe,  die  es  wohl  verdienten,  auch  von  weiteren 
Kreisen  gewürdigt  zu  werden.  Schon  deshalb  ist  jeder  Versuch,  uns  einen 
von  ihnen  näherzubringen,  willkommen  zu  heifsen  —  doppelt  willkom- 
men, wenn  er  einen  so  hervorragenden  Dichter  betrifft,  wie  Theodor 
Aubanel,  den  Sänger  der  Schönheit,  der  Liebe  und  seiner  provenzaiischen 
Heimat,  und  von  einem  so  gediegenen  Kenner  dieser  ganzen  Literatur 
herrührt,  wie  Nikolaus  Welter,  dessen  „MistraP^  hüben  und  drüben  die 
lebhafteste  Anerkennung  gefunden  hat. 

Das  vorliegende  Werk  zerfällt  in  zwei  Teile.  Der  erste  enthält  ein 
anziehendes  Lebensbild,  wobei  Welter  nicht  nur  die  vorhandenen  Quellen, 
besonders  das  Buch  von  Aubanels  Freunde  Legr^,  benutzt,  sondern  auch 
andere  noch  lebende  Freunde  und  Verwandte  des  Dichters  zu  Bäte  ge- 
zogen und  von  ihnen  manche  wertvolle  Mitteilung  erhalten  hat,  ja  auch 
einige  interessante  Briefe,  die  hier  zum  ersten  Male  veröffentlicht  werden. 
Auch  in  der  Schilderung  der  Ortlichkeiten  und  der  Verhältnisse,  in  denen 
Aubanel  aufgewachsen  ist,  sowie  der  Personen,  zu  denen  er  in  irgend- 
welchen Beziehungen  gestanden  hat,  ist  Welter  der  geschickte  Biograph 
und  kenntnisreiche  Literarhistoriker,  den  wir  schon  aus  seinem  „  Mistral  ^^ 
kennen.  Der  zweite,  weit  umfangreichere  Teil  des  Buches  enthält  ein- 
dringende, feinsinnige  Analysen  der  Werke  Aubanels,  belebt  und  er- 
läutert darch  zahlreiche,  gröfstenteils  eigene  Übertragungen  der  letzteren. 
Bei  der  Auswahl  dieser  Proben  bleiben  hie  und  da  noch  einige  Wünsche 
unerfüllt,  und  die  löbliche  Absicht,  möglichst  wortgetreu  der  Vorlage  zu 
folgen,  führt  zuweilen  zu  harten,  unschönen  Wendungen;  im  allgemeinen 
aber  sind  diese  Übersetzungen  sehr  gewandt,  formvollendet  und  wohl- 
klingend, und  nicht  wenige  von  ihnen  muten  uns  wie  Originaldichtungen 
an.  Die  Anordnung  des  Werkes  erscheint  mir  insofern  nicht  glücklich, 
als  der  Verf.  bei  den  Betrachtungen  der  Dichtungen  immer  wieder  auf 
die  im   ersten   Teile  erörterten  Lebensverhältnisse  Aubanels  und  seine 


Nene  Philologische  Bundsohau  Nr.  1. 


BeziehuDgen  zu  geliebten  Frauen  und  Freunden  hinweisen  mufs,  was  zu 
mehrfachen  Wiederholungen  Veranlassung  gibt  und  einer  künstlerischen 
Abrundung  des  Ganzen  im  Wege  steht.  Trotzdem  ist  das  Eduard  Eosch- 
witz  gewidmete  Buch  von  nicht  geringem  Werte  und  sollte  von  jedem 
Freunde  französischer  Literatur  gelesen  werden. 

Hannover.  Max  Bwert. 

8)  O.  Schmedingy  Matiöre  Orammaticale  pour  servir  k  Ten- 
seignement  des  classes  sup^rieures.  Dresde  et  Leipsic,  G.  A.  Kochs 
Verlagsbuchhandlung  (H.  Ehlers),  1902.  48  S.  8.  JH  1.20. 
Dafs  das  vorliegende  Büchlein  seine  Eigenart  hat,  glaubt  Verf.  in 
einem  Begleitwort  besonders  betonen  zu  müssen:  es  ist  die,  dafs  die  Re- 
geln der  Grammatik,  auf  ein  Minimum  reduziert,  aus  dem  Druck  und  der 
Orthographie  sich  anschaulich  ablesen  lassen.  „  Es  ist  deshalb '',  heifst  es 
in  dem  Begleitwort,  „erstens  die  Zusammengehörigkeit  engverbundener 
Wörter  hervorgehoben  und  der  Satzakzent  besonders  bezeichnet;  es  ist 
zweitens  zum  Verständnis  des  Satzbaues  die  Verschiedenheit  der  Inter- 
punktion durch  Fettdruck  zur  Anschauung  gebracht;  es  ist  endlich  drit- 
tens, damit  die  blofse  Anschaulichkeit  nicht  zur  Oberflächlichkeit  ver- 
leite, die  Wortkunde  in  mehr  wie  bisher  üblicher  Weise  vermittelt  durch 
wörtliche  Wiedergabe  der  ursprünglichen  Bedeutung,  und  zwar  so,  dafs  sie 
auch  dem  Nichtlateiner  verständlich  wird.*'  Mit  diesen  Grundsätzen  kann 
man  sich  schon  einverstanden  erklären,  nur  scheint  mir  in  dem  Büchlein 
bei  ihrer  Durchführung  doch  des  Guten  ein  wenig  zu  viel  getan  zu  sein. 
Für  ein  Lehrbuch  —  und  das  soll  das  Werkchen  nach  dem  Titel  doch 
sein  —  ist  die  Beschränkung  auf  eine  Sammlung  von  Musterbeispielen, 
und  mögen  sie  noch  so  anschaulich  gedruckt  sein,  meines  Erachtens  nicht 
angebracht,  eher  könnte  man  dergleichen  für  eine  nur  zur  Repetition 
dienende  Übersicht  gelten  lassen.  Verf.  hat  sich  ja  denn  auch  veranlafst 
gesehen,  einer  erheblichen  Anzahl  von  Beispielen  erläuternde  Anmerkungen 
hinzuzufügen.  Mit  deren  Art,  die  eine  Erklärung  der  grammatischen 
Erscheinungen  aus  dem  Satzakzent  zur  Regel  macht,  und  der  ich  ein  gewisißes 
Hinausgehen  über  die  in  Schulbüchern  übliche  Erläuterung  nach  der 
sprachphilosophischen  Seite  hin  nicht  absprechen  will,  kann  ich  mich  aber 
nicht  einverstanden  erklären:  wenn  man  etwas  gewagte  Behauptungen 
noch  so  oft  mit  einem  „  on  comprend ''  einleitet  oder  mit  einem  „  naturellement " 
versieht,  so'  werden  sie  dadurch  noch  nicht  einleuchtender.    Ich  möchte 


/^ 


Nene  Philologische  Bnndsehan  Nr.  1.  21 


die  Erläuterungen  durchweg  als  sehr  eigenartig,  oder  mit  dem  Mode- 
wort als  sehr  subjektiv  bezeichnen,  aber  zur  guten  Hälfte  auch  für  sehr 
anfechtbar.  Beispiele  fQr  diese  meine  Behauptung  zu  geben,  verbietet  der 
Baum.  Was  die  Heranziehung  der  Wortkunde  betrifft,  so  scheinen  mir 
doch,  um  nur  je  ein  lateinisches  und  deutsches  Beispiel  zu  nennen,  Wen- 
dungen wie  quas  habeo  vedutas  auch  für  Nichtlateiner  (erst  recht  aber  für 
Lateiner)  und  frankreichherwärts  in  einem  Schulbuche  sehr  bedenklich.  — 
Was  der  Verf.  am  Schlufs  seines  Begleitwortes  über  die  vermittelnde 
Methode  sagt,  dals  sie  nämlich  „in  Wirklichkeit  viel  mehr  Anhänger  zählt, 
wenigstens  in  sehr  viel  ausgedehnterem  Mafse  geübt  wird,  als  die  Badi- 
kalen  glauben 'S  ist  mir  angenehm  zu  hören;  ihm  wie  mir  scheint  diese 
Methode  die  Zukunft  für  sich  zu  haben.  Dafs  er  die  „Simplification^^  an 
den  einschlägigen  Stellen  nur  erwähnt,  die  von  ihr  „  tolerierten '^  Verstöfse 
nicht  zu  Regeln  erhebt,  ist  durchaus  richtig.  —  Eine  erhebliche  Anzahl 
Druckfehler  ist  mir  aufgefallen,  die  ich  nicht  einzeln  aufzählen  will.  Die 
fast  durchweg  beliebte  Schreibung  von  parceque  (auch  tandisque  afinque 
u.  a.)  in  einem  Worte  ist  doch  wohl  nicht  Absicht? 

Erfurt.  Mas  KHIger. 

9)  David  Asher,  Die  Fehler  der  Deutsehen  beim  münd- 
lichen Gebrauch  der  englischen  Sprache.  8.  Auflage. 
Herausgegeben  von  Ph.  Hangen.  Dresden,  Ehlermann,  1902. 
75  S.  8.  Ji  1.  -. 

Asher's  Werkchen  erschien  1864  in  erster  Auflage.  Bald  wurde  sein 
Wert  als  „Ergänzung  jeder  englischen  Grammatik,  als  praktisches  Hilfs- 
mittel zur  Wiederholung,  zur  Vorbereitung  fürs  Examen,  zum  Privat-  und 
Selbstunterricht^^  erkannt,  und  nach  und  nach  ist  die  achte  Auf  läge  nötig 
geworden. 

In  etwa  1000  Beispielen,  die  in  72  Gruppen  eingeteilt  sind,  wird 
„ziemlich  die  Gesamtmasse  der  englischen  Spracherscheinungen ^*  berück- 
sichtigt. Die  Übungssätze  —  also  keine  zusammenhängende  Stücke  — 
sollen  die  gebildete  Umgangssprache  bieten.  Asher  zeigt  sich  bei  der 
Zusammenstellung  des  gegebenen  Stoffes  als  praktischer  Schulmann,  der 
sein  Büchelchen  während  des  Unterrichtes  allmählich  entstehen  liefs.  Die 
Übungssätze  sind  in  gutem,  an  einzelnen  Stellen  allerdings  unnötigerweise 
ans  Englische  anklingendem  Deutsch  gegeben  und  beziehen  sich  in  weiser 
Einschränkung  in  erster  Linie  nur  auf  die  Erscheinungen  aus  der  Gram- 


22  Neue  Philologische  Bundsohau  Nr.  1. 

matik,   der  Synonymik  and  dem  Sprachgebranch,  gegen   die  erfahmngs- 
gemäCs  allgemein  von  Englisch  lernenden  Deutschen  stets  wieder  gefehlt  wird. 

Das  Bächelchen  erfüllt  aber  far  sich  allein  nicht  den  Zweck ,  zu  dem 
es  zusammengestellt  ist.  Die  Absicht,  ein  Wiederholungshilfsmittel  zu 
schaffen,  wird  erst  dadurch  erreicht,  dafs  die  gegebenen  Übungssätze  in 
einem  zweiten  Bändchen :  Exercises  on  the  Habitual  Mistakes  of  Germans 
in  English  Conversation ,  in  guter,  idiomatisch  richtiger  englischer  Über- 
setzung gegeben  werden,  jedoch  so,  dafs  darin  für  einzelne  Worte  oder 
Bedewendungen,  auf  die  es  gerade  ankommt,  durch  Striche  angedeutete 
Lficken  gelassen  sind.  Der  Wiederholende  wird  dadurch  zum  Nachdenken 
gezvningen.  Hat  er  dann  die  Lücken  ausgefüllt,  so  wird  ihm  sein  Lehrer 
sagen  müssen,  ob  er  die  Begel  richtig  zur  Anwendung  gebracht  hat. 
Wiederholt  er  aber  ohne  Lehrer,  so  kann  er  sich  in  einem  dritten  Bänd- 
chen: Key  to  the  Exercises  etc.  Gewifsheit  darüber  verschaffen,  ob  die 
Schwierigkeit  von  ihm  glücklieh  überwunden  ist  oder  nicht.  Diese  drei 
Bändchen  gehören  demnach  für  den  von  ernstem  Streben  erfüllten  Benutzer 
naturgemäfs  zusammen. 

Nachdem  Asher  schon  13  Jahre  lang  diese  „Fehler  der  Deutschen  u.s.  w.*^ 
beim  unterrichte  benutzt  hatte,  entschlofs  er  sich  endlich  auf  wiederholte 
Aufforderung  hin  in  einem  vierten  Bändchen,  das  zur  Benutzung  seines 
Büchelchens  anleiten  soll,  „die  wichtigsten  Begeln  der  englischen  Syntax'^ 
knapp  und  bestimmt  zu  geben. 

Münster  i.  W.  H.  Hoffsohiilte. 

10)  B.  Krön,  A  Vocabulary  with  Explanations  in  Simple 
English  of  Words  in  the  Text  of  The  Little  Londoner  and  English 
Daily  Life.    Karlsruhe  (Baden),  J.  Bielefeld,   1902.     77  S.  8. 

geb.  M  1.—. 
In  dem  Werkchen  liegt  ein  kleines  Wörterbuch  in  englischer  Sprache 
vor.  In  demselben  werden  auf  zirka  70  Seiten  alle  die  Wörter  des  Little 
Londoner  und  des  English  Daily  Life  erklärt,  von  denen  anzunehmen  ist, 
dafs  sie  Schülern,  welche  2—3  Jahre  Englisch  getrieben  haben,  nicht 
bekannt  sind.  Die  Erklärungen  sind  kurz  gefafst  und  bieten  meistens  ein 
schlichtes,  leicht  verständliches  Englisch.  Inhaltlich  sind  sie  mit  einigen 
Ausnahmen  geeignet,  dem  Schüler  den  richtigen  Begriff  von  dem  be- 
treffenden Worte  zu  geben.  Zweifelhaft  scheint  mir,  ob  Erklärungen  wie 
die  folgenden  diesen  Zweck  erfüllen  werden: 


^^ 


w 


\ 


Nene  Philologische  Randschan  Nr.  1. 


„poppy  [Latin  papaver  rhoBas]  flower  growing  in  cornfields,  etc." 
„onion  [Latin  alliam  cepa]  plant  spreading  a  strong  odour,  and  osed 
in  cookery." 

Die  Aussprache  ist  in  den  meisten  Fällen,  wo  der  Schüler  fiber  die- 
selbe in  Zweifel  sein  könnte,  nur  durch  Angabe  der  Länge  resp.  EQrze 
der  Silben  sowie  des  Akzentes  bezeichnet.  Häufig  ist  ein  entsprechendes 
Keimwort  zu  Hilfe  genommen.  Bei  mow  heifst  es  z.  B.:  „rhymes  witb 
so",  bei  rye:  „rhymes  with  my". 

Bei  gaol  wäre  die  Bezeichnung  der  Aussprache  wohl  am  Platze  ge- 
wesen. Dafs  die  Silbe  re  in  Wörtern  wie  restore,  return,  respect  etc. 
and  u  in  Scripture  als  lang,  o  in  harrow  als  kurz  bezeichnet  sind,  dürfte 
nicht  allgemein  gebilligt  werden. 

Der  Gebrauch  des  Buches  wird  den  Unterricht  nach  dem  Little  Lon- 
doner oder  dem  English  Daily  Life  bedeutend  erleichtern  und  dessen  Er- 
folge sichern. 

H.  B. 

11)  S.  Gräfenberg    und  Antonio    Faz  y  Möliai    Brieflicher 
Sprach-  und  Sprechnnterricht  für  das  Selbststudium 
der  Spanischen  Sprache.    2  Kurse  zu  je  18  Briefen.    Berlin, 
Langenscbeidtsche  Verlagsbuchhandlung,  1902. 
Die  rühmlichst  bekannte  Langenscbeidtsche  Verlagsbuchhandlung  hat 
sich  endlich  auch  entschlossen,  zu  den  bereits  existierenden  französischen 
and  englischen  Unterrichtsbriefen  ein  spanisches  Unterrichtswerk  hinzu- 
zufügen, wovon  der  erste  Brief  jetzt  vorliegt.    Man  wird  wohl  nicht  irre 
gehen,  wenn  man  behauptet,  dafs  damit  vielen  Lerneifrigen  ein  wesent- 
licher Dient  geleistet  ist,   denn  ganz  auf  derselben  bewährten  Grundlage 
wie  die  schon  erschienenen  Werke  sind  die  neuen  von  Dr.  S.  Gräfenberg 
verfafsten  Unterrichtsbriefe   angelegt,    die   sich   ihren  Vorgängern  damit 
würdig  anschliefsen. 

Der  erste  Brief  enthält  aufser  Vorwort  und  allgemeinem  Arbeitsplan 
eine  sehr  gediegene  Darstellung  der  spanischen  Aussprache,  und  von  der 
zweiten  Lektion  an  wird  der  Lernende  im  Anschlufs  an  eine  Novelle  von 
P.  Vald^s  mit  den  Haupterscheinungen  der  spanischen  Sprache  allmählich 
bekannt  gemacht.  Über  die  Art  der  Durchführung  dieses  gewifs  recht 
gangbaren  Weges  läfst  sich  ein  abschliefsendes  Urteil  natürlich  erst  fällen, 
wenn  das  ganze  Werk  fertig  vorliegt.     Von  selten  des  Verf.  ist  durch 


24  Nene  PhilologiBche  Bandscliau  Nr.  1. 

s^hr  ausführliche  Darstellung  alles  getan  worden,  um  auch  bei  dem 
sprachlich  nicht  Vorgebildeten  ein  volles  Verständnis  zu  erzielen.  Auch 
die  mündliche  Beherrschung  der  Sprache  ist  nicht  aufser  acht  gelassen, 
indem  an  das  durchgearbeitete  Stück  eine  Konversation  angeschlossen  ist, 
und  indem  ferner  in  besonderen  Gesprächen  der  Lernende  noch  mit  den 
wichtigsten  Bedensarten  des  gewöhnlichen  Lebens  bekannt  gemacht  wird. 
Hoffentlich  lassen  die  übrigen  Briefe  nicht  zu  lange  auf  sich  warten! 
Bremen.  W.  Bftlirs. 

Verlag  Ton  Friedrich  Andreas  Perthes  In  ftotha, 

Cornelii  Tacifi 

Hi^toiriaumiu.    libiri    qui    supeir^uiiit. 

Für  den  Schulgebrauch  erklärt  von 
Prof.  Dr.  K.  Knaut, 

Direktor  des  König- WilhelmB-QyiimaBinmB  zu  Magdeburg. 

I.  Bändchen:  Buch  I* 

Preis:  J6  1.30. 


M;.  TuUi  Ciceronis 
pro 


Für  den  Sehulgebraueh 

erklärt 
von 

Prof.  Dr.  L,  Reinhardt, 

Direktor  des  Königl.  Gymnasiums  zu  Wohlau. 
Preis:  J6  1. 


Für  den  Sehulgebraueh 

erklärt 
von 

Dr.  Karl  Linde, 

Oberlehrer  am  Herzogl.  Gymnasium  zu  Helmstedt. 
Preis:  Ji  1.20. 


Methodisclier  Lehrer -Kommentar  zn  Ovids  Metamorphosen. 

Bearbeitet  von  Dr.  Adolf  Lange. 

1.  Heft:  Buch  I-V.    Preis:  J6  4. 

Zu  beziehen  durch  alle  Buchhandlungen,    '^^f 


Für  die  Bedaktion  verantwortlicli  Dr.  E.  Ludwig  in  Bremen. 
Druck  ond  Verlag  Yon  Fritdrlob  Andreas  Perthes  in  Sotlia. 


'-^ 


1. 
!:f    fe     1908 


Gotha,  24.  Januar.  Nr.  2,  Jalugang  1903. 

Neue 

PhilologischeRundschau 

HezaosgegebeD  Ton 

Dr.  0.  Wagener  und  Dr.  E.  Ludwig 

in  Bremen. 


Erscheint  alle  14  Tage.  ^  Preis  fflr  den  Jahrgang  8  Mark. 

fiesteUnngen  nehmen  alle  Bnchhandlnngen,  sowie  die  Fostanstalten  des  In-  und  Aoslandes  an, 

Insertionsgehflhr  Ar  die  einmal  gespaltene  Petitxeile  30  Pfg. 

Inhalt:  Bezensionen:  12)  A.  Fick,  Bas  alte  Lied  Tom  Zorne  Achills  (0.  Dingel- 
dein)  p.  25.  —  13)  H  Stein,  Herodot,  Buch  II  (J.  Sitzler)  p.  26.  —  U)  E.  Wust, 
Beitrage  zur  Textkritik  und  Exegese  der  Platonischen  Politeia  (K.  Linde)  p.  28.  — 
15)  A.  Thiel,  luvenalis  graecissans  (G.  Eskuche)  p.  29.  —  16)  Fred.  Hellems, 
Lex  de  imperio  Vespasiani  (A.  Chambah)  p.  30.  —  17)  H.  Win  ekler.  Alt- 
orientalische Forschungen  (R.  Hansen)  p.  32.  —  18)  B.  Methner,  Untersuchungen 
zur  lateinischen  Tempus-  und  Moduslehre  (A.  Dittmar)  p.  33.  —  19)  Fr.  Holz- 
weifsig,  Übungshuch  für  den  Unterricht  im  Lateinischen.  Kursus  der  Unter- 
sekunda (E.  Krause)  p.  40.  —  20)  Jules  Verne,  Les  Frires  Kip  (Buhle)  p.  42.  — 
21)  K.  Engelke,  Mademoiselle  de  la  Seigliäre,  comedie  par  Jules  Sandeau 
(K.  Beckmann)  p.  42.  —  22)  0.  Schulze,  Expedition  de  Bonaparte  en  Egypte  et 
en  Syrie  par  Ad.  Thiers  (K.  Beckmann)  p.  43.  —  23)  J.  Cserwinka,  Shakes- 
peare und  die  Bühne  (Gerh.  Hellmers)  p.  44.  —  24)  K.  Engelke,  Le  petit  Yo- 
cabulaire  (W.  Bohrs)  p.  46.  —  Vakanzen.  —  Anzeigen. 


12)  August  Ficky  Das  alte  Lied  vom  Zorne  Achills  (Urmenis) 
aus  der  Ilias  ausgeschieden  und  metrisch  übersetzt.    Göttingen, 
Vandenhoeck  &  Euprecht,  1902.    VIII  u.  130  S.  8.     JK  3.-. 
Die  schwierige  Frage  nach   dem  ui*sprünglichen  Kern  der  Ilias  wird 
von  dem  Verf.  ebenso  leicht  wie  verbiQflfend  gelöst.    Fick  erkennt  bei 
seinen  Vorgängern  in  der  Homerkritik  an,  dafs  „in  ihren  Bemühungen 
ein  gutes  Stück  redlicher  deutscher  Arbeit  steckt,  aber  es  fehlte  ihnen 
ein  festes  durchschlagendes  Prinzip '^    Dieses  Prinzip  hat  F.  in  der  Zahl 
gefunden;  er  hat  nämlich  entdeckt,  dafs  die  „ürmenis''  nach  einem  be- 
stimmten Zahlenschema  aufgebaut  war,  das  auf  elfzeiligen  Strophen  und 
deren  regelmäfsiger  Vermehrung  beruht  (S.  85).    Eine  Kapitelüberschrift 
sieht  bei  ihm  so  aus: 

Viertes  Buch:  Achilleas  Kache. 

47  X  11  Verse. 

Siebenter  Gesang:  Achilleus  Rache  an  den  Troern. 


Neue  Philologische  Bnndschaa  Kr.  2. 


25  X  11  Verse. 
1.  AusfBhrang. 
3  X  11  Verse. 
Besonderes  Lob  erntet  der  „prächtige  Aufbau^'  des  ersten  Gesanges,  dem 
zu  Liebe  der  Umfang  aller  übrigen  Gesänge  eine  Abänderung  vom  regel- 
mäfsigen  Schema  (2XllXll  =  242  Verse)  erfahren  mufste.    Seine 
Glieder  stellen  nämlich  „  eine  durchgeführte  Pjramide ''  dar,  insofern  er  aus 
(9  +  7  +  5  +  3  +  1) .  11  =  275  Versen   besteht.     P.  vergleicht 
damit  den  pyramidalen  Aufbau   des  Sockels  zum  goldenen  Löwen,  den 
Krösus  zu  Delphi  stiftete.    Und  solche  Ednsteleien  traut  man  im  Ernste 
dem  naivsten  aller  Dichter  zu!    F.  hat  seiner  Schrift  ein  stolzes  Motto 
in  Goethes  Worten  vorgesetzt:   „Warum  sucht'  ich  den  Weg  so  sehn- 
suchtsvoll, wenn  ich  ihn  nicht  den  Brüdern  zeigen  soU?'^    Ich  fürchte 
oder  vielmehr  ich  hoffe,  dafs  F.  auf  diesem  Wege  wenig  Nachtreter 
finden  wird. 

Den  gröfsten  Teil  des  Buches  nimmt  eine  metrische  Übertragung 
der  „ürmenis^^  ein,  doch  ist  es  dem  Verf.  ebensowenig  wie  irgend  einem 
seiner  Vorgänger  gelungen,  eine  Übersetzung  Homers  in  deutschen  Hexa- 
metern zu  schaffen,  die  einen  des  Originals  Unkundigen  dessen  Schönheiten 
auch  nur  ahnen  läfst. 

Büdingen  (Hessen).  O.  Dlngeldela. 

13)  HerodotOB  erklärt  von  H.  Stein.  L  Band.  2.  Heft:  Buch  IL 
Mit  erklärenden  Beiträgen  von  H.  Brugsch  und  einem  Kärtchen 
von  H.  Kiepert.  5.  verbesserte  Auflage.  Berlin,  Weidmann, 
1902.     205  S.  8.  M  2.20. 

Die  4.  Auflage  der  Steinschen  Ausgabe  des  2.  Buches  von  Herodot 
erschien  im  Jahre  1881.  Seit  dieser  Zeit  machte  nicht  nur  die  ägyptische 
Forschung  im  allgemeinen  weitere  Fortschritte,  sondern  es  wurde  auch 
A.  Wiedemanns  Bearbeitung  von  Herodot  H  veröffentlicht,  welche  die 
Sacherklärung  dieses  Buches  bedeutend  förderte.  H.  Stein  benutzte  bei 
der  Herstellung  der  neuen  Auflage  diese  Arbeiten,  ohne  ihre  Ergebnisse 
jedoch  in  vollem  Umfange  für  die  Erklärung  zu  verwerten ;  man  vergleiche 
z.  B.,  was  Kap.  4  zu  tqa^  Kap.  7  zu  "^Hkityv  tvöIiq,  Kap.  96  zu  den 
Lastschiffen,  Kap.  149  zu  dem  Möris-See,  Kap.  180  zu  avröfiatog  ge- 
sagt ist. 

Den  Text  hat  der  Herausgeber  einer  gründlichen  Durchsicht  unter- 


-^ 


Neae  Philologische  Rnndschaii  Kr.  2.  27 

worfen  und  an  vielen  Stellen  abgeändert,  teils  im  Anschlnfs  an  die  Hand- 
schriften, teils  auf  Grund  von  Konjekturen,  fremder  sowohl  als  eigener.  Dafs 
dabei  die  Lesarten  der  Handschriftenklasse  a  über  Gebühr  bevorzugt  werden, 
brauche  ich  kaum  zu  erwähnen ;  dies  bringt  die  Stellung  des  Herausgebers 
zu  den  Handschriften  mit  sich.  Von  den  neu  aufgenommenen  handschrift- 
lichen Lesarten  billige  ich:  12,  9  S^qioi  mit  allen  Handschriften,  62,  2 
Tfjai  ^oirjai  mit  allen  Handschriften;  ferner  mit  der  Handschriftenklasse  a : 
122,  5  xBiQuiiayucqov  (vgl.  Hoffmann,  griech.  Dial.  3,  365),  139,  6  doy(AuVy 
aber  c5g  Ttqdipaaiv  „als  Anlafs^^  ist  nicht  anzutasten;  der  Herausgeber 
schlägt  freilich  \&q\  nq6q>avaiv  vor;  mit  der  Handschriftenklasse  /?:  2,  32 
Tcaiditav,  28,  18  oSrog,  97,  9  iatL  de  ovx  oirog;  danach  ist  aber  keine 
Lücke  anzunehmen,  sondern  zu  erklären:  „es  existiert  aber  nicht  diese ^S 
d.  h.  sie  ist  aber  nicht  hier,  geht  aber  nicht  hier  vorbei;  144,  4  olyceövrag; 
dazu  kommt  noch  53,  1  syiveTOy  das  von  B  G,  nicht  auch  von  A,  wie 
der  Herausgeber  angibt,  überliefert  wird.  Natürlich  sehe  ich  bei  dieser 
Aufzählung  von  den  Stellen'^ab,  wo  a  und  ß  an  sich  brauchbare  Lesungen 
haben  und  die  Entscheidung  über  die  Aufnahme  der  einen  oder  anderen 
YOD  dem  urteil,  das  man  über  die  Handschriftenklassen  hat,  abhängt. 

Die  Zahl  der  neu  aufgenommenen  Konjekturen  anderer  Gelehrten 
ist  nach  Steins  Angabe  12;  dazu  kommen  aber  noch  4,  die  er  unter  den 
eigenen  Vermutungen  auffuhrt,  nämlich  8,  20  [tö  . . .  ioTi]  von  Puntoui, 
65,  4  [de]  von  Herold,  76,  7  (fjSe'}  rpilr)  von  Schweighäuser  und  126,  8 
[sv  Toiai  iQyoiai]  von  Valckenaer.  Diese  Änderungen  sind  durchweg  Ver- 
besserungen; nur  hätte  Stein  4,  7  ifAßölifAov  neben  Cobets  (jui^va)  nicht 
ausschliefsen  sollen.  Die  Worte  iv  Toiai  sgyaiai  126,  8  scheinen  infolge  an- 
fönglicher  Auslassung  und  späterer  Beifügung  an  ihre  jetzige  Stelle  gekommen 
zu  sein;  sie  gehören  zu  fjivrjfAi^iov  y.arahniad'ai  ev  toIol  l^yoiavi  „ein 
Andenken  an  sich  unter  den  Bauwerken  hinterlassen''.  Auch  65,  4  ist 
Bekkers  ij  st.  \de\  möglich. 

Neue  eigene  Vermutungen  hat  der  Herausgeber  an  28  Stellen  in  den 
Text  gesetzt.  Von  diesen  halte  ich  für  gelungen:  20,  7  [xbv  iVcUov], 
122,  7  ö^iiv  J^f^i^TQL  st.  di^,  127,  12  [sxofAevrp^  Tfjg  fAeydli^g]y  135,  23 
(aXlri)  ^*'  ^®^  früher  vorgeschlagenen  (Irepij),  142,  6  dqxieqeag  <t€>, 
152,  25  T€  tä  st,  /MCT ,  161,  15  TafJra  difj  st.  dt  und  176,  6  dio  (alXoi) 
wloaaol;  auch  129,  9  STrifACficpofievcjc  Kjty  ex  r^g  d/xijg  ist  beachtens- 
wert, da  so  h,  Tfjg  ö,  verständlich  wird.  An  anderen  Stellen  erscheint 
mir  die  vorgeschlagene  Änderung  nicht  befriedigend,  so  10,  5  üaTteq  [yB\ 


Kene  Philologische  BondBchaii  Nr.  2. 


WO  Ttal  st.  ye  am  Platze  wäre,  13,  7  f^eydlfog  [xaxdJg]  st.  jucyrf%  xax<3g; 
richtiger  TtaQct  Jidg  xax(S>^,  damit  tpevad-ivTag  noti  ilnidog  seine  Er- 
gänzung erhüt,  99,  13  tbg  dneqyfÄevog  [i^hi]  st.  des  früher  vermuteten 
^etj;  aber  das  nächstliegende  dg  an:,  ^iu  ist  schon  längst  gefunden,  100, 
11  -mivofhf  T(p  k6Y(()  [v6(()  de  älla  f^rixceväad'aLy  Y.aliaaaav  de  xrA.,  weil 
der  Gegensatz  zu  Uytp  nicht  v6(py  sondern  eQytp  wäre ;  aber  vgl.  Hom.  Od. 
18,  282  ^ii/ye  di  Svfjiov  (AuUxioig  iftieaatj  vöog  de  ol  &Um  fACPolva. 
Soph.  0.  C.  935  Tafjtd  aoi  Ttp  vip  d^  &(ioiwg  yu&nb  zfjg  yhbaarig  Uyia\ 
st.  yuaUaaaav  de  ist  ydg  zu  lesen,  was  Stein  selbst  frflher  vorschlug, 
108,  17  Lücke  nach  7t<n:a(i6gy  wo  doch  die  Abänderung  von  Sxw^  ve 
in  yey  das  hier  ganz  an  seiner  Stelle  ist,  genügt,  143, 11  \ß(ag  . . .  aii%Ag\ 
wegen  Iwg  o^,  einer  Glosse  zu  dem  ursprünglichen  ig  S,  178,  4  Lücke 
zwischen  cfvroCf  und  de  ravtillotievoigy  wo  der  Sinn  bei  der  sonst  auf- 
genommenen Interpunktion  olyteeiv,  aitoC  de  v,  vollständig  ist.  Die  übrigen 
Änderungen  des  Herausgebers  halte  ich  für  unnötig,  auch  11,  4  \&g  eqto^iai 
ffq6Lüiav\  trotzdem  ein  solcher  Zusatz  nach  o&rcu  dii  %i  sonst  bei  Herodot 
nicht  vorkommt. 

Tauberbischofeheim.  J-  Sltaler, 


14)  Ernst  Wüst,  Beitrage  2Biir  Textkritik  und  EzegeM  der 
Flatonischen  Foliteia.  Dillingen,  Programm,  1902.  34  S.  8. 
In  der  Einleitung  wendet  sich  Verf.  gegen  die  unberechtigte  und 
leichtfertige  Annahme  von  Interpolationen  im  Piatontexte  und  sucht  eine 
Anzahl  von  Stellen  der  Politeia  durch  passende  Erklärung  gegen  derartige 
Versuche  der  Athetese  und  gegen  Konjekturen  zu  schützen.  Man  wird 
sich  mit  diesem  Grundsatze  des  Verf.  im  allgemeinen  einverstanden  er- 
klären können;  denn,  wenn  es  auch  als  erwiesen  gelten  kann,  dads  unser 
Text  des  Piaton  vielfach  durch  Interpolationen  entstellt  ist,  so  darf  doch 
von  diesem  Mittel  der  Heilung  nur  ein  vorsichtiger  Gebrauch  gemacht 
werden.  An  anderen  Stellen  liefert  Verf.  Beiträge  zur  Erklärung  gewisser 
Stellen,  die  man  dankbar  hinnehmen  wird,  wenn  auch  nicht  überall  das 
Bichtige  gesagt  ist,  z.  B.  424  a  ist  für  ai^avofiivij  die  Bedeutung  „zu- 
nehmen'' durch  die  folgende  Stelle  {¥vi  ßelrlovg  töv  nqoviqwv  gnhvrai) 
genügend  begründet;  515  b  ist  tSc  ovta  avvabg  vofxi^eiv  bzw.  dvof46^eiv 
die  richtige  Lesart,  wie  die  indirekte  Überlieferung  (Jamblichus,  Proklus), 
auf  die  Verf.  zu  wenig  Gewicht  legt,  und  das  folgende  (o^x  fi^  Slko  xl 


/ 


-^ 


Neae  Philologische  Bondsohaii  Nr.  2.  39 


vofii^oifjiev  rd  dlrid'is)  deutlich  zeigen;  gut  dagegen  ist,  was  492  e  Ober 
TtoQct  T^  Totk(av  Ttaideiav  bemerkt  wirkt  {rtaQd  «->  gegen).  Bei  einer 
dritten  Gruppe  von  Stellen  sucht  Verf.  trotz  seines  konservativen  Stand- 
punktes doch  auch  den  Text,  „wo  er  offenbar  falsch  fiberliefert  ist,  mit 
selbst  erdachten  Konjekturen  zu  „verbessernd^  (!),  wird  aber  damit  kaum 
auf  Beifall  rechnen  können:  359  d  ist  an  /r^oyc^y^,  was  schon  Proklus 
gelesen  hat,  nicht  zu  rfihren,  der  offenbare  Fehler  der  Stelle  mufs  anderswo 
stecken ;  456  d  ist  an  naqalaßo^a  festzuhalten  (naqaX.  in  der  bekannten 
Bedeutung  „  zur  Erziehung  fibernehmen  ^') ;  600  d  ist  di^ai  zu  lesen,  wie  jetzt 
auch  Bumet  schreibt,  mit  dem  ich  ebenfalls  521  c  an  der  Lesart  der  besseren 
Handschriften  festhalten  möchte;  473c  ist  yuvfi&twv  yelaof^a  aus  Äschyl. 
From.  90  doch  zu  sehr  bekannt,  als  dafs  man  an  dem  iycyelCiv  ändern  sollte. 
Helmstedt.  K 


15)  AugturtaB  Thiel,  InvenaÜB  graedssans  sive  de  vocibus 
graecis  apud  luvenalem.  Scripsit.  Breslau,  Preufis  &  Juenger, 
1901.  152  S.  gr.  8. 
Diese  Arbeit  Thiels  fiber  die  Griechische  Fremd- und  Lehnwörter 
bei  Juvenal  ist  f&r  Grammatik  und  Lexikon  wertvoll,  sie  bildet 
auch  einen  zuverl&ssigen  Beitrag  zu  dem  noch  zu  malenden  Eulturbilde 
„Griechenland  in  Bom".  Was  Thiel  hierzu  bietet,  ist  durch  die  selbst- 
gezogene Grenze  beschränkt  und  nur  ein  kleiner  Ausschnitt,  wird  aber 
hoffentlich,  wie  der  genaue  Vergleich  mit  Horaz  und  Persius  (Kap.  III, 
Abschnitt  2)  vermuten  lälst,  bald  erweitert  werden.  Der  spröde  Stoff  ist 
fein,  manchmal  fiberfein  gegliedert,  z.  B.  S.  76—79,  sodafs  dann  durch 
zu  viel  Unterabteilungen  die  Übersicht  leidet.  Bei  der  Besprechung  der 
Vorarbeiten  Anderer  wird  der  nimmermfide  Wortffihrer  des  Allgemeinen 
Deutschen  Sprachvereins,  Gfinther  A.  Saalfeld,  gebfihrend  anerkannt, 
der  das  Verdienst  hat,  fiber  griechische  Fremd-  und  Lehnwörter  im  La- 
tein zuerst  grfindlich  zusammenfassend  geschrieben  zu  haben  1874,  1877, 
1884  (und  zuletzt  auf  einem  Sondergebiet  fiber  die  Valgata  1891);  die 
Juvenalischen  Fremdwörter  behandelte  bisher  nur  L.  Eiaer  (1875,  S.  227 f.)« 
dessen  Beobachtungen  man  gern  schon  in  Friedlaenders  greiser  Juvenal- 
ausgabe  (S.  56)  näher  ausgeführt  sähe.  Thiel  stellt  nun  S.  8—16  die 
festzuhaltenden  Grundsätze  ffir  seine  Untersuchung  auf  und  behandelt  denen 
gemäfs  S.  17 — 79  einzelne  Fremdwörter  des  genaueren,  z.  B.  ob  sie  in  der 
griechischen  Literatur  zu  belegen  sind  oder  fehlen,  von  Juvenal  allein  ge- 


30  Nene  Philologische  Bnodschan  Nr.  2. 

braucht  oder  eingeführt  oder  gar  selbst  gebildet  sind.  Es  folgt  im  ersten 
Kapitel  stoffliche  Sichtung  der  Fremdwörtermasse :  Dingnamen  (appellativa) 
S.  62—69  von  Natur  und  Menschheit  (Leib,  Seele,  leibliches,  geistiges, 
öffentliches  Leben)  und  Eigennamen  (propria),  geographische,  mythologische, 
menschliche.  Zweites  Kapitel:  Der  Gebrauch.  Juvenal  folgt  entweder 
absichtslos  der  Umgangssprache  oder  wählt  sie  mit  bewufster  Absicht, 
z.  B.  parodistisch.  Zu  dem  Abschnitt  fiber  die  griechischen  Endungen 
(S.  101  ff.  u.  141  ff.)  wäre  wohl  ein  vergleichender  Cberblick  über  latei- 
nische Deklination  griechischer  Wörter  lehrreich,  um  zu  zeigen,  wieweit 
das  Fremdwort  zum  Lehnwort  sich  wandelte,  wie  z.  B.  14,  279  das  spa- 
nische Vorgebirge  Kaknri  höchstwahrscheinlich  zu  Galpis.  Drittes  Kapitel : 
Menge  und  Zahlenverhältnis.  In  3837  Versen  stehen  1194  Fremdwörter. 
Bei  dieser  Statistik  müfsten  freilich  die  durch  den  griechischen  Stoff' 
(Geographie,  Geschichte  u.  a.)  veranlafsten  Fremdwörter  ausgeschieden 
oder  noch  einmal  gesondert  betrachtet  werden,  da  sonst  der  lehrreiche 
Vergleich  mit  Horaz  und  Persius  manchen  Zufälligkeiten  unterliegt.  [Denn 
Thiel  will  doch  vor  allem  die  Beeinflussung  des  römischen  Geistes  durch 
den  griechischen  in  seinem  Buche  zeigen.  —  Der  hohe  Wert  der  Thielschen 
Abhandlung  wird  sich  erst  völlig  zeigen,  wenn  sie  sich  als  Glied  einfügen 
kann  in  eine  Kette  von  ebenso  genauen  Untersuchungen  über  die  Fremd- 
und  Lehnwörter  bei  den  anderen  Schriftstellern  Boms. 

i.  W.  OnstaT  Esknehe. 


16)    Fred    B.    B.    HellemSy    Lex   de   imperio   VeBpaaiaiii. 

Chicago,  Scott,  Foresman  and  Company  (Leipzig,  Gustav  Fock), 
1902.     24  S.  8  [englisch].  öOCente. 

Von  dem  Gesetz,  durch  das  Senat  und  Volk  dem  Vespasian  die  Be- 
gierungsgewalt übertrugen,  sind  nur  die  letzten  neun  Bestimmungen 
erhalten  (CIL  VI,  930).  Der  Schlufs  (die  sanctio)  hebt  alle  entgegen- 
stehenden Gesetze  auf.  Der  vorletzte  Absatz  erklärt  die  bisherigen  Hand- 
lungen Vespasians  für  gesetzlich.  Die  sieben  anderen  Abschnitte  über- 
tragen dem  Kaiser  einzelne  Befugnisse,  wie  sie  zum  Teil  schon  frühere 
Herrscher  besessen  haben.  Von  den  [früheren  Kaisern  erwähnen  die  Be- 
stimmungen 1  (Krieg  und  Frieden),  2  (Senatsleitung),  6  (allgemeine  Ver- 
waltung) und  7  (Stellung  des  Kaisers  über  dem  Gesetz)  nur  August,  Tiber 
und  Klaudius;  natürlich,  denn  Nero  war  gesetzlich,  Gajus  tatsächlich 
damnatae  memoriae  (S.  7  Anm.  1),  Galba,  Otho  und  Vitellius  aber  waren 


•^ 


^ 


Nene  Philologische  BondBobaa  Nr.  2.  31 


im  Aufstand  emporgekommen  und  zu  gründe  gegangen.  Abschnitt  5 
(Vorschieben  des  Pomöriums)  führt  nur  den  Klaudius  an,  der  im  Jahre  49 
die  altgeheiligte  Stadtgrenze  vorschob.  Mit  Recht  erklärt  daher  Mommsen 
die  Nachricht  bei  Tacitus  u.  a.,  dafs  August  das  Pomörium  vorgeschoben 
aus  einer  Verwechslung  mit  der  Begioneneinteilung  des  August.  Wenn 
nun  die  Bestimmungen  3  (consilium  principis)  und  4  (candidati  Gaesaris) 
überhaupt  keinen  Herrscher  nennen,  so  können  Staatsrat  und  kaiserliche 
Beamtenernennung  erst  dem  Vespasian  (durch  unser  Gesetz)  ausdrücklich 
zugestanden  worden  sein.  Nun  aber  hat  schon  Augustus  sich  einen  Staatsrat 
ernannt  (S.  13)  und  Eonsulernennung  bezeugt  Tacitus  (bist.  I,  77;  n,  71) 
wenigstens  für  Nero  und  die  folgenden  Kaiser.  Aber  beide  Rechte  können 
vor  Vespasian  nur  aus  der  allgemeinen  Eaisergewalt,  der  tribunicia 
potestas,  hergeleitet  worden  sein.  Die  beiden  Grundgewalten  des  Kaisers, 
das  militärische  Imperium  proconsulare  und  die  bürgerliche  tribunicia  po- 
testas waren  so  dehnbar,  dafs  sich  daraus  alles  herleiten  liefs.  War  ein 
neues  Recht  lange  tatsächlich  geübt  worden,  so  wurde  es  durch  Sonder- 
gesetz übertragen,  natürlich  im  Zusammenhang  mit  den  Grundrechten. 
Die  Bestimmungen  unseres  Gesetzes  sind  Sonderrechte  (Gantarelli,  Bull, 
comm.  XVIII,  1890,  S.  242  ff.),  aber  sie  sind  hergeleitet  aus  dem  im- 
perium  proconsulare  (Best.  1,  S.  7.  8)  und  der  tribunicia  potestas  (Best. 
2 — 7,  S.  8  ff.).  Die  beiden  Grundrechte  (und  etwaige  andere  Sonderrechte) 
müssen  also  in  dem  verlorenen  Teile  unseres  Gesetzes  übertragen  worden  sein 
(S.  20).  —  Die  vorstehende  Auffassung  findet  sich  bei  H.  nur  zum  Teil 
(besonders  S.  20 — 22).  H.  sucht  mit  Pelhams  (Journ.  of  philology  XVII, 
1880,  27  ff.)  Gründen  die  anderen  Forscher  zu  widerlegen,  er  merkt  aber  nicht, 
da&  die  anscheinend  widerstreitenden  Ansichten  sich  zu  der  oben  dargeleg- 
ten Auffassung  ergänzen.  Die  Frage  nach  der  lex  de  imperio  von  August 
bis  in  die  späteste  Zeit  mufs  in  gröfserem  Zusammenhang  behandelt  wer- 
den. Dazu  ist  allerdings  H.  mit  seiner  Übersetzung  (S.  5,  6)  und  Er- 
klärung (S.  6  »18)  der  lex  Vespasiani  und  seinen  allgemeinen  Ausfüh- 
rungen (S.  20—22)  eine  wertvolle  Vorarbeit. 

H.s  Arbeit  ist  eine  Doktordissertation  von  Chikago.  Sie  eröffnet  die 
altklassische  Abteilung  der  von  Scott,  Foresman  and  Company  unter  Leitung 
von  Universitätslehrern  herausgegebenen  Doktordissertationen  amerikanischer 
philosophischer  Fakultäten  (Dissertationes  Americanae).  Von  den  folgenden 
wünschen  wir,  dafs  sie  der  vorliegenden  an  Brauchbarkeit  gleichkommen. 

Cöln.  Aagvflt  Chambaln. 


Neue  Philologische  Bondsohaii  Nr.  2. 


1 7)  Hugo  Winckler  y  Altorientalisohe  F0r8chiiiigen.  [Dritte  Reihe. 
Bd.  I,  Heft  2  und  Bd.  II,  Heft  1.  Leipzig,  Eduard  Pfeiffer, 
1902.     S.  97—184  u.  S.  185—248.  8.         M  h.^  yy,  M  3.60. 

Die  vorliegenden  Arbeiten  des  sehr  fruchtbaren  Verf.  enthalten  folgende 
Artikel:  Die  Juden  und  Born.  —  Die  Zeit  der  Ezechielprophetie.  — 
Philokles-Tabnit  und  der  erste  syrische  Krieg.  —  Der  Gebrauch  der 
Keilschrift  bei  den  Juden.  —  Zu  semitischen  Inschriften.  —  Zwei  Ig^önige 
von  Sidon  aus  der  Tel-Amama-Zeit.  —  Astronomisch-Mythologisches.  — 
Zum  alten  Testament  (Kritisches  und  Hermeneutisches).  —  Bruchstücke 
von  Keilschrifttexten. 

Dunkle  Perioden  der  Geschichte,  für  die  es  nur  notdürftige  und  dazu 
schwer  verständliche  Quellen  gibt,  reizen  zu  Hypothesen,  und  daran  ist 
bei  Winckler  kein  Mangel;  ob  sie  annähernd  das  Sichtige  treffen,  ist  trotz 
der  geschickten  Begründung,  die  er  vielfach  gibt,  doch  fraglich.  Ich 
erwähne  vor  allem  das,  was  die  Leser  der  „Bundschau''  interessiert.  Den 
Brief  in  2  Makk.  1,  14  ff.  verlegt  er  in  die  Zeit  nach  Grassus,  der  im 
Jahre  54  den  Tempel  zu  Jerusalem  beraubte ;  das  Jahr  88  sei  zu  rechnen 
von  der  Erlangung  der  Hohenpriesterwfirde  durch  Simon,  die  nach  1  Makk. 
14,  27  im  172.  Jahr  der  seleucidischen  Ära  =  140  v.  Chr.  stattgefunden 
habe.  —  Die  Angaben  jüdischer  Autoren  über  ein  näheres  Verhältnis 
zwischen  Juden  und  Bom  zur  Zeit  der  Seleuciden  verwirft  Winckler  und 
hält  sie  für  spätere  Fälschung;  der  alte  Bericht,  den  das  erste  Makkabäer- 
buch  bietet,  ist  durch  Überarbeitung  und  Einschiebsel  entstellt. 

Die  Ezechielprophetieen,  die  voller  Schwierigkeit  sind,  benutzt  W.  zur 
Aufklärung  der  Geschichte  des  6.  Jahrhunderts  nach  der  Zerstörung  Jeru- 
salems durch  Nebukadnezar.  Die  Kämpfe  um  Jerusalem  bei  Ezechiel 
beziehen  sich  nicht  auf  diese  Zerstörung,  sondern  auf  Scheschbasar,  der 
sich  um  560  zuerst  wieder  in  der  zerstörten  Stadt  festgesetzt  hatte  (den 
„Knecht  Jahvehs''  im  Deuterojesaias  nach  W.). 

Die  meisten  übrigen  Artikel  behandeln  Detailfragen  aus  der  orien- 
talischen Geschichte. 

Oldesloe.  IL  Baasen. 


Nene  Philologische  Randscbaa  Nr.  2. 


18)  Rudolf  Methner,  üntemnchungeii  zur  lateimschen  Tem- 
pus- und  Modoslehre   mit  besonderer  Berficksichtigung  des 
Unterrichts.    Berlin,  Weidmannsche  Buchhandlung,  1901.    VIII 
u.  313  S.  8. 
Dem  Verfasser  dieser  neuesten   Darstellung  der  lateinischen  Tem- 
pus- und  Moduslehre  war  es  ergangen,  wie  es  mir  auch  ergangen  war, 
und  wie  es  eigentlich  jedem,  der  sich  mit  der  lateinischen  Sprache  be- 
schäftigt,  ergehen  sollte:   er  hatte   sich   durchaus  unbefriedigt  gefehlt 
von   den  fiegeln  unserer  grammatischen  Lehrbücher  und  er  war  zu  der 
Erkenntnis  gekommen,  dafs  sie  vielfach  fiberaus  verworren* und  unklar, 
somit  wenig  geeignet  sind ,  die  vielgerfihmte  sprachlich-logische  Schulung 
zu  fördern.    So  unterschreibe  ich  denn  z.  B.  Wort  för  Wort,  was  Verf. 
auf  S.  208 — 212  von  den  landläufigen  Regeln  über  die  Zeitpartikeln  sagt, 
und  dies  um  so  mehr,  als  ich  selbst  eine  ganz  ähnliche  Darstellung  in 
der  Einleitung  zu  meinen  Studien  zur  lateinischen  Moduslehre  gegeben 
habe.     Es  wäre  in  der  Tat  sehr  zu  wünschen,  dafs  man  sich  allmählich 
darüber  klar  wurde,  dafs  die  üblichen  Regeln  über  die  Anwendung  der 
Modi  und  Tempora  im  Lateinischen  (und  Griechischen  l)  mit  ganz  wenigen 
Ausnahmen  nichts  taugen. 

Aber  auch  die  positiven  Aufstellungen  Methners  stimmen  öfter  mit 
den  meinigen  vollkommen  überein.  So  z.  B.  die  Erklärung  des  Kon- 
junktivs in  dem  Satze  Cic.  Man.  21,  61:  quid  tam  praeter  con- 
suetudinem,  quam  homini  peradulescenti ,  cuius  aetas  a  senatorio  gradu 
loDge  abesset,  Imperium  atque  exercitum  dari?  Hier  sagt  Methner 
(S.  282):  „Der  Satz  (seil  der  konjunktivische  Relativsatz)  erläutert  den 
Begriff  peradulescens  und  gibt  zugleich  die  Umstände  an,  unter  denen 
jene  Mafsregel  ganz  besonders  auffallend  erscheinen  mufste 'S  wäh- 
rend ich  zu  diesem  Beispiel  S.  126  bemerke:  „Also  eine  ganz  aufs  er- 
ordentliche Mafsregel'^  und  auf  S.  220  verweise,  wo  es  heifst:  „Der 
Relativsatz  ist  in  den  Hauptsatz  eingeschoben;  er  erläutert  ein  Nomen 
appellativum  oder  Adjektivum  und  steht  aufserdem  in  kausalem  (bzw. 
adversativem)  Verhältnis  zum  Hauptsatze."  —  In  dem  Beispiel  Livius  I 
17,  9:  hodie  quoque  in  legibus  magistratibusque  rogandis  usurpatur 
idem  ius  vi  adempta:  priusquam  populus  suffragium  ineat,  in  incertum 
comitiorum  eventum  patres  auctores  fiunt  setzt  Livius  nach  Methner 
(S.  243)  den  Konjunktiv,  weil  er  sagen  will,  „dalB  jenes  Bestätigungsrecht, 
welches  damals  der  Senat  beanspruchte,  auch  heute  noch  besteht,  aber 


34  Nene  Philologische  Rundschau  Nr.  2. 

unter  ganz  eigentümlichen  Umständen  ausgefibt  wird ^^  Hierzu  wolle 
man  meine  Bemerkung  vergleichen  (S.  155):  „Bereits  ehe.  Also  ein 
höchst  eigentümliches  Verfahren."  —  Ferner  sei  erwähnt  Caes.  B. 
G.  III.  26.  3:  prius  in  hostium  castris  constiterunt,  quam  plane  ab  his 
videri  aut,  quid  rei  gereretur,  cognosci  posset.  Hier  erläutert  Methner 
den  Konjunktiv  nach  priusquam  mit  den  Worten  (S.  238):  „Der  Satz  mit 
priusquam  hat  nur  den  Zweck,  die  Schnelligkeit  zu  veranschaulichen, 
mit  der  die  Bömer  vorgingen",  während  ich  dieses  Beispiel  (S.  157)  mit 
dem  Zusatz  versehe:  „Auffallende  Geschwindigkeit"  und  noch 
gegen  dreifslg  andere  anführe,  wo  es  sich  überall  um  eine  auffallende 
Geschwindigkeit  handelt.  —  Vgl.  femer  Liv.  XXII  39,  7:  hie  (C.  Te- 
rentius  Varro)  priusquam  peteret  consulatum,  deinde  in  petendo  con- 
sulatu,  nunc  quoque  consul,  priusquam  castra  videat  ant  hostem,  insanit. 
Hier  bilden  Methners  Worte  (S.  241) :  „noch  hat  er  den  Feind  nicht  vor  sich 
und  geberdet  sich  schon  wie  toll"  einen  Kommentar  zu  meiner  Anmerkung 
(S.  155):  „Es  ist  kaum  glaublich."  —  S.  152  führt  Methner  das  Bei- 
spiel Gaes.  B.  G.  I,  4,  3  an:  cum  civitas  ob  eam  rem  incitata  armis  ins 
suum  exequi  conaretur  multitodinemque  hominum  ex  agris  magistratus 
cogerent,  Orgetorix  mortuus  est  und  bemerkt  hierzu  (S.  153):  „Cäsar  will  die 
eigentümlichen  Umstände  schildern,  unter  welchen  der  Tod  des  Orge- 
torix erfolgte.  Dies  wird  ganz  klar,  wenn  wir  mit  dem  Satze  eine  Um- 
wandlung vornehmen:  iam  civitas  conabatur  multitudinemque  magi- 
stratus cogebant,  cum  Orgetorix  mortuus  est."  In;  vollständiger 
Übereinstimmung  heilst  es  bei  mir  (S.  142)  mit  Beziehung  auch  auf 
dieses  Beispiel:  „(Der  Schriftsteller)  will  das  Zusammentreffen  der  Ereig- 
nisse, der  Verhältnisse  als  etwas  nicht  Alltägliches  darstellen;  cum 
leitet  einen  wichtigen  vorbereitenden  Umstand  ein",  und  in  vollster 
Übereinstimmung  mit  Methner  handle  ich  eingehend  (S.  269)  darüber, 
dafs  sich  ein  Satz  mit  dem  sogen.  Cum  inversum  immer  in  einen  kon- 
junktivischen Gum-Satz  verwandeln  läfst. 

Andere  Stellen,  die  ich  in  meinem  Buche  nicht  anführe,  sind  bei 
Methner  so  erklärt,  dafs  ich  kaum  etwas  zu  ändern  hätte.  Vgl.  Liv. 
XXVI  41,  3:  nemo  ante  me  novus  Imperator  militibus  suis,  priusquam 
opera  eorum  usus  esset,  gratias  agere  iure  ac  merito  potuit  =  „Noch 
nie  ist  es  vorgekommen,  dafs  ein  Feldherr  unter  so  eigentüm- 
lichen Umständen  bei  seinen  Soldaten  sich  bedankt,  wie  ich  jetzt 
tue,  das  heilst  dafs  er  sich  bedankt,  ohne  dafs  jene  schon  ihre  Tüchtig- 


Nene  Pbilologiiche  Randschan  Kr.  2.  86 

keit  bewiesen  haben;  ich  aber  befinde  mich  in  dieser  eigentfim- 
lichen  Lage:  ich  kenne  euch  noch  gar  nicht  und  dabei  habe  ich  euch 
schon  zu  danken''  (S.  243).  —  Femer  S.  244 :  „Wenn  es  Sen.  ep.  n  12,  16 
heifst  ante  antem  yidemus  fulgnrationem,  quam  sonnm  andiamns,  so  will 
der  Bedende  auf  die  bei  der  gleichzeitigen  Entstehung  von  Blitz  nnd 
Donner  eigentümliche  Erscheinung  hinweisen,  daCs  wir  den  Blitz 
sehen,  ohne  zugleich  den  Donner  zu  hOren/'  —  8«  281:  Gic.  rep.  VI  10 
deindentcubitam  discessimos,  me  et  de  via  fessum,  et  qni  ad  moltam  noctem 
vigilassem,  artior  qoam  solebat  sonmns  complexns  est.  „Wie  die  Worte 
de  via,  so  enthält  auch  der  Relativsatz  einen  näheren  Umstand:  Ich  war 
weit  gegangen  mid  angewöhnlich  lange  wach  geblieben;  unter  diesen 
Umständen  ist  es  begreiflich,  dafs  ich  ungewöhnlich  fest  schlief.''  — 
S.  298:  Liv.  XXI  27,  5:  ratesque  fabricatae  (sunt),  in  quibus  equi  virique 
et  alia  onera  traicerentur  „die  FlöCse  mulsten,  da  sie  auch  die  Pferde 
befdrdern  sollten,  besonders  grofs  und  stark  sein. 

Aber  freilich  diese  schöne  Übereinstimmung  zwischen  Methner  und  mir 
ist  —  so  sonderbar  es  klingen  mag  —  nur  mehr  zoffillig  und  äuüserlich, 
in  Wirklichkeit  besteht  eine  ziemlich  breite  Elaft  zwischen  unseren  An- 
schauungen, von  der  ich  jedoch  trotz  alledem  hoffe,  dafs  sie  nicht  un- 
überbrückbar sein  wird.  Was  mir  nämlich  bei  all  diesen  erklärenden 
Umschreibungen  als  die  Hauptsache  erscheint,  fafst  Methner  als  Neben- 
sache auf  und  umgekehrt.  Ich  lege  den  Hauptwert  auf  die  Ausdrücke 
„eigentümlich,  ungewohnt,  sonderbar,  wunderbar,  auffallend,  schwer  ver- 
verständlich", Methner  dagegen  auf  den  Ausdruck  „Umstand".  Ich  be- 
haupte, dafs  die  Ausdrücke  „Umstand"  oder  „begleitender  Umstand"  gar 
nichts  mit  dem  Wesen  des  Konjunktivs  zu  tun  haben,  Methner  legt  so 
wenig  Wert  auf  die  Ausdrücke  „eigentümlich"  u.  s.  w.,  dafs  er  sie  bei 
den  Erklärungen  in  der  Begel  wegläfst. 

Wer  hat  nun  recht?  —  Methners  Begel  über  die  Modi  nach  Cum 
lautet:  „Cum  verbindet  sich  mit  dem  Indikativ,  wenn  der  Redende  die 
Absicht  hat,  die  Zeit  des  im  Hauptsatze  genannten  Oeschehnisses  da- 
durch zu  bestimmen  oder  hervorzuheben,  dafs  er  ein  anderes  gleichzeitiges 
Geschehnis  anführt;  oft  steht  der  Inhalt  des  Nebensatzes,  wie  im  Deut- 
schen, zugleich  in  kausaler  Beziehung  zu  dem  Inhalte  des  Hauptsatzes 
(S.  219)."  „Cum  verbindet  sich  mit  dem  Konjunktiv,  wenn  der  Neben- 
satz die  die  Hauptbandlang  begleitenden  Umstände  anführt" 
„Der  indikativische  Satz  beantwortet  die  Frage:  Wann  geschah  es? 


36  Nene  Philologische  Bandschau  Nr.  2. 

der  konjunktivische  die  Frage:  Unter  welchen  Umständen  ge- 
schah es?"  (S.  225). 

Hiermit  wolle  man  die  von  Haie  bereits  vor  mehr  als  zehn  Jahren  auf- 
gestellte Begel  vergleichen:  „Der  konjunktivische  Cum -Satz  drückt 
die  Situation  aus,  welche  zu  der  Zeit  herrscht,  wo  die  Haupthandlung 
eintritt,  mit  oder  ohne  kausale  und  advei-sative  Beziehung  auf  diese  Hand- 
lung. Der  indikativische  Gum-Satz  bestimmt  die  Zeit,  zu  welcher 
die  Haupthandlung  eintritt  (das  Datum),  mit  oder  ohne  kausale  oder  ad- 
versative Beziehung  auf  diese  Handlung.  Der  konjunktivische  Gum-Satz 
antwortet  also  auf  die  Frage:  Wie  standen  die  Dinge  zu  der  Zeit, 
wo  die  Haupthandlung  eintrat?  Der  indikativische  Gum-Satz  antwortet 
auf  die  Frage:  Welches  war  die  Zeit,  zu  welcher  die  Handlung 
eintrat?" 

Es  leuchtet  ein,  dafs  die  Definitionen  beider  Gelehrten  sich  ähnlich 
sehen  wie  ein  Ei  dem  andern.  Nachdem  ich  nun  auf  einigen  siebzig 
Druckseiten  gezeigt  habe,  und  zwar  mit  Zustimmung  aller  Bezensenten, 
dafs  die  Haiesche  Theorie  nicht  haltbar  ist,  begnüge  ich  mich  auf  jene 
Besprechung  hinzuweisen,  um  festzustellen,  dafs  auch  Methners  Theorie 
hinfallig  ist,  dafs  man  also  mit  den  Ausdrücken  „Zeitangabe"  und  „Situations- 
angabe "  (=  Umstandsangabe)  nicht  einen  Schritt  weiter  kommt.  Jeden- 
falls hätte  Methner  meine  Bedenken  eingehend  prüfen  und  nicht  blofs 
hie  und  da  den  Versuch  machen  sollen,  mir  etwas  am  Zeuge  zu  flicken. 

Wenn  nun  Methners  Theorie  falsch  ist,  so  folgt  daraus  natürlich 
nicht  ohne  weiteres,  dafs  die  meinige  richtig  ist.  Aber  manches  läfst 
mich  hoffen,  dafs  ichMethner  noch  gewinnen  werde.  Obwohl  nämlich 
M.  in  der  Theorie  Anhänger  der  Haieschen  Situations-  und  Datums- 
lehre ist,  so  kommt  er  doch  in  praxi  ganz  nahe  an  meine  Auffassung 
heran.  Er  braucht  nur  an  allen  Stellen,  nicht  nur  an  einigen,  das 
Wort  „Umstand"  mit  einem  Beiwort  wie  „eigentümlich,  sonderbar,  wunder- 
bar, auffallend"  zu  versehen  und  unsere  Übereinstimmung  wird  beinahe 
vollkommen  sein.  Vgl.  z.  B.  Gaes.  Bell.  Gall.  I,  26,  4  diu  cum  esset 
pugnatnm,  impedimentis  castrisque  nostri  potiti  sunt:  „So  hat  auch  der 
Satz  diu  cum  esset  pngnatum  den  Zweck,  die  [eigentümlichen,  sonder- 
baren] Umstände  anzugeben,  unter  denen  die  Eroberung  stattfand:  nicht 
mit  leichter  Mühe,  sondern  erst  nach  heifsem  Kampfe  gelang  sie"  (S.  221). 
Oder  Gaes.  Bell.  Gall.  I,  26, 1 :  dintius  cum  sustinere  nostrorum  impetum  non 
possent,  alteri  se  in  montem  receperunt,  alten  ad  impedimenta  se  contulenmt: 


Nene  PhilologiBche  Enndselura  Nr.  2.  37 


,,  Der  Zweck  des  Schriftstellers  ist  aber  nicht,  die  Tatsache  des  Rückzuges 
zu  erklären,  sondern  die  [eigentfimlichen,  sonderbaren]  ümst&nde, 
unter  denen  sie  erfolgte'^  (S.  222).  Oder  Oaes.  Bell.  Oall.  I,  25,  3:  cum 
ferrum  se  inflexisset,  neque  evellere  (pilnm)  neque  sinistra  impedita  satis 
commode  pugnare  poterant :  „  Nicht  die  Zeit  wird  angegeben,  wann  immer 
das  Herausziehen  unmöglich  war,  sondern  die  [eigentfimlichen,  auf- 
fallenden] ümst&nde,  unter  denen  es  unmöglich  war*'  (S.  223).  Vgl. 
femer  den  von  M.  selbst  gebildeten  Satz  in  arce  Troiana,  priusquam  ever- 
teretur,  nuptiae  celebrabantur :  „Der  Zweck  des  Redenden  ist  es  nicht, 
dieses  Zeitverhältnis  hervorzuheben,  sondern  auf  den  Inhalt  der  Haupt- 
handlung im  Verhältnis  zu  dem  Inhalt  der  Nebenhandlung  aufmerksam 
zu  machen,  d.  h.  auf  die  [eigentfimlichen,  auffallenden]  Umstände 
hinzuweisen/* 

Ich  glaube,  Methner  wird  nichts  dagegen  einzuwenden  haben,  wenn 
ich  hier  und  an  vielen  anderen  Stellen  diese  Wörter  „auffallend,  wunder- 
bar** u.  s.  w.  einschiebe,  und  er  wird  zugestehen,  dafs  dadurch  seine  eigene 
Meinung  nur  noch  deutlicher  zum  Ausdruck  kommt.  Ja,  ich  meine,  er 
ist  sogar  dazu  genötigt,  wenn  er  sich  mit  seiner  Lehre  fiber  die  Be- 
deutung des  Indikativus  Imperfekti  abfinden  will.  Durch  den  Indi- 
kativ Imperfekti  veranlafst  nämlich,  nach  Methner,  „der  Sprechende  den 
Hörer  mit  seiner  Vorstellungstätigkeit  bei  einer  Handlung  zu  verweilen, 
die  VcMTstellung  von  der  betreffenden  Handlung  festzuhalten,  um  sich  ein 
deutliches  Bild  von  dem  Vorgang  zu  machen**  (S.  79).  Demnach  ist  auch 
schon  der  Indikativ  vollständig  befähigt,  einen  die  Haupthandlnng  be- 
gleitenden Umstand  zum  Ausdruck  zu  bringen,  und  in  einem  Satze  wie 
Agesilaus  cum  ex  Aegypto  revertebatur,  in  morbum  implicitus  decessit 
wfirde  der  Schriftsteller  den  Leser  auffordern,  mit  seiner  Vorstellangs- 
tätigkeit  bei  dem  reverti  zu  verweilen,  um  sich  ein  deutliches  Bild 
von  dem  Vorgang  machen  zu  können.  Wenn  also  Nepos  nicht  sagt  re- 
vertebatur, sondern  reverteretur,  so  tut  er  ein  opus  operatum,  jeden- 
fidls  ist  mir  unklar,  wie  M.  behaupten  kann,  Nepos  setze  den  Kon- 
junktiv, „damit  der  Leser  ein  deutliches,  anschauliches  Bild  von 
den  Umständen  vor  sich  habe,  unter  denen  die  Erkrankung  und  der  Tod 
des  Agesilaos  erfolgte**  (S.  211). 

Es  genfigt  also  nicht,  dafs  wir  sagen,  „der  konjunktivische  Gum-Satz 
antwortet  auf  die  Frage  ,  unter  welchen  Umständen  geschah  die  Haupt- 
handlang* oder  „Cum  verbindet  sich  mit  dem  Konjunktiv,  wenn  der 


Nene  Philologische  Rnndschan  Nr.  2. 


einem  Zeitpunkt,  wo  man  es  am  wenigsten  hätte  erwarten  sollen,  starb, 
und  Nepos  will  diese  Verwunderung  aucb  auf  den  Hörer  übertragen, 
auch  dieser  soll  denken:  „Nein,  es  geht  doch  manchmal  zu  merkwürdig 
zu  in  der  Welt:  gerade  als  Agesilaos  aus  Ägypten  zurückkehrte  (steigern- 
der Ton),  fiel  er  in  eine  Krankheit  und  —  starb." 

Nun  aber  gehört  die  Verwunderung,  ebenso  wie  der  Zweifel,  die 
Furcht,  die  üngewifsheit,  die  Spannung  zu  den  Seelenzuständen,  die  man 
Nebensatz  die  die  Haupthandlung  begleitenden  Umstände  anführt"  —  denn 
diese  Fähigkeit  hat  auch  der  Indikativ  — ,  sondern  es  muls  noch  etwas 
hinzukommen,  und  dieses  Etwas  liegt  eben  in  den  Ausdrücken  „merk- 
würdig, sonderbar,  auffallend,  wunderbar"  beschlossen.  Nepos  will 
nicht  nur  sagen  „unter  den  und  den  Umständen  starb  Agesilaos",  sondern 
er  will  sagen  „unter  den  und  den  merkwürdigen,  sonderbaren  Umständen 
starb  Agesilaos".  Nepos  also  ist  verwundert  über  dieses  merkwürdige 
Zusammentreffen  der  Ereignisse,  über  diese  merkwürdige  Verkettung  von 
Tatsachen,  dafs  nämlich  der  rühm-  und^sieggekrönte  Agesilaos  gerade  zu 
deprimierende  Affekte  zu  nennen  pflegt.  Ferner  läfst  sich  leicht  zeigen, 
dafs  es  sich  in  allen  Fällen  und  Satzarten,  wo  echter  Konjunktiv  vorliegt, 
um  einen  solchen  deprimierenden  Affekt  handelt.  Darum  habe  ich  die 
These  aufgestellt,  dafs  diese  seelische  Depression  überhaupt  die  Ursache 
gewesen  ist,  weshalb  die  Indogermanen  dem  Verbalstamm  die  Form 
gaben,  die  wir  Konjunktiv  nennen,  und  darum  habe  ich  diesem  Modus  den 
Namen  Depressivus  gegeben. 

Damit  sind  aber  die  beiden  wichtigen  Fragen  erledigt,  welche 
zu  beantworten  Methner  sich  vergeblich  bemüht,  die  Frage  nämlich,  in 
welcher  Weise  sich  der  Konjunktiv  vom  Indikativ  unterscheidet  und  die 
Frage,  welches  das  Verhältnis  dieses  der  lateinischen  Sprache  eigentüm- 
lichen Konjunktivs  (in  Konsekutiv-,  Kausaul-,  Konzessiv-  und  Fragesätzen) 
ist  zu  den  anderen,  auch  im  Griechischen  und  Indischen  vorliegenden 
Gebrauchsweisen  des  echten  Konjunktivs. 

Was  Methner  über  die  erste  Frage  vorbringt,  ist  mehr  als  spitzfindig. 
An  Stelle  des  berüchtigten  „inneren"  Zusammenhanges,  dessen  Schwäche 
M.  selbst  erkannt  hat,  setzt  er  nämlich  einfach  den  „engeren"  Zusammen- 
hang. Bei  den  konjunktivischen  Perioden  hätten  sich  nämlich  in  der 
Seele  des  Redenden  je  zwei  Vorstellungen  innig  miteinander  verbunden, 
und  diese  innige  Verbindung  wolle  der  Sprecher  nun  auch  in  der  Seele 
des  Lesenden  oder  Hörenden  herbeiführen.    In  den  indikativischen  Perioden 


o 


Neue  Philologische  Bandschan  Nr.  2.  39 

(z.  B.  mit  Qaod)  sei  dagegen  eine  Assoziation  zwischen  den  beiden  Vor- 
stellungen nicht  möglich :  der  Znsammenhang  werde  nicht  durch  Intuition, 
sondern  durch  Beflexion  gewonnen!  In  dem  Satze  Gaes.  Bell.  Oall.  I,  2,  3 
id  hoc  facilius  eis  persuasit,  quod  undique  loci  natura  Helvetii  continentur 
führe  der  Quod-Satz  etwas  an,  was  der  Redende  erst  mit  dem  Verstände 
herbeigesucht  habe,  um  dem  Leser  den  nicht  selbstverständlichen  Grund 
anzugeben,  weshalb  es  dem  Orgetorix  gelang,  seine  Landsleute  zu  fiberreden! 
Wenn  also  die  Tochter  auf  die  Frage  des  Vaters,  warum  sie  Herrn  N.  N. 
nicht  heiraten  wolle,  prompt  antwortet:  quia  non  amo  —  so  ffihrt  sie 
etwas  an,  was  sie  erst  mit  dem  Verstände  herbeigesucht  hat!  Die  Sache 
liegt  vielmehr  so:  Während  dem  Konjunktiv  irgend  etwas  Wunderbares, 
Unerklärliches,  Befremdendes  zu  gründe  liegt,  weist  der  Indikativ,  der 
Modus  der  souveränen  Ataraxie,  auf  selbstverständliche,  sofort  einleuchtende, 
nicht  von  der  gewöhnlichen  Norm  abweichende  Dinge  hin.  Oerade  weil 
die  Tatsache,  dafs  die  Helvetier  in  einem  Gebirge  wohnen,  allbekannt  und 
wenig  aufregend  ist,  und  gerade  weil  in  dieser  Tatsache  ein  sofort  ein- 
leuchtender, selbstverständlicher  Grund  dafür  beschlossen  ist,  dafs  die  Hel- 
vetier den  Beden  des  Orgetorix  Gehör  schenkten,  gerade  deshalb  wählte^Cäsar 
die  Indikativ-Periode,  deren  Inhalt  sich  auf  den  allgemeinen,  sofort  ein- 
leuchtenden Gedanken  zurfickfahren  läfst,  dafs  ein  kriegerisches  Volk, 
wenn  es  in  einem  engen  Gebirge  wohnt,  leicht  durch  einen  geschickten 
Bedner  zum  Auswandern  in  ein  fruchtbares  Gebiet  angefeuert  werden 
kann.  —  Es  geht  doch  wirklich  nicht  an,  zu  behaupten,  in  dem  Satze 
Cic.  Brut.  34,  130:  G.  Seitius  etsi,  cum  remiserant  dolores  pedum,  non 
deerat  in  causis,  tamen  id  non  saepe  &ciebat  stehe  der  Indikativ,  weil  sich 
in  Ciceros  Seele  mit  der  Vorstellung  des  plädierenden  Sextius  nicht  un- 
wiUkfirlich  der  Gedanke  an  sein  Podagra  verband.  Ich  wenigstens  ver- 
mag mir  nicht  vorzustellen,  wie  Cicero  überhaupt  dazu  hätte  kommen 
sollen,  den  Gedanken  auszusprechen ,'  wenn  sich  nicht  in  seiner  Seele  un- 
willkürlich die  Vorstellung  des  plädierenden  Sextius  und  der  Gedanke  au 
sein  Podagra  verbunden  gehabt  hätte. 

Was  haben  aber  ferner  diese  Begriffe  „engerer  Zusammenhang"  und 
„äufserer  Umstand",  „Intuition"  und  „Beflexion"  mit  dem  Wesen  des 
Konjunktivs  und  Indikativs  überhaupt  zu  tun  ?  Ist  der  Satz  veni,  vidi,  vici 
oder  die  Frage:  Quid  agis,  dulcissime  rerum?  auch  nur  die  Folge 
einer  verstandesmäfsigen  Beflexion?  Und  was  gewinnen  wir  mit  dem 
Ausdruck   „Intuition"    für    die    Erklärung     der    Konjunktive    in   quid 


40  Neue  Philologische  Rundschau  Nr.  2. 

faciam?  (==  ti  noii^w)  oder  eamus  (=  Ywfiev)  oder  ne  dixeris  (=  fi^ 

Auch  dem  gegenüber,  was  M.  über  die  Bedeutung  der  Tempora  im 
Lateinischen  beibringt  (S.  1—207  handeln  von  den  Tempora,  S.  208 — 313 
von  den  Modi),  mufs  ich  mich  in  der  Hauptsache  ablehnend  verhalten: 
es  ist  ihm  auch  hier  nicht  gelungen,  den  eigentlichen  Kern  blofszulegen. 
Es  würde  jedoch  zu  weit  führen,  im  Bahmen  einer  Besprechung  die 
Schwächen  aufzudecken  und  meine  abweichende  Ansicht  näher  zu  be- 
gründen. 

Wenn  sich  M.  mehr  mit  der  Literatur  über  die  lateinische  Tempus- 
und  Moduslehre  vertraut  gemacht  und  wenn  er  seine  Theorie  an  den 
anderen  indogermanischen  Sprachen  geprüft  hätte,  so  würde,  glaube  ich, 
sein  Buch  wesentlich  dünner  geworden  sein. 

Grimma.  A.  DIttmar. 


19)  Fr.  Holzweifsig,  Übungsbuch  ftkr  den  Unterricht  im 
Lateinischen.  Kursus  der  Untersekunda.  Ausgabe  B. 
Hannover,  Norrddeutsche  Yerlagsanstalt  0.  Ooedel,  1902.  YIII 
u.  203  S.  8. 

geb.  J(  2. 40. 

Das  Buch  ist  die  Fortsetzung  von  dem  bekannten  lateinischen  ünter- 
richtswerke  des  Verf.  und  nach  denselben  Grundsätzen  wie  die  vorauf- 
gehenden Teile  gearbeitet.  Es  beginnt  mit  Einzelsätzen,  die  zur  Ein- 
übung der  Modus-  und  Tempuslehre  bestimmt  sind.  Sehr  zweckmäfsig 
sind  sie  meist  den  lateinischen  Schriftwerken,  besonders  solchen  Reden 
Ciceros,  die  in  Untersekunda  gelesen  werden,  entnommen  und  daher  für 
den  Schüler  nicht  nur  sprachlich,  sondern  auch  inhaltlich  lehrreich. 

Den  Einzelsätzen  folgen  zusammenhängende  Übungsstücke :  26  Stücke 
über  die  Verschwörung  Katilinas,  7  über  die  erste  Eatilinarisohe  Bede,  30 
über  Ciceros  Leben  und  12  über  die  Anfänge  der  römischen  Geschichte 
bis  zur  Vertreibung  der  Könige.  V\rie  diese  Übersicht  schon  zeigt,  stehen 
die  Stücke  in  Beziehung  zum  Lektürestoffe  der  Klasse,  und  zwar  liefern 
sie  eine  Art  von  sachlichem  Kommentar  dazu,  der  sehr  geeignet  ist,  dem 
Schüler  ein  gründlicheres  Verständnis  der  Schriftsteller,  mit  denen  er  sich 
beschäftigt,  zu  ermöglichen. 

Dies  Verfahren  verdient  uneingeschränktes  Lob.  Denn  hierdurch  wird 
ein  enger  Zusammenhang  zwischen  Lektüre-  und  Grammatikbetrieb  her- 


o 


Neae  Philologiicbe  Bandaebau  Nr.  2.  41 

gestellt,  ohne  dafs  za  dem  Notbehelfe  saft-  und  krafUoeer  Paraphrasen 
der  Schriftstellertexte  gegriffen  wird,  die  dem  Schfiler  keinerlei  Anregung 
bieten  und  sein  Interesse  fflr  die  Lektfire,  anstatt  zu  steigern,  abschwächen. 
Zu  bedauern  ist  nur,  dals  die  viel  gelesene  Bede  de  imperio  nicht  ein- 
gebender berücksichtigt  ist.  Der  Verf.  hat  davon  offenbar  deshalb  Abstand 
genommen,  weil  er  diesen  Stoff  in  der  Ausgabe  A  ausführlich  bebandelt 
hat  Dies  hätte  ihn  aber  nicht  davon  abhalten  sollen,  wenigstens  einige 
Stücke  über  Pompejns,  Lukullus  und  Mithridates  einzuschalten.  Ebenso 
entbehre  ich  nur  ungern  Abschnitte  über  das  zweite  Buch  des  Livius  und 
über  das  Leben  und  das  Werk  des  grofsen  Historikers.  Für  diese  Aus- 
führungen hätte  sich  leicht  Baum  schaffen  lassen,  wenn  das  Leben  Giceros 
nur  bis  zu  seinem  Konsulate  behandelt  worden  wäre.  Diese  Beschrän- 
kung halte  ich  für  wünschenswert.  Denn  alles,  was  über  das  Jahr  63 
hinausliegt,  berührt  nicht  mehr  den  Lektürekreis  eines  Untersekundaners, 
ja  wird  kaum  recht  von  ihm  verstanden  werden,  da  er  nur  ganz  ober- 
flächliche Kenntnisse  von  der  römischen  Geschichte  besitzt.  Viel  besser 
wfirden  sich  diese  Stücke  (89—119)  für  eine  Unterprima  eignen,  wo  sie 
eine  treffliche  Ergänzung  und  Erläuterung  zur  Lektüre  der  Briefe  Giceros 
bilden  würden. 

In  der  zweiten  Abteilung  des  Buches  werden  Beispiele  zur  Ableitung 
grammatischer  Kegeln  und  eine  Zusammenstellung  grammatisch-stilistischer 
Eigentümlichkeiten  gegeben.  Beide  Sammlungen  zeichnen  sich  durch 
übersichtliche  Anordnung  aus  und  werden  mit  grofsem  Nutzen  im  Unter- 
richte verwendet  werden.  Die  dritte  Abteilung  besteht  aus  einem  Wörter- 
yerzeichnis,  in  dem  der  Schüler  die  nötigen  Übersetzungshilfen  für  die 
einzelnen  Stücke  findet.  Durch  diese  Einrichtung  sind  Anmerkungen 
unter  dem  Texte,  die  der  Verf.  mit  Becht  für  unmethodisch  hält,  entbehr- 
lich gemacht. 

Im  einzelnen  sind  mir  folgende  Versehen  aufgefallen:  S.  75  Z.  27 
mofs  es  heiisen  L.  Cornelius  Chrysogonus,  S.  113  Z.  18  Qu.  Pedius. 
Cicero  tat  im  Alter  von  17  Jahren  seine  ersten  Kriegsdienste  (S.  74)  und 
bewarb  sich  30  Jahre  alt  um  die  Quästur  (S.  78).  Der  Spruch  des  Ge- 
richtes in  der  Sache  des  Quinctius  ist  nicht  bekannt  (S.  75  Z.  22). 
Oejotams  war  Tetrarch  von  Galatien  (S.  105  Z.  17)  und  ist  nicht  persönlich 
zu  seinem  Prozesse  nach  Bom  gekommen  (S.  105  Z.  19).  Marius  hat 
das  erste  Konsulat  nicht  wegen  des  Gimbrischen  Schreckens  erhalten  (S.  87 
Z.  30)  und  Lukullus  ist  nicht  bis  Artaxata  vorgedrungen  (8.  86  Z.  5). 


42  Neue  Philologisohe  BnndBchan  Nr.  2. 

Giceros  militärische  Leistungen  in  Gilicien  waren  recht  unbedeutend 
(S.  100  Z.  9),  und  es  war  trotz  Plutarch  schwerlich  ein  Ausdruck  der 
Hochachtung,  wenn  Gftsar  Cicero  mit  Theramenes  (Kdd^oQvog!)  verglich 
(S.  105  Z.  32).  S.  92  Z.  29  f.  ist  unverständlich,  das  Richtige  ergibt 
sich  aus  ad  Attic.  1,  16,  10  und  Plut.  Gic.  29.  S.  106  Z.  26  steht 
„ zunächst '*  an  &Ischer  Stelle,  es  gehört  zu  „vereinigten^'.  S.  105  Z.  36 
mufs  es  heifsen:  „Gäsar  habe  durch  Wiederaufstellung  der  Bildsäulen  des 
Pompejus  sich  selbst  eigene  errichtet/'  S.  101  Z.  14  ist  für  „geföbr- 
licher''  unseliger  zu  setzen  (miserius  ad  fam.  16,  12,  2).  In  einem 
Mustersatze  halte  ich  das  unklassische  inceperis  (S.  138)  für  bedenklich, 
ebenso  die  Konstruktion  von  valere  mit  dem  Infinitiv  (S.  144).  S.  164,  28 
mufs  es  Hamilcar  statt  Hasdrubal  heifsen,  S.  162,  11  tribunorum  mili- 
tum  statt  militum.  Druckfehler  sind  Graehus  S.  17,  15  und  accurit 
S.  147,  32. 

Potsdam.  B.  Kraue. 

20)  Los  Freres  Eip  par  Jules  Yeme.    lUustrations  par  George 

Boux.    P*  partie.    GoUection  Hetzel.    3*  Edition.  3  fr. 

Der  Verf.  schildert  uns  in  der  vorliegenden  Erzählung  die  Südsee 
mit  ihrer  Inselwelt  und  ihrer  reichen  Natur;  das  Klima,  die  Bewohner 
mit  ihren  politischen  und  Handelsinteressen,  Fauna,  Flora,  kurz,  alles  wird 
uns  bei  Gelegenheit  der  Beise  eines  Kauffahrers  in  der  interessantesten 
Weise  vorgeführt.  Der  Titel  stammt  her  von  zwei  Schiffbrfichigen ,  die 
vom  Schiffe  aufgenommen  werden,  und  von  denen  der  eine,  ein  Seemann, 
nach  Ermordung  des  Kapitäns  durch  zwei  seiner  Leute,  das  Schiff  aus 
grofser  Gefahr  befreit,  in  die  es  diese  absichtlich  stürzten,  um  sich  des- 
selben zu  bemächtigen  und  damit  Seeraub  zu  treiben. 

Wilmersdorf  (Berlin).  W.  Buhle. 

21)  Mademoiselle  de  la  Seigliöre.    Gom^die  par  Jnles  Sandeau. 

iSdition  pr^cöd^  de  notices  biographiques  et  historiques  et  accom- 
pagn^e  de  notes  par  E.  Engelke.  Gotha,  Friedrich  Andreas 
Perthes,  1902.     121  S.  8.  geh.  Ji    1.60. 

Wörterbuch  dazu  Ji  — .20. 
Über  den  Wert  dieses  Lustspiels  als  Schullektfire  ist  kein  beurtei- 
lendes Wort  nötig,  da  derselbe  unbestritten  ist,  und  Sandeaus  Stück  in 
immer  steigendem  Mafse  für  die  Schule  verwertet  wird,  ja,  ohne  Neben- 
buhler aus  der  neueren  Zeit  dasteht.    Es  ist  deshalb  im  hohen  Mafse  zu 


Neue  Philologische  Rundeehaii  Nr.  3.  48 

bedauern,  dab  gerade  dieses  Lustspiel  zum  Objekt  gewählt  worden  ist, 
um  eine  prinzipielle  Streitfrage  in  Bezug  auf  das  Urheberrecht  zwischen 
deutschen  und  französischen  Verlegern  zu  entscheiden.  Die  dadurch  not- 
wendig gewordenen  Efirzungen  schädigen  das  Kunstwerk  auf  jeden  Fall, 
und  es  ist  nun  die  schwere  Aufgabe  der  Herausgeber,  diese  Schäden  nach 
Möglichkeit  zu  verdecken  und  auf  das  geringste  Mafs  zu  beschränken. 
Ich  denke,  diese  Aufgabe  hat  Engelke  in  einer  allen  billigen  Anforderungen 
durchaus  genfigenden  Weise  gelOsi  —  Weiterhin  unterscheidet  sich  seine 
Ausgabe  von  den  bisherigen  dadurch,  dafs  Einleitung,  Biographie  des 
Dichters  und  mit  verschwindenden  Ausnahmen  auch  die  Anmerkungen 
französisch  gehalten  sind.  Zar  Einfahrung  in  die  dem  Stücke  zn  Grunde 
liegenden  politischen  Verhältnisse  ist  obendrein  eine  längere  Notiz  über 
die  Emigranten,  ebenfalls  in  französischer  Sprache,  Foransgeschickt.  Die 
Anmerkungen  (24  Seiten  bei  98  Seiten  Text)  sind  teils  Sach-,  teils  Wort- 
erklärungen; auch  war  es  nötig,  gelegentlich  Redensarten  umzureden  und 
Eonstruktionshilfe  zu  erteilen.  Worterklärungen  sind  in  der  Hauptsache 
da  gegeben,  wo  eine  ungewöhnliche  Bedeutung  vorlag  oder  sonst  eine 
Notiz  hinzogefBgt  werden  sollte ;  im  übrigen  hilft  ein  französisch-deutsches 
Wörterbuch  aus. 

Korrektheit  des  Druckes  und  der  Anmerkungen  lassen  nichts  zu 
wünschen  übrig,  und  auch  der  Verleger  hat  das  Buch  in  gewohnter  Güte 
ausgestattet.  Über  Verwendbarkeit  und  Form  einsprachiger  Kommentare 
ist  ausführlicher  in  dem  ersten  Artikel  der  vorigen  Nummer  gesprochen. 

Osnabrück.  K 


22)  Expedition   de  Bonaparte  en  Jigjrpte  et  en  Syrie  par 

Adolphe  Thiers.    Annette  par  0.  Selmlze.    Leipzig,  Bofsberg- 

sche  Verlagsbuchhandlung,  1902.  78  u.  82  S.  8.       geb.  Jt  1.80. 

Nach  wie  vor  zfthlt  die   ägyptische  Expedition   zu  denjenigen  Ge* 

Schichtswerken,  welche  für  unsere  Schulen  am  meisten  verwendet  werden. 

Die  aus  dem  grofsen  Werke  des  Verfassers  getroffene  Auswahl  ist  dabei 

nur  in  unbedeutenden  Punkten  verschieden,  jedoch  bringt  ein  Teil  der 

Ausgaben  die  ganze  Expedition  bis  zum  Schlufs,  während  andere  mit  der 

Landung  Bonapartes  in  Frankreich  schliefsen.     Zu  letzteren   gehört  die 

vorliegende  Ausgabe.  Wie|[es  auch  schon  in  der  vom  Unterzeichneten  besorgten 

Angabe  (Perthes)  geschehen  ist,  gibt  Schulze  hernach  noch  eine  Skizze 

der  zweiten  Hftlfte  der  Expedition  (nach  Martehal).    Auf  eine  Stelle  im 


44  Nene  Philologische  Bnncbehan  Nr.  2. 

Texte  mochte  ich  hier  die  Aufmerksamkeit  richten:  S.  20,  Z.  5—18. 
Ich  habe  sie  in  meiner  Ausgabe  fortgelassen,  da  sie  eine  ganze  Reihe 
von  besonders  meteorologischen  Irrtfimern  teilweise  der  schlimmsten  Art 
enthält,  die  in  „Neuere  Sprachen''  VII,  S.  378  ff.  von  mir  ausführlich 
dargelegt  sind.  Diese  Stelle  mufs  in  den  Schulausgaben  entweder  berich- 
tigt oder  besser  aus  ihnen  entfernt  werden.  Im  übrigen  gibt  der  Text 
keinen  Anlafs  zu  Bemerkungen.  Die  Anmerkungen,  Sachkenntnis  und 
pädagogischen  Takt  zeigend,  sind  ebenso  wie  Einleitung,  Biographie  und 
Anhang  in  französischer  Sprache  geschrieben  und  sehr  reichlich  bemessen 
(82  S.  bei  78  S.  Text).  Schulze  hat  weit  mehr  Worterklärungen  als 
Engelke,  greift  auch  häu^er  zu  dem  Mittel,  das  deutsche  Wort  neben 
der  französischen  ümredung  anzugeben.  Ein  Wörterbuch  ist  nicht  bei- 
gefügt, da  die  zahlreichen  Anmerkungen  dasselbe  ersetzen  sollen.  (Es 
liegen  bei  Engelke  und  Schulze  also  für  die  verschiedene  Behandlung  der 
Noten  augenscheinlich  verschiedene  methodische  Anschauungen  zu  Grunde. 
Näheres  darüber  im  Leitartikel  der  vorigen  Nummer.)  Als  Anhang  sind  fol- 
gende Skizzen  beigegeben:  Gampagne  de  Desaix  contre  Mourad  Bey;  Ba- 
taille  d'Aboukir;  Vie  de  Bonaparte  jusqu'ä  FExpödition  d']ßgypte;  Le 
Galendrier  r^publicain.  Zwei  saubere  E[artenblätter  sorgen  far  die  erfor- 
derliche geographische  Anschauung.  Besondere  Druckfehler  und  Irrtümer 
sind  mir  nicht  aufgestofsen;  die  Anmerkungen,  in  denen  ebenso  wie  in 
der  Einleitung  manche  kleine  Berichtigungen  enthalten  sind,  sind  für 
sich  gebunden. 

Osnabrück.  K 


23)  Julius  Cserwinkay  Shakespeare  und  die  Bfthne.  Wies- 
baden, Heinr.  Staadt,  1902.  90  S.  8. 
Von  diesen  zehn,  im  Umfang  je  eines  längeren  Feuilletonartikels  ge- 
haltenen Abhandlungen  über  die  dramatische  Bewertung  einzelner  Szenen 
und  Charaktere  aus  Shakespeares  in  Deutschland  meist  gegebenen  Dramen 
sind  Nr.  3,  4,  7  und  9  (die  Apothekerszene  im  Romeo,  Signor  Antonio 
im  Kaufmann,  die  Schauspieler  im  Hamlet  und  die  Erscheinungen  in 
Richard  IIL  betreffend)  schon  früher  in  den  Jahrbüchern  der  deutschen 
Shakespeare-Gesellschaft  (1899  —  1901)  veröffentlicht  worden.  Unter  ge- 
legentlichen Polemiken  gegen  Brandes  (Julius  Cäsar)  und  den  um  den 
deutschen  Shakespeare  und  seine  Bühneninterpretation  so  verdienten,  frei- 
lich meist  von  der  traditionellen  Bühnenschablone  ausgehenden  Oechel- 


o 


Nene  Philologiache  Bandgchaa  Nr.  2. 45 

häoser  wendet  sich  auch  Gserwinka  nicht  an  die  Shakespeare- Forscher, 
sondern  an  die  dramaturgischen  BfihnenSsthetiker,  an  das  deutsche  Theater- 
Publikum,  an  die  Schauspieler  und  Bogisseure.  Seine  Abhandlungen  haben 
insgesamt  drei  nicht  geringzuschätzende  Vorzfige:  einmal  kennt  der  Verf. 
seinen  Shakespeare  (wenigstens  die  behandelten  Stficke)  in-  und  auswendig, 
dann  sind  seine  Gedanken  darüber  selbständig  gedacht  und  zum  Teil  wirklich 
neu,  und  endlich  ist  die  Form,  in  die  er  sie  kleidet,  lebendig,  farbenreich 
und  —  selbstbewursi  Jeder  dieser  Vorzfige  hat  aber  seine  Komplementär- 
fehler.  Gserwinka  kennt  seinen  Shakespeare  so  gut,  daTs  er  ihn  für  un- 
fehlbar hält  Alles  was  von  Shakespeares  Genie  herstammt,  ist  ffir  ihn 
inspirierte  Offenbarung,  an  der  jede  Kritik  abprallen  mufs.  Das 
drängt  sich  in  seiner  Charakterauslegung  des  Kaufmanns  von  Venedig 
auf.  Dafs  hier  ethische  und  ästhetische  Ehren  auf  die  Person  des  An- 
tonio gehäuft  werden,  die  dieser  in  seiner  gespreizt  melancholischen 
Blasiertheit  und  ganz  unrenaissancehaften  Passivität  und  unkaufmännischen 
Knrzsichtigkeit  weder  moralisch  (als  unchristlicher  Christ)  noch  dramatisch 
(dazu  ist  er  eben  zu  passiv)  verdient,  ist  von  unserer  modernen  Empfin- 
dung aus  nicht  zu  leugnen.  Gserwinka  will  durchaus  einen  tragischen 
Helden  aus  ihm  machen,  der  von  unklugem  Hochmut  zu  christlicher  Er- 
kenntnis durchgeläutert  wird.  Er  verkennt  aber  ganz,  dals  Shakespeare 
hier  zwei  dramatisch  ganz  heterogene  Stoffe,  ein  Lustspiel  (Portia  und 
die  Freier)  und  eine  Tragödie  (Antonio  und  Shjlock)  in  genialer  Sorg- 
losigkeit zu  verschmelzen  suchte,  und  dafs  die  Verschmelzung  eben  nicht 
restlos  gelang. 

Dafs  Gserwinka  selbständig  denkt,  schliefet  nicht  aus,  dafs  er  sich  auch 
irrt.  Denn  ist  selbst  Shakespeare  ein  Mensch,  wie  viel  mehr  Gserwinka  und 
wir.  Und  doch  ist  gerade  die  Selbständigkeit  und  die  frische,  individuelle 
Farbe  der  Ansichten  das  Beste  an  seinem  Buch.  Auch  wer  ihm  nicht 
immer  zustimmt,  wie  ich  ihm  auch  nicht  in  seiner  Ansicht  von  der 
inneren  Einheit  der  Cäsar-Tragödie  zustimme,  wird  durch  den  selbständigen 
Gedankengang  der  Cserwinkaschen  Ausffihrungen  lebhaft  angeregt  werden. 
Mit  Becht  sagt  ja  Stuart  Mill:  „Truth  gains  more  by  the  errors  of  one 
who  thinks  for  himself,  than  by  the  true  opinions  of  those  who  do  not 
suffer  themselves  to  think.'^ 

Der  dritte  Vorzug  der  farbenreichen,  selbstbewufsten  und  fiberzeugten 
Darstellung  erzeugt  als  Schatten  leicht  die  Anmalsung  des  aphoristischen 
Prophetentones  ä  la  Nietzsche,  und  dem  ist  der  Verf.  nicht  immer  ent- 


46  Neue  Philologische  Bunclschaa  Nr.  d. 

gangen.  Danait  scheint  auch  in  etwas  die  reklamehafte  ümschlagdecke 
der  Broschüre  in  Zasammenhang  zu  stehen,  obgleich  wir  diese  lieber  dem 
spekulativen  Verlagsinstinkt  zuschieben ,  weil  sie  dort  eher  verzeihlich  ist. 
Auf  dem  Umschlag  sind  die  Bruchstücke  einer  altmodischen  grofsen  Brille 
dargestellt,  durch  deren  zerschmetterte  Glasstücke  man  noch  alles  verkehrt 
und  entstellt  sieht.  Es  ist  die  gefärbte  Brille  der  alten  traditionellen 
Shakespeare- Auslegung,  die  durch  Herrn  Gserwinkas  Abhandlung  von  neunzig 
Feuilletonseiten  zerschlagen  wird,  so  dafs  die  Wahrheit  nunmehr  un- 
geschminkt erschaut  werden  kann.  Trotzdem  kann  man  jedem,  der  Shake- 
speare liebt  und  kennt,  raten,  sich  durch  diese  ungeschickte  Reklame 
nicht  abschrecken  zu  lassen.  Das  Buch  enthält  viel  glückliche  und  frisch 
geformte  Bemerkungen,  einige  wertvolle  Gedanken,  von  denen  die  besten, 
vor  allem  die  über  die  Hinauskehrung  der  Geschäftsinteressen  aus  dem 
Tempel  der  Kunst,  in  dem  geistvollen  und  begeisterten  Epilog:  „Die  Lei- 
tung des  Prospero-Theaters  an  das  Publikum''  zusammengedrängt  sind, 
und  es  legt  Zeugnis  ab  von  einer  ehrlichen  Hingabe  an  die  grofse  Eunst- 
welt  Shakespeares. 

Bremen.  Oerh.  Hellmera. 

24)  E.  Engelke,  Le  petit  Vocabulaire.    Gotha,  Friedrich  Andreas 
Perthes,  1902.     59  S.  8.  kart.  Ji  —.  70. 

Es  ist  ein  Übelstand  der  meisten  Lehrbücher,  dafs  sie  auf  die  Pflege 
des  Wortschatzes  zu  wenig  Wert  legen^  und  doch  ist  dies  eine  sehr  wich- 
tige Seite  des  Sprachunterrichtes!  Weitaus  die  meisten  Menschen  werden 
nur  durch  den  Umstand,  dafs  sie  einen  zu  geringen  Wortschatz  der 
Fremdsprache  in  sich  aufgenommen  haben  und  so  fortwährend  auf  die 
Benutzung  eines  Wörterbuches  angewiesen  sind,  davon  abgehalten,  nach 
Ablauf  ihrer  Schulzeit  jemals  ein  französisches  Buch  wieder  in  die  Hand 
zu  nehmen.  Es  ist  dieses  Ergebnis  langjähriger  Arbeit  jedenfalls  be- 
klagenswert, und  viel  wäre  meines  Erachtens  schon  erreicht,  wenn  der 
angefahrte  Hinderungsgrund  fortfiele.  Diesem  Übelstande  will  das  Büch- 
lein von  Engelke  abhelfen,  indem  es  für  die  Klassen  VI  bis  Uli  eine 
Zusammenstellung  der  wichtigsten  französischen  Wörter  (etwa  1500),  nach 
Begriffskreisen  geordnet,  dem  Schüler  an  die  Hand  gibt.  Dabei  bietet 
sein  Vocabulaire  nicht  eine  ermüdende  Sammlung  von  Substantiven,  Ad- 
jektiven und  Yerben  in  langer  Reihe,  sondern  zusammengehörige  Wörter 
sind  so  zusammengestellt,   dafs  sich  leicht  kleine  Sätze  daraus  formen 


/^ 


Neue  Philologische  Bnndaehan  Nr.  2.  47 


lassen.  Einige  Beispiele  mögen  dieserUatem:  Bei  T^Mmge  fehli  nicht  mouiUer, 
zu  la  deni  sind  gestellt:  perdre,  mardre,  neUayer,  zu  fe  puüs:  puiser  dans, 
le  seau  u.  &  w.  Der  Verf.  stellt  seine  Sammlang  also  gleichzeitig  in 
den  Dienst  der  Sprechübungen,  wozu  sie  sich  namentlich  auch  deswegen 
gut  eignen,  weil  die  Begriffe  der  nächsten  Lebenssphäre  entnommen  sind. 
Der  Schüler  lernt  so  von  VI  bis  II  seine  Umgebung  allmählich  in  fran- 
zösischer Benennung  kennen.  Schule,  Haus,  Familie,  Garten,  Körper, 
Kleidung,  Dorf,  Stadt,  Verkehrswesen,  Wetter  und  Gesundheit,  also  durch- 
aus konkrete,  naheliegende  Verhältnisse,  sind  die  wichtigsten  Gebiete,  die 
von  dem  Verf.  berücksichtigt  worden  sind.  Wie  die  Erfithrung  lehrt, 
gibt  es  keine  dankbareren  Gesprächsstoffe  für  Schulzwecke  als  die  ge- 
wöhnlichen Dinge  des  täglichen  Lebens,  und  die  neuen  preufsischen  Lehr- 
pläne schreiben  daher  solche  Sprechübungen  mit  Recht  vor.  Dahin 
gehören  namentlich  auch  die  kleinen  Vorkommnisse  des  Klassenlebens, 
die  von  dem  Verf.  gleich  in  VI  gebührend  herangezogen  werden. 

Mancher  Lehrer  wird  ja  auch  schon  ohne  Zugrundelegung  einer  ge- 
druckten Sammlung  solche  tTbungen  veranstaltet  haben,  aber  bei  Über- 
nahme fremder  Klassen  oder  zurückbleibender  Schüler  wird  man  doch 
häufig  das  Fehlen  einer  sicheren  Grundlage  und  eines  festen  Bückhaltes 
für  Wiederholungen  schmerzlich  empfinden,  und  nur  ein  jahrelanges  Üben 
und  Wiederholen  dieser  Wendungen,  wie  es  allein  bei  Zugrundelegung  einer 
gedruckten,  für  die  ganze  Anstalt  verbindlichen  Sammlung  möglich  ist, 
gewährleistet  jenes  Hineinleben  in  den  fremden  Ausdruck,  welches  das  ur- 
sprünglich Fremde  allmählich  zur  zweiten  Natur  werden  läfst.  Soll  daher 
nicht  alles  in  der  Luft  schweben,  und  soll  das  von  dem  einzelnen  Lehrer 
Erarbeitete  im  weiteren  Gange  des  Unterrichts  nicht  wieder  verloren 
gehen,  so  ist  ein  Vocabulaire  notwendig,  und  das  Buch  von  Engelke  mufs 
daher  als  eine  schätzenswerte  Unterstützung  des  fremdsprachlichen  Unter- 
richts begrüfst  werden. 

Der  Anhang,  der  die  Stammformen  der  unregelmäfsigen  Verben  ent- 
hält, gehört  zwar  nicht  notwendig  dazu,  ist  aber  doch  gut  brauchbar, 
weil  man  auch  bei  Sprechübungen  häufig  genötigt  sein  wird,  auf  unregel- 
mäfsige  Verbalformen  zurückzukommen.  Vielleicht  wäre  es  ganz  praktisch, 
bei  einer  Neuauflage  diesem  Anhange  noch  eine  Zusammenstellung  der 
gewöhnlichsten  idiomatischen  Wendungen  der  unregelmäfsigen  Verben 
nebst  denen  ihrer  Ciomposita  hinzuzufügen.  Die  unregelmäfsigen  Verben 
bieten  in  ihrer  phraseologischen  Verwendung  und  in  ihren  grammatischen 


48  Ken«  Philologisehe  Bimdschau  Kr.  2. 

Konstruktionen  so  viel  £igentfimlichkeiten  und,  entsprechend  ihrer  grofsen 
Wichtigkeit,  so  viel  unbedingt  Wissenswertes,  dafs  zu  ihrer  gründlichen 
Erlernung  ein  besonderes  Hilfsmittel  gerechtfertigt  erscheint. 

Ich  wfinsche  dem  Buche  einen  guten  Erfolg. 

Bremen.  W.  R5hm. 

Vakanzen. 

Barmen,  H.M.S.  Obl.  Deutsch  u.  Nat.  Dir.  Armbrost.  Bergedorf,  B.S.  n.  Prog.  Obl. 
klass.  Ph.  Bürgermeister.  Brandenburg,  B.G.  (v.  Saldem).  Obl.  Math.  Magistrat. 
Danzig,  H.T.S.  ObL  N.  Spr.  Magistrat.  Dortmund,  O.B.  Obl.  Gesch.  Stadt.  Schul- 
knratoriom.  Essen,  O.B.  Obl.  Deutsch  u.  Gesch.  Dir.  Dr.  Welter.  Frankfurt  a.  M.« 
Eüsabeth-Sch.  ObL  N.  Spr.  Koratoriun  d.  höh.  Seh.  Geestemttnde,  BS.  Obl.  K 
Spr.  Dir.  Dr.  Eilker.  Giadbaeh,  O.B.  Obl.  N.  Spr.  Direktor.  Grofe-Ltehterfelde, 
O.B.  Obl.  N.  Spr.  Euratorinm.  Herford,  B.S.  Obl.  Gesch.,  Deutsch.  Dir.  Dr.  DroyseD. 
Hetde  t.  Holstein,  B.S.  Obl.  Magistrat  Höchst,  G.  u.  B.S.  Obl.  N.  Spr.  Kuratorium. 
Iserlohn,  H.M.S.  Dir.  Kuratorium.  Kattowitz,  H.M.S.  Dir.  Majnstrat.  Königs- 
iMrg  i.  Pr«,  G.  Obl.  klass.  Phil.  Mi^strat.  SJrefeld,  B.G.  Obl.  Deutsch  und 
Lat.  Dir.  Dr.  Schwabe.  Laiigendreer,  B.S.  Obl.  N.  Spr.  Amtmann  Schüler. 
Liegnitc,  H.M.S.  Dir.  (Gesch.,  Geogr.,  Deutsch).  Bixdorf,  B.G.  Obl.  N.  Spr.  Ma- 
gistrat. Batlngen,  Prg.  ObL  Math.  Dir.  Petry.  Schwerte,  Prg.  ObL  klass.  Phil. 
Kuratorium.  Steglitz,  O.B.  ObL  N.  Spr.  —  Desgl.  Math.  Bürgermeister  Buhrow. 
WilhelmshATen,  B.S.  ObL  K.  Spr.    Magistrat.    Wilmersdorf,  Victoria-S.  ObL  N.  Spr. 

G  emeindevorstand. 

Paul  Neff  Verlag  (Carl  Bflchle)  In  Stuttgart 


In  unserem  Verlag  ist  komplett  erschienen  die 

Zehnte  Ruflage 

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Christoph  Fr.  Griehs 

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neu  bearbeitet  und  vermehrt 

von 

Dr.  Arnold  Schröer 

ord.  Professor  ian  der  Handelshochsclinle  zu  Köln 
well.  ord.  Professor  der  englischen  Philologie  an  der  Universität  Freibnrg  i.  B. 

160  Bogen  dreispaltiger  Satz  in  6r.-Lex.  8^. 

I.  Band:  n  Band: 

ÜSngliMoli .  DeMteioH  DeM-baoli  -  !Bn|g^li«o]ii 

elex>  m  Halbleder  geb.  M.  14.—  eleg.  in  Halbleder  gt  dT  M.  12.— 


Durch  seine  Rückfdchtnahme   anf  die  phonetischen  und    sprachgeschichtlichen  For- 
schungen der  Gegenwart  hat  das  Werk  ein  ganz  eigenartiges  Verdienst  gewonnen.    Es  be- 
deutet eine  Popnmrisiemng  der  heutigen  englischen  Sprachwissenschaft  im  besten  Sinne. 
Dr.  A.  Brasdl,  ord.  Professor  der  engl.  Philologie  an  der  Uslvertltät  Berlin. 

Ig^  Zu  haben  in  allen  Buchhandlungen  "^B 

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Für  die  Bedaktlon  reruitwortlieh  Dr.  E.  Lsdwli  in  BfMieR. 
Drmck  und  Yerlmg  ron  Frltirleli  Aairta«  PerthM  in  Betlia. 

Hierzu  als  Beilage:  Prospekt  der  Weidmannsehen  Baehhmndliing  in  Berlin,  be- 
treffend Antike  Sehlaehtfelder  In  C^riechenluid  von  Johannes  Kromayer. 


^ 


-<<.r./. 


FEB  21  19^,    - 


Gk>fha»  7.  Februar.  Kr.  8,  Jahrgang  1903« 

Neue 

PhilologischeRundschau 

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Dr.  C.  Wagener  und  Dr.  E.  Ludwig 

in  Bremen. 

Knohtiiit  alle  14  Tage.  ~  Preis  fflr  den  Jahrgang  8  Mark. 

Beetellnngen  nehmen  alle  Bachhandlnngen,  sowie  die  Postanstalten  des  In-  and  Anslandes  an, 

Insertlonsgebtthr  flir  die  einmal  gespaltene  Petitieile  80  Püg. 

Inhalt:  Bezensionen:  25)  V.  TommaslDi,  Xenophontis  de  re  pablioa  libeUns 
(M.  Wiesenthal)  p.  49.  —  26)  Eng,  Drernp,  Bericht  über  eine  Stadienielse  zur 
Erforschimg  der  Demosthenes-Überliefemng  (May)  p.  50.  —  27)  W.  Gebhardi, 
ÄathetiBcher  Kommentar  zu  den  lyrischen  Dichtungen  des  Horaz  (E.  Bosenbeig) 
p.  54.  —  28)  S.  Bürger,  De  Ovidi  carminnm  amatorinm  inventione  et  arte 
(G.  Schüler)  p.  55.  —  29)  R.  Schneider,  Text  nnd  Obersetzung  zum  gallischen 
^nege,  I.  Buch  (B.  Menge)  p.  55.  ~  30)  L.  Valmaggi,  Dialogo  degli  oratori 
(Ed.  Wolff)  p.  56.  —  31)  M.  Voigt,  Born.  Bechtsgeschichte,  3.  Bd.  (0.  Schnlt- 
heCB)  p.  58.  —  32)  St.  Gsell,  Los  monnments  antiqaes  de  TAlg^rie  (W.  Jung) 
p.  59.  —  33)  Scritti  Vari  di  Pilologia  (W.)  p.  60.  —  34)  H.  Schiller,  Welt- 
geschichte, 2.  Bd.  (W.  Stern)  p.  62.  --  35)  A.  Zimmermann,  Entwickelnng 
der  altrömischen  Personennamen  (Meltzer)  p.  62  —  36)  J.  Gustav  Schulz, 
Attische  Yerbalformen  (Bruucke)  p.  63.  >-  37/38)  H.  Deiter,  Übungsstücke 
zum^Übersetzen  ins  Lateinische  im  Anschlufs  an  Livius  I  und  II ;  Derselbe,  Übungs- 
stücke im  Anschluls  an  Livius  XXI  (£.  Krause)  p.  63.  —  39)  J^mile  Bodhe, 
Essais  de  Philologie  Moderne  (H.  Knobloch)  p.  64.  —  40)  F.  Hemon,  Cours  de 
Litt^rature  [J.-J.  Bousseau]  (M.  Ewert)  p.  67.  —  41)  C.  M armier,  Geschichte 
und  Sprache  der  Hugenottenkolonie  Friedrichsdorf  am  Taunus  (B.  Böttgers) 
p.  67.  —  42)  Wershoven,  Conversations  fran^aises  (K.  Engelke)  p.  69.  — 
43)  Frances  Hodgson  Barnett,  Sara  Crewe,  herausgegeben  von  F.  Mers- 
mann  (Job.  Jent)  p.  70.  —  44)  Fr.  Baumann,  Beform  und  Antireform  im  neu- 
sprachlichen  Unterricht  (Fries)  p.  71.  —  45)  H.  Win  ekler,  Die  babylonische 
Kultur  (B.  Hansen)  p.  71.  —  Vakanzen.  —  Anzeigen. 

25)  Vincentius  Tommasini ,  Xenophontis  de  re  eqnestri  li- 
bellus  reo.  (V.  T.).    Berlin,  Weidmann,  1902.    V  n.  71  S.  8 

J(  2.—. 
Die  vorliegende  Aasgabe  ist  der  Zwilling  zu  P.  Gerocchis  Hip- 
parchicns,  der  in  Nr.  4,  Jahrgang  1902  dieser  Zeitschrift  besprochen 
wurde;  was  Anlage  and  Ausstattang  des  Bfichleins  betrifft,  genfigt  es  also 
aaf  jene  Anzeige  za  yerweisen.  Aach  diese  Arbeit  ist  anter  den  Aaspizien 
von  Diels  entstanden;  es  scheint,  als  ob  eine  deatsch- italienische  Philo- 
logenschale sich  bilde.  Ihre  Erstlingsgaben  sind  gar  nicht  schlecht; 
wfinschen  wir,  dafs  auch  aas  ihr  meri  daces  hervorgehen  mQgen! 


50  Neae  Philologische  Bundschaa  Nr.  3. 

Der  Herausg.  macht  —  und  mit  guten  Gründen  —  zur  Grundlage 
seiner  Rezension  einen  Wiener  codex  A.  Aber  wenn  auch  unter  Blinden  der 
Einäugige  König  ist,  so  ist  mit  einem  chartaceus  s.  XVI  doch  nicht  so  viel 
Staat  zu  machen,  dafs  die  sonstige  Überlieferung  vernachlässigt  werden 
dürfte.  Dafs  schon  der  anzunehmende  Archetypus  minderwertig  war,  zeigen 
die  allen  Handschr.  gemeinsamen  Fehler,  und  die  schönen  Lesarten  von  A 
sehen  öfters  mehr  nach  humanistischer  Konjektur  oder  Korrektur  als  nach 
genuina  lectio  aus,  z.  B.  VIII,  6  /xad^hwaav  oder  YIII,  8  xaAdv,  das 
wohl  einem  ie^ivov  \ov]  yuaty^bv  seinen  Ursprung  verdankt.  Im  allgemeinen 
hat  der  Herausg.  denn  auch  die  übrige  Überlieferung  methodisch  und 
geschickt  benutzt,  so  dafs  er  einen  wesentlich  gebesserten  Text  bietet. 
An  einigen  Stellen  ist  er  ans  Liebe  zu  A  wohl  allzu  vorsichtig  gewesen: 
des  Stephanus  div&o^axa  III,  11  z.  B.  ist  gegenüber  dem  dii  vBi^iaxa  oder 
deivetjfiara  der  libri  kaum  eine  Konjektur  zu  nennen  und  gehört  in  den 
Text  (Dindorf),  so  gut  wie  YII,  7  sein  oqxiXXoiTo.  UI,  12  ist  ^Ttovg 
als  Gegensatz  zu  tiq^oq  unmöglich,  auch  folgt  unmittelbar  TroddfKtig; 
Weiskes  evTtvovg  trifft  das  Bichtige  vgl.  I,  10. 

Druckfehler:  S.  19  Z.  1  u.  d.  T.  firidefidg,  S.  34  Z.  14  ßovXedij. 

Barmen.  M.  Wleaenthal. 

26)  Engelbert  Drerup,  Vorläufiger  Bericht  Aber  eine  Studien- 
reise zur  Erforschung  der  Demosthenes-Überlieferung. 

Mit  Beiträgen  zur  Textgeschichte  des  Isokrates,  Äschines,  der 

Epistolographen  und  des  Gorgias.    Manchen,   Verlag   der  königl. 

Akademie  (G.  Franz),  1902.    S.  287—323.  8. 

Drerup,  der  schon  in  der  Schrift  „Antike  Demosthenes- Ausgaben ^^ 

viel  handschriftliches  Material  besprochen  und  klassifiziert,  machte  mit 

Unterstützung  der  königl.  bayerischen  Akademie  der  Wissenschafben  eine 

Studienreise  nach  Belgien,  London,  Oxford,  Paris  zur  Erforschung  der 

Demosthenes-Überlieferung,  ferner  nach  Marseille  und  Italieh  (Modena, 

Florenz  und  Bom),  um  seine  Isokrates-  und  Äschines -Studien  zum  Ab- 

schlufs  zu  bringen.   Er  hat  auf  seiner  neunmonatlichen  Beise,  die  ihn  am 

Schlufs   zur   Erholung   auch   nach  Griechenland   und   Eleinasien   führte, 

200  Handschriften  teils  vei^lichen,  teils  untersucht  und  konnte,  obwohl 

er  seine  Arbeiten  in  Italien  nicht  zum  Abschlufs  gebracht  hat,  doch  die 

wesentlichsten  Ergebnisse  in  der  oben  genannten  Schrift  zusammenfassen. 

Der  Hauptzweck  der  Beise  diente,  obwohl  Isokrates  und  Äschines 


^ 


Nene  Philologiaebe  Rundsehau  Nr.  3.  51 

nicht  zu  kurz  kamen,  der  Erforschung  der  Demosthenes-Überliefe- 
rung,  die  durch  Drerups  Studien  und  die  zu  erwartende  Ausgabe  eine 
bedeutende  Förderung  er&hren  wird.  Sehr  interessant  und  wertvoll  ist,  was 
or  Sb»  ^  den  Ffihrer  der  gesamten  Demosthenes-Überliefemng,  sagt,  der, 
obwohl  er  in  einer  pbotographischen  Reproduktion  vorliegt  (ed.  Omont  1892), 
merkwürdigerweise  bisher  doch  noch  nicht  ausreichend  kollationiert  worden 
war.  Vömel  hat  zwar  manche  aus  Korrektur  entstandene  Lesart  angegeben, 
daTs  in  2  aber  zehn  verschiedene  Hände  tätig  waren,  ist  neu.  Wenn 
nun  die  Korrekturen  bis  ins  15.  Jahrhundert  sich  erstrecken,  dann  er- 
klären sich  freilich  die  nicht  wenigen  minderwertigen  Lesarten,  die  seither 
promiscue  verzeichnet  waren.  Es  ist  natürlich  von  der  gröfsten  Wichtig- 
keit, hier  eine  reinliche  Scheidung  vorzunehmen  und  namentlich  festzu- 
stellen ,  was  der  ä^x^^ia  e^dooig  angehört.  Ebenso  wichtig  ist  die  Schei- 
dung der,  wie  Drerup  angibt,  fünf  Korrektoren-  und  Scholienhände  in  Y, 
einer  Handschrift,  die  mit  FQD  auf  gleicher  Bangstufe  steht  und  deren 
Lesarten  bisher  auch  in  den  Ausgaben  die  gebührende  Berücksichtigung 
gefunden  haben.  Namentlich  beachtenswert  scheint  T  in  den  Proömien, 
wo  die  Handschrift  nach  Drerups  Bemerkung  sich  sehr  eng  mit  Q  berührt. 
Drerups  Bedauern,  dafs  ürb.  113  und  Laur.  59®  bisher  noch  nicht  ge- 
nügend untersucht  sind,  teile  ich  vollständig,  und  das  ist  eine  der  näch- 
sten, jedenfalls  vor  einer  Gesamtausgabe  noch  zu  lösenden  Aufgaben. 
A  betrachtet  Drerup  als  „  einen  Vertreter  des  verwilderten  alexandrinischen 
Vulgattextes^^  Ich  würde  dies  unterschreiben,  wenn  das  Beiwort  „alexan- 
drinisch''  wegbliebe.  2FQDT  in  ihrer  Grundlage  auf  alexandrinische  Zeit 
zurückzufahren,  möchte  angeben,  aber  den  Ursprung  von  cod.  A,  obgleich 
er  aus  der  gleichen  Zeit  wie  jener  stammt,  so  früh  anzusetzen,  ist  doch 
sehr  zweifelhaft.  Es  bleibt  bezüglich  der  Entstehung  von  A  noch  ein 
weiter  Spielraum  für  Hypothesen,  denn  die  Klassikerüberliefemng  war 
noch  bis  ins  10.  und  11.  Jahrhundert,  namentlich  in  Kleinasien  und 
auf  einzelnen  Inseln,  lebendig  und  reich.  Sehr  richtig  ist,  was  Drerup 
über  die  seitherige  Vernachlässigung  einzeber  Sonderhandschriften  sagt.  So 
lange  nicht  die  Überlieferung  bis  auf  das  letzte  Stückchen  erforscht  ist, 
so  lange  steht  auch  die  diplomatische  Grundlage  nicht  fest.  Wie  man 
bisher  in  der  Regel  nur  die  philippischen  Beden  und  diese  bis  zum  Über- 
drufs  herausgegeben  hat,  so  hat  man  auch  nur  die  wichtigeren  Handschriften 
berücksichtigt.  Demgemäfs  untersucht  Drerup  eine  Beihe  von  Handschriften, 
die  zum  Teil  noch  interessanten  Aufschlufs  versprechen.    Dahin  scheint 


52  Keua  Philologische  Bnndschan  Kr.  S. 

besonders  r  =  cod.  Paris  2936  zu  gehören,  der  bekanntlich  fflr  die  Proö- 
mien  teilweise  vortreffliche  Lesarten  hat,  nur  kann  ich  nicht  glauben,  dafs 
der  die  ProOmien  enthaltende  Teil  der  Handschrift  „aus  dem  verlorenen 
Teile  von  A^'  stammen  soll.  Mir  scheint  vielmehr  r,  soweit  ich  bemerken 
konnte,  auch  in  diesem  Punkt  auf  Y  und  Yind.  hinzuweisen.  Wenn  das 
aber  der  Fall,  so  ist  fraglich,  ob  r  Yind.  105  und  Marc.  420  eine  eigene 
Überlieferungsklasse  darstellen  und  ob  sie  nicht  vielmehr  zu  der  ge- 
schlossenen Tradition  JSTFQD  gehören.  Das  wird  die  nähere  Unter- 
suchung ergeben,  und  Drerup  wird  hoffentlich  diesem  Punkte  seine 
besondere  Aufmerksamkeit  zuwenden  oder  bereits  zugewendet  haben. 

Was  die  Schollen  betrifft,  so  ist  allerdings  sonderbar,  dafs  Dindorf 
trotz  besserer  Erkenntnis  den  cod.  Par.  2946  (G)  statt  T  seiner  Ausgabe 
zu  gründe  gelegt  hat.  Im  allgemeinen  aber  ist  das  Urteil  über  Dindorf 
S.  302  etwas  hart,  da  meiner  Wahrnehmung  nach  die  Kollationen  Din- 
dorfs,  soweit  ich  sie  in  den  Beden  verglichen,  doch  ziemlich  genau  sind. 
Drerup  ist  es  nun  erfreulicherweise  gelungen,  „die  verwickelten  Über- 
lieferungsverhältnisse"  der  Demosthenes-Scholien  klar  zu  legen.  Danach  ist 
T  allein  mafsgebend,  wozu  ergänzend  cod.  s,  namentlich  aber  für  die  in 
T  verstümmelten  Prolegomena  Ulpians  noch  cod.  Paris.  2995  =ß  und  cod. 
Paris  3012=  Ek  hinzutreten.  Dann  behandelt  Drerup  S.  305  die  Schollen 
der  alten  Demosthenes-Handschriften ,  die  ganz  oder  teilweise  selbständig, 
aber  sehr  ungleichmäfsig  über  den  Band  der  einzelnen  Beden  verteilt  sind. 
QD  enthalten  gar  keine  Schollen.  Vorzfiglich  ist  die  alte  Scholien- 
überlieferung  in  A.  Dagegen  erhebt  sich  besonders  bei  cod.  Y  und  2  be- 
züglich der  Scheidung  der  verschiedenen  Hände  dieselbe  Schwierigkeit  wie 
im  Text  der  Beden.  Die  Schollen  in  cod.  JT  und  Urb.  sind  noch  nicht 
genügend  erforscht.  Im  allgemeinen  hat  man  den  Eindruck,  dafs  die  Schollen 
der  alten  Handschriften,  wenn  alles  klar  gelegt  sein  wird,  ein  besseres 
Material  repräsentieren,  als  das  ganze  corpus  T.  Aus  dem,  was  Drerup  über 
die  Demosthenes-Papyri  in  Kürze  berichtet,  ohne  näher  auf  die  einzelnen 
Stücke  einzugehen,  erhellt  1)  dafs  cod.  A,  wenn  der  Pap.  der  Timocratea 
wirklich  im  schärfsten  Gegensatz  zu  diesem  steht  und  einen  Zweig  der 
äqxaia  eKÖoaig  {2YV)  repräsentiert,  von  der  alexandrinischen  Zeit  weit 
abzurücken  ist  und  dafs  dies  mit  dem  übereinstimmt,  was  ich  oben  über 
die  Entstehungszeit  von  A  gemeint  habe.  Mir  scheint  A  gar  nicht  zur 
alexandrinischen  Überlieferung  im  engeren  Sinne  zu  gehören,  sondern  aufser- 
halb  derselben  zu  stehen  und  auf  Grund  verschiedener  Texte,  die  zum 


O 


Nene  Philologiaebe  Bandschan  Nr.  3.  58 

Teil  Gates  enthielten,  eine  kontaminierte  Oestalt  erhalten  za  haben,  3)  dals 
die  bisher  entdeckten  Papyri  aof  keine  ältere  Quelle  znrfickgehen  als  nns 
in  2YF  vorliegt  und  dafs  die  vorhandenen  Handschriften  der  änxctia  ¥^oaig, 
die  alle  im  lO./ll.  Jahrhundert  geschrieben  sind,  in  ihrer  Entstehung 
auf  das  2.  Jahrhundert  n.  Chr.  zurfickweisen  und  nicht  auf  frfihere  Zeit, 
was  auch  mit  der  darin  hervortretenden  Eontaminierung  stimmt. 

Reichen  Ertn^  lieferte  fBr  Isokrates  die  schwierige  Nachverglei- 
chung  des  grofsen  Londoner  Papyrus  der  Friedensrede,  die  Drerup  mit 
Hilfe  des  gesamten  Handschriftenmaterials  unternahm.  Damit  ist  die 
Untersuchung  der  Isokrates -Handschriften  zum  Abschluls  gebracht,  und 
Dremp  wird  nächstens  auf  Grund  von  100  Handschriften  eine  „Text- 
geschichte des  Isokrates  ^^  veröffentlichen  und  darin  die  gesamte  direkte 
und  indirekte  Überlieferung  einer  kritischen  Würdigung  unterziehen.  In 
London  fand  Drerup  noch  im  cod.  Bum.  75  (saec.  XV)  eine  wichtige 
Quelle  ffir  die  Demonicea,  welche  mit  cod.  2010  und  Laur.  567  eine  neue 
selbständige  Überlieferungsklasse  darstellt.  C!od.  Bum.  lieferte  denn  auch 
eine  grofse  Zahl  selbständiger  und  bemerkenswerter  Lesarten.  Wichtiger 
noch  war  in  Paris  die  Entdeckung  von  cod.  Par.  supplem.  gr.  690,  der 
umfangreiche  Excerpte  von  Isokr.  or.  I/II  enthält. 

Die  Aufsuchung  von  Aschines-Handschriften  (cod.  Goisl.  249 
=  F  saec.  X)  führte  Drerup  auf  die  Handschriften  der  Äschines- 
Briefe,  die  er  herausgeben  wird  und  wozu  er  48  Handschriften  ver- 
glichen hat.  Diese  sondern  sich  in  zwei  grofse  Familien,  von  denen  die 
zweite,  eine  durchaus  selbständige  Überlieferung  der  Epistolographen,  nur 
epist.  1,  6,  7,  3  bietet  Diese  ist  vertreten  durch  den  Archetypus  der 
ganzen  Klasse  cod.  Harl.  5610  (bombyc.)  saec.  XIII/XIV  =  cod.  A 
Taylori,  der  aber  nur  im  letzten  Teil  von  fol.  185—217  mit  33  Blättern 
in  4<^  erhalten  ist  und  wozu  es  Abschriften  und  Familienangehörige  gibt. 
Dieser  Archetypus  ist  geeignet  zu  einer  Kontrolle  des  Redetextes. 

In  dem  genannten  cod.  Goisl.  249  entdeckte  Drerup  noch  eine  neue 
Überlieferung  von  Oorgias*  Helene,  die  sich  als  Zwillingsüberlieferung 
zu  dem  Heidelberger  cod.  Pal.  X  darstellt,  was  Drerup  am  Schlufs  durch 
eine  Kollation  mit  dem  Blafsschen  Texte  beweist. 

Durlach.  May. 


54  Neue  Philologische  Rundschan  Nr.  3. 

27)  Walther  Oebhardi,  Ein  Asthetisclier  Kommentar  zu  den 
Lyrischen  Dichtungen  des  Horaz.  2.  Auflage  besorgt 
von  A.  ScheiTler.    Paderborn,   ScbOningb,  1902.    336   S.   8. 

u#  4.-. 
Eigentlich  ist  es  wunderbar,  dafs  sechzehn  Jahre  dahin  gehen  mufsten, 
ehe  das  bekannte  und  beliebte  Buch  W.  Qebhardis  eine  Neuauflage  erlebte. 
Es  haben  wohl  alle,  als  es  1885  zuerst  in  so  hubscher  Ausstattung  erschien, 
erkannt  und  zugegeben,  dals  es  durchaus  geeignet  sei,  dem  Dichter  neue 
Freunde  in  Ffllle  zuzuführen.  Das  Buch  war  ja  nicht  eigentlich  ffir  den 
kleinen  Kreis  der  Gelehrten,  welche  neue  Besultate  in  ihm  weder  erhoff- 
ten noch  äinden,  sondern  ffir  den  grofsen  der  Schfiler  und  der  Freunde 
des  Dichters  bestimmt,  die  ihn  in  einer  begeisterten,  lebendigen 
Sprache  erkl&rt  und  behandelt  wissen  wollten.  Ich  habe  damals  äufserst 
anerkennende  Anzeigen  gelesen  und  auch  selbst  dem  mir  so  befreundeten, 
ffir  Kunst  so  empfänglichen,  fiberaus  scharfsinnigen  Verf.,  der  noch  lange 
vor  der  Ffille  der  Jahre  aus  dem  Leben  scheiden  mufste,  meine  Freude 
an  dem  nach  jeder  Bichtung  geschmackvollen  Buche  nicht  verhehlt. 
Freilich  hat  es  in  der  Zwischenzeit  nicht  an  grofsartigen,  auch  ähnlichen 
Leistungen  und  Bestrebungen  gefehlt,  und  freilich  gab  es  auch  damals 
schon  manche,  denen  die  ganze  in  allem  etwas  suchende,  zuweilen  ge- 
zwungen geistreiche  Art  des  Verf.  nicht  zusagte.  So  brachte  diese  Zeit- 
schrift 1886  Nr.  17  eine  lange,  gehaltvolle  Besprechung  des  Buches  durch 
den  nun  auch  schon  lange  verstorbenen  Friedrich  Gurschmann  in  Darm- 
stadt, der  gegen  die  von  der  Sache  abfahrenden  ästhetischen  Spekulationen, 
gegen  „die  Plfifs-Gebhardische  Methode:  Kleinigkeiten  zu  bedeutsamen 
Fragen  aufzubauschen,  grofse  Schwierigkeiten  zu  finden,  die  fSr  den  ein- 
£Ach  denkenden  Menschen  nicht  vorhanden  sind,  und  diese  kfinstlichen 
Schwierigkeiten  mit  grofsem  Aufwand  von  Scharfsinn  und  ästhetischer  Fein- 
ffihligkeit  zu  fiberwinden  ^^  Verwahrung  einlegte.  Ich  kann  Gurschmann 
nicht  so  ganz  Unrecht  geben.  Es  ist  in  dem  Buche  oft  ein  Hinw^eden  fiber 
die  wirklichen  Schwierigkeiten,  ein  zu  wenig  begrfindetes  AuQubeln,  ein 
Anbringen  wollen  modemer  Stimmungen  und  Wendungen  zu  beklagen.  Der 
neue  Herausgeber,  Dr.  A.  Scheffler  in  Lyck,  der  leider  in  dem  viel  zu  all- 
gemeinen Vorworii  nichts  Spezielles  fiber  die  von  ihm  vorgenommenen  Ver- 
änderungen angibt,  hat  nun  entschieden  diesen  Mängeln  g^enuber  sich 
Verdienste  um  das  Buch  erworben.  Wo  ich  auch  verglich,  fand  ich  seine 
bessernde,  umstellende  Hand,  und  an  zahlreichen  Stellen  die  Spuren,  dafs 


/^ 


^ 


Nene  Philologiflcbe  BandschAU  Nr.  3.  56 

neuere  Ansichten  an  die  Stelle  der  alten  getreten  und  die  modernen  Lei- 
stungen der  besonders  durch  Eiefsling  beeinflulsten  Horazforschung  berflck- 
sichtigt  sind.  Das  alles  ist  mit  Urteil  geschehen.  Selbst  ein  grofser 
Name  hat  ihn  nicht  bestimmt,  Unbewiesenes  z.  B.  bei  der  Erklärung  von 
III,  5  aufzunehmen.  Aber  doch  hat  das  Buch  seinen  Charakter  bewahrt, 
und  Gebhardi  ist,  wie  er  leibt  und  lebt,  noch  fiberall  zu  erkennen.  Freilich 
möchte  ich  wflnschen,  dals  der  Herausgeber  bei  den  folgenden  Auflagen 
noch  mehr  von  dem  tönenden  Pathos  und  dem  fibertriebenen  Superlativ 
änderte  (s.  z.  B.  den  Schluß  von  ni,  5,  S.  221). 

Hirschberg  i.  Schi.  Emil  Besenbers. 

28)  Bicardus  Bfliger,  De  Ovidi  carmmom  amatoriom  inven- 

tione  et  arte.  Ouelferbyti,  apud  lulium  Zwissler,  MDGCOCI. 
131  S.  8.  J^  1.50. 

In  einem  recht  fldssigen  und  beinahe  klassischen  Latein  weist  der 
Verf.  die  grofse  Abhängigkeit  Ovids  in  der  Liebespoesie  von  seinen  Vor- 
gängern, namentlich  den  griechischen  Elegikem  und  Epigrammatikern, 
nach.  Zugleich  zeigt  er,  mit  welchem  Geschick  der  Meister  auf  dem 
Gebiete  der  Liebeslyrik  die  bereits  vorhandenen  Stoffe  far  seine  Zwecke 
verwertet  hat.  Auch  an  kritischen  Bemerkungen  fehlt  es  nicht.  VoU* 
ständigkeit  jedoch  scheint  nicht  erstrebt  zu  sein.  So  vermissen  wir  die 
Berücksichtigung  der  „Verschönerungsmittel ^S  der  „Heilmittel  der  Liebe *^ 
nnd  des  dritten  Buches  der  „Knust  zu  lieben '^  —  Kein  0?idforscher 
wird  die  Abhandlung  auiser  acht  lassen  dürfen. 

Wilhelmshaven.  O.  SchUer. 

29)  Bobert  Schneider,  Text  und  Übenetsning  zum  galli-^ 

sehen  Kriege  des  C.  JuUus  Cäsar.    L  Buch.    Halberstadt, 

Schinmielburg,  1902.  65  S.  kl.  8. 
Mit  der  vorliegenden  Übersetzung  mfifste  ich  eigentlich  sehr  ein- 
verstanden sein;  denn  sie  ist  im  wesentlichen  so,  wie  sie  bei  gewissen- 
hafter Benutzung  meines  Gäsarkommentars  ausfallen  konnte.  Der  Über- 
setzer macht  auch  kein  Hehl  daraus,  dafs  er  besonders  meinen  Konmientar 
benutzt  hat.  Die  Übersetzung  gleicht  denn  auch  im  wesentlichen  der- 
jenigen, die  ich  mir  selbst  gemacht  habe,  um  die  Brauchbarkeit  meines 
Kommentars  zu  prfifen.  Aber  ich  habe  diese  nicht  veröffentlicht,  weil 
ich  nicht  wufste,  wem  sie  dienlich  sein  könnte,  aufser  etwa  —  Schülern. 


56  Nene  Philologische  Bnndschau  Nr.  3. 

Und  80  weifs  ich  auch  nicht,  wem  die  Übersetzang  Schneiders  dienen  soll. 
Denn  das  Ziel,  das  er  sich  gesetzt  hat:  „im  engsten  AnschloTs  an  den 
lateinischen  Text  eine  Übersetzung  zu  geben,  die  sich  wie  ein  deutsches 
Original  liest '^  hat  er  nicht  erreicht.  Ich  hatte  auch  bei  Ab&ssung  meines 
Kommentars  ein  viel  bescheideneres  Ziel  vor  Augen  gehabt. 

Mifsverständnisse  finden  sich  nur  selten:  aber  der  Ausdruck  läXst, 
wenn  man  den  vom  Übersetzer  an  die  Hand  gegebenen  MaTsstab  anlegt, 
noch  viel  zu  wfinschen  flbrig.  Man  lese  nur  den  Anfang  des  dritten 
Kapitels:  „Von  diesen  Qrfinden  verleitet  und  durch  den  Einfluß  des  Or- 
getorix  bestimmt,  beschlossen  sie  das  vorzubereiten,  was  zum  Auszuge  ge- 
hörte, eine  möglichst  grofse  Anzahl  von  Lasttieren  und  Karren  aufzukaufen, 
möglichst  viele  Aussaaten  zu  bestellen,  damit  der  Vorrat  an  Getreide  auf 
dem  Marsche  ausreichte  u.  s.  w.*'    So  schreibt  kein  deutscher  Schriftsteller. 

Oldenburg  i.  Or.  Rvd. 


30)  Luigi  Valmag^y  Nuovi  appunti  suUa  critica  recentissima 
del  Dialogo  degli  oratori  Torino,  Ermanne  Loescher,  1902. 
23  S.  8. 
In  dieser  Abhandlung  (Sonderabdruck  aus  der  Biv.  di  Filol.  XXX, 
f.  1),  die  sich  an  frühere  Artikel  V.s  ergänzend  anschliefst,  werden  zuerst 
die  jfingsten  Arbeiten  Aber  den  Dialogus:  L.  Coustans'  und  A.  Gudemans 
(kleinere)  Ausgabe  sowie  Andresens  textkritische  Beiträge  kurz  besprochen, 
dann  die  Kontroverse  Aber  Chronologie  und  Urheberschaft  ;des  Werkes. 
G.  Giussani,  Verfasser  einer  „Letteratura  romana^S  steht  ganz  auf  dem, 
vom  Bef.  geteilten,  Standpunkt,  dafs  der  Dial.  recht  wohl  von  Tacitus  in 
den  ersten  Jahren  der  Begierung  Domitians  verfafst  sein  könne.  Freilich 
nimmt  er  die  Worte  Kap.  1  ut  nostris  temporibus  viel  zu  eng,  =  per  i 
tempi  che  corrono,  während  V.  leicht  nachweist,  dafs  damit  in  unserer 
Schrift  das  ganze  moderne,  kaiserliche  Zeitalter  im  Gegensatz  zum  republi- 
kanischen gemeint  ist.  Dagegen  läfst  sich  mit  der  Annahme,  der  Dial. 
sei  erst  98  n.  Chr.  geschrieben  worden,  die  Erinnerung  an  des  Maternus 
Bezitation  des  „Cato**  (D.  2,  1)  meines  Erachtens  nicht  vereinigen,  sofern 
überhaupt  eine  vernünftige  oder  nur  erträgliche  Fiktion  aufrecht  erhalten 
werden  soll.  Darüber  hilft  uns  auch  der  Hinweis  auf  die  feststehende 
„  Tradition  ^^  und  auf  Ciceros  Beispiel  (de  or.,  Laelius,  Cato  m.)  nicht  hin- 
w^,  weil  eben  dort  die  Umstände  wesentlich  andere  sind.  —  Die  auch 
von  y.  in  den  Worten  „iuvenisadmodum^^  und  „ardor  iuvenilis^^  gefundene 


^^ 


Kene  PhüologiMhe  RandMbaa  Nr.  8.  67 


Schwierigkeit  ist  in  der  Tat  nicht  grols.  S.  Qademan,  gr.  Ausg.  BinL 
S.  xzixff.  —  Von  L.  Schwabes  Artikel  „Tacitos^*  bei  Panly-Wissowa 
ist  y.  nicht  so  befriedigt  wie  viele  deutsche  Bezensenten;  in  den  biblio- 
graphischen Angaben  findet  er  einige  auffallende  Lficken.  —  M.  Schanz 
(Oesch.  d.  r.  Lit.)  stimmt  in  der  chronologischen  Frage  mit  Leo  und 
Norden  fiberein,  erklärt  die  stilistische  Verschiedenheit  des  Dial.  ähnlich 
wie  ne,  und  zum  Beweise,  dafs  die  Schrift  erst  nach  98  erschienen  sei, 
stfitzt  er  sich  u.  a.  auf  das  von  Wutk  vorgebrachte  verfehlte  Argument : 
Dial.  19,  9  mflsse,  wegen  der  inhaltlichen  Beziehung,  vor  Plin.  ep.  1,  20 
geschrieben  sein!  —  Norden  gibt,  ohne  gerade  sachlich  viel  Neues  fiber 
die  Dialogusfrage  zu  bringen,  eine  genauere  Auseinandersetzung  der  von 
Leo  u.  a.  aufgestellten  Theorie  und  nimmt  den  älteren,  aussichtslosen 
Versuch,  statio  als  „  Begierungszeit  ^^  zu  deuten,  wieder  auf.  Mit  bedingter 
Anerkennung  erwähnt  V.  noch  H.  Bomecque ,  La  prose  m^trique  et  le 
dialogue  des  orateurs,  femer  Wölfflins  gegen  Leo  gerichteten  Artikel: 
Die  Nachahmung  in  der  lateinischen  Prosa. 

Schliefslich  kommt  der  Verf.  auf  die  handschriftliche  Bestätigung  der 
Authentie  des  Dial.  zu  sprechen,  eine  Frage,  die,  wie  er  glaubt,  auf 
Qrond  der  neuesten  Forschungen,  insbesondere  Sabbadinis,  einer  definitiven 
Lösung  nähergef&hrt  werden  könne,  wenigstens  einer  negativen,  auf  die  V. 
schon  vor  12  Jahren  (in  s.  Ausg.  des  Dial.)  hingewiesen  hatte.  —  In 
der  Korrespondenz  der  Humanisten  Poggio,  Beccadelli,  Guarino  aus  den 
Jahren  1426  und  1426  wird  eine  durch  einen  Hersfelder  Mönch  in  Italien 
bekannt  gewordene  Sammelhandschrift  erwähnt,  enthaltend  aufser  Sueton, 
de  gramm.  et  rhetor.,  des  Tacitus  Germania,  Agricola  und  Dialogus;  vom 
letzteren  freilich  schreibt  Beccadelli  so:  Inventus  est  quidam  dialogus  de 
oratoribus  etest,utconiectamus,  Gor.  Taciti.  Diese  Handschr.  nun  iden- 
tifizierte Sabbadini,  wie  es  nahe  lag,  mit  den  30  Jahre  später  von  Henoch 
„wieder  aufgespfirten*^  und  in  Kopie  aus  Deutschland  mitgebrachten 
Schriften;  zugleich  folgerte  er  aus  jenem  Zusatz  des  „Palermitaners**, 
da&  dem  Dialog  in  der  Originalhandschr.  der  Name  des  Tacitus  nicht 
beigeschrieben  war.  Eine  neuere  Entdeckung  hat  indessen  Sabbadini  von 
dieser  Ansicht  zurfickgebracht ;  er  &nd  nämlich  in  einem  ambrosianischen 
Kodex  des  16.  Jahrhunderts  eine  Notiz  des  P.  G.  Decembrio:  Gomelii 
taciti  liber  reperitur  Bome  visus  1455  mit  kurzer  Beschreibung  der 
Handschrift  und  Inhaltsverzeichnis:  Germ.,  Agr.,  Dial.  de  or.,  Suet.  de 
gramm.  et  rhet.    Nun  war  nach  Decembrios  Angabe  der  Kodex  in  Ko- 


Neue  Philologische  Bimdschan  Kr.  3. 


lamnen  geschrieben,  ein  Umstand,  aus  dem  Sabbadini,  wohl  etwas  vor- 
eilig, schliefst;  dafs  es  sich  am  den  1455  von  Henoch  nach  Born  ge- 
brachten Original kodex  handeln  mfisse.  —  Gegen  die  Identifizierung 
jener  von  Beccadelli  und  seinen  Korrespondenten  erwähnten  Sammel- 
handschr.  mit  der  des  Henoch,  die  Decembrio  gesehen,  scheint  zu  sprechen: 
die  Bemerkung  des  Pootanus  (1460)  auf  seiner  Abschrift  (cod.  Perizonianus), 
sowie  Briefe  des  Carlo  de*  Medici,  die  unter  den  von  Henoch  entdeckten  und 
nach  Italien  gebrachten  Schriften  den  Agricola  nicht  mit  anführen.  Doch 
erklärt  sich  dies  nach  Y.s  Meinung  hinlänglich  daraus,  dafs  Gosimos  Sohn, 
der  ohnehin  nur  den  Sueton  nennt,  überhaupt  nicht  die  Handschr.  selbst, 
sondern  nur  ein  Verzeichnis  zu  Qesicht  bekommen  haben  wird.  Und  bei 
Pontanus  liege  die  Möglichkeit  vor,  dafs  er  eine  Abschrift  des  Hersfelder 
Originals  vor  sich  hatte,  in  der  bereits,  wie  in  den  meisten,  der  Agricola 
fehlte.  —  Anderseits  aber  sieht  Y.  in  der  oben  zitierten  Bemerkung 
Beccadellis  mit  Becht  einen  Beweis  daf&r,  dafs  der  Dialog,  wenn  nicht 
im  Hersfelder  Original  oder  seiner  von  Henoch  mitgebrachten  Kopie, 
doch  jeden&lls  in  irgend  einer  älteren  Handschr.  ursprünglich  anonym 
überliefert  sei.  —  Vielleicht  bringt  die  Zeit  noch  weitere  Aufschlüsse  aus  der 
Menge  noch  unbenutzten  Materials,  das  in  Archiven  und  Bibliotheken  Italiens 
aufgeschichtet  liegt,  und  erleichtert  uns  das  Urteil  über  die  Bedeutung 
auch  des  letzten  Fundes  Sabbadinis  und  der  daraus  gezogenen  Folgerungen. 
Bis  jetzt  komme  ich  wenigstens  über  ein  „nondum  liquet^'  nicht  hinaus. 
Prankfnri;  a.  M.  Ed.  Wolff. 

31)  Moritz  Voigt,  Bömische  Bechtageschichte.  3.  Bd.  Stutt- 
gart und  Berlin,  J.  G.  (Pottasche  Buchhandlung  Nachfolger,  1902. 
VI  u.  378  S.  8.  A  12.-. 

Der  zweite  Band  von  Moritz  Voigts  BOmischer  Bechtageschichte,  den 
ich  in  dieser  Bundschau  1900,  Nr.  18,  S.  422 f.,  angezeigt  habe,  reicht 
bis  zur  Beichsteilung  im  Jahre  305  n.  Chr.  Der  vorliegende  dritte  Band 
bringt  durch  die  Darstellung  der  Bechtsentwickelung  bis  auf  Justinian 
(565)  das  verdienstvolle  Werk  zum  Abschlufs.  Nachdem  ich  schon  in 
früheren  Besprechungen  die  Eigenart  dieser  Bearbeitung  des  grofsen  und 
schwierigen  Stoffes  charakterisiert  habe,  darf  ich  mich  auf  wenige  Be- 
merkungen beschränken.  Auch  dieser  Schlufsband  weist  dieselben  Vor- 
züge gründlicher  und  «eibständiger  Forschung  auf,  wie  die  früheren, 
einer  Forschung,   die  nicht  bei  der  blofsen  Feststellung   der  Tatsachen 


y^ 


^ 


Nene  PhilologiBehe  Rnndtehau  Nr.  8.  59 

stehen  bleibt,  sondern  im  Sinne  Bankes  „die  Erforschung  der  wirksamen 
Momente  der  B^ebenheiten  und  Wahmehmnng  ihres  allgemeinen  Zu- 
sammenhanges" sich  zum  Ziele  gesetzt  hat.  Dadurch  war  ein  Aufgeben 
der  achronistischen,  antiquarischen  Zusammenfassung  nach  dogmatischen 
Gesichtspunkten  yeranlafst;  an  ihre  Stelle  ist  die  chronologische,  d.  h. 
historisch -genetische  Darstellung  getreten.  Der  dadurch  hervorgerufene 
Nachteil,  dafs  die  Darstellung  des  einzelnen  Bechtsinstitutes  zerrissen 
wird,  ist  reichlich  aufgewogen  durch  den  Vorteil,  dafs  so  die  ganze  Bechts- 
entwickelung  klarer  hervortritt  Wer  die  Entwickelung  eines  einzelnen 
Rechtsinstitutes  verfolgen  will,  wird,  da  die  Disposition  für  alle  drei  Perio- 
den genau  dieselbe  ist,  die  entsprechenden  Partieen  leicht  finden.  Über- 
dies hilft  ein  knappes,  auf  alle  drei  Bände  sich  erstreckendes  Sachregister 
zu  rascher  Orientierung. 

Prauenfeld  (Schweiz).  Otto  Sohvllhofli. 

32)  St  Ghiell,  Les  monomento  antiques  de  rAlgirie.  Oavrage 
publik  sous  les  auspices  du  gouvemement  g^n^ral  de  TAlg^rie. 
Tome  I  contenant  72  planches  hors  texte  et  85  illustrations  dans 
le  texte.  Tome  II  contenant  34  planches  hors  texte  et  89  illustta- 
tioDS  dans  le  texte.  Paris,  ancienne  librairie  Thorin  et  fils.  Albert 
Fontemoing,  Miteur,  1901.  Ym  u.  290  S.  8.  —  XX  u.  447 
Sp.  8.  Je  ftea.  20. 

Der  Verf.  hat  seine  Notizen  Aber  die  antiken  Überreste  in  Algerien, 
soweit  sie  als  historische  Denkmftler  in  Betracht  kommen,  zur  Herstellung 
eines  archäologischen  Handbuches  verwertet.  Dasselbe  ist  nicht  geo- 
graphisch, sondern  nach  Materien  geordnet;  doch  ist  am  Schlosse  ein 
Index  geographicus  beigegeben,  nach  dem  man  sich  orientieren  kann. 
Die  bibliographischen  Daten  wurden  mit  möglichster  Vollständigkeit  be- 
arbeitet, einmal  weil  die  fiber  die  einzelnen  Objekte  erhaltenen  Nach- 
richten sehr  zerstreut  sind,  anderseits  weil  im  Laufe  der  in  Betracht 
kommenden  70  Jahre  viele  Veränderungen  vorfielen.  Mag  auch  manche 
der  älteren  Notizen  nicht  von  sachverständiger  Seite  herrfihren,  so  ver- 
dankt man  doch  mitunter  denselben  die  Kenntnis  recht  wertvoller  Einzel- 
heiten. Übrigens  erklärt  Qsell,  den  wir  als  tfichtigen  Eleven  der  fran- 
zösischen archäologischen  Schule  in  Bom  von  seinen  „Fouilles  dans  la 
Necropole  de  Vulci^^  her  kennen,  dafs  sein  Werk  über  Algier  eigent- 
lich verfrflht  erscheint;   es  war  ihm  noch  nicht  möglich,   alle  Gegen- 


60  Neae  Philologische  RundBchau  Nr.  3. 

den,  wo  Denkmftler  sich  yorfinden,  aber  keine  genügende  Ennde  darfiber  vor- 
liegt, zu  bereisen.  Als  professeur  ä  F^le  snp^rieur  des  lettres  et  directeur 
de  Muste  d* Alger  hat  er  sich   dieses  Forschungsgebietes  angenomnaen. 

Das  Werk  bespricht  zunächst  die  Monumente  der  Eingeborenen, 
namentlich  die  Dolmen  und  die  an  Felsen  eingeritzten  Bildereien,  die  auch 
Ch.  Tissot  in  seiner  „Province  Romaine  d*Afrique*^  behandelt  hat.  Dann 
die  punischen  und  Libyphönizischen  Monumente,  darunter  S.  62  ein  grie- 
chiscb-punisches  Mausoleum,  das  mit  anderen  Bauten  dieser  Art  in  Ver* 
gleich  gesetzt  wird;  man  findet  dabei  Benndorf- Niemanns  Beisen  in 
Lykien  zitiert,  wo  ja  auch  der  enchorischen  Bauart  eingehende  Beachtung 
geschenkt  ist.  Es  folgen  die  Monumente  der  BOmerzeit:  die  militärischen 
Bauten,  das  Legionslager  von  Lambäsis  und  die  kleineren  Kastelle  (mit 
Verweisungen  auf  Cagnats  Tarmde  Romaine  d*Afrique);  die  städtischen 
Bauwerke,  von  denen  in  Thamugadi,  Lambäsis,  Theveste  u.  a.  0.  beträcht- 
liche Überreste  erhalten  sind:  Fora,  Tempel,  Ehrenbogen,  Theater,  Amphi- 
theater, Thermen,  Aquädukte,  Zisternen,  Brunnen  u.  s.  w.,  welche  Kate- 
gorieen  einzeln  behandelt  werden.  Hierauf  die  Bauten  au&erhalb  der  Städte: 
die  Strafsenanlagen,  die  Brücken,  die  Häfen;  der  Hausbau,  der  hier  weniger 
von  römischer  als  von  griechischer  Art  beeinflufst  erscheint;  die  technischen 
Anlagen:  fQr  Bewässerung,  Ölgewinnung  u.  s.  w.,  ein  für  diese  Land- 
schaften charakteristisches^Kapitel.  Ebenso  werden  die  Gräbertypen  aus 
verschiedener  Zeit,  die  christlichen  Bauwerke,  darunter  einige  ziemlich 
gut  erhaltene  Basiliken,  die  Defensionsbauten  der  byzantinischen  Periode, 
über  die  wir  durch  das  Werk  von  Gh.  Diehl  in  weiterem  Umfange  unter- 
richtet sind,  eingehend  beschrieben.  Zahhreiche  Phototypieen  und  Pläne, 
wie  wir  sie  an  den  französischen  Publikationen  über  das  römische  Afrika 
gewohnt  sind,  statten  auch  diese  in  glänzender  Weise  aus. 

Prag.  J.  JvBg. 

33)  Soiitti  Vari  di  Filologia.    Boma,  Ermanne  Loescher  &  Co.  (Bret- 
schneider  e  Begenberg),  1902.    590  S.  gr.  8.  L.  20.—. 

Der  stattliche  Band,  der  die  Widmung  trägt  'A  Emesto  Monaci  per 
Tanno  -XXV-  del  suo  insegnamento  gli  Scolari',  enthält  nicht  weniger 
als  38  Beiträge  gröfseren  oder  geringeren  ümfanges.  Von  der  Mannig- 
faltigkeit des  Inhaltes  mag  folgendes  Verzeichnis  ein  Bild  gewähren. 
A.  Parisotti,  Idee  religiöse  e  sociali  di  un  filosofo  greco  del  medio  evo 
[Qeorgios  Gemistos  Plethon].  —  L.  Biadene,  U  collegamento  delle  due 


o 


Nene  Philologiache  Randichan  Nr.  8« 61 

parti  principali  della  stanza  per  mezzo  della  rima  nella  canzone  italiana 
dei  secoli  XIII  e  XIV.  —  P.  Egidi,  Relazioni  delle  croniche  Viterbesi 
del  secolo  XV  tra  di  loro  e  oon  le  fonti.  —  L.  Qauchat,  Sono  avuto.  — 

F.  Pometti,  II  raolo  dei  lettori  del  MDLXynil— MDLXX  ed  altre 
notizie  soll*  ünivenitä  di  Roma.  —  G.  Manfroni,  n  figlio  di  Lamba 
d'Oria.  —  M.  Pelaez,  ün  'Detto  di  Pasdone'.  —  G.  A.  Gamfi,  Sulla 
cnria  stratigoziale  di  Messina  nel  tempo  normanno-sneyo.  —  G.  Avo- 
garo,  Appunti  di  toponomastica  Veronese.  —  E.  Maurice,  Di  alcani 
carmi  sacri  di  Paolino  d'Aqoileia. —  F.  Gaerri,  Intomo  a  nna  epigrafe 
di  S.  M.  di  Gastello  in  Gorneto  Tarqoinia.  —  G.  Trabalza,  üna  laude 
nmbra  e  an  libro  di  prestanze.  —  0.  Predieri,  Serafino  Aquilano  nei 
mauoBcritti  dell'  Antinori.  —  V.  De  Bartbolomaeis,  ün  frammento 
Fergamasoo  e  una  novella  del  Decamerone.  —  0.  S.  Bamundo,  Gommo- 
diano  e  la  reazione  pagana  dio  Oiuliano  TApoetata  [Gommodian  wird  —  in 
Übereinstimmung  mit  Brewer,  Zeitschr.  f.  kaihol.  Theol.  1899,  769  ff.  — 
ins  4.  Jahrhundert  gesetzt;  R.  bringt  eine  Anzahl  Stellen  der  Instructiones 
in  Beziehung  zu  Julians  Versuch,  das  Heidentum  wieder  herzustellen].  — 
A  Colasanti,  L'epitaffio  di  Benedetto  VII.  —  E.  Bovet,  Anoora  il 
problema  'andare*  [auf  latein.  'ambulare'  sind  doch  wohl  die  romanischen 
Verben  'aller',  'andare\  'andar',  *anar'  u.  s.  w.  zurflckzufBhren].  — 
P.  Tacchi  Venturi,  Gorrispondenza  inedita  di  L.  A.  Muratori  con  i  pp. 
Gontucci,  Lagomarsini  e  Orosz  della  Gompagnia  di  Gesa.  —  Q.  Orimaldi, 
üna  lettera  di   Bemardo   Doyizi  di  Bibbiena  a  Giulio  de'  Medici.   — 

G.  Cappuccini,  L'eteroclisia  in 'are' e'ire'.  —  0.  Antognoni,  L'epi- 
grafe  indsa  sul  sepolcro  di  Dante.  —  G.  Mazzatinti,  La  biblioteca  di 
S.  Francesco  (tempio  Malatestiano)  in  Rünini.  —  G.  De  Lollis,  Quel 
di  LemosL  —  V.  Tommasini,  Snlle  laudi  greche  conservate  nel  'Liber 
politicus'  del  canonico  Benedetto.  —  G.  Segri,  Ghi  accusö  il  Petrarca 
di  magia.  —  V.  Rocchi,  üna  lettera  inedita  di  papa  ürbano  VI  [mit 
Faksimile].  —  F.  Egidi,  Per  la  datazione  del  codice  Gasanatense  A.  I. 
8(233)  [Französ.  Weltgeschichte;  die  Handschrift  gehSrt  in  die  Jahre  1404 
bis  1419].  —  A.  Silvagni,  ün  ignoto  poema  latino  del  secolo  XIII 
suUa  Greazione.  —  G.  Grocioni,  II  dialetto  di  Ganistro.  —  F.  Her- 
rn anin,  n  miniatore  del  codice  di  F.  Giorgio  nelP  archivio  Gapitolare  di 
S.  Pietro  in  Vaticano.  —  G.  Salvadori  e  V.  Feder ici,  Di  Remigio 
Girohuni  fiorentino  [mit  Faksimile].  —  E.  Garusi,  L'indizione  nella 
datazione  delle  carte  private  romane  dei  secoli  VIII— XL  —  T.  Morino, 


62  Neue  Philologiflche  Rundschau  Nr.  3. 

Note  ed  appnnti  suUa  litterstura  romanesca.  —  P.  Spezi,  Di  alcani 
giudizi  snl  Belli.  —  A.  Tenneroni,  Di  dae  antiche  laude  a  san  Frao- 
cesco  d^Assisi.  —  P.  Fedele,  ün  docamento  fondano  in  volgare  dd 
aecolo  XII.  —  P.  Tommasini  Mattiucci,  Antiche  poesie  religiöse 
dell'  ümbria.  —  E.  Modigliani,  Intorno  alle  origini  dell'  epopea 
d^Aspremcmt.  W. 

34)  Hennaim  Schiller,  Wel^esehidite.    2.  Band:  Geschichte 

des  Mittelalters.  Berlin  nnd  Stuttgart,  W.  Spemann,  1901. 
VII,  666  u.  74  S.  8. 

Auch  der  zweite  Band  weist  die  bei  Besprechung  des  ersten  (vgl. 
Jahrgang  1900,  Nr.  19,  S.  446  f.)  hervorgehobenen  Vorzfige  auf:  in  der 
Darstellung  befleilsigt  sich  der  Verf.  bei  aller  Eigenart  der  Auf&ssung 
einer  anerkennenswerten  Sachlichkeit.  Dies  zeigt  besonders  die  Behand- 
lung des  weltgeschichtlichen  Kampfes  zwischen  Kaisertum  und  Papsttum. 
Die  Heroengestalten  unter  den  Deutschen  Kaisem  ffihrt  er  uns  in  einer 
Beihe  packender  Charakteristiken  vor.  Den  fQr  die  Entwickelung  der 
Staaten  so  bedeutungsvollen  und  darum  seit  Nitsche  in  der  Darstellung 
immer  mehr  in  den  Vordergrund  tretenden  kulturgeschichtlichen  Verhält- 
nissen widmet  er  seine  besondere  Aufmerksamkeit,  ohne  jedoch  selbst  bei 
grofser  AusfQhrlichkeit  beim  Leser  den  Eindruck  zu  hinterlassen,  dafs  er 
sich  zu  sehr  ins  einzelne  verliere. 

In  der  äufseren  Ausstattung  entspricht  der  zweite  Band  in  jeder 
Hinsicht  seinem  Vorgänger. 

eflfenburg  (Baden).  ^__^_____  WUholm  Stenu 

35)  A.  ZimmennaDni  Zur  Entotehnng  besw.  Entwickelung 

der  altrömischen  Personennamen.    Breslau,  Programm  des 

Wilhelmgymnasiums  1901/2.  20  S.  4. 
In  Anlehnung  an  den  besonders  von  Fick  gelieferten  und  seitdem 
vielfach  gestfitzten  Beweis,  dafs  die  idg.  Namengebung  in  der  Hauptsache 
auf  Zweistämmigkeit  beruht,  sucht  der  Verf.,  der  sich  schon  frfiher  durch 
verwandte  Untersuchungen  bekannt  gemacht  hat,  zu  erhärten,  dafs  auch  das 
Lateinische  einstmals  dieselbe  Bildungsweise  besessen  und  gar  nicht  so 
wenig  Spuren  und  Beste  davon  bewahrt  hat,  Aufserdem  findet  er  in  den 
sogen.  Lallw0rtem  eine  reichlich  fliefsende  Quelle  römischer  Nameur 
schOpfung. 


•^ 


Neui  PhQologitehe  Bmidiehaa  Mr.  3.  68 

Zimmemiaiin  behemcht  das  Material  selbrttaidig  und  ist  in  der  Ute» 
ratnr  darflber  wohl  zq  Hause,  auch  verfflgt  er  fiber  einen  gewissen  Tast- 
diiD,  der  in  diesen  Dingen  der  Methode  beigesellt  sein  mnfs*  Die  Arbeit 
ist  zweifellos  eine  schätzbare  FSrdemng  der  Frage  and  nicht  blob  Ar 
den  Sprachforscher  lehrreich,  sondern  auch  nicht  ohne  Ertrag  fDr  die 
Völkerpsychologie,  insofern  aus  den  römischen  Namen  eine  einlenchtende 
Bestätigung  gewonnen  wird  fQr  das  tiefe  Fbmiliengefähl  der  meist  nur 
vom  staatlichen  Oesichtspunkt  aus  gewürdigten  weltbeherrschenden  Nation. 
So  mufs  das  Programm  als  entschieden  lesenswert  bezeichnet  werden. 
Cannstatt. 


36)  J.  Ghistav  Schulz  I  Attische  Verbalformexiu  s.  Aufhge. 
Prag,  A.  Storch  Sohn,  1902.    X  n.  123  S.  8.       geb.  JH  1,60. 

Das  Buch  hat  sehr  angenehmes  Format,  ist  aulserordentlich  sorg- 
fiUtig  gearbeitet  und  sauber  gedruckt.  Die  Schfller  werden  bei  der  Be- 
nutzung kaum  eine  Form  vergeblich  suchen.  Ja  der  Verf.  hat  zum  Über- 
flols  eine  Beihe  von  Verben  au^nommen,  die  fDglich  fortbleiben  konnten, 
z.  B.  xoivöWf  -Kdii^o},  dyytita. 

Auf  einige  Versehen  sei  kurz  hingewiesen.  Bei  den  Verbmi  unter  a 
mi  die  Formen  mit  Spiritus  asper  bevorzugt,  z.  B.  aiaina,  ärtko.  Ein 
Druckfehler  ist  fj^wAiitpf  statt  ^  . . .  Der  Stamm  von  aivitvofioi  mSchte 
richtiger  alviy  lauten  statt  alvi%.  S.  19  ßXittio  eeidde,  ist  der  Bedeu- 
tong  nach  zu  erklären.  S.  22  yffS^to  ist  besser  mit  gruiMe  zu  flbersetzen. 
S.  31  unter  et/i/,  der  ganze  Ind.  bis  auf  d  enklitisch,  das  Wort  ganze  mufs 
fehlen.    S.  36  unter  Syyvfii  ist  einmal  statt  dfig>i  ftlschlich  ifti  gesetzt 

Ich  fEtrchte,  dals  der  hohe  Preis  der  Verbreitung  des  Buches  hinder- 
lich sein  wird. 

Wolfenbflttel. 


37/38)  H.  Deiter,  Übnngnitacke  znm  Übenetzen  ins  La- 
teinische im  Anschlurs  an  Livius  I  und  II.  Essen,  Baedeker, 
1902.     32  S.  8.  Jt  -.50. 

Derselbe,  Übungsstücke  znm  Übersetzen  ins  Lateinische 

im  Anschlufs  an  Livius  XXI.    Essen,  Baedeker,  1902.    24  S.  8. 

Jt  —.50. 
Die  Torliegenden  Übungsstflcke  sind  sehr  leicht  gehalten.    Der  Satz- 
bau  ist  fiberall  einftch,  und  nur  selten  kommen  Ausdrficke  oder  Regeln 
zur  Verwendung,  die  sich  nicht  aus  den  zu  gründe  gelegten  Liviuskapiteln 


64  Neue  Philologische  fiilndachatt  Nr.  3. 

gewinnen  liefaen.  Dabei  ist  der  Anschluls  aber  doch  kein  so  enger,  dafs 
der  ScbQler  des  eigenen  Nachdenkens  flberhoben  wäre.  Er  findet  immer 
noch  genflgend  Gelegenheit,  seine  grammatischen  Kenntnisse  zn  betätigen 
und  za  fiben.  Nur  in  dem  fflr  Oberseknnda  bestimmten  Heftchen  wünschte 
ich  die  Anforderangen  etwas  heraufgesetzt  zu  sehen.  Denn  es  entspricht 
doch  wohl  kaum  dem  Standpunkte  dieser  Klasse,  wenn  Wendungen  wie 
aegre  ferro,  magni  aestimare,  suscipere  u.  ä.  in  den  Anmerkungen  an- 
gegeben werden.  Auch  ?7äre  es  nützlich,  wenn  in  diesen  Abschnitten 
mehr  Gelegenheit  zur  Übung  im  Periodenbau  geboten  würde.  Unein- 
geschränktes Lob  verdient  in  sämtlichen  Stücken  die  Form  des  deutschen 
Ausdrucks.  Sie  sind  nicht  nur  fliefsend  und  gewandt  geschrieben,  son- 
dern enthalten  auch  eine  Fülle  treffender  Verdeutschungen  livianischer 
Bedewendungen  und  geben  hierdurch  dem  Schüler  nebenbei  eine  Anleitung 
zu  geschmackvoller  Übersetzung  lateinischer  Texte. 

Potsdam.  E.  Kraue. 

39)  imüe  Sodhe,  EssaiB  de  Fhflologie  Moderne.  I.  Les  Gram- 
mairiens  et  le  Fran9ais  parl^.  Lund  (SuMe),^  Librairie 
Gleerup  (Hjalmar  Möller,  Libraire  de  Tüniversit^),  o.  J.  [1901]. 
183  S.  8. 
„Ein  höchst  lehrreiches  und  beachtenswertes  Buch,  eine  vortreffliche 
Ergänzung  zu  jeglicher  französischen  Grammatik,  die  für  Nichtfranzosen 
bestimmt  ist'S  so  möchte  ich  kurz  Rodhes  Buch  charakterisieren.  Der 
Titel:  Les  Grammairiens  et  le  Franfais  parlä  deutet  schon  an,  um  was  es 
sich  für  den  Verf.  handelt.  Er  stellt  den  grofsen  Unterschied,  um  nicht 
zu  sagen  Gegensatz,  fest,  der  zwischen  dem  gesprochenen  Französisch 
unserer  Tage  und  den  Segeln  besteht,  die  noch  immer  in  den  französi- 
schen Grammatiken  Schwedens,  Deutschlands  und  anderer  Länder  auf- 
getischt und  als  unbedingt  beachtenswert  hingestellt  werden.  Er  weist 
nach,  dafs  viele  Regeln  der  landläufigen  Grammatiken  gar  keine  Gültig- 
keit mehr  haben  und  von  der  lebenden  Sprache  längst  nicht  mehr  beachtet 
werden.  Zugleich  hebt  er  mit  Becht  hervor,  dafs  die  Beispiele,  die  sich 
in  den  französischen  Grammatiken  finden,  ein  buntes  Gemisch  von  Sätzen 
aus  allen  Stadien  der  französischen  Sprache  darstellen.  „Une  phrase  em- 
pruntte  ä  Bjacine  ou  ä  Voltaire  y  voisine  avec  un  exemple  tir4  de  la 
langue  familiäre  de  nos  jours,  parfois  m6me  de  Target;  des  mots  grands 
seigneurs  y  coudoient  saus  vergogne  des  expressions  roturiires.^'  (S.  5  f.) 


y^ 


Nene  PhilologiMhe  Bondtobaa  Nr.  d.  65 

Indem  Bodhe  die  so  gekennzeichaete  BuntBcheckigkeit  der  Beispiele  und 
Mustersätze  verwirft,  verlangt  er,  dalSs  alles  Veraltete  ausgeschieden  und 
die  moderne  Sprache  ganz  besonders  berflcksichtigt  werde.  Nicht  die 
Sprache  Badnes  oder  Voltaires,  anch  nicht  die  eines  Pariser  Qassenjongen 
dürfe  in  den  Schulen  gelehrt  werden,  sondern  die  der  „moyenne  des  Fran- 
9ais  de  nos  jours^^  Diese  mfilsten  aber  natfirlich  in  erster  Instanz  die 
Lehrer  des  Französischen  selbst  erst  sprechen  können;  sie  dflrften  sich 
nicht,  wie  es  leider  meist  der  Fall  sei,  einer  „langae  mixte  ^',  wie  Bodhe  sie 
nennt,  bedienen,  die  gewissermalsen  ein  Kompromib  zwischen  der  alltftg- 
lidien  Umgangssprache  nnd  der  Schriftsprache  darstelle. 

Die  Schriftsprache  nämlich,  die  natorgemäb  konservativer  ist,  als  die 
Umgangssprache,  enthält  mancherlei  ans  alter  Zeit  überkommenes  Erbgnt, 
allerhand  Ansdrncksweisen  and  Wendungen,  die  das  Zeichen  ihrer  Zu- 
gehörigkeit zu  einer  älteren  £poche  an  der  Stirn  tragen.  Diese  dfirfen 
aber  nicht  ohne  bestimmten  Zweck  in  die  Sprache  des  täglichen  Verkehrs 
aufgenommen  werden,  wenn  man  sich  nicht  der  Oe&hr  sich  lächerlich  zu 
machen  aussetzen  will.  Bodhe  sagt  von  jenen  altertümlichen  Wendungen 
S.  35 f.:  „On  rit  de  leur  vieillesse  comme  nous  rions  des  crinolines  de 
DOS  grand'mires.'^  Die  Verfasser  französischer  Grammatiken  sollten  also 
nach  Bodhe  in  viel  höherem  Mafse,  als  es  bisher  geschehen  ist,  die  heu- 
tige Umgangssprache  berücksichtigen.  Von  ihr  sollte  überhaupt  jeder  Unter- 
richt ausgehen  und  somit  im  Grunde  denselben  Weg  einschlagen,  den 
die  Franzosen  selbst  wählen.  So  wie  die  Kinder  der  Franzosen  die  Um- 
gangssprache zuerst  von  ihrer  Umgebung  erlernen  und  dann  in  der  Schule 
and  im  späteren  Leben  zum  Verständnis  der  Schriftsprache  und  gegebenen- 
falls sogar  älterer  Stufen  ihrer  Muttersprache  fortschreiten,  so  sollten  auch 
die  Ausländer  beim  französischen  Unterricht  verfahren.  Bodhe  will  durch- 
aus nicht  das  Studium  der  klassischen  Werke  der  Franzosen  aus  den 
Schulen  verbannt  wissen,  er  ist  auch  nicht  dagegen,  dals  in  den  Gram- 
matiken Sätze  aus  den  Klassikern  zitiert  werden,  doch  wünscht  er,  dafs, 
wenn  diese  Abweichungen  vom  heutigen  Sprachgebrauch  enthalten,  darauf 
ganz  besonders  aufmerksam  gemacht  werde.  Er  sagt  S.  13:  „...  et  8*il 
est  juste  que  nous  devions  continuer  ä  faire  expliquer  dans  nos  dasses 
des  chef&-d*oeuvre  litt^raires  contenant  des  archalsmes,  il  n*en  est  pas  moins 
vrai  que  les  grammaires  et  les  livres  du  premier  enseignement  doivent  se 
restreindre  ä  la  langue  actuelle  sous  sa  forme  la  plus  simple.  Bien  ne 
aera  plus  ücile  si  les  grammaires  se  dfoident  d*abord  ä  faire  le  triage 


Neui  PbitologiBche  Bundaehaa  Nr.  3. 


que  nous  rtelamons,  et  si  on  se  sert  d'Mitions  vraimeDt  pratiqaes,  c'est- 
ä-dire  indiquant  toujours  en  note  les  diffiSrences  entre  Tosage  modenie  et 
Tosage  ancien/^ 

Wie  sehr  die  meisten  im  Gebrauch  befindlichen  französischen  Gram- 
matiken in  dieser  Beziehung  zu  wünschen  übrig  lassen,  weist  Bodhe  an 
der  in  Schweden  gebrauchten  französischen  Sprachlehre  von  Widholm  nach. 
(Widholm,  Fransk  Spräklära  i  sammandrag,  3:  me  4d.,  Stockholm  1892.) 
Er  hebt  aus  dieser  Grammatik  den  Abschnitt  über  die  Fürwörter  heraus 
und  unterzieht  ihn  auf  den  Seiten  17—53  von  seinem  oben  gekennzeich- 
neten Standpunkte  aus  einer  scharfen  Kritik.  Seinen  Tadel  würzt  er  oft 
durch  Humor  und  leisen  Spott.  So  sagt  er  z.  B.  S.  20  im  Anschlufs  an 
das  von  Widholm  gewählte  Beispiel:  „II  est  d*un  honnSte  homme  de  payer 
ses  dettes'^  folgendes:  „Maxime  excellente  sans  doute  et  que  les  ^l^ves 
suädois  feront  bien  de  graver  dans  leur  memoire,  mais  nous  lui  pr^fiSrerions 
une  autre  forme  plus  moderne,  par  exemple:  ,G*e8t  le  devoir  d*un  honn&te 
homme  de  payer  ses  dettes.^'^ 

In  den  meisten  Fällen  hat  Bodhe  mit  seiner  Kritik  entschieden  recht, 
jedoch  gibt  es  auch  Punkte,  in  denen  er  bei  seinem  Kampfe  gegen  das 
Veraltete  und  Triviale  zu  weit  geht  und  Dinge  verwirft,  die  mancher 
gebildete  und  kompetente  Franzose  noch  gelten  lassen  würde.  Er  selbst 
ist  ehrlich  genug,  auf  S.  136 — 139  seines  Buches  die  von  ihm  beanstan- 
deten Wendungen  anzuführen,  die  ein  ihm  befreundeter  französischer  Philo- 
loge weniger  streng  beurteilt. 

Der  zweite  Abschnitt  des  Bodheschen  Buches  von  S.  54—83  ist  eine 
Berichtigung  und  gewissermafsen  eine  Vervollständigung  des  21.  Kapitels 
von  Krons  „  Petit  Parisien  ^^  (8.  Aufl.)  und  enthält  treffende  Bemerkungen 
über  das,  was  man  in  Frankreich  „argof'  nennt.  Bodhe  weist  nach, 
dafs  viele  Ausdrüeke,  die  Krön  dem  Argot  zurechnet,  bereits  in  die  Sprache 
des  täglichen  Lebens  übergegangen  sind  und  dort  nicht  mehr  als  Argot 
empfunden  werden. 

Der  dritte  Teil  von  S.  84—134  hat  den  Titel:  Examen  critique  de 
quelques  chapitres  de  la  grammaire  fran9aise  de  M.  Flattner  und  enthält 
eine  sehr  lehrreiche  Kritik  dieser  Grammatik,  die  ebenso  besprochen  wird, 
wie  im  ersten  Teile  die  von  Widholm. 

Breslau.  Heiariob  Knobloeh. 


O 


Nene  Philologiiche  Bnndichaa  Kr.  a  67 

40)  F61ix  Himoni  Cknin  de  Littiratnre.  XVIIL  J.-J.  Bons- 
seaa.    Paris,  Librairie  Gh.  Delavigne,  o.  J.    99  a.  88  S.  kl.  8. 

Das  f&r  ünterrichtszwecke  bestimmte  Bficblein  zerfällt  in  zwei  Teile. 
Der  erste  verbindet  mit  einer  knappen  Darstellung  von  Bonsseaus  Leben 
die  Geschichte  und  Wfirdignng  seiner  Werke,  sowie  eine  eingehende 
Charakteristik  des  Menschen  und  des  Schriftstellers.  Der  ganze  zweite 
Teil  ist  dem  „^ile''  gewidmet,  dessen  einzebe  Bficher  ausfShrlich  und 
eindringlich  zergliedert  und  beurteilt  werden.  Einige  Kapitel  fiber  die 
Vorläufer  dieses  Werkes,  fiber  seine  Entstehung  im  Oeiste  des  Verfieissers 
und  über  den  Einflufs,  den  es  ausgeübt  hat,  lassen  seine  literarische  und 
pädagogische  Bedeutung  klar  erkennen.  Beide  Teile  haben  einen  ziemlich 
umfangreichen  Anhang,  der  bibliographische  Angaben  —  unter  auffälliger 
VemachUssigung  der  einschlSgigen  deutschen  Literatur  —  enthält,  Urteile 
älterer  und  neuerer  Schriftsteller  fiber  Bousseau  und  den  „£mile^S  sowie 
eine  sehr  groüse  Beihe  von  Prfifungsaufgaben  (fiber  Bousseaus  Person 
und  Charakter,  fiber  den  Inhalt  und  die  Bedeutung  seiner  Werke,  besonders 
des  „ifimile'S  fiber  Sinn  und  Wert  ausgewählter  Zitate  aus  diesen  Wer- 
ken) die  in  den  letzten  15  —  20  Jahren  an  zahlreichen  Orten  Frank- 
reichs den  verschiedenartigsten  Kandidaten  und  Examinanden  vorgel^  wor- 
den sind.  So  bildet  das  Bfichlein  einen  schätzenswerten  Ffihrer  fiir  alle, 
die  sich  eine  grfindliche  Kenntnis  Bousseaus  und  seiner  Werke  verschaffen 
wollen.     Die  Ausstattung  ist  leider  ungemein  anspruchslos. 

Hannover. 


41)  C.  Hanniery  Oeschiehte  und  Sprache  der  Hogenotten- 
kolonie  Fiiedrieh8dorf  am  TauniiB.  Marburg,  N.  0. 
Elwertsche  Verlagsbuchhandlung,  1901.    lY  n.  136  S.  8. 

.4  2.40. 
Die  Schrift  behandelt  zunächst  die  geographische  Lage  und  die  Ge- 
schichte der  Kolonie  und  gibt  dann  die  Lautlehre,  Formenlehre  und 
Syntax,  sowie  ein  Wörterverzeichnis  des  dort  gesprochenen  Französisch, 
das  aus  einer  Vermengung  der  verschiedenen  Dialekte  entstanden  ist,  die 
von  den  Kolonisten  mitgebracht  wurden.  Die  Aussprache  steht  zum  Teil 
noch  auf  dem  Standpunkt  des  17.  Jahrhunderts,  zeigt  aufserdem  viele 
provinziale  Eigentfimlichkeiten ,  besonders  pikardische  und  champagnische, 
die  der  Schriftsprache  unbekannt  sind.  Die  Formenlehre  bringt  mancherlei 


68  Nene  FhilologiBohe  BnndBoban  Nr.  3. 

interessante  Analogiebildungen  in  der  Konjugation  und  eigenartige  Pro- 
nominalformen. Die  Syntax  ist  im  wesentlichen  die  des  17.  Jahrhunderts, 
mit  der  aber  auch  die  Syntax  der  heutigen  Volkssprache  grofse  Ähnlich- 
keit hat.  Da  von  einer  Beeinflussung  der  Friedrichsdorfer  Sprache  durch 
die  französische  Volkssprache  keine  Rede  sein  kann,  so  beweist  diese 
Übereinstimmung,  wie  konservativ  die  Volkssprachen  in  der  Syntax  sind. 
Der  Wortschatz  enthält  noch  mancherlei  alte  Wörter,  die  in  der  heutigen 
Schriftsprache  geschwunden  sind,  femer  solche,  die  nur  in  den  am  stärk- 
sten in  Friedrichsdorf  vertretenen  Dialekten  vorkommen;  manche  Wörter 
haben  eine  eigenartige  Bedeutungsentwickelung  durchgemacht.  Von  be- 
sonderem Interesse  sind  auch  Form  und  Betonung  der  aus  dem  Deutschen 
aufgenommenen  Bestandteile  des  Wortschatzes  bezw.  französische  Wen- 
dungen, die  den  entsprechenden  deutschen  nachgebildet  sind  (vgl.  S.  11—14). 

Die  Arbeit  zeigt  von  Beherrschung  der  einschlägigen  Literatur,  guter 
philologischer  Schulung  und  vortrefflicher  Beobachtungsgabe.  Sie  bringt 
mancherlei  Material,  das  nicht  blofs  für  den  französischen  Dialektforscher, 
sondern  auch  fSr  die  Sprachwissenschaft  im  allgemeinen  von  Interesse  ist. 

Im  einzelnen  wäre  u.  a.  folgendes  zu  bemerken:  S.  33  Nr.  3  spricht 
der  Verf.  vom  Laute  d  im  Wortinnern,  infolge  von  Metathese,  zwischen 
Muta  und  Liquida;  dabei  meint  er  im  vorletzten  Absätze,  in  den  Fällen, 
wo  sie  auslautendes  a  beträfen,  sei  sie  wohl  durch  Einflufs  des  Deutschen 
veranlafst,  fQgt  aber  im  letzten  Absatz  hinzu,  dafs  in  Wörtern  wie  tdbdl, 
lukBl  etc.  das  9  in  dieser  Stellung  im  17.  Jahrhundert  in  Frankreich 
gesprochen  worden  sei.  Die  Friedrichsdorfer  Aussprache  kann  also  doch 
ebensogut  die  Eigentümlichkeit  des  Französischen  des  17.  Jahrhunderts 
bewahrt  haben;  das  Deutsche  hätte  sie  dann  lediglich  gefördert.  — 
S.  26  unten  heifst  es:  „Prosthese  des  e  findet  sich  in  estomäkal  =  hfr. 
stamacal.  Die  volkstümliche  Tendenz,  e  vor  anlautendem  st  in  diesem 
Wort  zu  setzen,  war  schon  im  17.  Jahrhundert  vorhanden,  vgl.  Sichelet 
eta^'  Die  Eigentümlichkeit  ist  in  der]Volkssprache  seit  dem  Volkslateinischen 
vorhanden,  ist  aber  in  rein  gelehrten  Wörtern  (vgl.  auch  estatue  statt  statue) 
im  Hfr.  nicht  üblich.  —  Wenn  die  Angabe  der  Aussprache  von  hfr.  aiguiser  = 
ägize  (S.  24  Z.  4/6)  richtig  ist,  so  hätte  wohl  S.  30  unten  bezw.  S.  31  eine 
Bemerkung  über  i  statt  üi  gemacht  werden  können.  —  Von  allgemeinem 
Interesse  sind  die  Bemerkungen  über  die  Nasalvokale;  sollte  sich  die  in- 
tensivere Nasalierung  nicht  auch  unter  dem  Einflub  der  örtlichen  deutschen 
Umgebung,  die  bekanntlich  ebenfalls  Nasalvokale  kennt,  um  so  eher  er- 


y\ 


Nene  Fhilologiflohe  Rnndflohaa  Nr.  8. 


halten  habeo.  —  Die  Angaben  Aber  ^  (S.  46,  1  u.  2)  stehen  nicht  im 
Einklang  mit  der  Behauptung  (S.  61),  dab  die  Oleichheit  von  Maak. 
und  Fem.  des  betonten  Possessivpronomens  mien,  nUenne  etc.  (beide 
=rm|S:netc.)  darauf  zurfickzuführen  sei,  dafs  in  alter  Zeit  pikardisch  -{en 
ffir  heut^es  -ie  üblich  gewesen  sei;  denn  S.  45  wird  dsys  (X),  von 
äs^-n  (2),  wo  fibrigens  i  statt  {  steht,  geschieden. 

Da  es  zu  weit  fflhren  wflrde,  bei  der  FfiHe  des  Stoffes  noch  auf 
weitere  Einzelheiten  einzugehen,  so  sei  hiermit  nur  die  interessante  Schrift 
nochmals  bestens  empfohlen. 

Berlin.  B 


42)  Wershoven,  ConvenatioiiB  fran^aiMB«  Stoffe  und  Vokabular 
zu  französischen  Sprechübungen.  Göthen,  0.  Schulze,  1902.  I  u. 
92  S.  12.  j$  1. 10. 

Bei  Veröffentlichungen  dieser  Art  erhebt  sich  immer  wieder  die 
grundsätzliche  Frage,  welche  Form  denjenigen  Schulbfichem  zu  geben  ist, 
welche  ffir  die  Sprechübungen  über  die  Vorgänge  und  Verhältnisse  des 
t&glichen  Lebens  bestimmt  sind.  Sollen  sie  wie  Eron,  Stier  u.  a.  zusammen- 
hängende Stücke  bieten  oder  sich  damit  begnügen,  die  zur  Konversation 
nötigen  Wörter,  das  zur  Satzbildung  notwendige  Material  (Substantive, 
Adjektive,  Verben  u.  s.  w.)  zusammenzustellen?  Ich  möchte  dem  letz- 
teren Verfahren  den  Vorzug  geben.  Es  hat  den  Vorteil  freierer  Be- 
wegung und  regt  mehr  zur  Selbsttätigkeit  an;  es  kostet  weniger  Zeit 
—  denn  die  Stücke  müssen  doch  gelesen,  übersetzt,  erklärt  werden  — 
und  beugt  dem  mechanischen  Auswendiglernen  des  Textes  vor.  Allerdings 
setzt  diese  Methode  bei  dem  Unterrichtenden  eine  gröfsere  Beherrschung 
der  Sprache  voraus.  Vielleicht  bewahrt  sie  auch  vor  dem  Fehler  allzu 
breiter  AusfQhrlichkeii  Diese  Sprechübungen  sollen  doch  nur  nebenher 
gehen  und  dem  pädagogisch  wichtigeren  Unterricht  in  der  eigentlichen 
Lektüre  und  Grammatik  möglichst  viel  Licht  und  Luft;  lassen;  sie  haben 
daher  alle  Ursache,  sich  auf  das  Notwendigste,  ohne  viel  Sacherklärung 
Verständliche  zu  beschränken.  Auch  Wershoven  gerät  in  manchen  seiner 
Stücke  zu  sehr  in  Einzelheiten,  die  erst  eine  technisch -wissenschaftliche 
Erläuterung  erheischen.  Was  fängt  der  Schüler,  vor  allem  der  unteren 
und  mittleren  Stufe,  mit  Wörtern  an  wie:  Hornhaut,  Iris,  Eristalllinse, 
Glasfeuchtigkeit;  Stabeisen,  Walzwerk;  Kaolin,  Steinsalz,  Konverter;  Bet- 
tangamaterial  u.  s.  w.?    Welche  weitläufigen  Auseinandersetzungen  sind 


70  Nene  FhilolögiBche  RundseliAa  Kr.  3. 

nicht  hotig,  um  ihnen  den  Unterschied  zwischen  Zylinder-,  Anker-,  Repe- 
tier-, Bemohtoinihr  klar  zu  machen?  Und  hat  die  französische  Stunde 
dafQr  Zeit  fibrig? 

Dieses  Schulbuch  ist  aufserdem  durch  eine  Beihe  von  Druckfehlem 
entstellt,  die  dem  Lehrer  bei  dem  Gebrauche  dessdben  grofse  Vorsicht 
zur  Pflicht  machen.  S.  59:  Is  resrart,  S.  64:  le  mächoire,  S.  67:  le 
pantoufle,  S.  68:  le  boade  d*oreille,  S.  79:  la  clme,  S.  79:  la  courant, 
S.  81 :  le  rätam  die  Hacke  (?),  S.  81 :  la  moissomeuse,  S.  87 :  le  traffic, 
S.  90:  le  droit.  Auch  ist  es  ein  entschiedener  Mangel,  dafs  bei  den  voka- 
lisch anlautenden  oder  pluralisch  gebrauchten  Hauptwörtern  nie  das  Ge- 
schlecht angegeben  ist. 

Plensburg.  K.  Ettgelke. 

43)  Franoes  Hodgson  Bumett,  Sara  Crewe«  Mit  Anmer- 
kungen zum  Schulgebrauch  versehen  von  F.  Hersmann.  Berlin- 
Garlshorst,  Hans  Friedrich.    63  S.  8.  Ji  —.80. 

Wörterbuch  23  S.  8  und  Anmerkungen  19  S.  8  je  «4^  — .20. 
Ein  reicher  Kapitän  bringt  sein  TOchterchen  aus  Indien  nach  London 
in  eine  vornehme  Pensionsanstalt,  verarmt  und  stirbt  Das  Mädchen 
wird  jetzt  in  dem  Hause  von  jedermann  schlecht  behandelt,  erhält  aber 
plötzlich  ihr  anscheinend  verlorenes  Vermögen  zurfick  und  wird  von  dem 
reichen  Freunde  ihres  verstorbenen  Vaters  adoptiert.  Diese  kleine  Ge- 
schichte mit  ihren  wundersamen  Begebnissen  ist  eine  Erzählung  fQr  acht- 
bis  zehnjährige  Mädchen.  Aber  auf  welcher  Lernstufe  diese  Kinder  stehen 
sollen,  ist  sdiwer  zu  erraten.  ^Einerseits  wird  ihnen  z.  B.  gesagt,  dafs 
received  das  Imperf.  und  Part,  von  receive,  dafs  hotter  der  Komp.  von 
hot  ist  u.  dgL  m.,  anderseits  sollen  sie  ohne  Beihilfe  mit  Schwierigkeiten 
fertig  werden,  wie  z.  B.  I  never  answer  when  I  can  help  it,  oder  the 
delightful  sense  of  romance  and  mystery  lifted  her  above  the  cook's 
temper  and  malice,  oder  and  to  think  how  I  used  to  pretend,  and  pre- 
tend,  and  wish  there  were  fairies!  Das  „Wörterbuch^'  läfst  viele  Wörter 
vermissen,  und  die  Übersetzung  in  den  „Anmerkungen^'  ist  manchmal 
unbrauchbar,  z.  B.  I  used  to  pretend  =  ich  pflegte  zu  tun  als  ob! 
Die  Trennung  der  Anmerkungen  vom  Wörterbuch  ist  unpraktisch  und 
zeitraubend.  Der  Wortton  ist  gar  nicht,  die  Aussprache  ungenügend  be- 
zeichnet, z.  B.  salaam  (a),  welches  von  den  drei  a  ist  gemeint?  Bearbeiter 
solcher  Lektfire  täten  am  besten,  die/  Lautschrift  der  Association  phon^ 


'^ 


Neae  Philologiaelie  RuDdichaii  Nr.  S.  71 


tique  internationale  zu  gebrauchen,  da  diese  trotz  mancher  Mängel  am 
weitesten  yerbreitet  zu  sein  scheint  und  allmählich  zu  dem  ersehnten  dn- 
heitlichen  Lantsystem  f&hren  dfirfte. 

Wfkrsboxg.  JehamiM  tmuL 

44)  Friedrich  Banmaxin,   Reform  und  Antixefoim  im  neu* 

spraehlichen  Unterricht  (Separatabdr.  a.  d.  Zeitschr.  £.  d. 
Gw.  nnd  durch  Zusfttze  erheblich  erweitert.)  Berlin«  Weidmann, 
1902.     44  S.  8.  J$  1.^. 

Die  kleine  Schrift  verdient  wegen  ihres  gediegenen  Inhalts  und  ihres 
gemftfsigten  Tones  alles  Lob,  wenn  auch  im  Interesse  der  guten  Sache  es 
sich  empfohlen  hätte,  hier  und  da  einen  etwas  schroffen  Ausdruck  durch 
einen  milderen  zu  ersetzen.  Im  Anschluß  an  eine  Broschfire  Walters 
über  die  Entwickelung  und  die  Ziele  der  Beformbewegung  u.  s.  w.,  das 
Nachwort  von  Victor  und  die  Besprechung  durch  Elinghardt  und  Stim- 
ming  spricht  der  Verf.  klar  und  flberzeugend  aus,  was  er  von  der  „ Be- 
form ^^  hält,  die  nach  seiner  Meinung  jetzt  vor  einem  entscheidend«i 
Wendepunkt  steht,  da  ihre  bedeutendsten  Anhänger  und  ersten  Verfechter 
nicht  mehr  einig  sind.  Er  ist  der  „neuen  Methode^*  nicht  absolut  fremd, 
findet  aber  sehr  viel  gegen  sie  zu  sagen  und  weifs  unserer  Sehnlverwaltung 
Dank,  dalis  sie  sich  durch  die  Agitation  der  Beformer  nicht  hat  irre 
machen  lassen.  Von  besonderem  Interesse  sind  am  Schlufs  die  Urteile 
einer  Anzahl  von  Männern,  deren  Namen  und  Stellungen  die  grOlste  Be- 
achtung ihrer  Ansichten  beanspruchen.  —  Das  Schriftchen  verdient  von 
jedem  Fachgenossen  gelesen  zu  werden  und  wird  viele  Freunde  finden; 
hoffentlich  trägt  es  auch  an  seinem  Teile  dazu  bei,  die  extremen  Forde- 
nmgen  der  Beformer  znrflckzudämmen  und  die  Unruhe  zu  bannen,  in  welche 
der  neusprachliche  Unterricht  bei  uns  leider  gekonunen  ist. 

Nanen.  Friei. 

45)  Hugo  Winckler,  Die  babylonische  Knltnr  in  ihren  Be- 

ziehungen zur  unsrigen.   (Ein  Vortrag.)  Mit  8  Abbildungen. 

Leipzig,  J.  G.  Hinrichs,  1902.    54  S.  8.  Jt  -.80. 

Dieser  Vortrag  behandelt  die  vielen  Anklänge,  die  sich  zwischen  der 

modernen  Kultur  und  der  uralten  babylonischen  finden  und  sich  nicht 

durch  die  Gleichartigkeit  der  Volkerseele,  die  VSlkeridee,  erklären  lassen. 

Wir  haben  ohne  Frage  vieles  in  unserer  Kultur,  was  sich  aus  dem  Baby- 


72  Nene  Philologische  Rnndsehaa  Kr.  3. 

Ionischen  mit  Sicherheit  ableiten  läfst;  an  manchen  Stellen  geht  aber  die 
lebhafte  Phantasie  und  Kombinationsföh^keit  des  Verfassers  doch  wohl  mit 
ihm  durch;  ein  so  weitgehender  Einflofs  der  babylonischen  Astronomie  v 
und  Mythologie  auf  die  Völker  des  Okzidents,  wie  er  ihn  annimmt,  mufs 
viel  strenger  bewiesen  nnd  die  Einzelforschnng  noch  lange  betrieben  wer- 
den, ehe  man  ein  einigermaTsen  sicheres  Allgemeinbild  schaffen  kann. 
Sollten  z.  B.  wirklich  Schwert  nnd  Netz,  die  Waffen  der  Gladiatoren,  von 
den  Waffen  des  Gottes  Marduk  entlehnt  sein?  oder  753  als  Grfindungs- 
jahr  Roms  mit  der  Ära  Nabonassars,  dem  Beginn  des  Zeitalters  des  Wid- 
ders, zusammenhängen?  Der  sehr  belesene  Verf.  kombiniert  ungemein 
viel,  aber  Behauptungen  sind  keine  Beweise.  Dafs  übrigens  viel  An- 
regendes in  der  Schrift  enthalten  ist,  will  ich  nichts  Abrede  stellen. 
Oldesloe.  WL  Hansen. 

Vakanzen. 
Asehersleben,  Obl.  N.  Spr.    Magistrat 
Boehnni^  G.  Obl.  Gesch.  u.  klass.  Phil.    Kuratorium. 
Danzig,  H.T.S.  Obl.  N.  Spr.    Magistrat. 

Dortmond,  G.  Obl.  Math.;  Obl.  Französ.  u.  Lat.    Bgmstr.  Schmieding. 
Dfisseldoi^  B.S.  Obl.  Gesch.    Oberbürgermeister  Marx. 
Essen,  O.R.  Obl.  Deutsch  u.  Gesch.    Dir.  Dr.  Welter. 
Frankfurt  a.  H.,   Elinger-O.B.   Obl.   l)  Nat.   2)  Bei.   u.   Deutsch. 

3)  N.  Spr.    Kuratorium. 
ftrolä-Liehterfelde,  O.B.  Obl.  N.  Spr.    Kuratorium. 
Hannorer,  H.T.S.  Obl.  (Engl.)  Dir.  Dr.  Wespy. 
Minden,  M.S.  Obl.  Gesch.  u.  Deutsch.    Dir.  Dr.  Schlflter. 
Steglitz,  G.  u.  O.R.  Drei  Obl.,  N.  Spr.,  Math.,  klass.  PhiL  BQrgermstr.  Buhrow. 

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Prof.  Dr.  K.  Knaut, 

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Hierzu  als  Beilage:  Prospekt  der  Weidmannsehen  BueUiandlniig  in  Berlin, 
betr.  lüMriptiones  latlaae  selaetae  von  Hermann  ob  Dessau. 


O 


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Gotha,  21.  Februar.  Nr.  4,-  Jahi^^ang  1908. 

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PhilologischeRundschau 

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Dr.  C.  Wagener  und  Dr.  E.  Ludwig 

in  Bremen. 

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Insertionsgebflhr  fDr  die  einmal  gespaltene  Petitzeile  80  Pfg. 

Inhalt:  Rezensionen:  46)  C.  0.  Znretti,  Omero,  L*Iliade,  vol.  IV,  libri  XIII  — 
XVI  (H.  Kluge)  p.  73.-47)  W.  Pfitzner,  Taciti  AnnaleB,  I.  Band  (B.  Wolff) 
p.  74.  — 48)A1.  Graham,  Roman  Africa  (J.Jang)  p.  77.  — 49)Ed. Schwyzer, 
Die  Weltsprachen  des  Altertums  in  ihrer  geschichtlichen  SteUnng  (0.  Weise) 
p.  78.  —  50)  H.  van  Her  werden,  Lexicon  Graecnm  snppletorinm  et  dialecti- 
cum  (Th.  Weber)  p.  79.  —  51)  K.  Wimmer,  Histoire  d'un  Gonscrit  de  1818 
par  Erckmann-Gbatrian  (E.  Holtermann)  p.  85.  —  52/54)  G.  Steinmfiller, 
Auswahl  von  fünfzig  französischen  Gedichten;  E.  Wasserzieher,  Sammlung 
französischer  Gedichte;  A.  Englert,  Anthologie  des  po^tes  fran^is  modernes 
p.  87.  —  55)  0.  Ganz  mann,  Lehrbuch  der  französischen  Sprache  (H.  Schmidt) 
p.  90.  —  56)  F.  Koldewey,  Französische  Synonymik  f&r  Schulen  (L.  Fries) 
p  91.  —  57)  Webster *s  International  dictionary  of  the  English  language 
(H.  Spies)  p.  92.  —  Vakanzen.  —  Anzeigen. 

46)  C.  0.  Znretti,   Omero,  L'Iliade.    Vol.  lY.  Libri  Xni— XYI. 

Torino,  Enu.  Loescher,  1902  (Leipzig,  F.  A.  Brockhaas).    XII  n. 

214  S.  8.  Lire  2  20  (^  1. 70). 

Das  empfehlende  urteil,  welches  Bef.  in  Nr.  16,  Jahrg.  1900  und 
Nr.  19,  Jahrg.  1901  dieser  Zeitschrift  über  die  Iliasanagabe  von  Zuretti 
ausgesprochen  hat,  gilt  auch  in  vollem  Mafse  für  den  jetzt  vorliegenden 
vierten  Band.  Die  diesem  Bande  vorausgeschickte  Abhandlung  beschäftigt 
sich  mit  den  Versuchen  Boberts,  aus  der  Art  der  an  den  einzelnen  einschlägigen 
Stellen  der  Ilias  erwähnten  oder  vorauszusetzenden  Waffen  in  Verbindung 
mit  der  sprachlichen  Form  dieser  Stellen  deren  Zugehörigkeit  zu  einer 
älteren  äolischen  oder  zu  einer  jüngeren  ionischen  Ilias  zu  erweisen. 
(Bobert,  Studien  zur  Ilias,  Berlin,  Weidmannsche  Buchhandlung,.  1901). 
Zuretti  erkennt  den  Scharfsinn  und  die  interessante  Beweisführung  Bo- 
berts an,  ist  aber  doch  keineswegs  der  Ansicht,  dafs  sich  auf  dem  von 
Bobert  eingeschlagenen  Wege  eine  Lösung  der  homerischen  Frage  erzielen 
lasse.    Seine  Gründe  für  dies  ablehnende  Urteil  beruhen  vorzüglich  darauf 


74  Neue  Philologische  Bondschaa  Nr.  4. 

dafs  er  der  Ansicht  ist,  dafs  der  epische  Dichter  es  im  allgemeinen  nicht 
aof  die  Beschreibung  der  einzelnen  Gegenstände,  sondern  auf  eine  Schil- 
derung des  Eindruckes  abgesehen  habe,  den  die  Dinge  machen.  Je  nach- 
dem er  nun  den  Eindruck  so  oder  anders  wollte,  habe  er  also  auch  die 
Wirkung  der  Waffen  geschildert,  und  wo  nicht  ausdrücklich  die  Gestalt  oder 
die  Art  der  Waffen  angegeben  sei,  dürfe  man  aus  der  blofsen  Schilderung 
der  Waffen  Wirkungen  nicht  auf  die  ältere  oder  jüngere  Art  derselben 
schlieisen.  Als  unterstfitzende  Beispiele  führt  er  das  dichterische  Ver- 
fahren von  Yirgil  und  Ariost  an,  wie  die  italienischen  Homeriker  ja  so 
gern  die  römischen  und  italienischen  Dichter  zitieren,  wo  es  sich  um 
Erklärung  von  Erscheinungen  der  altgriechischen  Epik  handelt.  Man  darf 
aber  nie  vergessen,  dafs  es  sich  bei  Yirgil,  Ariost  und  anderen  Epikern 
der  jüngeren  Zeit  um  Dichter  von  Eunstepen  handelt,  die  mit  bewufster 
Absicht  auf  bestimmte  Wirkungen  hinarbeiten.  Der  naive  alte  Epiker 
benutzt  als  Mittel  der  Erzeugung  eines  bestimmten  Eindruckes  eben  gerade 
die  möglichst  getreue  Schilderung  der  Einzeldinge,  so  dafs  der  von  den 
Eunstepen  hergenommene  Einwand  gegen  Robert  nicht  stichhaltig  ist. 
In  dem  ablehnenden  Urteil  den  Bobertschen  Eonstruktionen  der  äolischen 
und  ionischen  Ilias  gegenüber  stimme  ich  allerdings  mit  Zuretti  überein ; 
doch  gründet  sich  meine  Ansicht  auf  die,  bei  rechtem  Lichte  betrachtet, 
ganz  willkürliche  Abgrenzung  und  Behandlung  der  angeblich  ursprüng- 
lich äolischen  Abschnitte  der  Ilias,  wie  sie  sich  in  den  Darlegungen  Bo- 
berts  finden. 

Zerbsi  H.  Kluge. 

47)  Comelii  Taciti  AnnaleB.  Nach  Text  undEommentar  getrennte 
Ausgabe  für  den  Schulgebrauch  von  W.  Pfitzner.  I.  Bändchen. 
Buch  In.  U.  Erste  Abteilung:  Text.  Zweite  Abteilung:  Eom- 
mentar.  Vierte,  umgearbeitete  Auflage.  Gotha,  Friedrich  Andreas 
Perthes,  1903.     71  u.  74  S.  8.  Ji  1. 20. 

Das  verhältnismäfsig  rasch  eingetretene  Bedürfnis  einer  neuen  Auf- 
lage des  ersten  Bändchens  spricht  dafür,  dafs  Pfitzners  Annalenausgabe, 
trotz  mancher  anfechtbaren  oder  etwas  künstlichen  Auslegung  des  Textes, 
sich  im  ganzen  in  der  Praxis  als  ein  tüchtiges  Hilfsmittel  bewährt,  wohl 
geeignet,  den  Schüler  in  die  Besonderheiten  des  Tacitus  einzuführen.  Auch 
diese  vierte  Auflage  ist  eine  vielfach  umgearbeitete  und  selbstverständlich 
verbesserte.    Auf  jeder  Seite  des  Eommentars  finden  sich  neben  zweck- 


Nene  Philologisefae  BnndsebAa  Nr.  4.  75 

mäfdgen  Streichnngen,  neue  oder  vervollstftndigte  Erklärungen  und  Über- 
setzungsbilfen,  f&r  die  manche  Winke  0.  Andresens  und  des  Bef.  verwertet 
worden  sind.  Von  den  prägnanten  Eingangssätzen  der  Annalen  hat,  nebenbei 
bemerkt,  G.  Bardt  im  Hermes,  Bd.  29,  S.  451—457,  eine  grfindliche 
Analyse  gegeben,  die  Beachtung  verdient. 

Die  Einleitung  bei  Pf.  ist  bis  auf  eine  Stelle  (S.  4)  unverändert 
geblieben;  im  lateinischen  Text  hätte  ich  gern  mehr  Abweichungen  von 
der  dritten  Ausgabe  gesehen.  Noch  steht  I  4,  14  exulem  egerü,  dem 
doch  specie  secessus  widerspricht,  32,  14  neque  disiedi,  nü  (statt  ne- 
que  —  nee),  wie  in  der  ersten  und  dritten  Auflage,  41,  6  e^  extemae 
fidei  (dieses  sei  Dativ  der  Ortsbestimmung,  nach  Analogie  von  Yerg.  Aen. 
4,  451  U  damor  cctelo),  57,  4  rebtis  commoiis,  58,  20  Vdera  in  pr(h 
vineia;  zu  28,  12  und  76,  9  in  vuigtim  {M  vuJgas)  bemerkt  Pf.  „diese 
Form  des  Akkusativs  wählt  Tac.  stets,  wenn  keine  nähere  Bestimmung 
beigefQgt  ist^S  Gegen  die  Überlieferung  liest  er  77,  13  sectarentur 
nach  WOlfflin  und  Halm),  H  8,  12  Ampsivariorum;  die  handschriftL 
Tradition  ist  wieder  aufgenommen  II  56,  3  sed  saqmts  discordes  und 
57,  10  opertis  odiis,  was  einen  Rückschritt  bedeutet,  umgekehrt  steht  es 
mit  I  28,  4  qua  pergerent  „auf  dem  Wege,  den  sie  gingen *^  Oegen 
adepto  principcUu  (I  7,  16)  hegt  Noväk  nicht  unbegründete  Bedenken. 
Beachtenswert  ist  desselben  Gelehrten  Emendation  28, 12  et  si  qui  älii; 
vgl.  32,  12  et  si  qua  älia. 

Von  Abänderungen  und  Zusätzen  im  Kommentar  hebe  ich  folgende 
beispielsweise  hervor:  I  17,  13  ist  der  Inhalt  eines  ägyptischen  Papyrus 
(s.  Mommsen  im  Hermes  35,  443  ff.)  augeführt  betr.  Löhnung  und  Ver- 
pflegung des  römischen  Militärs;  23,  16  wird  cognomentum  jetzt  richtig 
=  namen  erklärt,  zu  36,  7  periciüosa  severitas  sq.  die  Kunst  der  tad- 
teischen  Dramatik  deutlich  gemacht,  ebenso  zu  41,  3 ff.  quis  ...  sonus? 
Verbessert  ist  die  Erklärung  von  59,  12  Germanos  . . .  excusaturas,  65,  15 
simul  haec  übersetzt  mit  „riefs  und  durchbrach  den  Zug'*;  65,  24  findet 
sich  eine  nützliche  Bemerkung  allgemeiner  Art  zu  per  quae  egerüur, 
73,  2  zu  quanta  arte;  73  a.  E.  inter  dlios  e.  artis  übersetzt.  Gut  geändert 
sind  die  Anmerkungen  zu  II  10,  1  diversi  und  11,  10  adstrepere.  — 
unrichtig  gedeutet  ist  meines  Erachtens  I  33,  5  acriores  (nach  Zöchbauers 
Vorgang),  55,  13  inimicus  als  passiv  =  „angefeindetes  mit  Hinweis  auf 
Verg.  Aen.  1,  67  gens  inimica  mihi,  wo  jedoch  der  Zusammenhang  die  ak- 
tive Bedeutung  erheischt.     56,  10  iuventus  transmiserat  —  arcAant  ist 


76  Neue  Philologische  Bnndsohan  Nr.  4. 

ein  darchaus  nicht  auffälliger  Wechsel  des  Nameras;  übrigens  läTst  sich 
als  Subjekt  von  arcebant  leicht  iuventtis  +  natu  maiores  ergänzen.  — 
64,  6  proelia,  Plural  „weil  kein  regelrechtes  Treffen  in  dem  Sumpfe 
möglich,  sondern  Einzelkämpfe ''.  Aber  gegen  den  generellen  Plural  ist 
überhaupt  nichts  einzuwenden.  —  circumvenire  ist  weder  13, 11  noch  65, 12 
mit  „ hinraffen ^^  wiederzugeben;  vgl.  übrigens  68, 1,  wo  Pf.  ebenfalls  auf 
13,  11  exemplifiziert.   —  Zöchbauers  von  Pf.  gebilligte  Erklärung  von 

68,  6  proruunt  fossas  „sie  stürzen  vorwärts  nach  den  Gräben ^^  bleibt 
nach  wie  vor  unwahrscheinlich.  68,  7  prenscm^  —  haesere  „sie  packen 
mit  den  Händen  den  oberen  Band  des  Walles,  um  sich  hiuaufzuschwingen, 
und  hängen  förmlich  in  der  Luft^^  (?).     Vgl.  65,  11  haesere  camo.  — 

69,  14  a  midiere  steht  innerhalb  desselben  Zusammenhanges  (Z.  10,  was 
Pf.  Qbersieht)  wohl  lediglich  zur  Abwechslung  mit  femina.  Zu  E.  70 
ist  zutreffend  bemerkt,  dafs  Tac.  bei  Schilderung  der  Sturmflut  (auch  II 23) 
„die  aus  der  Bhetorenschule  geläufigen  Farben''  aufgetragen  habe.  70, 15 
deckt  sich  tfi^enstTüi  nicht  ganz  mit  „Lebensmitteln'';  natürlich  sind  nicht 
nur  Gerätschaften  gemeint.  75,  1  erfordert  der  Ausdruck  in  cornu  tri- 
hunalis  wofal  eiue  sachliche  Anmerkung;  vgl.  Liv.  25,  3,  17.  —  qui 
aderai  mit  Bitterkeit  (?)  „gerade".  Diese  Wiederholung  der  61,  2  ge- 
brauchten Wendung  wird  von  Nipperdey-Andresen  richtiger  mit  Bück- 
sichten des  Bhythmus  begründet.  Auch  die  Yoranstellung  des  Wortes 
Bomanus  dürfte  kaum  den  von  Pf.  vermuteten  Zweck  haben,  zu  betonen, 
„dafs  nach  dem  Völkerrecht  den  Germanen  als  Siegern  die  Pflicht  der 
Beerdigung  zukam."  In  den  Schilderungen  der  Oermanicuszfige  mit  ihrer 
bald  elegischen  bald  dramatisch  bewegten  Darstellungsform  befinden  wir 
uns  überhaupt  auf  einem  Gebiet,  wo  je  nach  subjektivem  Empfinden  und 
Geschmack  die  Urteile  über  des  Autors  Absichten  meistens  ziemlich  weit 
auseinandergehen.  Hier  findet  Pf.  häufiger  als  sonstwo  Aulafs,  auf  die 
wunderbare  Darstellungskunst  des  Tacitus  hinzuweisen  und  den  Leser  zu 
einer  tieferen  Auffassung  anzuleiten,  auch  da,  „wo  der  Flug  und  die  Fülle 
der  Gedanken  des  Autors  dem  äufseren  Wort,  der  Diktion,  voraneilt  und 
f&r  den  rein  grammatischen  Verstand  der  Inhalt  dunkel  erscheint".  — 
Auch  im  zweiten  Buch  weist  der  Kommentar  zahlreiche  Neuerungen  auf, 
namentlich  in  den  Kapiteln  5,  26,  31,  49,  57,  77,  88.  —  Kap.  46,  5 
ist  leider  die  verkehrte  Deutung  i;acua8  „menschenleer"  stehengeblieben; 
17,  5  campis  „Ablativ  der  Ortsruhe"  verstehe  ich;  was  aber  soll  ad- 
diterant  „zunächst  standen"? —  Noch  habe  ich  einige  Druckfehler  zu 


^ 


Nene  Philologische  Rnndflehaii  Nr.  4.  77 

vermerken:  Komm.  I  56,  10  lies  Eder  statt  Weser;  66 ,  20  eireumvenU 
statt  drcurndtUi;  II  13,  5  lies  9,das  immer  gleiche  Wesen '^;  57,  10  lies 
„offensichtlich''. 

Die  Nützlichkeit  des  Kommentars  fflr  die  Zwecke  des  Unterrichts  ist 
jedenfalls  durch  die  beträchtlichen  Umgestaltungen  vermehrt  worden,  die 
zugleich  beweisen,  wie  sehr  dem  Herausgeber  die  Vervollkommnung  seiner 
Arbeit  am  Herzen  liegt.  Möge  er  noch  zu  mancher  Neubearbeitung  die 
erfreuliche  Yeranlassang  haben! 

Frankfurt  a.  M.  E.  WolK 

48)  Alezander  Oraham,  Roman  Africa.  An  outline  of  the  history 
of  the  romain  occupation  of  north  AMca,  based  chiefly  upon  in- 
scriptions  and  monumental  remains  in  that  country.  With 
thirty  reproductions  of  original  drawings  by  the  author  and  two 
maps.  London,  New  York  and  Bombay  1902,  Longmans,  Oreen 
and  Co.    XVI  u.  325  S.  8.  geb.  16  s. 

Der  Verf.  behandelt  sein  Thema,  indem  er  es  in  zeitliche  Abschnitte 
einteilt:  Bom  und  Earthi^o  von  201 — 46  v.  Chr.,  Afrika  unter  den 
Kaisern  bis  96  n.  Chr.,  Afrika  unter  Trajan,  unter  Hadrian  u.  s.  w.  bis 
Afrika  unter  den  Kaisern  von  Oordianus  bis  454  n.  Chr.  Es  werden  die 
unter  den  betr^enden  Regierungen  vorgefallenen  Ereignisse  mit  besonderer 
Beziehung  auf  Afrika  besprochen,  also  z.  B.  die  Fürsorge  fQr  die  Annona, 
die  Einrichtung  der  Flottenstationen,  der  stadtrOmischen  Häfen,  die  Zu- 
fälligkeiten, welchen  die  Yerpfl^ung  der  Beichshauptstadt  z.  B.  unter  Kaiser 
Gommodus  aue^esetzt  war,  die  Städtegrfindungen  der  einzelnen  Kaiser, 
ihre  Strafsenbauten,  Hafenanlagen  und  Wohlfahrtseinrichtungen;  die  Statt- 
halter der  Provinz  und  ihre  Legaten,  der  Bepetundenprozefs  gegen  den 
gewesenen  Prokonsul  Marius  Priscus,  der  mit  seinem  Legaten  Hostilius 
Firminus  von  Plinius  d.  J.  und  Ciornelius  Tacitus  in  Anklage  versetzt  und 
daraufhin  verurteilt  wurde  u.  s.  w.  Alles  unter  fleifsiger  Benutzung  der 
literarischen  und  der  inschriftlichen  Quellen,  mit  vornehmlicher  Berflck- 
sichtigung  der  Schriften  englischer  Beisender,  unter  Beigabe  von  Ab- 
bildungen eigener  Zeichnung  der  römischen  Ruinen,  Denkmäler,  Städte- 
veduten in  Afrika,  sonst  mehr  für  ein  grfifseres  Publikum  berechnet  als 
fBr  wissenschaftlich  interessierte  Kreise. 

Prag.  J.  Jtug- 


78  Neue  Philologische  Bondsohau  Nr.  4. 

49)  Ed.  Sohwyzer,  Die  Weltsprachen  des  Altertanis  in  ihrer 
geschiohiliehen  Stellung.   Berlin,  Weidmann,  1902.  38  S.  8. 

Ji  1.-. 

Die  kleine  Schrift,  mit  der  der  Verf.  seine  akademische  Antritts- 
vorlesung an  der  Universität  Zürich  der  Öffentlichkeit  fibergibt,  bietet  uns 
einen  vortrefflichen  Überblick  über  die  allmähliche  Ausbreitung  der  baby- 
lonischen, griechischen  und  lateinischen  Sprache.  Sie  ist  nur  zur  ersten 
Orientierung  bestimmt,  setzt  aber  jeden  Leser  in  den  Stand,  sich  fiber 
die  einschlägigen  Fragen  weiter  zu  unterrichten;  denn  sie  verzeichnet  in 
den  Anmerkungen  eine  grofse  Zahl  von  Büchern  und  Abhandlungen,  in 
denen  die  betreffenden  Erscheinungen  ausführlicher  behandelt  worden  sind. 
Wir  erfahren  nicht  nur,  wieweit  die  in  Bede  stehenden  Sprachen  vordringen, 
sondern  auch,  warum  es.  ihnen  nicht  gelingt,  dieses  oder  jenes  Gebiet  zu 
erobern,  oder  warum  sie  bereits  erobertes  Land  später  wieder  aufgeben 
müssen.  Da  die  Lehnwörter  bei  der  gegenseitigen  Beeinflussung  ver- 
schiedener Völker  eine  grolse  Bolle  spielen,  so  wird  auf  diese  mehrÜEich 
die  Aufmerksamkeit  hingelenkt,  z.  B.  S.  12  Anm.,  wo  die  Niederschläge 
verzeichnet  sind,  sie  sich  aus  thracisch-phrygischem  Sprachgebrauch  im 
Oriechischen  nachweisen  lassen  {aativij,  Kampfwagen,  ßahög,  gefleckt, 
ßdumonfog,  behexend  u.  a.);  ebenso  wird  auf  lautliche  Übereinstimmung 
zwischen  bestimmten  Gegenden  Bücksicht  genommen,  z.  B.  S.  26  Anm., 
wo  hervorgehoben  ist,  dafs  das  Ümbrisch-Samnitische  im  Gegensatz  zum 
Latein  mit  dem  Gallischen  in  der  Behandlung  der  ursprünglichen  q-Laute 
gleich  verfährt. 

Mitunter  vermifst  man  eine  Angabe.  Mit  Becht  wird  S.  23  betont, 
dafs  es  hauptsächlich  stammesverwandte  Sprachen  sind,  die  dem  Latein 
erliegen,  indogermanische,  die  sich  nach  ihrem  ganzen  geistigen  Habitus 
von  der  sieghaften  römischen  nicht  allzusehr  unterscheiden;  doch  bedurfte 
es  eines  Hinweises  darauf,  warum  das  völlig  fremde  etruskische  Idiom  so 
schnell  aufgesogen  wurde,  während  sich  die  orientalischen  und  afrika- 
nischen im  Munde  des  Volkes  fort  erhielten.  Und  wenn  auf  derselben 
Seite  gesagt  wird,  dafs  in  manchen  Gegenden  des  römischen  Beiches  das 
Vorbild  der  Vornehmen,  die  gemeinhin  die  Sprache  ihres  Volkes  zuerst 
au^ben,  für  weitere  Ejreise  mafsgebend  geworden  sei,  genau  so  wie  beim 
deutschen  Adel  des  18.  Jahrhunderts  gegenüber  dem  Französischen,  so 
hinkt  dieser  Vergleich  stark.  Denn  einmal  hat  der  deutsche  Adel  seine 
nationale  Sprache  nicht  völlig  angegeben  und  sodann  hat  er  das  niedere 


-^ 


Neu«  Philologlfohe  BandsehAU  Kr.  L  79 


Volk  nicht  zur  Nacbahmung  gewinnen  können  sonst  wflrden  wir  heutigen 
Tages  nicht  mehr  Dentsch  sprechen.  Besser,  aber  auch  nicht  völlig,  wfirde 
der  Hinweis  auf  England  passen,  dessen  Sprache  unter  dem  Drucke  der 
Normannenherrschaft,  namentlich  durch  das  Verhalten  des  Adels,  stärker 
verwelschte,  als  dies  bei  der  deutschen  je  der  Fall  gewesen  ist.  Femer  I&Tst 
sich  wohl  kaum  in  Abrede  stellen,  dafs  der  Latinisierungsprozefs  hie  und 
da  im  Volke,  also  von  unten,  begonnen  hat,  d.  h.  auf  dem  Wege  des 
Handels  und  Verkehrs  durch  Krämer  und  Soldaten,  z.  B.  bei  einigen  am 
Rhein  wohnenden  Germanenstftmmen. 

Eisenberg.  O.  Welao. 

50)  Henriens  van  Herwerdeiii  Lexioon  Graeoum  sappletorinm 
et  dialectionin«     Lugduni  Batavorum  apud  A.  W.  Sythoff, 
MDGOOGIL    X  u.  973  S.  8. 
Angesichts  der  seit  der  zweiten  HUfte  des  Torigen  Jahrhunderts  in 
nie  geahnter  Zahl  aufgefundenen  Papyri  und  Inschriften  und  des  Schwalles 
von  Literatur,  die  deren  Verwertung  fflr  die  yersohiedenartigsten  Disziplinen 
im  Gefolge  hatte,  wird  die  Lückenhaftigkeit  der  griechischen  Wörterbficher, 
den  Thesaurus  nicht  ausgenommen,  mit  jedem  Tage  klaffender.    Ist  doch 
die  Flut  der  aus  aller  Herren  Ländern  von  mehr  oder  weniger  berufenen 
Seiten  fliefsenden  Beiiaräge  zu  dieser  Materie  derart  angeschwollen,  dab 
der  Forscher,  zumal  der  angehende  Orädst,  jene  Lfickenhaftigkeit  auft 
unliebsamste  empfinden  mufs  und  nicht  eben  selten  sozusagen  auf  ufer- 
losem Strome  zu  schwimmen  sich  genötigt  sieht    Kein  Wunder  also, 
wenn  der  Buf  nach  einem  Papyri  und  Inschriften  mitumfassenden  The- 
saurus als  unerläfslicher  Grundlage  zwecks  weiterer  erspriefslicher  Arbeit 
stets  lauter  erschallt;  wird  ja  die  Altertumsforschung,  wie  unlängst  ein 
Gelehrter  sich  ausgedrflckt  hat,  „im  20.  Jahrhundert  unter  dem  Zeichen 
der  Papyrus  stehen '\    Zwar  haben  einige  auf  Erstellung  eines  solchen 
Thesaurus  abzielende  Vorarbeiten  unstreitig  im  einzelnen  schon  manche 
erfreuliche  Ergebnisse  gezeitigt,  ich  verweise  nur  auf  Searles  „A  lexico- 
graphical  study  of  tiie  Greek  inscriptions'S  Chicago  1898,  aber  ein  dem 
praktischen  Bedflrfnisse  Bechnung  tragendes  Kompendium  gröiseren  Stils 
liels  nach  wie  vor  auf  sich  warten.    Wenn  nun  auch  die  Frage,  ob  eine 
gedeihliche  Lösung  der  geforderten  Aufgabe  von  der  Arbeitskraft  eines 
einzelnen  sich  erboffen  lasse,  unter  billiger  Berflcksichtigung  des  üm- 
standes,  dafs  von  den  auf  diesem  Gebiete  sich  Tununelnden  die  einen 


80  Nene  Phildogisohe  Bundsohan  Kr.  L 

selbst  als  Entdecker  tätig  sind,  die  bei  Veröffentlichung  ihrer  Funde  die 
Forschungen  anderer  günstigenfalls  genau  nur  so  weit  mitberficksichtigen, 
als  sie  dies  zur  Gewinnung  eines  geeigneten  Mafsstabes  für  unumgänglich 
notwendig  erachten,  während  die  anderen  diesbezügliche  Studien  neben 
ihrem  eigentlichen  Berufe  treiben,  von  allen  ausnahmslos  in  verneinendem 
Sinne  beantwortet  werden  dürfte,  die  allgemeine  Ansicht  vielmehr  dahin 
geht,  das  gewünschte  Ziel  werde  sich  wohl  nur  in  einer  der  Entstehung 
des  thesaurus  linguae  latinae  analogen  Weise  erreichen  lassen,  so  liefert 
doch  Herwerden  mit  der  hier  angegebenen  äufserst  gediegenen  Arbeit  den 
sprechendsten  Beweis  dafür,  dafs  es  für  einen  Mann,  der  das  nötige  Büst- 
zeug  besitzt,  nicht  aufser  dem  Bereiche  der  Möglichkeit  läge,  das  in 
Betracht  kommende  gedruckte»  jedoch  weit  zerstreute  Material  zweck- 
entsprechend zu  sichten  und  in  knapp  gefafster  lexikographiacher  Be- 
arbeitung innerhalb  literarisch  und  zeitlich  bestimmter  Grenzen  zu  einem 
befriedigenden  Abschlufs  zu  bringen.  Das  vorliegende  Buch  allerdings  tut 
dies,  wie  wir  sehen  werden,  nach  keiner  dieser  beiden  Bichtungen  und 
kann  daher,  so  wertvoll  im  allgemeinen  und  so  zutreffend  in  den  einzelnen 
Artikeln  es  immerhin  erscheinen  mag,  doch  auch  seinerseits  nur  auf  den 
Namen  einer  allerdings  besonders  gehaltreichen,  in  gewissem  Sinne  sogar 
vorzüglichen  Vorarbeit  Anspruch  erheben. 

Wie  der  gewählte  Titel  zeigt,  verfolgt  der  nicht  blofs  durch  eine 
Beihe  trefflicher  Ausgaben,  sondern  auch  durch  kritische  Studien  zu  den 
griechischen  Inschriften  rühmlichst  bekannte  Gelehrte  mit  dieser  umfang« 
reichen  Veröffentlichung  einen  doppelten  Zweck.  Fürs  erste  sucht  er  die 
oben  angedeuteten  Lücken  der  Wörterbücher  nach  Tunlichkeit  auszufüllen, 
fürs  zweite  will  er  das  vergleichende  Studium  der  grieschischen  Dialekte 
fordern.  Da  das  Material  fast  mit  jedem  neuen  Funde  wächst,  so  nehme 
ich  keinen  Anstand  zu  erklären,  der  Herausgeber  hätte  selbst  dann  eine 
verdienstvolle  Arbeit  geliefert,  wenn  er  sich  nur  den  erstgenannten  Zweck 
zur  Aufgabe  gesetzt  und  zu  diesem  Behufe  auf  genaue,  wenn  auch  in 
gedrängtester  Kürze  abgeüafste  Angaben  sich  beschränkt  hätte.  Nun  kann 
und  soll  gar  nicht  geleugnet  werden,  dafs  die  Sammlung  nach  beiden 
(Gesichtspunkten  hin  des  Interessanten  ungemein  viel  bietet,  insofern  nicht 
blofs  neue  Vokabeln,  sondern  auch  neue  Formen,  wozu  ich  auch  die 
Schreibung  des  Monatsnamens  l^lq>i^g  (bisher  'Ahpiolo^  rechne,  und 
Gebrauchsweisen  berücksichtigt  und  nebenbei  neue  Belege  für  etwas  sel- 
tenere Wörter,  bzw.  Bedeutungen,  z.  B.  die  wohl  aus  Halms  Lesebuch 


Neue  Philologiflehe  Bimdich«Q  Nr.  4.  81 

aUgemein  bekannt  gewordene  Verbindong  yuxXXiTvaig  dfjttirig  (Fabeln  des 
Babrins  7,  7),  in  dankenswerter  Weise  dreingegeben  werden.  Dabei  ver- 
dient das  Buch,  augenscheinlich  die  Fracht  hngj&hrigen  Sammeleifers, 
auch  hinsichtlich  der  Angaben  im  groCsen  und  ganzen  volles  Yertraaen, 
abgesehen  allerdings  von  den  ,,  Druckfehlern  der  bOsesten  Sorte 'S  wie  sie 
Blafs  nennt,  jenen  fidschen  Zahlenangaben  bei  Zitaten,  deren  mir  mehr 
als  dreilsig  aufgestofsen  sind;  so  steht  z.  B.  imvadig  Theokr.  7,  42, 
nicht  8,  72.  Und  was  soll  das  letzte  Zitat  unter  dü^fiai?  Bezflglich 
der  Formen  sodann  gilt  natfirlich  auch  hier  der  Satz  Thumbs  ^),  dafs  es 
oft  schwer  Mit,  zwischen  den  Übergangsformen,  wie  der  von  Dieterich 
eingefBhrte  Eunstausdruck  lautet,  und  Textverderbnissen  eine  sichere  Ent- 
scheidung zu  treffen.  Demgegenüber  kann  freilich  anderseits  nicht  genug 
bedauert  werden,  dab  durch  das  vorliegende  Sammelwerk  keines  der  bis- 
herigen Hilftmittel  entbehrlich  geworden  ist.  So  dient  z.  B.  der  Artikel 
xatddovTtog  einzig  der  Dialektforschung,  während  der  naheliegende  Hin- 
weis auf  die  Nilstromschnellen  an  der  äthiopischen  Grenze  unterblieben 
ist,  wozu  dann  im  Bedarfsfalle  wieder  anderweitiges  Nachschlagen  nicht 
umgangen  werden  kann.  Was  femer  die  benutzte  Literatur  anlangt,  so 
ist  dieselbe  im  ganzen,  wie  dies  fQr  die  Pap.  Berol.  ausdrücklich  bemerkt 
ist,  mit  dem  Jahre  1900  abgeschlossen,  leider  jedoch  sind  nicht  alle  bis 
dahin  erschienenen  Bücher  benutzt  worden.  Zwar  finden  sich  noch  einige 
Nachträge,  einmal  S.  139 — 141  zu  A  und  dann  nochmals  Addenda  et 
Gorrigenda,  S.  927  (nicht  929!)  bis  973;  die  hier  aus  Pap.  nachgetragene 
Form  diayifoxa  kommt  auch  auf  einer  späteren  Inschrift  der  Insel  Philä  vor; 
Corrigenda  nach  Art  Yon^Afiq>i<iQaog  indes  gäbe  es  mehr  als  ein  halbes  Hun- 
dert. Dazu  treten  in  der  Fufsnote  S.  yui  noch  aus  dem  von  der  Hand 
Moritz  Haupts  mit  Bemerkungen  und  Ergänzungen  versehenen  Exemplar 
des  Thesaurus,  das  dessen  nunmehriger  Besitzer  Otto  Benndorf  in  Wien, 
bedauerlicherweise  allerdings  erst  nach  vollendeter  Drucklegung,  freund- 
lichst zur  Verfügung  stellte,  die  drei  Vokabeln  äQx^xeQdifiTcoQog  (vgl.  dazu 
TteQdifinoQog  S.  957),  yaXld^rpf  und  e^nodviQX'^g  nebst  Stellenangabe. 
Nun  ist  aber  doch  einleuchtend,  dals  der  Wert  des  Lexikons  eine  unver- 
gleichlich bedeutendere  Tragweite  hätte,  wenn  darin  gleichwie  in  einem 
Magazin  die  Literaturergebnisse  bis  zum  Abschlufs  irgend  eines  bestimm- 
ten Jahres  vollständig  verarbeitet  und  aufgespeichert  wären.    So  aber  hat 

1)  „Die  griechiBche  Sprache  im  Zeitalter  des  Hellenismiu'S  im  folgenden  mit  lli. 
bezeichnet. 


Neu«  Philologische  EuDdoehaa  Kr.  4. 


der  hochbetagte  Herr  Verf.  weder  alle  Sammlungen  von  Papyri  nnd  In- 
schriften verglichen  oder  fiberhanpt  zu  Bäte  gezogen,  weil  er,  wie  er  seibat 
sagt  nYoritus,  ne  in  media  opera  me  mors  opprimeret^'  die  Herausgabe 
nicht  mehr  länger  aufschieben  wollte,  noch  hat  er,  und  dies  ist  rflck- 
sichtlich  des  zweiten  Zweckes  noch  schlimmer,  alles  zur  Dialektvergleichung 
nötige  Material  zusammengetragen,  ja  meist  nicht  einmal  auf  die  maCa- 
gebenden  üntersnohungsresultate  verwiesen,  zieht  vielmehr  den  sogen, 
homerischen  Dialekt  ebenso  wie  den  attischen  blofs  dann  und  wann  heran 
und  befindet  zugleich  die  sogen,  hellenistischen  WOrter  und  Formen  fast 
ausnahmslos  nur,  insofern  sie,  wie  z.  B.  yoSv^og^  auf  Inschriften  oder 
Papyri  vorkommen,  der  Aufnahme  wert.  Der  Attikisten  und  Kirchen- 
schriftsteiler  vollends  geschieht  fast  nirgends  Erwähnung,  und  doch  findet 
sich  z.  B.  Philostr.  Ap.  38,  22  SitloioCv  in  der  anderweit^  nirgends 
belegten  Bedeutung  „gerecht  verwalten'*:  dvmubou  %^  %<l}Qav.  Und 
hätten  Deifsmanns  Bibelstudien  nicht  verdient,  wenigstens  zum  Vergleiche 
herangezogen  zu  werden,  z.  B.  hy^äa  und  Ao/et^a»?  Die  bei  Eumanudes  aus 
späteren  Schriftstdlem  gesammelten  Worte  blieben  grundsätzlich  aus- 
geschlossen, nicht  aber  die  späten  Wörter  schlechtweg,  wie  z.  B.  ym- 
Mqu9¥.  Die  Sammlung  von  GoUitz  scheint  blofs  mittelbar  benutzt  zu 
sein;  nur  so  labt  es  sich  erklären,  dafs  von  den  dortigen  Inschriften  rein 
hkonischen  Gepräges  (n.  4498—4601),  wie  solche  im  Zeitalter  der  An- 
tonine wieder  auftauchen,  einzig  das  auf  den  beiden  ersten  vorkommende 
%u0a^qA%oqiv  (nach  H.  =  7ux%ct9ifiqa%oqida^  nach  Th.,  der  das  Wort  po- 
roxytoniert,  =  xora^^TcS^ioy)  zu  finden  ist.  (Über  die  Endung  iv 
s.  Th.  36,  ebenda  fiber  die  von  H.  als  arkadisch  bezeichnete  Form  naq-- 
%u9ifyMu)  Obendrein  ist,  wie  aus  der  Quellenangabe  S.  vm-x  zu  er- 
sehen, von  der  so  wichtigen  Oramm.  der  att.  Inschr.  von  Meisterhans 
nicht  die  neueste  dritte  Auflage,  sondern  die  zweite  (von  1888)  zu  gründe 
gelegt 

Mit  diesen  sachlichen  Mängeln  verbindet  sich  noch  eine  Anzahl  formeller. 
Der  praktische  Nutzen  des  Lexikons  wird  dadurch  beeinträchtigt,  dafs 
unregelmäfsige  Formen  bald  an  der  ihrem  äufseren  Wortbilde,  bald  an 
der  ihrem  Stammwort  entsprechenden  Stelle  des  Alphabets  aufgeführt  oder 
ganz  und  gar  wiUkfirlich  an  analoge  Erscheinungen  angehängt  sind,  wie 
z.  B.  die  synkopierten  Wfirter  wie  %QiiiUfwv^  ohne  dafo  jedesooal  an  der 
betreffenden  Stelle  der  nötige  Hinweis  sich  findet.  Auch  der  entgegen- 
gesetzte Fall  konmit  vor,  dals  Zusammengehöriges  zerrissen  ist,  z.  B.  ^aü 


■^ 

^ 


Neue  Fhflologliobe  BandsoliAa  Nr.  4.  8d 

and  ^a&,  wo  indes  die  Zitate  folgendermaTsen  richtig  zu  stellen  sind :  ^üäl 
7,  78,  ^aö  1,  145.  Gleicher  Vorwurf  trifft  das  mitunter  aufAUige  Fehlen  von 
Belegangaben  oder  ganzer  Artikel.  So  ist  z.  B.  bei  %oi(pi  (Akzent?)  auf 
%fjq>if  bei  ntovfiy  auf  nlveiv  verwiesen,  Wörter,  deren  ersteres  man  veiv 
gebens  sucht,  auch  unter  den  Addenda  nicht  findet  (vgl.  indes  fiber  beide 
Formen  Th.  114),  während  man  unter  tvIvbiv  über  Ttiimpf  gar  nichts  erfthrt. 
Ich  erlaube  mir,  die  drei  in  Betracht  kommenden  Alkäusstellen  hier  anzu- 
geben :  20.  52.  54.  Ein  weiterer  Mangel  an  äufserer  Akribie  ist  die  Inkon- 
sequenz bezuglich  der  lat.  Orthographie,  so  z.  B.  der  fortwährende  Wechsel 
zwischen  litera  und  littera  oder  von  grofsen  und  kleinen  Anfangsbuch- 
staben bei  von  Eigennamen  abgeleiteten  Adj.  Sind  derartige  Inkonsequenzen 
oder  die  Bevorzugung  der  selteneren  Form  torques  (S.  49  extr.)  u.  dgl. 
wohl  auf  die  benutzten  Quellen  zurfickzuffihren,  so  dfirften  andere  Et- 
scheinungen  ähnlicher  Art  vielleicht  als  Hollandismen  zu  bezeichnen  sein. 
Dahin  rechne  ich  vor  allem  die  bei  Anffihrung  deutscher  Literaturwerke 
regelmäfsig  wiederkehrenden  Pluralformeu  „  Texten  *S  „  Dialekten  *S  die 
ausnahmslose  Schreibung  „Semonides'S  „(Thatzidaki'S  „Pritsche"  u.  ä. 
(ebenso  nur  Trozene  mit  seiner  ganzen  Sippe),  femer  „der  Trapeziet" 
(S.  81  Z.  17),  „Weigeschenk''  (S.  544),  „enti^eld'«  (S.  247  Z.  6), 
„Oeselschafk"'  (S.  9  Z.  32)  und  „die  runde  Festplatz''  (S.  47  Z.  17). 
SchlieMch  kann  ich  mich  nach  sorgfältiger  Durcharbeitung  des  Buches 
des  Bindruckes  nicht  erwehren,  als  ob  Herwerdens  persönliche  Studieninter- 
essen und  Liebhabereien  fQr  seine  Aufzeichnungen  von  Anfang  an  von 
bestimmendem  Einflnis  gewesen  seien  und  infolgedessen  der  aufgenommene 
Stoff  eine  gewissermafsen  stark  vom  Zufall  beeinflufste  Sammlung  darstelle, 
die  der  Herausgeber  vor  der  Drucklegung  nochmals  mit  gutem  Verständnis 
überarbeitet  und  in  eine  alphabetische  Ordnung  gebracht  habe,  welche  in 
sonst  nicht  fiblicher  Weise  Vokabeln  und  Sachen  promiscue  erscheinen 
läfst  und,  nebenbei  bemerkt,  nicht  einmal  immer  streng  eingehalten  ist, 
vgl.  z.  B.  die  Anordnung  von  Syxog  und  d/xod.  Äulserst  reichhaltig 
repräsentiert  sich  nämlich  das  unter  gewissen  Oesichtspunkten  aufgenom- 
mene Material.  Darunter  fallen  Eigennamen,  welche  den  betreffenden 
Dialekt  in  ein  recht  helles  Licht  zu  setzen  geeignet  sind,  obwohl  auch 
hier  einerseits  noch  gar  manches  fehlt,  wie  z.  B.  aus  Meister,  „EKe  grie- 
chischen Dialekte''  H,  95,  224,  229  u.  a.  zu  ersehen  ist,  anderseits  der 
Dialekt,  obwohl  feststehend,  oft  nicht  angegeben  wird,  z.  B.  dedoliuo  und 
deiiSMiv  (Akzent?  Fritzsche  schreibt  ÖBdvwiv),  sodann  die  Namen  ton 


84  Nene  FhilologiBohe  Kxmdsohaa  Nr.  4. 

Festen  und  Spielen  und  die  Titel  von  Dramen,  schliefslich  fremde  Qötter- 
namen  z.  B.  SeJiafidnnjgf  die  aurserattischen  Monatsnamen  sowie  Beinamen 
von  Göttern  und  Heroen.  Überhaupt  scheinen  alle  in  das  Kapitel  Alter- 
tümer zuständigen  WOrter  und  Notizen  auf  den  Herrn  Verf.  eine  ganz 
besondere  Anziehungskraft  geflbt  zu  haben.  Beweis  dessen  sind  neben 
dem  herrlichen  Verzeichnis  der  verschiedenen  Eide  (S.  594  ff.)  die  nahezu 
in  Unzahl  erscheinenden  Bezeichnungen  ftr  Frauenschuhe  und  Eleidungs- 
stficke.  Desgleichen  begegnen  Benennungen  von  Münzen,  Mafsen,  Tänzen, 
Ämtern,  Truppenabteilungen  und  anderen  militärtechnischen  Dingen  ver- 
haltnismälsig  häufig.  Auch  die  Aufnahme  der  Artikel  ävaTtavaigj  dvdqa- 
Ttodiovlifi^  d^Qwn^Qia  u.  ä.  läfst  sich  unter  diesem  Gesichtswinkel  besser 
verstehen,  ja,  so  angesehen,  kann  dann  das  Buch  sogar  als  eine  glänzende 
Bestätigung  des  hesiodischen  nXiov  ^fiiav  nawög  gelten. 

Die  allenthalben  eingestreuten  grammatischen  Beobachtungen  sind 
dankbarst  zu  begrfifsen,  wie  denn  auch  noch  manche  andere  gelegentliche 
Bemerkungen  Anerkennung  verdienen.  Behält  ein  Wort,  resp.  eine  Sippe 
in  den  Dialekten  das  i},  so  ist  dies  regelmälsig  angemerkt,  irrig  allerdings 
bei  TdlJQa.  Auch  vereinzelte  Erörterungen  in  das  Gebiet  der  Kritik  ge- 
höriger Fragen  erhöhen  das  Verdienst  des  Buches  nicht  unwesentlich, 
zumal  Herwerden  wiederholt  der  Wahrheit  des  Satzes  dies  diem  docet  die 
Ehre  gibt;  vgl.  ägriyäkanToif,  ßQi^eiv,  malvtav  p.  und  unter  den  Nacli- 
trägen  aY^uv  und  nicht  zuletzt  die  von  ihm  frfiher  prorsus  inaudita 
genannte  Form  fiavelaa  (oder  fidzeiaa?).  Wenn  er  jedoch  die  Meinung 
äufsert,  er  hätte  das  Buch  aus  diesem  Grunde  ebensogut  lexicon  criticum 
benamsen  können,  so  darf  man  ihm  Glflck  dazu  wfinschen,  dafs  er  der 
anderen  Benennung  den  Vorzug  gegeben  hat. 

Fassen  wir  die  einzelnen  Artikel  mit  Bflcksicht  auf  die  Autoren 
ins  Auge,  so  erweisen  sie  sich  am  fruchtbarsten  ffir  Herodot,  dem  nament- 
lich die  fortwährenden  Zusätze  zu  Schweighäusers  Lexikon  zu  gute  kom- 
men, und  Hippokrates,  fDr  Herondas,  fOr  Bacchjlides  und  die  Lyriker 
Oberhaupt  und,  doch  etwas  geringwertiger,  fttr  Theokrit. 

Läfst  sich  somit  auch  in  der  von  Herwerden  beliebten  Verarbeitung 
der  benutzten  Literaturquellen  ein  gewisser  Eklektizismus  kaum  in  Ab- 
rede stellen,  so  zeugt  doch  das  Gebotene  nach  Quantität  und  Qualität  von 
einer  nicht  gewöhnlichen  Arbeitskraft,  die  das  gesteckte  Ziel  wenigstens 
innerhalb  des  oben  skizzierten  engeren  Bahmens  nahezu  vollständig  erreicht 
und  den   für   griechische   Sprachforschung  sich  interessierenden  Kreisen 


'^ 


Nene  Fhflologisdie  Bundfohau  Nr.  4.  86 

ein  Hil&mittel  geboten  hat«  dessen  von  jetzt  ab  keiner  wird  entraten 
können,  der  anf  diesem  problemereichen  Felde  mit  Erfolg  tfttig  sein  wflL 
Das  ist  in  grofsen  Zflgen  mein  Urteil  Aber  das  Lexikon.  Wenn  ich  mir 
nun  daran  anknüpfend  noch  einige  Bemerkungen  und  Hinweise  auf  andere 
Werke  gestatte,  so  möge  fBr  deren  buntscheckiges  Durcheinander  der  An- 
schlufs  an  den  Gang  des  Buches  zur^Entschuldigung  dienen. 

(SchlnTs  folgt.) 

5 1)  Karl  Wimmeri  Histoire  d'im  Ctonscrit  de  1818  par  Erek- 
mann-Chatrlan.  Im  Auszug  und  zum  Schulgebrauch  heraus- 
gegeben. Mit  Wörterverzeichnis  und  3  Karten.  Mönchen,  J.  Lin- 
dauersche  Buchhandlung  (Schöpping),  1902.  87  S.  8.  Jü  —.  80. 
In  dieser  neuen  Ausgabe  ist  der  Inhalt  der  „Histoire  d*un  Consent '^ 
auf  62  Textseiten  zusammengedrängt,  wobei  im  ganzen  der  Zusammenhang 
der  Erzählung  gewahrt  ist.  Welche  Partieen  am  besten  auszulassen  sind, 
darfiber  lälst  sich  gewifs  streiten.  Ich  halte  es  aber  för  empfehlenswert, 
deutschen  Schölern  gerade  die  Teile  Yorzuenthalten,  in  denen  die  Eriegs- 
furcht  Josephs  besonders  stark  hervortritt.  Wenigstens  erinnere  ich  mich, 
daß;  diese  fibergrolse  Ängstlichkeit  des  Helden  der  Erzählung  auf  mich 
als  Knaben  einen  recht  unangenehmen  Eindruck  gemacht  hat.  Danach  wären 
die  Stellen  Kap.  V,  S.  12,  Z.  32  bis  S.  20,  Z.  4,  sowie  die  Unterredung 
zwischen  Joseph  und  Z4bM6  in  Kap.  YU  wohl  besser  weggeblieben.  Da- 
gegen würde  ich  die  Mitteilung  Oouldens  von  dem  Untergänge  der  fran- 
zösischen Armee  in  Bufsland  in  Kap.  III  beibehalten  haben,  denn  gerade 
sie  erklärt  die  grofse  Angst  Josephs  vor  der  Aushebung.  Die  blofse 
Drohung  Pinacles  mit  derselben  würde  ihm  wahrscheinlich  keine  schlaf- 
lose Nacht  verursacht  haben.  Die  gemütvolle  und  rührende  Episode  im 
Bäckerhause  zu  Mainz  vermisse  ich  ungern.  An  Kriegsszenen  bietet  der 
letzte  Teil  der  Geschichte  wahrlich  genug,  die  Schlachten  bei  Orofsgörschen 
und  Leipzig  würden  vollständig  genfigen,  so  dafs  das  Gefecht  bei  Weifsen- 
fels  wohl  hätte  entbehrt  werden  können.  Doch  die  Auswahl  ist,  wie 
gesagt,  schliefslich  Geschmacksache,  ebenso  wie  die  andere  Frage,  ob  die 
Anmerkungen  in  deutscher  oder  französischer  Sprache'  gegeben  werden 
sollen.  Ich  würde  mich  für  deutsche  Anmerkungen  entscheiden,  während 
Wimmer  hier  die  französische  Sprache  bevorzugt  hat.  An  Klarheit  ge- 
winnen die  Erklärungen  in  fremdem  Gewände  gewifs  nicht  ffir  einen 
Schüler  der  mittleren   Klassen;  auch  meine  ich,  dafs  man  es  getrost 


86  Keae  Phnolo^flclie  RnndBchan  Nr.  4. 

jedem  Lehrer  überlassen  darf,  inwieweit  er  bei  der  Behandlang  der  Lek^ 
tflre  die  Fremdsprache  heranziehen  will.  Allzu  freigebig  ist  der  Herausg. 
mit  den  Anmerkungen  nicht,  sie  umfassen  nur  fünf  Seiten.  Das  ist  ja 
an  sich  kein  Fehler.  Dann  halte  ich  aber  auch  die  Bemerkung  S.  63, 1 : 
Boeuf-Bouge  est  un  hötel  k  Pbalsbourg  ffir  fiberflüssig;  das  würden  die 
Schüler  schon  allein  finden.  Pfiilzburg  ist  jetzt  übrigens  nicht  mehr 
„une  petite  place  forte '^  (S.  63, 1),  die  Festungswerke  wurden  bald  nach 
dem  Kriege  geschleift.  S.  63,  3  würde  ich  statt  Saveme  =  ville  en 
Alsace  setzen  ville  d*Alsace.  S.  63,  4  finden  wir  die  merkwürdige  Za- 
sammenstellung:  La  victoire  de  la  Moskowa  a  eu  lieu  le  7  septembre  1812. 
Gette  victoire  fut  gagn^e  ä  la  bataille  de  Borodino  et  Moshaisk.  S.  64, 11 
bemerkt  W.  zu  dem  Satze:  Tu  resteras  lä-bas:  „P.  Mt  allusion  k  la 
Bussie,  avec  laquMe  Napoleon  etaü  en  guerre.'^  Dieser  Zusatz  war  über- 
flüssig, da  kurz  vorher  von  der  Schlacht  bei  Borodino  und  dem  Einzug 
der  Franzosen  in  Moskau  die  Bede  ist.  S.  64,  12  lesen  wir:  Le  roi  de 
Bome  ^tait  le  fils  de  N.,  und  Marie  Louise  ^tait  une  fille  de  Tempereur 
Franfois,  statt  jtait  fils,  ^tait  fille.  Ebenda  ist  conscription  erklärt  als 
appel  au  service  militaire  par  voie  du  tirage  au  sort  des  jeunes  gens 
quand  üs  ont  atteaint  un  äge  etc.  Es  mufs  heifsen  par  la  voie,  und  statt 
quand  ils  ist  zu  setzen  qui.  —  Die  Grundbedeutung  von  ^tape  soll  sein 
foumiture  de  vivres.  Das  glaube  ich  nicht;  ^tape  =  Bation  ist  doch 
gewifs  die  abgeleitete  Bedeutung.  —  Vom  franz.  s^nat  heiM  es:  ü  se 
composait  de  80  membres  et  avait  le  droit  de  nommer  les  membres  du 
Oorps  l^slatif,  les  fonctionnaires  sup^rieurs,  les  juges  et  en  g4n&ral, 
traupe  de  combtxUants.  Der  Schlufs  des  Satzes  ist  mir  unverständlich 
geblieben.  —  S.  64,  13  heifst  es:  tirage  =  action  de  faire  sortir  au 
sort.  Durch  diese  Erklärung  wird  der  Schüler  nicht  klüger;  sortir  steht 
wohl  ffir  tirer.  —  S.  65,  15  wird  sous-pr^fet  erklärt  als  fonctionnaire 
charg^  d'administrer  un  arrondissement  communai,  sous  la  direction  im- 
mMiate  de  prüfet.  Zunächst  weifs  ich  nicht,  was  ich  mir  unter  arron- 
dissement €(mmunäl  zu  denken  habe,  dann  müfste  es  doch  heifsen  du 
prüfet,  und  schliefslich  müfste  doch  erklärt  werden,  was  ein  prüfet  ist.  — 
S.  65,  16  lesen  wir  sur  les  dispenses  de  service  militaire,  statt  du  Ser- 
vice; das  Ganze  hätte  sich  zudem  besser  ausdrücken  lassen.  —  S.  65,  16 
findet  sich:  les  däpartements  sont  divis&  par  arrondissements  etc.  statt 
divis^  en  a.  etc.  —  S.  65,  23  wird  brigadier  de  gendarmerie  erklärt 
durch    „sous-officier    qui    commande    un    corps    de    gendarmerie    (bri- 


Nene  Plulologiidie  BoadaclMW  Nr.  j, 87 

gade)'^  Diese  ErUftrong  rnufs  den  Schfiler  irre  fDbren.  Es  mulste  doch 
hinzugelBgt  werden,  dab  hier  corpe  oder  brigade  nicht  in  dem  gewöhn- 
lichen Sinne  zu  nehmen  ist,  sondern  soviel  heilst  wie  esconade,  zumal  da 
knrz  nachher  brigade  als  die  Hälfte  einer  Division  erw&hnt  wird.  — 
S.  65,  27  wird  znr  Definition  von  „glacis'^  der  Ausdruck  chemin  eouvert 
gebraucht;  num  vermilst  hier  eine  Erklftrung  dieses  Ausdruckes.  — 
S.  65,  28  findet  sich  bulletin  erklärt  als  petit  ^crit  par  lequel  on  rend 
oompte  de  T^tat  d*une  chose  qui  int^resse  le  public,  p.  e.  d*une  Operation 
militaire.  Viel  besser  gefällt  mir  die  knappe  Definition  Larousses  in 
seinem  Dictionnaire  als  „rapport  officiel''.  S.  66,  40  wird  baron  erläutert 
als  „titre  de  noblesse  conför^  par  le  sou verain '^  Diese  Anmerkung  konnte 
nach  meiner  Meinung  wohl  entbehrt  werden.  —  S.  66,  41  findet  sich: 
marfehal  des  logis  est  le  titre  des  offkiers  (sie!)  charg&  de  faire  pr6parer 
les  logements.  Das  ist  unrichtig;  ursprfinglich  hat  der  Ausdruck  die 
angegebene  Bedeutung  gehabt,  jetzt  aber  ist  doch  der  mar^chal  des  logis 
ein  Sergeant  bei  der  Kavallerie.  —  Zu  der  Erklärung  von  une  bouteille 
de  rikevir  konnte  ffiglich  bemerkt  werden,  dafs  der  Wein  seinen  Namen 
von  der  Stadt  Beichenweier  im  ElsaTs  erhalten  hat.  —  Etwas  sonderbar 
mutet  der  Satz  auf  Seite  66,  48  an:  N^  en  1742  ä  Bestock,  mort  U 
12  sqfftembre  1819^  il  (Blücher)  eut  le  commandement  en  chef  de  Tarmte 
de  Sil^e  en  1813.  —  S.  67,  59  heifst  es:  fourgon  sss  longue  voiture 
coaverte  . . .  pour  porter  les  bagages,  les  provisions.  Statt  porter  wfirde 
ich  lieber  transporter  setzen.  —  Das  sind  die  wichtigsten  Ausstellungen, 
die  ich  zu  den  Anmerkungen  Wimmers  zu  machen  habe.  Von  Druck- 
fehlern sind  mir  aufgefallen  S.  64,  13  sortir  fdr  tirer,  S.  65,  34 
donner  ffir  donn^,  S.  66,  48  Waalstadt  fflr  Wahlstadt,  S.  67,  60  pour 
für  par. 

Münster  i.  W.  K.  Holtari 


52/54)  6.  Steinmtkller,  Auswahl  von  f&nfzig  franzöniBchen  (Ge- 
dichten ffir  den  Schulgebrauch.  2.  Auflage.  Mfinchen  und 
Berlin,  B.  Oldenbourg.     96  S.  8.  JK   1.50. 

Emat  Wassendeher,  Sammlung  franoömscher  Gedichte 

für  deutsche  Schulen.    Teil  I:  Text.    65  S.  8.         J^.   1.-. 
U.  Teil:   Biographieen,   Anmerkungen,  Wörterbuch.    65  S.  8. 

Jü  -.40. 


88  Nene  Philologiflehe  Bimdioh«i  Nr.  4. 

A.  Englert,  Anthologie  des  poites  £raii9ai8  modernes. 

2.  Auflage.    Mfinchen,  C.  A.  Beck,  1902.    XIY  u.  246  S.  8. 

Ji   2.25. 

Die  YerÜBSser  der  beiden  ersten  Sammlungen  gehen  von  dem  Ge- 
sichtspunkte aus,  dab  neben  der  LektQre  von  erzählenden  prosaischen 
Werken  und  von  Dramen  eine  Einführung  des  Schfliers  in  die  lyrische 
Dichtung  (einschließlich  der  Fäbeldichtung)  eine  unerl&Tsliche  Aufgabe 
des  französischen  Schulunterrichts  sei;  beide  wissen  aus  der  Praxis  des 
Unterrichts,  wie  wenig  Zeit  fQr  die  L(ysung  dieser  Aufgabe  zur  VerfQguug 
steht,  und  wollen  daher  nur  so  viel  bieten,  wie  für  dies  bescheidene  Be- 
dflr&is  der  Schule  erforderlich  ist.  Die  Schwierigkeit  li^  darin,  aus  der 
überwältigenden  Fülle  die  allerwertvoUsten  und  zur  Einführung  in  die 
französische  Lyrik  am  meisten  geeigneten  Stücke  zu  wählen.  Das  Haupt- 
mittel, das  beide  Verfasser  angewandt  haben,  um  diese  Schwierigkeit  zu 
beseitigen,  ist  die  Beschränkung  auf  Lafontaine  und  B^ranger,  neben 
denen  andere  Dichter  nur  in  untergeordnetem  Mafse  zur  Geltung  kom- 
men. Bei  aller  Wertschätzung  der  Werke  dieser  beiden  Dichter  und  bei 
voller  Anerkennung  der  eigenartig  scharfen  Ausprägung,  die  der  fran- 
zösische Volkscharakter  in  ihren  Gedichten  findet,  kann  diese  Beschrän- 
kung nicht  als  eine  berechtigte  anerkannt  werden.  Denn  Birangers  Buhm 
in  Frankreich  selbst  ist  stark  verblichen,  und  wenn  er  auch  wegen  seiner 
persönlichen  und  nationalen  Eigenart,  wie  als  Träger  der  napoleonischen  Le- 
gende in  jeder  französischen  Gedichtsammlung  zu  Worte  kommen  mufs, 
so  gebührt  doch  die  erste  Stelle  den  Romantikern,  vor  allem  Victor  Hugo, 
und  den  Pamassiens. 

Bei  Steinmüller  kommt  neben  Lafontaine  und  B^ranger  und  den  im 
ersten  Teil  enthaltenen  Dichtungen  kindlichen  und  patriotischen  Charakters 
nur  noch  Hugo,  dopple  und  der  etwas  altmodische  Millevoye  (mit  drei 
Nummern!)  zu  Worte.  Die  gewählten  Gedichte  selbst  sind  für  den 
Schulgebrauch  wohl  geeignet;  am  entbehrlichsten  erscheinen  die  Amu- 
settes,  Devinettes  und  die  Übersetzungen  aus  dem  Deutschen.  Der  Unter- 
stufe wird  mit  FAvare  aux  enfers  von  Lachambeaudie,  der  Marseillaise,  Gar- 
cassonne  von  Nadaud  und  der  Übersetzung  les  adieux  d*Hector  wohl  zuviel 
zugemutet,  während  manches  von  Lafontaine  sehr  wohl  schon  hierher  ge- 
pafst  hätte.  In  den  biographischen  Notizen  des  zweiten  Teiles  (in  fran- 
zösischer Sprache)  wäre  etwas  mehr  biographischer  Stoff  erwünschter  gewesen 
als  die  doch  leicht  irreleitenden  allgemeinen  Urteile.    Bei  V.  Hugo  z.  B. 


Nene  Fhilologisohe  BnndKohaa  Nr.  4. 


bleibt  seine  Verbannung  unerwähnt,  während  das  urteil:  comme  po^te  dra» 
matique  . . .  il  a  obtenu  Fapprobation  g^n^rale  recht  anfechtbar  ist,  zumal 
wenn  unter  seinen  besten  Dramen  auch  Gromwell  genannt  wird.  Die 
Anmerkungen  sind,  soweit  sie  Sachliches  und  Grammatisches  betreffen, 
zweckmäfsig;  die  Bemerkungen  zu  laGrand'mke  „eine  der  bedeutendsten 
Schöpfungen  Hugos  ^'  gibt  dem  Schüler  einen  falsche  Vorstellung  von  der 
Stellung,  die  dieses  Jugendwerk  in  der  gesamten  dichterischen  Tätigkeit 
Hugos  einnimmt  Dieses  urteil  des  Herausgebers  ist  um  so  aufhllender, 
als  er  in  der  biographischen  Notiz  die  Gontemplations  und  die  L^ende  des 
Si&des  gar  nicht  erwähnt.  —  Da  die  zweite  Sammlung  nur  für  die 
Mittel-  uod  Oberstufe  berechnet  ist,  so  konnten  statt  der  Einderlieder 
Proben  neuerer  französischer  Lyrik  geboten  werden;  doch  ist  die  Auswahl 
keine  sonderlich  glückliche.  Die  Übersetzungen  von  Goetlieschen  und  Hoff- 
maonschen  Gedichten  sind  zu  entbehren.  Die  drei  Sonette  von  Gammont 
gehören  sicher  nicht  in  eine  Sammlung  der  erlesensten  französischen  Dich- 
tungen, in  der  V.  Hi^o  mit  vier,  Sully  Prud'homme  mit  einem  Gedichte 
vertreten  ist  und  Namen  wie  Leconte  de  Isle,  H^r^dia  u.  v.  a.  ganz  fehlen. 
Die  biographischen  Notizen  in  französischer  Sprache  zählen  unter  den 
Dramen  V.  Hugos  auch  Notre-dame  und  les  Miserables  auf. 

Die  Anmerkungen  sind  im  ganzen  zweckmäfsig;  wunderlich  klingt 
die  Bemerkung  zu  ce  beulet  invincible  qui  fracassa  vingt  trönes  ä  la  fois: 
„boulet  Eisenball;  ein  etwas  sonderbares  Bild  für  einen  Menschen.^'  Warum 
denn  Eisenball?  Der  Vergleich  mit  der  Kanonenkugel  leuchtet  dem 
Schüler  ohne  weiteres  ein,  zumal  wenn  er  schon  bei  Schiller  von  „des 
Kanonballs  fürchterlichem  Pfad*^  gehört  hat. 

In  der  vorliegenden  Fassung  dürften  die  beiden  Sammlungen  schwer- 
lieb der  hohen  Aufgabe  genfigen,  auf  kleinstem  Baum  das  Notwendige 
zur  Einftthrung  in  die  französische  Lyrik  zu  bieten. 

Einem  ganz  anderen  Zwecke  dient  die  Anthologie  des  po^tes  franfais 
modernes  von  A.  Englert.  Sie  will  nur  in  die  moderne  französische  Lyrik 
einfahren  und  bietet  daher  Proben  von  möglichst  zahlreichen  Lyrikern  des 
19.  Jahrhunderts.  Sie  will  zwar  der  Schule  dienen,  wendet  sich  aber 
anch  an  einen  weiteren  Leserkreis.  Da  die  Auswahl  eine  geschmackvolle 
ist  und  die  Zugaben  (Übersicht  über  die  Entwickelung  der  französischen 
Ljfrik  im  19.  Jahrhundert,  biographische  Notizen  vor  den  Gedichtoa  der 
einzelnen  Dichter  und  Anmerkungen)  klar  und  zweckmäfsig  sind,  kann  die 
Sammlung  namentlich  dem  weiteren  Leserkreise  empfohlen  werden.    Für 


88  Nene  Phaologisehe  Bimdaohaii  Nr.  4. 

A.  Englert,  Anthologie  des  poites  fraii9ai8  modernes. 

2.  Auflage.    Mflnchen,  C.  A.  Beck,  1902.    XIV  u.  246  S.  8. 

Ji   2.25. 

Die  YerÜBSser  der  beiden  ersten  Sammlungen  gehen  von  dem  Ge- 
sichtspunkte auS|  daTs  neben  der  Lektflre  von  erzählenden  prosaischen 
Werken  und  von  Dramen  eine  Einführung  des  Schfllers  in  die  lyrische 
Dichtung  (einschlieMich  der  Fabeldichtung)  eine  unerl&Tsliche  Aufgabe 
des  französischen  Schulunterrichts  sei;  beide  wissen  aus  der  Praxis  des 
Unterrichts,  wie  wenig  Zeit  ffir  die  Lösung  dieser  Aufgabe  zur  Verfügung 
steht,  und  wollen  daher  nur  so  viel  bieten,  wie  für  dies  bescheidene  Be- 
dflrfiiis  der  Schule  erforderlich  ist.  Die  Schwierigkeit  li^t  darin,  aus  der 
überwältigenden  Fülle  die  allerwertvoUsten  und  zur  Einführung  in  die 
französische  Lyrik  am  meisten  geeigneten  Stücke  zu  wählen.  Das  Haupt- 
mittel, das  beide  Verfasser  angewandt  haben,  um  diese  Schwierigkeit  zu 
beseitigen,  ist  die  Beschränkung  auf  Lafontaine  und  B^ranger,  neben 
denen  andere  Dichter  nur  in  untergeordnetem  Mafse  zur  Geltung  kom- 
men. Bei  aller  Wertschätzung  der  Werke  dieser  beiden  Dichter  und  bei 
voller  Anerkennung  der  eigenartig  scharfen  Ausprägung,  die  der  fran- 
zösische Volkscharakter  in  ihren  Gedichten  findet,  kann  diese  Beschrän- 
kung nicht  als  eine  berechtigte  anerkannt  werden.  Denn  Birangers  Buhm 
in  Frankreich  selbst  ist  stark  verblichen,  und  wenn  er  auch  wegen  seiner 
persönlichen  und  nationalen  Eigenart,  wie  als  Träger  der  napoleonischen  Le- 
gende in  jeder  französischen  Gedichtsammlung  zu  Worte  kommen  mufs, 
so  gebührt  doch  die  erste  Stelle  den  Bomantikern,  vor  allem  Victor  Hugo, 
und  den  Pamassiens. 

Bei  Steinmüller  kommt  neben  Lafontaine  und  B^ranger  und  den  im 
ersten  Teil  enthaltenen  Dichtungen  kindlichen  und  patriotischen  Charakters 
nur  noch  Hugo,  Gopp^e  und  der  etwas  altmodische  Millevoye  (mit  drei 
Nummern!)  zu  Worte.  Die  gewählten  Gedichte  selbst  sind  für  den 
Schulgebrauch  wohl  geeignet;  am  entbehrlichsten  erscheinen  die  Amu- 
settes,  Devinettes  und  die  Übersetzungen  aus  dem  Deutschen.  Der  Unter- 
stufe wird  mit  TAvare  aux  enfers  von  Lachambeaudie,  der  Marseillaise,  Gar- 
cassonne  von  Nadaud  und  der  Übersetzung  les  adieux  d*Hector  wohl  zuviel 
zugemutet,  während  manches  von  Lafontaine  sehr  wohl  schon  hierher  ge- 
pafst  hätte.  In  den  biographischen  Notizen  des  zweiten  Teiles  (in  fran- 
zösischer Sprache)  wäre  etwas  mehr  biographischer  Stoff  erwünschter  gewesen 
als  die  doch  leicht  irreleitenden  allgemeinen  Urteile.    Bei  V.  Hugo  z.  B. 


-^ 


Nene  Fhilologiibhe  Bondiehan  Nr.  4. 


bleibt  seine  Verbannang  unerwäbnt,  während  das  urteil:  comme  poite  dra» 
matique  . . .  il  a  obtenu  Tapprobation  gän^rale  recht  anfechtbar  ist,  zumal 
wenn  unter  seinen  besten  Dramen  auch  Gromwell  genannt  wird.  Die 
Anmerkungen  sind,  soweit  sie  Sachliches  und  Grammatisches  betreffen, 
zweclmärsig;  die  Bemerkungen  zu  laGrand'm^re  „eine  der  bedeutendsten 
Schöpfungen  Hugos  *^  gibt  dem  Schfiler  einen  falsche  Vorstellung  von  der 
Stellung,  die  dieses  Jugendwerk  in  der  gesamten  dichterischen  Tätigkeit 
Hugos  einnimmt  Dieses  urteil  des  Herausgebers  ist  um  so  auffallender, 
als  er  in  der  biographischen  Notiz  die  Gontemplations  und  die  L^ende  des 
Sieles  gar  nicht  erwähnt.  —  Da  die  zweite  Sammlung  nur  fBr  die 
Mittel-  und  Oberstufe  berechnet  ist,  so  konnten  statt  der  Einderlieder 
Proben  neuerer  französischer  Lyrik  geboten  werden;  doch  ist  die  Auswahl 
keine  sonderlich  glückliche.  Die  Übersetzungen  von  Goetbeschen  und  Hoff- 
mannschen  Gedichten  sind  zu  entbehren.  Die  drei  Sonette  von  Gammont 
gehören  sicher  nicht  in  eine  Sammlung  der  erlesensten  französischen  Dich- 
tungen, in  der  V.  Hugo  mit  vier,  Sully  Prud*homme  mit  einem  Gedichte 
yertreten  ist  und  Namen  wie  Leconte  de  Isle,  H^rMia  u.  v.  a.  ganz  fehlen. 
Die  biographischen  Notizen  in  französischer  Sprache  zählen  unter  den 
Dramen  V.  Hugos  auch  Notre-dame  und  les  Miserables  auf. 

Die  Anmerkungen  sind  im  ganzen  zweckmäisig;  wunderlich  klingt 
die  Bemerkung  zu  ce  beulet  invincible  qui  fracassa  vingt  trönes  ä  la  fois: 
„beulet  Eisenball;  ein  etwas  sonderbares  Bild  ffir  einen  Menschen/^  Warum 
denn  Eisenball?  Der  Vergleich  mit  der  Kanonenkugel  leuchtet  dem 
Schfiler  ohne  weiteres  ein,  zumal  wenn  er  schon  bei  Schiller  von  „des 
Eanonballs  fOrchterlichem  Pfad*'  gehört  hat. 

In  der  vorliegenden  Passung  dfirften  die  beiden  Sammlungen  schwer- 
lich der  hohen  Aufgabe  genfigen,  auf  kleinstem  Baum  das  Notwendige 
zur  Einffthrung  in  die  französische  Lyrik  zu  bieten. 

Einem  ganz  anderen  Zwecke  dient  die  Anthologie  des  poites  franfais 
modernes  von  A.  Englert.  Sie  will  nur  in  die  moderne  französische  Lyrik 
einf&hren  und  bietet  daher  Proben  von  möglichst  zahlreichen  Lyrikern  des 
19.  Jahrhunderts.  Sie  will  zwar  der  Schule  dienen,  wendet  sich  aber 
auch  an  einen  weiteren  Leserkreis.  Da  die  Auswahl  eine  geschmackvolle 
ist  und  die  Zugaben  (Übersicht  fiber  die  Entwickelung  der  französischen 
Lyrik  im  19.  Jahrhundert,  biographische  Notizen  vor  den  Gedichten  der 
einzelnen  Dichter  und  Anmerkungen)  Uar  und  zweekmälsig  sind,  kann  die 
Sammlmig  namentlich  dem  weiteroi  Leserkreise  empfohlen  werden.    Ffir 


90  Nene  Philologiwhe  Rimdsobaa  Nr.  4. 

die  Zwecke    der  Schale  wäre   eine  schärfere   Unterscheidung  zwi 
den  grorsen  und  den  kleineren  Dichtern  zu  wünschen  gewesen;  do<^ 
das  Buch  in  seiner  Beichhaltigkeit  auch  ffir  die  Oberstufe   sehr 
verwendbar.     Einen   besonderen  Beiz   erhalten   die  Anmerkungen   '^' 
gelegentliche  Hinweise  auf  französische   und   deutsche  Dichtungen 
ähnliche  Stoffe  wie  Gedichte  der  Sammlung  behandeln. 


55)  0.  Gktnzmamii  Lehrbuch  der  französiBchen  Sprache 
Onmdlage  der  Handlung.  I.  Stufe.  Berlin,  Beuther  & 
chard,  1902.    X  u.  161  S.  8.  geb.  Ji  1 

Wie  der  Titel  sagt,  bildet  die  Handlung  die  Grundlage  des  ^ 
Verfahrens,  dem  das  vorliegende  Buch  angepaM  ist.    Die  Art  und  \ 
wie  die  verschiedenen  Tätigkeiten  einer  Handlung  sprachlich  daig 
werden,  erinnert  an  die  Beihenbildung  des  bekannten  Franzosen  Gl 

Die  einzelnen  Lektionen  bestehen  aus  ffinf  Teilen.    Der  erst 
enthält  die  Handlung  in  Form  einer  einfachen  Erzählung.    Die  Te^ 
ersten  acht  Lektionen  sind  auch   in  Lautschrift  gegeben.    Der  fo^^ 
Abschnitt  gibt  in  Frageform  eine  Erweiterung  des  in  dem  ersten 
vorgeführten  Sprachstoffes.    Durchweg  ist  der  Wortvorrat  der  Spraci 
täglichen  Lebens  entnommen.    Im  dritten  Teil  findet  sich  eine  Am 
zur  Verarbeitung  der  betr.  Lesestficke.    Als  vierter  Teil  folgen  grai 
tische  Belehrungen,  in  deren  Mittelpunkt  das  Verb  steht.    Mit  Beci. 
hier  (fär  die  Unterstufe)  verzichtet  worden  anf  die  Einübung  des 
junktivs,  der  in  der  einfachen  Bede  selten  ist,  und  des  passe  d^fini,  u. 
die  nordfranzösische  Umgangssprache  als  gänzlich  ausgestorben  anz. 
ist;   das  Tempus  der  Unterhaltung,  soweit  sie  sich  nicht  im  Präsi 
wegt,  ist  heute  das  Perfekt.    Den  fünften  und  letzten  Teil  bilden 
Lieder;  Einderreime,  Bätsei,  Gedichte  und  Erzählungen. 

Einige  Fehler  und  Ungenauigkeiten ,  die  mir  beim  Durchle: 
Texte  aufgefallen  sind,  mögen  hier  erwähnt  werden.    Falsch  sind  ^' 
kfirzungen  Mlle.,  p.  e.  und  s.  v.  pl.    Der  Franzose  schreibt  MI1 
Punkt),  p.  ex.  und  s.  v.p.  Man  sagt  nicht  poseg  des  ordres,  sondern  ^- 
Statt  la  veste  (S.  17)  ist  le  veston  gebräuchlicher.    Die  Schulst 
ist  fälschlich  Jeean  genannt;   une  legen  de  frangais  ist  eine  franyr- 
Privatstande;  es  mufs  dasse  de  frangais  u.  s.  w.  heifsen.    Der  J,r 
sollte  nicht  inuner  mit  tnattre  gegeben   werden,   weil  an   den   ii 
Schulen   keine   maltres,  sondern  professeurs  unterrichten.    Ein  '^ 


^ 


Neae  PhilologiMhe  BuadiohAii  Kr.  4.  91 

Verseheu  findet  sich  S,  103  und  S.  113:  poser  rtehelle  vers  an  arbre 
statt  conire.  Zu  tadeln  ist  auch,  daTs  nicht  immer  die  französischen 
Verhältnisse  zu  Grunde  gelegt  sind.  So  heilst  es  S.  67,  dafs  die  Haupt- 
mahlzeiten le  d^jeuner,  le  diner,  le  souper  sind.  Ein  souper  gibt  es  ffir 
den  Franzosen  nur  in  Ausnahmefällen;  die  regelmftfsigen  Mahlzeiten  sind 
le  petit  d^jeuner,  le  d^jeuner,  le  dlner,  und  zwar  wird  das  diner  nicht, 
wie  es  S.  60  heifst,  ä  midi  eingenommen,  sondern  um  6  oder  7  ühr  abends. 
Die  Namen  der  Wochentage  (S.  63)  sind  in  unrichtiger  Beihenfolge 
aufgef&hrt;  nicht  mit  dimanche,  sondern  mit  lundi  beginnt  die  fran- 
zösische Woche. 

Alles  in  allem  genommen,  mufs  das  Buch  eine  tfichtige  pädagogische 
Leistung  genannt  werden.  Es  wird  sich  im  Unterricht  ohne  Zweifel  gut 
bewähren.  Ffir  die  Fortsetzung  seines  ünterrichtswerkes  empfehle  ich 
dem  Verf.  dringend,  sich  die  Mitarbeit  eines  gebildeten  Nationalfranzosen 
zu  sichern. 

Altona-Ottensen.  H 


56)   F.  Eoldeweyi   Französische  Synonmyik   fOr  Schulen. 

4.  Auflage.    Wolfenbfittel,  Julius  Zwifsler,  1902.    lY  u.  22  S.  8. 

J(  2.—. 

Das  sich  so  anspruchslos  gebende  Buch  ist  in  seiner  vierten  Auflage 
mit  aufrichtiger  Freude  zu  begrfifsen;  neues  Lob  dem  wohlverdienten 
alten  hinzuzuffigen  erscheint  zwecklos.  Die  neue  Auflage  unterscheidet 
sich  von  der  vorhergehenden  „nur  durch  einige  unbedeutende  Zusätze  und 
Verbesserungen,  ohne  dafs  die  Zahl  der  synonymischen  Gruppen  dadurch 
verändert  worden  wäre".  Diese  564  synonymischen  Gruppen,  die  in  der 
alphabetischen  Folge  der  deutschen  Wörter  au^efßhrt  sind,  bieten  dem 
Schfiler  der  oberen  Klasse  in  übersichtlicher  und  zuverlässiger  Weise  alles, 
was  er  braucht,  und  werden  auch  dem  Studierenden  und  dem  Lehrer 
willkommen  sein.  Die  etymologischen  Zusätze  sind  sehr  dankenswert, 
wenn  sich  vielleicht  auch  fiber  die  Zweckmäfsigkeit,  ungewisse  und  zweifel- 
hafte Abstammungen  anzugeben,  streiten  liefse.  Das  französische  Begister 
am  Schlufs  ist  gut  und  praktisch.  Die  Zahl  der  Druckfehler  ist  gering, 
die  Anordnung  und  Ausstattung  gut.  Eins  möchte  ich  aber  in  der  nächsten 
Auflage  abgestellt  sehen:  „...  mit  und  ohne  nähere  Bestimmung*^ 
(S.  52),  „. . .  mit,  oder  . . .  ohne  den  Namen . .  .'*  (S.  72)  soll  der  Schfiler 
vermeiden,  also  auch  das  Buch,  das  fflr  ihn  bestimmt  ist. 

Nanen. L.  Frlos. 


99  Nene  Philologiiehe  BundBehan  Nr.  4. 


57)  Webster'B  Intematioiial  dlctioiiary  of  fhe  English  lan- 
^age   beiDg  the  authentic   edition   of  Webster^s  nnabridged 
dictionary,   comprising  the  issues  of  1864|  1879  and  1884  tho- 
rougbly  revised  and   mach   eolarged  ander  the  sapervision   of 
Noah  Porter  D.  D.  LLD.  With  a  volaminoos  appendix,  and 
a  Supplement  by  W.  T.  Harris ,   PL  D.  LLD.     XCVIU   a. 
2249  S.  dreispaltig.    London,  George  Bell  &  Sons  and  G.  &  C. 
Merriam  &  Co.    Springfield,  Mass.  ü.  S.  A.,  1902.   Cloth  31  sh. 
Der  „grofse  Webster  ^S   ein   wahres  Biesenwerk  der  Lexikographie, 
warde   zum   erstenmal  1828   von  der  Hand  des  damals  siebzigjährigen 
Dr.  Noah  Webster  in  der  bescheidenen  Form  eines  „American  dictionary 
of  the  English  language"  an  die  Öffentlichkeit  gebracht  —  am  Vorabend 
des  75jährigen  Jabiläams  tritt  es  in  neuem,   weit  voUkommeneren  Ge- 
wände vor  ein  Weltpublikum. 

Die  vielen  ständig  vermehrten  und  verbesserten  Neuauflagen  von 
1840,  1843,  1847,  1859,  1864,  1879,  1884  (später  1890  und  jetzt  1902) 
hatten  dem  Werk  allmählich  einen  so  hohen  Grad  der  Vollkommenheit 
und  eine  solche  Verbreitung  gesichert,  dafs  die  1890  vorgenommene  umtaufe 
des  Wörterbuches  in  „Intetnatumal  dictionary  of  the  English  langtioge" 
nicht  blofo  eine  hohle  Phrase  oder  ein  schreiendes  Aushängeschild  war, 
vielmehr  ein  durch  die  Geschichte  des  Buches  wohlberechtigter  TiteL 
Der  Webster  hatte  sich  allmählich  den  Weltmarkt  erobert.  In  der  rich- 
tigen Überzeugung,  dafs  ein  solches  Werk  nur  dann  seinen  vollen  Zweck  zu 
erffiUen  im  stände  wäre,  wenn  es  mit  gleichem  Nutzen  in  Grofsbritannien 
wie  in  Amerika,  in  Australien  wie  in  Indien  und  Afrika  herangezogen 
werden  könnte,  haben  sich  Verleger,  Herausgeber  und  Mitarbeiter  ihre 
Ziele  so  weit  gesteckt  wie  nur  möglich  und  aus  praktischen  Gründen  an- 
gängig, und  haben  in  ernstem,  gewissenhaftem  Streben  den  gesamten 
englischen  Wortschatz  in  ihr  Bereich  gezogen.  Der  Londoner,  der  eine 
Geschichte  von  Bret  Harte  liest,  und  Aufklärung  braucht  fiber  die  üm- 
gangsprache  der  kalifornischen  Minenbezirke,  sollte  ebenso  auf  seine  Rech- 
nung kommen,  wie  der  Kaufmann  in  Melbourne,  der  sich  Aber  die 
Usancen  der  New  Torker  Effektenbörse  orientieren  will. 

So  war  der  Webster  in  erster  Linie  fär  die  engliscbsprecbende  Welt 
bestimmt  und  geeignet.  Aber  bald  erkannte  man  auch  in  anderen  Län- 
dern, vor  allem  in  Deutschland,  seinen  Wert  ffir  rein  praktische  wie  fOr 
wissenschaftliche  Zwecke.    Das  Werk  hat  sich  auch  bei  uns  nut  Becht 


-^ 


Nene  Fhflologiiohe  Bondiohra  Nr.  4. 


einer  steigenden  Benatzung  zu  erfreuen  gehabt  und  sich  als  eine  wert- 
volle, vielfocb  unentbehrliche  Ergänzung  zu  einheimischen  WSrterbflchern 
erwiesen  und  bewährt.  Ich  verweise  nur  auf  die  sachverständige  Be- 
sprechung von  Zupitza  in  Herrigs  Archiv  86,  419. 

Seine  hervorragende  Stellung  unter  den  lexikalischen  Werken  der 
Gegenwart  verdankt  auch  die  jetzige  „20.  Jahrhundertausgabe^*  einmal 
der  Tatsache,  dafs  man  sich  mit  lobenswertem  Eifer  bemfiht  hat,  alle 
neuen  Erriuigenschafben  der  Sprachwissenschaft,  mehr  noch  als  bisher  daffir 
nutzbar  zu  machen,  und  femer  dem  Umstand,  dafs  sie  gleichen  Schritt 
gehalten  hat  mit  dem  Wachstum  der  Sprache  während  des  letzten  Jahr- 
zehnts. Zahl  und  Namen  der  &chmännischen  Mitarbeiter  bärgen  des 
weiteren  dafar,  dafs  Verleger  und  Herausgeber  kein  Mittel  unversucht 
gelassen  haben,  das  Werk  auf  die  Höhe  der  Forschung  und  der  Voll- 
ständigkeit zu  bringen.  Wenn  sich  trotzdem  das  eine  oder  andere  aus- 
setzen läfst,  so  ist  das  bei  einem  Werke  von  solch  gewaltigem  umfang 
schliefslich  nicht  verwunderlich  und  kann  auch  kein  ernster  Tadel  sein, 
und  wenn  ich  im  folgenden  einige  Verbesserungen  beibringe,  die  sich  mir 
bei  der  Vornahme  von  Stichproben  aufgedrängt  haben,  so  tue  ich  das  in 
der  Hoffnung,  dafs  sie  auf  fruchtbaren  Boden  fallen  mögen. 

Der  in  der  Einleitung  enthaltene  Abiifs  der  Qeschichte  der  englischen 
Sprache  ist  jetzt  von  Eittredge  durchgesehen  worden  und  hat  dadurch 
entschieden  an  Wissenschaftlichkeit  gewonnen.  Trotzdem  kommt  nicht 
immer  alles  klar  oder  genau  genug  zum  Ausdruck,  wie  z.  B.  bei  der 
Behandlung  der  fremden  Volkseinflässe  im  Altenglischen.  Nach  der  bahn- 
brechenden Untersuchung  von  Pogatscher  (Zur  Lautlehre  der  griech., 
lat.  und  roman.  Lehn  werte  im  ae.,  Sträfsburg  1888)  sind  wir  jetzt  ziemlich 
unterrichtet  fiber  die  drei  Schichten  lateinischer  Lehnwörter  im  ae.,  die 
auch  in  einer  popularisierenden  Darstellung  wie  im  Webster  deutlich  aus^ 
einandergehalten  werden  können  und  müssen.  Mac  Gillivray's  fleifsige 
und  methodische  Arbeit  ,,The  influence  of  christianity  on  the  vocabulary 
of  Old  English  (Morsbachs  Studien  zur  engl.  Philologie  VHI,  Halle  1902), 
die  sich  mit  der  letzten  Schicht  lateinischer  Lehnworte  befafst,  wird  auch 
in  Zukunft  nicht  umgangen  werden  dürfen.  Dagegen  hätte  Björk man* s 
grundlegende  Untersuchung  der  Scandinavian  loan-words  in  Middle-English 
(Morsbachs  Stud.  z.  engl.  Phil.  VIII,  Halle  1900)  verwertet  werden  sollen. 
Dann  hätte  das  Publikum  erfahren,  dafs  auch  bei  den  altnordischen  Lehn- 
wörtern mehrere  Schichten  zu  unterscheiden  sind,  und  es  wäre  nicht  der 


94  Nene  Philologische  Rundschau  Nr.  4. 

zum  mindesten  schiefe  Satz  stehen  geblieben:  „English  words  which  are 
found  in  the  Scandinavian  idioma,  and  are  not  fonnd  in  the  earlier  Anglo- 
Saxon  or  other  low  Qermanic  idioms,  we  may  naturally  snspect  to  have 
come  in  by  this  Channel^',  dem  BjSrkman  den  methodisch  präziseren  gegen- 
überstellt: „If  a  Word  in  English  has  a  form  which  cannot  be  explained 
by  means  of  internal  English  sonnd-laws,  bat  which  is  easily  acconnted 
for  by  assuming  a  Scandinavian  orgin,  we  are,  for  the  most  part,  entitled 
to  consider  the  word  in  question  a  Scandinavian  loan-word/*  —  Die  alte 
Einteilung  des  Englischen  bis  etwa  1500  in  angelsächsisch,  halbsächsisch, 
altenglisch  und  mittelenglisch  sollte  zu  gunsten  von  altenglisch  s=s  ags., 
mittelenglisch  (frühme.,  zentralme.,  spätme.)  jetzt  endlich  aufgegeben  wer- ' 
den.  —  Bei  der  Textprobe  aus  dem  Orrmulum  erwartet  auch  der  Laie 
eine  knappe  Erläuterung  der  eigentümlichen  Schreibweise  u.  a.  m. 

Die  Einleitung  enthält  weiter  ein  Kapitel  über  „Indo-germanic  roots 
in  English *S  ausführliche  Bemerkungen  über  die  Aussprache,  von  denen 
schon  früher  die  „Synopsis  of  words  differently  pronounced  by  different 
orthoSpists*'  besonderen  Bei&U  auch  bei  den  Fachgelehrten  gefunden  hat, 
und  schliefslich  auch  über  die  Orthographie.  Die  Schreibung  o  fdr  oü  (me. 
oü  [ü])  in  französischen  Lehnwörtern  wie  honor,  labor,  favor,  die  Webster 
bekanntlich,  ohne  damit  in  England  nennenswerten  Beifall  zu  finden,  ein- 
geführt hat,  ist  auch  in  der  neuen  Auflage  beibehalten.  Die  darin 
liegende  völlige  Yerkennuog  des  etymologischen  Prinzips  hat  schon  Storm, 
Englische  Philologie  >  528,  gerügt. 

Der  Eern  des  Werkes,  das  Wörterverzeichnis,  das  nicht  weniger  als 
1681  dreispaltige  Seiten  fßUt  und  durch  ein  ganz  neues  Supplement  von 
238  Seiten  am  Ende  des  Werkes  noch  um  25000  Worte  vervollständigt 
wird,  hat  gegen  früher  eine  wesentliche  Bereicherung  erfahren,  wissen- 
schaftliche (besonders  botanische  und  zoologische),  technische,  Dialekt-, 
Slang-  und  Fremdwörter  sind  in  grofser  Zahl  hinzugekommen.  Aber 
manche  sucht  man  trotzdem  vergebens.  Von  deutschen  Fremdwörtern  im 
Englischen  vermisse  ich  noch  „Festschrift'^  (z.  B.  Academy  nr.  1448, 
3  feb.  1900  und  An  English  Miscellany,  Oxford  1900,  S.  494),  „Leit- 
motif  (z.  B.  Kyd's  works  ed.  by  Boas,  Oxford  1901,  S.  xiii)  und  „Kamlei- 
stW  (z.  B.  Freemann,  Bist,  of  the  Norman  Gonquest  1867,  Appendix, 
S.  602).  —  Femer  fehlt  „Fing  Fang"  und  die  Schreibung  Xmas  f&r 
„Christmas"  >).  —  Wenn,  was  nur  zu  loben  ist,  auch  me.  Autoren  wie  Claucer 
1)  Nachträglich  finde  ich  auf  Grand  meiner  Notizen,  dafs  auch  folgende  Wörter 


^^ 


^ 


Nene  Fhilologisebe  Bondsebau  Nr.  4.  95 

nnd  Gower  mit  ihrem  Wortschatz  herangezogen  werden  und  z.  B,  to  lese 
aus  ihnen  belegt  wird,  so  kann  man  mit  gleichem  Recht  Aach  andere 
Wörter  verlangen.  Wo  ist  da  die  Grenze?  —  Wfthrend  von  dialektischen 
Wörtern  z.  B.  ne.  dial.  soa,  soe  =s  Eimer  gegeben  wird,  fehlt  ne.  dial.  beace 
(Yorkshire);  ich  finde  nur  boose,  was  dasselbe  bedentet  „stall  or  crib  for 
a  horse  or  cow".  —  Herr  Dr.  Gustav  Erueger- Berlin  hatte  die 
Freundlichkeit,  mich  darauf  aufmerksam  zu  machen,  dafs  der  Slangausdruck 
„dl-fired^'  z.  B.  in  they  were  some  oM-fired  pretty  girls''  fehlt,  sowie 
eine  Bedeutung  des  Wortes  „gautUry'^,  nämlich  für  einen  Bauzaun,  der 
erst  senkrecht  und  dann  schräg  in  die  Höhe  steigt,  um  die  Passanten  vor 
herabfallenden  Steinen  zu  schätzen.  —  Dafs  ein  falsch  angebrachtes  Scham- 
gefähl  vielfach  obszöne  Wörter  ausgeschlossen  hat,  vermag  ich  nicht  als 
einen  Vorteil  anzusehen.  Lexikalische  Werke,  die  nicht  der  Jugend  in 
die  Hand  gegeben  werden,  sollten  daräber  erhaben  sein. 

Die  Erklärungen  von  Wörtern  sind  nicht  immer  treffend  genug: 
wenn  es  von  „triplet"  heifst  „three  verses  rhyming  together",  so  ist  damit 
das  Wesen  der  Terzine  nicht  erklärt.  —  Die  Etymologieen  haben  wieder 
in  der  Neuauflage  gewonnen.  Sehr  zweckmäfsig  wflrde  es  mir  scheinen, 
wenn  man  späterhin  bei  altenglischen,  dialektisch  verschiedenen  Formen 
diejenige  kursiv  drucken  wfirde,  auf  die  die  neuenglische  Form  zurück- 
geht —  Mit  den  synonymischen  Erklärungen  wird  ein  Deutscher 
oft  herzlich  wenig  anfangen  können,  man  vergleiche  z.  B.  das  Aber  IxMse  im 
Verhältnis  zu  vüe  und  mean  gesagte. 

Von  aufserordentlichem  Nutzen  sind  die  durch  das  ganze  Buch  ver- 
streuten 5000  Illustrationen,  wenngleich  auch  manche  besser  sein  könnten 
und  man  bisweilen  noch  mehr  wünscht;  während  man  z.  B.  auf  den  80  Seiten, 
die  nur  mit  Bildern  ausgefüllt  sind  (1929  —  2009),  an  25  Abbildungen 
von  Segelbooten  und  Segelschiffen  findet,  ist  kein  einziges  Bild  eines 
Dampfer-  oder  Eriegsschiffstypes  vorhanden. 

Der  Appendix  zum  Wörterbuch  enthält  noch  ausfQhrliche  Verzeich- 
nisse von  Personen  und  Orten  in  der  Literatur,  wo  der  „grand  old  man" 
vielleicht  noch  hinzuzufügen  wäre,  von  biographischen,  geographischen  und 
Taufnamen,  von  griechischen,  lateinischen  und  biblischen  Eigennamen 
alle  mit  Angabe  der  Aussprache  und  schliefslich  noch  ein  Verzeichnis  von 

fehlen:  „newtpaperiim"  z.  B.  Edinburgh  Revier  1900  jan.  b.  77.  Von  deutschen 
Wörtern  yerwendet  Thackeray  in  Vanity  Fair  b.  20  „Sehnsucht  nach  der  Lid)e", 
Matth.  Browne  in  Chaucer*B  Enghuid,  Bd.  I  lU  „The  lam  of  Schwärmerei". 


96  Neue  PhilologiBohe  Rondschaii  Nr.  4. 

Zitaten,  Sprichwörtern  u.  s.  w.  ans  dem  Griechischen,  Lateinischen  nnd 
ans  modernen  Sprachen  n.  a.  m. 

Alles  in  allem  ist  der  Webster  anch  in  seiner  nenen  Gestalt  ein 
höchst  nützliches  und  in  Anbetracht  der  Fülle  des  Geboteneu  auch  ein 
recht  billiges  Buch. 

Berlin.  Heinrloh  Splei. 

Vakanzen. 
Altena,  Prg.  Obl.  Phil.    Dir.  Dr.  ßebling. 
CÖI1I9  Stadt.  Handelssch.    Dir.  Oberbfirgermstr. 
Cottbus^  B.S.  Obl.  N.  Spr.    Magistrat. 
Sortmimd,  B.G.  Obl.  Elass.  Phil,  oder  Gesch.;  dsgl.  N.  Spr.    Stadt. 

Schulkuratorium. 
Frankflirt  a.  M.,  Elinger-O.B.  Obl.  Bei.  u.  Deutsch;   dsgl.  N.  Spr. 

Kuratorium. 
Hagen  I.  W.,  G.  u.  B.G.  Obl.  Lat.,  Deutsch,  Gesch.    Dir.  Dr.  Braun. 
Lemgo,  G.  Obl.  Lat.  oder  Griechisch  oder  Deutsch.    Dir.  Naber. 
Schwerte,  Prg.  Obl.  N.  Spr.  Kuratorium. 
Siegen,  H.M.S.  Obl.  Deutsch.    Magistrat. 
Steglitz,  G.  Obl.  Deutsch,  Latein,  Griechisch.    Bürgermstr.  Buhrow. 

Paul  yeff  Verlag  (Carl  Bflchle)  In  Stuttgart 


In  unserem  Verlag  ist  komplett  erschienen  die 

Zehnte  Auflage 

von 
Christoph  Fr.  Griebs 

Enfllisch-BButsciiBin  end  Deutsch -EnglischBiB  Warterliuch 

mit  besonderer  Rücksicht  auf  Aussprache  und  Etymologie 

nen  bearbeitet  nnd  vermehrt 

von 

Dr.  Arnold  Schröer 

ord.  Professor  an  der  Handelshochschule  zn  Köln 
weil.  ord.  Professor  der  englischen  Philologie  an  der  Universität  Freihnrg  i.  B. 

160  Bogen  dreispaltiger  Satz  in  Or.-Lex.  8^. 

I.  Band:  II  Band: 

Sa&sliflioli .  S  etä-teoli  S  etä-taioli  -  Eaagliaioli 

eleg.  m  Halbleder  geb.  M.  14.—  eleg.  in  Halbleder  geb.  M.  12.— 


-^ 


^J 


Sohröer  hat  ein  gänzlich  neues  Werk  geliefert  und  zwar  ein  Werk  von  wirklich  hervor- 
ragender Bedeutung.  Man  staunt,  wenn  man  in  Erwägung  zieht,  dafs  es  die  Arbelt  eines 
einzelnen  ist.    Dr.  R.  Krön   Oberlehrer  an  der  Kalserl.  Marineakademie  in  Kiel,  im  Qymnatlum. 

ftgr  Zu  haben  in  allen  Buchhandlunoen  "W^ 
Für  Sclmleii  Terirttiuitiriiitffeii  bei  gleichzeitigem  Bezug  einer  gröfseren  Anzahl 
von  Exemplaren. 

Für  die  Bedaktlon  venntwortliek  Dr.  E.  Ludwig  in  Bremon. 
Drmck  und  Verlag  toa  Frlodrloh  Andreas  PnrthM  in  Qntha. 

Hierzn  als  Beilagen: 

1)  Prospekt  der  Weidmannsehen  Bnehhandlmig  in  Berlin,  betr.  H.  Beieh,  Der 

Kimus,  I.  Band. 

2)  Prospekt  der  Yerlagsbnchbandlung  Carl  Oerold's  Sohn  in  Wien,  betr.  Jahrgang 

1  bis  24  der  „Wiener  Studien  ^^ 


Qotha,  1f.  Mftn.'  jttr.  6,  J'ahzgvag  1908. 

•Neue 

PhilologischeRundschau 

Heraasgogeben  mm 

Dr.  0.  Wagener  und  Dr.  E.  Ludwig 

in  Bremen. 

Snoheint  alle  14  Tage.  ^  Preia  fllr  den  Jahrgang  8  Mark. 

Bestellangen  nehmen  alle  Baehhandlongen,  sowie  die  Poatanstalten  des  In-  und  Anslaodes  ao 

Insertionsgebflhr  fllr  die  einmal  gespaltene  Petitseile  80  Pfg. 

Inhalt:  Bezensionen:  56)  N.  Wecklein,  Die  kyküache  Thebaig,  die  ödipodee 
nnd  der  Ödipos  des  Enripides  (W.  Richter)  p.  97.  —  69)  H.  Smolka,  Tadti 
A^ricola  (Ed.  Wolff)  p.  98.  —  GO)  H.  Weil,  Etndes  de  litt^ratnre  et  de  rythmigne 
grecqnes  (J.  Sitzler)  p.  99.  —  61/62)  M.  £.  Gans,  Psychologische  Untersnehnng 
zu  der  Ton  Aristoteles  fiberlieferten  Lehre  Ton  den  Idealzahlen;  P.  Boyet,  Le 
Dien  de  Flaton  (E.  Linde)  p.  101.  —  68)  H.  Tan  Herwerden,  Lexicon  Grae- 
cnm  snppletorinm  et  dialecticam  (Schlnls)  (Ph.  Weber)  p  104.  —  64)  £.  Dann- 
heifser,  Corneille,  Le  Cid  (Drees)  p.  113.  —  66)  G.  Stier,  Petites  Canseries 
fran9aises  (K.  Engelke)  p.  114.  --  66)  M.  Enneccerns,  Versbau  nnd  gesang- 
licher Vortrag  des  ältesten  französischen  Liedes  (6.  Röttgers)  p.  115.  —  67)  H.  Gaf  s- 
ner,  W.  Scott,  KenUworth  (-i-)  p.  118.  —  68)  Ed.  Sokoll,  Kipling,  Three 
Moi^li-Stories  (A.  Herting)  p.  118.  —  69)  Der  alte  Orient.  4.  Jahrgang.  Heft  2. 
(R.  Hansen)  p.  119.  —  Anzeigen. 

58)  JX.  Wecklein,  IHe  kykÜBohe  Thebais,  die  Ödipodee  und 
der  ÖdipuB  des  Enripides.  München,  0.  Franz.  8.  Sep.  A. 
In  den  Sitzungsberichten  der  philo8.-philoL  nnd  der  bist.  EL  der  l^L 
bayer.  Ak.  d.  Wiss.  1901  Heft  V  veröffentlicht  WecUein  eine  Studie, 
die  (S.  661—683)  wertvolle  Beiträge  zor  Bekonstmktion  zweier  Epen  des 
thebischen  Eyklns  liefert  Derselbe  kommt  in  seinen  üntersucbongen  za 
dem  Besnltate,  dafs  die  Thebais  das  Schicksal  des  ganzen  Labdakiden- 
gescblechts  von  der  Missetat  des  Laios,  der  Entf&hmng  des  Chrysippos, 
an  bis  auf  den  Wechselmord  des  Eteokles  nnd  Polyneikes  nnd  insbeson- 
dere die  sikyonische,  also  ältere  Version  der  ödipnssage  erzählt  habe, 
während  der  ödipodee  die  jfingere,  die  korinthisch-delphische  Version  dieses 
Mythus  zu&lle.  Mag  dies  auch  im  grofsen  ganzen  richtig  sein,  so  erheben 
sich  doch  gegen  die  Ausführungen  und  den  Aufbau  im  einzelnen  so  schwere 
Bedenken,  dafs  wir  auf  eine  etwas  nähere  Besprechung  dieser  ganzen 
Frage  an  anderer  SteUe  eintreten  müssen.  In  einem  zweiten  Abschnitte 
(S.  683—688)  sucht  WecUein  in  ansprechendster  Form  den  ödipns  als 


Neue  Philologische  Bundschan  Nr.  4. 


A.  Englert,  Anthologie  des  poötes  fran9ai8  modexneB. 

2.  Auflage.    Mfinchen,  C.  A.  Beck,  1902.    XIV  u.  246  S.  8. 

J(    2.25. 

Die  Verfasser  der  beiden  ersten  Sammlungen  gehen  von  dem  Ge- 
sichtspunkte aus,  dafs  neben  der  LektQre  von  erzählenden  prosaischen 
Werken  und  von  Dramen  eine  Einführung  des  Schfilers  in  die  lyrische 
Dichtung  (einschliefslich  der  Fabeldichtung)  eine  unerl&Tsliche  Aufgabe 
des  französischen  Schulunterrichts  sei;  beide  wissen  aus  der  Praxis  des 
Unterrichts,  wie  wenig  Zeit  ffir  die  Lösung  dieser  Aufgabe  zur  Verffiguug 
steht,  und  wollen  daher  nur  so  viel  bieten,  wie  ffir  dies  bescheidene  Be- 
dfirfiais  der  Schule  erforderlich  ist.  Die  Schwierigkeit  li^  darin,  aus  der 
flberwSltigenden  FfiUe  die  allerwertvollsten  und  zur  Einfahrung  in  die 
französische  Lyrik  am  meisten  geeigneten  Stficke  zu  wählen.  Das  Haupt- 
mittel, das  beide  Verfasser  angewandt  haben,  um  diese  Schwierigkeit  zu 
beseitigen,  ist  die  Beschränkung  auf  Lafontaine  und  B^ranger,  neben 
denen  andere  Dichter  nur  in  untergeordnetem  Mafse  zur  Geltung  kom- 
men. Bei  aller  Wertschätzung  der  Werke  dieser  beiden  Dichter  und  bei 
voller  Anerkennung  der  eigenartig  scharfen  Ausprägung,  die  der  fran- 
zösische Volkscharakter  in  ihren  Gedichten  findet,  kann  diese  Beschrän- 
kung nicht  als  eine  berechtigte  anerkannt  werden.  Denn  B^rangers  Buhm 
in  Frankreich  selbst  ist  stark  verblichen,  und  wenn  er  auch  wegen  seiner 
persönlichen  und  nationalen  Eigenart,  wie  als  Träger  der  napoleonischen  Le- 
gende in  jeder  französischen  Gedichtsammlung  zu  Worte  kommen  mufs, 
so  gebfihrt  doch  die  erste  Stelle  den  Bomantikem,  vor  allem  Victor  Hugo, 
und  den  Pamassiens. 

Bei  Steinmüller  kommt  neben  Lafontaine  und  B^ranger  und  den  im 
ersten  Teil  enthaltenen  Dichtungen  kindlichen  und  patriotischen  Charakters 
nur  noch  Hugo,  Gopp^  und  der  etwas  altmodische  Millevoye  (mit  drei 
Nummern!)  zu  Worte.  Die  gewählten  Gedichte  selbst  sind  fllr  den 
Schulgebrauch  wohl  geeignet;  am  entbehrlichsten  erscheinen  die  Amu- 
settes,  Devinettes  und  die  Übersetzungen  aus  dem  Deutschen.  Der  Unter- 
stufe wird  mit  TAvare  aux  enfers  von  Lachambeaudie,  der  Marseillaise,  Gar- 
cassonne  von  Nadaud  und  der  Übersetzung  les  adieux  d*Hector  wohl  zuviel 
zugemutet,  während  manches  von  Lafontaine  sehr  wohl  schon  hierher  ge- 
pafst  hätte.  In  den  biographischen  Notizen  des  zweiten  Teiles  (in  fran- 
zösischer Sprache)  wäre  etwas  mehr  biographischer  Stoff  erwfinschter  gewesen 
als  die  doch  leicht  irreleitenden  allgemeinen  Urteile.    Bei  V.  Hugo  z.  B. 


^ 


_  • 


Nene  Fhilologlibhe  Bondiolum  Nr.  4. 


bleibt  seine  Verbannang  unerwähnt,  während  das  urteil:  comme  po^te  dra- 
matique  . . .  il  a  obtenu  Tapprobation  g^nirale  recht  anfechtbar  ist,  znmal 
wenn  anter  seinen  besten  Dramen  auch  Gromwell  genannt  wird.  Die 
Anmerknngen  sind,  soweit  sie  Sachliches  nnd  Grammatisches  betreffen, 
zweckmäfsig;  die  Bemerkungen  zu  la6rand*mke  „eine  der  bedeutendsten 
Schöpfungen  Hugos '^  gibt  dem  Schüler  einen  falsche  Vorstellung  von  der 
Stellung,  die  dieses  Jugendwerk  in  der  gesamten  dichterischen  Tätigkeit 
Hogos  einnimmt  Dieses  urteil  des  Herausgebers  ist  um  so  auffallender, 
als  er  in  der  biographischen  Notiz  die  Gontemplations  und  die  L^ende  des 
Sieles  gar  nicht  erwähnt.  —  Da  die  zweite  Sammlung  nur  fSr  die 
Mittel-  und  Oberstufe  berechnet  ist,  so  konnten  statt  der  Einderlieder 
Proben  neuerer  französischer  Lyrik  geboten  werden;  doch  ist  die  Auswahl 
keine  sonderlich  glückliche.  Die  Übersetzungen  von  Goetheschen  und  Hoff- 
mannschen  Gedichten  sind  zu  entbehren.  Die  drei  Sonette  von  Gammont 
gehören  sicher  nicht  in  eine  Sammlang  der  erlesensten  französischen  Dich- 
tungen, in  der  V.  Hugo  mit  vier,  Sully  Prud*honmie  mit  einem  Gedichte 
vertreten  ist  und  Namen  wie  Leconte  de  Isle,  H^rMia  u.  v.  a.  ganz  fehlen. 
Die  biographischen  Notizen  in  französischer  Sprache  z&hlen  unter  den 
Dramen  V.  Hugos  auch  Notre-dame  und  les  Miserables  auf. 

Die  Anmerkungen  sind  im  ganzen  zweckmäfsig;  wunderlich  klingt 
die  Bemerkung  zu  ce  beulet  invincible  qui  fracassa  vingt  trönes  ä  la  fois: 
„beulet  Eisenball;  ein  etwas  sonderbares  Bild  für  einen  Menschen/^  Warum 
denn  Eisenball?  Der  Vergleich  mit  der  Kanonenkugel  leuchtet  dem 
Schüler  ohne  weiteres  ein,  zumal  wenn  er  schon  bei  Schiller  von  „des 
Eanonballs  fürchterlichem  Pfad"  gehört  hat. 

In  der  vorli^enden  Fassung  dürften  die  beiden  Sammlungen  schwer- 
lich der  hohen  Aufgabe  genfigen,  auf  kleinstem  Baum  das  Notwendige 
zur  Einführung  in  die  französische  Lyrik  zu  bieten. 

Einem  ganz  anderen  Zwecke  dient  die  Anthologie  des  po^tes  firanfais 
modernes  von  A.  Englert.  Sie  will  nur  in  die  moderne  französische  Lyrik 
einfahren  und  bietet  daher  Proben  von  möglichst  zahlreichen  Lyrikern  des 
19.  Jahrhunderts.  Sie  will  zwar  der  Schule  dienen,  wendet  sich  aber 
auch  an  einen  weiteren  Leserkreis.  Da  die  Auswahl  eine  geschmackvolle 
ist  und  die  Zugaben  (Übersicht  über  die  Entwickelang  der  französischen 
Lyrik  im  19.  Jahrhundert,  biographische  Notizen  vor  den  Gedichten  der 
einzelnen  Dichter  und  Anmerkungen)  klar  und  zweckmäfsig  sind,  kann  die 
Sammlung  namentlich  dem  weiteren  Leserkreise  empfohlen  werden.    Für 


90  Nene  Philologische  Rundschau  Nr.  4. 

die  Zwecke  der  Schule  wäre  eine  schärfere  Unterscheidung  zwischen 
den  grofsen  und  den  kleineren  Dichtern  zu  wünschen  gewesen;  doch  ist 
das  Buch  in  seiner  Beichhaltigkeit  auch  für  die  Oberstufe  sehr  wohl 
verwendbar.  Einen  besonderen  Beiz  erhalten  die  Anmerkungen  durch 
gelegentliche  Hinweise  auf  französische  und  deutsche  Dichtungen,  die 
ähnliche  Stoffe  wie  Qedichte  der  Sammlung  behandeln. 


55)  0.  Gkuizmann,  Lehrbuch  der  französischen  Sprache  auf 
Grandlage  der  Handlung.  I.  Stufe.  Berlin,  Beuther  &  Bei- 
chard,  1902.    X  u.  161  S.  8.  g^eb.  Jf  1.70. 

Wie  der  Titel  sagt,  bildet  die  Handlung  die  Grundlage  des  Lehr- 
verfahrens,  dem  das  vorliegende  Buch  angepafst  ist.  Die  Art  und  Weise, 
wie  die  verschiedenen  Tätigkeiten  einer  Handlung  sprachlich  dargestellt 
werden,  erinnert  an  die  Beihenbildung  des  bekannten  Franzosen  Gouin. 

Die  einzelnen  Lektionen  bestehen  aus  fünf  Teilen.  Der  erste  Teil 
enthält  die  Handlung  in  Form  einer  einfachen  Erzählung.  Die  Texte  der 
ersten  acht  Lektionen  sind  auch  in  Lautschrift  gegeben.  Der  folgende 
Abschnitt  gibt  in  Frageform  eine  Erweiterung  des  in  dem  ersten  Teil 
vorgeführten  Sprachstoffes.  Durchweg  ist  der  Wortvorrat  der  Sprache  des 
täglichen  Lebens  entnommen.  Im  dritten  Teil  findet  sich  eine  Anleitung 
zur  Verarbeitung  der  betr.  Lesestäcke.  Als  vierter  Teil  folgen  gramma- 
tische Belehrungen,  in  deren  Mittelpunkt  das  Verb  steht.  Mit  Beoht  ist 
hier  (fBr  die  Unterstufe)  verzichtet  worden  auf  die  Einübung  des  Kon- 
junktivs, der  in  der  einfachen  Bede  selten  ist,  und  des  passä  döfini,  das  für 
die  nord&anz(ysische  Umgangssprache  als  gänzlich  ausgestorben  anzusehen 
ist;  das  Tempus  der  Unterhaltung,  soweit  sie  sich  nicht  im  Präsens  be- 
wegt, ist  heute  das  Perfekt.  Den  fünften  und  letzten  Teil  bilden  kleine 
Lieder^  Kinderreime,  Bätsei,  Gedichte  und  Erzählungen. 

Einige  Fehler  und  Ungenauigkeiten ,  die  mir  beim  Durchlesen  der 
Texte  aufgefallen  sind,  m(^en  hier  erwähnt  werden.  Falsch  sind  die  Ab- 
kürzungen Mlle.,  p.  e.  und  s.  v.  pl.  Der  Franzose  schreibt  Mlle  (ohne 
Punkt),  p.  ex.  und  s.  v.p.  Man  sagt  nicht  poseg  des  ordres,  sondern  dannejs. 
Statt  la  veste  (S.  17)  ist  le  veston  gebräuchlicher.  Die  Schulstunde 
ist  fälschlich  legon  genannt;  une  le9on  de  franfais  ist  eine  französische 
Privatstunde;  es  mufs  cUzsse  de  fran9ais  u.  s.  w.  heilsen.  Der  Lehrer 
sollte  nicht  immer  mit  maitre  gegeben  werden,  weil  an  den  höheren 
Schulen   keine   maitres,  sondern  professeurs  unterrichten.    Ein  gröberes 


y^ 


Neae  Pbilologiwhe  Bnndiohm  Kr.  4.  91 

Versehen  findet  sich  S.  103  und  S.  113:  poser  Tfehelle  vers  an  arbre 
statt  con^e.  Zu  tadeln  ist  auch,  dafs  nicht  immer  die  französischen 
Verhältnisse  zu  Grunde  gelegt  sind.  So  heifst  es  S.  67,  dafs  die  Haupt- 
mahlzeiten le  döjeuner,  le  diner,  le  souper  sind.  Ein  souper  gibt  es  für 
den  Franzosen  nur  in  AusnahmeMlen ;  die  regelmftTsigen  Mahlzeiten  sind 
le  petit  d^jeuner,  le  döjeuner,  le  dIner,  und  zwar  wird  das  diner  nicht, 
wie  es  S.  60  heifst,  ä  midi  eingenommen,  sondern  um  6  oder  7  Uhr  abends. 
Die  Namen  der  Wochentage  (S.  63)  sind  in  unrichtiger  Beihenfolge 
aufgeführt;  nicht  mit  dimanche,  sondern  mit  lundi  beginnt  die  fran- 
zösische Woche. 

Alles  in  allem  genommen,  mufs  das  Buch  eine  tfichtige  pädagogische 
Leistung  genannt  werden.  Es  wird  sich  im  Unterricht  ohne  Zweifel  gut 
bewähren.  Für  die  Fortsetzung  seines  ünterrichtswerkes  empfehle  ich 
dem  Verf.  dringend,  sich  die  Mitarbeit  eines  gebildeten  Nationalfranzosen 
zu  sichern. 

Altona-Ottensen.  H 


56)    F.  Koldewey,   FranzösiBche   Synonmyik   für  Schulen. 

4.  Auflage.    Wolfenbüttel,  Julius  Zwifsler,  1902.    IV  u.  22  S.  8. 

J(  2.—. 

Das  sich  so  anspruchslos  gebende  Buch  ist  in  seiner  vierten  Auflage 
mit  aufrichtiger  Freude  zu  begrüfsen;  neues  Lob  dem  wohlverdienten 
alten  hinzuzufagen  erscheint  zwecklos.  Die  neue  Auflage  unterscheidet 
sich  von  der  vorhergehenden  „nur  durch  einige  unbedeutende  Zusätze  und 
Verbesserungen,  ohne  dafs  die  Zahl  der  synonymischen  Gruppen  dadurch 
yerändert  worden  wäre'^  Diese  564  synonymischen  Gruppen,  die  in  der 
alphabetischen  Folge  der  deutschen  Wörter  aufgeführt  sind,  bieten  dem 
Schüler  der  oberen  Klasse  in  übersichtlicher  und  zuverlässiger  Weise  alles, 
was  er  braacht,  und  werden  auch  dem  Studierenden  und  dem  Lehrer 
willkommen  sein.  Die  etymologischen  Zusätze  sind  sehr  dankenswert, 
wenn  sich  vielleicht  auch  über  die  Zweckmäfsigkeit,  ungewisse  und  zweifel- 
hafte Abstammungen  anzugeben,  streiten  liefse.  Das  französische  Register 
am  Schlufs  ist  gut  und  praktisch.  Die  Zahl  der  Druckfehler  ist  gering, 
die  Anordnung  und  Ausstattung  gut.  Eins  möchte  ich  aber  in  der  nächsten 
Auflage  abgestellt  sehen:  „...  mit  und  ohne  nähere  Bestimmung'' 
(S.  52),  „. . .  mit,  oder  . . .  ohne  den  Namen . .  /'  (S.  72)  soll  der  Schüler 
vermeiden,  also  auch  das  Buch,  das  für  ihn  bestimmt  ist. 

Nanen.  .  L.  Frtei. 


92  Nene  Philologisehe  Bundaohau  Nr.  4. 

57)  Webster's  International  dictionary  of  the  English  lan- 
gnage being  the  authentic   edition   of  Webster's  nnabridged 
dictionary,   comprising  the  issues  of  1864,  1879  and  1884  tho- 
roughly  revised   and   mach   enlarged  under  the  sopervision   of 
Noah  Porter  D.  D.  LLD.  With  a  voluminoas  appendix,  and 
a  Supplement  by  W.  T.  Harris,   Ph.  D.  LLD.     XGVIII   n. 
2249  S.  dreispaltig.    London,  George  Bell  &  Sons  and  G.  &  C. 
Merriam  &  Co.    Springfield,  Mass.  U.  S.  A.,  1902.   Cloth  31  sh. 
Der  „grofse  Webster  ^S   ein   wahres  Biesenwerk  der  Lexikographie, 
wurde   zum  erstenmal  1828   von  der  Hand  des  damals  siebzigjährigen 
Dr.  Noah  Webster  in  der  bescheidenen  Form  eines  „American  dictionary 
of  the  English  language*'  an  die  öflfentlichkeit  gebracht  —  am  Vorabend 
des  75jährigen  Jubiläums  tritt  es  in  neuem,   weit  vollkommeneren  Ge- 
wände vor  ein  Weltpublikum. 

Die  vielen  ständig  vermehrten  und  verbesserten  Neuauflagen  von 
1840,  1843,  1847,  1859,  1864,  1879,  1884  (später  1890  und  jetzt  1902) 
hatten  dem  Werk  allmählich  einen  so  hohen  Grad  der  Vollkommenheit 
und  eine  solche  Verbreitung  gesichert,  dafs  die  1890  vorgenommene  Umtaufe 
des  Wörterbuches  in  „International  dictionary  of  the  English  langtiage^' 
nicht  blolB  eine  hohle  Phrase  oder  ein  schreiendes  Aushängeschild  war, 
vielmehr  ein  durch  die  Geschichte  des  Buches  wohlberechtigter  TiteL 
Der  Webster  hatte  sich  allmählich  den  Weltmarkt  erobert.  In  der  rich- 
tigen Überzeugung,  dafs  ein  solches  Werk  nur  dann  seinen  vollen  Zweck  zu 
erffillen  im  stände  wäre,  wenn  es  mit  gleichem  Nutzen  in  Grofsbritannien 
wie  in  Amerika,  in  Australien  wie  in  Indien  und  Afrika  herangezogen 
werden  könnte,  haben  sich  Verleger,  Herau^eber  und  Mitarbeiter  ihre 
Ziele  so  weit  gesteckt  wie  nur  möglich  und  aus  praktischen  Gründen  an- 
gängig, und  haben  in  ernstem,  gewissenhaftem  Streben  den  gesamten 
englischen  Wortschatz  in  ihr  Bereich  gezogen.  Der  Londoner,  der  eine 
Geschichte  von  Bret  Harte  liest,  und  Aufklärung  braucht  über  die  üm- 
gangsprache  der  kalifornischen  Minenbezirke,  sollte  ebenso  auf  seine  Rech- 
nung kommen,  wie  der  Kaufmann  in  Melbourne,  der  sich  über  die 
Usancen  der  New  Torker  Effektenbörse  orientieren  will. 

So  war  der  Webster  in  erster  Linie  für  die  englischsprechende  Welt 
bestinmit  und  geeignet.  Aber  bald  erkannte  man  auch  in  anderen  Län- 
dern, vor  allem  in  Deutschland,  seinen  Wert  für  rein  praktische  wie  für 
wissenschaftliche  Zwecke.    Das  Werk  hat  sich  auch  bei  uns  mit  Becht 


y> 


Nene  Philologkehe  Rnndfleh«!  Nr.  4  98 

einer  steigenden  Benntzang  zu  erfreuen  gehabt  und  sich  als  eiae  wert- 
volle, vielfach  unentbehrliche  Ergänzung  zu  einheimischen  Wörterbüchern 
erwiesen  und  bewährt.  Ich  verweise  nur  auf  die  sachverständige  Be- 
sprechung von  Zupitza  in  Herrigs  Archiv  86,  419. 

Seine  hervorragende  Stellung  unter  den  lexikalischen  Werken  der 
Gegenwart  verdankt  auch  die  jetzige  „20.  Jahrhundertausgabe  ^^  einmal 
der  Tatsache,  dafs  man  sich  mit  lobenswertem  Eifer  bem&ht  hat,  alle 
neuen  Errungenschaften  der  Sprachwissenschaft,  mehr  noch  als  bisher  dafür 
nutzbar  zu  machen,  und  ferner  dem  Umstand,  dafs  sie  gleichen  Schritt 
gehalten  hat  mit  dem  Wachstum  der  Sprache  während  des  letzten  Jahr- 
zehnts. Zahl  und  Namen  der  fitchmännischen  Mitarbeiter  bürgen  des 
weiteren  dafar,  dafs  Verleger  und  Herausgeber  kein  Mittel  unversucht 
gelassen  haben,  das  Werk  auf  die  Höhe  der  Forschung  und  der  Voll- 
ständigkeit zu  bringen.  Wenn  sich  trotzdem  das  eine  oder  andere  aus- 
setzen läfst,  so  ist  das  bei  einem  Werke  von  solch  gewaltigem  Umfang 
schliefslich  nicht  verwunderlich  und  kann  auch  kein  ernster  Tadel  sein, 
und  wenn  ich  im  folgenden  einige  Verbesseruogen  beibringe,  die  sich  mir 
bei  der  Vornahme  von  Stichproben  aufgedrängt  haben,  so  tue  ich  das  in 
der  Hofifoung,  dafs  sie  auf  fruchtbaren  Boden  fallen  mögen. 

Der  in  der  Einleitung  enthaltene  Abrifs  der  Geschichte  der  englischen 
Sprache  ist  jetzt  von  Eittredge  durchgesehen  worden  und  hat  dadurch 
entschieden  an  Wissenschaftlichkeit  gewonnen.  Trotzdem  kommt  nicht 
immer  alles  klar  oder  genau  genug  zum  Ausdruck,  wie  z.  B.  bei  der 
Behandlung  der  fremden  Volkseinflfisse  im  Altenglischen.  Nach  der  bahn- 
brechenden Untersuchung  von  Fogatscher  (Zur  Lautlehre  der  griech., 
lat.  und  roman.  Lehnworte  im  ae.,  Strafsburg  1888)  sind  wir  jetzt  ziemlich 
unterrichtet  über  die  drei  Schichten  lateinischer  Lehnwörter  im  ae.,  die 
auch  in  einer  popularisierenden  Darstellung  wie  im  Webster  deutlich  au»- 
einandei^ehalten  werden  können  und  müssen.  Mac  Gillivray's  fleifsige 
und  methodische  Arbeit  „The  inflnence  of  christianity  on  the  vocabulary 
of  Old  English  (Morsbachs  Studien  zur  engl.  Philologie  VHI,  Halle  1902), 
die  sich  mit  der  letzten  Schicht  lateinischer  Lehnworte  befafst,  wird  auch 
in  Zukunft  nicht  umgangen  werden  dürfen.  Dagegen  hätte  Björkman*s 
grundlegende  Untersuchung  der  Scandinavian  loan-words  in  Middle-English 
(Morsbachs  Stud.  z.  engl  Phil.  VIII,  Halle  1900)  verwertet  werden  sollen. 
Dann  hätte  das  Publikum  erfahren,  dafs  auch  bei  den  altnordischen  Lehn- 
wörtern mehrere  Schichten  zu  unterscheiden  sind,  und  es  wäre  nicht  der 


94  Neue  Philologieche  Rundschau  Nr.  4. 

zum  mindesten  schiefe  Satz  stehen  geblieben:  „English  words  which  are 
found  in  the  Scandinavian  idioms,  and  are  not  foond  in  the  earlier  Anglo- 
Saxon  or  other  low  Germanic  idioms,  we  may  naturally  snspect  to  have 
come  in  by  this  Channels  dem  BjOrkman  den  methodisch  präziseren  gegen- 
flberstellt:  „If  a  word  in  English  has  a  form  which  cannot  be  explained 
by  means  of  internal  English  soand-laws,  bat  which  is  easily  accoonted 
for  by  assnming  a  Scandinavian  orgin,  we  are,  for  the  most  part,  entitled 
to  consider  the  word  in  question  a  Scandinavian  loan-word/*  —  Die  alte 
Einteilung  des  Englischen  bis  etwa  1500  in  angelsächsisch,  halbsächsisch, 
altenglisch  und  mittelenglisch  sollte  zu  gunsten  von  altenglisch  s=s  ags., 
mittelenglisch  (frflhme.,  zentralme.,  spätme.)  jetzt  endlich  aufgegeben  wer- ' 
den.  —  Bei  der  Textprobe  aus  dem  Omnulnm  erwartet  auch  der  Laie 
eine  knappe  Erläuterung  der  eigentfimlichen  Schreibweise  u.  a.  m. 

Die  Einleitung  enthält  weiter  ein  Kapitel  fiber  „Indo-germanic  roots 
in  English 'S  ansffihrliche  Bemerkungen  über  die  Aussprache,  von  denen 
schon  Mher  die  „Synopsis  of  words  dififerently  pronounced  by  different 
orthoSpists^'  besonderen  Beifall  auch  bei  den  Fachgelehrten  gefunden  hat, 
und  schliefdich  auch  über  die  Orthographie.  Die  Schreibung  o  fflr  oü  (me. 
Ott  [ü])  in  französischen  Lehnwörtern  wie  honor,  labor,  favor,  die  Webster 
bekanntlich,  ohne  damit  in  England  nennenswerten  Beifall  zu  finden,  ein- 
geführt hat,  ist  auch  in  der  neuen  Auflage  beibehalten.  Die  darin 
liegende  völlige  Yerkennung  des  etymologischen  Prinzips  hat  schon  Stör m. 
Englische  Philol(^e*  528,  gerügt. 

Der  Kern  des  Werkes,  das  Wörterverzeichnis,  das  nicht  weniger  als 
1681  dreispaltige  Seiten  füllt  und  durch  ein  ganz  neues  Supplement  von 
238  Seiten  am  Ende  des  Werkes  noch  um  25000  Worte  vervollständigt 
wird,  hat  gegen  früher  eine  wesentliche  Bereicherung  erfahren,  wissen- 
schaftliche (besonders  botanische  und  zoologische),  technische,  Dialekt-, 
Slang-  und  Fremdwörter  sind  in  grofser  Zahl  hinzugekommen.  Aber 
manche  sucht  man  trotzdem  vergebens.  Von  deutschen  Fremdwörtern  im 
Englischen  vermisse  ich  noch  ,y Festschrift"  (z.  B.  Academy  nr.  1448, 
3  feb.  1900  und  An  English  Miscellany,  Oxford  1900,  S.  494),  „LeÄ- 
motif  (z.  B.  Kyd's  works  ed.  by  Boas,  Oxford  1901,  S.  xiii)  und  „Kanelei- 
stW  (z.  B.  Freemann,  Hist.  of  the  Norman  Gonquest  1867,  Appendix, 
S.  602).  —  Femer  fehlt  „Fing  Pong''  und  die  Schreibung  Xmas  far 
„Christmas"  ^).  —  Wenn,  was  nur  zu  loben  ist,  auch  me.  Autoren  wie  Claucer 
1)  Nachtraglich  finde  ich  auf  Gnmd  meiner  Notizen,  daÜB  auch  folgende  Wörter 


y^ 


Nene  Philologisebe  Rondiohau  Nr.  4  95 

und  Oower  mit  ihrem  Wortschatz  herangezogen  werden  und  z.  B,  to  lese 
aus  ihnen  belegt  wird,  so  kann  man  mit  gleichem  Becht  auch  andere 
Wörter  verlangen.  Wo  ist  da  die  Grenze?  —  Während  von  dialektischen 
Wörtern  z.  B.  ne.  dial.  soa,  soe  =  Eimer  gegeben  wird,  fehlt  ne.  dial.  leace 
(Yorkshire);  ich  finde  nur  hoose,  was  dasselbe  bedeutet  „stall  or  crib  for 
a  horae  or  cow".  —  Herr  Dr.  Gustav  Krueger-Berlin  hatte  die 
Freundlichkeit,  mich  darauf  aufmerksam  zu  machen,  dafs  der  Slangausdruck 
y,al1rfvred^^  z.  B.  in  they  were  some  aU-fired  pretty  girls^'  fehlt,  sowie 
eine  Bedeutung  des  Wortes  „gauntry",  nämlich  för  einen  Bauzaun,  der 
erst  senkrecht  und  dann  schräg  in  die  Höhe  steigt,  um  die  Passanten  vor 
herabfallenden  Steinen  zu  schützen.  —  Dafs  ein  falsch  angebrachtes  Scham- 
gefühl vielfach  obszöne  Wörter  ausgeschlossen  hat,  vermag  ich  nicht  als 
einen  Vorteil  anzusehen.  Lexikalische  Werke,  die  nicht  der  Jugend  in 
die  Hand  gegeben  werden,  sollten  darüber  erhaben  sein. 

Die  Erklärungen  von  Wörtern  sind  nicht  immer  treffend  genug: 
wenn  es  von  „triplei"  heifst  „three  verses  rhyming  together",  so  ist  damit 
das  Wesen  der  Terzine  nicht  erklärt.  —  DieEtymologieen  haben  wieder 
in  der  Neuauflage  gewonnen.  Sehr  zweckmäfsig  würde  es  mir  scheinen, 
wenn  man  späterhin  bei  altenglischeo ,  dialektisch  verschiedenen  Formen 
diejenige  kursiv  drucken  würde,  auf  die  die  neuenglische  Form  zurück- 
geht. —  Mit  den  synonymischen  Erklärungen  wird  ein  Deutscher 
oft  herzlich  wenig  anfangen  können,  man  vergleiche  z.  B.  das  über  base  im 
Verhältnis  zu  vile  und  mean  gesagte. 

Von  aufserordentlichem  Nutzen  sind  die  durch  das  ganze  Buch  ver- 
streuten 5000  Illustrationen,  wenngleich  auch  manche  besser  sein  könnten 
und  man  bisweilen  noch  mehr  wünscht;  während  man  z.  B.  auf  den  80  Seiten, 
die  nur  mit  Bildern  ausgefüllt  sind  (1929  —  2009),  an  25  Abbildungen 
von  Segelbooten  und  Segelschiffen  findet,  ist  kein  einziges  Bild  eines 
Dampfer-  oder  Eriegsschifistypes  vorhanden. 

Der  Appendix  zum  Wörterbuch  enthält  noch  ausführliche  Verzeich- 
nisse von  Personen  und  Orten  in  der  Literatur,  wo  der  „grandöldmtm" 
vielleicht  noch  hinzuzufügen  wäre,  von  biographischen,  geographischen  und 
Taufnamen,  von  griechischen,  lateinischen  und  biblischen  Eigennamen 
alle  mit  Angabe  der  Aussprache  und  schliefslich  noch  ein  Verzeichnis  von 


fehlen:  „newspaperiam"  z.  B.  Edinburgh  Bevier  1900  jan.  s.  77.  Von  deutschen 
V^örtem  yerwendet  Thackeray  in  Vanity  Fair  s.  20  „Sehnsucht  nach  der  IAd)e", 
Matth.  Browne  in  Chancer^s  England,  Bd.  I  144  „The  lawa  of  Schwärmerei". 


96 Nene  RiilologiBohe  BnndBchan  Nr.  4. 

Zitaten,  Sprichwörtern  u.  s.  w.  aus  dem  Oriechiscben,  Lateinischen  und 
aus  modernen  Sprachen  u.  a.  m. 

Alles  in  allem  ist  der  Webster  auch  in  seiner  neuen  (Gestalt  ein 
höchst  nützliches  und  in  Anbetracht  der  Fülle  des  Gebotenen  auch  ein 
recht  billiges  Buch. 

Berlin.  Hebirloh  Splei. 

Vakanzen. 
Altena,  Prg.  Obl.  Phil.    Dir.  Dr.  Rebling. 
C51n,  Stadt.  Handelssch.    Dir.  Oberbürgermstr. 
Cottbus^  B.S.  Obl.  N.  Spr.    Magistrat. 
Dortmund,  R.G.  Obl.  Klass.  Phil,  oder  Gesch.;  dsgl.  N.  Spr.    Stadt. 

Schulknratorium. 
Frankfurt  a.  M.,  Klinger -0.B.  Obl.  ßel.  u.  Deutsch;   dsgl.  N.  Spr. 

Kuratorium. 
Hagen  1.  W.,  G.  u.  E.G.  Obl.  Lat.,  Deutsch,  Gesch.    Dir.  Dr.  Braun. 
Lemgo,  G.  Obl.  Lat.  oder  Griechisch  oder  Deutsch.    Dir.  Naber. 
Schwerte,  Prg.  Obl.  N.  Spr.  Kuratorium. 
Siegen,  H.M.S.  Obl.  Deutsch.    Magistrat. 
Steglitz,  G.  Obl.  Deutsch,  Latein,  Griechisch.    Bürgermstr.  Buhrow. 

Paul  yeff  Yerlag  (Carl  Bflchle)  In  Stuttgart 


In  unserem  Verlag  ist  komplett  erschienen  die 

Zehnte  Ruflage 

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Christoph  Fr.  Griebs 

Enflllsch-BeutscIiBin  und  BeotscIi-EnflliscIiBin  Würterbucli 

mit  besonderer  Rücksicht  auf  Aussprache  und  Etymologie 

neu  bearbeitet  nnd  vermehrt 

von 

Dr.  Arnold  SchrOer 

ord.  Professor  an  der  Handelshochschule  zn  Köln 
well.  ord.  Professor  der  englischen  Philologie  an  der  Universität  Freibutg  i.  B. 

160  Bogen  dreispaltiger  Satz  ia  Or.-Lex.  8^. 

I.  Band:  n  Band: 

eleg.  in  Halbleder  geh.  M.  14.—  eleg.  in  Halhleder  geoT  M.  12.— 

Sohröer  hat  ein  gänzlich  nenes.Werk  geliefert  und  zwar  ein  Werk  von  wirklich  hervor- 
ragender Bedeutung.  Man  staunt,  wenn  man  in  Erwägung  zieht,  daTs  es  die  Arbeit  eines 
einzelnen  ist.    Dr.  n.  Krön   Oberlenrer  an  der  Kaiserl.  Manneakademie  in  £iel,  im  Qymnaalaiii. 

gf^  Zu  haben  in  allen  Buchhandlungen  "Vii 

Fttr  Sdraleii  Teri^ttiiatli^imseia  bei  gleichzeitigem  Bezug  einer  gröDseren  Anzahl 
von  Exemplaren. 


> 


Ffli  die  Bedaktlon  yerantirortliek  Dr.  E.  Ludwig  in 

Drmck  und  Yerlftg  toa  Frledriob  Andreas  Partlioa  in  Qotka. 

Hierzn  als  Beilagen: 

1)  Prospekt  der  Weidmannseheii  Bnehhandlimg  in  Berlin,  betr.  H.  Beich,  Der 

Himas,  I.  Band. 

2)  Prospekt  der  Yerlagsbnchhandlnng  Carl  Gerold's  Sohn  in  Wien,  betr.  Jahrgang 

1  bis  24  der  „Wiener  Studien  ^^ 


Gotha,  1.  Man.;  Hr.  6,  ^ahzgaag  1008. 

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PhilologischeRundschau 

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Enoheint  alle  14  Tage.  •«-  Preis  ffir  den  Jahrgang  8  Mark. 

Bestellangen  nehmen  alle  Baehhandlnngen,  sowie  die  Postansialten  des  In-  nnd  Anslandes  ao 

Insertionsgebflhr  flir  die  einmal  gespaltene  Petitseile  80  Pfg. 

Inhalt:  Bezensionen:  56)  N.  Wecklein,  Die  kykliache  Thebais,  die  ödipodee 
nnd  der  Ödipos  des  Enripides  (W.  Richter)  p.  97.  —  69)  H.  Smolka,  Tadtl 
Areola  (Ed.  Wolff)  p.  98.  —  GO)  H.  Weil,  Etndes  de  litt^ratnre  et  de  rythmiqne 
grecqnes  (J.  Sitzler)  p.  99.  —  61/62)  M.  £.  Gans,  Psychologische  Untennehiuig 
zn  der  Ton  Aristotel^i  fiberlieferten  Lehre  von  den  Idealzahlen;  P.  BoTet,  Le 
Dien  de  Piaton  (E.  Linde)  p.  101.  —  68)  H.  Tan  Herwerden,  Lexicon  Grae- 
cnm  snppletorinm  et  dialectioam  (Schlnls)  (Ph.  Weber)  p  104.  —  64)  £.  Dann- 
heifser,  Corneille,  Le  Cid  (Drees)  p.  113.  —  65)  G.  Stier,  Petites  Canseries 
firan9ai8e8  (K.  Engelke)  p.  114.  --  66)  M.  Enneccerns,  Versban  nnd  gesang- 
licher Vortrag  des  ältesten  französischen  Liedes  (6.  Röttgers)  p.  115.  —  67)  H.  Gaf  s- 
ner,  W.  Scott,  Kenilworth  (-i-)  p.  118.  —  68)  Ed.  Sokoll,  Kipling,  Three 
Mowgli-Stories  (A.  Herting)  p.  118.  —  69)  Der  alte  Orient.  4.  Jahrgang.  Heft  2. 
(R.  Hansen)  p.  119.  —  Anzeigen. 

58)  N.  Wecklein,  Die  kyklisohe  Thebais,  die  Ödipodee  und 
der  ÖdipuB  des  EnripideB.  München,  0.  Franz.  8.  Sep.  A. 
In  den  Sitzungsberichten  der  philos.-philol.  und  der  bist.  EI.  der  kgL 
bayer.  Ak.  d.  Wi8&  1901  Heft  V  veröffentlicht  Wecklein  eine  Studie, 
die  (S.  661—683)  wertvolle  Beiträge  zur  Bekonstruktion  zweier  Epen  des 
thebischen  Eyklus  liefert  Derselbe  komnott  in  seinen  Untersuchungen  zu 
dem  Resultate,  dafs  die  Thebais  das  Schicksal  des  ganzen  Labdakiden- 
geschlechts  von  der  Missetat  des  Laios,  der  Entf&hrung  des  Chrysippos, 
an  bis  auf  den  Wechselmord  des  Eteokles  und  Polyneikes  und  insbeson- 
dere die  sikyonische,  also  ältere  Version  der  ödipussage  erzählt  habe, 
während  der  ödipodee  die  jüngere,  die  korinthisch-delphische  Version  dieses 
Mythus  zufoUe.  Mag  dies  auch  im  grofsen  ganzen  richtig  sein,  so  erheben 
sich  doch  gegen  die  Ausführungen  und  den  Aufbau  im  einzelnen  so  schwere 
Bedenken,  dafs  wir  auf  eine  etwas  nähere  Besprechung  dieser  ganzen 
Frage  an  anderer  SteUe  eintreten  müssen.  In  einem  zweiten  Abschnitte 
(S.  683—688)  sucht  WecUein  in  ansprechendster  Form  den  Odipus  als 


d8  iKend  Phäologische  ftnndschan  Nr.  5. 


Sonneogott  zu  erweisen.  Warum  hat  er  aber  Ubergs  Einwände  gegen 
diese  Deutungsversuche  gar  nicht  berücksichtigt?  Endlich  (S.  689—692) 
will  Wecklein  durch  eine  neue  Interpretation  der  bildlichen  Darstellung 
einer  etruskischen  Aschenkiste  die  Erklärung  der  rätselhaften  Handlung 
der  Tragödie  ödipus  des  Euripides  gewinnen.  Die  Deutung  ist  sehr  fein 
ersonnen;  dafs  aber  in  den  Fragmenten,  die  von  dem  Glück  einer  guten 
Frau  und  dem  Unglück  eines  schlechten  Weibes  für  den  Mann  reden, 
lokaste  das  gute  und  Periböa  das  schlechte  Weib  sei,  glauben  wir  nicht. 
Schaffhausen.  Woldemar  Rlohter. 

59)  Des  F.  Cornelius  Tadtus  Lebensbeschreibung  des  Julius 
Agricola.  Für  den  Schulgebrauch  herausgegeben  von  Heinrich 
Smolka.  Mit  einer  Abbildung  und  einer  Karte  von  Britannien. 
Leipzig,  G.  Freytag,  1902.     52  S.  8.  Ji  -.60. 

Über  die  bei  der  Textgestaltung  dieser  Schulausgabe  befolgten  Grund- 
sätze äufsert  sich  der  Herausg.  im  Vorwort  sehr  unbestimmt:  es  liege 
„im  allgemeinen^'  der  Text  von  Joh.  Müllers  Tacitusausgabe  zu  Grunde, 
der  er  jedoch  nicht  „auf  Schritt  und  Tritt''  gefolgt  sei.  Tatsächlich 
weicht  S.  sehr  oft  und  grofsenteils  mit  Becht  von  J.  Müller  ab,  auch  in 
der  Interpunktion  (von  der  schulmäfsigeren  Orthographie  abgesehen),  und 
bevorzugt,  wenn  er  die  Überlieferung  verlassen  zu  müssen  glaubt,  Kon- 
jekturen älteren  und  neueren  Datums,  von  Puteolanus,  Bhenanus,  sowie 
von  Wex,  Urlichs,  Halm,  Eitler,  Kraffert,  Weidner  u.  a.  Zu  billigen  sind  nament- 
lich folgende  (von  J.  Müller  abweichende)  Lesarten:  16,  10 proprius,  16,  12 
quisgue  (Nipp.),  22,  16  et  erat  ut  (Henrichsen),  25,  4  iimebat  (Bitter), 
33,  7  virtute  vestra,  auspiciis,  37,  17  appropinquaverunt,  identidem, 
38,  5  consilia  aliqua,  39,  10  occuparet;  cetera,  44,  15  sicuti  non  licuit 
durare,  auch  11,  12  oe;  (Gudeman)  swperstUi(mum  persuasiones  (Kuperti, 
Glück).  Von  anderen  Stellen  gilt  das  Gegenteil:  8,  3  öbseguii  (Bitter), 
9,  23  eligit  (Bhenan.),  17,  8  öbruisset,  sustinuitque  (es  geht  ein  irrealer 
Satz  voraus,  daher  „que"  nicht  wohl  adversativ  zu  nehmen  ist),  38,  8 
mox  ad  aguandum  atque  utilia  raptum,  43,  6  nöbis  nihil  comperti:  nihil\ 
femer  ist  kein  Grund  vorhanden,  der  Form  TJsipii  (B)  28,  1  u.  32,  20 
den  Vorzug  vor  Usipi  (A)  zu  geben.  Leider  hat  S.  von  Weidner  sehr 
verkehrte  Lesungen  übernommen:  6,  16  t error  et  silentium;  20,  3  per- 
tempia/re  20,  11  eae,  32,  21  cdUmia  et  u.  a.  m.  Die  Emendation  15, 
7  nunc  (statt  moMiis  oder  m<mum  halte  ich  dagegen  für  die  beste  der 


•^ 


Keue  Philologische  Smidschan  Nr.  5.  99 

bisher  versnchten;  durch  sie  wird  der  Oegensatz  zu  „olim^^  in  drei  fast 
gleich  grofsen  Satzgliedern  mit  nachdrflcklicher  Anaphora  gat  dnrchgef&hrt, 
mag  auch  das  letzte  mmnc  nicht  in  ganz  demselben  Sinne  gemeint  sein 
wie  die  beiden  ersten. 

Einige  bisher  nur  nach  Vermutung  emendierte  Stellen  des  Agvicola 
dürfen  seit  dem  Bekanntwerden  der  Toledaner  Handschr.  (aus  dem  Ende 
des  15.  Jahrh.)  als  ziemlich  sicher  geheilt  betrachtet  werden.  Leider  hat 
sich  S.  um  die  doch  schon  vor  zwei  Jahren  erfolgte  Publikation  0.  Lenzes, 
scheint  es,  ebensowenig  bekümmert  wie  um  dasjenige,  was  seitdem  An- 
dresen,  Oudeman,  Noväk  u.  a.  über  jene  Fragen  geschrieben  haben;  ver- 
mutlich hätte  er  sonst  mehrere  Stellen  anders  gestaltet.  Ich  denke  dabei 
namentlich  an  13,  12  audor  aperis  (Puteol.,  bestätigt  durch  cod.  ToL); 
21,  5  latuUmdo  promptos,  castigtmdo  segnes  (ohne  eQ;  25,  17  cedendum; 
26,  8  nananis  (st.  Ramanis);  36,  4  gactkaor  Batavorum;  38,  Idprae- 
ledo\  vielleicht  auch  17,  8  subiü  susHnuüque\  6,  11  ac  sciacium  und 
30,  15  oc  Sdxa. 

In  der  Einleitung  steht  viermal  wiederholt  famaZodunum;  auf  der  Karte, 
die  viel  fiberflüssige  und  zweckwidrige  Namen  hat,  liest  man  TrinobatUes, 
im  Text  das  richtige  Trinovantes;  30,  13  1.  in  hunc  diem.  Die  ersten 
Sätze  der  Einleitung,  in  denen  der  Herausg.  die  besondere  Art  und  Sich- 
tung der  römischen  Geschichtschreibung  aus  dem  römischen  National- 
charakter zu  begründen  sucht,  treffen  meines  Erachtens  nicht  ganz  das 
Bichtige,  mindestens  ist  die  Ausdrucksweise  nicht  glücklich  gewählt  und 
geeignet,  Mifsverständnisse  hervorzurufen. 

Frankfurt  a.  M.  Eduard  Wolff. 

60)  H.  Weil,  Etudes  de  littöratore  et  de  ryfhmique  grecqueB. 

Textes  littäraires  sur  papyrus  et  sur  pierre.    Bythmique.    Paris, 
Hachette  et  Comp.,  1902.    VI  u.  242  S.  8.  fr.  5. 

Der  Verf.  stellt  in  dem  vorliegenden  Bande  eine  gröfsere  Zahl  von 
Aufsätzen  und  Abhandlungen  zusammen,  die  er  während  einer  langen 
Beihe  von  Jahren  —  der  älteste  Aufsatz  stammt  aus  dem  Jahre  1855  — 
in  verschiedenen  Zeitschriften  veröffentlicht  hat  Es  sind  durchweg  Ar- 
beiten, die  auch  jetzt  noch  für  die  wissenschaftliche  Forschung  wertvoll  sind. 
Dafs  sie  der  Verf.  jetzt  der  Benutzung  zugänglicher  macht,  verdient  Dank, 
um  so  mehr,  als  er  sie  nicht  einfach  zum  Abdruck  bringt,  sondern  auch 
dem  jetzigen  Stand  der  Forschung  entsprechend  abändert  und  berichtigt. 


iOÖ  Üene  Philologische  t^nndschau  itr.  i. 

Der  erste  Teil  enthält  im  ganzen  15  Aufsätze,  die  sich  mit  auf  Papyrus 
oder  Stein  erhaltenen  literarischen  Texten  beschäftigen,  welche  im  Laufe 
der  letzten  Jahre  veröffentlicht  wurden.  Sie  tragen  die  Übersch^ften ; 
Un  fragment  de  tragMie  (=s  GrenfeU  and  Hunt,  The  Amherst  Papyri 
Part.  II  [1891],  Nr.  1),  Fragment  d*un  drame  satyrique  d'Euripide  (=  ebenda 
S.  60),  Un  chcBur  d'Aristophane  (=  Vögel  1057—1085  und  1101—1127), 
ün  nouveau  prologue  de  com^die  (=s  Papyrus  von  Strafsburg,  veröffent- 
licht von  0.  Eaibel  in  Nachr.  d.  Oött.  OeseUsch.  d.  Wiss.  1899,  S.  649 
und  von  B.  Beitzenstein  in  Hermes  1900,  S.  622),  ün  fragment  öMgiaque 
(=  Oxyrhynch.  Pap.  I  [1898],  S.  77),  ün  P6an  delphique  ä  Dionysos, 
Le  P&n  d'Aristonoos,  Premier  hymne  delphique  accompagnj  de  notes 
musicales,  Deuxi^me  hymne  delphique  accompagn^  de  notes  musicales, 
ün  mime  d'Hörondas  (=  8.  Mimus:  der  Traum),  La  plainte  d*une  amante 
däaiss^e  (=s  An  Alexandrian  erotic  fragment  and  other  greek  papyri 
chiefly  ptolemaic  ed.  by  P.  Orenfell,  1896),  La  Ninop^die  (=  Ninus- 
Boman,  veröffentlicht  von  Wilcken  in  Hermes  1893,  S.  161  f.),  Les  champs 
maudits  (aus  GrenfeU  and  Hunt,  Egypt  exploration  fund,  1900),  ünpoite 
Äthiopien  (veröffentlicht  von  Mahaffy  and  Sayce  in  Bullet,  de  corresp.  hell. 
XVIII,  150  und  Bev.  des  6tud.  gr.  1894,  S.  284)  und  lia  lägende  d'l^sope. 
Neu  sind  unter  diesen  Abhandlungen  die  Aber  den  Ninus-Boman  und  die 
Aber  den  Strafsburger  Komödien-Prolog.  In  der  letzteren  weist  H.  Weil 
treffend  die  Folgerungen  zurück,  die  B.  Beitzenstein  daraus  Aber  Ein- 
richtung und  Beschaffenheit  der  Komödien-Prologe  ziehen  wollte. 

Der  zweite  Teil  beschäftigt  sich  mit  der  Metrik,  Bhythmik  und 
Musik  der  Alten.  Er  bringt  folgende  Au&ätze:  Le  nombre  et  la  r^par- 
tition  des  levös  et  des  frapp^  dans  les  mesures  de  la  musique  des  anciens, 
Note  sur  le  genre  p4onique,  Les  Bythmiciens  grecs.  Varron  et  St  Au- 
gustin. Le  trim&tre  lambique,  Note  sur  un  passage  d'Horace  (=  ärs  poet. 
251  f.),  Les  antipastes,  Les  dochmiaques,  Note  sur  un  choeur  dochmiaque 
d*Ettripide  (ss  Fragm.  des  Orestes  mit  Noten),  Aristide  Quintilien.  La 
valeur  de  ses  thöories,  Les  mötriciens.  La  thterie  de  la  filiation  des 
m^tres,  Les  prötendus  logaMes,  La  division  traditionnelle  des  vers  lyriques, 
La  valeur  des  syllabes  longues  et  braves  dans  les  vei*s  lyriques,  La  vraie 
mesure  des  faux  logaMes.  Dem  hymnes  delphiques,  La  m^trique  de 
Christ,  Anapestes  et  anapestes  replite,  La  correspondance  antistrophique 
und  De  re  metrica  poetarum  latinorum. 

Der  Bedeutung  nach  stelle  ich  den  zweiten  Teil  noch  Aber  den  ersten. 


-^ 


Nene  Fbilologiaehe  Bnndiohaa  Nr.  5.  101 

Man  weifs,  wie  sehr  die  antike  Metrik  und  Rhythmik  daranter  za  leiden 
hatte  und  noch  zu  leiden  hat,  dafs  noan  die  modernen  musikalischen  An- 
schauungen ohne  weiteres  auf  sie  fiberträgt.  Welcher  Mifsbrauch  wurde 
und  wird  noch,  um  von  anderem  zu  schweigen,  nicht  mit  der  Bezeichnung 
LogaOden  und  kyklischen  Daktylen  getrieben?  H.  Weil  gehOrt  zu  den 
Gelehrten,  die  demgegenfiber  immer  ffir  die  Auffiissung  der  Alten  ein- 
getreten sind,  und  er  geniefst  jetzt  die  Freude  zu  sehen,  wie  die  von 
ihm  vertretene  Richtung  in  immer  weiteren  Kreisen  ffir  richtig  gehalten 
wird  —  eine  Wahrnehmung,  die  zu  der  Hoffnung  berechtigt,  dab  wir 
doch  noch  eine  „antike'',  d.h.  eine  auf  den  Lehren  der  Alten  beruhende 
Metrik  erhalten  werden.  Freilich  ist  die  Arbeit  bei  der  ünvollst&ndigkeit 
der  Überlieferung  eine  aufserordentlich  schwierige;  viele  Fragen  werden 
nur  hypothetisch  gelOst  werden  können.  In  der  Auffassung  der  Glykoneen 
(=6  +  6  Zeiten)  hat  der  Verf.  unzweifelhaft  recht;  dagegen  kann  ich 
ihm  nicht  beistimmen,  wenn  er  die  Hauptikten  des  Trimeters  auf  die 
ungeraden  Yersffifse  gelegt  wissen  will.  Die  Überlieferung  spricht  ffir  die 
geraden  VersfQfse,  und  die  Stelle  des  Aristides  Aber  den  diixrvlog  xord 
Xaiißav  (==  iambische  Dipodie):  aiiyxeiTai  k^  idfißov  d'iaetog  xal  Idfißov 
ÜQa&og  kann  diese  nicht  widerlegen.  Dies  erkennt  auch  Blafs  Bakchyl.* 
S.  50  an,  der  das  Zeugnis  des  Aristides  nur  f&r  den  metrischen  ddKTvlog 
wnä  Xa^ßov  in  Anspruch  nehmen  will.  Ich  glaube,  dafs  Aristides  nur 
eine  Definition  des  Diiambos  gibt,  ohne  fiber  seine  Betonung  im  Verse 
etwas  auszusagen.  Im  Seikelos-Lied  ist  bekanntlich  der  zweite  lambos  mit 
Punkten  versehen;  dafs  man  aber  die  Senkung  mit  Punkten  bezeichnet 
habe,  ercheint  mir  unwahrscheinlich  trotz  dem  Anonymus  Bellermanni: 
il  fiip  ohf  &iaig  aij^atVerat,  8vav  äTtkOv  zd  aiyieiov  Sotihtov  y^  olov  |-, 
^  de  ädci^g^  Stav  iaviyfiipoVi  (ohv  i-).  Ist  hier  nicht  d^iaiQ  und  üquiq 
im  späteren  Sinne  gebraucht? 

Tauberbischofrheim.  J.  Utslar. 


61/62)   H.   E.    Gans,   Psychologische   Vntenuöhimg  ^  der 

von  Aristoteles  als  platonisch  fiberlieferten  Lehre  von  den  Ideal- 
zahlen aus  dem  Oesichtspunkte  der  platonischen  Dialektik  und 
Ästhetik.  Wien,  1901.  (Programm  der  Staats-Ober-Oynm.  im 
XVII.  Bezirk.)    46  S.  8. 


102  Nene  PhilologiBobe  Rnndschan  Nr.  5. 

Pierre  Bovet,  Le  Dieu  de  Flaton  d^aprte  Fordre  chrono- 
logiqne  des  dialogaes.  Th&se.  Qen^ve,  H.  Efindig,  1902. 
186  S.  8. 

Beide  Werke  haben  insofern  etwas  Gemeinsames,  als  ihre  Verfasser 
bemfiht  sind,  schwierige  Fragen  der  Platonischen  Philosophie  zu  lOsen, 
ohne  dafs  es  ihnen  jedoch  gelangen  ist,  zu  einem  sicheren  und  unanfecht- 
baren Resultate  zu  gelangen;  trotzdem  muls  der  Versuch  dankbar  an- 
erkannt werden,  und  die  beiden  Schriften  verdienen  es,  gelesen  und  durch- 
dacht zu  werden. 

M.  E.  Gans  sucht  zwischen  der  Zahlenmetaphysik  der  Pythagoreer, 
der  sich,  wie  wir  aus  Aristoteles  wissen,  Piaton  in  der  letzten  Zeit  seines 
Schaffens  zuwandte,  und  seiner  Ideenlehre  einen  psychologischen  Zusammen- 
hang nachzuweisen  und  stellt  deshalb,  da  dieser  Übergang  des  Philo- 
sophen vom  Begriffe  zur  Zahl  aus  rein  logischen  Gesichtspunkten  sich  nicht 
erklären  läfst,  alle  psychologischen  und  kulturgeschichtlichen  Bedingungen 
eingehend  zusammen,  „welche  es  erm(^glichten,  dafs  in  den  hervorragendsten 
Geistern  einer  bedeutsamen  Zeit  die  gesunden  Keime  exakten  Wissens  so 
abenteuerliche  Blfiten  metaphysischer  Spekulation  treiben  konnten '^  Dem- 
entsprechend wird  zuerst  nachgewiesen,  welche  erkenntnis- theoretischen 
Elemente  für  die  Ausbildung  der  Zahlenlehre  der  Begriffslehre  Piatons  zu 
Grunde  liegen.  Dabei  kommt  in  erster  Linie  in  Frage  der  Übergang  des 
Philosophen . von  der  Ethik  zur  Mathematik,  der  sich  schon  im  Gorgias 
beobachten  läfst,  wenn  auch  die  völlige  Übernahme  der  mathematischen 
Grundlagen  des  Pythagoreismus  erst  der  späteren  und  spätesten  Zeit  des 
Platonischen  Forschens  angehört.  In  einem  zweiten  Abschnitte  wird  da- 
nach der  ästhetische  Charakter  der  Platonischen  Zahlenlehre  erörtert  und 
die  Beziehungen  des  ästhetischen  Denkens  des  Philosophen  speziell  zu 
seiner  Zahlenlehre  dargelegt,  wobei,  wie  im  ersten  Abschnitte  Piatons 
mathematischen  Studien,  jetzt  seine  Beschäftigung  mit  der  Musik  und 
der  Theorie  der  Tonkunst  und  Kunst  überhaupt  im  Sinne  der  Alten 
erläutert  wird,  um  Piatons  „Glauben  an  die  der  flüchtigen  Erscheinung 
zu  Grunde  liegende,  ausgleichende  und  schönheitwirkende  Kraft  der  Zahl 
an  sich^*  zu  erklären.  Stellen  aus  den  Werken  des  Meisters  werden  heran- 
gezogen und  dann  der  Dialog,  in  dem  „die  ästhetisch -rationalistische 
Grundstimmung  des  Platonischen  Geistes  ihren  klarsten  und  umfassendsten 
Ausdruck  findet ^S  der  Philebus,  eingehend  analysiert  In  einem  dritten 
Abschnitte  werden  die  wichtigsten  Momente  der  Zahlenlehre,  wie  sie  uns 


^ 


Nene  Philologische  Rnndschan  Nr.  5.  108 

durch  Aristoteles  übermittelt  sind,  hervorgehoben  und  mit  dem  Erörterten 
in  Einklang  gebracht. 

Man  siebt  aus  allem,  dars  Verf.  der  Zahlenlehre  im  Systeme  der  Pla- 
tonischen Philosophie  eine  grofse  Bedeutung  beilegt,  eine  gröfsere  als  ihr 
vielleicht  beizumessen  ist  (vgl.  Zeller,  Philos.  d.  Griechen,  4.  Aufl.,  U,  1, 
S.  685).  Auch  dürfte,  wenn  man  die  Zahlen  nicht  blofs  als  den  sym- 
bolischen Ausdruck  ansehen  will  dafür,  dafs  „in  dem  Wirklichen  Einheit 
und  Vielheit  organisch  verknüpft  sein  müssen  (Zeller  a.  a.  0.)*S  sondern 
als  selbsttätige,  im  metaphysischen  Sinne  völlig  indivualisierte  „  Monaden  ^^ 
auffafst,  die  psychologische  Grundlage  für  diese  Lehre  durch  einen  Hin- 
weis auf  den  Entwicklungsgang  der  Platonischen  Philosophie  kaum 
genügend  erklärt  sein;  die  Frage  wird  nicht  zu  lösen  sein,  ohne  zuvor 
die  Grundgedanken  des  älteren  Pythagoreismus  genetisch  entwickelt  und 
erklärt  zu  haben,  in  welcher  Beziehung  wir  auch  noch  nicht  über  den  zwar 
geistreichen,  aber  doch  immerhin  gewagten  Versuch  W.  B.  Bidgeways 
(Glass.  Beview  X,  1896),  dafs  Pythagoras  durch  die  Beobachtung  der 
mathematischen  Gestalt  natürlicher  Kristalle  zu  der  Meinung,  die  Welt 
sei  aus  Zahlen  aufgebaut,  veranlafst  sei,  hinausgekommeu  sind. 

In  der  sorgfältigen  und  anregenden  Studie  ist  zu  tadeln  die  durch- 
gehends  gebrauchte  Schreibung  Pythagoräer,  Pythagoräismus  u.  s.  w.  statt 
Pythagoreer  (Tlvd^ayögeioi) ;  in  der  Schreibung  des  Namens  wird  zwischen 
Piaton  und  Plato  gewechselt;  es  möchte  sich  empfehlen  jene  überall  an- 
zuwenden. 

Ein  nicht  minder  schwieriges  und  gleichfalls  schon  vielfach  erörtertes 
Thema  behandelt  Pierre  Bovet,  indem  er  das  Verhältnis  Piatons  zur  Be- 
ligion  und  zu  Gott  klar  zu  legen  sucht.  Zu  diesem  Zwecke  stellt  er  in 
der  Beihenfolge  der  Dialoge,  wie  sie  Lutoslawski  1897  festgesetzt  hat, 
alle  Stellen,  in  denen  von  Gott  und  den  Göttern  die  Bede  ist,  sorgßltig 
zusammen  und  kommt  zu  dem  Besultate,  dafs  in  den  Dialogen  der  Ideen- 
lehre (Eratylus  bis  Phädrus)  von  Gott  als  dem  Schöpfer  der  Welt  und 
dem  höchsten  Wesen  in  monotheistischem  Sinne  noch  nicht  die  Bede  ist 
und  erst  aus  den  späteren  Dialogen  (Sophistes,  Politikus,  Philebus,  Timäus 
u.  s.  w.)  sich  das  Verhältnis  Piatons  zur  Gottheit  entnehmen  läfst.  An- 
genommen die  Chronologie  Lutoslawskis  sei  richtig,  was  in  manchen 
Punkten  zweifelhaft  bleiben  mufs,  so  ist  doch  von  Bovet  zu  viel  behauptet ; 
denn  einerseits  ist,  was  Bovet  selbst  zugibt,  ein  Gottesbewufstsein  und  ein 
Götterglaube  auch  in  den  Ideendialogen  nicht  zu  verkennen;   auch  fehlt 


104  Nene  FhOologiflohe  Bnndichan  Nr.  6. 

68  nicht  an  Stellen,  an  denen  Oott  als  der  Bildner  nnd  Schöpfer  der  Welt 
angedeutet  ist,  nnd  es  ist  auch  Bovet  nicht  gelungen,  uns  fiber  sie  hin* 
weg  zu  bringen,  mehr  aber  zu  sagen,  war  nicht  die  Aufgabe  und  nicht 
die  Absicht  des  Philosophen.  Anderseits  ist  auch  aus  den  späteren  Dia- 
logen keine  positive  Qotteslehre  mit  Bestimmtheit  zu  entnehmen,  und  es 
wird  somit  auch  fernhin  schwierig  bleiben,  zu  sagen,  was  Piaton  sich 
unter  Oott  in  unserem  Sinne  gedacht  hat,  da  Piaton  selbst  es  unterlassen 
hat,  uns  fiber  die  Yermittelung  zwischen  seinen  religiösen  Vorstellungen 
und  seinen  wissenschaftlichen  Begriffen  n&her  aufzuklären.  Dafs  die  Idee 
des  Outen  mit  der  Oottheit  identisch  ist,  was  wohl  die  am  meisten  ver- 
breitete Meinung  ist,  weist  Bovet  entschieden  zurfick  und  definiert  Oott 
als  die  vollkommenste  Seele,  vornehmlich  deshalb,  weil  die  Seele  das 
Prinzip  des  Lebens  und  der  Bewegung  ist;  wie  wir  uns  aber  unter  dieser 
vollendeten  Seele  den  WeltschOpfer  und  Weltenbildner  {dTjfiiov^ög)  vor- 
zustellen haben,  ist  auch  bei  ihm  nicht  ersichtlich  und  durch  keine  Stelle 
belegt 

Wird  man  so  auch  Bedenken  tragen,  sich  dem  Besultate  Bovets  an- 
zuschliefsen,  so  verlohnt  es  sich  doch  der  Mfihe,  dem  Oedankengange  des 
von  greiser  Sachkenntnis  zeugenden  und  ungemein  anziehend  geschriebenen 
Buches  nachzugehen;  man  wird  die  Schrift  nicht  aus  der  Hand  legen, 
ohne  reiche  Anregung  ans  ihr  empfangen  zu  haben,  und  so  sei  sie  hier- 
mit dem  Studium  angelegentlichst  empfohlen. 

Helmstedt  K.  Liado. 


63)  HeiiriouB  yan  Herwerdeiii  Lezioon  Oraecnm  Bnppletoriam 
et  dialecticam.  Lugduni  Batavorum  apud  A.  W.  Sithoff, 
MDGGGGU.    X  u.  973  S.  8. 

(Schlufo). 
Oleich  zu  An&ng  vermisse  ich  jede  Bemerkung  fiber  a  st  i}  im 
tragischen  Trimeter,  worfiber  Burlen  eine  Dissertation  geschrieben  hat, 
Bonn  1872.  —  Die  Schreibung  a  9k.  ai  begegnet  öfter  in  den  Papyri 
der  Ptolemäerzeit  (xo  =  xcr/,  yeyQOTtra  s=  yiyQaTetai,  nt^x^nfumara  s= 
xBXftifidviaTai).  —  dßiiMp^  Dis(sertationes)  Hal(enses)  XH,  S.  186.  — 
äßaqunAv  Meister  H,  Nachträge  und  Berichtigungen  zu  S.  241,  5  und 
zu S. 264 f.—  äßßäg  kirchlicher  Titel,  Ornrhynchus^Pap. 1, 146).  —  i^i^q 
Meister  1, 111  in.  —  S.  v.  äßkigc^^  ist  Hippokr.  hinter  ßh^Q^  ^u  setzen; 
sehr  aasfQbrlich  bandelt  fiber  das  Wort  Oerstenhauer  Diss.  Hai.  XII,  201  ff.  — 


-^ 


Neue  Philologische  Bnndschan  Kr.  6.  1Ö5 

dyava  bei  Meister  n,  447  liyava,  —  Zu  äyioiim  fflge  man  %ä  äpniiva  aus 
Dem.  (Jacobitz  u.  Seiler).  —  Die  Etymologie  Yon  äyi^w^og  war  schon  bei  den 
Alten  strittig,  deren  Ansichten  Ebeling  in  seinem  Homerlexikon  zusammen- 
getragen hat.  Eine  neue  hat  Bergk  zu  Alkm.  fr.  122  aufgestellt.  — 
Ffir  dyritdQ  und  äyrjfcÖQia  scheint  der  Spiritus  nicht  gesichert.  —  Das 
Med.  äyogeöea^ai  in  der  Herodotstelle  hat  nichts  Auffälliges,  sobald  man 
es  kausativ  fafst  zur  Bezeichnung  der  Handlung,  die  das  Subj.  in  seinem 
Interesse  vornehmen  läfst  „ausrufen  lassen ^^  —  Zu  Sygu  gibt  Meister 
I,  174  noch  TuxTÜyeei  Sapph.  43;  4,  3  (nach  Bergk,  für  das  unäolische 
naTaQQei).  Mehr  fiber  das  Yerbum  ebendort  182.  —  Zu  dem  meta- 
plastischen Uywvov  gehört  auch  die  unter  „Dativus  plur.^^  Abs.  2  extr. 
stehende  Form  dydfvoiQ,  ebenso  bei  Meister  H,  60,  während  ich  mir  dem 
Dialekte  von  Elis  entsprechend  dytbqoiq  notiert  habe ;  vgl.  indes  driftögiog 
(S.  939).  —  Gegen  die  eleische  Herkunft  von  Uöuqbv  erklärt  sich  Meister 
ausdrücklich.  Dessen  Buch  ist  überhaupt  viel  zu  wenig  ausgenutzt;  vgl. 
Udeioq  II,  249;  ddiTciaai  I,  180.  Sapph.  1,  20  lautet  die  Überlieferung 
ddiTLi^y  demnach  ist  jedenfalls  ddi^yu/ju  zu  betonen;  aufserdem  ist  die  Eon- 
junktivform  ddi^Ti  (Meister  I,  278)  nachzutragen.  —  Zu  dem  „verbum 
ignotum^^  adixofy  geben  alle  Wörterbücher  ddiyuxndq,  —  at  st.  ei  findet 
sich  in  ägypt.  Pap.,  z.  B.  ßleipaij  eyyaitav.  —  aifiiovog  M.  I,  82  {alfiiaifav 
findet  sich  unter  den  Nachträgen),  AiaAodoq  I,  83.  —  diaxofSv  in  Prosa 
noch  Her.  3,  69  u.  127  (Pape)  und  dann  wieder  Dio  Ghrys.  (Schmid, 
Der  Attizismus  I,  148).  —  ätcag  Diss.  Hai.  XII,  204.  —  aix^fxpdqog 
auch  D.  Hai.  2,  13.  —  d^eöeiv  M.  II,  231  und  Searles  in  Studios  in 
dassical  Philology  1898,  S.  10  f.,  ä^gog  ebenda;  diese  Schrift  ist,  wie  der 
Artikel  dvdT(og  zeigt,  offenbar  gar  nicht  benutzt.  —  dKtidla:  die  Erklärung 
von  a)tij%  Bekk.  An.  364,  21.  —  dfidvdaXog  Alk.  fr.  123.  —  Zu  Ac- 
centus  Winer-Schmiedel  §  6  und  über  die  merkwürdige  Akzentuation  in 
den  Papyri  von  Oxyrhynchus  Liter.  Zentralbl.  1898,  S.  1076.  —  Zu  Acc. 
plur.  der  3.  Dekl.  auf  eg  gibt  Schmid  (lY,  19)  aus  den  ägyptischen  Ur- 
kunden aus  dem  k.  Museum  zu  Berlin  acht  Nummern  an.  —  oy  als 
Endung  des  Acc.  sing,  der  3.  Dekl.  erscheint,  aoalog  r^v  bei  den  Eigen- 
namen auf  rig,  vereinzelt  schon  bei  den  Klassikern,  z.  B.  Jjfjfiritqav  PL 
Gratyl.  404  b,  um  später  eine  ungemeine  Verbreitung  nicht  blofs  auf  In- 
schriften, sondern  auch  bei  den  Autoren  zu  gewinnen.  Den  zahlreichen 
Belegen  bei  Winer-Schmiedel  §  9,  8  füge  ich  noch  aus  den  Handschr. 
von  Bonnets  Acta  Thomae  ywatyLOv^  dvyaxiqav^   xAQinav^  X^^Q^'^f  X^^~ 


106  Kene  I%ilologiBobe  Rnndfiofaan  Kr.  6. 

fTtirtitctv,  Blars  allerdings  N.  T.  (§  8,  1)  erklärt  sie  der  Aufnahme 
nnwfirdig.  —  Zu  äycT^ÖQ  Tgl.  auch  die  Bemerkung  Thumbe  betreffs  des 
gef&lschten  Dekrets  Ober  den  Musiker  Timotheos  von  Milet  (S.  37).  — 
aXaeit  Eenyon.  —  äldiqy  schon  im  N.  T.  und  bei  Dioskorides,  Eenyon 
Pap.  I,  98  (3.  Jahrh.  n.  Ohr ).  —  Auch  älg  äfifitaviaycdg  ebenda  78.  90 
(3.  u.  4.  Jahrh.)  —  ciju/ion^mx^y  bei  Dioskorides  —  verdient  Erwähnung.—  äfifia 
auch  bei  Hero  v.  Alex.,  hebr.  Wort,  Th.  103.  —  Hfifias  Th.  112.  — 
SfMWfiüg  auch  bei  Asch.  —  tTber  das  Fehlen  von  äv  beim  Potentialis 

Schmid  lY,  89. av  st.  -aat  auch  bei  Eirchenschriftstellern.  —  dva- 

diw  auch  bei  PL,  daber  von  Schmid  unter  die  allgemein  attischen  Wörter 
gerechnet;  Philostr.  II  hat  es  sechsmal  —  üvalTug  auch  bei  Xen.  — 
dvaTVBiQuv  Mach,  bei  Ath.  349  c.  —  dpoTtlsiiecv  A.  Bb.,  Opp.  u.  a.,  wie  aus 
Schmids  Begisterband  ersichtlich,  auch  bei  Phil.  II.  Hier  wird  es  aller- 
dings am  richtigen  Platze  (IV,  391)  vermiTst.  —  d^aggcmnlvai  intrans. 
Stob.  Flor.  7,  53*  —  Die  Dualform  äve&hav  auf  einer  choregischen  In- 
schrift aus  Orchomenos  (C.  I.  G.  1580)  vermutlich  aus  dem  1.  Jahr- 
hundert n.  Chr.,  aber  arcliaisierend.  —  dnonlvuv  nach  dem  Vorgänge 
Herodots  (4,  70)  auch  Philostr.  11,  B.  253,  20.  —  äTvonw^Avead^ai  auch  in 
Arriaui  Dissertationes  Epicteteae.  —  äTtoaqxilXead^ai.  Her.  6,5,  1  seht 
einfach  statt  des  in  diesem  Sinne  gewöhnlichen  Simplex.  —  dfldrikog 
kaum  jonisch,  es  findet  sich  aufser  bei  Her.  bei  Sim.,  A.  Bh.,  Arr.  und 
Dio  Ghrys.  —  Über  einen  anderen  unmotivierten  Gebrauch  des  Mediums 
von  äqfid^eiv  u.  a.  (die  Beispiele  aus  Luk.  und  den  Attikisten  bei  Schmid 
I,  239  f.)  handelt  Hatzidakis,  ebenderselbe  über  die  aktiven  Future 
irMiütOy  ^ota  u.  a.  —  d((avtiyid  Th.  115.  —  ^'Aqxapiig  Th.  46.  —  Über 
-A^XJiq  und  -aq^oq  in  Kompositis  in  der  fibrigen  Literatur  Winer-Scfamiedel 
§  8,  9.  —  düiv^g  Diss.  Hai.  XII,  201.  —  Das  Subst.  dtaa»aXia  sogar 
bei  Xen.  (An.  4,  4.  14). —  Uti^vig  Th.  114. —  Bezüglich  der  Verwechs- 
lung von  av  und  ev  im  römischen  Zeitalter  ist  nach  Th.  (S.  26)  besondere 
Vorsicht  am  Platze,  da,  zumal  in  Eleinasien  und  Ägypten,  gelegentlicher 
Einflufs  nichtgriechischer  Sprachen  in  Betracht  kommen  kann.  —  avrllg 
ßgag  „sofort"  Berl.  Äg.  ürk.  615.  —  avroijevig  dürfte  so  wenig  fehlen 
als  ovlrjfiig.  —  Bei  BegevUri  vermisse  ich  die  gewifs  seltene  Erscheinung 
der  Dialektform  gleichzeitig  neben  der  allgemeinen  väg  B^q^Ur^  auf 
einer  christlichen  Inschrift.  —  ßdqoTov  eine  Gedernart,  Diod.  2,  49.  — 
Den  Acc.  PI.  ßof^g  und  den  Aor.  icDvifjadfiriv  erklärt  [PlutJ  vit.  Hom. 
11^  12  für  attische  Formen  so  gut  wie  ix^dg  und  ec^^ctfy.  —  yaßiTdva  Qren- 


-^ 


New  Phflologiiohe  Itodichaa  Nr.  6. 107 

feil  Pap.  I,  63,  88  (4.  Jahrhundert  n.  Chr.)  bedeutet  dem  Sinne  oach  „He- 
t&re"  oder  „Ehebrecherin''.  —  ydi^og  Dias.  Hai  XII«  216  f.  —  Das  ro 
ylvofiai  Bemerkte  ist  nach  der  Note  bei  Schmid  II,  29  iu  doppelter 
Weise  zu  modifizieren.  —  ylctx(i(v)  Fritzsche  zu  Theokr.  6,  66.  —  yfii^Oy 
bei  Sapph.  „Schmuckkästchen'',  bedeutet  spftter  „Tand",  in  welch  letzterem 
Sinne  das  folgende  Subst.,  das  freilich  in  der  Urkunde  selbst  mit  x  an- 
lautet. —  yvw^  scheint  auf  attischen  Grabsteinen  neben  dem  Oen.  des 
Namens  des  Mannes  nie  zu  fehlen.  —  ytoQvjdg  auch  bei  Lykophr.  und 
Luk.  —  dalg  auch  bei  Xen.  und  sehr  häufig  bei  den  Attikisten  (1  Ael., 
7  Philostr.  II).  —  dänedw  Ahrens  Dial.  Der,  p.  80  und  Herrn,  zu  Asch. 
Prom.  80.  —  Ein  weiteres  Beiq)iel  flir  den  Dai  absol.  bietet  ^tvutf 
Airvhff  ratio  MaffMÜÄf  indwoig  (Soph.  Lex.  p.  44).  —  ol  dtanöawai 
in  der  Plutarchatelle  ist  Weifsenberger  entgangen;  indes  schwankt  nach 
Fape  die  Leeart;  dagegen  scheint  Find.  P.  4,  967  die  Femininform  ge- 
sichert. Man  vgl.  zu  diesem  Phänomen  auch  TrQger  in  dem  Burghauser 
Frogr.  1899,  S.  20.  —  Zu  Mvavog  Dieteiich  187.  —  Neben  den  Vul- 
garismus di%€  stelle  man  nqiad^^  Le  Bas  III,  2235.  2600;  umgekehrt 
rbv  Syiop  ßiafibv  ^y^Q^ij  K&fa9ijv6g  ib.  2343.  —  Die  unter  d^ea^ai 
aus  römischer  Zeit  aufgefDhrte  Form  öep^fiBi^og  nennt  Scbmid  eine  späte 
Künstelei.  —  diä  t^  ^HqcnßX^idov  xai  fi9f6xfov  rgaiti^rfg  (Oxyrhynchus 
Pap.  98)  entspricht  als  Äquivalent  unserem  ,,H.  &  Co."  —  Zu  äiäövm 
die  Form  iidov^9  Th.  25  f.  —  didvfimdmg  auch  bei  Gallimachos  und 
anderen  Dichtern.  —  diwxiotv  wm  %oXät^uv  auch  Ael  V.  H,  76,  16 
und  161,  12;  auf  eine  ganz  neue  Bedeutung  dieses  Verbums  wurde 
schon  oben  hingewiesen.  Statt  ägfivalog  ionice  =>$  iifiviatg  Her,  V,  77 
mufs  es  heifsen  difivi(os  Her.  V,  77  m»  difivalovg.  —  ditp^iqa  (bei  Her. 
wohl  diq>&iQri)  ist  nach  Bofs  (Rhein.  Mus.  8,  293)  orientalischer  Her- 
kunft. —  diWQtiyiQv  Th.  74.  —  dodiiiog  s=a  dd^fiog  auf  Pap.  Blafs 
N.  T.'  S.  157  med.  —  Der  Dual  verschwindet  auf  den  Inschriften  seit 
Anfang  des  4.  Jahrhunderts  zunächst  in  den  Verbalformen.  Babrius  hat 
zwar  keinen  Dual,  aber  dieser  Numerus  ist  trotz  Aristot.  poet.  1457  a  20 
im  Gebrauche  der  epischen  Poesie  nie  erloschen.  Vgl.  noch  Pezzi,  La 
lingua  greca  antica  p.  463.  —  Philem.  anerkennt  eine  Dualform  d^f 
dvoiv  und  eine  Pluralform  ddo,  dvai(vy  Letztgenannte  Form  ist  sehr 
verbreitet  im  N.  T.  und  den  Apokryphen  und  erscheint  auf  neun  In- 
schriften des  G.  I.  0.  Sie  begegnet  nach  Schmid  zuerst  bei  Anaiim., 
dann  oft  bei  Aristot.  (bemerkenswert  polit.  1287  b.  27  ivoiv  S/ujuaa^  yuxi 


108  Nene  Fbilolo^sobe  Bnndsolian  Nr.  6. 

dvalv  äyLoaig)  nnd  auch  sonst.  Während  sie  unter  den  Jonikern  Hippocr. 
hat,  fehlt  sie  bei  Her.  Die  Arrianstellen  bei  BOhner,  Acta  semin.  Erlang. 
IV,  17.  Die  Form  dveiv  dient  auch  als  Dativ.  Sehr  viel  Material  für 
diesen  Artikel  findet  sich  in  den  verschiedenen  Bänden  von  Schmid,  eine 
orientierende  Übersicht  zu  Anfang  des  Zweibrficker  Programms  1894  von 
Dahl.  —  Weitere  Beispiele  za  e  st.  a  sind  TiaaeQsg  aus  dem  Buche  selbst, 
ebenso  zeaüigeig,  Tiaaeqay  TeaaeQiycowaf  ferner  aus  ägyptischen  Texten  fiehara 
(Th.  138),  TeteyfievoQf  iJQyeXoßtptörogy  beide  aus  dem  3.,  öftof^ÖKefiev  aus 
dem  2.  Jahrhundert  v.  Chr.,  eQceviyid  aus  dem  Testamente  eines  Eyren&ers; 
vgl.  noch  Th.  76.  —  €  st.  o:  ro^oßeXlaig.  —  Da  die  jonischen  Inschriften 
die  Eontraktion  von  ee  und  eet  aufweisen,  so  entsteht  die  Frage,  ob  die 
unkontrahierten  Formen  bei  Her.  als  jonisch  festzuhalten  sind.  —  Zu  ehai 
mit  Part,  bei  Her.  bietet  weit  mehr  Beispiele  die  Sammlung  von  Heikel 
S.  136  f.  Über  die  weitere  Entwickelung  dieses  Phänomens  Schmid  I, 
117  ff.  nebst  Zusatz,  II,  99  mit  Zusatz  und  besonders  III,  112  ff.  und 
Eontos  in  '^^v(?  X,  3.  Über  den  Gebrauch  im  N.  T.  Blafs  Gr.>  §  62,  2. 
Die  Eonstr.  beleuchtet  trefflich  Aristot.:  oidev  diaq>iQ8i  tö  Hv^qwTtog 
iyiaiviov  iartv  ^  rd  Uv^qwnoq  iyiaivBu  —  Area  u.  a.  Winer-Schmiedel 
S.  111.  —  hjSvMg  heifst  auf  ägyptischen  Urkunden  der  Mann  als  Bechts- 
beistand  der  Frau.  —  h^xtaq  als  Appellativum  Sapph.  157.  —  Im  An- 
schlufs  an  iXAaaovg  mag  auf  die  Wiedergabe  von  quominus  durch  ^ 
eXaaaov  in  einem  Senatsbeschlufs  des  2.  Jahrhunderts  hingewiesen  sein.  — 
^EXldvios  Th.  59.  —  efinleog  auch  bei  PL  u.  a.  —  Zu  he^e  und  ^exo 
notiere  man  noch  die  seltsame  Form  heMv  auf  einer  sehr  späten  Inschrift 
aus  Bithynien  (Athen.  Mitteil.  XXIV,  446  n.  42)  und  vgl.  den  Artikel 
IV^oy  in  den  Nachträgen  —  ina^da  Blafs  N.  T.'  9.  —  iTtiTfÖTtrig 
Fritzsche  zu  Theokr.  29,  35;  aufserdem  liest  dieser  7, 146  ega^ey  2, 166 
et^ijAog,  64  iotaa;  dazu  seine  Doris  §  113.  —  eqBvväv  erscheint  in  den 
alt-  und  neutestamentlichen  Schriften  ungemein  häufig,  dagegen  in  den 
Apokryphen  einzig  Barn.  4,  1  cod.  k.  Die  Eonjunktivform  eqrig  beruht 
blofs  auf  Eonjektur.  —  eqov  Diss.  Hai.  XII,  185.  —  evaldcKarog  ist 
natürlich  nicht  blofs  äolisch,  sondern  auch  dorisch.  —  ev^ia  Le  Bas 
III,  107.  547  (beide  Inschriften  aus  römischer  Zeit);  Berl.  Pap.  IN.  81, 
16.  23.  —  ^if9og  (Properispomenon !)  nach  dem  ausdrficklichen  Zeugnisse 
der  Alten  ein  ägyptisches  Wort  —  Kühtt^jq  auch  bei  Pind.  und  den  Tra- 
gikern und  dann  wieder  Paus.  ff.  —  Zu  ijviycav  fQge  man  mxov  aus 
einem  Pap.  (Wilamowitz,  Oött.  gel.  Anz.  1898,  S.  688),  wohl  Jonismus.  — 


^^ 


Nene  Philologiiehe  Bondflehaa  Nr.  5.  109 

iJTtiog  vereinzelt  auch  bei  Dem.  und  im  N.  T.  —  Zum  Qen.  von  fJQ 
Schmid  III,  20.  —  ijrw  =  carw  Schweizer  177.  —  d  st.  r  auch  in  nd&vfi 
(st.  q>dmi).  —  Über  die  LokalsufBxe  -d^a  und  '&ev  Gerstenhaner  Diss. 
Hai.  XII,  184  f.  —  »Bq^ov»Lg  und  »ißei^gTh.  112.—  Weitere  Beispiele 
zu  t  st.  61  aus  den  von  Eenyon  edierten  Pap.  des  Brit.  Mus.  eöty  hCivOy 
ISiv.  Xeyig.  Die  Unsicherheit  des  i  von  ai,  et,  oi  vor  Vokalen  ist  ja  in 
verschiedenen  Stadien  des  äolischen,  jonischen  und  attischen  Dialekts  kon- 
statiert Auf  den  attischen  Inschriften  ist  nileog  die  ältere  Form,  wäh- 
rend riXeios  erst  vom  2.  Jahrhundert  vor  unserer  Zeitrechnung  an  nachweis- 
bar ist.  Aus  den  Par.  Pap.  notiert  Schmid  iicoi^aaTo,  Ugeag  (st.  UQelag), 
TteTt&qyceVf  Tcertoijfie&a,  TtQi^aawog,  Ttoqiavy  neben  xbv  ßaaiXeia  und  ßoiri- 
96».  Im  N.  T.  wird,  sieht  man  von  TtUov  ab,  nur  ffir  ^Qetiadijaav  der 
Ausfall  des  t  verzeichnet.  Über  Verwechslung  von  i  und  e  in  klein- 
asiatischen Inschriften  {yiyoveg  in  Phrygien,  ävayBvdtayuovteg  in  Armenien 
u.  dgl.)  Eretschmer  in  Wschr.  f.  Uass.  Philol.  1899,  4.  In  gleicher 
Weise  erklärt  Th.  derlei  Formen  in  den  ägyptischen  Inschriften  {yCLiiij 
yux'vdyufißp  eydi,  Ttfiö&ig  und  Ti/i&i^igy  KwTe[a]v6g  =  Quintianus  S.  138 
u.  178)  durch  den  Einflufs  der  einheimischen  Sprachen.  —  Zu  i  falso 
adscriptum  Winer  -  Schmiedel  S.  31;  ebenda  viermal  äerw  (ohne  i 
adscr.).  —  Beispiele  für  i  protheticum  vor  a  impurum  aus  galatischen 
Inschriften:  iaTlj^Xylflv  (bis)  und  iatoQyfjg.  —  Der  Vogel  Ißig  vielleicht 
zu  koptisch  kippen  Th.  111.  —  Bei  tva  fehlt  jede  Andeutung  der  Stell- 
vertretung IBr  ßate  oder  Inf.  —  xa^cr  hat  kein  Autor  vor  Pol.  —  Neben 
xayiOTcdrQida  nirtaytdv  sollte  die  zweite  Stelle,  an  der  dieses  Wort,  wenn 
auch  in  anderer  Bedcatung,  sich  findet  (Theognis  193),  nicht  fehlen.  — 
Die  Möglichkeit  eines  etymologischen  Zusammenhanges  von  ycaldig  und 
gaUus  resp.  gaUina  ist  nicht  von  vornherein  abzuweisen.  —  Das  Frag- 
ment des  Epicharmos  mit  ytaytoddyufiog  steht  bei  Ath.  85  e.  —  yuif^og  in 
der  Übersetzung  des  Maximaltarifs  des  Diokletian  war  ebenso  aufnahme- 
berechtigt wie  VLBqßviaLa.  —  yuaxavriC.a}  Th.  213.  —  yunagy^dto  mit  Part. 
Heckel  S.  134.  —  Tidtia  st.  äKana  Schmid  IV,  683;  ebenda  roxfj  st. 
-Mxtoxfjy  y^yiOTi^Qiov  st.  hdoyioTTJQioy.  —  neiQvXog  als  attische  Form  zu 
bezeichnen  geht  nicht  an ;  dieselbe  findet  sich  ja  nur  bei  Ar.  Av.  299  u.  300.- 
Aber  v.  300  wundert  sich  gerade  Peithetairos  über  die  vorher  nie  gehörte 
Form.  Dindorf:  „TLCigiilog  dicit,  ut  Sporgilo  tonsori  nomen  accomodet'S 
d.  h.  doch,  um  den  Vogelnamen  mit  Tteiqeiv,  wovon  yuyvqeiig,  in  etymo- 
logische Beziehung  zu  bringen,  womit  auch  die  von  Kock  vorgeschlagene 


110  Nene  Philologische  Rmidaehaii  Nr.  5. 

Übersetzung  „Barbiervogel'^  in  Einklang  steht. —  Bei  ^wögimä  auf  Meister- 
hans verwiesen,  der  das  Wort  auf  Eultinschriften  als  Jonismus  bezeichnet. 
Dies  ist  aber  von  Tb.  angezweifelt  worden,  ebenso  betreffs  iTtidiparo  und 
naqaißdtviQ^  da  es  sich  um  archaische  und  poetische  Bestandteile  der  Kult- 
spräche  handeln  könne.  —  xZxt  ein  Ol,  von  Her.  2,  94  als  ägyptisches 
Wort  bezeichnet,  Kenyon  Pap.  I,  10.  11.  13  (102  v.  Chr.).  —  xlxvg 
Diss.  Hai.  XII,  200.  —  x/Xti}  auf  einer  späteren  pisidischen  Inschrift 
scheint  einen  weiblichen  Verwandtschaftsnamen  zu  bezeichnen.  —  -uwA- 
ßafi,  auch  bei  Ael.  und  Dioscor.,  Eenyon  Pap.  1,91, 110  u.  118  (2.  Jahr- 
hundert n,  Gh.),  wohl  ein  Fremdwort.  —  TUQycog  auch  bei  Asch.  — 
üXriTiJQ  nach  Meier-Schömann  die  ältere ,  tcXi^ioq  die  jüngere  Form.  — 
Tidf&dtDf  auch  bei  PI.  u.  a.,  dürfte  richtiger  als  poetisch  denn  als  jonisch 
bezeichnet  werden.  —  Gelegentlieh  der  Form  xvi^ri  die  Bemerkung,  dafs 
Schmid  sich  über  xvdw^  bzw.  xvilj&(o  ausschweigt,  obwohl  das  Verbum  bei 
Luk.  an  mindestens  drei  Stellen  vorkommt.  Da  yiv^&to  schon  bei  Arist.,  lassen 
idch  für  die  Folgezeit  beide  Verba  kaum  mehr  auseinanderhalten.  Auch  die 
Bildung  i^^ca  schon  PI.  politicus  289  c.  Anders  steht  die  Sache  allerdings 
bei  dlijdxo.  —  Über  xo  =  lat.  qua  u.  a.  Eckinger,  Die  Orthographie  lat.  W. 
in  griech.  Inschr.  —  yi6yi%ivog  in  dialektischer  Beziehung  Th.  20  f:  — 
TLÖfifii  =s  kopt.  kam^,  Grenfell,  Pap.  I,  52  (3.  Jahrhundert  n.  Chr.).  — 
wf^Cf  zu  xÖQog  in  LXX,  N.  T.  u.  bei  Jos.,  ein  Mafs  für  Wein,  hehr. 
Wort.  —  nQ&adahag,  daneben  auch  KQeodalrag,  —  TLQfjg  wird  auch  von 
Gregor  von  Eorinth  „de  dialecto  Dorica''  als  dorische  Form  heuBxigt.  — 
Der  besprochene  Gebrauch  von  Tcgiatg  erhellt  noch  deutlicher  aus  einer 
Stelle  bei  Diodor  (XI,  11),  wo  das  Wort  in  Verbindung  mit  äydnf  gegen- 
sätzlich zu  vorhergehendem  fidxri  steht.  —  Das  Fragezeichen  hinter  xirai- 
v$iv  aus  dem  Alkäusfragment  ist  unmotiviert.  Zu  derselben  Ansicht  wie 
Hoffmann  gelangt  Gerstenhauer  unter  Berufung  auf  Vogrintz,  Gramm,  des 
hom.  Dialekts.  Vgl.  die  Formen  ^Taviovra,  luxtaKtaiovaiy  ycoTaKravieaS-ai 
in  der  Dias.  —  Ulla  Th.  112.  —  Das  Auffallende  zweier  synkop. 
Formen  von  loiiw  neben  einer  offenen  bei  Her.  ist  zuzugeben:  doch  findet 
sich  dieses  Nebeneinander  auch  bei  Ael.  und  Philostr.  (Schmid  IV,  604).  — 
^  nasalis  vor  Explosivlaut  Th.  135  ff.  —  Dafs  das  Papyruswort  fiako- 
Ttaqavay  das  in  einem  Verzeichnisse  von  Pferden  vorkommt  und  schon  von 
MahaflFsr  mit  leimoTvdQeiog  bei  Hesych.  verglichen  wird,  nicht  unbedenk- 
lich für  äolisch  erklärt  werden  kann,  zeigt  Th.  62  f.  —  na%hiaiv^  auch 
bei  Hes.  u.  a.  —   Während  bei  iitd^&ceqog  zwei  ähnliche  Komparativ- 


.^ 


^ 


Nene  Phiblogische  Bnndsehaa  Kr.  5.  lll 

bilduDgen  aofgefBhrt  werden,  fehlt  ßdltmog  (Wschr.  f.  klaas.  Phil.  1899, 
S.  534)  neben  ^Byiax&tavog,  —  Der  ans  einer  phrygischen  Inschrift  an- 
gefahrten vox  hybrida  fte^ÖQiov  tritt  noch  die  Form  fitiAoiqiov  aus  einer 
syrischen  zur  Seite.  Weitere  Belege  zu  iirnxdqiov  ,, Grabmal'^  ans  Make- 
donien  zar  Eaiserzeit  Mitt.  XVIII  n.  2.  3.  4.  6.  —  Beispiele  fflr  die 
rhodische  Infinitivendnng  ^abiv  (^  /uey)  sind  noch  ans  dem  3.  Jahrhundert 
ävayQaq>i^fieiv  iTvifieXfi&^fiSiVy  i^i^pt^iv^  iaifjieiVy  ixd-df^eiVy  &6fiBiv  {bis)  (C.  I. 
Insol.  I,  677;  694;  761),  —  daneben  aber  erscheint  anf  der  letzten  Inschrift 
auch  schon  die  iCo<i7^-Form  ärtodei^vieiv  —  und  als  einziger  Beleg  aus 
dem  1.  Jahrhundert  n.  Chr.  eiayQaq>i^fieiv  (ib.  n.  58).  —  Zu  jAti&eig  et 
av&eig  die  problematische  Form  juij^e^V  auf  einer  delischen  Inschrift.  — 
Mrp^iaüTäv  und  ein  paar  Dutzend  anderer  Vokabeln  sind  Jahrg.  1898, 
S.  611  ff.  dieser  Zeitschrift  von  mir  zusammengetragen.  —  iiivöiq  und  oi 
fiivditaiy  eine  Art  Familienrat  und  die  Mitglieder  desselben,  auf  lykischen 
Inschr.  Th.  119.  —  Zu  fxva-  =  juvi;-  notiere  man  noch  aus  einer  gala- 
tischen Inschrift  den  Dorismus  ^wapirriq  Th.  66.  —  Die  Form  Moiaa 
Bacchyl.  5,  4  wird  gestfitzt  durch  laxoiaav  19,  14.  —  Zu  y  paragogicum 
Mayser,  Gramm,  d.  Pap.  aus  der  Ptolemäerzeit  II,  p.  50.  —  vevftBmti 
Th.  73.  —  vhqov  und  Utqov  finden  sich  bei  Hippokr.  nebeneinander.  — 
0  st.  a :  ixezo^v.  —  dXioq  =  dUyog  und  verwandte  Erscheinungen  Hatzi- 
dakis  ^A»rivä  XI,  162  und  Gott.  gel.  Anz.  1899,  S.  514.  —  Theokr. 
29,  26  liest  Fritzsche  dixvAad^',  ebenderselbe  akzentuiert  2,  62  oa%ia. 
Hier  merke  man  noch  an  data  (wie  von  davdv)  Opp.  1,  268;  Luk.  tragod. 
167.  —  Bei  oqna^y  oQnri^  vermisse  ich  jede  Bemerkung  fiber  die  dialek- 
tische Verschiedenheit  von  Hqua^  und  S^Tiri^,  insofern  in  den  mir  zugäng- 
lichen Texten  in  der  Sapphostelle  oqtco^,  bei  Theokr.  7, 146  Sg/tai  gelesen 
wird;  wo  steht  denn  überhaupt  eigentlich  o^Ttvi^?  —  OQjtecov  Diss.  Hai.  XII, 
197.— Orthographie  und  nächstverwandte  Formfragen  Winer-Schmiedel  §  5. — 
Zu  er  st.  r:  -Mxd-udqoiiaato  ^  '/x)U.oijQiov,  ohitiq,  %Qova6q.  —  Ein  inter- 
essantes Beispiel  für  thessalisches  ov  st.  v  ist  ^Pov^aloi  auf  einer  Inschrift 
zwischen  178  u.  146  v.  Chr.  —  Über  die  Entstehung  von  ov  als  Dativ- 
endung Th.  232.  —  TiAvoL^y  seit  Theophr.  in  der  Literatur,  begegnet  in 
der  Zusammensetzung  örcoTtdva^  Grenfell  Pap.  I,  52,  11  (3.  Jahrhundert 
n.  Chr.).  —  7caQ€{i)QiJij  auch  Hippokrat.  —  näais  „Erwerb'^  Bacchyl. 
10,  2 :  €t€Qog  3^  iTtl  ndai  Ttoivukop  tö^ov  xvxaivUj  eine  coniectura  pal- 
maris.  —  natgiog  ist  nicht  blofs  auf  attischen  Inschriften  zweiendig, 
auch  bei  den  attischen  Schriftstellern  ist  dieser  Gebrauch  überwiegend. 


112  Nene  Philologische  ftuodsehaa  Nr.  6. 

Bei  Plnt.  gilt  dies,  wenn  anders  die  Beobachtung  Weifsenbergers  richtig 
ist,  fDr  alle  Adj.  mit  der  Ableitungsendnng  log.  —  n^iuXiaaw  nach 
Jacobitz  und  Seiler  auch  bei  PL  —  ftBqUhxaiq  gerade  in  der  Bedeutung 
cvrcumvectio  bei  Hippokr.  —  Warum  „scheint '^  blofs  nBqiyuetpalda  ein 
polybianisches  Wort  gewesen  zu  sein?  SchweighAusers  Lexikon  zeigt  es 
leibhaftig  und  handgreiflich  an  drei  Stellen  und  nur  an  einer  vierten 
ne(ivMq>dlaiovy  und  dals  es  auch  andere  Autoren  haben,  lehrt  ein  Blick  in 
die  allgemeinen  Wörterbücher.  —  Für  Tthea&ai  hat  im6^iriv  als  attische 
Frosaform,  iTtrdfiriv  bei  Fl.  und  einmal  bei  Xen.  nur  als  dichterische 
Beminiszenz  zu  gelten.  —  nivaXog  und  andere  Eigennamen  auf  einer  von 
Bendorf  und  Niemann  (Reisen  in  Lykien  und  Karien,  Wien  1884,  S.  77) 
veröffentlichten  Inschrift,  neuerdings  abgedruckt  in  ^,  Stemplinger,  Studien 
zu  den  '£^ix<i  des  Stephanos  von  Byzanz'S  S.  31.—  TcXAvvfi/ia?  Andere 
schreiben  nXdtvfia.  —  Die  zur  orphischen  Religion  gehörigen  nqa^i/ii^ai 
auf  einer  attischen  Inschrift  (Berl  philol.  Wschr.  1897,  S.  1390).  — 
TtQdßaiog  Th.  213.  —  nqoi^ofAai  „werde '^  Aphth.  prog.  p.  34:  rb  donofh^ 
vöig  TtoXlolg  vdiiog  nqoljXi^ev  ifioL  —  TtiaXog  und  Verwandtes  Th.  75.  — 
Q^=qq  Eönigsb.  Diss.  von  Leitzsch,  1895.  —  Belege  für  q  st.  l  aus  Attika 
Neue  Jahrb.  f.  khiss.  Alt.  V  (1900),  251.  —  Das  sub  ^i»oq  angefahrte 
Eompos.  ^»ofiaXidag  steht  bei  Ale.  (fr.  150),  dem  Bergk,  Koch.  u.  a. 
auch  evdofialidag  zuteilen  (Diss.  Hai.  XII,  209  f.).  —  Zu  ^iaw)g  (riscus 
Ter.  Eun.  4,  6,  16,  auch  bei  Hieronymus)  noch  ^layunpiila^  und  ^laxo- 
q>vXAyuop.  Donatus  zur  Terenzstelle  nennt  das  Wort  phrygisch,  Fick 
dagegen  vermutet  galatischen  Ursprung,  wohl  richtig,  wie  Th.  142  an- 
sprechend dartut.  —  Über  das  Vorkommen  von  qq  im  Anlaut  auf  attischen 
Inschriften  Blafs  N.  T.«  S.  11*.  —  aaqyivri  (taqydvri)  auch  bei  Alexis, 
Timokl.  bei  Ath.,  N.  T.  —  aixTUv  und  Komposita  Dias.  Hai.  XII,  303  f.  — 
aeßeviov  auch  bei  Hai.  und  Hesych.  „Hülle  der  Palmblüte  und  Frucht'', 
vielleicht  zu  koptisch  ssbe^  8ä)i  „arundo,  calamus'';  ebenso  aeßeviog.  — 
SeoTUt^og  Th.  231.  —  aiq  halten  andere  für  eine  Abkürzung  von  ao)- 
Ti^q.  —  aiaöri  gilt  als  Cilizismus,  desgleichen  Aoriste  wie  eßaXa.  Winer- 
Schmiedel,  S.  23.  —  Beherzigenswertes  zu  Ofiiv&ay  resp.  afiiv&og  bei  Th.  145 ; 
ebenda  113  andere  Ableitung  von  aoicivov.  —  Die  Entscheidung  für  das 
handschriftliche  azikeyfiov  oder  die  Korrektur  atikayfiov  fällt  nicht  ganz 
leicht.  Bergk  schreibt  atakay^dv.  —  aTififii  Th.  113.  —  aq>qayida 
^eiv  Berl.  phil.  Wschr.  1897,  S.  393.  —  atiqayjog  zu  awqi^n,  eine  Trauben- 
sorte in  LXX.  —  T  st.  ^  vereinzelt  auch  in  ^q^yx^Sf  worauf  hiermit  ver- 


^ 


Neae  PbilologiMhe  Bimdiehaa  Nr.  6.  113 

wiesen  sei.  —  xhutav  =  Thrtov  (Meister  I,  76)  fehlt  neben  %Mw  und 
^9weg.  —  TovTLeQov  bei  Eenjon.  —  Über  verschiedene  Verwendungen 
des  Wortes  tQaytfdla  siehe  die  Note  bei  Schmid  II,  223  f.  —  TDßi  enir 
stammt  den  Pap.  von  Qrenfell  II,  59.  —  rvq>lii  ^fuj  „Sackgasse'^  auf 
einem  Pap.  von  Oxyrbynchos.  —  Über  die  Verwechslang  von  v  mit  i,  e 
und  1]  in  Eleinasien  und  Ägypten  Th.  139  ff.  —  t;  st.  ov:  devrinv  im  Eu- 
doxiapap.  nennt  Th.  „inverse^*  Schreibung. —  Die  Konstruktion  ind  d'e^ 
-ml  Hvd-QtoTtov  auf  einer  halikamassischen  Inschrift  vom  Ausgang  des 
3.  Jahrhunderts  will  H.  verdächtigen.  Angesichts  der  Freilassungsformel 
tnö  Jicy  rtjvy  "Hkop  in  mehreren  Urkunden  der  Pap.  von  Oxyrbynchos 
wird  er  wohl  seine  Ansicht  ändern.  —  q>av%A1^Bad'€u  auch  Eenyon  Pap. 
1, 112:  gxxvra^ofiiyq.  —  Zu  9)^iov  (Akzent?)  g>ft[i;l  Gallim.  Ger.  16. — 
X^^oPf  Kenyon  Pap.  n,  298,  auch  bei  Athen.,  eine  Wachtelart,  die  in 
Ägypten  eingesalzen  wurde.  —  ^ig>ag  und  yjiq>og  Diss.  Hai.  Xn,  209.  — 
^Oaa  s=  'vloj  yeyovdknv  Dieterich  207. 

Was  schlielslich  den  Druck  anlangt,  so  ist  abgesehen  von  den  schon 
oben  berflhrten  zahlreichen  falschen  Zitaten  auch  an  anderen  Fehlem  gerade 
kein  MangeL  Au&er  einem  halben  Hundert  fidscher  Akzente  und  Spiritus 
und  ebensoviel  anderen  Druck  versehen,  die  der  Leser  unwillkflrlich  selbst 
richtig  stellt,  während  der  Verf.  unter  dem  Korrigenda  einzig  ^Aiiq>iiqaog 
richtig  gestellt  hat,  bessere  man  noch  und  lese  S.  14  Z.  30  eum;  S.  52 
Z.  17  iiifiigi  S.  100  Z.  2  v.  u.  ubi;  S.  102  Z.  21  Soph.  0.  B.;  S.  166 
Z.  20  ya»uv\  S.  175  Z.  27  hucusque;  S.  188  Z.  9  v.  u.  Dativus  ab- 
solutus;  S.  256  Z.  23  h.%imnlfvai.;  S.  274  Z.  12  ^^xov.  —  S.  315  Z.  12 
iqytnivag  Theokr.  XXI,  3  =  iqydvitig  X,  9;  S.  331  Z.  15  v.  u.  diii- 
w^g,  tifui^LTig,  25;  S.  374  Z.  8  filiae;  S.  415  Z.  27  xaUoi^;  S.  582  Z.  9 
dloqwyytiv;  S.  621  Z.  17  v.  u.  cQ^ai;  S.  625  Z.  33  ndQaQog  u.  XV; 
S.  645  Z.  17  pendant;  S.  897  Z.  21  x^^vwf^  (^gl*  Meister,  S.  75). 

Mflnohen.  Ph,  Weber. 

64)   CkmeOle,   Le    Cid,   herausgegeben  von  Ernst  Dannlielfser. 

München,  Lindauers  Verlag,  1902.  101  S.  8. 
Diese  neue  Cid- Ausgabe  verdankt  ihre  Entstehung  dem  umstand,  daTs 
in  der  Lindauerschen  Elassikerbibliothek  natürlich  Gomeilles  beste  Tra- 
gödie nicht  fehlen  durfte.  Für  seine  Arbeit  war  der  Heraugg.  an  die  für 
diese  Bibliothek  aufgestellten  Grundsätze  gebunden,  die  eine  sehr  kurze 
Einleitung,  wenige  Anmerkungen  und  ein  Spezialwörterbuch ,  auf  welches 


114  Nene  Philologische  RnndBohan  Nr.  5. 

also  auch  die  Süddeutschen  Kollegen  nicht  glauben  verzichten  zu  kOnnen, 
verlangen.  Das  ist  von  dem  Herausg.  geboten,  und  von  Druckfehlem  ist 
das  Buch  frei.  Über  die  Zweckmäfsigkeit  der  befolgten  Grundsätze  liefse 
sich  streiten,  jedenfalls  bleibt  bei  denselben  dem  Lehrer  im  Elasson- 
unterricht  viel  zu  tun  übrig. 

Wernigerode  a.  H.  Drees. 


65)  O.  Stier,  Fetites  CauBeries  fran9ai8e8.  Ein  Hilfsmittel  zur 
Erlernung  der  französischen  Umgangssprache.  Cöthen,  0.  Schulze, 
1903.     VIII  u.  104  S.  8.  Ji  1.25. 

Das  fQr  höhere  Schulen  bestimmte  Büchlein  nimmt  doch  zu  wenig 
Rücksicht  auf  die  besonderen  Bedingungen  des  Unterrichts,  welcher  eine 
Anpassung  an  das  jeweilige  allgemeine  und  grammatische  Fassungsvermögen, 
eine  Verteilung  auf  die  Entwickelungsstufen  verlangt. 

Ein  Buch,  das  die  Aneignung  einer  Umgangssprache  vermitteln  soll, 
mufs  ferner  alle  die  Gebiete  umfassen,  die  zum  täglichen  Leben  gehören; 
von  Wald,  Feld,  Dorf,  Garten  bringt  es  aber  nichts;  für  ein  Schulbuch 
ist  auch  wohl  das  Kapitel  der  inneren  Einrichtung  von  Schule  und  Klasse 
nicht  gut  zu  entbehren.  Für  verfehlt  halte  ich  es  auch,  wenn  der  Verf. 
bei  der  Abteilung  „  Stadt '^  die  Strafsen  und  öffentlichen  Gebäude  von 
Paris  aufzählt,  statt  eine  allgemein  gültige  Schilderung  des  städtischen 
Lebens  zu  geben.  Auf  anderen  Gebieten  würden  die  Schulbedürfnisse 
eine  Beschränkung  des  Stoffes  gern  erlauben  und  Verzicht  leisten  auf  die 
Arten  der  Zähne,  die  Teile  des  Zahnes  (S.  25),  die  Arten  von  Westen 
(S.  42),  die  Teile  des  Fahrrades  (S.  55),  auf  das  ganze  Kapitel  von  dem 
Luftballon  und  der  Photographie;  auch  die  Speisezettel  für  ein  d^jeuner 
und  diner  gehören  eher  in  einen  Petit  Parisien  als  in  ein  Schulbuch. 

Die  Fassung  ist  im  übrigen  knapp,  sachlich  und  geschickt,  besonders 
„Reise'S  „Feste  u.  a.  Die  Kommasetzung  ist  ungenau;  der  Druck 
zeichnet  sich  durch  Schönheit,  Schärfe  und  Genauigkeit  aus.  (Druckfehler 
S.  17.  26.  54.  58.  83.) 

Flensburg.  K.  Engelke. 


^ 


Nene  Fhilologisclie  Bnndsohau  Nr.  5.  115 

66)   M.   Enneccems,    Versban    und   gesanglicher   Vortrag 

des  ältesten  französischen  Liedes.  Ein  Beitrag  znr  Lehre  vom 
rhythmischen  Verse.  Mit  den  Handschriftenbildem  der  Eolalia- 
Ueder  nnd  des  Lndwigsliedes.  Frankfurt  a.  M.,  F.  Enneccems, 
1901.     gr.  8.  Ji  8.60. 

Die  Verfasserin  ^)  der  vorliegenden  Arbeit  hat  sich  schon  im  Jahre 
1897  durch  eine  vorbereitende  Arbeit  zu  ihrem  jetzigen  Thema  bekannt 
gemacht,  die  den  Titel  ffihrt:  Zur  lateinischen  und  französischen  Euhilia. 
Mit  zwei  Tafeln  im  Lichtdruck  (Marburg,  Elwertsche  Verlagsbuchh.).  Sie 
tritt  darin  der  Frage  näher,  die  Suchier  (Gröbers  Zeitschr.  1891)  auf- 
geworfen hatte,  ob  Huchald  die  lateinische  Eulaliasequenz  geschrieben 
habe.  Die  von  ihr  vorgenommene  Handschriftenvergleichung  ffihrt  zu 
einer  Verneinung  der  Frage.  Weiterhin  bespricht  sie  die  Schlufsstrophe 
der  lateinischen  Sequenz,  sowie  Einzelheiten  des  französischen  Textes, 
die  in  der  Handschrift  deutlich  zu  Tage  treten,  nicht  aber  in  der 
G.  Parisschen  Heliogravüre.  Die  neue  Arbeit  zerf&Ut  in  acht  Abschnitte: 
I.  Die  Nachbildungen  der  lat.  Eulalia-Seqnenz.  Die  A- Verse.  Der  Aufbau 
der  Eul.-Sequ.  II.  S^uenzenmelodie  und  Sequenzen text.  III.  Die  Un- 
richtigkeit der  bisherigen  Verslesung.  Die  lat.  C- Verse  und  die  Vers- 
schlfisse.  IV.  Einiges  aus  der  Bhythmik.  Die  s-E-D- Verse  und  deren 
Spielarten.  V.  Die  Versgliederung  und  die  Versgrundtypen  des  lat.  Eu- 
lalialiedes.  VI.  Wert  des  französ.  Eulalialiedes  in  Bezug  auf  Inhalt  und 
Form.  Vn.  Die  Spielarten  der  Verse  und  die  Versschlfisse  des  französ. 
Liedes.  VHI.  Der  gesangliche  Vortrag  des  französ.  Eulalialiedes.  Im 
Anhang  bespricht  die  Verf.  noch  A.  Die  Legende  vom  nichttaktmäfsigen 
Gregorianischen  Gesang,  B.  zu  Bartschs  Methode,  den  Rhythmus  älteren 
Sequenzenverse  festzustellen.  Bemerken  wir  noch,  dafs  sich  die  Seiten  94 
bis  107  mit  dem  Ludwigsliede  beschäftigen,  so  geht  daraus  hervor,  dafs 
die  Arbeit  mehr  bringt,  als  der  Titel  besagt,  dafs  sie  nämlich  eine  Theorie 
ffir  den  Vortrag  der  ältesten  lateinischen  Sequenzen,  des  Eulalialiedes  und 
des  Ludwigsliedes  bringt.    Der  Kern  der  Ausführungen  besteht  in   der 

1)  Im  Interesse  der  sachlichen  Klarheit  nicht  minder  als  in  dem  der  „Franen- 
frage"  (um  es  kurz  za  bezeichnen),  wäre  es  sehr  erwünscht,  wenn  auf  den  Titeln 
wissenschaftlicher  Schriften  der  volle  Name  zu  lesen  wäre,  damit  der  Leser  nicht  im 
Zweifel  bleibt,  ob  ein  Mann  oder  eine  Fran  die  Arbeit  verfafst  hat.  Mag  anch  jer- 
einzelt  die  Objektivität  der  Benrteilnng  darunter  leiden,  sicher  ist  jedenfalls,  dal^i  durch 
wirkliche  Leistungen  studierender  Frauen  die  „Frage'*  um  so  schneller  und  in  um  so 
günstigerem  Sinne  gelöst  werden  wird. 


1X6  Neue  Philologische  Bnndsohan  Nr.  5. 

Behauptung,  dafs  die  Texte  nicht  cum  ratione  metrica,  d.  i.  in  gerader 
Taktart,  sondern  vielmehr  sine  ratione,  in  der  Taktart  der  rhythmischen 
Daktylen,  dem  Dreivierteltakt  gesungen  worden  seien;  alle  Betrach- 
tungen über  die  Gestaltung  der  Texte,  alle  etwaige  Veränderungen  in  der 
Reihenfolge  der  Worte  bzw.  der  Zeilen  seien  daher  vom  rhythmischen, 
nicht  vom  metrischen  Standpunkte  aus  zu  prüfen.  Die  oben  angeführte 
Behauptung,  die  durch  vielfache  Zitate  aus  den  Musikschriftstellern  des 
frühen  Mittelalters  belegt  und  an  den  Texten  der  lateinischen  Sequenzen 
bei  Bartsch  u.  a.  geprüft  wird,  hat  vom  musikalischen  und  auch  all- 
gemein künstlerischen  Standpunkte  aus  etwas  sehr  Verlockendes  und  man 
mufs  es  der  Verf.  danken,  dafs  sie  zu  dieser  Betrachtungsweise  der  betr. 
Texte  die  Anregung  gegeben  hat.  Jedenfalls  bietet  die  rhythmische  Le- 
sung der  beiden  Eulaliasequenzen  die  Möglichkeit,  in  allen  Zeilen  dieselbe 
Taktart  beizubehalten,  während  bei  der  bisherigen  Anschauung  der  Takt 
achtmal  innerhalb  der  vierzehn  Zeilen  der  ersten  Hälfte  der  lat.  Sequenz 
gewechselt  hätte.  Bei  der  grofsen  Zahl  von  Verbesserungsvorschlägen, 
die  bei  beiden  Texten  gemacht  worden  sind  und  die  namentlich  bei  dem 
französischen  Gedichte  oft  zu  erheblichen  Textveränderungen  gefQhrt  haben, 
ohne  in  das  metrische  Gebilde  volle  Klarheit  zu  bringen,  kann  es  nicht 
geleugnet  werden,  dafs  die  hier  vorgeschlagene  Lesung  so  gut  wie  gar 
keine  Änderungen  verlangt  und  dabei  die  französisch  sinngemäfse  Betonung 
durchweg  zur  Geltung  kommen  läfst,  dafs  sogar  der  kirchliche  Charakter 
des  Liedes  als  Jnbilation  nur  in  dieser  Art  der  Lesung  hervortritt.  Von 
Wichtigkeit  ist  noch  die  Bemerkung,  dafs  neben  der  rhythmischen  Glie- 
derung auch  die  Verteilung  der  Nebentöne  in  Betracht  gezogen  werden 
mufs  und  dafs  oft  eine  nicht  unter  dem  Iktus  stehende  wichtige  Silbe 
durch  Erhöhung  des  Sprech tones  ihren  richtigen  Wert  erhält,  also  ein 
Grundsatz,  der  auch  in  der  neufiranzösischen  Satzmodulation  eine  wichtige 
Bolle  spielt.  Auf  die  vielen  feinsinnigen  Bemerkungen  der  Verf.  näher 
einzugehen,  erlaubt  der  Baum  nicht,  doch  sei  nicht  verschwiegen,  dals 
bei  der  Verf.  die  Begeisterung  für  ihre  künstlerischen  Ideen  gelegentlich 
sich  in  übertriebenen  Wendungen  über  den  Wert  der  Einzelheiten  ergeht. 
Ebenso  enegt  auch  die  rein  philologische  Seite  der  Arbeit  nicht 
unerhebliche  Bedenken.  So  u.  a.  bei  der  Deutung  des  Verses  Aczo  nos 
Yoldret  concreidre  li  repagiens,  wo  die  Form  aiceo  statt  eines  oro, 
aus  dem  Grunde  gewählt  sein  soll  (allerdings  erst  die  zweite  Annahme), 
weil  sie  eine  Silbe  mehr  hätte.  Auch  die  Deutung  von  lo  suon  Clement 


> 


Kene  f^hilologiBche  ftnnclsebaa  Ifr.  i.  lif 

gemftb  der  BOhmerschen  geistvollen  ÜbersetzaDg  iit  nicht  fiberzengend. 
Vielleicht  Iftfst  sich  der  Stelle  beikommen  mit  Hilfe  der  Bedeatangs- 
wandlungen  des  Wortes  dement^  die  Diels  vor  einigen  Jahren  in  einer 
ausführlichen  Abhandlung  fiber  dies  Wort  auseinandergesetzt  hat  Warum 
statt  heUezone  heüiezor  zu  setzen  ist  (S.  88),  Iftfst  sich  auch  nicht  ersehen. 
Wenn  nun  die  Verf.  zur  Erklftrung  der  rhythmischen  Eigentfimlichkeiten 
einzelner  Zeilen  die  in  der  Handschr.  vorkommenden  grfifseren  oder  ge- 
ringeren Abstände  zwischen  den  einzelnen  Worten,  femer  Punkte  u.  dgl. 
verwendet  und  damit  namentlich  bei  dem  Ludwigslied  manche  Schwierig- 
keiten zu  lOsen  versucht,  so  kann  man  ihr  folgen,  obgleich  sich  nicht 
leugnen  Iftfst,  dafs  sonst  in  Handschr.  die  rftumlichen  Verhftltnisse  den 
Schreiber  zu  den  willkürlichsten  Zusammenziehungen  bzw.  Zerrei&ungen 
verführen.  Da  aber  bei  dem  Ludwigslied  keine  rftumliche  Beschränkung 
vorhanden  war  (vgl.  die  photographischen  Beilagen),  so  können  in  der 
Tat  diese  erwähnten  Mittel  solche  Zwecke  gehabt  haben.  Und  da  die 
Eulaliasequenz  von  demselben  Schreiber  geschrieben  zu  sein  scheint,  so 
können  auch  die  gleichen  Mittel  zur  Erreichung  gleicher  Zwecke  an 
gewandt  worden  sein.  Anders  aber  verhftlt  es  sich,  wenn  auffällige  Wort- 
formen buona  pulcella  u.  a.  gewählt  worden  sein  sollen,  um  dem  Sänger 
rhythmische  Eigentfimlichkeiten  anzudeuten.  Bei  rancit,  soweit  die  Stamm- 
silbe in  Betracht  kommt,  sowie  bei  perdesse  (abgesehen  von  dem  fehlen- 
den -Q  wfirde  die  Wahl  noch  durch  rhythmische  Gründe  erklärlich  sein, 
weniger  aber  bei  jener  ersten  Gruppe.  Schwere  sprachliche  Bedenken  aber 
regen  sich,  wenn  chief,  ruavet  zerlegt  werden  in  chi-ef,  rtMhvet  Bei 
nitde  handelt  es  sich  nicht  um  nia-le,  das,  wie  die  Verf.  meint,  in  niru-le 
zerdehnt  worden  sei,  sondern  um  ein  von  vornherein  dreisilbiges  Wort. 
Ehe  von  selten  der  Musikhistoriker  mehrfache  Beispile  beigebracht  werden 
für  den  ersten  beiden  Gruppen  entsprechende  Fälle,  mufs  dieser  Teil  der 
Arbeit  als  ungelöstes  Problem  behandelt  werden. 

Die  Ausstattung  des  Buches  ist  in  Papier  und  Typen  ausgezeichnet. 
Leider  ist  die  Disposition  des  Stoffes  nicht  besonders  klar,  was  die  Lektüre 
recht  erschwert;  aufserdem  mufs  der  Druck  übereilt  worden  sein,  da  nicht 
blofs  auf  S.  121  eine  Beihe  von  Berichtigungen  stehen,  als  Fortsetzung 
von  S.  119,  während  S.  120  das  Inhaltsverzeichnis  bietet,  sondern  weil 
aufserdem  auch  noch  ein  loses  Blatt  mit  Angabe  von  Druckfehlem  hat 
beigegeben  werden  müssen. 

Berlin.  B.  RMtgera. 


118  Neue  Philologische  Bundschan  Nr.  5. 

67)  W.  Scott  I  Eenilworth.  Zum  Schul-  und  Hausigebrauch  heraus- 
gegeben von  H.  €^afiiner.  München,  Lindauersche  Buchhand- 
lung (Schßpping),  1903.    IV  u.  148  S.  8. 

geh.  J6  1.—;  geb.  J6  1.20. 
Der  Eenilworth-Text,  welcher  bei  Tauchnitz  488  enggedruckte  Seiten 
füllt,  ist  in  GaTsners  Ausgabe  auf  den  Umfang  von  114  Seiten  mit  grofsem, 
weitem  Satz  gebracht.  Der  Herausg.  hat  den  Hauptwert  auf  die  Wort- 
erklärung gelegt;  die  sachlichen  Anmerkungen  nehmen,  wenn  man 
eine  englische  Lückenerzähluug  zu  S.  26  abrechnet,  nur  etwas  mehr 
als  eine  Seite  ein.  Ebenso  bringt  die  biographische  Einleitung  nur  das 
AUemotwendigste.  In  dem  alphabetischen  Wörterverzeichnis  (S.  115 — 145) 
könnte  die  Aussprache  hie  und  da  noch  etwas  genauer  sein.  Man  ver- 
mifst  z.  B.  eine  UnterscheiduDg  der  beiden  Lautwerte  des  g  (giant,  girth), 
des  ch  {Channel,  ckaracter),  des  s  (case,  to  rise\  heseech,  possess,  reserve) 
und  des  th  {that,  thick).  Bei  der  „Erklärung  der  Aussprachezeichen ^^ 
auf  S.  146  findet  man  folgende  Bemerkung:  Die  Aussprachezeichen  geben 
beim  Wort  zugleich  die  Tonsilbe  an  (aböüt).  Unbetonte  Silben  u.  s.  vir. 
sind,  wenn  nötig,  in  ()  erläutert.  Nach  diesem  Prinzipe  sind  eine  Beihe 
von  Bezeichnungen  unklar  oder  falsch:  to  exculpäte,  to  extricäte,  exigency, 
footst^p,  foremöst,  to  frusträte,  gätewäy,  höüsehöld,  impdrt  („Bedeutung, 
Tragweite^')«  infatuäted,  to  institüte,  interSsted,  sb.  interview,  intimäte, 
mandäte,  to  operäte,  sb.  prelüde,  to  prosecüte,  to  reiteräte,  slck-b6d, 
sle@ping-cüp,  to  suffocäte,  swörd-ärm  u.  a.  m.  Fehlerhaft  sind  auch 
allege,  änger,  assürance  (was  nach  der  Lauttafel  nur  mit  s  und  langem 
u  ausgesprochen  werden  kann),  assüre,  assüred,  cörnish  („aus  GornwalP^ 
mit  kleinem  c,  envier  („Neider"'),  justify,  to  Ornament,  to  c^veräw,  postern- 
door,  to  quälif^,  a  süite  of  apartments  (suite  klingt  hier  bekanntlich  wie 
sweet),  räpl^r.  Der  Herausg.  hätte  bei  sorgfältiger  Benutzung  eines  zu- 
verlässigen Wörterbuchs  diese  Irrtümer  leicht  vermeiden  können,     -i-. 


68)  Kipling,  Three  Mowgli-Stories.  Edited  for  use  in  schools  by 
Eduard  Sokoll.  Leipzig,  Rofsbergsche  Buchhandlung,  1902. 
XL  u.  86  U.  44  S.  J6  1.  80. 

Die  vorliegende  Schulausgabe  beginnt  mit  einer  englisch  geschriebenen 
Einleitung,  welche  eine  kurze  Biographie  des  Schriftstellers  und  eine  Auf- 
zählung seiner  Werke  enthält.  Dann  folgen  die  drei  Mowgli-Geschichten: 
In  the  Bukh,  Mowgli's  Brothers  und  „Tiger-Tiger^'.    Die  Auswahl  wird, 


Nene  Philologische  Bondschan  Nr.  6.  119 

sofern  es  sich  um  die  Yerwendang  als  ScbuUektflre  handelt,  nicht  jeder- 
manns Beifall  finden.  In  the  Rukh  bleibt,  wenn  auch  die  anstöfsigste 
Stille  ausgemerzt  ist,  a  story  for  grown-nps,  während  die  anderen  beiden 
Erzählungen  inhaltlich  wie  sprachlich  fKr  Knaben  geeignet  sind.  Auch  die 
Anordnung  mufs,  wenn  sie  auch  durch  die  Zeit  der  Yeröfifentlichung  der 
betreffenden  Geschichten  begründet  ist,  auffallen.  Es  liegt  so  ein  Wider- 
spruch in  den  auf  die  erste  Erzählung  hinweisenden  Schlufsworten  der 
letzten:  Tears  afterward,  he  became  a  man  and  married.  Auch  dafs 
die  letzten  Geschichten  leichter  sind  als  die  erste,  spricht  für  eine  Um- 
stellung. Die  englisch  geschriebenen  Anmerkungen  bieten  sachlich  alles 
zum  Verständnis  Erforderliche.  Ob  sie  jede  sprachliche  Schwierigkeit 
erläutern,  und  ob  sie  selbst  alle  für  den  Schüler  ohne  Wörterbuch  ver- 
ständlich sind,  darf  zweifelhaft  erscheinen  und  wird  wesentlich  von  dem 
Standpunkt  der  Kenntnisse  des  Schülers  abhängen.  Aber  mit  dieser 
Schwierigkeit  wird  bei  der  Verwendung  englischer  Anmerkungen  ja  stets 
zu  rechnen  sein.  Zur  Privatlektüre  fortgeschrittener  Schüler  ist  das  Buch 
zweifellos  sehr  geeignet. 

Flensburg.  Adolf  Hertlag. 

69)    Der   alte    Orient.     4.   Jahrgang.     Heft   2:    Felix    Fceiherr 
V.  Oefele,  Keilschriftmedizin  in  Parallelen.    Mit  einer 
Keilschrifttafel.  —  Heft  3:  Albert  Sanda,   Die  Aramäer. 
Leipzig,  J.  C.  Hinrichs,  1902.     31  u.  32  S.  8.         k  JK—.eo. 
Die  erste  dieser  beiden  neuen  „gemeinverständlichen  Darstellungen 
der  Vorderasiatischen  Gesellschaft''  will  mir  wenig  zusagen.    Eine  Dar- 
stellung dessen,   was  die  Keilschriften  an  Medizinischem  enthalten,  wäre 
eine  dankenswertere  Gabe  gewesen,  als  die  Sammlung  von  Aphorismen, 
wie  ich  sie  nennen  möchte,  in  die  alles  hineingezogen  wird,  was  entfernt 
dazu  gehört,  mit  Ausfällen  auf  die  formenzählenden  unpraktischen  Philo- 
logen u.  s.  w.    Gewifs  hat  die  Medizin  der  Babylonier  auf  andere  Völker, 
nach  Osten  wie  nach  Westen,  eingewirkt;   das  Sichere,  was  der  Verf.  an 
manchen  Stellen  bietet,  wird  aber  durch  das  blols  Vermutete,  wofür  die 
Beweise  fehlen,  stark  überwuchert. 

Die  Geschichte  der  Aramäer  von  den  ersten  Spuren  an,  wo  sie  als 
halbe  Nomaden  mit  den  Fürsten  von  Assur  in  Berührung  kommen  (etwa 
im  14.  Jahrb.),  gibt  Sanda  in  übersichtlicher  Darstellung.  Wenig  be- 
kannt sind  ihre  Kämpfe  mit  den  Hettitern,  am  besten  die  Geschichte  des 


12Ö  iNeae  t^ilologiMiie  ftnndschau  Kr.  6, 

Aramfterreiches  in  Damaskus.  Am  Schlafs  gibt  danda,  was  wir  Aber 

Kultur  und  QOtterlehre  wissen,  und  eine  Übersicht  der  alten  aramäischen 
Sprachdenkmäler. 

Oldesloe.  WL.  Hansen. 

Terlag  ron  Friedrich  Andreas  Perthes  In  Gotha. 

Soeben  erschien: 

Hilfsbüclilein  für  den  lateinisclien  UnterridiL 

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Professor  Dr.  R.  Schnee. 

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Oberlehrer  am  Herzogl.  Gymnaaliuu  zu  Helmstedt. 
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Lehrer  am  Gsannasiiuii  za  Winterthnr. 
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Für  den  Schulgebrauch  erklärt  von 
Gotü.  Stier, 

weiland  Direktor  des  Herzogl.  FranoiBcenmB  in  Zerbet. 

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Preis:  .il  1.20. 

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Zweite,  verbesserte  Auflage,  besorgt  von 

Dr.  Max  Seibel. 

Preis:  J$  1.20. 

Zu  beziehen  durcli  alle  BachhandlaDgen. 


Tlki  di«  B«daktlon  TenuttwortUeh  Dr.  E.  Latfwig  in  I 
Dnek  ud  YttlAg  Ton  Frltirlili  Aatfrtat  PertiMt  in  attha. 


'^ 


APfi   8   1903 
GothA,  dl.  Kan.  Kr.  6,  Jahrgang  1908. 

Neue 

PhilologischeRundschau 

HeraoBgegebeD  Ton 

Dr.  O.  Wagener  und  Dr.  E.  Ludwig 

I  in  Bremen. 

Snoheint  «llt  14  Tacre.  ^  Preis  fBr  den  Jahrgang  8  Mark. 

Beetellimgen  nehmen  alle  Bnchhandlnngen,  sowie  die  Postanstalten  des  In-  und  Auslandes  an 

Insertionsgebflhr  fSr  die  einmal  gespaltene  Petitseile  80  Pfg. 

Inhalt:  Bezensionen:  70)  H.  Erakert,  Herodas  in  mimiambis  qnatenus  coinoe- 
diam  Graecam  respezisse  videatar  (J.  Sitzler)  p.  121.  —  71)  A.  Polaschek, 
Studien  znr  grammatischen  Topik  im  Corpus  Caesariannm  (P.  Menge)  p.  122.  — 
72)  L.  Pread*homme,  Premiere  ötnde  snr  rhistoire  da  teite  de  Sa6tone:  De 
▼ita  Caesanim  (B.  Dfipow)  p.  128.  —  73)  G.  v.  d.  Gabelentz,  Die  Sprach- 
wissenschaft (F.  Pabst)  p.  125.  —  74)  Wolf g.  Passow,  Studien  zum  Par^ 
thenon  (L.  Koch)  p.  181.  —  75)  Mitteilnngen  der  AltertomdEommisnon  f&r  West- 
falen (0.  Wackermann)  p.  131.  —  76)  Eonrad  Meier,  Bacine  und  Saint- Cyr 
(I.  H.)  p.  137.  —  77)  Ph.  Plattner,  Formenbildang  nnd  Formenwechsel  des 
französischen  Yerbtims  (H.  Bihler)  p.  138.  —  78)  Gratien  Charton,  Die 
Schwierigkeiten  der  französischen  Spracne (E.  Holtermann)  p.  140.  —  79)  B.  B  e  t  h  ge, 
Ergebnisse  nnd  Fortschritte  der  germanistischen  Wissenschaft  im  letzten  Viertel- 
jahrhnndert  (H.  Spies)  p.  142.  —  80)  Sevin,  Elementarbach  der  englischen 
Sprache  (Fr.  Blame)  p.  143.  —  Anzeigen. 

70)  H.  Erakerti  Herodas  in  mimiambiB  qnatenoB  oomoediam 
Oraeoam  respezisse  videator.     Dissert.  inaiig.     Leipzig, 
B.  G.  Teobner,  1902.    48  S.  8. 
In  den  Mimiamben  des  Herodas  finden  sich  zahlreiche  Anklänge  an 
die  griechische  Komödie.  Dies  ist  bei  der  nahen  Verwandtschaft  zwischen 
den  Literatargattnngen  selbstverständlich  und  gewifs  auch  von  jedem  mit 
der  griechischen  Literatur  vertrauten  Leser  der  Mimiamben  bemerkt,  ja 
von  einigen  auch  schon  offen  ausgesprochen  worden;   aber  an  einer  um- 
fassenden Darlegung  des  Verhältnisses  zwischen  Mimiambos  und  Eomfidie 
fehlte  es  leider  noch. 

Dieser  dankbaren  Aufgabe  hat  sich  der  Verf.  der  vorliegenden  Frei- 
burger Doktordissertation,  die  grofsen  Fleifs  und  gesundes  Urteil  verrät, 
mit  Oeachick  imd  Erfolg  unterzogen.  Jeder  Mimiambos  wird  von  ihm 
zuerst  im  allgemeinen  und  dann  auch  im  einzelnen  auf  seine  Berührungs- 
punkte mit  der  EomOdie  soxgffiltig  untersucht;  ja,  es  wird  auch  nicht 


122  Neue  Philologische  BnndBohan  Nr.  6. 

versäumt,  wo  es  angeht,  Plautus  als  Ersatz  für  die  verlorenen  griechischen 
Komödien  beizuziehen.  Wir  sehen  jetzt,  wie  nicht  nur  im  allgemeinen 
die  von  Herodas  behandelten  Themen,  Situationen  und  Personen  mit  sol- 
chen der  Komödie  übereinstimmen,  sondern  dafs  sich  diese  Ähnlichkeit 
auch  auf  einzelne  Gedanken  und  Wörter  erstreckt.  Aber  diese  Überein- 
stimmung darf  man  nicht  so  auffassen,  als  ob  Herodas  bei  Abfassung  seiner 
Mimiamben  bis  ins  einzelne  Aniehen  bei  der  Komödie  gemacht  habe; 
dies  ist  auch  nicht  die  Meinung  des  Verf.,  obgleich  der  Titel  der  Disser- 
tation zu  diesem  Glauben  verleiten  könnte;  vielmehr  zeigt  sie  nur,  dafs 
zwischen  Mimiambos  und  Komödie  hinsichtlich  der  Wahl  der  Stoffe  und 
der  Art  ihrer  Behandlung  innige  Beziehungen  bestanden. 

In  der  Frage,  ob  die  Mimiamben  des  Herodas  öffentlich  von  Schau- 
spielern aufgeführt  wurden,  nimmt  der  Yerf.  eine  verneinende  Stellung 
ein.  Ich  glaube,  mit  unrecht;  denn  die  Annahme  der  Aufführung  ist 
von  vornherein  wahrscheinlich,  und  was  bis  jetzt  dagegen  vorgebracht 
wurde,  spricht  in  Wirklichkeit  nur  daför. 

Tanberbischofsheim.  J.  Sitzler. 

71)  A.  Polaschek,  Studien  zur  grammatischen  Topik  im 
Corpus  Caesarianum.  Pgr.  Floridsdorf,  1902.  23  S.  8. 
Dem  Zeitwort  esse  vor  allem  gilt  die  eingehende  und  mühsame  Arbeit 
des  Verf.  In  dem  allgemeinen  Teile  weist  er  nach,  dafs  G.  merklich 
gesucht  hat,  die  häufige  Wiederholung  von  esse  durch  variatio  zu  ver- 
meiden. Er  ersetzt  es  durch  vollere  Verben  oder  habere  oder  liefs  es 
überhaupt  aus.  üngefiLhr  dieser  Begel  scheint  er  hierbei  gefolgt  zu  sein: 
das  für  die  Darstellung  unentbehrliche  Verbum  sum  ist  auf  die  unum- 
gänglich notwendigen  Fälle  zu  beschränken,  sonst  läfst  man  es  aus,  wenn 
es  irgendwie  der  Text  zuläfst  (S.  6).  Wir  vermissen  dabei  einen  Hinweis 
auf  Dittenbergers  Arbeit  im  Hermes  UI,  sowie  auf  H.  Meusels  Beiträge 
zur  Kritik  von  Caesars  bellum  Gallicum  in  den  Jahresberichten  des 
philologischen  Vereins  1894.  Weiter  wird  das  Streben  Caesars 
nach  variatio  durch  die  verschiedene  Art  der  Stellung  von  esse  bewiesen. 
Genauer  handelt  hiervon  der  besondere  Teil.  Wir  erfahren,  dafs  G.  im 
Anfange  seiner  Kommentare  das  so  bequeme  Wörtchen  esse  am  häufigsten 
gebraucht.  (In  der  Behandlung  der  Relativsätze  findet  sich  ein  Irrtum; 
b.  c.  I,  42,  1  quod  longius  erat  agger  petendus  ist  quod  Konjunktion.) 
Weiter  behandelt  Verf.  verschiedene  feststehende  Verbindungen  wie  satis 


^ 


NeiM  Philologisohe  BnncUcliAa  Nr.  6.  138 

esse,  in  armis  esse,  parem  esse.  S.  21  heifst  es:  Nor  an  einer  schwer 
heilbaren  Stelle  5,  34,  2  liest  man  erani  et  virtute  et  nomero  pagnandi 
pares.  Hier  läfst  sich  doch  wohl  ein  Grund  fttr  diese  Wortstellung  nach- 
weisen. Die  drei  anderen  Beispiele  aus  G.  selbst  1,  40,  7;  4,  7,  5;  II, 
39,  3  finden  sich  in  verneinten  Belativsätzen  mit  posse,  in  denen  esse  rein 
enklitisch  ist.  5,  34,  2  aber  wird  erant  durch  seine  Stellung  an  der  Spitze 
des  Satzes  ganz  besonders  hervorgehoben,  wodurch,  wie  Verf.  selbst  S.  14 
aus  Schmalz  anfährt,  die  Wirklichkeit  versichert  wird.  In  Wirklichkeit 
waren  eben  die  Eburonen  an  Tapferkeit  und  Zahl  einem  Gefechte  Mann 
gegen  Mann  (pugnando  mit  Leidensis  I)  gewachsen.  Durch  seine  Unter- 
suchungen begründet  Verf.  den  sehr  wichtigen  Satz,  dafs  die  „traditio- 
nelle^' Stellung  (Subjekt,  Prädikatsnomen,  esse)  auch  nicht  häufiger  vor- 
kommt als  die  „occasionelle^'  (S.  e.  Pn.).  Die  letzten  Gründe  für  die  Wahl 
einer  bestimmten  Wortstellung  sind  eben  rein  psychischer  Natur.  S.  15 
Z.  4  ist  wohl  aus  Versehen  geschrieben:  auch  Zahlwörter  werden  gerne 
an  esse  angeschlossen,  statt:  auch  an  Zahlwörter  wird  gerne  esse  an- 
geschlossen.   Ähnliches  findet  sich  Z.  9. 

Erfart.  Pa«l  Mesgo. 

72)  L.  Preud'homme,  Premiere  ötude  sur  rhistoire  du  texte 
de  Suötone  ^^De  vita  Caesaxum^    Bruzelles,  Hayez,  1902. 
32  S.  8. 
—  Dexudöme  ttnde.    Ebenda.    10  S.  8.    (Extrait  des  Bull, 
de  TAcad.  roy.  de  Belgique,  classe  des  lettres  etc.,  no.  5,  mai  — 
no.  8.  aoflt  1902.) 
Verf.  hat  im  Dezember  1896  bei  der  kgl.  belg.  Akademie  eine  Denk- 
schrift eingereicht  über  die  Fitige  der  Vorbereitung  einer  kritischen  Aus- 
gabe von  Suetons  Vita  XII  Caesarum  und  beginnt  jetzt  diese  stückweise 
zu  veröffentlichen. 

Die  erste  der  beiden  vorliegenden  Studien  zerßlllt  in  zwei  Teile: 
1.  Les  manuscrits  de  Bentley.    2.  Les  manuscrits  du  XV*  si^le. 

Im  ersten  Teile  zeigt  P.,  dafs  die  von  Bentley  benutzten  Handschr. 
sämtlich  nachzuweisen  sind;  und  zwar  sind  B  und  B3  identisch  mit  den 
beiden  cod.  regius  15,  C.  III  und  16,  C.  IV  im  British  Museum  zu  Lon- 
don; Si  und  Sa  sind  cod.  ^^^^-9  und  ^i^^.j.  in  Sion  College  in 
London;  L  ist  in  Lincoln  College  Lat.  93  der  Biblioth.  Bodleiana  in  Oz- 


/ 


124  Nene  PhilologiBöhe  Bandsohaa  Nr.  €. 

ford;  M  und  M«  nnd  Dd.  10.  41  und  EE  6.  24  der  Universitätsbiblio- 
thek in  Oambridge.  Zugleich  weist  Pr.  nach,  dafs  die  von  Js.  Yossius 
handschriftlich  in  einer  in  der  Bibliothek  zu  Leyden  vorhandenen  Aus- 
gabe angefahrten  Lesarten,  wie  schon  Becker  vermutet  hatte,  dem  cod.  B 
Bentleys  entnommen  sind,  und  dafs  die  auf  Hendrik  C!opes  zurfickgehenden 
von  Qraevius  und  Burmann  angefahrten  Lesarten  vermutlich  aus  einem 
von  ihm  verglichenen  Gantabrigiensis  stammen. 

Dafs  alle  Handschr.  Bentleys  nicht,  wie  Ihm  (im  Sitzungsbericht  der 
kgl.  pr.  Ak.  d.  Wiss.  zu  Berlin,  1901,  XXYII)  behauptet,  mit  Ausnahme 
von  B  minderwertig  sind,  sondern  genauer  studiert  zu  werden  verdienen, 
will  Pr.  demnächst  nachweisen. 

Im  zweiten  Teile  zeigt  Pr.,  dafs  Smith  und  Howard,  die  im  XH.  Bande 
der  Harvard  Studies  in  classical  Philology,  1901,  Aber  einige  Sueton-Hand- 
Schriften  des  15.  und  14.  Jahrb.  geschrieben  haben,  im  Irrtum  sind,  wenn 
sie  behaupten,  dafs  diesen  ein  wenn  auch  nur  geringer  Wert  fQr  die  Eritik 
beizulegen  sei,  vielmehr  werde  die  von  ihm  bereits  fertiggestellte  und 
in  kurzem  zu  verfiffentlichende  Elassifikation  der  Sueton-Handschriften 
beweisen,  dafs  alle  diese  Handschr.  des  15.  Jahrb.,  wie  schon  Both  erkannt 
habe,  ohne  jede  Bedeutung  seien. 

In  der  zweiten  Studie  behandelt  Pr.  die  sogen.  Excerpta  Listaeana, 
Ouiadana,  Bongarsiana.  Bisher  nahm  man  an,  dafs  Bongars  eine  Eollation 
eines  sonst  unbekannten  cod.  Guiacianus  gemacht  und  dafs  Lislaeus  eine 
Abschrift  von  dieser  gehabt  habe,  von  der  er  Auszfige  an  Casaubonus  und 
an  Lipsius  geschickt  habe.  Pr.  weist  nun  nach,  dafs  die  von  Bongars 
benutzte  Handschr.  ein  von  ihm  im  Jahre  1895  verglichener  Eodex  der  Stadt- 
bibliothek in  Soissons  ist;  wenn  man  bisher  geglaubt  habe,  es  sei  ein 
Guiacianus,  so  sei  dies  eine  nicht  zu  beweisende  Annahme,  die  durch  einen 
Irrtum  Burmanns  entstanden  sei.  Auch  seien  die  beiden  CoUationes  des 
Lislaeus  und  Bongars  unmöglich  eine  von  der  anderen  abgeschrieben,  son- 
dern es  seien  das  vermutlich  zwei  voneinander  unabhängige  Eollationen  des 

codex  Suessionensis  gewesen  aus  dem  Ende  des  16.  Jahrh. 

Bergedorf.  R.  Düpow. 


^ 


Neme  FbilologiBobe  Bundflohan  Nr.  6.  IM 

73)  Gteorg    von   der   Oabelentz,    Die    Spraehwissensohafty 

ihre  Aufgaben,  Methoden  und  bisherigen  Ergebnisse.  Zweite, 
vermehrte  und  verbesserte  Auflage,  herausgegeben  von  Übreoht 
dtnt  Ton  der  Schulenbnrg.  Leipzig,  Chr.  H.  Tauchnitz, 
1901.     XXI  u.  520  S.  8.  geh.  Ji  15.—. 

Leider  ist  es  G.  von  der  Oabelentz  nicht  mehr  vergönnt  gewesen, 
die  zweite  Auflage  seines  Werkes  selbst  fertigzustellen«  Der  Herausg. 
derselben,  ein  Neffe  des  Verewigten,  hat  in  pietätvoller  Weise  „das  Oe- 
schaffene,  soweit  es  irgend  anging,  mit  schonender  Hand  erhalten  und 
nur  da,  wo  der  Fortschritt  der  Wissenschaft  es  dringend  verlangte,  Ände- 
rungen und  Erweiterungen  vorgenommen".  So  findet  man  mit  ganz  ge- 
ringfügigen Ausnahmen  (auf  S.  53,  173,  232/3,  263,  267/8,  387,  395/6) 
in  der  neuen  Auflage  wfirtlich  den  Text  der  alten  wieder  —  an  nicht 
wenigen  Stellen  aber  ist  dieser  Text  durch  Einschfibe  und  Zusätze  er- 
weitert worden.  Das  Ganze  ist  sehr  geschickt  redigiert,  sodals  man  nur 
hie  und  da  (z.  B.  auf  S.  190  und  390)  ohne  Vergleichung  mit  der  ersten 
Ausgabe  die  Einschaltungen  bemerkt.  Der  Mehrzahl  nach  bringen  die 
Zusätze  Verdeutlichungen  und  Ergänzungen:  an  vielen  Stellen  z.  B.  werden 
abstrakte  Auseinandersetzungen  in  dankenswerter  Weise  durch  konkrete 
Beispiele  verständlicher  gemacht;  gelegentlich  finden  wir  einen  hinzu- 
gefägten  Bfickblick  auf  ein  Kapitel  (S.  12  und  anderwärts)  oder  eine  AxAr 
wort  auf  Bezensionen  der  ersten  Ausgabe  (S.  53  u.  170);  auf  S.  15—17 
ist  die  Frage  Aber  die  Stellung  der  Linguistik  zu  den  Naturwissenschaften 
noch  näher  erOrtert;  S.  140  werden  die  Endziele  der  einzelsprachlichen 
Forschung  und  der  allgemeinen  Sprachgeschichte  in  ihrer  Verschiedenheit 
ausfährlicher  klargelegt;  S.  204—208  steht  ein  grfifserer  Nachtrag  Aber 
Sandhi-Erscheinungen  und  Bevorzugung  oder  Verwahrlosung  in  der  Arti- 
kulation, S.  250—252  ein  wichtiger  Zusatz  fiber  Nach-  und  Neuschaffung 
von  Wurzeln  und  Wortstämmen,  und  auf  S.  297—301  findet  sich  ein 
längerer  Paragraph  fiber  Laut-  und  Sachvorstellung  mit  höchst  inter- 
essanten Belegen  ffir  Unsicherheit  der  Lautbilder  bei  den  Eabylen  und 
Basken  (vgl.  S.  296).  Hie  und  da,  z.  B.  auf  S.  328—334  u.  338—343, 
werden  Zitate  aus  der  fechwissenschafUichen  Literatur  jetzt  in  gröfserer 
AusfQhrlichkeit  mitgeteilt;  S.  409—411  bemerkt  man  einen  längeren 
Einschub  fiber  den  Konsonantismus  der  semitischen  Stammbildnngen;  auf 
S.  475/6  ist  ein  neuer  Paragraph  „Der  Stil*^  hinzugekommen,  und  auf 
S.  481  ein  Absatz  fiber  sprachwissenschaftliche  „Typologie"'.    Von  be- 


126  Nene  Philologisobe  Rnndsohan  Nr.  6. 

sonderem  Interesse  ist  auch  eine  Einschaltang  anf  S.  39,  in  welcher  der 
Verf.  ein  sehr  ehrliches  Geständnis  fiber  sein  Verhältnis  zu  der  fach-« 
wissenschaftlichen  Psychologie  ablegt.  „Ich  weifs  nicht",  sagt  er,  „ob 
ich  es  den  angehenden  Sprachforschem  empfehlen  soll,  sich  lange  beim 
systematischen  Stadium  dieser  Wissenschaft  aufzuhalten.  Ich  fQr  meinen 
Teil  bedaure,  dafs  ich  für  diesen  Teil  der  Philosophie  nie  viel  Ausdauer 
gehabt  und  meinen  Bedarf  an  Seelenkunde  mehr  aus  der  Praxis  des  Le- 
bens und  aus  feinsinnigen  Charakterschilderungen  bezogen  habe,  als  aus 
den  Theorieen  fachgelehrter  Psychologen.  Doch  das  mag  individuell  sein; 
Andere  haben  meines  Wissens  solchen  Studien  mehr  Oenufs  und  Oewinn 
zu  verdanken  gehabt/^  Auf  S.  51  steht  ein  bemerkenswerter  Zusatz  fiber 
das  Neben-  und  Nacheinander  beim  Neuerlernen  von  Sprachen.  „Da 
mufs  ich  nun  ...  aus  eigener  Er&hrung  vor  einem  naheliegenden  Fehler 
gegen  die  geistige  Diät  warnen.  Man  möchte  am  liebsten  gleich  mehrere 
Sprachen  neben-  und  durcheinander  treiben.  Dadurch  erschwert  und  ver- 
zögert man  sich  die  Arbeit,  steckt  sich  beim  Fortschreiten  selber  den 
Stock  zwischen  die  Beine.  Denn  jede  dritte  Sprache,  mit  der  man  sich 
beschäftigt,  verlangsamt  die  Erlernung  der  anderen."  Der  Verf.  berührt 
sich  hier  wie  auch  in  den  sehr  treffenden  Bemerkungen  über  das  Über- 
setzen beim  methodischen  Sprachunterricht  (S.  71  f.),  welche  schon  in  der 
ersten  Auflage  stehen,  eng  mit  den  Bestrebungen  der  neuen  Schulpäda- 
gogik. —  Von  Interesse  ist  endlich  auch  auf  S.  239  ein  Zusatz  über 
Synonymkomposita,  mit  einem  Ausblick  auf  die  Wurzelbildung;  man  vgl. 
dazu  S.  242. 

Soviel  über  die  Nachträge  der  zweiten  Auflage.  Es  sei  uns  gestattet, 
noch  einige  zwanglose  Bemerkungen  anzuschliefsen.  Da  die  Neuausgabe 
keine  prinzipiellen  Änderungen  aufweist,  können  sich  unsere  Band- 
glossen natürlich  nur  auf  mehr  oder  weniger  nebensächliche  Dinge  be- 
ziehen. 

Auf  S.  190  hätte  die  lautgesetzliche  Erklärung  für  die  besondere 
Behandlung  des  {)  bei  den  demonstrativen  Pronominibus  und  Adverbien 
des  Englischen  etwas  deutlicher  angegeben  werden  müssen.  Vgl.  Sweet, 
New  Engl.  Grammar  I,  §  861.  Was  auf  S.  195  fiber  den  Wechsel  zwischen 
/  und  p  gesagt  ist,  bedarf  der  Erweiterung.  Der  gegenseitige  ümsprung 
von  fxmip  (an  dem  sich  auch  die  palatale  undTelare  Spirans ;(  beteiligt)  ist 
eine  in  den  verschiedensten  Sprachen  auftretende  Erscheinung.  Die  Bussen 
nennen  bekanntlich  das  0,  welches  sie  noch  in  griechischen  Lehnwörtern 


•^ 


Nene  FhOologisohe  Bondiehaa  Nr.  6.  197 

und  Eigennamen  schreiben,  fitd  und  sprechen  es  stets  wie  f  aas  (vgl. 
Feodor);  im  Schottischen  findet  man  Foarsday  fftr  Thursday,  und  im 
VnlgärengUscheu  nuftm  ffir  nothing.  Näheres  u.  a.  bei  Varnhagen  im 
Anz.  f.  d.  Altert.  IX,  179  (mit  ausführlichen  Literaturverweisen),  und 
mit  besonderer  Bezugnahme  auf  franz.  seif  in  der  Zs.  f.  roman.  Philol. 
X,  298  (weitere  Literatur  über  soif  bei  Körting,  Lat.-roman.  WOrterb.' 
Nr.  8754);  Storm,  Engl.  Philologie'  I,  2,  S.  826;  Kluge  in  Pauls 
Grundrifs'  I,  1008  und  im  Etymologischen  Wfirterbuch  unter  „finster**; 
Noreen,  Altisländ.  u.  altnorweg.  Gramm.*,  §  200;  Sommer,  Handbuch 
der  latein.  Laut- u.  Formenlehre,  S.  194  f.  Der  Wechsel  von  /  mit  % 
ist  namentlich  bekannt  aus  dem  Englischen  {laugh,  rough  u.  s.  w.),  aus 
dem  Niederdeutschen  und  Holländischen  {Schachi,  Schhickt,  sacht,  hoUd. 
hracM,  gracht  u.  s.  w.,  nach  Kluge,  Etymol.  Wörterb.^  auch  bei  Juchten 
för  hochdeutsches  Juflen  aus  russischem  jußt,  neben  dem  allerdings  jetzt 
auch  eine  [aus  dem  Niederdeutschen  zurfickentlehnte  ?]  Form  jucJUt  exi- 
stiert, und  in  weitem  umfange  findet  er  sich  bei  deu  arabischen  Lehn- 
wfirtem  des  Spanischen  und  des  Portugiesischen,  bei  welchen  letzteren 
aufser  dem  Hinterweichgaumenreibelaute  ^  auch  der  ähnlich  klingende 
Stimmritzenreibelaut  h  und  das  einfache  h  in  Betracht  kommen  (Seyboldin 
Gröbers  Grundrifs  I,  402;  Baist,  Die  arab.  Hauchlaute  u.  Gutturalen 
im  Spanischen,  S.  5flf.;^Zimmern  Vergleichende  Grammatik  der  se- 
mitischen Sprachen  S.  8).  Als  ein  frappantes  Beispiel  für  den  Wechsel 
zwischen  palatalem  x  ^^^  P  ^^^Q  ^^^  Ortsname  KeigUey  (Torkshire, 
West  Biding)  angefahrt  werden,  der  am  richtigsten  k^*  ausge- 
sprochen wird.  Jedenfalls  ist  der  ümsprung  bei  den  drei  Spiranten 
schon  aus  akustischen  Gründen  nicht  sehr  aufßLllig,  mag  es  sich  da- 
bei um  Lautsubstitution  bei  Lehnwfirtern  oder  um  wirklich  organischen 
Lautwechsel  innerhalb  der  Sprache  selbst  handeln.  —  Der  auf  S.  195 
erwähnte  Übergang  von  m-  zu  n-  in  nespola  ist  nicht  so  vereinzelt  wie 
es  nach  dem  Gesagten  scheinen  könnte,  vgl.  Diez,  Gramm,  der  Boman. 
Spr.  ^  S.  176.  —  Das  h  in  huit  (S.  196)  ist  doch  wohl  rein  graphisch, 
wie  in  allen  Wörtern,  die  sonst  mit  Wr  an&ngen  würden  {Huidne:  Ido- 
nia,  huile:  oleum,  huis:  ostium,  huissier:  ostiarius,  huUre:  ostrea);  viel- 
leicht wollte  man  durch  das  h  verhüten,  dafs  vi-  gelesen  wurde  (siehe 
Diez  a.  a.  0.,  S.  366  u.  367);  der  Anlaut  ui  ohne  h  findet  sich  jetzt 
nur  in  dem  populären  uist! , futsch!^  Dafs  man  vor  huit  nicht  bindet  oder 
elidiert,  erklärt  sich  hinreichend  aus  dem  Charakter  des  Wortes  als  Nu- 


198  NenA  Fhilologitehe  Rnndiohan  Nr.  6. 

merale;   ist  es  doch  ebenso  bei  onee  und  TielfiEich  bei  un,  wenn  dieses 
nicht  unbestimmter  Artikel,  sondern  wirkliches  Zahlwort  ist,  vgl.  z.  B. 
Plattner,  Aosffihrl.  Gramm,  der  fianz.  Spr.  I,  §  39  Anm.  nnd  §  167.  — 
Neben   dem   anorganischen  v  iq>BhivaTiyt6v  und  den   firanzGs.  Pataqute- 
Erscheinungen  hätte   auf  S.  198  auch  das  h&TsIiche  r  erwfthnt   werden 
können,  welches  gewisse  Amerikaner  zur  Tilgung  des  Hiatus  einschieben, 
weil  das  auslautende  r  in  den  Wfirtem,  wo  es  wirklich  historische  Be- 
rechtigung hat,  jetzt  soweit  verschliffen  ist,  dals  es  nur  noch  in   der 
Bindung  deutlich  zum  Ausdruck  kommt  —  Auf  grammatische  Anbildung 
an  Formen  wie  finiM,  dart^,  rompt-ü  und  aimait-ü,  nicht  aber,  wie 
Verf.  S.  202  sagt,  auf  das  lat.  t  in  amai  ist  das  Hiatus4  in  aime-Uü 
zurflckzofahren.    Vgl.    Körting,   Formenlehre   der  franz.  Sprache  I,  100 
und  0.  Paris,  Bomania  6,  438.  —  Zu  der  mitteldeutschen  Assimilations- 
und Eompronufsform  mvr  statt  mr  (S.  203)  finden  sich  bemerkenswerte 
Parallelen  im  Altnorwegischen,  wo  durch  den  Einflufs  des  Auslauts  der 
häufig  vorausgehenden  dazugehörigen  Verbalform  aus  vit  (veQ  ,wir  zweiS 
vir  ,wir*:  mitimef)  und  mer,  und  aus  ü  ,ihr  zwei*,  4r  ,ihr^:  pit  und 
ßir  entstanden  sind  (Noreen  a.  a.  0.,  §  218,  §  393  Anm.  5  und  §  394 
Anm.  5).    Das  in  Mitteldeutschland  fibliche  Herüberziehen  des  r  in  Er- 
eignis erklärt  sich  jedenfalls  rein  mechanisch  wie  in  eritmem,  erobern, 
hercm,  herein,  darin,  iwraus,  und  nicht,  wie  Verf.  meint,  durch  den 
Einflufs  von  erreichen.    Vgl.  G.  Hempl,  Oerman  Orthography  &  Phono- 
logy  I,  S.  69,  §  89.  —  Im  Anschlufs  an  das  auf  S.  215  Gesagte  kann 
auf  einen  interessanten  Fall  der  Bedeatungsent Wickelung  bei  einem  Suffixe 
im  Englischen  hingewiesen  werden.    Das  Lateinische  besafs  die  beiden 
Wörter  hracchiäle  „Spange  am  Oberarm"  und  frontale  „Stirnschmuck" 
(der  Pferde  u.  s.  w.).    Im  Altfranzösischen  wurde  daraus  hracel  „Arm- 
spange", frontal,  frontet  „Stimschmuck  (-band,  -reif)",  und  mit  einem 
Verkleinerungssuffixe,  dabei  aber  im  wesentlichen  mit  unveränderter  Be- 
deutung, bracdet  und  fronidet.    Die  beiden  letzteren  Formen,   die  uns 
hier  besonders  interessieren,    wanderten   (mit    bracel,    frontal,  frontet) 
fiber  den  Kanal  und  begegnen  in  dem  alten  Sinne  (andere  Bedeutungen, 
die  im  Laufe  der  Zeit  hinzugekommen  waren,  können  hier  unberflcksich- 
tigt  bleiben)  in  englischen  Schriftstflcken  des  15.  Jahrb.  {bracdet,  wie  das 
Oxforder  Wörterbuch  nachweist,  zuerst  1438,  fronflet  seit  1478).    Seit 
1535  findet  sich  dann  im  Englischen   als  Synonym   von   bracelet  auch 
noch  armlet,  in  dem  lieüeichi  armil[l]ä  „kleines  Armband"  (belegt  erst 


-^ 


Nene  Philologische  Bondsohan  Nr.  6.  129 

1658;  vom  altfraDzös.  armiUet,  Diminutiv  von  armille  =  lat.  armiJla 
„Armband,  Armspange**)  und  engl,  arm  „der  Arm**  so  verschränkt  sind, 
dars  man  sich  das  an  und  fQr  sich  etymologisch  unverständliche  armüia 
nach  dem  Master  des  gleichbedeutenden  hracelet  und  des  sinnverwandten 
fronüet,  bei  welchem  letzteren  der  erste  Bestandteil  als  Bezeichnung  des 
den  betreffenden  Schmuck  tragenden  Körperteils  im  Englischen  selbständig 
vorkam  (s.  d.  Oxf.  Wtb.  unter  front  I,  1),  als  eine  Ableitung  von  aarm 
„der  Arm**  deutete.  (Übrigens  existierte  auch  sporadisch  hrckce  mit  der 
Bedeutung  „der  Arm*-  selbständig,  vgl.  das  Oxf.  Wtb.  unter  hrace  sb,*). 
Damit  war  der  Stein  ins  Rollen  gekommen:  das  den  drei  Wörtern  fronÜet, 
hracelet  und  amdet  gemeinsame  Element  4et  wurde  zum  Elassensuffix 
für  ringf(5rmige  Schmuckgegenstände  (bzw.  für  Bänder  und  Binden)  überhaupt, 
und  man  bildete  nun  flottweg  von  ear:  earlet  (1609  belegt),  von  ankle:  anUet 
(1832),  von  legi  legtet  (1836),  von  wristi  wrisOet  und  von  necTci  necktet, 
welches  seinerseits  wieder  halb  und  halb  durch  das  synonyme  necMaee 
suggeriert  worden  sein  kann.  Bradley  (Oxf.  Wtb.  VI,  Spalte  216*)  meint 
(allerdings  nicht  ohne  auf  armülef)  hinzuweisen),  schon  armlet  könne 
wie  die  zuletzt  genannten  Wörter  nach  dem  Muster  von  frontlet  direkt 
von  arm  „der  Arm**  abgeleitet  worden  sein.  Man  vergleiche  auch 
Wundt,  Völkerpsychologie  I,  2,  S.  15ff.  Das  Suffix  -Id  blieb  nebenher 
auch  reines  Verkleinerungssufßx  (vgl.  Diez  a.  a.  0.,  S.  675;  die  altfranz. 
Orundform  -elet  geht  in  diesem  Falle  zumeist  auf  -eUu-  +  -ettu-,  nicht 
auf  -ofo-  +  -ettu-  zurück),  und  so  haben  wir  neben  earUt  „Ohrring" 
auch  ein  ganz  anders  entstandenes  6arZe^  =  „anything  resembling  a  small 
ear'*  (Oxf.  Wtb.),  neben  Uglet  „an  Ornament  for  the  leg**  noch  legtet 
„a  little  leg**  (ebenda,  belegt  seit  1821)  und  neben  amüet  „Armspange** 
armlet  „  kleiner  Meeres-  oder  Flufsarm  **  (nach  Murray  sub  verbo  soll  schon  ein 
altfranz.,  aber  nicht  ins  Englische  übergegangenes  hracelet  [=  bras  -|-  elet,  bzw. 
*bracchiellettum?]  mit  dieser  Bedeutung  existiert  h2Lheii);fingerlä  ist  nur  ein- 
mal von  W.  Johnson  1854  als  Oelegenheitswort  gebildet  worden  und  be- 
deutet bei  ihm  „a  small  or  delicate  finger**. Doch  kehren  wir  von 

dieser  Abschweifung  zu  Oabelentz'  Buche  zurück.  Nach  dem  auf  S.  217 
Gesagten  soll  bei  rossignol,  rouxindl  u.  s.  w.  aus  ^lusciniolus  der  Mäuse- 
dorn rtiscum  von  Einflufs  gewesen  sein.  Das  ist  wohl  ziemlich  gesucht.  Es 
handelt  sich  jedenfalls  um  eine  einfache  Dissimilation,  wie  sie  gerade 
bei  mehrfachem  l  im  Lateinischen  gang  und  gäbe  ist  (Sommer  a.  a.  0., 
S.  299).  —  Dafs  die  Afformative  des  semitischen  Perfekts  ursprünglich 


130  Nene  Philologische  Bnndschan  Nr.  6. 

possessiven  Charakter  gehabt  hätten  (S.  391),  wird  jetzt  nicht  mehr 
angenommen;  vielmehr  fafst  man  dieselben  als  verkürzte  Nominative 
des  Personalpronomens  auf  (Zimmern,  Vergleichende  Gramm,  der  Semi- 
tischen Sprachen ,  S.  98  ff.).  Auch  die  Pronominalsuf&xe  mit  Akknsativ- 
bedentung,  wie  sie  an  das  Verbum  antreten,  kann  man  kanm  mit  Gabe- 
lentz  (S.  413)  als  possessiv  bezeichnen;  allerdings  sind  Genitiv  und 
Akkusativ  bei  dem  suffigierten  Pronomen  im  allgemeinen  nicht  verschie- 
den, und  die  bei  der  1.  Pers.  Sing,  (sowie  im  Assyrischen  auch  noch  sonst) 
auftretenden  Abweichungen  zwischen  den  Nominal-  und  Verbalsuffixen 
verdanken  wohl  erst  einer  sekundären  Differenzierung  ihren  Ursprung 
(Zimmern  a.  a.  0.,  S.  64),  aber  die  logische  Auffassung  ist  doch,  wie 
Gabelentz  S.  413  Z.  20  ff.  selbst  zugibt,  beim  Nomen  und  Verbum  für 
den  Semiten  zu  verschieden,  da  er  sonst  den  Besitzer  einer  Sache  und 
das  Objekt  einer  Handlung  scharf  auseinanderhält.  —  Auf  S.  393  ist  zu 
modifizieren,  was  über  franz.  nous,  span.  nos  mit  oder  ohne  atäres,  ctros 
gesagt  ist,  da  es  jetzt  nur  noch  für  das  Französische  (und  Italienische) 
pafst.  Im  Spanischen  kommt  die  Form  nos  nur  noch  als  Pluralis  maie- 
staticus  in  Erlassen  hochgestellter  Personen  oder  Kollegien  vor,  während 
sonst  durchweg  nosotros,  -os  (wie  auch  vosotros,  -o«)  gesagt  werden  mufs 
(Wiggers,  Gramm,  der  span.  Spr.  §  25,  2).  —  Die  auf  S.  433  an- 
geführte HerleituDg  des  englischen  good-bye  von  good  be  ye  ist  jetzt 
ebensowenig  mehr  aufrecht  zu  erhalten,  wie  die  sonst  gewöhnlich  ge- 
gebene von  Gad  he  with  yau,  seitdem  W.  Franz  in  den  Engl.  Studien 
24,  344  ff.  nachgewiesen  hat,  dafs  dem  Ausdruck  die  Formel  God  huy  you! 
„Christus  erlöse  dich!'^  zu  Grunde  liegt. 

Zum  Schlufs  seien  noch  einige  zum  Teil  sinnstörende  Druckfehler 
berichtigt:  S.  171,  Anm.  1  lies:  Vemer'scken,  S.  207,  Z.  14:  Römt>r 
(st.  Männer)^  S.  213  Mitte:  querer  (st.  guerir)^  S.  217,  Z.  6:  notion 
(st.  ncUion,  welches  hier  ganz  verwirrend  wirkt),  S.  244  Mitte:  die  es 
thaen  (st.  dies  thuen),  S.  298  Z.  11  lies:  sein  =  stnus,  seing  =  signmn, 
S.  313,  Z.  5:  L'expressian  (st.  cFexpression\  S.  327,  Z.  6  lies  d  st.  t 

Die  äufsere  Ausstattung  ist  musterhaft,  doch  hätte  das  umfangreiche  Werk, 
das  doch  nicht  nur  zum  Nachschlagen,  soDdem  vor  allem  auch  zum  zusammen- 
hängenden Lesen  da  sein  soll,  lieber  in  zwei  handliche  Bände  von  wesentlich 
kleinerem  Format  zerlegt  werden  sollen.  Wie  in  anderer  Beziehung,  so  gilt 
auch  vom  Formate  das  Wort  des  Kallimachos  Miya  ßißklov  fiiya  -myubv. 

Bremen.  F.  Pabst. 


■^ 


Neae  Philologische  BnndBchaa  Nr.  6.  1dl 

74)  Wol^ang  FaBSOWy  Stadien  zum  FarthenoiL    Philologische 

üntersuchangen  herausgegeben  von  A.  EiefsUng  und  ü.  t.  Wl- 
lamowitz-Hoellendorff.  17.  Heft.  Berlin,  Weidmannsche  Buch- 
handlung, 1902.  65  S.  8.  Ji  3.  -. 
An  diesen  Studien,  zu  denen  den  Verf.  die  Teilnahme  an  dem  archäol. 
Osterferienkursus  in  Berlin  anregte,  scharfe  Kritik  fiben  zu  wollen,  ver- 
bietet sich  von  selbst.  Wurde  er  doch  durch  den  Tod  verhindert,  an 
jene  Stellen  selbst  bessernde  Hand  anzulegen,  die  die  Herausg.  als  der 
Revision  und  Vervollständigung  bedürftig  ihm  bezeichnet  hatten.  Mit 
anerkennenswerter  Pietät  gegen  den  Verstorbenen  haben  sie  diese  seine 
letzte  Arbeit,  freilich  nicht  ohne  erhebliche  Abänderungen  in  ihre 
Sammlung  aufgenommen,  und  jedenfalls  damit  zu  einer  weiteren  Nach- 
prüfung der  in  ihr  niedergelegten  immerhin  beachtenswerten  Ergebnisse 
angeregt.  Behandelt  sind  im  ersten  Abschnitt  der  Tänienschmuck,  im 
zweiten  die  Eentaurenmetopen  des  Parthenon  und  zwar  sowohl  die  der 
Südseite  als  die  der  Nordseite  und  schliefslich  das  Farthenonpferd ,  über 
dessen  GrOfsenverhältnis,  Haltung,  Gangart  und  Basse  sehr  zutreffende 
Bemerkungen  gemacht  werden.  So  ist  es,  um  nur  eines  hervorzuheben, 
durchaus  überzeugend,  wenn  P.  die  von  ihm  als  einem  guten  Pferdekenner 
gerügten  ünnatürlichkeiten  in  der  Gangart  auf  künstlerische  Willkür  zu- 
rückfahrt. Hingegen  wird  der  Verf.,  wenn  er  meint,  auch  das  GrOfsen- 
verhältnis des  Parthenonpferdes  zu  seinem  natürlichen  Vorbild  sei  absicht- 
lich entstellt,  gerechtem  Zweifel  bei  denen  begegnen,  die  das  kleine  attische 
Pferd  gesehen  haben.  Jedenfalls  merkt  man  es  besonders  der  letzteren 
Untersuchung  an,  dafs  bei  ihr  das  Interesse  des  Verf.,  der  schon  als  Stu- 
dent für  das  Studium  der  Bildung  der  Pferde  in  der  antiken  Plastik  sich 
sehr  erwärmt  hatte,  stark  erregt  war.  Die  Lektüre  dieses  Kapitels  sei 
allen  Freunden  der  Parthenonskulpturen  angelegentlich  empfohlen. 

Bremen.  L  Kooh. 

75)  Mitteilungen  der  Altertumskommission  fOr  Westfalen. 

Heft  I.     Mit   4  Abbildungen   und  9  Tafeln.    Mün8t.er  i.  W., 
Aschendorffsche  Buchhandlung,  1899.   VUI  u.  124  S.  8.  Ji  8.—. 
Heft  IL    Mit  zahlreichen  Abbildungen  im  Texte  und  39  Tafeln. 
Ebenda  1901.     IX  u.  228  S.  8.  J6  10.—. 

Gleichzeitig  mit  der  Untersuchung  des  germanisch  -  rätischen  Grenz- 
walles hat  sich  die  geschichtlich -philologische,  archäologische  und  mili- 


132  Neue  Philologische  Bnndfichau  Nr.  6. 

tärische  Forschung  auch  anderen  Stellen  unseres  Vaterlandes  mit  erneutem 
Interesse  zugewandt,  wo  immer  der  Überlieferung  nach  die  Bömer  längere 
Zeit  sich  festgesetzt  und  durch  Anlage  von  Befestigungen  wie  bürgerlichen 
Niederlassungen  Spuren  ihrer  Anwesenheit  hinterlassen  haben.  Seit  langer 
Zeit  sucht  man  mit  Eifer  nach  der  Stelle  des  alten  Ali  so,  in  wichtiger 
Epoche  einst  der  bedeutendsten  Position  der  römischen  Eroberung  im 
nördlichen  Germanien,  die  nach  verhältnismäfsig  kurzem  Bestehen  dem 
Anstürme  der  Germanen  erlag;  und  eine  stattliche  Literatur  hat  sich 
über  die  Aliso- Frage  schon  angesammelt.  Eine  Beihe  berufener  Forscher, 
die  sich  zu  gemeinsamer  Arbeit  vereinigten,  hat  nun  in  den  beiden  vor- 
liegenden Heften  die  Ergebnisse  ebenso  sorgfältiger  wie  umsichtiger  For- 
schung niedergelegt  und,  wie  wir  gleich  hier  vorausschicken,  dadurch 
ein  wesentliches  zur  Förderung,  ja  Lösung  dieser  Frage  beigetragen. 
Vielleicht  haben  schon  im  Augenblicke,  wo  wir  diese  Zeilen  schreiben, 
neue  Grabungen  vollkommene  Sicherheit  und  Entscheidung  gebracht. 

Die  am  30.  Dezember  1897  eingeseti^^e  westfälische  Altertums- 
kommission stellte  sich  zunächst  die  Aufgabe,  alle  in  ihrem  Forschungs- 
gebiet aus  dem  Altertume  und  dem  Mittelalter  erhaltenen  Reste  von 
Erdbefestigungen  einer  zusammenhängenden,  systematischen  Untersuchung 
zu  unterziehen  unter  Anlehnung  an  die  bisher  betriebenen  wissenschaft- 
lichen Arbeiten.  Naturgemäfs  richtete  sich  diese  Aufgabe  in  erster  Linie 
auf  diejenigen  alten  Befestigungswerke,  welche  bis  jetzt  mit  mehr  oder 
weniger  Bestimmtheit  als  von  den  Bömern  herrührend  angesehen  worden 
waren;  und  so  beschäftigen  sich  denn  die  hier  vorliegenden  „Mitteilungen^^ 
zum  gröfsten  Teile  mit  Überresten  von  Anlagen  aus  der  Bömerzeit. 
Ergeben  auch  einzelne  der  für  die  N.  Pb.  Bdsch.  in  Betracht  kommenden 
Untersuchungen  ein  negatives  Resultat  und  liefern  sie  zunächst  den  Nach- 
weis, dafs  man  an  manchen  Stellen  bisher  mit  Unrecht  römische  An- 
lagen angenommen  hat,  so  ist  doch  auch  damit  der  Wissenschaft  gedient. 

Von  den  fünf  Abteilungen  des  ersten  Heftes  fallen  die  beiden  ersten 
ganz  oder  teilweise  in  das  Gebiet  der  römischen  Altertumsforschung.  S.l — 3Q 
bringt  A.  Worm stall  eine  statistische  Übersicht  über  „die  vor-  und 
frühgeschichtlichen  Wallburgen,  Lager  und  Schanzen  in 
Westfalen,  Lippe-Detmold  und  Waldeck  (Pyrmont)"  mit  voll- 
ständigem literarischem  Nachweis.  Die  zweite  Abteilung  beschäftigt  sich 
mit  der  Untersuchung  römischer  oder  für  römisch  gehaltener  Befestigungen 
in  Westfalen.     Mit  Interesse  lesen  wir  zunächst  einen   „offetfen  Brief 


^ 


Neue  Philologische  Bandschau  Nr.  6. .  133 

über  das  Varuslager  im  Habicbtswalde'S  in  dem  sich  Fr. 
Jos t es  gegen  Enokes  Annahme  eines  Varnslagers  bei  Stift  Leeden  (Kreis 
Teeklenbarg)  wendet  und  dies  „ärmliche  Wallgebilde''  der  Zeit  der  ersten 
Markenteilung  (1668)  zuweist,  woraus  sich  auch  die  „porta  principalis 
sinistra''  und  „deitra''  und  das  „praetorium''  ungezwungen  erklären 
läfst.  Wenn  man  unbefangenen  Auges  den  Darlegungen  Jostes'  folgt,  der 
nicht  blofs  den  klassischen  Philologen  und  Altertumsforschern,  sondern 
auch  erfahrenen  und  mit  den  Verhältnissen  der  Gegend  und  der  Geschichte 
der  Marken  vertrauten  Forstleuten  und  Landwirten  das  Wort  einräumen 
möchte,  so  kann  man  nicht  umhin,  dem  Urteil  Schuchhardts,  des  Verfassers 
der  demnächst  folgenden  Abhandlungen,  beizupflichten,  dafs  Enokes  „Varus- 
lager im  Habichtswalde"  erst  mit  diesem  Aufsatze  aus  der  Welt  geschafft 
sei;  denn  „dafs  eine  Sache  nicht  römisch  sein  könne,  beweist  man  erst 
vollkommen,  wenn  man  dartut,  was  sie  denn  wirklich  ist". 

Die  sich  anschlieliseuden  Abhandlungen  C.  Schuchhardts  über 
Ausgrabungen  und  Aufnahmen  an  der  Lippe  sind  insofern 
grundlegend  fQr  die  weiteren  Untersuchungen,  als  in  ihnen  dargelegt  wird, 
dafs  eine  Reihe  von  zum  Teil  recht  ansehnlichen  Lippebefestigungen  in 
der  römischen  Liste  nicht  weiter  gefQhrt  werden  dürfen,  dafs  man  über- 
haupt von  einer  fortlaufenden  befestigten  Linie  der  Lippe  fortan  nicht 
mehr  sprechen  kann.  Manche  der  irrig  für  römisch  gehaltenen  Beste 
sind  durch  Anlage  und  Fundstücke  der  merovingischen  oder  karolingi- 
schen  Zeit  zuzuweisen,  für  einen  derselben  wird  es  in  einem  Aufsatze 
des  zweiten  Heftes  von  E.  Bitterling  bestätigt  und  ergänzt;  manche  Be- 
festigung kann  der  Anlage  nach  römisch  gewesen  sein,  läfst  sich  aber 
als  solche  nicht  beweisen,  sofern  kein  einziges  römisches  Stück  unter 
den  Funden  sich  zeigt.  Allein  auf  dem  St.  Annenberge  bei  dem  Städt- 
chen Haltern  (Ereis  Coesfeld,  in  der  Mitte  der  Bahnlinie  Münster— Wesel), 
an  dem  nördlichsten  Punkte  des  Lippelaufes  gelegen,  wo  die  Einmündung 
des  Stever  (von  rechts)  die  Wassermasse  des  Flusses  fast  verdoppelt,  ist 
durch  zahlreiche  Fundstücke  und  erkennbare  Überreste  der  Befestigungsanlage 
ein  römisches  Lager  mit  Bestimmtheit  festzustellen.  Auch  die  von  hier  aus 
in  der  Bichtung  nach  Gastra  vetera  führende  Heerstrafse  läfst  sich  an  vielen 
Stellen  und  auf  lange  Strecken  erkennen.  Die  gro&e  Anzahl  der  hier  ge- 
fundenen Waffen  u.  s.  w.  läfst  mit  Grund  vermuten,  dafs  das  Eastell  nicht 
freiwillig  von  den  Bömern  verlassen,  sondern  durch  Sturm  erobert  und  die 
Besatzung   niedergemacht   ist.     Die  aufgefundenen  Münzen  (deren  keine 


184  Neue  Philologische  Rundschau  Nr.  6. 

einzige  mehr  von  Tiberius)  setzen  die  Eroberung  gegen  das  Ende  der 
Begierung^  des  Angnstns.  Liegt  es  nicht  nahe,  an  die  Katastrophe  der 
Varusschlacht  und  was  mit  ihr  zusammenhängt  zu  denken?  Jedenfalls 
hat  auf  dem  St.  Annenberge  bei  Haltern  ein  römisches  Kastell  gestanden; 
eine  stattliche  römische  Niederlassung,  von  hier  gegen  die  Stadt  Hal- 
tern sich  hinziehend,  ist  schon  gleichzeitig  mit  dem  Kastell  vorhanden 
gewesen  und  ist  noch  lange  nach  dessen  Untergange  in  reger  Beziehung 
zu  den  römischen  Kolonieen  am  Bheine  geblieben.  Ffir  alle  diese  Schlufs- 
folgerungen  war  die  Grundlage  gegeben. 

Nachdem  man  von  der  Lippelinie  als  der  bis  zum  Quellgebiet  hinauf 
mit  Kastellen  besetzten  Einfiallstrafse  der  Bömer  hatte  absehen  mfissen, 
nachdem  das  erste  Bömerkastell  an  der  unteren  Lippe,  40  km  vom  Bheine, 
mit  einem  weiten  Anhange  römischer  Besiedelung  sich  ergeben  hatte,  war 
die  Aufgabe  gestellt,  an  diesem  Punkte  die  Untersuchungen  wieder  auf- 
zunehmen. Das  Besultat,  das  diese  ergeben  haben,  ist  in  dem  reicheren 
zweiten  Hefte  der  „ Mitteilungen *'  niedergelegt,  das  sich  fast  ausschliefs- 
lich  mit  Haltern  beschäftigt.  Zuerst  wird  (von  P.  Philip pi)  Lippe-  und 
Steverlauf  in  früheren  Jahrhunderten  festgestellt,  wobei  sich  ergibt,  dafs 
der  Lauf  der  ersteren  weiter  nördlich  ging  und  die  Bömeranlagen  un- 
mittelbar berührte ;  Th.  Ilgen  untersucht  dann  die  LippeschifiTahrt  in 
früheren  Zeiten  und  kommt  zu  dem  Ergebnis,  dafs  die  Lippe  für  die 
Schiffahrt  (im  Mittelalter  wenigstens)  nicht  oder  höchstens  von  der  Stever- 
mündung  an  in  Betracht  kommt. 

Die  wichtigsten  Aufsätze  sind  die  in  der  dritten  Abteilung  dieses 
Heftes  stehenden  Arbeiten:  „Die  römische  Niederlassung  bei 
Haltern."  Zuerst  werden  hier  (S.  55—106)  die  Anlagen  am  Ufer 
der  Lippe  von  F.  Koepp  (in  freilich  etwas  breiter  Weise)  besprochen. 
Wir  lernen  das  alte  Bette  des  Flusses,  üferbauten  und  Hafenanlagen 
kennen  und  auf  einem  von  Gräben  eingeschlossenen  grofsen  dreieckigen 
Platze  ein  Kornmagazin  (das  indessen  G.  Loeschcke  in  einem  späteren 
Aufsatze  „Vermutungen  über  dieBestimmung  und  Geschichte 
der  röm.  Anlagen  am  Lippe-Ufer"  an  etwas  andere  Stelle  ver- 
legt), zu  dessen  Entdeckung  zunächst  das  Vorhandensein  einer  aufser- 
ordentlich  grofsen  Menge  verkohlter  Weizenkörner  führte.  Hier  am  Ufer 
wie  an  anderen  Stellen  läfst  sich  eine  zweimalige  Zerstörung  durch  Brand 
erkennen.  Als  bestimmt  römisch  die  Anlagen  bei  Haltern  zu  bezeichnen 
und  zugleich  einer  bestimmten  Periode,  nämlich  der  Zeit  um  den  Beginn 


-^ 


Nene  PhilologiBche  Bandschau  Nr.  6.  135 

unserer  Zeitrechnung,  sie  zuzuweisen,  ermöglicht  «nd  nötigt  die  überaas 
grofse  Zahl  von  Fundstucken,  die  f&r  jene  Periode  charakteristisch  sind: 
Münzen,  Wa£Een,  Werkzeuge,  Geräte  und  vor  allem  Töpfergeschirr,  grofse 
und  kleine  Töpfe,  Yorratsgefäfse,  Lampen  u.  s.  w.,  auf  S.  107—174  be- 
sprochen und  bestimmt  von  E.  Bitterling.  Wir  erhalten  hier,  weil 
die  Zeit  sich  so  genau  bestimmen  läfst,  ein  durch  spätere  Bestandteile 
ungetrübtes  und  verhältnismäfsig  vollständiges  Bild  von  dem  Inventar  des 
römischen  Bheinheeres,  namentlich  auf  keramischem  Gebiete  (etwa  die  Hälfte 
der  Sigillata-Stempel  zeigt  den  Namen  des  Ateius,  dessen  Fabrikate  in  Pompeji 
so  häufig  sind),  zu  den  Zeiten  des  Drusus,  Tiberius,  Varus  und  Germa- 
nicus,  und  damit  einen  bestimmten  Mafsstab  far  andere  Funde;  darin 
beruht  die  hohe  allgemeine  Bedeutung  der  bei  Haltern  gemachten  Einzel- 
entdeckungen. 

Das  schon  vorher  bekannte,  aber  noch  keinesw^  allseitig  bestimmte 
Kastell  auf  dem  St.  Annenberge  hat  G.  Schuchhardt  nochmals 
vollständig  durchforscht  (S.  175 — 198),  nachdem  eine  Kommission  des 
archäologischen  Instituts  von  dem  Stande  der  Untersuchung  Kenntnis  ge- 
nommen und  das  Beich  Mittel  zur  Weitergrabung  verwilligt  hatte.  Die 
Gestalt  des  Kastelles  stellte  sich  als  ein  greises,  nahezu  gleichseitiges 
Dreieck  mit  abgestumpften  Ecken  dar.  Die  aufserordentlich  feste  Anlage, 
auf  der  Höhe  an  sich  schon  dominierend,  umschliefst  ein  Kastell  fast 
dreimal  so  grofs  als  die  Saalburg.  Unterhalb  der  Höhe,  unmittelbar  bei 
dem  Orte  Haltern  und  dicht  an  dem  alten  Lippebette,  liegt  ein  —  der 
eingehenden  Durchforschung  noch  wartendes  —  viel  gröfseres  Lager, 
dicht  mit  römischen  und  zwar  einheitlich  augusteischen  Besten  besetzt 
Schon  jetzt  darf  Schuchhardt  die  Vermutung  aussprechen,  dafs  der  Anna- 
berg das  Kastell,  die^itadelle  geblieben  sein  wird,  das  Winter  und  Sommer 
gehalten  wurde,  während  die  unteren  Anlagen  dem  Aufmarsch  und  der 
Verproviantierung  dienten. 

Man  hat  die  Haltemer  Grabungen  nicht  begonnen,  um  Aliso  zu 
finden,  aber  bald  sich  genötigt  gesehen  mit  der  Annahme  zu  rechnen, 
dals  hier,  nicht  in  Elsen  bei  Paderborn,  das  alte  Aliso  zu  suchen  ist.  In 
einem  besonderen  Aufsatze,  „die  Aliso-Frage^S  vermag  Schuchhardt 
diese  Vermutung  fast  bis  zur  Evidenz  zu  bringen,  und  auch  0.  Dahm, 
der  in  einem  Nachtrag  noch  einige  interessante  Einzelheiten  beibringt, 
kommt  zu  dem  Schlüsse,  dafs  wir  hier  Aliso  vor  uns  haben  ^).  Die  aufser- 
1)  Inzwischen  hat  0.  Dahm  im  vergangenen  Herbst  die  Untersuchnngen  an  dem 


136  Nene  Philologische  Bondsohau  Nr.  6. 

ordentliche  Oröfse  des  unteren  Lagers,  wo  unter  den  Funden  durchaus  die 
italische  Sigillata  vorherrscht,  wo  also  Legionen,  nicht  Auxiliaren  (mit 
gallischem  Fabrikat)  gelegen  haben,  der  Hafen  mit  den  Magazinen  be- 
weisen eine  aufsergewöhnliche  Station.  Auch  die  Überlieferung  über  Aliso 
stimmt  hiermit  überein,  und  in  unbefangener  Prüfung,  ohne  in  den  Fehler 
der  Elsen- Verehrer  zu  fallen  und  alles  zu  gunsten  von  Haltern  zu  wenden, 
kommt  Schuchhardt  zu  dem  Ergebnis,  dafs  Aliso  an  der  unteren  Lippe 
gelegen  haben  mufs  und  dafs  dieses  Aliso  überhaupt  die  einzige  be- 
deutende Station  der  Bömer  an  der  Lippe  gewesen  ist.  Mit  H.  Del- 
brück, dem  Hauptverfechter  der  Elsen- Aliso-Hypothese,  setzt  er  sich  mit 
Bestimmtheit  —  und  den  Leser  überzeugend  —  auseinander.  Auf  die  Frage : 
war  das  eigentliche  Aliso  das  obere  Kastell  oder  das  untere  Lager?  — 
antwortet  Schuchhardt:  keines  von  beiden;  das  eigentliche  Aliso  war  eine 
beim  Eindringen  der  Bömer  schon  vorhandene  germanische  Ansiedelung, 
nach  der  sie  ihre  Anlage  castellum  Aliso  nannten. 

Die  sachverständigen,  umsichtigen  Grabungen  bei  Haltern,  die  klaren 
und  sorgfältigen  Fundberichte,  die  vorsichtigen,  besonnenen  und  zuverläs- 
sigen Folgerungen  und  Kombinationen  sichern  den  hier  besprochenen 
„Mitteilungen  der  Altertamskommission  für  Westfalen ''  au  sich  ihren 
wissenschaftlichen  Wert.  Die  Bedeutung  der  gemachten  Entdeckungen, 
die  nicht  abgeschlossen  sind,  sondern  im  Gegenteil  einen  ungeahnt  grofsen 
umfang  anzunehmen  versprechen,  liegt  auf  der  Hand.  Sie  wächst  noch, 
wenn  man  dem  vorsichtigen  Hinweis  Ritterlings  (und  Schuchhardts)  auf 
den  merkwürdigen  umstand  mit  dem  Blicke  folgt,  dals  bei  Höchst  am  Main 
auffällig  gleichartige  Funde  gemacht  worden  sind  wie  bei  Haltern,  dals 
an  beiden  Stellen  die  Gesamtlage  der  örtlichkeit  ganz  gleichartige  Ver- 
hältnisse aufweist.  Welch  ungeahnte  Perspektive  auf  die  Kriegführung 
und  die  Eroberungspolitik  der  Bömer,  in  erster  Linie  des  Drusus,  wenn  sich 
Höchst  und  Haltern- Aliso  als  Bruderkastelle  erweisen  sollten!  Denn  dafs 
man  sich  hier  in  Haltern  auf  den  Spuren  des  Drusus  und  Germauicus 
bewegt,  darüber  sind  alle  Forscher,  die  in  den  „Mitteilungen'^  das  Wort 
ergriffen  haben,  bei  all  ihrer  Zurückhaltung  im  Ziehen  von  Schlüssen 
einig.  Indessen  Schuchhardt  sagt  ganz  richtig:  „der  Weg,  auf  dem  wir 
einmal  zu  festem  Aufbau  der  Bömerkriege  gelangen  werden,  ist  nicht  der 


groÜJBen  Lager  fortgesetzt  ond,  wie  man  schon  jetzt  vemimmt,  aoüserordentlich  wichtige 
nene  Entdeckungen  gemacht,  über  die  wir  vielleicht  demnächst  zu  berichten  in  der 
Lage  Bind. 


/^ 


Neu»  Philologiiche  Bnndielum  Nr.  g. IST 

der  strategischen  Hypothese  von  oben  herab,  sondern  der  bescheidenere 
und  mflhsamere  der  Ifaulwurfisarbeit  von  unten  herauf  **;  nur  murs,  so 
fBgen  wir  hinzu,  die  Strat^e  die  Probe  abgeben  auf  das  Exempel,  das 
die  „Maulwurfisurbeit^^  geltet  hat.  Gern  stimmen  wir  bei,  daTs  „bei 
weiterem  Hand  in  Hand  gehen  die  Untersuchungen  am  Main  wie  an  der 
Lippe  uns  hoffentlich  gut  und  leidlich  rasch  voranfflhren  werden**. 
Hanau.  O. 


76)  Konrad  Meier,  Racine  und  Saint-Cyr.    Sonderabdruck  a.  d. 
Neueren  Sprachen.    Marburg,  N.  0.  Elwert,  1903.    71  8.  8. 

jM  1.20. 

Der  Verf.  führt  einen  von  den  Litterarhistorikem  bisher  unbeachtet 
gelassenen  Satz  Michelets  an,  dafs  Bacines  „Esther  et  Athalie  sont  deux 
machines  de  guerre  qui  agissent  en  cadence  avec  les  tentatives  contra 
Guilhume**.  Auf  Omnd  gleichzeitiger  Memoirenwerke  und  der  ins  ein- 
zelnste gehenden  Darstellung  Macaulays  sucht  Meier  den  Beweis  f&r  die 
Richtigkeit  der  Micheletschen  Behauptung  zu  erbringen.  Zwar  ist  von 
jeher  die  in  Esther  gegen  Frau  v.  Montespan  und  ihren  Beschfitzer  Lou- 
vois  hervortretende  Feindseligkeit  anerkannt  worden,  doch  zeigt  Meier 
durch  viele  wichtige  Stellen,  „dafs  dieses  Stfick  mit  Vorbedacht  darauf 
zugeschnitten  war,  eine  hochbedeutende  Hofangelegenheit  mit  weittragenden 
politischen  Folgen  zu  werden".  Schwieriger  ist  es,  in  der  Athalie  die 
zeitgeschichtlichen  Absichten  nachzuweisen.  Hier  mangelt  es  ganz  an 
ftu&eren  geschichtlichen  Zeugnissen  aus  den  Jahren  der  Entstehung  dieser 
Tragödie,  doch  sucht  Meier  aus  inneren  Gründen  darzutun,  dals  in  dem 
Stücke  der  erhoffte  Sieg  der  vom  Throne  gestürzten  und  vertriebenen 
Stuarts  über  Wilhelm  von  Oranien  und  seine  Gemahlin  verherrlicht  werden 
solL  Die  Auslegung  der  Bacineschen  Charaktere  in  übertragener  Bedeu- 
tung ist  nicht  einwandfrei.  Nicht  Jeder  wird  an  die  Identität  Jehus  mit 
Ludwig  XIV.  glauben  wollen.  So  schweren  Tadel  wie  in  Athalie  gegen 
jenen  Fürsten  vorgebracht  wird,  durfte  und  konnte  sich  der  Dichter 
nimmermehr,  auch  nicht  durch  die  Blume,  gegen  seinen  selbstherrlichen 
EöQig  erlauben.    Das  wäre  törichte  Unbesonnenheit  gewesen. 

Wie  man  sich  aber  zu  dem  Verf.  stellen  mag  und  wenn  man  auch 
nicht  meint,  dals  Athalie  als  Dichtung  in  der  von  Meier  als  unabweislich 
erachteten  politischen  Beleuchtung  höheren  Ghinz  gewinnt,  so  bietet  der 
Aufiaatz  doch  viel  des  Anziehenden  und  mannigfache  Belehrung.  Allerdings 


138  Neue  Philologische  Rnndsehau  Nr.  6. 

dem  Charakter  Bacines  wird  der  Verf.  nicht  überall  gerecht;  er  stellt  ihn 
als  marslos  eitela  Bänkeschmied  dar  and  bezweifelt  anch  die  Aufrichtig* 
keit  seiner  Tränen.  Aber  ein  von  gutmütiger  Leichtgläubigkeit  weit 
entfernter  Kenner  wie  Sainte-Beuve  hat  ihn  gerade  deswegen  in  dem 
rührenden  Gedichte  „les  larmes  de  Bacine'*  besungen.  I.  B. 


'-^: 

''^k 


77)  Ph.  Flattner,  Formenbfldimg  und  Formenwechsel  des 
französischen  Verbums.  Karlsruhe,  Bielefelds  Verlag,  1902. 
222  S.  8.  Jü  8.80. 

Dieses  zweite  Ergänzungsheft  zur  Ausführlichen  Grammatik 
behandelt,  wie  der  Titel  weiter  besagt,   das  regelmäfsige  und  unr^el- 
mäfsige,  unvollständige,  unpersönliche  und  reflexive  Verbum,  den  transitiven, 
intransitiven  und  absoluten  Gebrauch,  die  Bektion.    Es  bietet  eine  Fülle 
von  Beobachtungen  und  Beispielen  aus  umfassender  Lektüre,  berücksich-       /"^^ 
tigt  die  Volkssprache  und  streift  dann  und  wann  auch  die  Dialekte.    Es      ^^^^ 
sucht  auszuscheiden,  was  veraltet,  und  festzustellen,  was  wieder  frisch  auf-      '^^^  i^ 
genommen  worden,  eine  schwierige  Arbeit,  da  es  der  Umgangssprache  und     \  ^  k 
den  Schriftstellern  nicht  benommen  werden  kann ,  aus  Dialekt  und  ver-     '  ^nm 
altetem  Idiome  immer  wieder  neue  Gedankenaustauschmittel  zu  prägen,  um    "^  ri^ 
andere  ihrerseits  abgenutzte  zu  ersetzen.    Es  ist  nicht  nur  interessant,    ^^  j^ 
dem  Bienenfleifs  des  Verf.,  der  offenbar  bei  seinen  zahlreichen  Lesestoffen  '^^i^^ 
in  erster  Linie  auf  grammatisch  Verwertbares  sein  Augenmerk  richtet,  zu  ^kni  ^ 
folgen  und  seine  vortrefflichen  Verdeutschungen  sich  anzueignen ,  sondern  ^^  ^^ 
dieses  Buch  wird  sich  für  jeden  Nicht-Franzosen,  der  französisch  schreiben  ^7}^  ' ' 
will,  als  ein  fast  unentbehrliches  Hilfsmittel  erweisen.    Wer  freie  Auf-''/|^i 
Sätze  machen  läfst,  dem  darf  man  raten,   bei  der  Korrektur  dieses  Er^^i^^ 
gänzungsheft  mit  seinen  Bemerkungen  in  bequemer  alphabetischer  Folg.^^ 
als  getreuen  Berater  zur  Hand  zu  haben ,  um  nicht  als  inkorrekt  anzr     ^^ 
streichen,  was  ein  Franzose  eben  doch  sagen  kann.  ^ 

Zugleich  eröffnet  der  Verf.  den  Fachkoll^en  ein  ergiebiges  Arbeii'  '^ 
feld.  Die  in  Frage  kommende  Literatur  der  drei  letzten  Jahrhunder  ^ 
ist  so  reichhaltig,  das  Werden,  Wachsen  und  Vergehen  der  Sprachmitt^  \*j^ 
so  naturgemäb,  dafs  es  vieler  Kräfte  bedarf,  um  alle  Möglichkeiten  ^  u  j| 
die  verschiedenen  Zeiten  festzustellen.  Das  Ergänzungsheft  spornt  an  t^ 
selbst  auf  die  Suche  zu  gehen,  um  sich  ein  sicheres  urteil  zu  bilden,  ono  '/^ 
diese  Suche  kann  Stoff  fär  gar  manche  Programmbeilage  liefern.  r^ 

Zum  Beweise,  mit  welchem  Interesse  das  Buch  gelesen  wurde,  fBgen .  ^. 


^  mige  Bemetkuagea  an     0^^^^=^^=^=--:=^  i«o 

(Mraktenokü  nicht  imm„.  'a       ^'  »'»  lii8toW.T^^"""=='==*^ 

die  ÜSnmye,  so  haben  Itl  ^^''"^*  *^««.^  1?^"'  "'**•  -J»»«,  C 

S-2.  Ann..:  „Die  C^^"  *»-«-  *aöf„  «.,?'^^  «fe«  ^on. 

l«h«müich  durch  die  w  ^^'''''  «'«e  ünrZ^^''^'"^^mf^,, 
^ote  .  Fehlerhaft  ^!LT"  '^'^^^'''^^  *«  S 
>^l  k«gt:  »Cbncoi^anJ^^J:^  ^"^^««^e "S^^'*  «*•"    Das 

«IwraÄs  dtfpendant  de  prono«,-««     ,  '"^^rtait  dan«  J  ^        ^^  *o«reia 

««it  Mn  qn'iJ  Wenne,  wie    '1     '""*  '"'  «o'il  C/  .V"'''""'ei 
»*»te.  Übrigens  ist  vie^r.  T  "^  ''^«'»e«  &!,^'    ^  «icht  ü 

^e»«fche.derGege,^^'^-«»'««nheit.  ^tUe!^ 
»•26:  „ftaher  Änd  sjofc  t^^  ,  ,oyon  es  sich  ^^Ilt 

'^^Tn  finden  diese  Safe«4  ter  Sache  mii 

"w-ft  Unt  8'en  faqt  /«atimmend  (bestimmt?) 

*h«i nag,  c'est-JUdioe  wie:  Les  gendarmes  l'<»^ 

*^9»'il  »e  hntmam.    S.  20:  „en  wird  fera^^^  ^^  '^^^  tie^'^'c 

^•«•«w  plns  c^rtee  &hren:  voyager  en  cha^J^tJ»»^     ,^tö^V,ft**  J 

"««i  Uodm  in  .„enn  man  yon  der  Blohtamg,ittÖ^^6\„  "^^  ^e?*^  ^  \«» 

^'*^^  Ge^dezu  unrichtig  ^foJ^^.^^^l.  ^"^^  ^^^"C^^^' 
Jn=.5[omp.Tativ8&teen)  der  mJ^'^  \^\^^'^^"^^  ^^e,  ^*^'' 
f'^i'tetikel  en  nicht  erforJ^'^tv^V  ^"^^^^"^^  *  ,e  0?-^ 

J^Son  >Ue  n'est  pas  ai  gnXs  ^*^'  x,et»tv^'* V^     .      :,  t«S»«^^* 
^  gewählten  Beispiele  nidij^,,  ^^^  ^^^  1^  ?^,  ^^e  ««^^'  .       gce.t«' 


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^  gewählten  Beispiele  ni( 
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138  Neue  Philologische  Bnndsehan  Nr.  6. 

dem  Charakter  Bacines  wird  der  Verf.  nicht  überall  gerecht;  er  stellt  ihn 
als  mafslos  eiteln  Bänkeschmied  dar  and  bezweifelt  anch  die  Aufrichtig- 
keit seiner  Tränen.  Aber  ein  yon  gotmQtiger  Leichtgläubigkeit  weit 
entfernter  Kenner  wie  Sainte-Beuve  hat  ihn  gerade  deswegen  in  dem 
rfihrenden  Gedichte  „les  larmes  de  Bacine'*  besungen.  I.  H. 


77)  Ph.  Plattner,  Formenbildung  und  Formenwechsel  des 
französiBchen  Verbums.  Karlsruhe,  Bielefelds  Verlag,  1902. 
222  S.  8.  Ji  8.30. 

Diesem  zweite  Ergänzungsheft  zur  Ausführlichen  Grammatik 
behandelt,  wie  der  Titel  weiter  besagt,  das  regelmäfsige  und  unregel- 
mäfsige,  unvollständige,  unpersönliche  und  reflexive  Verbum,  den  transitiven, 
intransitiven  und  absoluten  Gebrauch,  die  Bektion.  Es  bietet  eine  Fülle 
von  Beobachtungen  und  Beispielen  aus  umfassender  Lektüre,  berücksich- 
tigt die  Volkssprache  und  streift  dann  und  wann  auch  die  Dialekte.  Es 
sucht  auszuscheiden,  was  veraltet,  und  festzustellen,  was  wieder  frisch  auf- 
genommen worden,  eine  schwierige  Arbeit,  da  es  der  Umgangssprache  und 
den  Schriftstellern  nicht  benommen  werden  kann,  aus  Dialekt  und  ver- 
altetem Idiome  immer  wieder  neue  Gedankenaustauschmittel  zu  prägen,  um 
andere  ihrerseits  abgenutzte  zu  ersetzen.  Es  ist  nicht  nur  interessant, 
dem  Bienenfieifs  des  Verf.,  der  offenbar  bei  seinen  zahlreichen  Lesestoffen 
in  erster  Linie  auf  grammatisch  Verwertbares  sein  Augenmerk  richtet,  zu 
folgen  und  seine  vortrefflichen  Verdeutschungen  sich  anzueignen,  sondern 
dieses  Buch  wird  sich  für  jeden  Nicht-Franzosen,  der  französisch  schreiben 
will,  als  ein  fast  unentbehrliches  Hilfsmittel  erweisen.  Wer  freie  Auf- 
sätze machen  läfst,  dem  darf  man  raten,  bei  der  Korrektur  dieses  Er- 
gänzungsheft mit  seinen  Bemerkungen  in  bequemer  alphabetischer  Folge 
als  getreuen  Berater  zur  Hand  zu  haben,  um  nicht  als  inkorrekt  anzu- 
streichen, was  ein  Franzose  eben  doch  sagen  kann. 

Zugleich  eröffnet  der  Verf.  den  Fachkollegen  ein  ergiebiges  Arbeits- 
feld. Die  in  Fn^e  kommende  Literatur  der  drei  letzten  Jahrhunderte 
ist  so  reichhaltig,  das  Werden,  Wachsen  und  Vergehen  der  Sprachmittel 
so  naturgemäfs,  dafs  es  vieler  Kräfte  bedarf,  um  alle  Möglichkeiteu  für 
die  verschiedenen  Zeiten  festzustellen.  Das  Ergänzungsheft  spornt  an, 
selbst  auf  die  Suche  zu  gehen,  um  sich  ein  sicheres  Urteil  zu  bilden,  und 
diese  Suche  kann  Stoff  für  gar  manche  Programmbeilage  liefern. 

Zum  Beweise,  mit  welchem  Interesse  das  Buch  gelesen  wurde,  fügen 


-^ 


Nene  Fhilologisebe  Bondtchaa  Nr.  6.  189 

wir  einige  Bemerkungen  an.  S.  1:  „Im  historischen  Perfekt  ist  der 
Gharaktervokal  nicht  immer  derselbe  wie  in  der  neueren  Sprache  gewesen. 
Auch  in  der  ersten  Konjugation  war  er  i  neben  a,  so  dafs  neben  -ai,  -as, 
-a,  -ämes,  -ätes,  -^rent  (oder  -arent)  auch  die  Bildung  -is,  -it,  -f mos,  -ttes, 
-irent  stand/^  Sollte  nicht  folgende  Fassung  zutreffender  sein?  Wie 
die  Infinitive,  so  haben  auch  die  Perfekte  beim  Übergang  aus  der  römi- 
schen Volkssprache  ins  Bomanische  Schwankungen  zwischen  den  Kon- 
jugationen durchgemacht,  und  Spuren  davon  haben  sich  erhalten. 

S.  2,  Anm.:  „Die  familiäre  Sprache  ersetzt  sie  (die  Formen  auf-asse) 
einfach  durch  den  Konjunktiv  Präsens,  eine  ünregelmäisigkeit,  die  jetzt 
bekanntlich  durch  die  Leyguesschen  Beschlüsse  sanktioniert  ist.''  Das 
könnte  zu  Fehlerhaftem  verleiten.  Der  endgültige  Erlafs  vom  28.  Februar 
1901  besagt:  „Concordance  ou  correspondance  des  temps.  —  On  tol^rera 
le  pr^nt  du  subjonctif  au  lieu  de  Timpar&it  dans  les  propositions  sub- 
ordonn^es  d^pendant  de  propositions  dont  le  verbe  est  au  conditionnel 
pr^seni  Ex.:  il  faudrait  qu'il  vienne  ou  qu'il  vinf  Also  nicht  il 
aurait  fallu  qull  vienne,  wie  man  aus  Plattners  Bemerkung  schUelsen 
könnte.  Übrigens  ist  vienne  auch  sachlich  begründet,  da  faudrait  der 
Bildung  nach  zwar  ein  Tempus  der  Vergangenheit,  der  Bedeutung  nach 
aber  ein  solches  der  Gegenwart  ist. 

S.  25:  „Früher  fand  sich  tant  s'en  faut  ganz  in  der  Weise  des  la- 
teinischen tantum  abest  ut  . .  .  ut  gebraucht.''  Dazu  ein  Beispiel  aus 
Vaugelas.  Wir  finden  diese  Satzwendung  in  Faguet,  Dix-huitiime  Si^le, 
wieder:  Et  tant  s'en  faut  qu*il  soit  besoin  d'une  foule  de  personnages, 
tous  bien  saisis,  c'est-^dire  d*une  multitude  de  renseignements  sur  les 
hommes,  qu'il  ne  faut  pas  mSme  des  personnages  trop  complexes,  sous 
peine  de  n'gtre  plus  clair,  und  wir  benutzen  dieselbe  gerne,  wenn  es  gilt, 
über  den  Modus  in  Konsekutivsätzen  zu  sprechen. 

S.  32:  „In  dem  Satze  n'est  pire  valet  que  celui  qui  raisonne  (P.-L. 
Courier)  fehlt  offenbar  das  neutrale  il",  und 

S.  37:  „Endlich  ist  in  Sätzen  wie  N'y  monte  pas  qui  veut  das  gramma- 
tische Subjekt  il  zu  ergänzen,  während  das  logische  Subjekt  in  dem  Subjekt 
des  Belativsatzes  zu  erblicken  ist",  geben  beide  die  richtige  Erklärung  nicht. 
Vergleicht  man  damit  G^ruzez:  Elle  (la  foule)  ne  se  mattrise  pas  elle- 
mSme  et  ne  la  mattrise  pas  qui  veut ,  so  ergibt  sich  aus  der  kreuzweisen 
Stellung,  dafs  qui  veut  nachgestelltes  grammatisches,  nicht  logisches  Sub- 
jekt ist.     Noch  deutlicher  wird  das  durch  ein  Beispiel  aus  Legouv6:  Oh! 


140  Neue  Fhilologiiche  Bundsehan  Nr.  6. 

'     .  .  .  .  .1.  ,  a 

la  langne  fran9ai8e!  la  poAne  frBD9ai86!  ne  la  calomnient  qae  oeux  qui 
ne  la  comprennent  pas. 

S.  221 :  „Vooloir  qe  ä  qn  (z.  B.  yoaloir  du  bien  k  qo)  hat  anch  die 
Bedeutung  „von  jem.  etwas  wollenes  aber  nur  bei  Personalpronomen: 
Que  peut-elle  alors  me  youloir?^  Dabei  dfirfte  doch  bemerkt  werden, 
dafs  Moli^re  im  Misanthrope  sagt:  Elle  (cette  grande  nddeur  des  yertus 
des  vieux  ftges)  veut  aux  mortels  trop  de  perfection. 

Preiburg  i,  B,  H.  Blhler. 

78)  Oratien  Ohartoiiy  Die  Schwierigkeiten  der  firanaöeiBehen 
Sprache.  Gebrauchsanweisung  von:  „en,  ne,  y  und  Subjonctif/* 
München,  Hermann  Martin,  1902.    62  S.  8.  Jf  1.—. 

Es  ist  gewifs  mit  Freuden  zu  begrfifsen,  wenn  ein  in  Deutschland  als 
Lehrer  tätiger  Franzose,  aus  der  Ffille  seiner  Sprachkenntnis  und  Belesen- 
heit schöpfend,  es  unternimmt,  deutschen  Schülern  die  Hauptschwierig- 
keiten der  französischen  Grammatik  vorzuführen.  Denn  auch  in  unseren 
bfifißeren  Schulgrammatiken  findet  sich  ja  bekanntlich  manches  ungenaue 
und  Veiürite^  Leider  scheint  aber  der  Verf.  der  obigen  Schrift  zur  Zeit 
noch  nicht  die'ltlb^ii^  solches  Unternehmen  notwendige  Kenntnis  der 
deutschen  Sprache  zB^^^^^''^^°*  ^  findet  sich  in  dem  Büchlein  eine 
Menge  von  undeutschen  inuiy^^^^btisoi^  Wendungen  und  Ausdrücken,  von 
denen  die  auffallendsten  hier  ^f^  öoden  mögen. 

Vorwort:  „Das  Btlehlein  soltt^  ^^®  Behauptung  in  Erfüllung 
gehen  lassen."  —  S.  5:  „Es  gibt  sechslS^^^  ^°  welchen  en  als  pronom 
relatif  (sie)  gebraucht  wird.  Von  diesen  sec^«  Fällen  werden  im  Deut- 
schen die  drei  ersteren  übersetzt,  die  drei  ancft^''®^  '^^^^'^^'*  gänzlich  un- 
übersetzt."  S.  8:  „Der  Winter  naht  heran,  wir  l^*^^  J^*®^  ^«  ^^^^«^ 
Vorbedeutungen  (indices)."  S.  9:  „en  regier!'  ^a»  W^";*»  welches 
anzeigt,  wozu  eine  Person  beschäftigt  ist."  S.  9:  „\^®^^  ^  geschäft- 
lich beansprucht  sind."  S.  16:  „In  zwei  Stunden  "^J^e^d«»  ^^  »^ 
dem  Gipfel  des  Berges  sein  können  (nous  pourrons),"^  ^-  ^^*  "^^® 
Handlung  . .  .,  wovon  es  sich  handelt."  S.  18:  „Er  ist  so^^"^^®^  gelaufen 
(taut  couru)."  S.  19:  „Er  steht  nicht  mehr  in  Gnade,  abS^  ^^^^  f 
Ungnade  (il  n'est  plus  en  faveur,  mais  bien  en  disgräce)."  S.  \*^^*  "^® 
toten  Sprachen  sinken  immer  mehr  herab  (tombent  de  plus  eS^  ^'^^  ®^ 
dtoidence)."  S.  19:  „Als  Christus  in  den  Himmel  stieg,  fielV^  ^"*® 
Apostel   in  Exstase    (lorsaue  le  Christ  monta  dans  les  cieux)."  V'  ^*- 


Kene  Phflologiiehe  Bnndicbaa  Nr.  6. 141 

„Ohne  welche  Besdehong  zum  Vorhergehenden  und  ohne  etwas  Er* 
gänztes  zu  bezeichnen,  wird  en  gebrancht/^  S.  23:  f,Üben  Sie  seinen 
Willen  ans  (faites  sa  volontQ."  S.  24:  ,,Wenn  en  ein  Hauptwort  regiert, 
wird  es  fast  nie  gefolgt  von  dem  bestimmten  Artikel/^  S.  28:  „Ich 
kann  nicht  glauben,  dals  er  heute  abend  fortfährt  (qu*il  part  ce  soir).'' 
S.  30:  „Die  Eigenliebe  ist  das  Einzige,  dessen  man  nie  mächtig  wird 
(dont  on  ne  vient  jamais  ä  bout)/*  8.  30:  „Der  Hund  ist  das  einzige 
Tier,  dessen  Treue  auf  Probe  gestellt  ist  (dont  b  fidflit^  seit  ä 
Tepreuve).'*  S.  30:  „Die  Gegenwart  ist  das  einzige  Gut,  über  welches  der 
Mensch  wahrhaftig  Herr  ist  (dont  Thomme  seit  vraimerU  le  ma!tre)/' 
S.  39:  „Das  Indikatir,  das  Subjonctif/*  AuflEallenderweise  bezeichnet  der 
Verf.  femer  en  als  pronom  relatif ;  in  firanzGs,  Grammatiken,  wie  Larousse 
oder  der  Grammaire  Nationale,  habe  ich  diese  Bezeichnung  nicht  finden 
können. 

Auch  die  Eassung  der  Segeln  könnte  mehrfietch  klarer  und  treffender 
sein;  YgL  S.  5:  „en  wird  gebraucht  als  Einschaltung  in  einen  Satz,  der 
unmittelbar  darauf  folgt,  oder  in  einen  solchen,  der  noch  nicht  ganz  aus- 
gesprochen wurde/'  Charten  meint  solche  Sätze  wie:  N'en  doutez  pas 
ils  cMeront,  si  yous  montrez  de  la  formet^,  wo  statt  der  hypotaktischen 
die  parataktische  Konstruktion  gewählt  ist.  S.  16:  „en  regiert  das  Wort, 
welches  anzeigt,  unter  welchem  Gesichtspunkte  die  Sache,  die  Eigenschaft 
oder  die  Handlung  angeschaut  wird,  wovon  es  sich  handelt,  z.  B.  la 
räcolte  en  vin  n'a  pas  6iA  trte  abondante/'  8.  17:  „en  bezeichnet  im 
allgemeinen  die  Beziehung  einer  Sache  mit  dem  Innern  einer  anderen. 
Es  ist  weniger  bestimmend  (bestinmit?)  wie  dans.^'  Der  Verf.  denkt 
an  solche  Sätze  wie:  Les  gendarmes  Tont  mis  en  prisan;  j'en  avais  la 
preuve  en  mam.  S.  20:  „en  wird  ferner  gebraucht  zur  Übersetzung 
des  Zeitwortes  fiihren:  vojager  en  chemin  de  fer.^'  S.  20:  „Das  deutsche 
nach,  wenn  man  von  der  Sichtung  und  von  einem  Lande  spricht,  wird 
durch  en  fibersetzf 

Geradezu  unrichtig  ist  folgende  Kegel,  S.  51 :  „Wenn  in  solchen  Sätzen 
(Komparativsätzen)  der  Hauptsatz  verneinend  oder  fragend  ist,  so  ist  die 
Partikel  en  nicht  erforderlich/*  Es  soll  heifsen:  muls  fehlen,  z.B. 
Son  zUe  n*est  pas  si  grand  que  vous  le  vantez.  Mitunter  auch  passen  die 
gewählten  Beispiele  nicht  recht  zu  der  verangehenden  SegeL  S.  6  heiM 
es:  „en  anstatt  de,  gefolgt  von  einem  Subst.  für  de  cela  (!).'*  Hierzu 
das  Beispiel:   Get  enfant  m'a  frappö,  j*en  ris.    ib.  „en  wird  gebraucht 


142  Nene  Philologische  Bunclschaa  Nr.  6. 

vor  einem  pronom  ind^fini  oder  Zahlwort '^  Hierzu  das  Beispiel: 
A-t-il  des  protecteors?  II  en  a  de  trte  paissants.  Wo  ist  das  pro- 
nom ind^fini?  ib.  ,,en  wird  gebraucht,  wenn  auf  das  Zeitwort  ein 
Komparativ  folgt/'  Hierzu  das  Beispiel:  Get  ouvrier  ne  travaille  pas; 
j'en  suis  tous  les  jours  moins  satisfait  Hier  hängt  doch  en  von  satisfait 
ab.  S.  10:  „en  regiert  das  Wort,  welches  das  Besultat  einer  Natur- 
veränderung anzeigt.'^  Hierzu  die  Beispiele:  il  telata  en  stmgkits,  nous 
fondtmes  en  hrmes.  S.  23:  „en  bezeichnet  mit  dem  part.  pr6s.  auch 
die  Art  und  Weise,  wie  etwas  geschieht  Dazu  das  Beispiel:  Sa 
maladie  va  en  augmentant.  S.  42  verfällt  Charten  in  den  pädagogischen 
Fehler,  den  Schfilem  erst  das  Unrichtige  vor  Augen  zu  fBhren,  bevor  er 
das  Richtige  gibt:  „Es  heifst  also  nicht:  II  disait  qu'il  eöt  6iA  iijk  hier 
ici,  sondern:  il  disait  quMl  avait  6iA  etc." 

Von  Druckfehlern  sind  mir  aufgefallen  S.  7:  tenus  secret;  S.  8: 
Combien  de  livres  avez-vous  achet^?    S.  11:  ätraient  für  ^taient. 

Übrigens  mufs  lobend  hervorgehoben  werden,  dafs  der  Verf.  für  die 
aufgestellten  Kegeln  eine  Fülle  von  im  ganzen  passend  gewählten  Bei- 
spielen beibringt ,  sowie  dafs  er  einige  Kapitel  recht  scharf  und  treffend 
behandelt  hat,  besonders  den  Gebrauch  des  Subjonctifs.  Eine  ähnliche 
Behandlung  anderer  Schwierigkeiten  der  französischen  Sprache  wird  gewifs 
auf  den  Beifall  der  Fachgenossen  rechnen  können,  vorausgesetzt,  dafs  der 
Verf.  vorher  seine  Arbeit  von  einem  sachkundigen  Deutschen  revidieren  läTst 

Münster  i.  W.  K 


79)  Bichard  Betl^^e,  Ergebnisse  und  Fortschritte  der  ger- 
manistischen Wissenschaft  im  letzten  Vierteljahr* 
hundert  Im  Auftrage  der  Oesellschafb  für  deutsche  Philologie 
herausgegeben.  Leipzig,  0.  B.  Beisland,  1902.  X*  u.  LXXVIII 
u.  618  S.  Jk  12.  -. 

Am  4.  Januar  1902,  dem  Geburtstage  Jakob  Grimms,  konnte  die 
„Gesellschaft  für  deutsche  Philologie^'  in  Berlin  die  Feier  ihres 
25jährigen  Bestehens  festlich  begehen.  Ein  Yierteljahrhundert  war  ver- 
gangen, seitdem  zuerst  fünf  Schüler  Müllenhoffs  zur  Gründung  einer  Ver- 
einigung zusammengetreten  waren,  die  sich  die  Pflege  deutscher  Philo- 
logie zur  hohen  Aufgabe  gesetzt  hatte,  zunächst  aus  persönlichem  Interesse 
an  der  Sache  in  ihrem  bescheidenen  Kreise,  späterhin  zu  Nutzen  der  ger- 
manistischen Forschung  durch  Herau£fgabe  von  Festschriften  in  zwangloser 


^ 


Nene  Philologische  Bondschaa  Nr.  6.  148 

Folge  und  des  Jahresberichts  aber  die  Erscheinungen  aus  dem  Gebiete  der 
germanischen  Philologie.  Mit  jugendfrischer  Begeisterung  und  treuer 
Hingabe  an  die  Wissenschaft  war  die  Gesellschaft  im  Sinne  der  Lach- 
mannschen  Schule,  unbeirrt  durch  die  Gunst  oder  Ungunst  der  Unastände, 
durch  gute  und  schlechte  Zeiten  gewandelt,  und  als  sich  der  Tag  der 
Gründung  zum  25.  Male  jährte,  legte  sie  sich  und  der  germanischen 
Wissenschaft  als  17.  Festschrift  ein  neues,  gewaltiges  Werk  auf  den  Ge- 
burtstagstisch: „Ergebnisse  und  Fortschritte  der  germanistischen  Wissen- 
schaft im  letzten  Vierteljahrhundert.'' 

Unter  steten  Verweisen  auf  die  einzelnen  Bände  des  Jahresberichtes 
wird  hier  von  der  Feder  sachverständiger  Fachgelehrten  (im  ganzen  23) 
eine  zusammenfassende  Darstellung  alles  dessen  gegeben,  was  in  den  letzten 
(rund)  25  Jahren  auf  den  einzelnen  Gebieten  der  germanischen  Sprach- 
und  Literaturwissenschaft  geleistet  und  erreicht  worden  ist.  Das  Werk 
erweist  sich  somit  als  eine  bibliographisch-kritische  Obersicht  ersten  Banges. 
Es  wird  dem  im  praktischen  Schuldienst  stehenden  Lehrer  nicht  weniger 
als  dem  Gelehrten  ein  unentbehrliches  Hilfsmittel  sein,  zumal  dem  ersteren, 
der  die  Fflhlung  mit  den  Fortschritten  der  Wissenschaft  durch  das  Ober- 
wuchern praktischer  Schulfragen  nur  zu  leicht  yerliert  und  nun  durch  die 
neueste  Festschrift  der  „Gesellschaft  für  deutsche  Philologie"  ein  höchst 
bequemes,  wenn  auch  streng  wissenschaftliches  Mittel  der  schnellen  Orien- 
tierung an  die  Hand  bekommt,  das  ihn  vieles  mühsamen  Suchens  und 
unsicheren  Tastens  überhebt. 

Berlin.  Helarieh  Bples. 

80)  Sevixiy  Elementarbnch  der  englischen  Sprache  nach  der 
analytischen  Methode  bearbeitet.    Erster  Teil:  Lautlehre;  der 
einfache  Satz  nebst  der  regelmäfsigen  Formenlehre. 
Zweite,  völlig  umgearbeitete  Auflage.    Karlsruhe,  Bielefelds  Ver- 
lag, 1902.     166  S.  8.  geb.  Jü  1.80. 
Das  vorliegende  Buch  stellt  einen  Fortschritt  gegenüber  seiner  vor 
vier  Jahren  erschienenen   ersten  Auflage  dar,   besonders  in  dem  propä- 
deutischen Kursus  (S.  1—22)  und  der  vom  Lesestoffe  getrennten  Gram- 
matik.   Die  Lesestücke  selbst  (S.  27—78)  sind  englischen  Quellen  ent- 
nommen und  zumeist  Fabeln,  Erzählungen,  Beschreibungen  und  Gedichte ; 
leider  führen  sie  zu  wenig,  entgegen  der  Forderung  der  Beformmethode, 
in  speziell  englisches  Leben  ein,  tragen  also  nicht  zur  Kenntnis  von  Land 


144  Nene  PhÜologisehe  BnndseliaQ  Nr.  6. 

und  Leuten  bei.  Aofierdem  sind  Sprechfibnngen  über  Oegenstände  des 
täglichen  Lebens  nnd  der  nächsten  Umgebung  eingestreut  und  vertreten 
so  das  Prinzip  der  Anschauung.  Die  Qrammatik  (S.  79—124)  bringt 
die  Aussprache,  die  regelmäTsige  Formenlehre  und  die  Elemente  des  ein- 
fachen Satzes  zur  Darstellung;  dann  folgen  grammatische  Übungen  (Um- 
formungen, Bilder  von  Sätzen  und  Übersetzungen  im  Anschlufs  an  die 
vorangehenden  englischen  Texte)  und  endlich  ein  Wörterverzeichnis  zu 
den  LesestBcken.  —  An  einzelnen  Stellen  bin  ich  mit  dem  Verf.  nicht 
einverstanden;  z.  B.  S.  82:  „abweichende  Pluralbildung  durch  Änderung 
des  Vokals  (Ablaut)'',  statt  „Umlaut'*;  S.  83:  „Der  bestimmte  Artikel 
lautet  immer  the";  S.  86:  „Die  3.  Person  Singularis  wird  durch  An- 
fttgung  eines  s  an  die  1.  Person  gebildet",  und  S.  89:  „Bei  den  regel- 
mäfsigen  Verben  wird  das  Imperfekt  durch  Anfügung  der  Endung  -ed  ge- 
bildet", wobei  nicht  gesagt  wird,  wie  dieses  -«und  »ed  ausgesprochen  wird. 

Ein  abschlie&endes  Urteil  fiber  das  Buch,  das  auch  in  der  ersten 
Auflage  kein  Vorwort  über  des  Verf.  Standpunkt  enthält,  kann  billiger- 
weise erst  nach  dem  Erscheinen  des  zweiten  Teils  gef&llt  werden. 

Dt- Wilmersdorf.  Fr.  Biomo. 

Paul  yeff  Verlag  (Carl  Bflchle)  In  Stuttgart 

mMmm         mMmm 

In  unserem  Verlag  ist  komplett  erschienen  die 

Zehnte  Auflage 

von 
Christoph  Fr.  Griebs 

Emlltcli-DeBttcliBB  aml  BBiticIi-EinliicIieB  Wflrterliiicli 

mit  besonderer  Rücksicht  auf  Aussprache  und  Etymologie 

nen  bearbeitet  imd  vermehrt 

von 

Dr.  Arnold  Schröer 

ord.  Professor  an  der  Handelshochscliiüe  zu  Köln 
well.  ord.  Professor  der  eng;llBohen  Philologie  an  der  Universität  Frelbuzg  i.  B. 

160  Bogen  dreispaltiger  Satz  in  Or.-Lei.  8^. 

I.  Band:  II  Band: 

eleg.  in  Halbleder  geb.  M.  14.—  eleg.  in  Halbleder  geb.  M.  12.— 


Ich  habe  mich  dnrch  Prttftmg  von  der  streng  wissenschaftlichen,  eingehenden  nnd  sn- 
verllsslgen  Krörtenmg,  wie  anoh  von  der  nngemem  praktischen  Anordnung  des  mitgeteilten 
Wortschatzes  überseugt 

Dr.  J.  Seklpptr,  ord.  Professor  der  engl.  Philologie  an  der  Uslvertltlt  Wien. 

gUT*  Zu  haben  In  allen  Bnohhandlnno^n  "VS 

Fttr  Sehnlen  Tergiknutig^ngen  bei  gleichzeitigem  Beeng  einer  gröfseren  Anzahl 
von  Bzemplaren. 

Tftr  die  BedaUlOB  Teniitwortlicli  Dr.  E.  LniwlB  in  BresM. 
Draek  ud  Verlag  Toa  FrlHrleü  AatfrtM  PtrtkM  AktüngeseUsekan  fletta. 


/ 
^ 


y 


APh  20  19tc  * 
Gotha.  4.  April.  ITr.  f,  Mahlgang  19Ö3. 

Neue 

PhilologischeRundschau 

*  HerauBgegebeD  von 

Dr.  C.  Wagener  und  Dr.  E.  Ludwig 

in  Bremen. 

Erscheint  alle  14  Tage.  —  Preis  ffir  den  Jahrgang  8  Mark. 

Bestellnngen  nehmen  alle  Bachhandlangen,  sowie  die  Postanstalten  des  In-  and  Aanlandes  an. 

Insertionsgebfihr  fDr  die  einmal  gespaltene  Petitseile  80  Pfg. 

Inhalt:  Zu  Agrippa  d'Anbign^s  „Tragiques"  ans  Anlalk  neuerer  Ausgaben  (Carl 
Friesland)  p.  145. 
Bezensionen:  81)  Ed.  Kammer,  Ein  ästhetischer  Kommentar  zu  Homers 
Uias  (L.  Koch)  p.  160.  —  82)  Heinr.  Nissen,  Italische  Landeskunde.  Zweiter 
Band:  Die  Städte.  Erste  Hälfte  (£.  Ziegeler)  p.  152.  -<-  83)  Walter  Altmann, 
Architektur  und  Ornamentik  der  antiken  Sarkophage  (L.  Koch)  p.  155.  — 
84)  Transactions  and  Proceedings  of  the  American  Philological  Association  1900, 
▼Ol.  XXX  (W.)  p.  156.  —  85)  S.. Frankfurter,  Begister  zu  den  arcbäologisch- 
epigraphischen  Mitteilungen  aus  Österreich- Ungarn,  Jahrgang  I— XX  (0.  Schult- 
heis) p.  159.  —  86)  A.  Mennung,  Jean-Fran9ois  Sarasins  Leben  und  Werke  (G.S.) 
p.  160.  —  87)  His  Honour  ludge  Webb,  The  Mysteiy  of  William  Shakes- 
peare (F.  P.  V.  Westerholz)  p.  164.  —  Anzeigen. 

Zu  Agrippa  d'Aubignes  ,,Tragiqaes''  ausAnlaüs 
neuerer  Ausgaben. 

Von  Carl  Friesland. 

Von  dem  Hauptwerk  des  hngenottisehen  Dichters  gab  es  bis  jetzt  noch 
keinen  kritischen  Text.  Die  Ausgaben  und  Handschriften,  die  daf&r  in 
Betracht  kommen,  sind  folgende:  1)  die  1616  anonym  erschienene  editio 
princeps:  Les  Tragiqnes,  donnez  an  public  par  le  larcin  de  Promethee. 
An  Dezert  par  L.  B.  D.  D.  ^)  [bezeichnet  mit  A] ;  2)  eine  ohne  Be- 
zeichnung des  Ortes  und  der  Zeit  erschienene  zweite  Ausgabe:  Les  Tragiques 
ci-devant  donnez  au  public  par  le  larcin  de  Promethee  et  depuls  avouez 
et  enrichis  par  le  Sr  d'Aubign6  [B] ;  3)  ein  handschriftlich  erhaltener  Text, 
welcher  sich  auf  dem  der  Familie  Tronchin  gehörigen  Schlosse  Bessinges 
(bei  Genf)  befindet,  von   einem   Sekretär  geschrieben    ist,    aber   Yer- 


1)  SS  Le  bouc  du  d^sert,  ein  d'Aubign^   von  seinen  Glaubensgenossen  gegebener 
Spitzname. 


146  Nene  Philologische  finndschan  Kr.  7. 

bessenmgen  von  der  Hand  des  Verf.  enthält  [T];  4)  eine  Handschrift  im 
Britischen  Museum  in  London.  Dieses  Material  ist  von  den  bisherigen 
Herausgg.  der  Tragiques  folgendermafsen  benutzt  worden:  1)  Laianne 
hat  fflr  seine  Ausgabe  (Paris  1857)  A  und  in  geringerem  MaTse  B  be- 
'  nutzt;  2)  Bead's  Ausgabe  (Paris  1896)  gibt  T  wieder,  ebenso  die  grofse 
sechsbändige  d'Aubign^-Ausgabe  von  B&iume  und  de  Gaussade  (Paris  1873 
bis  1892).  Von  einem  kritischen  Text  konnte'  also  nicht  die  Bede  sein. 
Diesem  Zustande  ist  zum  Teil  wenigstens  ein  Ende  bereitet  worden. 
Die  Fakultäten  zu  Paris  und  zu  Lyon  verlangen  von  den  Kandidaten  der 
Licence  ha  lettres  auch  eine  genauere  Bekanntschaft  mit  dem  ersten  Buch 
der  Tragiques.  Da  nun  die  bisherigen  d'Aubign6- Ausgaben  den  Studieren- 
den nicht  leicht  zugänglich  waren,  lag  es  nahe,  durch  einen  kritischen 
Text  des  betreffenden  Buches  dessen  Studium  zu  erleichtern.  Einige  ehe- 
malige Schüler  der  ]^ole  normale  sup^rieure,  Bourgin,  Foulet,  Garnier, 
Maitre  und  Yacher  haben  sich  nun  dieser  Aufgabe  unterzogen  (Paris,  Colin, 
1896).  Durch  befreundete  Fachgenossen  waren  den  Herausgg.  Kollationen 
von  T  und  der  Londoner  Handschr.  zur  Verfügung  gestellt  worden,  wobei 
sich  fQr  T  ergab,  dafs  die  bisherigen  Abschriften  nicht  fehlerfrei  ge- 
wesen waren.  Nachdem  so  sämtliches  Material  zur  Stelle  war,  galt  es 
zu  konstatieren,  welcher  der  vier  Texte  der  Au^be  zu  Grunde  zu 
legen  und  inwieweit  den  Lesarten  der  übrigen  Rechnung  zu  tragen  sei. 
A  trat  von  vornherein  zurück,  da  man  in  B  eine  vom  Verf.  selbst 
verbesserte  Neuauflage  des  ursprünglichen  Textes  besitzt.  Femer  ergaben 
die  Untersuchungen  der  HerauE^.  für  die  Londoner  Handschr.,  dals  sie 
nichts  weiter  als  eine  Kopie  von  T  ist,  also  für  die  Konstituierung  des 
Textes  fortfiQli  Von  T  selbst  wurde  schliefslich  erwiesen,  dafs  sie  jünger 
ist  als  die  editio  princeps.  Zu  erledigen  blieb  demnach  noch  die  Frage 
nach  dem  Verhältnis  von  B  zu  T,  und  hier  sind  die  Herausgg.  zu  folgendem 
Ergebnis  gekommen.  Den  ursprünglichen  Text  der  Tragiques  hat  d'Aubignä 
einmal  einer  Durchsicht  unterzogen,  und  diese  Textgestaltung  ist  uns  in 
T  erhalten.  Um  dem  Drucker  seine  Aufgabe  zu  erleichtern,  trug  er  in  ein 
Exemplar  der  editio  princeps  die  Verbesserungen  aus  T  ein,  wobei  er  sich 
kleine  Abänderungen  erlaubte.  So  entstand  B,  die  demnach  als  letzte 
Textgestaltung  zu  betrachten  und  einer  kritischen  Ausgabe  der  Tragiques 
zu  Grunde  zu  legen  ist.  Daneben  sind  hauptsächlich  die  Lesarten  von  T 
zu  berücksichtigen.  Das  Ergebnis  dieser  Untersuchung  wird  dadurch  gestützt, 
dals   man  zur  selben  Zeit  von  anderer  Seite  zu  dem  gleichen  Resultat 


^ 


Nene  Fhäologische  fiimdBchaa  Nr.  1,  14? 

gekommen  ist  (Bulletiii  de  la  Soci^t^  des  Hmnanistes  fran9ais,  23  mal 
1896). 

Die  dem  eigentlichen  Text  voraosgeschickte  Einleitung  beginnt  mit  der 
Biographie  des  Dichters,  deren  Nachrichten  der  Vie  ä  ses  enfiints,  der  Histoire 
universelle  und  den  Oeuvres  po^tiques  entnommen  sind.  Daran  schliefst 
sich  eine  kurze  Charakterisierung  der  Tragiques,  in  der  ihre  literarische 
Stellung  besonders  berBcksichtigt  wird.  Die  dann  folgende  Bibliographie 
der  Werke  d'Aubign^  und  der  diese  betreffenden  Schriften  ist  im  ersten 
Teile  vollständig  ^),  im  zweiten  fehlt  die  Abhandlung  J.  Levallois^  Agrippa 
d'Aubign^,  Les  Tragiques  (Miseres),  die  sich  in  der  Instruction  publique 
1886,  p.  604.  617.  643  ff.  abgedruckt  findet.  Praronds  Pontes  historiens 
sind  aufserdem  1876,  nicht  1873  erschienen.  Den  Schlufs  der  Einleitung 
bilden  jene  die  Gestaltung  des  kritischen  Textes  betreffenden  Unter- 
suchungen, deren  Ergebnisse  ich  bereits  mitgeteilt  habe.  —  Nachdem 
das  Handschriftenverhältnis  richtig  erkannt,  war  die  eigentliche  Text- 
konstituierung keine  schwere  Aufgabe  mehr ;  man  hat  aber  auch  hier  den 
Eindruck,  dafs  sich  die  Herausgg.  mit  Takt  und  Verständnis  ihrer  Arbeit 
entledigt  haben.  Der  Text  liest  sich  recht  gut;  wesentliche  Ausstellungen 
habe  ich  daran  nicht  zu  machen.  Von  einer  orthographischen  üniformie- 
rung  hat  man  mit  Becht  Abstand  genommen.  Abgesehen  von  dem  Va- 
riantenapparat befinden  sich  unter  dem  Text  zahlreiche  Anmerkungen,  die, 
literarischer,  sachlicher  oder  sprachlicher  Art,  das  Verständnis  des  nicht  selten 
dunklen  Textes  erleichtem  sollen.  Die  Stileigentflmlichkeiten  d'Aubign&i 
werden  durch  Parallelstellen  aus  anderen  Schriften  des  Dichters  und  aus 
denen  der  übrigen  Autoren  des  16.  Jahrh.  gut  erläutert,  und  die  Ab- 
weichungen seines  Sprachgebrauchs  von  den  ofBziellen,  durch  die  Gramma- 
tiker (Malherbe,  Vaugelas)  vertretenen  Begeln  im  einzelnen  konstatiert. 
Erleichtert  wurde  diese  Arbeit  bedeutend  durch  das  1892  erschienene 
um&ngreiche  Glossar  der  grofsen  Ausgabe,  das  auch  sonst  gute  Dienste 
geleistet  hat.  Auch  die  Anlehnungen  an  den  Bibelstil  sind  vollständig 
vermerkt.  Die  Erklärungen  zu  Anspielungen  auf  Zeitereignisse  sind  präzise 
und  innstruktiv;  es  ist  dabei  gelungen,  in  manches  Dunkel  mehr  Licht 
zu  bringen.  So  sind  z.  B.  die  Verse  979 — 988  durch  Hinzuziehung  einer 
zeitgenössischen  Münze  klargestellt.  Auch  die  sprachliche  Seite  ist  nicht 
vernachlässigt,  doch  zeigt  sich  hier  öfter  die  bei  französischen  Heraus- 

1)  Da  den  Heransgg.  nur  ein  Exemplar  von  B  bekannt  ist,  sei  hier  mitgeteilt,  dafs 
sich  ein  zweites  anf  der  Göttinger  Universitätsbibliothek  befindet 


14Ö  Ken«  ^hiloiogiflche  änndschaa  Üi,  1, 

gebem  beliebte  Manier,  die  sprachliche  Erklärung  durch  nenfranzÖBische 
Übertragung  zu  ersetzen.  Das  ist  als  Liebenswflrdigkeit  gegen  etwaige 
philologisch  nicht  gebildete  Leser  gewils  zu  loben,  aber  bei  der  Bestim- 
mung des  Yorliegenden  Buches  sind  solche  doch  ausgeschlossen.  So  mrd 
z.  B.  in  y.  203  des  maris  assommez  ou  bannis  pour  leur  bien  der  letzte 
Begriff  richtig  mit  k  cause  de  leurs  richesses  flbersetzt,  aber  es  gehört  doch 
dahin  ein  Hinweis  auf  die  Verbreitung  der  kausalen  Bedeutung  von  pour. 
Auch  in  V.  674,  wo  dont  durch  d'oü,  und  in  Y.  608,  1215,  wo  es  durch 
k  la  suite  de  quoi  erklärt  wird,  vermirst  man  ein  paar  Worte  Übet  die  dort 
hervortretende  ursprflngliche  und  etymologisch  allein  berechtigte  örtliche 
Bedeutung  des  Wortes.  Die  Schlüsse,  die  aus  den  Beimen  ffir  die  da- 
malige Aussprache  gezogen  werden  konnten,  sind  nur  teilweise  angemerkt 
worden;  zu  manchen  Erscheinungen  können  die  Beispiele  aus  dem  Text  selbst 
noch  vermehrt  werden.  So  fehlen  in  der  Anmerkung  zuY.  19  die  Beime 
treuve :  espreuve  (729),  louve :  trouve  (925),  zu  V.  38  droict :  vendroit  (247), 
droict :  veudroit  (1231),  zu  V.  947  en  Tair :  parier  (587),  recercher :  docher 
(839),  coSffer  :  le  fer  (1167).  ünberficksichtigt  geblieben  sind  die  Beime 
moSUe :  cervelle  (153)  und  moSUes :  chandelles  (913),  sowie  testes:Pro- 
phetes  (637),  testes :  debtes  (1049)  einerseits  und  tempeste :  reste  (373) 
anderseits.  Das  zu  Y.  50  vermerkte  Zusammenwerfen  von  consommer  und 
consumer  findet  sich  auch  noch  im  17.  Jahrb.  (vgl.  Livet,  Lexique  de  la 
langue  de  Meliere  s.  v.).  Zu  dem  zu  Y.  592  erwähnten  Yolksglauben,  dafs 
die  Wunden  eines  Toten  aufbrechen,  sobald  der  Mörder  sich  naht,  hätte 
die  Erwähnung  paralleler  Stellen  nahe  gelegen  (vgl.  Orimm,  Deutsche 
Bechtsaltertflmer,  S.  930  (Bahrgericht),  wo  auch  eine  Eabliau-Belegstelle 
angefahrt  wird;  Chevalier  au  Lyon,  herausgeg.  von  Holland,  Anm.  zu 
Y.  1183;  Corneille,  Horace  Y,  2).  Zu  Y.  991  tel  fut  cetV  autre  peste 
meinen  die  Herausgeber:  grammaticalement  on  attendrait  teile  und  suchen 
das  Maskulinum,  so  gut  es  gehen  will,  zu  erklären;  es  ist  demgegenfiber 
aber  darauf  hinzuweisen,  dafs  der  Gebrauch  von  tel  als  Femininform  sich 
noch  bei  Moli^re  findet,  also  hier  gar  nicht  auffällig  ist.  An  Druckfehlem 
bessere  man:  S.  37  Hugenottengestalt;  S.  61  (Anm.  zu  Y.  225)  225; 
S.  81  (in  Y.  606)  en;  S.  84  (Anm.  zu  Y.  651)  linteolum;  S.  130  Ffirsten. 
Ohne  Zweifel  wird  die  vorliegende  Ausgabe  den  Zweck,  fQr  den  die 
Herausg.  sie  bestimmt  haben,  trefflich  erfSllen ;  empfehlen  möchte  ich  sie 
aber  auch  für  die  Übungen  unserer  romanischen  Seminare.  Der  Text 
bietet  gegenflber  der  Chrestomathie-Lektflre  immerhin  etwas  Ganzes,  läfst 


^ 


Nene  PhflologiBobe  Rnndfloban  Nr.  7.  149 

sich  in  einem  Semester  erledigen  und  ist  zur  Einffihmng  in  das  Oebiet 
der  Textkritik  besonders  geeignet.  Aufserdem  gehört  er  der  mittel- 
französischen Epoche  an,  gestattet  also  sprachliche  Ansblicke  nach  rfick- 
und  vorwärts  und  wird  deshalb  das  Verständnis  der  Studierenden  fttr 
historische  Sprachentwickelung  in  hohem  Mafse  zn  fordern  vermögen.  Und 
das  soll  ja  im  Seminar  vor  allen  Dingen  erreicht  werden. 

Einen  zweiten  Herausg.  hat  das  erste  Bnch  der  Tragiques  in  Mennier 
gefunden  (Paris,  Delalain,  1896).  Dieser  folgt  weder  einer  Handschr.  allein 
noch  liefert  er  gar  einen  kritischen  Text,  sondern  er  beobachtet  ein  eklek- 
tisches Verfahren.    Nun  bedeutet  sein  Text  ganz  gewifs  einen  Fortschritt, 
z.  B.  gegen  die  Au^be  von  R&iume-de  Gaussade,  die  die  vielen  schlechten 
Lesarten  von  T  noch  aufweist,  aber  man  vermifst  doch  das  treue  Festhalten 
an  einer  Handschr.,  von  der  man  nur  dann  abgehen  soll,  wenn  absolut 
zwingende  Orfinde  vorliegen.  Meunier  verwirft  aber  den  Text  der  Handschr. 
B,  die  auch  seiner  Ausgabe  im  wesentlichen  zu  Grunde  liegt,  an  Stellen, 
wo  nur^rein  subjektive  Erwägungen  ihn  zur  Aufgabe  ihrer  Lesart  veranlafst 
haben  können.  So  liest  er  V.  38  connoistre  (T),  192  ont  eu  (AT),  258  gaignee 
(T),  265  Meu  de;  faim  et  de  rage  Pour  n*avoir  peu  trouver  que  piller 
au  village  (A),  887  naseaux  (T),  974  noirs  dessins  (A),  1293  ces  grands^ 
(T),  1302  Haussent  dedans  le  ciel  et  le  marbre  et  Talbastre  (A),  1313 
oü  Ton  (T).    Nur  an  einer  Stelle  möchte  ich  Meuniers  Lesart  vor  der  der 
Golinschen  Ausgabe  den  Vorzug  geben,  nämlich  in  V.  223,  wo  offenbar 
die  Worte  Pressent  ä  Testomach  leurs  enfans  esperdus  (A  T)  eine  Reminis- 
zenz an  Virgil  sind  (An.  VU,  518).    Ein  Variantenapparat  fehlt  ganz, 
über  eigene  Emendationen  gibt  Meunier  weiter  keine  Bechenschaft  (vgl 
V.  190  Cadmecienne,  1338  gehennes).     Die  V.  199  —  210,  997  —  1000, 
1015—1016,  1105—1110,   1130  (Hälfte)  sind  in  usum  Delphini  aus- 
gelassen.   Sollte  das  wirklich  bei  jungen  Leuten,  die  sich  zur  Licence 
vorbereiten,  noch  nötig  sein?  Lästig  ist  auch  das  Fehlen  der  Verszählung, 
sehr  praktisch  dagegen,   dafs  vor  neuen  Abschnitten  Überschriften  ein- 
gefügt sind,   durch  die  der  Text  an  Übersichtlichkeit  gewinnt;  in   der 
Golinschen  Ausgabe  vermifst  man  solche  Überschriften  sehr.    Die  An- 
merkungen enthalten  meistens  Texterklärung;  sprachliche  und  metrische 
Fragen  berflhren  sie  nur  selten.    Mit  wenigen  Ausnahmen  sind  sie  sach- 
lich gehalten.    Was  soll  z.  B.  zu  den  Versen  97—130  (Fils  saus  piti^) 
die  sentimentale  Bemerkung:  Le  cceur  d'un  bon  citoyen  saigne  dans  cette 
peinture  oü  la  France  est  compar6e  ä  une  mhxe  d^hiräe  par  ses  enfants? 


150  Nene  Philologische  RimclBohaii  Nr.  7. 

Oder  wozu  zu  den  Verseil  1203—1240  und  1241 — 1268,  in  denen  Papsttum 
nnd  Jesuiten  angegriffen  werden,  die  Entschuldigung:  On  n'oubliera  pas,  en 
lisant  ces  vers  et  ceux  qui  suivent  sur  l'ordre  des  j^mites,  que  d'Aubign^ 
6tait  un  Protestant  fougueux  et  volontiers  passionn^?  Auf  S.  57  fehlen 
die  für  V.  1355—1376  bestimmten  fKnf  Anmerkungen;  man  verbessere 
aufserdem  S.  10  q>aiv6a&ai,  S.  53  Anm.  3  page  52.  —  Meuniers  Aus- 
gabe mag  fQr  die  Philosophie  eines  Lyoee,  falls  man  dort  d'Aubign^  trak- 
tiert, ausreichen,  aber  fQr  junge  Leute,  die  sich  auf  die  Licence  vor- 
bereiten wollen,  genügt  sie  nicht. 


81)  Eduard  Kammer,  Ein  ftsthetitscher  Kommentar  am  Ho- 
mers Ilias.  2.,  neubearbeitete  Aufl.  Mit  einem  Lichtdruck- 
bilde. Paderborn,  F.  SchOningh,  1901.  346  S.  8.  Jf  4.  — . 
Nachdem  Kammer  in  sehr  gründlichen  Untersuchungen  der  Sprache 
Homers  mit  der  Fähigkeit,  originalen  und  entlehnten  Ausdruck  zu  unter- 
scheiden, auch  die  Zuversicht  gewonnen  hatte,  den  echten  Homer  von 
fremden  Ein-  und  Zudichtungen  trennen  zu  können,  schlug  er  in  seinem 
zuerst  1889  veröffentlichten  Homerkommentar  entgegen  der  Gewohnheit, 
auf  den  Gymnasien  den  ganzen  Homer  zu  lesen,  vor,  den  Schülern  nur 
*das  Edelste  der  Dichtung  in  geschlossener  Form  zu  bieten.  Der  Gedanke 
hatte  eigentlich  alles  für  sich.  Auch  wer  die  zahlreichen  Widersprüche 
und  Bätsei  der  Ilias,  die  von  philologischen  Interpreten  wie  von  kon- 
genialen Freunden  Homers  seit  Horaz  bis  auf  H.  Grimm  zugestandenen 
Schwächen  der  homerischen  Epen  mit  dem  Umstände  erklärt,  dafs  der 
Dichter  sie  in  einer  Zeit  der  Gärung  gedichtet  habe,  die  fortwährend 
neues  brachte,  wird  dem  Vorschlag  Eammers  beipflichten  müssen.  Denn 
ohne  Frage  wird  die  Kenntnisnahme  einer  abgeschlossenen  Komposition 
und  die  eindringende  Behandlung  einer  Auswahl  ihrer  poetisch  wertvollsten 
Teile  auf  die  Jugend  eine  nachhaltigere  Wirkung  ausüben  als  die  kursorische, 
für  sie  noch  dazu  mit  mehr  Arbeit  verbundene  Lektüre  nach  der  Über- 
lieferung in  buntem  Wechsel  aneinandergereihter  ungleichwertiger  Partieen, 
die  unbedenklich  an  jeder  beliebigen  Stelle  abgebrochen  wird.  Die  neuen 
Lehrpläne  haben  diese  veränderte  Anschauung  zur  Geltung  gebracht,  und 
eine  ganze  Anzahl  von  Ausgaben  der  Klassiker  in  Auswahl  veranlafst. 
Für  die  Ilias  hat  Kammer  die  Grundlage  gegeben,  die  selbst  demjenigen 
eine  willkommene  Stütze  sein  wird,  der  mit  Homer  auf  vertrautem 
Fufse  steht.   Denn  nicht  jedem  ist  zu  aller  wissenschaftlichen  Tüchtigkeit 


^ 


Neae  Fhilologisdie  Bimdfloliaa  Kr.  7.  151 

ein  80  feines  poetisches  Verständnis  ffir  die  Schönheiten  der  Dichtung 
gegeben,  ein  so  guter  Geschmack  und  scharfer  Blick  f&r  das  dichterisch 
Zulässige  zu  eigen,  wie  ihn  E.  an  zahlreichen  vielumstrittenen  Stellen 
glänzend  bewiesen  hat  Damit  ist  natürlich  nicht  gesagt,  dafs  man  sich 
durchweg  von  seiner  Entscheidung  binden  lassen  wird.  E.  läfst  auch 
selbst  fiir  Meinungsverschiedenheiten  —  wie  es  auf  so  schwierigem  Boden 
angebracht  ist  — ,  den  weitesten  Spielraum. 

Vielleicht  ist  es  nicht  fiberflflssig,  den  Inhalt  seiner  Schrift,  die  vor 
zehn  Jahren  in  erster  Auflage  erschien,  noch  einmal  kurz  anzudeuten. 
E.  gibt  zunächst  eine  dramatisch  gegliederte  Darstellung  der  ursprfing- 
lichen  Dias,  wie  sie  ihm  erscheint,  und  entwirft  sodann  ein  Bild  des  ho- 
merischen Menschen  in  seinen  Beziehungen  zur  Natur  und  Tierwelt.  Es 
folgt  eine  ganz  vortreffliche  Charakteristik  der  einzelnen  Figuren,  Hektor, 
Agamenmon,  Diomedes,  Aias  u.  s.  w.,  darauf  eine  Analyse  der  allgemeinen 
Naturanlage  des  homerischen  Menschen.  Der  zweite  Hauptteil  des  Buches 
enthält  zu  sämtlichen  Gesängen  der  Dichtung  Einzelkommentare,  deren 
ümfong  und  Tiefe  sich  nach  der  Zugehörigkeit  des  Gesanges  zur  ürilias 
bemifst. 

In  diesem  Teile  nun,  in  dem  der  Verf.  seine  ästhetische  Eritik  ans- 
äht, scheint  mir  der  Hauptwort  der  Schrift  zu  liegen.  Denn  gewifs  ist 
alles,  was  E.  fiber  die  Gleichnisse  in  der  Dias  als  Gegenbilder  mensch- 
licher Handlungen  und  Stimmungen,  über  das  NaturgefQhl  des  homerischen 
Menschen  im  Gegensatz  zur  modernen  Naturbetrachtung  über  die  Volks- 
seele geschrieben,  für  die  Interpretation  eine  äufserst  anregende  und  will- 
kommene Beihilfe;  auch  dals  er  sich  mit  Bhodes  Psyche,  die  schwerlich 
von  jedem,  der  Homer  zu  erklären  hat,  studiert  worden  ist,  so  eingehend 
auseinandersetzt,  verdient  volle  Zustimmung.  Aber  abgesehen  davon,  dals 
ich  mir  fKr  die  Bedeutung  des  rhetorischen  Elements  in  der  Ilias,  für  die 
Physiognomik  u.  a.  m.  des  Verf.  Aufmerksamkeit  in  höherem  Mafse  ge- 
wünscht hätte,  so  besitzen  wir  auch  in  anderen  Schriften  derartige  charak- 
terisierende Zusammenstellungen,  die  dem  Lehrer  eine  Fülle  von  Material 
zur  Erläuterung  gewisser  schwieriger  Stellen  bieten.  Dagegen  fehlte  es 
an  einer  jeden  einzelnen  Gesang  so  hell  im  einzelnen  ästhetisch  beleuch- 
tenden Eritik.  Von  sprachlichen  Untersuchungen,  die  des  Verf.  Urteil 
dabei  geleitet  hätten,  wird  der  Leser  nicht  viel  gewahr.  Dagegen  wird 
die  Bedeutung  der  einzelnen  Episoden  für  die  Entwickelung  der  Hand- 
lung, die  schärfere  oder  schwächere  Elarheit  in  der  Zeichnung,  die  Fülle 


152  Kene  Ftdlologiflobe  Rundschau  Nr.  7. 

oder  der  Mangel  an  Kraft  in  der  Anschanlichkeit  der  Gleichnisse,  die 
Tiefe  oder  Flachheit  in  der  Auffassung  der  Charaktere  bestimmend  fKr 
die  Wertung  der  einzelnen  Gesänge.  Es  mufs  anerkannt  werden,  dafs  in 
dieser  sehr  schwierigen  Arbeit  E.s  Urteil  von  einer  bewundemswOrdigen 
Besonnenheit  und  Festigkeit  ist,  dafs  andrerseits  die  Kraft  der  Überzeugung 
von  der  GrOfse  echt  homerischer  Dichtung  im  ganzen  Buche  einen  Aus- 
druck gewinnt,  der  im  Gegensatz  zu  der  heute  vielfach  wahrzunehmenden 
Flauheit  in  der  Würdigung  der  Antike  sehr  wohltuend  wirkt. 

Bremen.  L.  Koeh. 

82)  Heinrich  Nissen,  Italische  Landeskunde.     Zweiter  Band: 
Die  Städte.    Erste  Hälfte.    Berlin,  Weidmannsche  Buchhand- 
lung, 1902.     IV  U.  480  S.  8.  Jt  7.—. 
Im  Jahre  1883  erschien  der  erste  Band  von  Nissens  Italischer  Landes- 
kunde.   Der  eigentfimUche  Wert  des  Buches  beruht  darin,  dafs  sich  hier 
Philologie  und  Naturwissenschaft  vereinigen,  um  uns  zu  zeigen,  wie  Italien 
zur  BGmerzeit,  insbesondere  zur  Zeit  des  Kaisers  Augustus  aussah.    Das 
Werk  hat  denn  auch  überall  die  wohlverdiente  Anerkennung  geftinden; 
wer  sich  forschend  oder  lehrend  mit  Italien  beschäftigt,  betrachtet  es 
längst  als  unentbehrliches  Hilfsmittel.    Es  gehört  zu  den  Bflchem,  die 
sich  nicht  durch  einmalige  Lektflre  ausschöpfen  lassen :  die  Fülle  der  mit- 
geteilten Tatsachen,  die  knappe,  manchmal  lapidare  Schreibart  zwingen  zu 
immer  neuer  Betrachtung.    Nun  ist  nach  19  Jahren  vom  zweiten  Bande 
die  erste  Hälfte  erschienen,  und  wir  dürfen  hoffen,  in  nicht  zu  femer 
Zeit  das  ganze  Werk  vollendet  zu  sehen.  Methode  und  Darstellung  zeigen 
dieselbe  Eigenart :  Geographie,  Geologie,  Statistik  und  beschreibende  Natur- 
wissenschaften unterstützen  die  Philologie  bei  ihrem  Bemühen,  ein  Bild 
von  Italiens  Landschaften  zu  geben,  und  was  der  Forscher  gefunden  hat, 
das  weifs  er  mit  klarer  Kürze  ohne  rhetorischen  Schmuck  mitzuteilen. 
In  den  kurzen  Vorbemerkungen,  die  jedem  Abschnitt  vorausgeschickt  sind, 
wird  eine  Charakteristik  der  betreffenden  Landschaft  gegeben;  dann  folgt, 
was  die  trümmerhafte  Überlieferung,  was  eigene  Anschauung  und  neuere 
Spezialuntersuchungen  über  Lage  und  Geschick  der  Städte  zu  sagen  gestatten. 
Manchmal  will  es  scheinen,  dafs  der  Verf.  in  der  Anführung  der  Lite- 
ratur und  in   der  Formulierung    seiner    gedrängten  Sätze   bis  an   die 
äufserste  Grenze  bedeutsamer  Kürze  gegangen  ist  —  für  Bavenna  z.  B. 
sähe  man  gern  das  wertvolle  Programm  von  Finsler,   Bavenna  in  der 


^ 


Nene  Philologische  BundBchan  Nr.  7.  168 

römischen  Eaiserzeit,  Zflrich  1885,  zitiert,  und  die  grorsartige  Lage 
von  Alba  Fucens  kommt  in  der  DarstelluDg  S.  467  n.  f.  nicht  ganz  zu 
ihrem  Bechte.  —  Im  allgemeinen  aber  sind  die  zahllosen  Städte-  und 
Landschaftsbilder  dieses  Teiles  mit  meisterhafter  Klarheit  entworfen.  Man 
lese  z.  B.  auf  S.  320  die  treffliche  Schilderung  der  Schlacht  am  Trasi- 
menus,  oder  S.  453,  wo  der  antike  Stollenbau  vom  Fucinersee  nach  dem 
Liris  mit  folgenden  Wort-en  charakterisiert  wird:  „Ohne  Magnetnadel, 
ohne  Sprengmittel,  mit  Meisel  und  Schlägel  ist  hier  ein  Tunnel  her- 
gestellt worden,  dessen  Länge  erst  seit  der  Durchbohrung  des  M.  Cenis 
flbertroffen  ist.^'  Wer  ferner  das  zerrissene  Tafeiland  Etruriens  aus  eigener 
Anschauung  kennt,  wird  folgender  Schilderung  seinen  Beifall  nicht  ver- 
sagen: „Der  Wanderer  erblickt  eine  Stadt  in  absehbarer  Entfernung  und 
vermeint  sie  in  einer  kurzen  Spanne  Zeit  zu  erreichen,  bis  er  an  der 
Schlucht  angelangt  wider  Erwarten  zu  einem  stundenlangen  Umweg  ge- 
nötigt wird,  um  zum  Ziel  zu  gelangen,  das  ihm  schon  so  lange  greifbar 
vor  Augen  gaukelte  ^^  (S.  326).  Überall  ist  die  Vergangenheit  mit  der 
Gegenwart  in  lebendige  Verbindung  gebracht,  wie  wenn  S.  340  die  Li^e 
des  antiken  Balneum  Begis,  östlich  vom  Bolsenersee,  folgendermafsen 
beschrieben  wird:  „Der  vulkanische  Boden,  auf  dem  der  Ort  ruht,  wird 
durch  den  Begen  erweicht  und  stürzt  herab;  man  kann  den  Verfall 
von  Jahr  zu  Jahr,  ja  von  Monat  zu  Monat  verfolgen.  Der  Stadthflgel 
schrumpft  infolgedessen  ein;  er  hing  1864  nur  durch  einen  schmalen 
Isthmus,  der  in  Bälde  völlig  durchsägt  werden  wird,  mit  der  breiten  Hoch- 
fläche zusammen;  die  Einwohner  (bis  auf  150  Seelen)  hatten  auf  ge- 
sicherte Stätte  nach  dem  heutigen  Bagnorea  flbersiedeln  mflssen.  Wie  die 
Halligen  unseres  heimatlichen  Meeres  geht  die  Civitä  antica  ihrem  Unter- 
gang durch  unerbittliche  Naturgewalten  entgegen/^  Von  Veji  heifst  es 
S.  357:  „In  Weide-  und  Ackerland  ist  die  Stätte  der  langjährigen  Neben- 
buhlerin Boms  umgewandelt;  daneben  liegt  Isola  Farnese,  ein  von  kaum 
100  fiebergelben  Menschen  bewohnter  Weiler.^^ 

Der  Beschreibung  der  Landschaften  und  Städte  hat  Nissen  eine  Ein- 
leitung von  100  Seiten  vorausgeschickt,  die  überaus  lesenswert  ist,  weil  sie 
die  allgemeinen  Gesichtspunkte  für  die  dann  folgende  Beschreibung  bietet. 
Der  erste  Abschnitt  bespricht  Oröfse  und  Einteilung  des  Landes;  er  schliefst 
S.  7  mit  den  die  ganze  Entwickelung  trefflich  charakterisierenden  Worten : 
„Wie  Italien  im  Laufe  der  Zeiten  sein  Pflanzenkleid  verändert,  hat  es 
auch  die  ehenmligen   bäuerischen  Lebensformen  gegen   städtische   um- 


164  Keue  Philologisclie  Bimdaehaii  Nr.  7. 

getauscht.  Hellenen  und  Etrnrier  haben  das  Werk  begonnen,  die  B6mer 
haben  planmäfsig  am  Ausbau  fortgearbeitet.  Als  es  zuletzt  an  Alters- 
schwäche zu  Grunde  ging,  gelangte  das  Bauerntum  durch  die  Germanen 
wieder  zu  Ehren.  Aber  das  r&mische  Städtewesen  feierte  seine  Auf- 
erstehung und  machte  Italien  abermals  zu  einem  Land  der  Städte/^  Nach- 
dem in  §  2  die  römischen  Landgemeinden  dargestellt  sind,  wird  in  §  3 
durch  einen  Vergleich  mit  deutschen  und  griechischen  Verhältnissen  höchst 
einleuchtend  gezeigt,  wie  sich  im  alten  Italien  aus  der  bäuerlichen  An- 
siedelung allmählich  die  Stadt  entwickelt,  teils  durch  Handel  und  Wandel, 
teils  durch  den  Druck  der  Eroberung,  namentlich  der  römischen.  Ffir 
die  sich  selbst  verwaltende  Landstadt,  die  nicht  ohne  Anteil  am  römischen 
Burgerrechte  bleibt,  haben  die  Bömer  den  Namen  municipium.  §  4  bietet 
nicht  nur  eine  Aufzählung  der  römischen  Eolonieen,  sondern  zeigt  auch, 
wie  sie  entstanden  sind.  Ganz  vortrefflich  ist  der  folgende  Abschnitt, 
der  in  knpper  Form  die  Entwickehmg  der  Städte,  die  Erbauung  und  den 
Verfall  ihrer  Mauern,  die  Anlage  ihrer  Häuser  und  öffentlichen  Bauten, 
ihrer  Strafsen  und  Wasserleitungen  schildert.  In  §  6  wird  nachgewiesen, 
dafs  die  dem  römischen  Landstrafsenbau  gezollte  Bewunderung  im  all- 
gemeinen vollauf  verdient  ist.  In  der  Wahl  gerader  Linien,  in  dem  Be- 
streben, die  Entfernungen  durch  Brücken,  Dämme  und  Durchstiche  abzu- 
kürzen, bietet  das  römische  Strafsennetz  manche  Vergleichungspunkte  mit 
den  heutigen  Eisenbahnen.  Seinen  Ursprung  dankt  es  militärischen  Er- 
wägungen, seine  immer  fortschreitende  Erweiterung  und  Vervollkommnung 
wirtschaftlichen  Interessen.  Eap.  7  behandelt  Mafs  und  Münze.  Wir 
erfahren,  weshalb  die  anfängliche  ünbestimmtheil  von  Mafs  und  Münze 
allmählich  festeren  Normen  Platz  machte,  lernen  die  hierbei  tätigen  frem- 
den Einflüsse  kennen  und  überzeugen  uns  durch  eine  zahlenmäfsige  Dar- 
legung, wie  Bom  seit  dem  hannibalischen  Kriege  immer  mehr  auf  Einheit 
in  diesen  Dingen  hinarbeitete.  Ein  noch  gröfseres  Interesse  beansprucht 
Eap.  8  „Die  Volkswirtschaft ^^  Es  geht  von  der  Tatsache  aus,  dafs 
im  heutigen  Italien  nur  die  Hälfte  des  Bodens  bebaut  oder  bebaubar  ist 
und  dafs  das  arbeitende  Volk  „trotz  Fleifs  und  Geschick,  Geduld  und 
Mäfsigkeit  buchstäblich  am  Hungertuche  nagt'^  Zu  diesen  bedauerlichen 
Zuständen  hat  schon  der  Kapitalismus  des  Altertums  den  Grund  gelegt; 
das  zeigt  Nissen  in  Kap.  8  auf  das  einleuchtendste.  Im  letzten  Abschnitt 
wird  das  Steigen  und  Sinken  der  Bevölkerungszahl  erörtert,  wofür  die  seit  dem 
3.  Jahrh.  immer  zuverlässiger  werdenden  Zensuszahlen  einen  Anhalt  bieten. 


^ 


Kene  Fhilologiaehe  Bandsohaa  Nr.  7.  Ifi5 

Während  ich  diese  Anzeige  schliefse,  gelangt  die  zweite  H&lfte  des 
zweiten  Bandes  in  meine  Hände.  Wir  haben  allen  Anlafs,  uns  der  VoUen- 
dang  des  trefflichen  Werkes  zu  frenen  and  dem  Meister  unseren  Dank 
ffir  mannigfache  Belehrung  auszusprechen. 

Bremen.  Erast  Ueselar. 

83)   Walter    Altmann,    Architektur  und    Ornamentik    der 
antiken  Sarkophage.     Mit  33  Abbildungen  im  Text  und 

2  Tafeln.  Berlin,  Weidmannsche  Buchhandlung,  1902.     112  S.  8. 

Ji  4.—. 

Die  Schrift  ist  eine  Erweiterung  der  von  dem  Verf.  frflher  unter 
gleichem  Titel  in  lateinischer  Sprache  verfafsten  Dissertation,  zu  der  ihn 
sein  Lehrer  Carl  Bobert,  der  Herausfg.  der  antiken  Sarkophagreliefs,  ver- 
anlafst  hatte.  In  dem  Abschnitt  fiber  die  Architektur  schildert  Verf.  zu- 
nächst die  im  Orient  übliche  anthropoide  Form,  die  Hausform,  die  Theke, 
die  Elinai,  die  Altarform,  die  geriefelten  Sarkophage  und  die  Säulen- 
sarkophage. Der  Teil  aber  die  Ornamentik  beschäftigt  sich  mit  den 
griechischen  und  römischen  Ouirlandensarkophagen,  stellt  den  Unterschied 
zwischen  den  griechischen  und  römischen  Sarkophagen  der  Eaiserzeit  fest 
und  kommt  nach  einer  Behandlung  der  Schmalseiten  und  Deckel  der 
Sarkophage  zur  Datierung  der  Sarkophagtypen. 

Der  Verf.  hat  die  Aufgabe,  die  er  sich  gestellt,  in  durchaus  be- 
friedigender Weise  gelöst.  Es  fehlte  uns  bisher  an  einer  Monographie 
die  den  gewaltigen  Stoff  in  fibersichtlicher  Anordnung  bearbeitete.  So  sehr 
sich  nun  Altmann  dieser  Übersichtlichkeit  zu  Liebe  auf  die  Mitteilung 
des  Wesentlichen  fiber  jede  Gattung  der  Sarkophage  beschränkte,  er  läfst 
doch  die  Vollständigkeit  nicht  vermissen  und  bietet  durch  ausreichende 
Angabe  des  Quellenmaterials  jedem  Interessierten  Gelegenheit  zu  sorg- 
fältiger Nachprfifung.  Besonders  dankenswert  sind  seine  Ausführungen  fiber 
die  Ornamentik  detr  griechischen  und  der  römischen  Sarkophage,  und 
glflcklich  der  Gedanke,  die  römischen  Gippi  ffir  die  Entwickelung  der 
römischen  Ornamentik  heranzuziehen.  Nur  wird  schwerlich,  wie  der  Verf. 
meint,  eine  Einzeluntersuchung,  wie  fiber  die  Entwickelung  des  Bukranions 
ohne  weiteres  imstande  sein,  die  „  bestehenden  irrigen  Ansichten  aus  der  Welt 
zu  räumen,  als  sei  die  ganze  römische  Kunst  nur  ein  verflachter  Abdruck  der 
hellenistischen  ^^  Der  Verf.  wird  doch  nicht;  weil  er  in  Dekorationen  an 
Erzeugnissen  eines  „fabriksmäfsigen  Handwerkes'^  eine  gewisse  Selbständig- 


156  Nene  Fhilologiscbe  Rnndschan  Nr.  7. 

keit  im  einzelnen  entdeckte,  die  Abhängigkeit  der  griechisch-römischen 
Kunst  von  der  hellenistischen  leugnen  wollen,  die  so  recht  die  perga- 
menischen  Funde,  namentlich  der  Telephosfries  glaubhaft  gemacht  haben? 
Für  eine  neue  Auflage,  die  wir  der  Schrift  baldigst  wflnschen,  dürfte  eine 
Durchsicht  und  Besserung  des  nicht  immer  einwandfreien  Stiles  am  Platze 
sein  (so  S.  3,  5,  13  u.  a.  a.  St.). 

Bremen.  L.  Kooh. 

84)  TransactionB  and  Froceediogs  of  the  American  Fhflo- 
logical  Association  1900.  Vol.  XXXI.  Boston,  Ginn  &  C!o.; 
Leipzig,  0.  Harrassowitz.  250  u.  CVIII  S.  gr.  8.  $  2.  — . 
Der  erste  Teil,  der  den  Transactions  gewidmet  ist,  enthält  folgende 
Abhandlungen:  1)  J.  C.  Rolfe,  The  Formation  of  Substantives  from 
Latin  Oeographical  Adjectives  by  Ellipsis  (S.  5 — 26).  Es  handelt  sich 
um  Wörter  nach  Art  von  Arduenna  sc.  silva,  Greta  sc.  terra,  Molossus  sc. 
canis  u.  s.  f.  —  2)  C.  Bonner,  The  Danaid-Myth  (S.  27—36).  Die 
Danaidensage  ist  nicht  mit  Preller  u.  a.  als  Naturmythus  zu  erklären; 
vielmehr  handelt  es  sich  um  eine  alte  Yolkserzählung ,  die  bei  anderen 
Völkern  deutliche  Parallelen  hat.  Die  Bestrafung  der  Danaiden  hat  mit 
der  ursprünglichen  Sage  nichts  zu  tun.  —  3)  H.  N.  Fowler,  Pliny, 
Pausanias  and  the  Hermes  of  Praxiteles  (S.  37—45).  F.  erhebt  Einspruch 
gegen  die  Hypothese  der  Miss  Seilers  (Oazette  des  Beaux  Artes  1897, 
119  ff.),  dafs  der  Hermes  von  Olympia  nicht  ein  Werk  des  Praxiteles  (so 
Pausan.  lY  17,  3),  sondern  vielmehr  des  älteren  Eephisodotos  (so  Plinius 
N.  H.  34,  87)  sei;  erstens  ist  es  nicht  ausgemacht,  dafs  Plinius  den 
Hermes  von  Olympia  meint,  denn  der  bezeichnete  Typus  war  gewifs  ver- 
breiteter, sodann  aber  wissen  wir,  selbst  wenn  die  angenommene  Be- 
ziehung zutreffend  wäre,  nicht,  welche  Olaubwflrdigkeit  der  Quelle 
des  Plinius  (anonymer  Eünstlerkatalog  nach  Ealkmann)  zukommt.  — 
4)  0.  Showerman,  Was  Attis  at  Bome  under  the  Bepublic?  (S.  46 
bis  59).  Die  Frage  ist  zu  verneinen,  da  in  der  Stelle  aus  Varros  Menip- 
peischen  Satiren  Attis  erst  durch  Lachmanns  Konjektur  eingesetzt  ist,  da 
ferner  die  Deutung  einer  Nebenfigur  auf  der  Münze  eines  Gethegus  sehr 
unsicher  ist,  da  endlich  zur  Zeit,  als  die  Magna  Mater  Deum  nach  Rom 
fibergefflhrt  wurde,  mit  deren  Kult  in  Kleinasien  kein  Attis-Kult  ver- 
bunden war.  Zwar  war  die  Sage  von  Attis  gegen  Ende  der  Bepublik 
durch  griechische  Yermittelung  ohne  Zweifel  auch  in  Born  bekannt  ge- 


^ 


Nene  Philologische  Bnndsohan  Nr.  7.  157 

worden,  der  Eult  ist  aber  erst  seit  Kaiser  Claudias  dort  heimisch.  Gatolls 
Attis  ist  der  Typus  eines  Cybelepriesters.  —  5)  J.  B.  Carter,  The  Cogno- 
mina  of  the  Ooddess  Fortuna  (S.  60—68).  Besprechung  der  auf  In- 
schriften und  in  der  Literatur  (haupts.  Plutarch.)  vorkommenden  Bei- 
namen. —  6)  Ch.  F.  Smith,  Traces  of  Epic  Usage  in  Thucydides 
(S.  69 — 81).  Zusammenstellung  der  Ausdrücke,  die  sich  entweder  direkt 
oder  indirekt  auf  Homer  und  die  anderen  Epiker  zurflckfQhren  lassen.  — 
7)  Th.  D.  Seymour,  Notes  on  Homeric  War  (S.  82—92).  S.  bespricht 
die  eigentümliche  Bolle,  die  das  Heervolk  bei  Homer  im  Gegensatz  zu 
den  Führern  spielt;  von  einem  eigentlichen  Krieg  kann  gar  nicht  die 
Bede  sein,  da  jede  Heeresorganisation,  jede  gemeinsame  Aktion  unter  plan- 
voller Leitung  fehlt.  'The  earliest  form  of  the  Iliad  very  possibly  knew 
only  of  a  small  expedition,  ande  one  which  remained  only  a  short  time 

before  Troy The  Iliad  contains  few  allusions  to  the  earlier  battles 

of  the  war,  even  where  we  might  expect  these*.  —  8)A.  Gudeman, 
The  Sources  of  the  Germania  of  Tacitus  (S.  93  —  111).  Der  Verf.  der 
Germania  schildert  nicht  aus  eigener  Anschauung;  nichts  spricht  für 
diese  immer  noch  vertretene  Annahme,  wohl  aber  vieles  dagegen. 
Seine  Nachrichten  erhielt  Tacitus  teils  von  Freunden  und  Bekannten, 
die  in  Germanien  gewesen  waren,  teils  schöpfte  er  aus  literarischen 
Quellen.  Abgesehen  von  Cäsars  Comm.  de  hello  Gallico,  die  nur  ganz 
wenig  benutzt  sind,  ist  schwerlich  eines  der  erhaltenen  Werke  (Yelleius, 
Mela,  Plinius  N.  H  u.  s.  w.)  unter  den  Quellen  des  Tacitus  zu  suchen; 
in  Frage  kommen  des  Plinius  Bella  Germaniae  und  besonders  das  Werk 
des  Poseidonios  von  Apamea  (dieser  ist  auch  der  erste^  der  den  Namen 
'Germanen  erwähnt  bei  Athen.  lY  p.  153  e;  S.  109  Anm.  2),  daneben 
vielleicht  noch  Yarro,  Aufidius  Bassus  und  eine  Karte,  vermutlich  die  des 
Marines  von  Tyrus.  —  9)  E.  Capps,  Studios  in  Greek  Agonistic  Inscriptions 
(S.  112 — 137).  C.  behandelt  hauptsächlich  'The  Choregic  Inscriptions  of 
Dolos'  und  'Tbe  Soteric  Inscriptions  of  Delphi';  seine  Ergänzungen  und 
Yerbesserungen  sind  auf  S.  137  zusammengestellt.  —  10)  W.  G.  Haie 
Is  there  still  a  Latin  Potential?  (S.  138—162).  Das  Besultat  der  sehr 
eingehenden,  das  Griechische  reichlich  berücksichtigenden  Untersuchung 
ist  die  Bejahung  der  Frage;  der  Aufeatz  ist  hauptsächlich  gegen  Eimer 
gerichtet  —  11)  W.  A.  Heidel,  On  Plato's  Euthyphro  (S.  163—181). 
H.  gibt  eine  Analyse  dieses  Dialogs,  sucht  seine  Stellung  zu  anderen 
Schriften  Piatons  zu  bestimmen,  behandelt  die  Frage  nach  der  Echtheit 


158  Nene  Philologische  Rnndsohaa  Nr.  7. 


und  der  Entstehungszeit  und  bedauert  schliefslich,  dafs  er  in  amerikani- 
schen Schulen  wenig  gelesen  werde.  —  12)  G.  Hempl^,  The  Salian  Hjmn 
to  Janus  (S.  182—188).    H.  gelangt  zu  folgender  Fassung: 

coceulGd  orieso*  omnia  u6röd  patula  coemis. 

es  ianos  cüsistios.  duonos  ceros  es  * 

duonos  ianos  ueniet.  potimos  (oder  potissimos)  meliösom  recom.; 
dazu  gibt  er  eine  englische  Übersetzung,  die  also  lautet: 

Gome  forth  with  the  cuckoo!  Truly  all  things  dost  thou  make  open. 

Thon  art  Janus  Curiatius,  the  good  creator  art  thou. 

Good  Janus  is  coming,  the  chief  of  the  superior  rulers.  — 

13)  G.  D.  Chase,  Sun  Myths  in  Lithuanian  Folksongs  (S.  189—201).  — 

14)  H.  L.  Wilson,  The  üse  of  the  Simple  for  the  Compound  Verb  in 
Juvenal  (S.  202—222).  W.  bespricht  die  einzelnen  Fälle;  die  Erschei- 
nung Mst  sich  zurfickführen  auf  den  Gebrauch  in  sakralen  und  gesetz- 
lichen Formeln,  auf  die  Umgangssprache,  auf  eine  Vorliebe  für  alliterierende 
Wendungen,  vor  allem  aber  auf  die  poetische  Diktion,  die  durch  derlei 
Mittel  belebt  wurde.  —  15)  Ch.  E.  Ben  nett,  The  Stipnlative  Sub- 
junctive  in  Latin  (S.  223—250).  B.  versteht  darunter  ^a  subordinate 
subjunctive  clause  designating  primarly  some  agreement,  compact,  or  under- 
standing  under  which  the  main  act  takes  place\  Unter  diese  Eat^orie, 
die  nach  B.s  Meinung  bisher  völlig  verkannt  worden  ist,  gehören  u.  a. 
die  Sätze,  die  man  ffir  gewöhnlich  als  restringierende  oder  einschränkende 
Konsekutivsätze  bezeichnete  (so  z.  B.  Kühner  und  Dräger),  eingeleitet 
durch  ita,  ea  lege,  ea  condicione  . . .  ut  (ut  non,  ne,  ut  ne);  aber  damit 
ist  der  umfang  der  Gruppe  noch  lange  nicht  erschöpft.  Da  ein  weiteres  Ein- 
gehen auf  die  interessante  Abhandlung,  die  nicht  nur  für  die  syntaktische 
Forschung,  sondern  auch  für  die  Kritik  und  Exegese  der  Texte  wichtig 
ist,  an  dieser  Stelle  leider  ausgeschlossen  ist,  so  sei  weniptens  nachdrück- 
lich darauf  hingewiesen. 

Aus  dem  zweiten  Teil  des  Bandes  sei  auf  folgende  Artikel  aufmerk- 
sam gemacht:  W.  N.  Bates,  Emendations  to  the  Tenth  Book  of  Pau- 
sanias  (S.  vi);  E.  T.  Owen,  A  Bevision  of  Pronouns  with  Especial  At- 
ention  to  Relatives  and  Belative  Clauses  (S.  ix);  W.  A.  Merrill,  Some 
Lucretian  Envendations  (S.  xii);  E.  G.  Sihler,  On  a  Certain  Matter  in 
the  Earlier  Literary  History  of  Aristophanes  (S.  xni);  L.  J.  Bichard- 
son,  On  the  Form  of  Syllables  in  Classical  Greek  and  Latin  Foetry 
(S.  ziv);  B.  B.  Steele,  On  the  Greek  in  Cäcero's  Epistles  (S.  xyi);  H.  C. 


^ 


Kene  Philologifiobe  Bundflcban  Nr.  7.  169 

Tolman,  Historical  Notes  od  Herodotus  1 106  (S.  xxii);  F.  B.  Tarbell, 
An  Inscribed  Proto-Corinthian  Lecythus  [im  Museum  of  Fine  Arts  in 
Boston  Mass. ;  Aufschrift  i7t;^og  pi  enoUaev  'Ayaailefd]  (S.  zu);  Gh.  H. 
Shannon,  Etymologies  ofSome  Latin  Words  of  Will  and  Desire  (studeo, 
amo,  oro]  (S.  xxiv);  Tb.  G.  Burgess,  The  ßaaihxdg  Uyog  (S.  xxvu); 
W.  G,  Haie,  The  Genitive  and  Ablative  of  Description  [gegen  Wölflflin- 
Edwards]  (S.  xxxi);  E.  P.  Harrington,  Tibullus  as  a  Poet  of  Natnre 
(S.  xxxiv);  W.  A.  Heidel,  Interpretation  of  Gatullns  YUI  (S.  xzxix); 
F.  S.  Dann,  Juvenal  as  a  Humorist  (S.  xux);  H.  M.  Hopkins,  Dra- 
matic  Satura  in  Belation  to  Book  Satnra  and  the  Tabula  Togata  (S.  l);  Gl. 
Price,  Gommands  and  Prohibitions  in  Horace  (S.  lx);  endlich  sei  er- 
wähnt die  Bede  von  B.  J.  Wheeler  über  das  Thema  'The  Place  of 
Philology'  (S.  LI— Lvii). 

Br.  W. 

85)  S.  Frankfurter,  Register  zu  den  ArchAologisch -epigra- 
phischen Mitteilungen  aus  Österreich-Üngam,  Jahrgang 
I— XX.  Wien,  Alfred  Holder,  1902.  XII  u.  188  S.  8. 
Fflnf  Jahre  nach  der  Herausgabe  des  letzten  Bandes  der  „  Archäo- 
logisch-epigraphischen Mitteilungen  aus  Österreich-Ungarn '^  erscheint  ein 
Begister  zu  allen  20  Bänden  von  Dr.  S.  Frankfurter,  gegen  200  doppel- 
spaltige  Seiten,  eine  äufserst  mühevolle  Arbeit.  Wir  begrflfsen  sie  mit 
dem  wärmsten  Dank  an  den  Bearbeiter;  denn  eine  Zeitschrift  ohne  Be- 
gister tut  bei  weitem  nicht  die  Dienste,  die  sie  tun  könnte.  Erst  ein 
Begister  zeigt,  welche  Fülle  wertvollen  Materials  in  ihr  enthalten  ist.  Aber 
nicht  blofs  fQr  die  Besitzer  der  Zeitschrift  selber,  sondern  für  Archäo- 
logen, Epigraphiker  und  Philologen  überhaupt  ist  dieser  Begisterband  ein 
vorzügliches  Nachschlagewerk.  Dank  der  geschickten  und  übersichtlichen  Ein- 
teilung ist  z.  B.  der  Index  zu  den  griechischen  Inschriften  wichtig  f&r  die 
Typenlehre  und  Mythologie.  Der  Epigraphiker  wird  aufser  dem  „Sach- 
und  Wortregister  der  griechischen  Inschriften"  (S.  153  ff.)  auch  im  In- 
dex L  eine  höchst  dankenswerte  Aufzählung  von  Steinmetzfehlern,  be- 
merkenswerten Buchstabenformen  und  selteneren  Ligaturen  finden.  Dem 
Grammatiker  empfehle  ich  denselben  Index  L,  der  aufser  Epigraphischem 
auch  Grammatisches  und  Orthographisches  verzeichnet.  Natürlich  kann 
ein  solches  Begister  kein  vollständiges  Verzeichnis  aller  Wörter  geben, 
das  hätte  auch  keinen  Sinn;  aber  das  Verzeichnis  der   „sonstigen  be- 


160  Neue  Philologische  Bundschau  Kr.  7. 

merkenswerten  Wörter  und  Wendungen"  (S.  178  flf.)  führt  alles  Wesent- 
liche auf.  Es  liegt  in  der  Natur  der  Sache,  dafs  man  ein  Register  nicht 
nach  einem  blofsen  Durchblättern  beurteilen  kann,  sondern  erst  nach 
längerem  Gebrauche.  Der  vorliegende,  auch  typographisch  vortrefflich 
ausgestattete  Band  macht  aber  den  Eindruck  sorgfältigster,  gediegener 
Arbeit.  Zahlreiche  Stichproben  haben  diesen  Eindruck  durchaus  bestätigt, 
so  dafs  ich  das  Werk  aufs  wärmste  zur  Anschaffung  empfehlen  kann. 
Frauenfeld  (Schweiz).  Otto  Sohnltheft. 

8  6)  Albert  Mennung,  J6an-Fran9ois  Sarasins  Leben  und  Werke, 

seine  Zeit  und  Gesellschaft.  Kritischer  Beitrag  zur  französischen 
Literatur-  und  Kulturgeschichte  des  17.  Jahrhunderts,  unter 
Benutzung  ungedruckter  Quellen.  I.  Band.  Mit  einer  Helio- 
gravüre Sarasins.  Halle  a.  S.,  M.  Niemeyer,  1902.  XXXI  u. 
435  S.  gr.  8.  Jk  12.  -. 

Es  ist  eine  als  Mensch  und  Schriftsteller  ebenso  interessante  und 
eigenartige  wie  den  weiteren  Kreisen  unbekannte  Erscheinung  in  der 
französischen  Literatur-  und  Kulturgeschichte  des  17.  Jahrhunderts,  welche 
—  inmitten  ihrer  Zeit  und  Gesellschaft  —  uns  hier  nahe  gerückt  wird, 
und  es  ist  sicherlich  dankenswert  und  verdienstlich,  dafs  mit  dieser  Studie 
der  Verf.  die  Aufmerksamkeit  der  Fachgenossen  auf  Jean-Fran9ois  Sarasin 
von  neuem  gelenkt  hat. 

Das  Gebiet  der  Sarasin-Forschung  war  bisher  nur  wenig  betreten  und 
auch  wenig  wegsam.  Selbst  die  biographischen  Daten  bedurften  der 
Bichtigstellung;  von  den  wenigen,  welche  üzanne  in  der  Pr^face  sur  la 
vie  et  les  OBUvres  de  Sarasin  zu  seiner  Ausgabe  der  Po4sies  vom  Jahre 
1877  eruiert  hat,  ist  kein  einziges  genau  und  das  Geburtsjahr  gänzlich 
falsch.  Auch  in  der  von  Petit  de  JuUeville  herausgegebenen  Histoire 
de  la  langue  et  de  la  littärature  fran^aise  finden  sich  unter  den  über 
Sarasin  mitgeteilten  vier  Daten  drei  falsche :  nicht  nur  den  Namen  schreibt 
der  Verf.  unrichtig  San*asiu,  er  läfst  den  Dichter  auch  „vcrs  1604"  ge- 
boren werden  und  1655  sterben,  während  in  Wirklichkeit  er  von  1611 
bis  1 654  lebte.  Von  einer  ähnlichen  Oberflächlichkeit  und  Kritiklosigkeit 
wie  die  meisten  biographischen  Angaben,  zeugen  nicht  wenige  literarhisto- 
rische Urteile  über  Sarasin  und  seine  Werke,  ja  mancher  Literarhistoriker 
will  Sarasin  kaum  kennen  und  nennen.  Es  ist  dies  um  so  auffallender, 
als  der  Name  des  „geistessprühenden,  schönen  Sarazenen"  sehr  eng  mit  der 


^ 


Neue  FhilologiBche  Bandeohan  Nr.  7.  161 

Geschichto  der  Literatur  und  Gesellschaft  seiner  Zeit  verlrnfipft  ist,  in 
deren  vornehmsten  Kreisen  und  exklusivsten  literarischen  Zirkeln  er  eine 
bedeutende,  ja  glänzende  Bolle  zu  spielen  berufen  war.  Seine  freund- 
schaftlich-literarischen Beziehungen  zu  Descartes,  Manage,  Ghapelain,  Ben- 
serade, Scarron,  Sorel,  Mairet,  Pellisson,  Conrart,  Boisrobert,  Gassendi,  zu 
den  beiden  Scud^ry,  Desmaretz  und  Dupuy,  zu  Hugo  Grotius,  Balzac, 
Bussy-Babutin  und  vielen  anderen  wissenschaftlich  oder  schöngeistig  her- 
vorragenden Persönlichkeiten  dieser  Epoche,  seine  politische  Bolle  in  der 
Fronde,  seine  bevorzugte  Stellung  in  den  Hotels  der  Ghavigny,  Glermont 
d'Entragues,  Cond6,  Conti  und  Longueville,  seine  fahrende  Bolle  unter 
den  Preziösen,  die  Vielseitigkeit  und  Aktualität  seiner  literarischen  Be- 
tätigung, kurz  der  „Gesamteinflufs  seiner  einzigartigen  Individualität  auf 
sein  Zeitalter*^  lassen  ihn  als  Dichter  und  Mensch  eines  ernsten  und  ein- 
dringenden, mit  Umständlichkeit  notwendig  verbundenen  Quellenstudiums 
wahrlich  nicht  unwert  erscheinen,  und  eine  nicht  mit  Umrissen  sich  be- 
gnügende, sondern  gewissenhaft  bis  in  die  Einzelheiten  sich  vertiefende, 
möglichst  erschöpfende  Darstellung  und  Würdigung  Sarasins  bedarf  schwer- 
lich einer  Bechtfertigung,  besonders  wenn  sie,  wie  Mennungs  Arbeit, 
eine  Lücke  in  der  französischen  Literaturgeschichte  auszufüllen  vermag. 

Ein  echtes  Kind  seiner  vom  Wellenschlage  der  Benabsance  noch 
immer  bewegten  Epoche,  steht  Sarasin,  wenn  er  auch  gelegentlich  aus 
der  spanischen  und  italienischen  Literatur  ^)  Anregung  schöpfte,  in  erster 
Linie  unter  dem  mächtig  befruchtenden  Einflufs  des  klassischen  Altertums. 
Davon  legen  seine  Schriften  ein  beredtes  Zeugnis  ab,  so  ganz  besonders  seine 
1644  erschienene  Satire:  Mtici  Secundi  G.  Orhilius  Musca  sive  Bettum 
parasiHcum.  Der  Name  Atticus  Secundus,  den  Sarasin  hier  annahm, 
stand  in  engster  Beziehung  zu  seiner  literarischen  Beschäftigung;  der 
Atticus  [Primus],  als  dessen  Nachfolger  sich  der  Dichter  gleichsam  an- 
sah, ist  zweifellos  Titns  Pomponius  Atticus,  dessen  Biographie  er  aus  dem 
Cornelius  Nepos  in  das  Französische  übertragen  hatte.  Die  dem  Alter- 
tum entstammenden  Quellen,  welche  in  dieser  Dichtung  ebenso  geschickt 
wie  zahlreich  verarbeitet  sind,  kreuzen  sich  derart,  dafs  sie  nicht  mit 
Bestimmtheit  voneinander  losgelöst  werden  können :  Sarasin  selbst  vermied  es 
geflissentlich,  seine  Quellen  zu  nennen.    Die  Fülle  der  mit  kunstsinniger 


1)  Ygl.  Gustave  Langen:  Etades  gar  les  rapports  de  la  litt^ratore  fraii9aiBe 
et  de  la  litt^ratnre  espagnole  an  XYll«  si^cle  =  Beyne  d'histoire  litt^raire  de  la 
France,  Vm,  1901,  395-407. 


163  Nene  Philologische  Rundschau  Nr.  7. 

Hand  ausgestreuten  Zitate  gaben  ihm  eine  willkommene  Gelegenheit, 
seine  Belesenbeit  in  den  klassischen  Autoren  an  den  Tag  zu  legen.  Den 
wörtlich  beibehaltenen  Zitaten  stehen  solche  gegenfiber,  welche  dem  je- 
weiligen Sinne  durch  eine  witzige  Änderung  angepafst  sind.  Bewunderung 
jedenfalls  verdient  die  spielende  Leichtigkeit,  mit  der  er  sein  poetisches 
BOstzeug  handhabte.  Ffir  den  Entwickelungsgang  des  Dichters  ist  das 
Bellum  parasiticum  sehr  charakteristisch:  in  ihm  begegnen  wir  zum  ersten 
Male  „einem  der  ureigensten  Bestandteile  seiner  Individualität,  dem  sati- 
risch-heiteren und  burlesk -komischen  Element '^  Ob  Sarasin  übrigens 
„die  wichtigste  Anregung^*  zu  diesem  gegen  Montmaur  gerichteten  Er- 
zeugnis eines  köstlichen  satirischen  Humors  und  einer  ungebundenen,  aber 
gestaltnngskrftftigen  Phantasie  „sicherlich",  wie  Mennung  annimmt,  der 
Satire  Cervantes'  Viage  al  Pamaso  verdankte,  ist  sehr  fraglich.  Noch 
zu  einer  zweiten  Satire  sollte  der  raffinierte  und  berüchtigte  Parasit  Pierre 
Montmaur  dem  Dichter  Stoff  und  Anlafs  geben.  Dieses  fünfzehn  achtzeilige 
Strophen  umfassende  Gedicht  ist  „Le  Testament  de  Ooulu"  betitelt  und 
tragt  ein  wesentlich  anderes  Gepräge  als  das  Bellum  parasiticum,  ohne 
deshalb  weniger  witzig  und  bissig  zu  sein.  Gerade  ffir  die  burleske  Dich- 
tung eignet  sich  trefflich  die  hier  benutzte  Form  der  „Testamente'S 
Über  diese  Gattung  der  Satire  gedenke  ich  demnächst  eine  kleine  Arbeit 
an  anderer  Stelle  veröffentlichen  zu  können:  darum  will  ich  hier  auf 
Mennungs  Ansfährungen  über  die  „  Testamentssatiren '^  nicht  näher  ein- 
gehen. 

Vier  Jahre  nach  dem  Erscheinen  der  beiden  genannten  Satiren  ent- 
stand Sarasins  bekannteste  Dichtung,  die  gewissermafsen  den  Höhepunkt 
seines  literarischen  Buhmes  bildete:  La  Pompe  fun^bre  de  Yoiture,  ein 
kleines  Meisterwerk  der  französischen  Literatur.  In  ihm  entfaltet  er  die 
ganze  Grazie  und  Eigenart  seines  Geistes;  trotz  aller  Anlehnung  an  seine 
italienische  Quelle,  die  Esequie  di  Mecenate  von  Gesare  Gaporali,  bleibt 
er  durchaus  originell:  „er  hat  es  mit  feinem  Gefähl  verstanden,  die  Mängel 
derselben  zu  vermeiden  und  ihre  Vorzüge  in  ein  helleres  Licht  treten  zu 
lassen.'*  Der  Dichter  führt  hier  den  grofsen,  verwöhnten,  bei  seinem  Tode 
weit  über  Gebühr  gefeierten  Schöngeist  der  hohen  Gesellschaft,  seinen 
sogen.  Bivalen,  Yoiture,  den  Zeitgenossen  in  seiner  wahren  Gestalt  im  Hohl- 
spiegel der  Satire  vor.  Gewidmet  ist  die  „Pompe  fun^bre'*  Manage, 
der  auf  jenen  zwei  rühmende  Epigramme  gedichtet  hatte.  Balzac  nannte 
sie  „la  plus  belle  lecture  du  monde";  Pellisson  betrachtete  sie  als  „chef- 


•^ 


Nene  Fbilologiscfae  Bnndseban  Nr.  7.  168 

d'oduvre  d'esprit,  de  galanterie,  de  d^licatesse  et  d'invention^S  Saradus 
Diebtang  regte  alsbald  zu  äbnlicben  an,  so  za  Scarrons  Belation  v^ritable 
sar  la  mort  de  Yoiture.  Weit  bedeutungsvoller  und  nachhaltiger  jedoch 
war  der  Einfluis,  den  diese  burleske  Satire  in  formaler  Beziehung  auf  die 
Literatur  des  17.  Jahrhunderts  ausgefibt  hat;  beginnt  doch  mit  ihr  die 
Mischung  von  Prosa  und  Versen  eine  beliebte  Eunstform  zu  werden. 
Bereits  im  Bellum  parasiticum  begegnete  uns  diese  eigenartige  Mischform. 
Malherbe  und  Yoiture  war  diese  Mischung  noch  fremd,  wiewohl  sie  hin 
und  wieder  einzelne  Verse,  meist  Zitate,  ihren  Briefen  einstreuen.  Sarasin 
griff  auch  hierin  auf  das  klassische  Altertum  zurück,  nämlich  auf  die 
Menippeische  Satire,  gab  zugleich  dieser  Eunstform  den  wahren  Gehalt, 
der  ihr,  so  lange  sie  bestand,  verbleiben  sollte,  und  wurde  so  zum  Schöpfer 
der  heiteren,  pikanten,  oft  satirisch  gefärbten  Lettre  jener  Zeit,  in  wei- 
terem Sinne  des  aus  Prosa  und  Versen  gemischten  Berichtes,  der  inhalt- 
lich alle  möglichen  Variationen  gestattete.  Er  fand  aulserordentlichen 
Beifall  und  eine  Unzahl  von  Nachahmungen.  Wie  sehr  auch  kein  Ge- 
ringerer als  Lafontaine  von  der  neuen  Eunstform  beeinflufst  worden  ist, 
ersehen  wir,  wie  Mennung  ausfahrt,  nicht  nur  aus  seinen  Lettres,  sondern 
nicht  minder  aus  den  beiden  grofsen  Dichtungen  Les  Amours  de  Psycho 
et  de  Cupidon  und  Songe  de  Vaux;  letztere  erinnert  übrigens  durch  ihre 
Traumform  zugleich  an  das  Bellum  parasiticum.  Gleich  stark  wie  auf 
Lafontaine  war  Sarasins  Einfiuls  auf  den  Akademiker  Pavillon,  einen  seiner 
eifrigsten  Verehrer,  und  auf  den  Abb^  Gotin.  Von  den  31  Lettres  in  den 
Oeuvres  des  ersteren  sind  alle  bis  auf  einen  aus  Prosa  und  Versen  ge- 
mischt, und  die  Oeuvres  galantes  des  letzteren  enthalten  eine  noch  gröfsere 
Anzahl,  darunter  einen  Tableau  de  la  douleur  ou  la  mort  d'Iphis.  In  die 
so  beliebt  gewordene  Form  werden  immer  neue  Stoffe  gegossen.  Auch 
Voltaire  hat  sich  ihrer  bedient  und  beispielsweise  seinen  Temple  du  Goüt 
in  ihr  abgefafst. 

Im  Erscheinungsjahre  der  Pompe  fun^bre  steht  der  d7jährige  Sarasin, 
berühmt  als  Schöngeist  und  Dichter,  hochgeachtet  und  verehrt  von  den 
gröfston  Gelehrten  seiner  Zeit,  am  Ende  einer  bedeutsamen  Epoche  seines 
Lebens  und  seines  Entwickelungsganges;  mit  demselben  Jahre  —  1648  — 
schliefst  der  erste,  in  würdiger  Ausstattung  vorliegende  Band  des  Men- 
nungschen  Werkes.  Zahlreich  sind  die  Proben,  die  uns  von  des  Veif. 
sorgsamer  und  umsichtiger  Sammlung  des  ausgedehnten  Stoffes  sowie  von 
seiner  eindringenden  und  fruchtbaren  Beschäftigung  mit  seinem  Gegen- 


IM  Nene  Fhflologisohe  Rundschau  Nr.  7. 

Stande  hier  gegeben  werden.  Mennung  bat  einerseits  die  Quellen  fQr 
Sarasins  Leben  und  Werke  mit  möglichster  Vollständigkeit  zu  sammeln 
und  kritisch  zu  sichten,  anderseits  die  Entstehung,  Entwickelung  und 
literarhistorische  Stellung  seiner  Schriften  klarzulegen  sich  ebenso 
ernstlich  wie  erfolgreich  bemfiht.  So  ist  es  ihm  in  strenger  Arbeit  ge- 
lungen, ein  grundlegendes  Werk  zu  schaffen,  das  den  Ausgangspunkt 
jeder  weiteren  Forschung  über  Sarasin  bilden  wird.  Leider  macht  sich  in 
der  mitunter  unnötig  ausf&hrlichen,  um  nicht  zu  sagen  breiten  Darstellung 
namentlich  ein  Mangel  an  schriftstellerischer  Kunst  besonders  fühlbar: 
wir  vermissen  nämlich  jene  anspruchslose,  aber  darum  nicht  weniger 
fesselnde  Form,  hinter  der  gediegenes  Wissen,  gründliche  Gelehrsamkeit 
und  subtile  Forschung  sich  gewissermafsen  verbirgt. 

Über  das  umfangreiche,  an  den  verschiedensten  Fundorten  zerstreute, 
ungedruckte  wie  gedruckte  Quellenmaterial  wird  der  durch  Gewissenhaftig- 
keit, Ausdauer  und  begeisterte  Hingebung  sich  auszeichnende  Forscher  in 
einer  Bibliographie  im  zweiten  Bande  seines  Werkes  Aufschlufs  geben. 
Dort  werden  zugleich  auch  die  Fundstellen  und  Bibliothekssignaturen  f&r 
alle  selteneren  Erscheinungen  namhaft  gemacht  werden.  Wir  geben  der 
Hoffnung  Ausdruck,  dals  der  zweite  Band  ebenso  wie  die  bereits  an- 
gekündigte kritische,  mit  einem  Kommentar  versehene  Ausgabe  der  Werke 
Sarasins,  welche  Mennung  veranstaltet  und  so  den  Plan,  den  schon  Sal- 
lengre  im  Jahre  1715  gefalst  hatte,  verwirklicht,  nicht  allzulange  auf 
sich  warten  l&bt.  O.  S. 

87)  Hi8  Hononr  ludge  Webb,  The  Mystery  of  William 
Shakespeare.  London,  New  York  and  Bombay,  Longmans, 
Green  and  Co.,  1903.    302  S.  8.  Sb.  10.6  nei 

Die  Baconianer  erinnern  an  das  bekannte  Einderspielzeug,  die  sogen. 
„Stehaufmftnnle'S  Sie  mögen  noch  sooft  „umgeworfen*^  werden,  immer 
erheben  sie  sich  wieder  samt  ihren  „  Argumenten  *S  meist  alten  Bekannten, 
die  freilich,  ungleich  dem  Wein,  durch  das  Ablagern  weder  st&rker  noch 
besser  geworden  sind. 

Auch  der  Verf.  des  vorliegenden  Buches  fSbxt  in  der  Hauptsache  die 
„altbewährten^'  Geschütze  auf.  Da  ist  zunächst  der  negative  Beweis:  der 
ungebildete  Schauspieler,  „the  young  man  who  came  up  from  Stratford^S 
kann  unmöglich  der  Verfasser  der  Shakespeareschen  Dramen  sein,  in  denen 
das  gesamte  Wissen  ihrer  Entstehungszeit  sich  spiegelt« 


^ 


ileue  Philologische  fiundschau  Itr.  1,  166 

Zwar  die  Möglichkeit,  dafs  ein  aufgeweckter  Jflngling  mit  nn- 
gewöhnlicheo  rezeptiven  Fähigkeiten  und  starkem  Gedächtnis  im  Verkehr 
mit  Männern  verschiedenster  Berufsklassen  ganz  wohl  imstande  gewesen 
sein  könnte,  die  Lücken  seines  Schulsackes  auszufällen,  gibt  auch  der  Verf. 
zu,  um  schliefslich  mit  einem  kategorischen  „the  world  is  not  made  up 
of  might-have-beens  '^  diese  ihm  unbequeme  Eventualität  wieder  fallen  zu  lassen. 

Shakspere  der  Schauspieler  und  Shakespeare  der  Dichter  mflssen  nun 
einmal  zwei  verschiedene  Personen  sein.  Dies  leugnen  hiefse  ja  an  dem 
Fundamentalsatz  der  Baconianer  rfitteln.  In  dieser  Beziehung  ist  es  nur 
konsequent,  wenn  der  Verf.  6reene*s  Pamphlet  „A  Groatsworth  of  Wit*^ 
wohl  auf  den  player,  aber  beileibe  nicht  auf  den  Dramendichter  bezieht. 
Die  bekannte  Anspielung  auf  Heinrich  VI,  3  in  den  Worten  „a  tygers 
heart  wrapt  in  a  plajers  hide'^  kümmert  Verf.  anscheinend  nicht  weiter; 
er  findet  in  derselben  lediglich  einen  Hinweis  auf  den  unliebenswflrdigen 
Charakter  des  Schauspielers,  des  Mannes  mit  dem  „Tigerherzen  ^^  Wenn 
aber  nicht  Shakspere  =  Shakespeare,  nun  dann  ist  offenbar  Shakespeare 
=  X  und  X  ==  Bacon.  Und  nun  vergegenwärtige  man  sich  folgendes:  Der 
Dichter  Algernon  Swinburne  hat  in  seiner  „Study  of  Shakespeare^^  im 
Gegensatz  zu  den  Aussagen  der  Schauspieler  Heminge  und  Gondeil  und  Ben 
Jonson*s  die  Ansicht  verfochten,  Shakespeare  habe  an  seinen  Dramen  viel 
geändert  und  gefeilt,  manche  derselben  sogar  völlig  umgeschrieben.  Aber 
auch  Bacon  bekennt,  „I  ever  alter  as  I  add''  und  sein  Kaplan  Bawley 
bestätigt,  dafs  vom  Novum  Organen  wohl  ein  Dutzend  verschiedener  Manu- 
skripte vorgelegen  haben  „de  anno  in  annum  elaborati  et  ad  inendem 
revocati".  Wer  möchte  da  noch  an  der  Richtigkeit  der  obigen  Formel 
zweifeln  I 

Fast  sollte  man  meinen,  es  bedürfe  der  mannig&chen  „Überein- 
stimmungen'^ in  den  Werken  beider  Autoren,  von  denen  der  Verf.  gleich- 
wie seine  Vorgänger  eine  ganze  Anzahl  beibringt,  gar  nicht  mehr,  um 
uns  zu  überzeugen.  Es  möge  genügen,  zwei  der  „ evidentesten'^  Fälle  hier 
anzuführen. 

In  seiner  Schrift  „De  Dignitate  et  Augmentis  Scientiarum''  sagt  Bacon, 
dafs  der  Krieg  gegen  Brutus  und  Cassius  ein  Kampf  „ob  vindictatn'*  gewesen 
sei,  und  Antonius  in  Shakespeares  Julius  Cäsar:  „And  Gaesar's  spirit 
ranging  for  revenge  etc."  Beide  also  sprechen  anläfslich  des  Mordes  von 
„Bache'*;  es  ist  doch  schwer  zu  glauben,  dals  sie  unabhängig  voneinander 
auf  diesen  gleichen  Gedanken  gekommen  sein  sollten! 


166  Kene  Fhilologische  fttmdscliaQ  Nr.  1. 

Oder  nehmen  wir  die  Eingangsworte  von  Shakespeares  „Twelfth  Night" : 

„If  music  be  the  food  of  love,  play  on! 

Oive  me  excess  of  it,  that  sorfeiting, 

The  appetite  may  sicken,  and  so  die! 

That  strain  again!    It  had  a  dying  fall! 

0,  it  came  o'er  my  ear  like  the  sweet  sonth 

That  breathes  upon  a  bank  of  violets, 

Stealing  and  giving  odour!" 
und  vergleichen  damit  die  folgenden  Bemerkungen  ans  Bacons  „Historia 
Naturalis'^  (in  Verf.s  englischer  Übertragong) :  „music  feedeth  the  dis- 
Position  of  the  spirits  that  it  findeth";  oder  „discords  falling  npon  con- 
cords  make  the  sweetest  stndns"  und  ans  den  Essays  den  Ausspruch,  dafs 
„the  breath  of  flowers  is  far  sweeter  in  the  air,  where.  it  comes  and  goes 
like  the  warbling  of  music",  so  ist  es  offenbar  schwer,  sich  der  Kongruenz 
der  Gedanken  zu  verschliefsen ,  die  in  der  Übereinstimmung  der  Worte 
food  —  feedeth,  strain  —  strains,  breath  —  breathes  ihren  Ausdruck 
findet! 

Ffir  denjenigen  aber,  der  sich  etwa  nicht  entschliefsen  könnte,  diese 
BeweisfQhrung  des  Verf.  ernst  zu  nehmen,  mufs  noch  kurz  auf  die  Be- 
urteilung verwiesen  werden,  die  Ben  Jonson's  bekannter  Hymnus  auf 
den  „Schwan  von  Avon"  seitens  des  Verf.  findet.  Den  Kennern  von 
Ignatius  Donnelly's  „Great  Gryptogram"  bietet  freilich  auch  diese  unfrei- 
willige Komik  kaum  neues. 

„Soul  of  the  Age! 
The  Applause!  delightl  the  wonder  of  cur  Stage! 
My  Shakespeare  rise!" 
apostrophiert  Jonson  bekanntlich  den  Dichter,  und  der  Verf.  bemerkt  hierzu: 
„This,  certainly,  was  not  the  Shakespeare  of  the  Players.    Their  Shake- 
speare could  with  no  appearance  of  plausibility  be  described  as  the  Soul 
of  the  Age  in  which  he  lived.  He  was  not  a  great  statesman,  who  had 
influenced  the  fortunes  of  the  state;  he  was  not  a  great  philosopher  who 
had  revolutionised  the  philosophy  of  the  schools;  at  best  he  was  nothing 
but  a  playwright  at  a  time  when  plays  were  scarcely  regarded  as  Utera- 
ture,  and  when  players  were  banned  and  branded  by  the  law." 

Wenn  es  dann  weiter  heifst  „thou  art  alive  still"  so  meint  Verf. 
hierzu  „words  which  could  not  possibly  be  applied  to  the  dead  player." 
Den  erklärenden  Zusatz  zu  den  Worten:  and  art  alive  still  —  nämlich: 


^ 


Keue  Phflologiflehe  ftimdfchan  Kr.  ?.  167 

while  tby  book  doth  live  empfiiidet  der  Verf.  als  einen  „Doppelsinnes 
mit  welchem  Jonson  „palters  os  like  the  joggling  fiend  of  Macbeth  *^ 

Und  endlich  die  Worte: 

„Sweet  Swan  of  Avon!  what  a  sight  it  were 
To  see  tbee  in  om:  waters  yet  appear^S 
geben  dem  Verf.  zn  folgenden  klassischen  Bemerkungen  Anlafs:  If  Shak- 
spere  was  ever  regarded  as  the  Swan  of  Avon,  he  was  in  bis  grave; 
and  tbough  the  song  of  the  dying  swan  is  a  favourite  fiwcy  with  the 
poets,  no  poet  that  ever  lived  would  be  mad  enough  to  talk  of  a  swan 
as  yet  appearing  and  resuming  its  flights  npon  the  river  some  seven  or 
eight  years  after  it  was  dead. 

Möge  es  damit  genug  sein  des  „grausamen  Spiels ^S  und  nur  der 
Ordnung  wegen  sei  noch  erwähnt,  dafs  auch  die  bekannten  „  Beweisartikel  *' 
des  Baconischen  „Fromus'^  und  der  „Northumberland  Papers**  —  beide 
hier  als  Anhang  gegeben  —  nicht  vergessen  sind. 

Eine  ernsthafte  Widerlegung  der  Ansichten  des  Verf.  wird  an  dieser 
Stelle  niemand  erwarten,  nachdem  Schipper,  Kuno  Fischer,  Engel,  Mrs. 
Stope  u.  a.  in  besonderen  Schriften  eine  solche  erfolglos  —  wie  das  vor- 
liegende Buch  nebst  anderen  seinesgleichen  beweist  —  versucht  haben. 
Im  Anschlufs  an  Bacon  zitiert  der  Verf.  den  Salomonischen  Spruch: 
„Non  accipit  stnltus  verba  prudentiae  nisi  ea  dixeris  quae  versantur  in 
corde  eins/*  Das  mfifste  die  Kritik  entwaffnen,  wenn  sie  nicht  schon 
vorher  den  Kampf  als  aussichtslos  aufgegeben  hätte.  Wie  sagt  doch  Boileau 
in  bezug  auf  den  „bienheureux  Scud^ry^^  und  die  Erzeugnisse  seiner 
„fertile  plume'*:  „Quoiqu'on  en  puisse  dire,  ils  trouvent  tocgours  un 
marchand  pour  les  vendre  et  des  sots  pour  les  lire.^' 

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Erscheint  alle  14  Tage.  —  Preis  ftlr  den  Jahrgang  8  Mark. 

Bestellnngen  nehmen  alle  Bnchhandlnngen,  sowie  die  Postanstalten  des  In-  and  Anslandes  an. 

Insertionsgebflhr  fDr  die  einmal  gespaltene  Petitzeile  80  Pfg. 

Inhalt:  Bezensionen:  88)  Jobannes  Barnet,  Piatonis  Bes  publica  (E.  Linde) 
p.  169.  —  89)  Seth  G.  Gifford,  Panli  Epistolas  qua  forma  legerit  Joannes 
Gbrjsostomus  (Eb.  Nestle)  p.  172.  —  50)  Michael  Fanlhaber,  Hobelied-, 
Proverbien-  nnd  Prediger -Katenen  (Eb.  Nestle)  p.  172.  —  91)  A.  Müller, 
Attisches  Bübnenwesen  (K.  Weüsmann)  p.  173.  —  92)  Studios  in  Honor  of  Basil 
L.  Gildersleeve  (W.)  p.  176.  —  93)  H.  A.  Hamilton,  The  negative  Compounds 
in  Greek  (H.  Ehrlich)  p.  178.  •—  94)  £.  Fabricius,  Die  Entstehung  der  rö- 
mischen Limes -Anlagen  in  Deutschland  (0.  Wackermann)  p.  179.  —  95)  J.  As- 
bach,  Zur  Geschichte  und  Kultur  der  römischen  Bheinlande  (0.  Wackermann) 
p.  180.  —  96)  0.  Weifsenfels,  Kernfragen  des  höheren  Unterrichts  (K.  Lösch- 
horn)  p.  182.  ^  97)  H.  Knauth,  Latein.  Übungsbuch  ffir  Sekunda  (E.  Krause) 
p.  183.  —  98)  V.  Thumser,  Schule  und  Haus  (Edm.  Fritze)  p.  184.  — 
99)  G.  Pellissier,  Pr^cis  de  Thistoire  de  la  litterature  fran9aise  (K.  Friesland) 
p.  185.  —  100/101)  M.  V.  Metzch-E.  Wasserzieher,  Perduepar  Henry  Gr6ville; 
E.  Wasserzieher,  Strasbourg  par  Paul  et  Victor  Margueritte  (Fr.  Blume) 
p.  186.  —  102)  Sachs-Villatte,  Encyklopädisches  Französisch-Deutsches  und 
Deutsch-Französisches  Wörterbuch  (W.  Böhrs)  p.  187.  —  103/104)  A.  Zapp, 
The  natural  method  for  teaching  foreign  languages.  English;  Ders.,  Methode  na- 
turelle pour  Fenseignement  des  langues  ^trang^res.  Fran9ais  (Bahrs)  p.  188.  — 
105)  L.  Sütterlin,  Das  Wesen  der  sprachlichen  Gebilde  (J.  Keller)  p.  190.  — 
Anzeigen. 

88)  Joannes  Bnmet,  Flatonis  Res  publica.  BecognoYit  breYiqae 

adnotatione  critica  instruxit.    Oxford,    darendon  Press,  1902. 

IV  u.  411  S.  8. 

Die  englischen  Philologen  sind  in  der  Herausgabe  der  Werke  Piatons, 

im  besonderen  des  Staates,  ungemein  rührig.    Erst  1894  n.  fg.  erschien 

die  grolse   dreibändige  Ausgabe  der  Bepublik  von  B.  Jowett  und  Lewis 

Campbell,  und  1897  veröffentlichte  James  Adam  eben&Us  eine  kritische 

Ausgabe  der  Platonischen  Bepublik.    Ihnen  schliefst  sich  Bumets  Ausgabe 

würdig  an. 

Joannes  Burnet  l&fst  seit  1899  die  Werke  Piatons  in  einer  kritischen 
Ausgabe  neu  erscheinen;  der  erste  Band,  Oxford  1899,  enthält  die  beiden 
ersten  Tetralogien;  der  zweite,  ebenda  1901,  umfafst  die  dritte  und  vierte 


1?0  Ifeue  t^lologiflcbe  Rnndschau  Kr.  g. 

Tetralogie.  Es  ist  nicht  ersichtlich,  ob  die  vorliegende  Ausgabe  der  Be- 
publik neben  der  geplanten  Gesamtaasgabe  der  Werke  Piatons  bestehen 
bleiben  soll,  innerhalb  welcher  sie,  dem  Programme  des  ersten  Bandes 
entsprechend,  mit  dem  Eleitophon,  dem  Timäus  und  dem  Eritias  den 
vierten  Band  bilden  müfste.  Die  Vorrede  sagt  darüber  nichts;  und  doch 
sind  sowohl  die  Prinzipien  als  auch  das  Äufsere  dieser  Ausgabe  genau 
dieselben,  wie  sie  im  ersten  und  zweiten  Band  der  Gesamtausgabe  vor- 
liegen :  der  Text  bietet  nicht  die  Wiedergabe  einer  besonders  bevorzugten 
Handschrift  oder  Handschriftenfamilie,  sondern  eine  Überlieferung,  wie  sie 
unter  sorgfältiger  Benutzung  aller  handschriftl.  Hilfsmittel  und  der  Zitate 
bei  den  Kommentatoren  und  Schriftstellern  als  die  richtige  angenommen 
werden  mufs,  wobei  überall  auf  die  neuesten  Yergleichungen  des  hand- 
schriftl. Materials  zurückgegangen  oder  neue  Yergleichung  geboten  wird 
(z.  B.  beim  Marcianus  [T  nach  Schanz]  für  Phädon  und  Politikus  u.  a.); 
bei  der  Aufnahme  guter  Konjekturen,  ohne  die  wir  vielfach  gar  nicht 
auskommen  können,  ist  grofse  Vorsicht  beobachtet,  doch  auch  keine  über- 
triebene Ängstlichkeit,  ebenso  bei  der  Annahme  und  Ergänzung  vor- 
handener Lücken,  sowie  bei  der  Ausscheidung  etwaiger  Glosseme,  an  denen 
unsere  Platon-Überlieferung  ja  reich  ist.  Die  Fufsnoten  unter  dem  Texte 
enthalten  die  Abweichungen  in  den  besseren  Handschr.  und  den  Zitaten 
der  Alten,  sowie  eine  Auswahl  der  beachtenswertesten  Konjekturen.  In 
der  Seitenzahl  folgt  B.  der  Ausgabe  von  Stephanus  und  zwar  so,  dafs  da- 
neben weitere  Zahlen  zur  Bezeichnung  der  Seiten  nicht  angewendet  sind, 
was  die  Übersicht  und  die  Benutzung  ungemein  erleichtert,  zumal  da  die 
Zahlen  durch  den  Druck  angenehm  hervorgehoben  und  statt  der  grofsen 
Buchstaben  ABGD  die  gefälligen  kleinen  gewählt  sind.  Die  Einteilung 
nach  Kapiteln  ist  unterlassen,  dagegen  sind  Bede  und  Antwort  jedesmal 
durch  Absätze  kenntlich  gemacht.  In  sprachlicher  Beziehung  sind  die 
Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  griechischen  Grammatik  eingehend 
berücksichtigt  und  aufgenommen,  selbst  da,  wo  man  noch  zweifeln  könnte, 
(z.  B.  bei  (leiywfic  st.  fiiyw(iiy  dTto^Axelw/ii  st.  -ktIvw/jH,  xaco  st.  xaeoi 
u.  s.  w.),  und  in  orthographischer  Hinsicht  ist  strenge  Konsequenz  beobach- 
tet (wvd^,  äyad'iy  änav  u.  a.  st.  v^  dijy  c5  äyad'if  &  top,  überall  avv-  st. 
^W"  u.  s.  w.). 

Man  wird  sich  mit  den  Grundsätzen  der  Textesgestaltung  gern  ein- 
verstanden erklären  und  sich  freuen,  dafs  mit  dem  Prinzipe  der  ausschliefs- 
lichen  Bevorzugung  bestimmter  Handschr.  immer  mehr  gebrochen  wird. 


^ 

^ 


Neue  Fhaolog^Bche  Bandschan  Nr.  8.  171 

Was  nun  den  vorliegenden  Text  der  Bepublik  im  besonderen  anbetrifft, 
so  ist  Ton  B.  auiiser  dem  schon  von  Schanz  neben  dem  Parisinus  A  in 
seine  Bechte  eingesetzten  Yenetus  B  (=  IT  nach  Bekker)  und  dem  Mala- 
testianus,  den  Lewis  Campbell  neben  jenen  beiden  als  Vertreter  einer 
dritten  Handschriftenklasse  hinstellte,  eine  Wiener  Handschr.  (F  bei  Schnei- 
der), herangezogen.  Eine  eingehende  Untersuchung  (vgl.  Gl.  Beview  XVI, 
1902)  hat  B.  zu  der  Ansicht  geführt,  dafs  diese  Handschr.,  auf  deren 
Besonderheiten  schon  Schneider  hingewiesen  hatte,  aus  einem  Archetypus 
stamme,  der  älter  sei,  als  alle  übrigen  Platonhandschr.  Aufserdem  sind 
von  B.  die  Zitate  bei  lamblichus,  Qalenus,  Stobftus  u.  a.  in  ausgedehn- 
terem Mafse  herangezogen,  als  es  in  den  früheren  Ausgaben  geschehen 
war;  die  Wichtigkeit  dieser  Zeugnisse  für  die  Textesgestaltung  bei  rich- 
tiger Benutzung  derselben  ist  inzwischen  allgemein  anerkannt,  so  dafs  man 
sich  auch  hiermit  wird  einverstanden  erklären  müssen;  für  B.  hatte  ihre 
Heranziehung  noch  einen  besonderen  Wert,  da  sie  mit  dem  von  ihm  em- 
pfohlenen Wiener  F  merkwürdig  übereinstimmen. 

Somit  bedeutet  die  Ausgabe  B.s  einen  grofsen  Fortschritt.  In  Einzel- 
heiten wird  man  ja  vielfach  anderer  Meinung  sein  können,  z.  B.  S.  259  d.  e. 
würde  man  besser  bei  der  übereinstimmenden  Lesart  der  Handschr.  bleiben, 
wo  B.  Bywaters  schwer  verständliche  Konjektur  aufgenommen  hat;  528  c 
ist  ftiv  hinter  in:d  in  F  beachtenswert  und  sollte  uns  zu  der  Umänderung 
des  entstellten  ircd  de  x&v  Ürjroikwv  in  rdh^  de  ^ijt.  veranlassen  (vgl. 
Lit.  Zentralbl.  1898,  Sp.  297);  529  b  vermifst  man  bei  idv  te  zvg  einen 
Hinweis  auf  die  Abweichung  bei  Bekker,  Stallbaum,  C.  Fr.  Hermann,  wie 
man  wohl  noch  mehrfach  in  den  Fufsnoten  einen  Hinweis  auf  diese  oder 
jene  andere  Lesart  gern  gesehen  hätte. 

Wir  wünschen,  dafs  Burnets  Ausgabe  des  Piaton  rüstig  weiter  schreiten 
und  uns  auch  bald  die  noch  fehlenden  Dialoge  bringen  möge;  auch  in 
Deutschland  bürden  wir  sie  freudig  begrüfsen  müssen,  da  es  uns  ja  noch 
immer  an  einer  vollständigen  neueren  Gesamtausgabe  der  Platonischen  Werke 
fehlt.  Wie  man  hört,  wird  in  England  nach  Burnets  Ausgabe  ein  ge- 
nauer Index  ausgearbeitet;  auch  dieses  begrüfsen  wir  mit  grolser  Freude, 
da  Asts  Lexikon  inzwischen  veraltet  ist. 

Helmstedt.  K.  Lfaade. 


172  Neue  t^hilologisoke  ttmidschau  Üi,  8. 

89)  Seth  O.  Oiffordi   Pauli  Epistolas  qua  forma  legerit  Jo- 

annes Chrysostomus.  Dissertationes  Philologicae  Halenses. 
Vol.  XYI.  Pars  I.  Halis  Saxonum,  Max  Niemeyer,  MDGCCGIL 
88  S.  8.  ^2.40. 

„Wenn  den  Philologen  und  Naturforschem  ein  Arbeitsfeld  offen  stfinde, 
das  auch  nur  annähernd  so  reiche  Ernte  verspräche,  wie  etwa  das  Studium 
des  Chrysostomus  —  ähnliche  Vorwürfe  hat  die  Theologie  zu  hunderten  — 
von  welchen  Scharen,  mit  welchem  Eifer  und  Erfolge  wurde  es  bebaut 
werden/'  So  schrieb  vor  15  Jahren  Lagarde;  es  gilt  zum  Teil  auch 
heute  noch«  Die  vorliegende  Dissertation  hat  eine  der  Aufgaben  in  An- 
griff genommen,  die  Chrysostomus  bietet.  Vielleicht  hätte  sich  noch  mehr 
aus  ihr  machen  lassen,  als  es  hier  geschehen  ist.  Zu  der  Form,  in  wel- 
cher Paulus  dem  Chrysostomus  vorlag,  gehört  doch  auch  das  ganze  paläo- 
graphische  Gebiet;  aber  dies  ist  gar  nicht  berfihrt,  die  Arbeit  beschränkt 
sich  darauf,  die  Lesarten  zusammenzustellen,  die  von  unserem  Texte  ab- 
weichen. Innerhalb  dieser  Grenzen  ist  die  Arbeit  sichtlich  mit  grofsem 
Fleifs  gemacht.  An  etwa  30  Stellen  kennt  Chrysostomus  Varianten.  Am 
merkwürdigsten  ist  wohl  die  Lesart  1  Kor.  6,  20  äQctve  top  d^sivy  die 
schon  Marcion  und  Tertullian  kennen.  Noch  in  der  neuesten  Auflage  des 
Wörterbuchs  der  neutestamentlichen  Gräzität  fehlt  jede  Bücksichtnahme 
auf  diesen  Sprachgebrauch.  Der  Thesaurus  gibt  einige  Belege  für  die 
Bedeutung  extoUo  verbis,  laudaiione.  —  Ein  weiteres  Eingehen  wird  an 
diesem  Orte  nicht  nötig  sein. 

Maulbronn.  Eb.  Nestle. 

90)  Michael  Fanlhaber,  Hohelied-,  Froverbien-  und  Frediger- 

Katenen  untersucht.    (Auch  unter  dem  Titel:  Theologische 

Studien  der  Leo-Gesellschaft,  herausgegeben  von  Albert 

Erhard  und  Franz  M.  Schindler.  Hefk  4.)  Wien,  Mayer  &  Co., 

1902.     XV  u.  176  S.  8. 

Hier  die  Fortsetzung  der  Untersuchungen  über  die  Propheten-Eatenen, 

die  der  Unterzeichnete  1899,  Nr.  2,  zur  Anzeige  brachte,  vgl.  auch  1901, 

Nr.  26.    Aber  wie  ist  inzwischen  dem  Verf.  das  Material  gewachsen. 

Während  sich  die  Untersuchung  der  Propheten-Eatenen  wesentlich  auf 

römische  Handschr.  beschränken  mufste,  nennt  das  Begister  der  neuen 

Arbeit  20  Städte  mit  etwa  240  Handschr.,  die  untersucht  wurden,  von 

Basel,  Berlin,  Brüssel,  Eonstantinopel,  bis  Salamanka,  Turin,  Venedig, 


^ 


Neue  Philologiflche  Bnndscban  Nr.  8.  178 

Wien,  Zaragoza.  Die  Eatenen,  d.  h.  die  aneinander  geb&ngten  Exzerpte 
ans  den  älteren  Erklftrern  der  biblischen  Bficher  haben  nicht  &a  sich 
selbst  Wert,  sondern  wegen  der  Bmchstficke  ans  sonst  verlorenen  Schriften, 
die  sie  nns  erhalten  haben.  Um  sicher  zn  gehen,  mnis  das  Verhältnis 
der  nns  erhaltenen  Handschr.  zn  einander  genan  nntersncht  werden.  Dies 
ist  in  dem  vorliegenden  Heft  für  die  im  Titel  genannten  drei  Schriften 
mit  der  gröfsten  Sorgfalt  geschehen.  Nnr  hinsichtlich  der  Proverbien  ist 
dem  Verf.  entgangen,  dafs  die  wichtigen  Scholien  des  Origenes  von  Tischen- 
dorf 1860  aus  einer  Patmoshandschr.  des  10.  Jahrh.  in  seiner  NotiHa 
Codicis  Sinaüici  veröffentlicht  worden  sind.  An  dieser  Stelle  ist  ein 
näheres  Eingehen  auf  die  far  Theologen  wichtige  Schrift  nicht  nötig. 
Mavlbronn.  Eb.  Nestle. 


91)  Albert  MtUler,  Das  attische  Btthnenweseni  kurz  dargesteUt. 
Mit  21  Abbildungen.  Qfltersloh,  Bertelsmann,  1902.  YII  n. 
117  S.  8.  Jf  2.80. 

Das  griechische  Bfihnenwesen  —  so  könnte  der  Titel  des  vorL  Bfich- 
leins  trotz  der  Beschränkung  des  1.  und  2.  Kapitels  auf  Athen  auch  lauten  — 
einer  auf  den  neueren  Untersuchungen  aufgebauten  Behandlung  zu  unterwerfen, 
war  wohl  niemand  so  geeignet  als  Albert  Mfiller.  Er,  der  Ver&sser  des  besten 
Handbuches  der  Bühnenaltertümer,  hat  der  Begründung  dieser  Disziplin 
nahegestanden,  er  hat  aber  auch  an  dem  Kampfe  um  den  Ausbau  derselben, 
welcher  in  den  letzten  15  Jahren  tobte,  in  den  vordersten  Beihen  teil- 
genommen. Wer,  wie  er,  die  Fülle  der  durch  diesen  Kampf  hervoigemfenen 
Schriften  kennt,  weifs,  wie  es  dem  der  Bühnenkunde  femer  stehenden  Philo- 
logen in  dem  Gewirre  der  widersprechenden  Meinungen  zu  Mute  ist,  um 
von  den  gebildeten  Laien,  soweit  sie  für  das  antike  Theater  Interesse  haben, 
gar  nicht  zu  reden.  Für  diese  Klarheit  zu  schaffen,  dazu  hat  er  das  Büch- 
lein geschrieben.  Wenn  man  auch  einwenden  könnte,  dafs  gerade  die 
gegenwärtige  Zeit  für  eine  Art  abschliefsender  Behandlung  nicht  geeignet 
sei,  da  gerade  jetzt  der  Streit  über  die  Bühnenfrage  aufs  neue  heftig  ent- 
brannt sei,  so  mufs  man  bedenken,  dafs  ein  Ende  dieses  Streites  nicht 
abzusehen  ist.  Klarheit  der  Anschauung  aber,  auch  wenn  sie  sich  nur 
auf  Vermutungen  stützen  sollte,  ist  vor  allem  für  die  Schule  notwendig. 

Daher  ist  auch  an  dem  Büchlein  neben  der  Vollständigkeit  des  In- 
halts die  leicht  verständliche,  klare  und  anziehende  Behandlung  aller  ein- 
schlägigen Fragen  rühmend  hervorzuheben.    Dieser  Vorzug  ist  ungleich 


174  Neue  Philologische  Bundschaa  Nr.  8. 

wichtiger  als  die  Frage,  ob  die  oft  an  Stelle  von  sicheren  Tatsachen  vor- 
zutragenden Meinangen  auch  die  gröfste  Wahrscheinlichkeit  ffir  sich  haben. 
Wenn  der  Bef.  nun  im  folgenden  gleichwohl  die  eine  oder  andere  Vermutung 
M.'s  zurückweist,  so  geschieht  dies  nur,  um  zur  Klärung  der  Sache  bei- 
zutragen. Gegenfiber  den  früheren  Arbeiten  M.'s  ist  ein  grofser  Fort- 
schritt in  der  vorsichtigen,  kritischen  Behandlung  des  späteren  schriftlichen 
Quellenmateriales  zu  konstatieren,  ein  deutliches  Zeichen  des  Einflusses 
der  Spezialuntersuchungen  der  letzten  Jahre.  Mit  Nachdruck  betont  auch 
M.  wieder,  dafs  wir  für  die  Kenntnis  der  Bühnenverhältnisse  des  5.  Jahr- 
hunderts fast  ausschliefslich  auf  die  erhaltenen  Dramen  angewiesen  sind. 
Zu  dem  1.  Kapitel,  in  welchem  unter  der  tJberschrifk  „Die  Ver- 
waltung des  Bühnenwesens^^  die  Arten,  die  Vorbereitungen  und  der  Ver- 
lauf der  Aufführungen  in  Athen  behandelt  werden,  habe  ich  zu  bemerken, 
dals  die  Vermutung,  Aischylos  sei  wohl  als  Schöpfer  der  trilogischen  bezw. 
tetralogischen  Komposition  zu  bezeichnen,  mir  unwahrscheinlich  vorkommt; 
vielmehr  glaube  ich,  dafs  diese  sich  mit  der  Einsetzung  des  äydn^j  tlie 
doch  wohl  schon  vor  Aischylos  erfolgte,  und  die  dadurch  notwendig  ge- 
wordene Zusammenziehung  der  Stücke  eines  Dichters  von  selbst  ergab; 
denn  dalB  die  vorher  auf  drei  oder  mehrere  Tage  verteilten  Auffuhrungen 
in  innerem  Zusammenhang  standen,  ist  bei  dem  damals  völlig  religiösen 
Charakter  der  Spiele  als  sicher  anzunehmen.  Wie  lange  mag  es  gedauert 
haben,  bis  sich  diese  von  dem  Mythos  des  Dionysos  lösten!  Bei  Aischylos 
liegt  aber  diese  Tatsache  vor,  also  haben  wir  eine  lange  Entwickelung 
vor  ihm  anzusetzen.  —  Dafs  in  dem  schwierigen  2.  Kapitel  „das  Theater- 
gebäude" es  M.  gelungen  ist,  dem  Leser  die  verschiedenen  Veränderungen 
des  Dionysostheaters  klar  zu  machen,  ist  besonders  hervorzuheben.  Doch 
wäre  es  vielleicht  geratener  gewesen,  bei  der  Anführung  der  Gründe,  welche 
Furtwängler  in  der  Frage  der  Entstehung  des  Dionysostheaters  gegen 
Dörpfeld  geltend  macht,  ebenso  kurz  zu  sein  wie  bei  denen  Puchsteins 
(S.  36);  denn  die  Sache  ist  noch  nicht  spruchreif.  —  In  der  Bühnenfrage 
(3.  Kap.)  nimmt  bekanntlich  M.  eine  vermittelnde  Stellung  ein:  er  weist 
den  Schauspielern  eine  „schwerlich  über  Im"  hohe  Bühne  zu,  um  einer- 
seits das  unzweifelhafte  Zusammenspielen  von  Chor  und  Schauspielern  zu 
ermöglichen,  anderseits  das  Auftauchen  von  Personen  aus  der  Tiefe  mit 
den  ebenso  unzweifelhaft  vorhandenen  Andeutungen,  aus  denen  das  Er- 
steigen einer  Erhöhung  durch  Schauspieler  oder  den  Chor  klar  wird,  zu 
verbinden.    Ob  sich  diese  Andeutungen  aber  auf  einen  besonderen  Spiel- 


^ 


Nene  Ffailologische  Bimdsobaa  Nr.  8.  175 

platz  der  Schauspieler  oder  auf  die  Orchestra  beziehen,  das  ist  eben  die 
ungelöste  Frage.  Es  gereicht  der  von  M.  vertretenen  Anschauung  nicht 
zur  ünterstfitzung,  dafs  er  die  bekannte  Stelle  in  Enrip.  HeraUes,  wo  der 
Chor  über  die  Steilheit  des  Weges  klagt,  we^elassen  hai  Erkennt  er 
dieser  Stelle  weniger  Beweiskraft  zu,  als  der  von  ihm  aus  der  Lysistrate 
des  Aristophanes  angeführten?  Hier  hätte  wenigstens  die  Ansicht  Dörp- 
felds  und  seiner  Anhänger  angeführt  werden  mfissen,  wonach  in  dieser  wie  den 
anderen  Stellen  auf  den  2  m  betragenden  Niveauunterschied  zwischen  dem  Erd- 
boden und  der  Fläche  der  Orchestra  angespielt  werde.  Ich  verweise  fibri- 
gens  noch  auf  eine,  soviel  ich  sehe,  bisher  nicht  beachtete  Stelle  in  Eur. 
Phoen.  (V.  834  ff.),  wo  mir  die  Situation  dieselbe  zu  sein  scheint  wie  im 
Jon  (V.  725  ff.).  Teiresias  klagt  hier,  wie  im  Jon  der  Fädagog,  fiber  die 
Anstrengungen  des  Weges:  Phoen.  V.  851  aiTtog  hßaXwv  d3o€  vergleiche 
mit  Jon  V.  739  aiTtBiva  toi  fiovreia;  Y.  847  erinnert  der  Vergleich  mit 
dem  Wagen  an  Herakl.  V.  120  ff. ;  endlich  scheinen  in  Y.  836  die  Worte 
Xevgdv  nidov  auf  Aischylos'  Hiket.  V.  507  XevQÖv  älaog^  worunter  die 
Orchestra  zu  verstehen  ist,  hinzuweisen.  Danach  glaube  ich,  dafs  Teiresias 
vor  den  Augen  des  Publikums,  bevor  er  den  Spielplatz  erreicht,  mfihsam 
eine  Erhöhung  hinaufsteigt.  Diese  realistische  Ausnfitzung  der  gegebenen 
Verhältnisse  ist  echt  euripideisch ;  wer  sie  als  eine  blolse  fingierte,  sprach- 
liche Ausschmfickung  ansieht,  der  verkennt  den  Geist  des  Dichters.  Anders 
steht  es  mit  der  von  M.  (S.  56)  aus  der  Ars  poetica  des  Horaz  angeführten 
Stelle:  „Aeschylus  et  modicis  instravit  pulpitum  tignis'S  diesen  mufs  ich 
jede  Beweiskraft  absprechen. 

Zum  4.  Kapitel,  „Die  Elemente  der  Aufführung'^  möchte  ich  fiber 
die  Stellung  des  Chores  während  des  Dialoges  bemerken,  dafs  die  Auf- 
stellung in  Halbchören  höchst  wahrscheinlich  ist;  darauf  scheint  der  Ein- 
zug des  Chores  in  zwei  Teilen  von  zwei  verschiedenen  Seiten  in  Eur. 
Troades  hinzuweisen  und  noch  mehr  der  Umstand,  dafs  Personen  in  den 
Dialogpartieen  ohne  weiteres  die  halben  Chöre  nach  den  beiden  entgegen- 
gesetzten Sichtungen  dirigieren  können,  so  in  Soph.  Aias  und  Eur.  Elektra. 
Auch  mit  der  Aufstellung  des  yiOfvq)äiog  in  der  3.  Botte  scheint  man  dem 
Zwecke  der  Teilung  des  Chores  Bechnung  getragen  zu  haben ;  es  war  eben 
dieser  Platz  der  günstigste,  wenn  der  in  ^vyd  aufgestellte,  dem  Publikum 
zugewandte  Chor  durch  eine  Viertelschwenkung  rückwärts  jeder  seiner  beiden 
Hälften  um  die  äufseren  Achsen  die  Stellung  von  Halbchören  einnehmen 
sollte,  insofern  der  Chorführer  bei  einer  Teilung  der  mittleren  Botte  nach 


176  Nene  Philologische  Rnndschan  Nr.  8. 

Unks  und  rechts  den  Schauspielern  zunächst  kam  und  gleichsam  frei  wurde. 
Auch  die  Wiedervereinigung  der  beiden  Ghorhälften  war  so  leicht  mög- 
lich. —  Zu  der  Bemerkung  (S.  101),  dafs  wir  für  das  hellenistische 
Theater  aus  Plautus  ersehen,  dals  die  im  Hintergrund  dargestellten  Häuser 
durch  Gäfschen  (angiportus,  ctevamög)  getrennt  waren,  um  Schauspielern 
zum  Abgehen  Baum  zu  gewähren,  darf  man  woU  nachtragen,  dafs  auch 
in  der  Schlufsszene  der  Thesmophoriazusen  ein  solches  Gäfschen  vorhanden 
zu  sein  scheint.  Als  der  Skythe  fragt,  welchen  W%  sein  entronnener 
Gefangener  eingeschlagen  habe,  antwortet  der  Chor,  der  ihn  natfirlich  irre 
leiten  will,  V.  1223:  6q9^v  Uvio  dlome  (seil,  r^  6d6v).  Er  mufs  also 
im  Hintergrund  verschwinden,  in  ein  Haus  kann  er  aber  nicht  eintreten.  — 
Was  den  5.  Abschnitt  des  4.  Kapitels  betrifft,  so  gestehe  ich  gern, 
dafs  ich  mich  schon  länger  von  der  Irrigkeit  meiner  frfiheren  Annahme, 
das  griechische  Theater  der  klassischen  Zeit  habe  den  Gebrauch  eines  Vor- 
hanges gekannt,  fiberzeugt  habe;  das  moderne  Empfinden,  welches  in  der 
Tat  die  Quelle  dieser  Annahme  war,  glaube  ich  jetzt  dem  griech.  Drama 
gegenüber,  los  zu  sein.  — 

Schliefslich  darf  nicht  unerwähnt  bleiben,  dafs  die  beigegebenen  Ab- 
bildungen, welche  sich  bei  dem  bescheidenen  Preise  des  Buchleins  natfirlich 
auf  das  Notwendige  beschränken,  die  Anschauung  wesentlich  unterstfitzen. 
Es  kann  daher  jedem,  der  sich  fiber  den  gegenwärtigen  Stand  der  Buhnen- 
kunde rasch  und  doch  grfindlich  unterrichten  will,  das  Bfichlein  aufs  wärmste 
empfohlen  werden. 

Schweinfart.  K.  Wellhmaan. 

92)  Stndies  in  Honor  of  Basil  L.  Gfldersleeve.    Baltimore,  The 
Johns  Hopkins  Press,  1902.    IX  u.  517  S.  gr.  8.  S  6.—. 

Der  stattliche,  auch  äufserlich  vornehm  ausgestattete  Band  ist  dem 
verdienten  amerikanischen  Gelehrten,  dessen  Bildnis  beigegeben  ist,  von 
seinen  Schfilem  zum  70.  Geburtstag  dargebracht  worden.  Die  FfiUe  des 
Inhaltes,  die  ein  herrliches  Zeugnis  ablegt  von  den  vielseitigen  An- 
regungen, die  von  dem  Gefeierten  ausgegangen  sind,  verbietet  uns 
leider  auf  die  einzelnen  Beiträge  näher  einzugehen,  da  sonst  der  zu  Ge- 
bote stehende  Baum  weit  überschritten  werden  mfifste.  Wir  beschrän- 
ken uns  daher  notgedrungen  auf  eine  Inhaltsangabe.  Gh.  A.  Briggs, 
The  Apostolic  Oommission;  W.  F.  Mustard,  Homeric  Echoes  in  Mat- 
thew Arnold's  'Balder  Dead';  W.  H.  Kirk,  Ad  Catull.  XXX  4  —  5; 
M.  Bloomfield,  The  Symbolic  Gods;  N.  L.  Wilson,  The  üse  of  the 


'> 


Kene  Philologische  RnndBchan  Nr.  8.  177 

Simple  for  the  GompouDd  Verb  in  Persios;   G.  W.  L.  Johnson,  The 

Motion  of  the  Voice  in  Connection   with   Accent   and  Accentual    Arsis 

and  Thesis;   E.  G.  Sihler,   Augustus  Princeps;   Ch.  A.  Sa  vage,  The 

Athenian  in  his  Belations  to  the  State;    B.  S.  Radford,   üse   of  the 

Suffixes  -änus  and  -Inas  in  forming  Possessive  Adjectives  from  Names  of 

Persons;   Chr.  Johnston,  The  Fall   of  the   Assyrian   Empire;   H.  C. 

Eimer,  ^Ne   emisses',  ^ne   poposcisses'  and   Similar  Expressions;  G.  J. 

Laing,   Notes  on  the  Latin  Verbs  of  Bating;   E.  H.  Spieker,  The 

Pentapody  in  Greek  Poetiy;  G.  L.  Hendrickson,  Horace  and  Lucilius: 

A  Study  of  Horace  Serm.  I  10;  W.  J.  Alexander,  The  Aim  and  Be- 

sults  of  Plato's  Theaetetus;   A.  S.  Haggett,  On  the  Uses  of  the  Pre- 

positions  in  Homer;  E.  W.  Fay,  An  Erroneous  Phonetic  Sequence;  H.  E. 

Fairclough,  The  Connection  between  Music  and  Poetry  in  Early  Greek 

Literatare ;  H.  L.  E  b  e  1  i  n  g ,  Some  Statistics  on  the  Order  of  Words  in  Greek ; 

M.  Carroll,  The  Athens  of  Aristopbanes;  G.  Lodge,  On  theTheoryof 

thiS  Ideal  Gondition  in  Latin;  J.  W.  Kern,  On  the  Gase  Gonstruction  of 

Verbs  of  Sight  and  Hearing  in  Greek;  J.  W.  Basore,  The  ScenicValae 

of  the  Miniatures  in  the  Manuscripts  of  Terence;  E.  F.  Smith,  Papula 

duplex;  G.  V.  Edwards,  ^Ingenium'  in  the  Ablative  of  Quality  and  the 

Genitive  of  Quality;   M.  C.  Sutphen,  Magic  in  Theokritos  and  Vergil; 

A.  T.  Murray,  The  Interpretation  of  Euripides'  Alcestis;  B.  B.  Steele, 

Chiasmus  in  the  Epistles  of  Cicero,  Seneca,  Pliny  and   Fronte;   F.  G. 

Allinson,  On  Causes  Gontributory  tho  the  Loss  of  the  Optative  etc.  in 

Later  Greek;   J.  A.  Ness,  The  Etymology  and  Meaning  of  the  Sanskrit 

Boot  id;   Th.  B.  Price,   The  Technic  of  Shakspere's  Sonnets;   0.  F. 

Long,   The  Attitüde  of  Alcuin  toward  Vergil;   D.  A.  Penick,  Notes 

on  Lucian*s  Syrian  Goddess;  E.  M.  Pease,  The  Greeting  in  the  Lettres 

of  Cicero;    W.  A.  Montgomery,   Oration   XI    of  Dio   Chrysostomus. 

A  Study  in  Sources;  E.  B.  Lease,  The  Use  of  ^atque'  and'ac'  in  Silver 

Latin;  J.  E.  Harry,  IndicativeQuestions  with /u^  and  Sqo  fii^;  B.  J.Vos, 

Bime-Parallelism   in  Old  High  German  Verse;   H.  N.  Sanders,    Did 

Euripides  write  awSfzvwv  Hipp.  1276?;  G.  M.  Bolling,  The  Participle 

in  Apollonius  Bhodius;    E.  L.  Green,  IM^  forov  before  Lucian;   J.  A. 

Scott,   A  Tragic   Fragment   of  Jon;    J.  T.  Lees,   The   Metaphor   in 

Aeschylus;   G.  W.  E.  Miller,  The  Belation  of  the  Bhythm  of  Poetry 

to  that  of  the  Spoken  Language  with  especial  reference  to  Ancient  Greek. 

Br.  W. 


178  Ifeue  Philologische  Rundschau  Nr.  8. 

93)  Hollister  Adelbert  Haxnilton,  The  negative  Compounds 
in  Oreek,     Doktordissertation  von  Baltimore.    Baltimore,  John 
Murphy  Company  Printers,  1899.    62  S.  8. 
Die  Schrift  Hamiltons  liefert  einen  schätzbaren  Beitrag  zur  Lehre 
von  der  griechischen  Wortkomposition,  schätzbar,  weil  der  Verf.  den  auf- 
geschlossenen Sinn  för  das  Individuelle  der  Spracherscheinungen  besitzt, 
der  aller  Sprachforschung  A  und  0  ist.    An  der  Oberfläche  hält  sich  die 
indogermanistische  Behandlung  des  verneinenden  Präfixes  (S.  6 — 15);  die 
Kenntnis   der  sprachwissenschaftlichen  Literatur   leidet   an   Lücken:   die 
Dehnungen  in  dd^dvatog  und  in  ijvefiöeig  konnten  nicht  in  Parallele  gestellt 
werden,  wenn  Schulzes  Quaestiones  epicae  bekannt  waren;  Wackernagels 
(nicht  erwähntes)  Dehnungsgesetz  macht  uns  vijvefiog  verständlich.     Ffir 
ävdedvog  ist  nicht  Verdoppelung  des  Präfixes  anzunehmen;   sie  hat  kein 
Beispiel  an  dvadfifiogog,   d.  h.  „arg  unglücklich".    Man  denke  an  eine 
Variante  *aBdvov,  die  neben  iedvov  steht  wie  neben  eigari  im  Kretischen 
äegaa  (Hesych).    ve^raq  ist  kaum  semitisches  Lehnwort  (S.  12),  sondern 
stellt    sich,    aus   ^v^ytaQ   entstanden,     zu   vd}yah>v   „Leckerei".     Die 
Abnormität  axio)  „mifsachte"  (S.  19)  scheint  mir  dem  homerischen  Vor- 
bild  atita)    nachgeschaflfen ;    wiewohl  in  Wirklichkeit  ätit,o}  von  ütLTog 
ableitet  wie  dTctviaato  von  äjtiwtog,  empfand  das  Sprachgefühl  darin 
einen  mit  a  privativum  verbundenen  Verbalstamm  -rt^-.  Ein  Gesichtspunkt, 
der  nach  einer  Anregung  der  Wundtschen  Völkerpsychologie  (I,  1  S.  619) 
vielleicht  für  künftige  Darstellungen  der  Komposition  noch  fruchtbar  werden 
kann,  wird  S.  17  berührt.     Wortzusammensetzung  wie  Satzaufbau  wird 
vom  Gesetz  der  binären  Gliederung  beherrscht.     Damit  also  ein  ä-fivtjaL' 
%or/.im  dv-e^kyyvog  d-lMGut^hfig  a-tfBqknovog  aufkommen   konnte,   mufste 
zuvor  [ivtfvmytAo}  etc.  zur  Verschmelzung  eines  einheitlichen  Begriffs  ge- 
diehen sein:  wodurch  uns  ein  wertvolles  psychologisches  Datum  geliefert 
ist.    Mit  Anerkennung  sind  unter  H.s  neun  Kapiteln    zu   erwähnen  VI 
(Ersatzmittel  der  negativen  Gomposita),  VII  (Semasiologie)  und  nament- 
lich VIII  (die  n.  C.  als  Stilelement).    Eine  zahlenmäfsige  Übersicht  über 
die  Verbreitung  des  Typus  zum  Schlufs  lehrt,  obgleich  nicht  zuverlässig 
genug,  manches.    Im  übrigen  ist  zur  Lektüre  der  flüssig  geschriebenen 
Arbeit  zu  raten. 

Hannover.  Biigo  Ehrlioh. 


^-^ 


Nene  Philologlsohe  BnndBcban  Nr.  8.  179 

94)  Ernst  Fabridus,  Die  Entstehung  der  römischen  Limes- 
anlagen in  Deutschland.  Vortrag.  Mit  einer  Tafel.  Trier, 
Jacob  Lintz,  1902.     18  S.  gr.  8.  JL  —.80. 

Nachdem  die  Arbeiten  der  Beichs-^Limeskommission  in  der  Haupt- 
sache abgeschlossen  sind,  konnte  der  Versuch  gemacht  werden,  ein  fiber- 
sichtliches Gesamtbild  der  ffir  die  Geschichte  der  Bömerherrschaft  in 
unserem  Vaterlande   so   bedeutsamen   Anlage   der   Beichsgrenze   zu   ent- 

}  werfen.    Dafs  der  Verf.  der  vorliegenden  Abhandlung  seine  zunächst  vor 

einer  Versammlung  berufener  Fachmänner   gegebenen  Mitteilungen   hier 

'  weiteren  Kreisen  zugänglich  macht,  darf  bei  dem  immer  noch  wachsen- 

den und  allgemeiner  werdenden  Interesse  für  diese  Untersuchungen  mit 
Dank  anerkannt  werden.  Wenngleich  die  Arbeit  nicht  den  Zweck  haben 
kann,  irgend  neue  Ergebnisse  der  Forschung  vorzufahren,  so  ist  doch  auch 
die  Zusammenfassung  der  Einzelforschung,  die  Auswahl  und  Deutung 
charakteristischer  Erscheinungen  und  die  Feststellung  ihres  Zusammen- 
hanges mit  der  Überlieferung  der  Geschichte  von  wissenschaftlichem  Werte. 
Wer  sich  daher,  ohne  die  Arbeiten  der  Forscher  verfolgt  zu  haben,  aber 

I  die  Limesfr^e  im  allgemeinen  und  fiber  die  Bedeutung  der  ganzen  An- 

lage unterrichten  will,  wird  hier  einen  bequemen  und  zuverlässigen  Ffihrer 
finden.  Trotz  des  engen  Bahmens  bringt  Verf.  doch  ziemlich  viel.  Er 
weils  die  Verschiedenheit  der  Erscheinungen  auf  die  wechselnde  Beichs- 
politik  im  grofsen  zurfickzufuhren ,  die  bald  militärische  bald  administra- 
tive Zwecke  mit  der  gewaltigen,  550 km  umfassenden  Anlage  verfolgte. 
Und  so  lernt  man,  wenigstens  in  grofsen  Umrissen,  aus  der  an  mehreren 
Stellen  zwiefach  erscheinenden  Limeslinie,  aus  den  von  Zerstörung  und 
Wiedererrichtung  zeugenden  Erd-  und  Steinkastellen,  aus  dem  alten  Grenz- 
weg des  Domitian,  der  unter  sorgfältiger  Berücksichtigung  des  Geländes 
zumeist  über  die  Höhen  und  die  äufseren  Abhänge  der  Gebirge  hinweg 
gelegt  war,  aus  dem  später  seit  Hadrian  oft  „mit  brutaler  Verachtung 
des  Geländes  kerzengerade  über  Berg  und  Tal*'  gezogenen  Limes  mit 
seinem  Falisadenzaun  an  der  Aufsenseite  und  seinen  in  regelmäfsigen 
Abständen  stehenden  Kastellen,  einer  Linie,  die  vorwiegend  für  Verwal- 
tungszwecke geeignet  war  —  kurz  aus  allen  eigentümlichen  Einzelerschei- 
nungen lernt  man  die  Bedeutung  der  gesamten  Anlage  und  ihre  Ent- 
stehung und  Geschichte  verstehen,  erkennt  auch  die  zeitweilige  Bückkehr 
zum  Domitianischen  System  (unter  Marc  Aurel)  und  die  mancherlei  Wechsel- 
ßlle  bis  zu  der  Katastrophe  des  Jahres  259  oder  260,  das  sich  aus  den 


180  Nene  Philologische  Bundschan  Nr.  8. 

Fandstücken  des  Eastelles  von  Niederbieber  (bei  Neuwied)  feststellen  labt 
und  Aber  das  hinaus  kein  zuverlässiges  Zeugnis  des  Limes  fflhrt:  Der 
Bhein  wird  Beichsgrenze.  —  Der  beigefügten  Karte  liegt  das  soeben  von 
der  Beichs-Limeskommission  für  ihre  Zwecke  hergestellte  Glicht  zu  gründe; 
schon  deshalb  darf  sie  als  völlig  zuverlässig  und  genau  betrachtet  werden. 
Hanau.  O.  Waokermana. 

95)  J.  Asbaoh,  Zur  Oeschichte  und  Kultur  der  römischen 
Bheinlande.  Mit  einer  Karte.  Berlin,  Weidmannsche  Buch- 
handlung, 1902.  YIII  U.  68  S.  8.  steif  geh.  Ji  1.80. 
Diese  für  jeden  Qeschichts-  und  Altertumsfreund  interessante  und 
lehrreiche,  aber  zur  bequemen  Orientierung  auch  für  den  Fachmann  be- 
achtenswerte Schrift  gibt  für  ein  räumlich  abgegrenztes  Qebiet  eine  Zu- 
sammenstellung der  gesicherten  Besultate  der  Einzelforschung,  ein  an- 
sprechendes Gesamtbild  der  Entwickelung  der  keltischen,  germanischen, 
römischen  Besiedelungen  und  der  auf  ihrem  Boden  erwachsenden  Kultur 
im  Bheintale  von  Mainz  bis  Njmwegen,  und  zwar  vorwiegend  der  linken 
Bheinseite,  auf  der  ja  auch  die  wichtigen  Mittelpunkte  der  Kultur  liegen. 
Verf.  behandelt  die  gallisch -römische  Mischkultur  in  diesen  Gegenden, 
den  Götter-  und  Totenkult,  auch  die  Kunst-  und  Gewerbtätigkeit,  den 
Häuserbau,  der  in  den  Städten  und  reichen  Landhäusern  italischen  Mustern 
folgte,  die  Glasfabrikation,  die  schon  vor  den  Bömern  hier  heimische  Ke- 
ramik, die  Tracht,  von  der  die  Bömer  das  keltische  Sagum  entnommen 
haben,  den  Anbau  und  die  Fruchtarten,  und  kommt  zu  dem  Schlüsse: 
„Die  üfergelände  des  Bheins,  die  Täler  des  Mains  und  Neckars,  der  Mosel 
und  Saar,  das  Maifeld,  die  Ebene  bei  Düren  und  Jülich,  die  Eifel  in  ihrer 
ganzen  Ausdehnung  sind  ein  alter  Kulturboden,  den  Kelten,  Germanen 
und  Bömer  um  die  Wette  urbar  gemacht  haben.*'  Eine  besondere  Be- 
trachtung hat  Verf.  der  Augusta  Treverorum  und  noch  eingehender  nachher 
der  Golonia  Agrippinensis  gewidmet.  Trier  war  Industriestadt,  aber  vor 
allem  Luxusstadt.  Die  antike  Stadtumwallung  umschliefst  eine  Fläche, 
die  das  mittelalterliche  Trier  um  mehr  als  das  Doppelte  übertraf.  Dem 
Nordtor,  der  frühestens  aus  dem  2.  Jahrh.  stammenden  Porta  Nigra,  ent- 
spricht ein  Südtor,  dessen  Fundamente  ähnlichen  Aufbau,  Material  und 
Technik  erkennen  lassen.  Acht  Hauptheerstrafsen  gingen  von  dem  wich- 
tigen Mittelpunkte  aus  ins  Land,  nach  Andernach,  Koblenz,  Boppard,  nach 
Bingen  und  Mainz,  nach  Strafsburg,  nach  Metz  redits  und  links  der  Mosel, 


^ 


Nene  Philologuielid  RnndiehMi  Nr.  8.  181 

nach  BeimB,  nach  Köln,  letztere  in  ihrer  Anhige  hinaufreichend  in  die  Zeit, 
wo  Augnstns  und  M.  Agrippa  gemeinsam  die  Verwaltung  des  Westens 
organisierten.  Nicht  minder  bewundernswert  sind  die  Wasserleitungen,  die 
das  frische  Qebirgswasser  der  Eifel  an  die  Stationen  am  Bhein  flUirten 
und  deren  Anlagen  gewissenhaftes  Nivellement  und  Kenntnis  und  Erfährung 
in  der  Hydrostatik  voraussetzen.  Noch  eingehender  wie  Trier  und  seine 
Umgebung  wird  die  Entstehung  und  Bedeutung  des  römischen  Köln  dar- 
gestellt, wobei  im  wesentlichen  die  gesicherten  Resultate  verwertet  wer- 
den, die  in  der  bedeutenden  Arbeit  von  E.  Schnitze  und  G.  Steuemagel 
niedergelegt  sind,  einer  Arbeit,  die  nebst  einer  Erörterung  der  historischen 
Voraussetzungen  von  H.  Nissen  der  43.  Versammlung  deutscher  Philologen  und 
Schulmänner  (1895)  gewidmet  wurde.  Mit  diesen  Mitteilungen  hat  Verf. 
selbst  in  fibersichtlicher  und  zusammenhängender  Weise  die  geschichtlichen 
Vorgänge  verknfipft,  von  dem  Zeitpunkte  an,  wo  die  Ära  bei  der  übierstadt 
emrichtet  wurde:  die  Erhebung  zur  Kolonie,  den  Hergang  der  Stadt- 
grfindung,  Feststellung  des  ümfEinges  und  der  Einwohnerzahl  und  die 
späteren  Schicksale  bis  zum  Einfalle  der  Franken.  Steine  und  .andere 
Spuren  sind  genug  vorhanden,  die  dem  spätgekommenen  Historiker  er- 
lauben, sich  ein  Bild  von  der  grolton  Orenzfestung  zu  machen.  Neuis, 
Vetera,  Amheim,  Nym wegen  und  eine  Reihe  Zwischenkastelle  zeigen  das 
Festhalten  des  linken  Ufers,  und  wenn  auch  auf  dem  rechten  die  weit 
vorgeschobenen  von  den  Germanen  gründlich  zerstört  wurden,  so  fühlten 
die  Römer  sich  doch  sicher  im  Besitze  des  Rheins;  er  war  rechts  und 
links  von  ihren  Kastellen  beherrscht,  von  ihren  Brficken  fiberspannt,  von 
ihren  Flotten  befahren.  Auch  in  den  rechtsrheinischen  Gegenden  ent- 
wickelte sich  in  den  ersten  Jahrhunderten  innerhalb  der  seit  Domitian 
begonnenen  Zoll-  und  Militärgrenze  eine  lebhafte  Kultur,  die  nicht  mit 
dem  Falle  des  Limes  verloren  ging.  Auch  die  Entstehung  von  Andernach, 
ürmitz,  Koblenz,  Mainz  finden  Berficksichtigung,  letzteres  der  starke 
Schlufsstein  in  dem  grofsen  Verteidigungssystem,  noch  von  Julian  und 
Valentinian  als  Stfitzpunkt  ihrer  Unternehmungen  benutzt  —  Eine  Abbildung 
der  Porta  Nigra  steht  an  der  Spitze  des  Textes,  eine  solche  der  Igeler 
Säule  am  Schlüsse.  Eine  Zeittafel  (von  2000  v.  Chr.  bis  413  n.  Chr.  — 
Ausbreitung  der  Franken  im  linksrheinischen  Lande  —^reichend),  wie  sie 
Asbach  in  einer  fDr  den  Leser  so  bequemen  Weise  auch  sonst  historischen 
Schriften  beiffigt,  schliefst  das  ansprechende  Bfichlein.  Die  beigegebene 
Karte  zeigt  allerdings,  dem  Inhalte  der  Schrift  entsprechend,  vornehmlich 


182  Neue  Philologische  Bandschan  Nr.  8. 

die  linke  Bheinseite;  rechts  ist  aofser  den  Flofsrnfindangen  fast  nur  der 
Limes  (bis  zum  Main)  eingezeichnet. 

Hanau.  0.  Waokemiami. 

96)  0.  Weifsenfels,  Eemfiragen  des  höheren  ünteirichts.  Neue 
Folge.  Berlin,B.  GaertnersVerlagsbuchhandlung,  1903.  IV  u.  379  S.  8. 

Die  Arbeit,  welche  dieselbe  warme  Empfehlung  verdient  wie  die 
früher  vom  ßef.  in  der  „N.  phil.  Bundschau"  1901,  S.  276—278  an- 
gezeigten Weifsenfelsschen  „Kernfragen 'S  besteht  aus  zehn  Kapiteln,  unter 
denen  nicht  nur  die  vier  ersten  wegen  ihrer  grundlegenden  Bedeutung, 
sondern  auch  die  sechs  anderen  infolge  ihrer  geschickten  Übertragung  der 
in  jenen  aufgestellten  Qrundsätze  auf  praktische  Fälle  allgemeine  Beach- 
tung beanspruchen  können. 

Alle  Ausfährungen  des  Verf.  gipfeln  in  dem  gerade  in  unserer  Zeit 
der  unterrichtlichen  Zersplitterung  besonders  beherzigenswerten  Grundsatze, 
dafs  jedes  Lehren  in  philosophischem  Geiste  erfolgen  müsse,  wenn  es  nicht 
erfo^los  bleiben  oder  selbst  zur  Verdummung  führen  solle. 

In  Nr.  1:  „Das  Inkommensurable  des  Unterrichtsproblems"  beweist 
Verf.,  dafs  die  Philosophie  dem  nach  Gewinnung  richtiger  pädagogischer 
Grundlagen  strebenden  Lehrer  den  gesunden  Mittelweg  zwischen  der  ein- 
seitigen Fachwissenschaft  und  den  gewöhnlichen  Ansprüchen  des  prak- 
tischen Lebens  zeigt.  Besonders  wichtig  und  umfangreich  sind  Nr.  2: 
„Die  Philosophie  auf  dem  Gymnasium"  und  Nr.  3:  „Der  Bildungswert 
der  Poesie."  Letzteres  Kapitel  bietet  infolge  eines  Zufalles  einige  An- 
klänge an:  „W.  Münch,  Poesie  und  Erziehung."  Neue  Folge  vermischter 
Aufsätze,  S.  122 — 146  und  an:  „A.Biese,  Pädagogik  und  Poesie."  Ver- 
mischte Aufsätze,  ist  aber  doch  als  ganz  selbständige  Leistung  zu  be- 
trachten und  fördert  den  Gegenstand  nicht  unwesentlich. 

In  Nr.  3  erklärt  Verf.  zutreffend  die  oft  so  unfruchtbar  betriebene 
philosophische  Popädeutik  für  entbehrlich,  vorausgesetzt,  dafs  man  alles 
Unterrichten  den  Weg  zum  Philosophischen  nehmen  lasse,  wie  auch 
A.  Fouille,  ,iLa  räforme  de  l'enseignement  par  la  Philosophie 'S  fordere. 
Nr.  4:  „Die  philosophischen  Elemente  unserer  klassischen  Literaturperiode 
nach  ihrer  Verwendbarkeit  für  die  Schule"  empfiehlt  Lessing  und  nament- 
lich Schiller  als  Philosophen  für  den  Lernenden  und  wünscht  mit  Recht, 
dafs,  wenn  möglich,  Schillers  ästhetisch -moralische  Abhandlungen  in  den 
Schulen   gelesen  und  erklärt  würden.    In  Nr.  5:   „Die  Bedeutung  von 


^ 


Nene  Philologiscbe  Bandscbau  Nr.  8.  183 

Ciceros  rhetorischen  Schriften  för  die  Schule*'  wird  der  Orator  scharf- 
sinnig als  sehr  geeignet  för  das  Gymnasium  bezeichnet,  dagegen  der  Brutus 
so  gut  wie  gar  nicht  empfohlen.  In  Nr.  6  verwirft  Weifsenfeis  mit 
Becht  die  Verherrlichung,  welche  G.  Boissier  den  Briefen  Ciceros  an- 
gedeihen  läfst,  aber  auch  g^en  Aly  und  Bardt  ihre  Schullekture  über- 
haupt, bezeichnet  in  Nr.  7,  S.  290/91  die  Synonymik  als  geeignetste 
philosophische  Popädeutik  und  tadelt  in  Nr.  8,  S.  323  mit  guten  Gründen 
das  auf  Schule  und  Universität  grofsgezogene  Bemühen,  im  Horaz  überall 
strenge  Dispositionen  finden  zu  wollen,  wobei  er  eine  beachtenswerte  Kritik 
an  G.  Leuchtenbergers  sonst  tüchtigem  Buche:  „Die  Oden  des  Horaz  fdr 
den  Schulgebrauch  disponiert  *'  übt.  Nr.  9  entwickelt  in  einer  Bepetition 
geschickt  den  Begriff  der  Urbanität  aus  Hör.  ep.  I,  7,  wobei  Verf.  S.  325 
der  Reproduktion  des  Gelesenen  in  Prima  eine  weit  gröfsere  Bedeutung 
beilegt  als  dem  Lesen  selbst.  S.  379,  also  am  Schlüsse  des  10.  Kapitels 
und  des  ganzen  Buches,  finden  wir  das  gesunde  Urteil  ausgesprochen,  dals 
die  Ästhetik  des  Horaz  stets  auf  dem  festen  Grunde  des  wirklich  einer 
Erörterung  Fähigen  und  Bedürftigen  beharre. 

Wollstein.  Karl  LSsohhom. 


97)    H.    Enauth,    Lateinisches    Übungsbuch    für   Sekunda 

im  Anschlufs  an  die  Lektüre  nebst  stilistischem  Anhang  und 
Wörterverzeichnis.  II.  Abteilung.  Für  Obersekunda.  Berlin, 
Weidmannsche  Buchhandlung,  1903.     128  S.  8.  Ji  1.60. 

Das  Buch  zeigt  dieselben  Vorzüge,  wie  das  für  Untersekunda,  das 
kürzlich  hier  angezeigt  ist.  Besondere  Bücksicht  ist  in  diesem  Teile  der 
Stilistik  gewidmet.  Das  wesentliche  aus  diesem  Gebiete  ist  in  50  Regeln 
zusammengefafst,  welche  einen  Anbang  bilden.  Der  Einübung  dieser  Re- 
geln dienen  teils  Einzelsätze,  teils  zusammenhängende  Stücke.  Letztere 
lehnen  sich  sämtlich  an  die  Klassenlektüre  an  (Livius  III  Dekade  und 
Sallust  lugurtha)  und  sind  so  gehalten,  dafs  sie  diese  ergänzen  und  ver- 
tiefen. Den  Schlufs  des  Buches  bildet  ein  sehr  reichhaltiges  Wörterverzeichnis. 
Bedauerlich  ist,  dafs  der  Verf.  auch  in  diesem  Teile  unter  die  ein- 
zelnen Textseiten  zahlreiche  Anmerkungen  gesetzt  hat,  die  dem  Schüler 
die  Arbeit  allzusehr  erleichtern.  Braucht  man  wirklich  einem  Ober- 
sekundaner die  Ausdrücke  für  „Wohlfahrt ^S  „es  ist  allgemein  bekannt*', 
„der  Beiname  der  Gerechte 'S  „lassen'',  „ohne  zu",  „vollends",  „zu  hoch 
als  dafs"  u.  s.  w.  anzugeben?    Für  noch  bedenklicher  halte  ich  es,  wenn 


164  Keae  Philologisclie  Enndschan  Nr.  8. 

in  den  Anmerkungen  das  wiederholt  wird,  was  aus  den  Begeln  des  An- 
hanges gelernt  ist  und  fester  Besitz  sein  soll  (z.  B.  St.  2,16.  34,1).  Auch 
Anmerkungen  wie  die  St.  2,6  u.  7  sind  nicht  zu  billigen,  da  sie  den 
Schüler  zu  Gedankenlosigkeit  verleiten;  wenn  im  Anhange  „Leser  qui 
legit'^  gelernt  ist,  mufs  jeder  Schüler  durch  eigenes  Nachdenken  die  rieh* 
tige  Übersetzung  für  „jeder  aufmerksame  Leser '^  finden.  Der  Druck  ist 
sehr  korrekt,  mir  ist  nur  auf  S.  100  forsitan  vituperat  aufgefiJlen. 
Potsdam.  E.  Krause. 


Viktor  Thumaer,  Schule  und  Haus.  Populäre  Vorträge,  ge- 
halten an  den  Elternabenden  der  E.  E.  Mariahilfer  Gymnasiums 
in  Wien.  Unter  Mitwirkung  der  Professoren  Dr.  Friedrich 
Umlauft,  Ferdinand  Drefsler,  Emanuel  Feichtinger 
und  Dr.  Earl  Haas.  Wien  u.  Leipzig,  Franz  Deuticke,  1902. 
88  S.  gr.  8.  Ji  1.80. 

In  Nr.  21  dieses  Blattes  vom  18.  Oktober  1902  sind  drei  Vorträge 
Yon  Viktor  Thumser,  dem  Direktor  des  E.  E.  Mariahilfer  Gymnasiums 
in  Wien,  welche  unter  dem  Gesamttitel  „Erziehung  und  Unterrichte^  im 
Jahre  1901  erschienen  waren,  angezeigt  worden;  sie  hatten  den  Zweck 
verfolgt,  eine  nähere  Beziehung  zwischen  der  Schule  und  dem  Elternhause 
herzustellen,  und  dieser  Absicht  zunächst  mit  allgemeineren  Erörterungen 
zu  dienen  gesucht.  Jetzt  sind  nun  in  dem  in  der  Überschrift  genannten 
Hefte  fQnf  weitere  Vorträge  vom  Direktor  und  vier  Professoren  desselben 
Gymnasiums  veröffentlicht  worden,  in  denen  der  erwähnte  Zweck  weiter 
verfolgt  und  eine  speziellere  Verständigung  über  einzelne  Fragen  der  Er- 
ziehung und  des  Unterrichts  ins  Werk  gesetzt  worden  ist;  die  Themata 
der  fünf  Vorträge  sind:  Die  Sprechstunde,  die  Benutzung  der  Landkarte 
f&r  den  Schulunterricht  und  das  häusliche  Studium,  Belohnung  und  Strafe 
als  Erziehungsmittel,  über  den  Nutzen  der  klassischen  Sprachen  für  das 
Studium  modemer  Sprachen,  die  Poesie  in  der  Schule;  sie  sind  an  fünf 
Sonnabenden  vom  23.  November  1901  bis  zum  10.  Mai  1902  gehalten 
worden.  Aus  ihnen  allen  spricht  dieselbe  vornehme  und  verständige  Auf- 
fassung der  in  Frage  kommenden  Aufgaben,  welche  dem  ganzen  Unter- 
nehmen zu  Grunde  liegt;  darum  werden  sie  gewifs  ihren  nächsten  Zweck 
vortrefflich  erfüllt  haben  und  verdienen  nicht  minder  auch  in  weiteren 
Ereisen  beherzigt  zu  werden. 

Bremen.  Edn.  Frltse. 


/^ 


^ 


Nene  Fhilolog^he  Bondiehaa  Nr.  B.  186 

99)  Georges  Felliflsier,  TrioB  de  riuBtoire  de  la  littöratiure 
£raii9ai8e.  niustr^  de  85  portndts.  Paris,  Delagrave,  o.  J. 
(1902).  556  S.  8. 
Der  vorliegende  Band  ist  von  einem  Pariser  Schulmann  fOr  Schfiler 
höherer  französischer  Staatslehranstalten  (Lyc^s)  geschrieben.  Auf  diesen 
Schulen  ist  ähnlich  wie  bei  uns  die  Geschichte  der  heimischen  Literatur 
ünterrichtsgegenstand,  und  es  fehlen  infolgedessen  entsprechende  Bücher 
nicht;  zum  Teil  sind  sie  aber  reichlich  umfangreich,  wie  etwa  Lansons 
vortreffliches  Werk;  andere  wieder  sind  für  die  in  geistlichen  Händen 
befindlichen  höheren  Schulen  bestimmt  und  demgemäfs  gefärbt.  Diese 
Umstände  haben  Pellissier,  der  sich  als  Literarhistoriker  schon  mehrfach 
bekannt  gemacht  hat,  zur  Abfassung  dieses  „Abrisses'*  veranlalst.  Wenn 
der  Band  immerhin  noch  recht  kräftig  ausgefallen  ist,  so  liegt  das,  ganz 
abgesehen  von  dem  gewaltigen  Stoff,  schon  daran,  dafs  der  Verf.  ein  Buch  hat 
schaffen  wollen,  in  welchem  die  Schfiler  der  oberen  Klassen  die  im  Unterricht 
behandelten  Partieen  der  französischen  Literaturgeschichte  fQr  sich  wirk- 
lich nachlesen  können.  Es  gibt  ja  eine  Art  von  „Abrissen'',  welche 
aufser  Namen  und  Daten  nur  knappe  und  deshalb  leicht  schiefe  literarische 
Urteile  enthalten.  Solche  apodiktischen  Aussprfiche  eignet  sich  der  junge, 
unerfahrene  Leser  nur  zu  gern  unkontrolliert  an,  da  er  meint,  nun  mit- 
reden zu  können.  Diese  gefährliche  Bfichergattung  hat  Pellissier  glfick- 
licherweise  nicht  vermehrt,  sondern  ein  wirkliches  Lesebuch  fQr  ältere 
Schfiler  schaffen  wollen,  das  dementsprechend  nicht  nur  unter  literar- 
historischem, sondern  auch  unter  pädagogischem  Gesichtspunkt  zu  be- 
trachten ist. 

Der  Stoff  wird  dem  Leser  in  sechs  Abschnitten  fiberliefert:  der  erste 
zeigt  in  der  Behandlung  der  altfranzösischen  Zeit  eine  dem  Zweck  des 
Buches  entsprechende  knappe  Passung ,  ohne  dadurch  an  Anschaulichkeit 
zu  verlieren.  Ähnlich  wird  im  zweiten  Abschnitt  das  16.  Jahrb.  vor- 
gefahrt. Die  klassische  Epoche  der  französischen  Literatur  ist  natfirlich 
bedeutend  weiteren  Um&nges;  der  ihr  gewidmete  Abschnitt  nimmt  mehr 
als  den  dritten  Teil  des  Buches  ein.  Ihr  gegenfiber  wird  das  18.  Jahrh 
kurz,  aber  durchaus  nicht  stiefmfitterlich  behandelt,  so  dafs  der  Charakter 
der  Zeit  plastisch  herausgearbeitet  erscheint.  Das  19.  Jahrh.  umfiafst  den- 
selben Baum  wie  das  17.  und  wird  vom  Verf.  in  zwei  Abschnitten  ge- 
schildert, von  denen  der  eine  (ffinfte)  dem  Bomantizismus ,  der  andere 
(sechste)  dem  Naturalismus  gewidmet  ist.    Die  einzelnen  Kapitel,  in  die 


18&  Nene  Phüologisehe  Rnndschaii  Nr.  8. 

jeder  Abschnitt  zerfällt,  werden  durch  instruktive,  kurze  Inhaltsangaben 
eingeleitet  und  geben  am  Schlufs  stets  eine  Zusammenstellung  solcher 
Literatur,  wie  sie  sich  ein  lese-  und  lernbegieriger  Benutzer  des  Buches 
leicht  verschaffen  kann,  eine  wirklich  lobenswerte  und  in  diesem  Falle  auch 
sachkundig  verfafste  Beigabe.  Gut  gemeint  sind  auch  die  technisch  ziemlich 
kfimmerlichen,  im  Text  verstreuten  kleinen  Porträts  von  85  Schriftstellern. 

Ist  so  die  allgemeine  Behandlung  und  Verteilung  des  Stoffes  lobens- 
wert, seine  Darbietung  pädagogisch  durchdacht,  so  kann  man  auch  den 
einzelnen  literarischen  Urteilen  desVerf*  die  Zustimmung  nicht  versagen. 
Das  Gesamturteil  fiber  sein  Buch  kann  daher  nur  gfinstig  ausfeilen.  Wenn 
er  in  der  Vorrede  sagt:  mon  objet  principal  a  6t6  d*^crire  un  livre  clair, 
suivi,  m^thodique,  so  hat  er  seine  Absicht  vollauf  erreicht. 

Peine.  K.  Frieslaad. 


100/101)  Ferdne.  Far  Henry  C^r^ville.  Allein  berechtigte  Schulansgabe 
von  M.  V.  Metzsch.  Vierte  von  E.  Wasserzieher  verbesserte 
Auflage.  I.  Teil:  Text,  VI  u.  166  S.  II.  Teil:  Anmerkungen 
und  Wörterbuch,  45  S.    Leipzig,  Gerhard,  1902.    8. 

^  1.50  u.  «/^  — .25. 
—  Strasbom^.     Far  Panl  et  Victor  Hargneritte.    F&r  das 
ganze  deutsche  Sprachgebiet  allein  berechtigte  Schulausgabe  von 
E.  Wasserzieher.    I.  Teil:  Text,  V  u.  128  S.    IL  Teil:  An- 
merkungen und  Wörterbuch,  48  S.    Leipzig,  Gerhard,  1903.    8. 
An  guten  Sammlungen  französischer  Schulausgaben  ist  gegenwärtig 
kein  Mangel  mehr,  so  dafs  neue  eigentlich  kaum  einem  „lange  gefühlten 
Bedfirfnisse^'  abzuhelfen  brauchen.  Die  Gerhardsche  Sammlung  aber  scheint 
sich  von  anderen  dadurch  unterscheiden  und  auszeichnen  zu  wollen,  dafe 
sie  bisher  noch  in  keinen  anderen  Sammlungen  veröffentlichte  Werke  zeit- 
genössischer Autoren  als  Schulausgaben  bietet.    Das  ist  dankenswert,  zu- 
mal der  Verlag  ffir  einzelne  seiner   Ausgaben   diese  Berechtigung  nur 
„unter  namhaften  Opfern''  hat  erwerben  können.  Da  auch  der  Name  des 
Herausg.,  Dir.  Dr.  Wasserzieher,  der  seit  1891  dieBedaktion  übernommen 
hat,  Gutes  verbürgt,  so  ist  dem  Unternehmen  der  beste  Erfolg  zu  wünschen. 
Was  die  beiden  vorliegenden  Bändchen  anbetrifft,  so  enthält  das  erste 
(Nr.  5),  das  die  unter  dem  Fseudonym  Henry  Gr^viUe  schreibende  Schrift- 
stellerin Durand-FIeury  zur  Ver&sserin  hat,  in  leichter  Sprache  und  fesseln- 
der Form  die  Schicksale  eines  mutterlosen  jungen  Mädchens  in  Faris;  es 


^ 


^ 


Neae  FfailologiB^e  BundicliAii  Nr.  8.  187 

dfirfte  dch  darum  auch  wohl  mehr  Ar  Mädchen-  als  fBr  Enabenschulen 
eignen.  —  Das  zweite  (Nr.  10),  deren  Verfasser  die  Söhne  des  bei  Sedan 
gefallenen  französischen  Generals  Margueritte  sind,  ist  ein  Auszug  aus  dem 
dritten  Teile  ihres  1896  erschienenen  grofsen  Werkes  f,üne  Epoque^S  einer 
Schilderung  des  Krieges  von  1870/71  in  der  Form  eines  Bomans,  und 
enthält  „  im  Bahmen  einer  Familien-  und  Herzensgeschichte  ein  anschau- 
liches, dramatisch -bewegtes,  ergreifendes  Gemälde  der  Belagerung  von 
Strafsburg  durch  die  deutschen  Truppen"  (S.  iv).  Es  ist  nach  Sprache 
und  Inhalt  weniger  leicht  und  darum  nur  fDr  reifere  Schfiler  geeignet 

Die  Anmerkungen  scheinen  mir,  besonders  fDr  Nr.  5,  in  der  Über- 
setzung manchmal  etwas  zu  weit  zu  gehen.  Der  Druck  ist  korrekt;  nur 
in  Nr.  5  ist  mir  gleich  auf  S.  1,  Z.  16  aufge&llen:  „comment  eile  le 
sons"  (statt  commeni  eUes  sont?). 

Dt.  Wihnersdorf.  Pr.  Biomo. 

102)  SachB-Villatte,  Encyklopftdisches  Franzödsch-DeutBeheB 
und  Deutsch- Französisches  Wdrterbnch.  (Auszug  aus 
der  grofsen  Ausgabe.)    Neue  Bearbeitung.    Berlin,  Langenscheidt, 

1900.    866  u.  1160  S.  zu  3  Sp.    Beide  Teile  in  einem  Band. 

geb.  ^  15.  — . 

Konnte  man  schon  bisher  unbedenklich  den  kleinen  Sachs  als  das 
fQr  die  Schule  geeignetste  und  f&r  die  meisten  Zwecke  des  ti^lichen  Le- 
bens ausreichende  Wörterbuch  empfehlen,  so  gilt  dies  mit  noch  mehr 
Recht  von  der  neuen  Bearbeitung,  zu  der  sich  die  Verlagsbuchhandlung 
nach  langem  Warten  entschlossen  hat,  und  die  seit  1900  fertig  vorliegt. 
Bei  der  Oelegenheit  sind  alle  Artikel  einer  sorgfältigen  Durchsicht  unter- 
zogen worden;  viel  Neues  ist  hinzugekommen;  manche  Ausdrücke  sind  durch 
passendere  ersetzt  worden. 

Einen  wesentlichen  Fortschritt  hat  der  Verleger  in  der  typographi- 
schen Ausstattung  erzielt,  indem  die  etwas  kleinen  Buchstaben  der  alten 
Auflage  durch  gröfsere  ersetzt  worden  sind.  Die  vorzfiglich  fibersichtliche 
Anordnung  des  Stoffes,  wodurch  sich  schon  frflher  das  Wörterbuch  vorteilhaft 
vor  allen  andern  auszeichnete,  ist  dieselbe  geblieben,  und  so  kann  man  den 
neuen  Sachs  als  eine  vorbildliche  lexikographische  Leistung  bezeichnen. 

Nicht  recht  befreunden  kann  sich  ein  Neuphilologe  freilich  mit  den 
phonetischen  Zeichen  von  Toussaint-Langenscheidt  (fd^  als  Lautzeichen!); 
iadessen  mufste  in  dieser  Beziehung  wohl  Bficksicht  auf  phonetisch  nicht 
geschulte  Leser  genommen  werden. 


188  Neue  PhUologuiohd  Bondflehan  Nr.  S. 

Warum  erscheint  nun  auch  nicht  bald  der  grofse  Sachs  in  neuer 
Bearbeitung? 

Bremen.  W.  BShrs. 


103/104)  Arthur  Zapp^^The  natural  method  for  teaching  foreign 
languages.  English.  First  bock.  Berlin,  Carl  Duncber, 
1901.    Vin  u.  98  S.  Ji  2.26. 

Arthur  Zapp,  Höthode  naturelle  pour  Tenseignement 
des  langues  ötrangeres.  Fraufais.  Premier  livre.  Berlin, 
Carl  Duncker,  1902.    Vm  u.  132  S.  ^  2.50. 

Beide  Bücher  stellen  sich  in  den  Dienst  der  direkten  Methode,  also 
deijenigen,  die  unter  völligem  Verzicht  auf  die  Muttersprache  des  Schfilers 
von  der  ersten  Stunde  an  nur  mit  der  fremden  Sprache  arbeitet  und  auch 
den  Schüler  nur  dieser  sich  bedienen  läfst. 

Der  Lehrer  stützt  sich  dabei  zunächst  auf  die  direkte  oder  indirekte 
Anschauung.  Am  Anfang  jeder  Lektion,  deren  das  englische  Buch  30, 
das  französische  32  zählt,  ist  das  einzuübende  lexikalische  und  gramma- 
tische Material  zusammengestellt.  Dann  folgen  Fragen,  auf  die  der  Lehrer 
zuerst  selbst  die  Antwort  gibt,  um  sie  dann  vom  Schüler  wiederholen  zu 
lassen;  bei  weiterer  Forsetzung  dieser  Fragen  erfolgen  die  Antworten  auch 
bald  selbständig  vom  Schüler.  So  heifst  es  z.  B.  in  der  zweiten  Lektion 
des  englischen  Lehrbuchs: 

What  is  this?    It  is  the  coat. 

What  is  this?    It  is  the  waistcoat. 

Is  this  the  coat?    No,  it  is  not,  it  is  the  dress. 

Is  this  the  necktie?    Tes,  it  is, 

Oder  im  französischen  Teile  in  Lektion  8,  wo  es  sich  um  die  Einübung 

der  persönlichen  Fürwörter  handelt: 

A  qui  est  ce  crayon?    II  est  ä  moi,  c'est  le  mien. 

A  qui  est  ce  livre?    £st-il  ä  moi?    Non  il  n'est  pas  ä  moi, 

il  est  ä  vous,  M.  A;  c*est  le  vötre. 
Ce  livre  est-il  ä  nous?    Non,  il  est  ä  lui  etc. 

So  wird  die  regelmäfsige  und  unregelmäfsige  Formenlehre  in  Frage  und 
Antwort  durchgearbeitet.  In  ähnlicher  Weise  wird  bekanntlich  von  Ber- 
litz, Sauveur,  Stern  verfahren,  die  der  Verf.  selbst  in  seinem  Vorwort 
erwähnt;  aber  auch  in  den  Frankfurter  Anstalten  und  auch  von  manchem 
Lehrer  anderer  Schulen  wird  gelegentlich  so  unterrichtet,  und  es  ist  auch 
gewifs  nicht  zu  bezweifeln,  dafs  diese  Methode  bei  gewissen  Kapiteln  der 


^ 


l^ene  t^hüologigche  ftiuidsehaii  Kr.  8. 


Grammatik  zu  guten  Erfolgen  f&hren  kann.  Das  Bedenkliche  scheint  mir 
nur  in  ihrer  ausschlief slichen  Anwendung  zu  liegen.  Nach  des  Verf. 
Vorschlag  soll  aber  an  gewissen  Anstalten  der  ganze  Unterricht  in  diesem 
Frage-  und  Antwortspiel,  wie  er  selbst  die  ganze  Methode  bezeichnet, 
bestehen.  Das  mag  an  einzelnen  Frivatanstalten  rein  praktischen  Charak- 
ters, wo  der  Zweck  des  Sprachunterrichts  lediglich  auf  die  Fähigkeit  sich 
in  der  Fremdsprache  verständigen  zu  können,  hinausläuft,  wohl  seine 
Berechtigung  haben;  aber  an  höheren  öffentlichen  Anstalten  mufs  doch 
noch  allerlei  anderes  nebenher  betrieben  werden,  und  daher  empfiehlt  wohl  der 
Verf.  am  SchluDs  seines  Vorworts  selbst  sein  Buch  ffir  besondere  an 
solchen  Anstalten  abzuhaltende  Konversationsstunden.  „Abwechslung  ist 
der  Beiz  des  Lebens",  das  gilt  auch  vom  Sprachunterricht.  Die  Gefahr 
des  ledernen  und  geisttötenden  Unterrichts  besteht  bei  der  direkten  Me- 
thode nicht  minder  als  bei  der  rein  grammatisierenden  und  Übersetzungs- 
methode, der  ich  durchaus  nicht  das  Wort  reden  will.  Anderseits  aber 
vermögen  wir  nichts  Verdienstliches  und  Nachahmenswertes  darin  zu  er- 
blicken, wenn  die  fremdsprachlichen  Stunden,  wie  der  Verf.  in  einem 
Begleitwort  sagt,  zu  „Flauderstündchen"  und  der  Unterricht  zu  einer 
„angenehmen  Zerstreuung"  wird.  Das  mag  ja  gelegentlich  einmal  so  sein, 
aber  wenn  es  die  Begel  werden  sollte,  so  dürfte  das  mit  dem  Ernst  der 
Arbeit,  der  unsere  deutschen  Schulen  doch  sonst  charakterisiert,  nicht 
recht  stimmen.  Der  Verf.  hat  auch  wohl  mit  diesen  Worten  nur  auf  die 
Leichtigkeit  hinweisen  wollen,  mit  welcher  die  direkte  Methode  Kenntnisse 
vermitteln  kann;  und  für  manche  Fälle  hat  er  darin  gewifs  recht. 

Dafs  Sprechübungen  verschiedensten  Inhalts  in  ausgedehntem  Mafse  be- 
trieben werden  müssen,  wird  jetzt  jeder  anerkennen,  aber  neben  dieser  mehr 
materiellen  Seite  des  Unterrichts  mufs  auch  seine  wissenschaftliche  zur  Geltung 
kommen,  und  wenn  dabei  gelegentlich  etwas  theoretisiert  und  durch  Ver- 
gleiche mit  der  eigenen  und  anderen  Sprachen  die  Denkfähigkeit  der  Schüler 
geschärft  wird,  so  werden  ihre  Eltern  darüber  wohl  nicht  ungehalten  sein. 

Dessau.  Bahrs. 


105)  Ludwig  Sütterlin,  Das  Wesen  der  spraöhlichen  Gebilde. 

Kritische  Bemerkungen  zu  Wilhelm  Wundts  Sprachpsychologie. 
Heidelberg,  Carl  Winter,  1902.     VII  u.  192  S.  8. 
Als   Wilhelm  Wundts   grofses  Werk    über   Völkerpsychologie    an- 
gekündigt  wurde,   da  hatte  man  wohl  allgemein  das  Gefühl,   dafs  es 


190  Keae  Philologiiche  Bnndachan  Nr.  8. 

zum  AbBchlofs  der  Lebensarbeit  des  grofsen  Psychologen  gehörte,  das 
psychische  Wesen  des  Menschen  auch  in  seinen  Erscheinungen  auf  dem 
Gebiete  der  Qemeinschaft,  des  Stammes  oder  Volkes,  zu  untersuchen,  unter 
allen  umständen  mufste  dabei  die  Wissenschaft  von  der  Sprache  als  der 
allgemeinsten  und  wichtigsten  Form  sozialpsychiscben  Lebens  und  Wesens 
in  ihrem  psychologischen  Fundament  völlig  erneuert  werden.  Denn  an 
Stelle  der  Anschauungen  Herbarts,  die  bei  den  Vertretern  der  Sprachwissen- 
schaft meist  mafsgebend  waren,  oder  an  Stelle  der  „Vulg&rpsychologie^^  trat 
hier  die  Wundtsche  Theorie  von  den  psychischen  Funktionen,  die  sich  nur 
auf  das  Experiment  und  auf  die  offensichtlichen  Tatsachen  der  Völker- 
psychologie stützt.  Dafs  es  Wundt  in  seinem  vorgerfickten  Alter  nicht 
möglich  sein  würde,  sich  die  volle  Herrschaft  über  das  riesenhaft  an- 
gewachsene sprachwissenschaftliche  Material  anzueignen,  liefs  sich  voraus- 
sehen. Widerspruch  konnte  also  nicht  ausbleiben  von  selten  der  Ver- 
treter der  Sprachwissenschaft  im  engeren  Sinn.  Zu  Delbrücks  Auseinander- 
setzung mit  Wundt  ist  nun  das  Buch  Sütterlins  getreten. 

Delbrücks  Kritik  wendet  sich  nicht  gegen  minderwichtige  Einzelheiten 
und  gelegentliche  Irrtümer^  sie  ist  von  hoher  Warte  aus  geschrieben  und 
zieht  nur  Fragen  von  prinzipieller  Bedeutung  in  Betracht.  Einen  anderen 
Standpunkt  nimmt  Sütterlin  dem  Werke  Wundts  gegenüber  ein.  Er  geht 
allenthalben  in  die  Einzelheiten  ein,  prüft  die  Auffassungen  Wundts  in 
allem  Detail  psychologischer  Begründung  und  durch  das  ganze  sprachliche 
Material  hindurch,  das  Wundt  zum  Beweise  seiner  Auffassungen  beibringt, 
oder  stellt  seinen  Beispielen  solche  gegenüber,  aus  denen  sich  andere 
Schlüsse  ziehen  lassen,  als  Wundt  sie  gezogen.  Man  hat  in  dem  Buche 
durchw^  das  Gefühl,  dafs  es  aus  ungleich  gröfserer  Sachkenntnis  auf 
sprachlichem  Gebiete  herausgewachsen  ist.  Freilich  wird  man  auch  das 
Gefühl  nicht  los,  dafs  Sütterlin  dem  grofsen  Denker  gegenüber  und  an- 
gesichts der  grofsen  Fragen,  um  die  es  sich  handelt,  sich  etwas  mehr 
Mab  in  der  Verfolgung  von  blofsen  Versehen  hätte  auferlegen  dürfen. 
An  Wundts  Stil  Ausstellungen  zu  machen  war  nicht  nötig,  und  wenn 
Wundt  wirklich  feris  ferit  statt  fers  fert  geschrieben  hat,  so  könnte  man 
dem  Verf.  der  „Völkerpsychologie^',  eines  Werkes^  aus  dem  jeder  Sprach- 
gelehrte doch  unter  allen  umständen  sehr  viel  lernen  wird,  das  Beneficium 
von  ferire  lassen,  unbeschadet  aller  Gewissenhaftigkeit  der  Kritik. 

Die  Darlegungen  Sütterlins  schliefsen  sich  genau  an  den  Beweisgang 
Wundts  an.    und  wenn  er  auch  die  Absicht  gehabt  hat,  innerhalb  der 


^ 


Nene  Philologiiebe  Rnndicbaa  Nr.  B.  191 

einzelnen  Abschnitte  diese  seine  Darlegungen  zu  einem  einheitlichen  Bilde 
jeweils  abzurunden,  so  merkt  man  doch  durch  grofse  Partieen  des^Buches 
hindurch  von  abgerundeter  Darstellung  eigener  produktiver  Erwfigungen 
und  Oedankengänge  vor  der  FfiUe  kritischer  Einwände  gegen  Wundts  Auf- 
fassungen und  Erklärungen  recht  wenig.  Es  handelt  sich  vielmehr  um 
eine  Zusammenstellung  aller  Behauptungen  und  Begründungen  Wundts, 
die  von  ii^end  einer  Seite  aus  angefochten  werden  können,  und  dies  genau 
in  der  Beihenfolge  des  Wundtschen  Gedankengangs.  In  manchen  Einzel- 
heiten hat  uns  Sfitterlin  mit  seinen  Einwendungen  gegen  Wundt  nicht 
überzeugt.  Was  Wundt  z.  B.  über  die  Ursache  der  germanischen  Laut- 
verschiebung sagt,  ist  zu  natürlich  und  einleuchtend,  als  dafs  nicht  eine  genaue 
Untersuchung  aller  Einzelfillle  dieser  lautlichen  Entwickelung  erforderlich 
wäre,  um  die  Wahrscheinlichkeit  jener  Ursache  wenigstens  als  eines  Haupt- 
faktors zu  erschüttern.  Wenn  unsere  Alemannen  in  ihrer  Mehrheit  jetzt  lang- 
samer sprechen  als  der  Norddeutsche  z.  B.  der  Berliner  Gegend,  so  mufs 
dies  Verhältnis  zu  der  Zeit,  da  die  Alemannen  in  der  Lautverschiebung 
weiter  schritten  als  die  Niederdeutschen,  nicht  auch  schon  bestanden  haben. 
Und  diejenige  geistige  Weiterentwickelung  der  Norddeutschen,  die  sich  in 
ihrem  raschen  Gedankenablauf  in  der  Sprache  ausspricht,  datiert  doch 
wohl  erst  seit  den  Zeiten  der  Einführung  von  Druck  und  Schriftsprache, 
also  von  Faktoren,  die  auf  alle  Lautverschiebung  einen  gewissen  henmien- 
den  Einflufs  gehabt  haben  müssen.  Und  was  bedeutet  das  verschiedene 
Tempo  der  lebendigen  Bede  bei  heutigen  Bussen  und  Engländern  für  die 
Zeit,  da  die  Engländer  die  Lautverschiebung  mitmachten?  Übrigens  sagt 
Wundt  unseres  Erinnems  nirgends,  dafs  die  gröfsere  Schnelligkeit  im  Vor- 
stellungsverlauf und  in  der  Bede  nicht  auch  in  ganz  anderer  Weise,  als 
in  der  der  Lautverschiebung,  und  auf  ganz  anderen  lautlichen  Gebieten 
ihre  Wirkung  äufsem  konnte.  Sütterlin  hält  es  im  Gegensatz  zu  Wundt 
noch  fQr  möglich,  dafs  „in  grauer  Vorzeit  die  Wurzeln  einmal  selbständige 
fertige  Wörter"  gewesen  seien.  „Wurzeln"  ohne  bestimmten  Artikel  wäre 
vorsichtiger  gewesen.  Denn  wer  bürgt  uns  dafür,  dafs  die  erschlossenen 
Wurzeln  der  grauen  indogermanischen  Vorzeit  nicht  samt  und  sonders 
aus  mehrsilbigen  Worten  einer  noch  viel  graueren  Vorzeit  erst  entstanden 
sind,  wie  z.  B.  ein  französisches  einsilbiges  prix,  zu  dem  wir  nur  zu- 
fiQlig  den  dreisilbigen  Stammvater  kennen?  Wundt  eröffnet  da  dann  doch 
weitere  Perspektiven  (vgl.  I,  624  f.). 

Wir  zweifeln  übrigens  nicht  daran,  dafs,  wenn  Wundts  grolses  Werk 


id2 


Nene  Philolo^risohe  Eundachan  Nr.  8. 


in  zweiter  Auflage  erscheinen  wird,  manche  Einzelheiten  darin  abgeändert 
sein  werden,  und  daTs  die  sorgfiltige  Einzelkritik  Sfitterlins  dazu  viel&ch 
den  AnlaTs  geboten  haben  wird,  und  wer  Wundts  beide  Bände  durch- 
arbeitet, wird  unter  allen  Umständen  gut  daran  tun,  die  parallel  laufende 
Kritik  Sfitterlins  dabei  ständig  mit  in  Betracht  zu  ziehen. 

Lörrach.  J.  Keller. 


Siniia|ial'|tllU0tl|fk.   $erau9geg.  bon  ®t^mn.tD6erI.  $ugo  ^offmann. 
amt  42  «bbtltwitflen.    1,80  SW.  (36.  $tft  bei  ©t>mn.=«ibt) 


4  Äartcn.    1,80  SR.    (36.  ©cft  bct  ®J?mn.»©ibl.) 
9ßt0^pme  Her  ^t^nmüfiüUVmUit^  merürit  auf  ffiimfit  otittid  HerfmiM. 


TIPT  ▼ 


Paul  yeff  Verlag  (Carl  Bflchle)  In  Stuttgart 


In  unserem  Verlag  ist  komplett  erschienen  die 

Zehnte  Auflage 

von 
Christoph  Fr.  Griebs 

Enfllisch- Deutschem  und  Deutsch -Ennlischein  WOrterhuch 

mit  besonderer  Rücksicht  auf  Aussprache  und  Etymologie 

nen  bearbeitet  nnd  vermehrt 

von 

Dr.  Arnold  Schröer 

ord.  FrofeMor  an  der  HandelBliochschiile  zu  Köln 
well.  ord.  Professor  der  englischen  Philologie  an  der  Universität  Freibnrg  1.  B. 

160  Bogen  dreispaltiger  Satz  in  Gr.-Lex.  8®. 

I.  Band:  n  Band: 

eleg.  m  Halbleder  geb.  M.  14.—  eleg.  in  Halbleder  geb.  M.  12.— 


Dem  Anfänger  kann  man  meines  Eraohtens  keinen  besseren  Dienst  erweisen,  als  ihm 
den  Ankauf  des  Qiieb-Sohröerschen  Wörterbuches  auf  das  wärmste  zu  empfehlen  —  er  ge- 
winnt damit  eine  sichere  Basis  seiner  Studien  und  eine  Quelle  der  Belehrung  fürs  Leben. 

Dr.  Emil  Koepptl,  ord.  Professor  der  engl.  Philologie  an  der  Univertitit  Straribiri  I.  E. 

tl^  Zii  haben  in  allen  Biichhandliingen  "9^ 
Für  Behnlen  TersOnatlifiuigeii  bei  gleichzeitigem  Bezug  einer  grödseren  Anzahl 
von  Exemplaren. 


Fftr  di«  Bedaktlon  reruitwortlioli  Dr.  E.  Lldwlg  in  I 
Driek  nad  Verlftg  tob  Friedrick  Andreas  Perthea,  AktiengMellsckaft,  Ootha. 


y^ 


^. 


KAY  1 1: 


»r 


Gotha,  3.  Mai  Nr.  9,  Jahxgaag  1908. 

Neue 

PhilologischeRundschau 

Herausgegeben  von 

Dr.  C.  Wagener  und  Dr.  E.  Ludwig 

in  Bremen. 

Knoheint  alle  14  Tage.  —  Preis  fflr  den  Jahrgang  8  Mark. 

BesteUnngen  nehmen  alle  Bnchhandlnngen,  sowie  die  Postanstalten  des  In-  nnd  Auslandes  an. 

Insertionsgebflhr  fDr  die  einmal  gespaltene  Petitxeile  80  Pfg. 

Inhalt:  Bezensionen:  106)  G.  Pierleoni,  XenophoDtis  Cynegeticas  (M.  Wiesen- 
thal)p.l93.  —107)  KBaehof,  Erläaterangen  zu Xenophons  Anabasis  (B. Hansen) 
p.  194.  —  108)  A.  P.  Ball,  The  satire  of  Seneca  on  the  apotheosis  of  Clandins 
(A.  Ghambala)  p.  195.  —  109)  Traosactions  and  Proceedings  of  the  American 
Philological Association  1901.  Vol. XXXIl (W.)  p.  200.  — 110)  G.L. Hendrickson, 
The  nroconsulate  of  Jnlins  Agricola  (Ed.  Wolff)  p.  203.  —  111)  Fecht  nnd 
Sitzler,  Griech.  Obungsbndi  für  Untertertia  (F.  Nenbnrger)  p.  205.  — 
112)  P.  Caner,  Palestra  Yitae  (Edm.  Fritze)  p.  207.  —  113)  L.  Appel,  Auswahl 
franz.  Gedichte  p.  208.  —  114)  E.  Despr^anx,  Histoire  abr^g^  de  la  litt^ratare 
fran9aise  (B.  Mollweide)  p.  209.  —  115.  G.  Pfeiffer,  Die  neogermanischen  Be- 
standteile der  franz.  Sprache  (H.  Schmidt)  p.  211.  —  116)  Fritz  HoUeck- 
Weithmann,  Zur  Qaellenfrage  von  Shakespeares  Lustspiel  „Mach  Ado  Aboat 
Nothing«'  (H.  Jantzen)  p.  212.  —  117)  P.  Krüger,  Memoiis  (E.  Teichmann) 
p.  213.  —  118)  B.  Kipling,  Just  So  Stories;  for  little  Ghildren  (A.  Herting) 
p.  214.  —  119)  LevinL.  Schücking,  Stadien  über  die  stofilichen  Beziehungen 
der  englischen  Komödie  zur  italienischen  bis  Lilly  (-tz-)  p  215.  —  Anzeigen. 

106)Xenoplionti8Cyn^eticii8rec.  Glnus  Plerleoni.  Berolini  apud 
Weidmannes,  1902.    YII  n.  98  S.  8.  Jü  3.-. 

Das  Hauptergebnis  der  verdienstlichen  Kollationen  des  Herausg.  er- 
scheint aufserordentlich  überzeugend :  zwei  codd.,  ein  Yindob.  s.  XVI  (A) 
nnd  ein  Yatic.  s.  XIII  (B)  bieten  eine  Überlieferung,  die  einen  Text  herzu- 
stellen gestattet,  der  wesentlich  echter  ist  als  die  minderwertigen  sonstigen 
Handschr.  (0).  Aufser  dem  Onomastikon  des  Pollux  waren  bisher  von 
besonderer  Bedeutung  Emendationen  und  Lesarten,  welche  die  Baseler 
Ausgabe  von  1559  und  Stephanus  boten;  es  bat  sich  nun  gezeigt,  dafs 
ein  Teil  dieser  geschätzten  Noten  aus  derjenigen  Klasse  von  codd.  stammte, 
von  der  uns  AB  erhalten  ist.  Auch  die  zahlreichen  Anf&hrungen 
bei  antiken  Schriftstellern  verstärken  zumeist  die  Autorität  dieser  codd. 

Mit  Recht  ist  der  Herausg.  sehr  zurückhaltend  mit  eigenen  Konjek- 
turen gewesen.  Dagegen  hat  Diels  —  unter  dessen  und  Ficcolominis  Ägide 
auch  diese  Ausgabe  erscheint  (vgl.  N.  Ph.  B.  1903,  Nr.  3)  —  manches 


194  Nene  Philologische  Bnndschan  Kr.  9. 

beigesteuert,  auf  anderes,  das  noch  der  Heilung  bedarf,  wenigstens  den 
Finger  gelegt.  Dabei  möchte  ich  eine  Beobachtung  nicht  unterdrficken, 
die  vielleicht  den  Weg  zu  weiteren  Emendationen  zeigt  Die  Klasse  0 
scheint  mir  mehr&ch  dadurch  entstellt,  dafs  für  eine  weniger  bekannte 
Form  eine  gebräuchlichere,  z.  B.  33,  18  Flur,  statt  Dual,  statt  eines  un- 
gewohnten Wortes  eine  Übersetzung  ins  Vertrautere  eingesetzt  wurde,  z.  B. 
3,  9  oYowai  statt  eq>aaav.  Wenn  wir  nun  an  der  heiklen  Stelle  2,  13 
bei  A  äfplypf^  bei  0  fiy  Hyoifii  finden,  so  köonte  man  ein  ursprüngliches  Si^ 
q>airiv  erschlielsen.  Womit  diese  Stelle  freilich  noch  nicht  gebeilt  ist. 

Der  kleinen  Schriften  Xenophons  gibt  es  noch  eine  Beihe,  und  die 
Verbesserung  ihres  Textes  ist  ein  sehr  verdienstliches  Werk.  Sie  schafft 
erst  die  Grundlage  fQr  die  höhere  Kritik,  die  sich  bei  Xenophon  auf  um- 
&ngreicheren  stilistischen  und  lexikalischen  Untersuchungen  wird  aufbauen 
müssen,  ehe  man  ihren  Ergebnissen  vertrauen  kann.  Aber  hoffentlich 
haben  Diels  und  Piccolomini  noch  manchen  wackeren  Streiter  auf  den  Plan 
zu  stellen.    Vivat  sequens! 

Bannen.  Max  WIesenthaL 

107)  Ernst  Bachof,  Erläuterungen  zu  Xenophons  Anabasis. 

För  den  Schulgebrauch.  Erstes  Heft.  Buch  I— 111.  2.  Auflage. 
Paderborn,  Ferdinand  Schöningh,  1902.     148  S.  8v      Ji  1.60. 

Über  die  erste  Ausgabe  dieser  Arbeit  habe  ich  in  dieser  Zeitschrift, 
Jahrgang  1889,  S.  109  berichtet.  Die  neue,  in  etwas  kleinerem  Formate 
und  daher  anscheinend  ausführlicher,  ist  tatsächlich  etwas  gekfirzt;  einige 
Bemerkungen  sind  weggelassen,  andere  präziser  gefafst;  man  merkt  fast 
auf  jeder  Seite  die  bessernde  Hand.  Erhebliche  Abweichungen  habe  ich 
in  den  von  mir  geprüften  Abschnitten  nicht  gefunden;  da  die  Erklärung 
des  Textes,  abgesehen  von  einigen  Stellen,  wo  mehrere  Ansichten  sich 
rechtfertigen  lassen,  feststeht,  so  läfst  sich  schwerlich  etwas  wirklich 
Neues  vorbringen.  —  I,  4,  8 :  Tralles  gehörte  ursprünglich  doch  zu  Earien, 
nicht  zu  Lydien.  —  I,  9,  30 :  es  fehlt  die  Bezeichnung  des  zu  §  31  ge- 
hörenden Absatzes.  —  I,  8,  29:  lies  2,  27  statt  2,  21.  —  II,  1,  11: 
yylTtei  wie  auch  §  8  begründende^  gehört  unter  §  8  als:  „^^ra  begrün- 
dend, auch  §  11.'' 

Die  Brauchbarkeit  der  Arbeit  habe  ich  a.  a.  0.  hervorgehoben. 

Oldesloe.  B.  HaasoB. 


o 


Nene  Philologiaohe  Rnndichau  Nr.  9.  195 

108)  Allan  Perly  Ball,  The  Mtire  of  Seneoa  on  ihe  apoiheoeis 
of  daadins,  commonly  called  the  ^AncfMhwivtwaiq.  New*Tork, 
ibe  Columbia  ODiversity  press;  ibe  Macmillan  Company,  agents 
(London,  Macmillan  &  Co.,  Itd)  1902  (November).  VII  u.  266  S.  8. 

S.  1.25. 
Eine  Doktorarbeit  (S.  v)  der  Eolombia-üniTersität,  in  der  alles  steht, 
was  fiber  die  Spottschrift  auf  des  Elaudios  Himmel-  und  Höllenfiüirt  zu 
sagen  ist:  eine  geschichtliche  literarische  Einleitung  von  112  Seiten,  der 
letzte  Bfichelersche  Text  (der  Petronausgabe  von  1895)  auf  S.  113—131 
eine  (englische)  Übersetzung  (S.  131 — 154),  Anmerkungen  (154 — 246) 
und  ein  alphabetisches  Namen-  und  Sachregister  (247—256).  Die  Ein- 
leitung betrachtet  zunächst  (S.  1 — 22)  die  Schmähschrift  im  Zusammen- 
hang der  Zeitgeschichte.  Dies  (Ahrt  (S.  23—48)  auf  die  Feststellung,  dab, 
wie  handschriftlich  fiberliefert,  der  jfingere  Seneka,  der  Erzieher  Neros, 
der  Verfasser  ist,  dafs  aber  die  von  Dio  (60,  35)  als  „Yerkfirbissung^^ 
angefahrte  Schrift  Senekas  nicht  die  unsere,  sondern  vielmehr  die  amtliche 
laudatio  funebris  ist  (S.  48—57).  Der  Titel  der  Schmähschrift  ist  viel- 
mehr nach  der  besten  Handschrifk,  der  in  St  Oallen  (S.  86):  Divi  Glaudii 
Apotheosis  Annaei  Senecae  per  saturam.  Der  hier  genannte  Gattungsname 
satura  leitet  Aber  zu  einer  Wflrdigung  der  satura  Menlppea  von  Ennius 
bis  auf  Seneka  (58—66)  und  zu  einer  Untersuchung  des  volkstfimlichen 
Stils  unserer  Spottschrift  (68—74).  Es  folgt  eine  Betrachtung  der  Nach- 
ahmungen unserer  Schrift  besonders  durch  Lukian  (74—78)  und  E^iser 
Julian  (S.  78),  aber  auch  durch  Neuere  bis  auf  Scarron  und  Byron  (S.  84). 
Eine  Übersicht  fiber  die  Handschriften  (S.  86—92)  und  Ausgaben  (S.  94 
bis  104)  und  eine  ziemlich  vollständige  Bficherschau  (S.  105—112)  bilden 
den  Schlttls  des  allgemeinen  Teils.  Aus  der  Bficherschau  ist  zu  ersehen, 
dafs  von  neueren  Schriften  nur  zwei  Programme  von  Friedländer  (Königs- 
berg 1873)  und  von  Eraffert  (Verden  1888)  und  ein  Au&atz  von  üssing 
in  der  Tidskrift  for  Pbilologi  1861  Ball  nicht  zu  Gebote  standen.  Das 
gesamte  fibrige  Material  ist  in  der  Einleitung  und  in  den  sehr  reichhaltigen 
Anmerkungen  aufs  sorgfältigste  verarbeitet  Die  Anmerkungen  besprechen 
u.a.  die  sämtlichen  in  den  Handschriften  und  den  Druckwerken  vorgetragenen 
Lesarten  und  begrfinden  zum  Schluis  die  eigene.  Nur  an  etwa  30  Stellen 
weicht  Ball  von  Bficheler  ab,  gibt  aber  die  Bfichelerschen  Lesungen  in  den 
Fufsnoten  zu  seinem  Text  und  vereinzelt  (z.  B.  Eap.  2  Gedicht,  letzte 
Zeile:  carpebat)in  den  Anmerkungen.  Seine  Wertschätzung  der  Überlieferung 


196  Nene  Philologische  RnndBchan  Nr.  9. 

besonders  des  Sangalleiisis  geht  so  weit,  dafs  er  eigne  BesserangsvorschlSge 
(z.  B.  fiat  statt  faciat,  Kap.  8  Ende)  nnter  die  Anmerkungen  versteckt. 
Bei  der  Übersetzung  ist  ihm  Lesbarkeit  wichtiger  als  Genauigkeit. 
Den  richtigen  Sinn  (z.  B.  bei  „non  passibus  aequis^'  Kap.  1)  bietet  yiel- 
fach  erst  die  Anmerkung.  Auch  ist  die  Übersetzung  f&r  die  Schmutz- 
schrift des  Seneka  zu  anständig.  Anima  z.  B.  hat  Kap.  3  und  4  tat- 
sftchlich  den  Nebensinn  „Blfthung^^  (ventus,  crepitus  ventris),  was  Ball 
dem  alten  Bhenanus  (im  Kommentar  zur  editio  princeps  der  beiden  Seneka, 
Basel  1515)  yergeblich  abstreitet.  Wäre  Balls  Buch  deutsch  verftM,  so 
könnte  ich  hiermit  meine  Besprechung  schlie&en.  Bei  dem  englischen, 
in  Amerika  erschienenen  Buche  werden  mir  vielleicht  manche  Leser  dank- 
bar sein,  wenn  ich  kurz  hervorhebe,  worin  mir  Ball  die  mit  der  Schmäh- 
schrift zusammenhängenden  Fragen  gefördert  zu  haben  scheint.  Zunächst 
in  der  Feststellung  der  Yerfiissers.  Ball  teilt  die  gegen  Senekas  Urheber- 
schaft vorgebrachten  Orfinde  in  7  Oruppen  (S.  26)  und  widerlegt  sie  ein- 
gehend (S.  27—56).  Niedrigkeit  der  Gesinnung  und  Kleinlichkeit  auf 
Seiten  des  Verfassers  der  Schmähschrift  ist  zuzugeben;  aber  Seneka  sagt 
ja  selbst  (ep.  7,  1),  er  fibe  nicht  die  Tugenden,  die  er  preise.  Die  Un- 
vereinbarkeit in  der  Beurteilung  des  Klaudius  mit  der  „Trostschrift  an 
Polybius^^  wird  scharf  hervorgehoben.  Aber  die  letztere  Schrift,  eine  Lob- 
liudelei  auf  Klaudius  ist  doch  nur  zu  dem  Zwecke  verfiEifst,  die  Zurfick- 
berufung  Senekas  aus  der  Verbannung  durchzusetzen  (S.  31 — 37).  Dafs 
Seneka  seine  Absicht  nicht  erreichte,  war  f&r  ihn  ein  Omnd  mehr,  den 
Kaiser  in  allen  späteren  Auslassungen  (auch  in  den  Schriften  De  beneficiis, 
de  dementia  und  de  superstitionibus,  S.  43—45)  mit  grimmigem  Hals 
und  ausgesprochener  Verachtung  zu  behandeln.  Dafs  es  fär  den  Hofmann 
Seneka  unklug  gewesen  sei,  eine  staatlich-hOfische  Einrichtung  wie  die 
Vergöttlichung  des  Herrschers  zu  verspotten,  ist  nur  teilweise  richtig.  Aller- 
dings konnten  Äu&erungen  wie  Krassus  sei  einfältig  genug,  um  Kaiser 
zu  werden  (Kap.  11)  und  Anspielungen  wie  die  auf  des  Klaudius  Un- 
kenntnis der  Vorgänge  im  eigenen  Heim  (Kap.  8)  von  Nero  und  Agrippina 
übel  genommen  wurden.  Aber  hier  ist  offenbar  der  Höfling  mit  dem 
Pamphletisten  durchgegangen:  im  allgemeinen  war  die  Spottschrift  ganz  im 
Sinne  der  Begierenden.  Der  Zweck  der  Schrift  (S.  18—22)  ist  teils  persönlich, 
teils  philosophisch,  teils  politisch.  Persönlich  will  Seneka  seine  Bachsucht 
befriedigen,  als  Freigeist  macht  er  sich  in  der  Form  und  im  Sinne  der 
italischen  Atellane  fiber  die  Vergöttlichung  von  Menschen  (auch  der  Dru- 


^ 

I 

^ 


Nene  Philologische  BnndBohan  Nr.  9.  197 

silla,  Kap.  1)  und  die  veralteten  Götter  überhaupt  lustig.  Staatsmännifloh 
sucht  er  durch  Verhöhnung  des  vergifteten  Kaisers  fiber  die  näheren  Um- 
stände seiner  Ermordung  hinwegzutäuschen  und  die  Anhänglichkeit  an 
Britannikus  zu  ertöten  (S.  19—22,  37—40).  Natflrlich  gibt  er  die  amt- 
liche Darstellung  vom  Tode  des  Elaudius,  trotzdem  er  den  wahren  Her- 
gang genau  kennt  Auch  dafs  die  politischen  Ansichten  der  Schmähschrift 
von  denen  Senekas  abweichen,  erklärt  sich  aus  dem  Zweck  der  Schrift 
Der  Elaudius  der  Spottschrift  ist  der  geschichtliche  Elaudius  (bei  Tacitus, 
Sueton,  Dio  [S.  3—6]  und  Seneka  selbst  [S.  43—45]),  nur  werden  seine 
körperlichen  und  geistigen  Schwächen  mafslos  flbertrieben,  seine  Vorzfige  und 
guten  Absichten  ins  gerade  Gegenteil  verkehrten.  Daher  wird  die  beabsich- 
tigte Ausdehnung  des  Bflrgerrechts  auf  Griechenland,  Gallien  u.  s.  w.  vom 
Standpunkt  des  bevorrechteten  Bömers  getadelt,  während  der  aufgeklärte 
Staatsmann  Seneka,  der  selbst  aus  Spanien  stammt.  Aber  diesen  Funkt 
sonst  freier  denkt  (S.  41).  Ähnlich  widerl^  Ball  (S.  42—43)  die  aus 
der  Verschiedenheit  der  staatsmännischen  und  philosophischen  Ansichten 
hergeleiteten  Grfinde  gegen  die  Urheberschaft  Senekas.  Was  die  Bedenken 
aus  dem  Stil  angeht,  so  weist  Ball  eingehend  (S.  66—73)  nach,  dalB  und 
warum  die  meisten  Prosaabschnitte  in  Yolkslatein  Fetrons  gehalten  sind. 
DaÜB  sonst  die  Sprache  der  Schmähschrift  die  des  jfingeren  Seneka  ist,  be- 
zeugt Haase  (Sen.  op.  I  p.  VI).  Die  Verse,  besonders  die  Hexameter,  sind 
ganz  in  der  Art  Senekas  geschrieben  (S.  74).  Schwerer  wiegt  der  Ein- 
wand, daüs  Tacitus,  Sueton,  Juvenal  und  die  beiden  FUnius  die  Schmäh- 
schrift nicht  erwähnen.  Ball  erklärt  dies  (unzureichend)  aus  dem  Ificken- 
haften  Zustand  der  erhaltenen  Literatur.  (Tnd  wenn  er  gar  behauptet 
(S.  47),  wir  wufsten  nicht,  ob  die  Schrift  in  weiteren  Ereisen  bekannt 
geworden  sei,  so  widerspricht  er  damit  dem  wiederholt  (S.  19  u.  39)  be- 
haupteten politischen  Zweck  der  Schrift  Doch  hat  Ball  natfirlich  recht, 
dals  ein  argumentum  e  sUentio  nicht  allzu  schwer  wiegt  Dafs  Dio  (60,  36) 
mit  den  Worten  awidijM  . . .  ö  Ssyhag  aiyyqotinia  äTtoyuohii^Aytiaaw 
avTÖ  ßcTteQ  zivä  d7ta9av(kwv  ivo/j^iaag  nicht  unsere  Schrift,  sondern 
die  amtliche  Leichenrede  gemeint  hat,  wird  aus  formalen  und  sachlichen 
Grflnden  eingehend  nachgewiesen  (S.48 — 66).  Nach  Ball  ist„Verkflrbi8Sung^^ 
ein  zeitgenössischer  Ealauer  (Senekas  oder  eines  Hörers  der  Leichenrede) 
statt  der  amtlichen  „Vergöttlichung  *^  Die  Verherrlichung  der  Geistesgabe 
des  Elaudius  in  der  von  Seneka  verÜEÜsten  amtlichen  Lobrede  des  Nero  (Tac. 
ann.  XIII,  3)  wurde  mit  Gelächter  aufgenommen.    Efirbiskopf  (yLÖXwtof^ 


198  Nene  PhflologiBche  Rnndsohan  Nr.  9. 

Cucurbita)  ist  in  der  Volksprache  gleich  Dummkopf.  Da  war  es  allerdings 
ein  billiger  Witz  anstatt  von  einer  Vergöttlichung  von  einer  Verkflrbissung 
des  dummen  Teufels  Elaudius  zu  sprechen  (S.  56).  Ebenso  ansprechend 
ist  Balls  Vermutung,  mit  der  Bede  des  Diespiter  (Kap.  8)  und  der  Oegen- 
rede  des  Augustus  persifflire  Seneka  die  entsprechenden  Abschnitte  seiner 
amtlichen  Leichenrede.  Dafs  Abschnitte  der  Schmähschrift  einander  direkt 
widersprechen  (S.  66),  beweist  nur  die  sorglose  Abfassung  der  unmittelbar 
nach  Elaudius'  Tod  eilfertig  hingeworfenen  Schmähschrift  (S.  2,  3,  166). 
Auljser  der  Verfasserfrage  scheint  mir  die  Begründung  der  Abweichungen 
von  BQchelers  letzter  Textgestaltung  besonders  wichtig  zu  sein.  Mit  Un- 
recht unter  den  Text  gesetzt  hat  Ball  den  Satz  (Kap.  3  Mitte)  constituerat 
. . .  videre,  den  Bficheler  als  Einschiebsel  des  Schriftstellers  in  die  Bede 
der  Elotho  einklammert,  während  Ball  ihn  der  Elotho  in  den  Mund  1^ 
(S.  167).  Eeine  Abweichung  ist  es  auch,  wenn  Ball,  wie  immer,  ein 
Scholion  der  editio  princeps  (Bom  1503)  wegläfst,  während  Bficheler  es 
im  Text  einklammert  (Eap.  13  Talthybius  deorum  [nuntius]  =  Merkur). 
Wichtiger  ist,  dafs  Ball  vier  Stellen  ffir  echt  hält,  die  Bficheler  ffir  unter- 
geschoben erklärt.  Becht  hat  Ball  hierbei  mit  der  Apposition  aeque 
Homericus  (Eap.  5),  mit  den  Objekten  illud  „es^^  (Eap.  4)  und  sententiam 
(Eap.  9  videbatur  Gaudius  sententiam  vincere),  und  mit  den  Sätzen  quod 
viderit  (Eap.  1)  und  aut  .  . . .  üqovqa  (Eap.  9).  Eap.  6,  wo  der  San- 
gallensis  liest  tu  autem,  qui  plura  loca  calcasti  quam  ullus  mulio  perpetuarius 
Lugdunenses  scire  debes  multa  milia  inter  Xanthum  et  Bhodanum  Inter- 
esse, ist  weder  mit  Bficheler  Lugdunenses  einzuklammern,  noch  mit  Ball 
zwischen  debes  und  multa  ein  et  einzuschieben,  sondern  mit  Oertz  mulio 
.  . .  Lugdunensis  zu  verbinden.  An  den  folgenden  Stellen  kommt  Ball 
der  Überlieferung  näher  als  Bficheler:  Eap.  2  Oedicht,  Vers  1  ortum  statt 
orbem,  Vers  6  carpebat  statt  der  unnötigen  Vermutungen  Bfichelers  spargebat 
oder  rapiebat;  Eap.  4  Zeile  26  primos  (=  frfihmorgens)  axes  statt  pronos 
(S.  171);  Eap.  5  Anfang  ne  excidant  quae  [Objekt!]  memoriae;  6  Anfang 
Marci  (nämlich  Antonii  triumviri)  mnnicipem  ==  Lugdunensem ;  7  Ende  con- 
tulerim  statt  tulerim;  8  Anfang  Ttqäyfia  [Ball  druckt  nqAy^a  S.  122,  19 
u.  189,  1]  ^%u  Tl.;  9  Anfang  non  licere  ohne  das  selbstverständliche  se- 
natoribus;  9  Mitte  vivat  statt  vivebat;  9  Ende  quis  (=  qui)  optimo  iure; 
13  avyxaigwfi&f  [absichtlich  statt  des  ind.  im  Osirislied];  14  Ende:  ve- 
teribus  [statt  veteranis]  missionem  dari;  3  Zeilen  weiter:  spem  statt  speciem. 
Besonders  glficklich  ist  (Eap.  2)  die  Lesung  sunt  statt  Bfichelers  cum. 


-^ 

w^ 


Neize  Fhilologlielie  RondBohaa  Nr.  9.  199 

weil  dadurch  das  folgende  at  der  Handscbriften  beibehalten  werden  kann 
(nimis  msticel  inqnies,  sunt  omnes  poetae  . . .  at).  Der  Überlieferung  zn- 
liebe  verzichtet  Ball  auf  die  giftnzende  Änderung  Bfichelers  (Kap.  7)  Ti- 
buri  statt  des  handschriftlichen  tibi,  weil  er  zwar  ihre  sachliche  Bichtigkeit, 
nicht  aber  ihre  formale  Notwendigkeit  zugibt.  An  vier  anderen  Stellen 
hat  Bficheler  gegen  Ball  Überlieferung  und  Becht  fQr  sich  (2,  Oedicht, 
Vers  6  iusso  statt  viso;  9  Mitte:  mimum  fecistis  statt  fecisti;  14  Ende: 
Sisyphum  satis  (statt  si  nimium)  diu  laturam  fecisse;  6  Zeilen  weiter:  sive 
effectu  (statt  sive  fine  et  eflfectu).  Entgegen  der  von  Bficheler  verteidigten 
Überlieferung  ist  Ball  (Kap.  15,  5.  Zeile  vom  Schlufs)  im  Becht  mit  seiner 
Lesung  illum  viderant  ab  ipso  . . .  vapulantem  statt  [illum]  ...  ab  illo  . . .; 
aber  Bficheler  trifft  noch  sicherer  das  Sichtige,  wenn  er  wenige  Zeilen 
vorher  (Gedieht,  Vers  4  statt  der  von  Ball  beibehaltenen  Überlieferung 
lusuro)  fusuro  verbessert.  Ebenso  liest  Bficheler  (Kap.  10  An&ng)  richtig 
semper  meum  negotium  ago.  sed  (statt  et)  non  possum  . . .  Weder  Ball 
noch  Bficheler  treffen  das  handschriftlich  Bichtige:  Kap.  11  Ende  (Ball: 
ad  inferos  [a  caelo]  unde  negant  redire  quemquam;  Bficheler  [ad  inferos]  a 
caelo  illuc  unde  . .  .).  Zu  lesen  ist:  ad  inferos  a  caelo,  illuc  unde . . . 
Zweifelhaft  bleibt  die  Stelle  Kap.  8  Mitte,  wo  Ball  liest:  „quare^S  in- 
quis  —  quaero  enim  —  „sororem  suam?*'  Dafs  Ball  aus  Achtung  vor 
der  Überlieferung  eigene  Vermutungen  in  die  Anmerkungen  verweist, 
wurde  schon  erwähnt.  Bemerkenswert  ist  hier  seine  Änderung  (Kap.  8 
Anfang):  si  mehercules  a  Satumo  petisses  (statt  petisset)  hoc  bene- 
ficium,  cuius  mensem  toto  (statt  mense  in  toto)  anno  celebravit  Sa- 
tumalicins  princeps,  non  tulisset  (Saturn)  illum  deum  ab  love,  quem 
(statt  lovem  qui)  quantum  .  .  .  Einige  Zeilen  weiter  verteidigt  er  das 
handschriftliche  oro  per  quod  in  der  Anmerkung  (S.  191),  setzt  aber 
das  landläufige  propterea  quod  in  den  Text.  —  Ich  konnte  noch  auf  die  neuen 
Erklärungen  Balls  eingehen,  desgleichen  auf  die  zahlreichen  Stellen,  die  auch 
Ball  nicht  zu  erklären  oder  zu  verbessern  vermag,  indes  genfigt  das  Bei- 
gebrachte zum  Beweise,  wie  umsichtig  und  zurfickhaltend  Ball  mit  seinem 
Stoff  umgegangen  ist  Die  Kolumbia-Üniversität  in  New  Tork  kann  mit 
einer  solchen  Doktorarbeit  zufrieden  sein,  die  Wissenschaft  auch. 

Köln.  Avgvflt  Cbambal«. 


900  Nene  FhilologiBohe  BuidBohau  Nr.  9. 

109)  TranBaotionB  and  Froceedings  of  fhe  Amerioan  Philo- 

Iqgical  ABBodation    1901.     Vol.  XXXII.     Boston  Mass., 

Ginn  &  Co;  Leipzig,  0.  Harrassowitz.    CLXXXIV.  217  S.  gr.  8. 

if^2.50. 

Den  Beigen  der  Abhandlungen  eröffnet  B.  J.  Wheeler  mit  einer 
Untersuchung  fiber  'The  Gauses  of  üniformity  in  Phonetic  Change^  (S.  5 — 15); 
er  vertritt,  im  Gegensatz  zu  Paul  (Prinzipien  d.  Sprachgesch.)  und  in 
Übereinstimmung  mit  Tarbeil  und  Whitney  die  Ansicht,  dals  sich  der 
Lautwechsel  von  Wort  zu  Wort  vollzogen  habe,  freilich  nicht  so,  dafs  ein 
Wort,  bei  dem  sich  die  Veränderung  schon  vOUig  vollzogen  hatte,  die  Ver- 
anlassung fOr  die  Veränderung  in  solchen  WOrtem  wurde,  die  vordem  mit 
jenem  durch  die  nämlichen  Elemente  verbunden  waren  —  zwischen  dem 
aus  häm  entstandenen  home  und  stän  gab  es  keine  Brücke  mehr;  —  vielmehr 
mulB  der  Wechsel  sich  vollzogen  haben  zu  einer  Zeit,  wo  die  neue  Form 
als  Variante  neben  der  alten  bestand,  sodafs  sich  bei  den  WOrtem  mit 
gleichen  Lautbedingungen  gleiche  Varianten  bildeten,  die  allmählich  die 
Oberhand  gewannen,  bis  sich  der  Wechsel  in  der  ganzen  E[at^orie  von 
WOrtem  einer  Sprache  vollzogen  hatte.  —  Es  folgt  (S.  16—42)  ein  Auf- 
satz von  E.  6.  Clapp  über  'Pindars  Accusative  Gonstructions',  d.  h.  die- 
jenigen Fälle,  wo  Pindar  in  der  Verwendung  dieses  Kasus  vom  allgemeinen 
Sprachgebrauche  abweicht;  die  entsprechenden  Stellen  werden,  unter  Bei- 
fBgung  von  Parallelen  aus  der  übrigen  Literatur,  übersichtlich  vorgefahrt 
und  am  Schlüsse  zahlenmäfsig  dargestellt.  —  E.  T.  Merrill  gibt  (S.  43 
bis  68)  'Some  Observations  on  the  Arch  of  Trajan  at  Beneventum',  eine 
Kritik  der  Ansichten  von  Petersen,  v.  Domaszewski  und  Frothingham  über 
die  Anordnung  der  Reliefs  im  ganzen  und  ihre  Deutung  im  einzelnen.  — 
Zweck  der  ErOrterangen  von  J.  E.  Harry,  ^A  Misunterstood  Passage  in 
AeschyW  (S.  64—71)  ist,  darzulegen,  dafs  die  Stelle  des  Prometheus 
V.  119  ÖQäre  deafifb%ipf  fie  fhücnoxiiov  &s6v  von  den  Erklärem  bisher 
falsch  aufgefafst  worden  ist,  wenn  sie  öqäxB  als  Imperativ  nahmen;  viel- 
mehr muTs  es  Indikativ  sein,  und  so  hat  Härtung  (Leipzig  1852)  die  Stelle 
richtig  übersetzt:  „Ihr  seht  in  Banden  einen  unglficksergen  Oott.^^  — 

Bei  der  Untersuchung  von  S.  B.  Franklin,  betitelt  'Public  Ap- 
propriations  for  Individual  Oflferings  and  Sacrifices  in  Oreece'  (S.  72 — 82), 
handelt  es  sich  um  eine  Erklämng  des  ^dg  dvalav  yuxi  ^ad^fiava  dof^vai 
XiUag  dqax^dq   im  Archinos-Dekret  bei  Aeschines  III  187.  — 

Über  'Greek  and  Soman  Rain-Oods  and  Bain-Charms'  verbreitet  sich 


^ 


Nene  Philologische  Bnodschan  Nr.  9.  901 

M.  N.  Morgan  (S.  83—109)  und  gelangt  am  Ende  seiner  sehr  inter- 
essanten Aosffihrungen  zu  dem  Besoltat,  daTs  Oebete  nnd  sonstige  Ver- 
anstaltungen, um  Hegen  herbeizufBhren,  bei  Griechen  und  BSmem 
in  ihrer  besten  Zeit,  d.  h.  bei  jenen  im  5.  und  der  ersten  Hälfte  des 
4.  Jahrb.,  bei  diesen  60  Jahre  vor  und  nach  Christi  Geburt  ungebräuch- 
lich waren;  in  Zeiten  der  Trockenheit  wandte  man  sich  wohl  eher  an  die 
Quellgottheiten  als  an  den  2kbg  ihiog^  ofißqiog  bezw.  den  Juppiter  Pluvius, 
welch  letztere  Bezeichnung  anscheinend  überhaupt  nur  dreimal  vorkommt 
(Tibull  17,  26;  Statins  Theb.,  IV  758  und  Biese,  Anthol.  Lat  395). 
Von  Interesse  sind  auch  die  Bemerkungen  Qber  die  von  Tertullian  zwei- 
mal erwähnten  ^Nudipedalia'  und  Aber  den  von  Festus-Fftulus,  Nonios, 
Servius  Dan.  und  Fulgentins  genannten  'Manalis  lapis^ ;  die  Angaben  über 
den  letzteren  gehen  wohl  alle  auf  Varro  (de  vita  pop.  Bom.  lib.  I  zitiert 
Nonius)  zurück.  —  'On  Some  Ancient  and  Modem  Etymologies'  ist  die 
Überschrift  der  nun  folgenden  Abhandlung  von  M.  Warren  (S.  110 — 120). 
Er  fuhrt  zunächst  ^peiero'  über  'periero^  'periuero'  auf  ^p^riouero'  zurück, 
indem  er  das  Monestod'  der  Forumsinschrift  heranzieht;  der  Ausfall  des 
r  in  operiere'  war  wohl  veranlaTst  teils  durch  die  schwierige  Aussprache 
von  Formen  wie  'perierare'  mit  3  r,  teils  durch  die  Analogie  von  ^deiero^ 
und  'eiero',  wozu  noch  die  volksetymologische  Verknüpfung  mit  ^peius* 
kam.  Im  nächsten  Abschnitt  ist  die  Bede  von  den  Etymologieen  des  An- 
tistius  Labeo,  der  'soror'  von  'seorsum'  ableitete,  und  des  Nigidius  Figulns, 
der  ^frater  =  ^fere  alter'  setzte.  Derselbe  Nigidius  erklärte  angeblich 
^saltem'  aus  'si  aliter  sc.  ^non  potest',  was  W.  auf  die  Vermutung  führt, 
dafs  es  aus  ursprünglichem  'si  alitem'  (das  Adverb  analog  zu  'item')  ent- 
standen sein  konnte.  Zum  Schlüsse  bemerkt  W.,  dals  ^frequenter  im  älteren 
Latein  ganz  gebräuchlich  gewesen  sein  müsse,  wenn  es  auch  Plautus  undTerenz 
nicht  verwenden,  denn  'rarenter'  sei  offenbar  eine  Analogiebildung  da- 
zu. —  Es  folgt  Gh.  D.  Adams  mit  einer  eingehenden  Untersuchung  über 
^The  Harpalos  Gase'  (S.  121  — 153),  um  festzustellen,  welche  Bolle 
Demoethenes  in  dieser  Affäre  gespielt  hat.  Der  Verfasser  wendet  sich  be- 
sonders gegen  die  Aufstellungen  von  Holm  in  seiner  Griech.  Geschichte 
in.  Kap.  26.  —  Über  'Anaphora  and  Ghiasmus  in  Livy'  handelt  eingehend 
B.  B.  Steele  (S.  154—185),  über  „The  Variant  Bunes  on  the  Franks 
Gasket'  G.  Hempl  (S.  186  —  195);  GL  P.  Bill  gibt  'Notes  on  the 
Oreek  QexaQdq  and  &mqla'  (S.  196 — 204),  während  H.  G.  Eimer  in 
seiner  Abhandlung  'On  the  Subjunctive  with  Forsitan'  seine  Auffassung 


202  Nene  Philologische  Bandschan  Nr.  9. 

des  KoDJunktiys  bei  diesem  zum  Adverb  gewordenen  Ausdruck  gegen  Haie 
(Transact.  and  Proceed.  XXXI  138  ff.)  verteidigt.  —  Bei  dem  reichen 
Inhalt   des   zweiten   Teiles   müssen   wir    uns    darauf    beschränken,    die 
wichtigeren   Artikel  anzuführen.     Hierher  gehören:    0.   D.   Kellogg, 
Gritical  Notes  on  Giceros'  Letters;  B.  S.  Badford,  Bemains  of  Syua- 
pheia  in  Horace   and  Boman   Tragedy;   M.   Ca r roll,   The   Athens  of 
Aristophanes;  S.  B.  Platner,  The  Archaic  Inscription  in  the  Boman 
Forum  (krit  Bemerkungen  zu  den  Erklärungen  von  Enmann,  Thurneysen 
und  Gomparetti);  G.  A.  HarstrOm,  The  use  of  Sense-Epithets  in  Poetry; 
E.  P.  Harrington,  Propertius  as  a  Poet  of  Nature;  H.  A.  Sanders, 
The  Tounger  Ennius;  H.  Schmidt- Wartenberg,  Further  Gontributions 
to  the  Lithuanian  Accent  Question;  W.  A.Hammond,  Aristotle's  Theory 
of  Imagination ;  L.  H.  Gray,  Notes  on  Indo-Iranian  Phonology;  B.  B.  Steele, 
The  Ablative  Absolute  in  Livy;   W.  S.  Scarborough,  Iphigenia  in 
Euripides,  Bacine  and  Goethe;  B.  S.  Badford,  The  Judgement  of  Gaesar 
upon  the  'Vis'  of  Terence;  W.  A.  Heidel,  Gatullus  and  Furius  Bibaculus; 
Fr.  G.  Babbitt,  Question  with  /u^;  0.  M.  Johnston,  The  Episode  of 
Tvain,  the  Lion  and  the  Serpent  in  Ghr^tien  de  Troies;  E.  M.  Fease, 
Note  on  Hör.  Sat.  I  16  'nauta  atque  viator';  E.  Flügel,  Some  Notes  on 
the  History  of  Philology  during  the  MiddleAges  (Johann  vonSalisbury,  Boger 
Bacon, Dante);  W. A.Merrill,  Educare,  educere and educate; H.B.Lathrop, 
The  Indebtedness  of  Fielding  to  Gervantes;  L.  J.  Bichardson,  On  the 
Form  of  Horace's  Lesser  Asciepiads;  J.  Elmore,  Notes  on  the  Text  of 
Plautus;  G.  D.  Ghase,  Latin  Verbs  in  -cinari;  G.  G,  Fiske,  The  Poli- 
tics  of  the  Eatrician  Glaudii;  W.  N.  Bat  es,  The  Early  Greek  Alphabets 
in  the  Light  of  Becent  Discoveries  in  Egypt  (m.  Tafel);  H.  W.  Magoun, 
Notes  on  Tacitus  and  Vergil;  S.  B.  Platner,  The  Gredibility  of  Early 
Boman  History;  A.  W.  Hodgman,  On  Variation  of  Gender  in  Plautus; 
S.  G.  Ashmore,  On  the  So-called  Prohibitive  in  Terence,  Andr.  392, 
and  elsewhere;  A.  Ingraham,  Subjunctive  Meanings  and  a  Science  of 
Belations;  W.  S.  Eiden,  Notes  on  the  Gonditional  Sentence  in  Horace; 
W.  E.  Waters,  An  Horatian  Gloss;  H.  G.  Tolman,  The  Temple  of 
Zevg  Bfjkog,  Herodotus  I  181;  M.  L.  Earle,  Notes  on  the  Nominative 
of  the  First  Person  in  Euripides;  E.  G.  Sihler,  As  to  Gaesar's  Personal 
Gulture:  his  Afißnity  for  Menander;  H.  W.  Magoun,  The  Metrical  Bea- 
ding  of  Latin  Poetry;  A.  Fairbanks,  The  Gesture  of  Supplication  im- 
plied in  yowofffÄai^  yovpä^ofxaij  yowCiy  Xaßeiv  etc.  in  Homer;  H.  G.  Eimer, 


^ 

^ 


Neue  Philologiiehe  Bandsohau  Nr.  9.  908 

Is  there  still  a  Latin  Potential?  A  reply  to  Professor  Haie  (Transact. 
and  Procead.  XXXI  138 ff.);  W.  G.  Haie,  Leading  Mood-Forces  in  the 
Indo-Enropean  Parent  Speecli;  W.  N.  Bat  er,  The  Dating  of  the  'Iphi- 
genia  in  Tanris'  of  Enripides;  H.  A.  Sanders,  Some  Explanations  and 
Emendations  to  Livy;  L.  H.  Gray,  Armenian  Dialectology;  F.  B.  B.  Hellems, 
Lex  de  Imperio  Vespasiani;  E.  H.  Stnrtevant,  Gontraction  in  the  Gase- 
forms  of  the  Latin  {o  and  to-stems  and  of  deus,  is  and  idem;  E.  L.  Green, 
nig  in  Thncydides,  Xenophon  and  the  Attic  Orators;  E.  P.  Harrington, 
The  Birth  Tear  of  Tibnilus  (48  a.  Chr.);  A.  St  Gooley,  Zens  the 
Heaven. 

Br.  W. 

110)  O.  L.  Hendrickson,  The  proconsnlate  of  Julius  Agrioola 

in  relation  to  history  and  to  encomium.  Chicago,  XJniversity  Press, 
1902  (Decennial  Pablications  voL  VI  p.  29—59)  4. 
„Der  Agrioola  ist  mehr  eine  biographische  Lobschrift  und 
ein  öflfentliches  Denkmal,  das  an  einen  edlen  Mann  erinnern  sollte  .  .  • 
Daher  ist  sein  Charakter  blos  von  der  Lichtseite  aufgefafst,  daher  wird 
gerade  seine  tatenreiche  Laufbahn  am  meisten  hervorgehoben,  daher 
steht  alles  mit  so  viel  Bestimmtheit,  Anhänglichkeit  und  Glanz  vor  den 
Augen  des  Lesers . . . ,  daher  ist  selbst  seine  letzte  kriegerische  Tat  am 
Graupiasberge  mit  so  viel  Kraft  und  Leben,  mit  so  viel  malerischer  Schön- 
heit und  ästhetischer  Kunst  dargestellt,  dafs  man  wohl  einsieht,  es  sollte 
diese  Biographie  kein  blofser  treuer  Schattenrifs,  sondern  ein  anziehendes 
Gemälde  von  diesem  Manne  werden,  das  einen  gewissen  Totaleindruck 
von  sittlicher  GrOlise  hinterlassen  sollte  .  . .  Doch  demungeachtet  weifs 
Tacitus  mit  seiner  grofsen  Kunst  dem  Verdacht  ganz  aus- 
zuweichen, als  wolle  er  blos  loben^' . . . 

Dieses  Urteil,  vor  etwa  100  Jahren  von  einem  deutschen  Gelehrten 
(Artzt,  Übersetzung  des  Agrioola,  Meifsen  1800,  S.  92  ff.)  niedergeschrieben, 
deckt  sich  seinem  Kerne  nach  vollkommen  mit  den  im  vorliegenden  Auf- 
satz vertretenen  Anschauungen.  —  Nachdem  H.  einige  der  am  meisten 
divergierenden  Ansicbten  über  Charakter  und  Tendenz  des  Agr.  berührt 
hat,  entwickelt  er,  von  Leos  Buch  „Die  griechisch-römische  Biographie'* 
ausgehend,  seine  mehr  vermittelnde  Auffassung :  das  Werk  habe  allerdings 
gewisse  Elemente  mit  den  als  „laudatio  funebris'*  und  als  ßaaihxds  löyog 
bezeichneten  Gattungen  des  Enkomions  gemeinsam,  und  nur  durch  allzu 


204  Neue  Phüologisohe  RnndBcbaa  Nr.  9. 

starke  Betonung  der  einen  oder  der  anderen  Seite  seien  irrige  Meinungen 
und  MilBvergtändnisse  verursacht  worden.  H.  findet,  gleich  anderen,  die 
Absicht  des  Autors  unzweideutig  ausgesprochen  in  den  Worten  E.  3  non 
tarnen  pigebit  —  excusatus;  „the  work  is  thus  expressly  dedicated  to  the 
honor  of  Agricola;  its  subject-matter  is  hmestas  as  exemplified  in  him".  — 
Nun  war  es  ganz  natfirlich,  dafs  Tacitus  sich  dieser  ihm  von  Pietät  und 
Sitte  diktierten  Aufgabe  durch  die  traditionelle  Form  einer  enkomiastischen 
Xiebensschilderung  zu  entledigen  suchte.  Die  besonders  gearteten  Zeitumstände 
indessen  geboten  eine  gewisse  Vorsicht;  es  galt  manche  Empfindlich- 
keiten zu  schonen  und  Anstofs  zu  vermeiden;  insonderheit  bei  der  Schilderung 
der  Eroberung  und  Verwaltung  Britanniens,  worin  Agricolas  Persönlichkeit 
am  glänzendsten  hervorragt.  Denn  das  Bagende  war  den  Zeiiigenossen  über- 
haupt verhaTst.  Mit  feinster  Kunst  hat  es  Tacitus  verstanden,  durch  den 
Anschein  historischer  Objektivität  Neid  und  Eifersucht  zu  entwaffnen.  H. 
zeigt  in  einer  ausführlichen  Darlegung,  deren  Einzelheiten  hier  fibergangen 
werden  mfissen,  wie  der  Autor  sich  der  ihm  aus  langjähriger  Schulung 
vertrauten  rhetorischen  Technik  geschickt  und  zielbewufst  bedient  habe, 
wie  im  Agricola  namentlich  die  Eunstregeln  der  a^^ig,  der  n;aQiiXBixpigf 
der  naqaßoh^  oder  aiipLQiaig  und  der  eiynifila  (günstige  Auslegung  eines 
scheinbaren  Tadels,  z.  B.  ^r  acerbitas)  an  verschiedenen  Stellen  zur  An- 
wendung gekommen  seien.  Wären  uns  des  Tac.  Historien  vollständig  er- 
halten geblieben,  so  würden  wir  in  der  Lage  sein,  aufs  klarste  zu  erkennen, 
worin  der  unterschied  rein  historischer  und  biographisch-eulogistischer  Be- 
handlung derselben  Geschehnisse  und  Leistungen  besteht.  Ein  lehrreiches 
Beispiel  für  solche  verschiedene  Darstellungsarten  bietet  uns  in  der  grie- 
chischen Litteratur  bekanntlich  Xenophon  mit  seiner  Schilderung  des  Agesi- 
laos  im  Enkomion  und  in  den  Hellenika. 

Zu  den  im  Appendix  (S.  30—33)  zusammengestellten  Erörterungen 
gehört  auch  der  Versuch  H.s,  die  verzweifelte  Stelle  Agr.  9,  10  auf  eine 
besondere  Art  zu  erklären,  ohne  den  überlieferten  Wortlaut  in  grOfserer 
Ausdehnung  abzuändern.  Er  möchte  mit  ürlichs  lesen:  nihil  ultra:  po- 
testatis  personam,  zugleich  aber  die  folgenden  Worte  unverändert  lassen; 
er  meint,  hier  wie  E.  21  a.  E.  habe  der  Satiriker  Tacitus  dem  Historiker 
oder  vielmehr  der  strenge  Historiker  dem  Enkomiasten  einen  kleinen  Streich 
gespielt  insofern,  als  er  dem  Agricola  die  gleichsam  traditionellen  Eigen- 
schaften römischer  Provinzverwalter  zuschrieb,  ohne  zu  bedenken,  dafs  schon 
die  blofse  Erwähnung  der  „tristitia,  arrogantia,  avaritia*^  das  Bild  seines 


-^^ 


Neu«  Fbilologiiohe  Bimdaehaii  Nr.  9.  S06 

Helden  etwas  zu  trflben  geeignet  war.  Ähnlich  gachte  ja  auch  Qndeman 
sich  durch  die  ans  dem  überlieferten  Text  entspringenden  Widersprfiche 
und  Ungereimtheiten  hindurchznwinden  —  vergebens!  Ohne  Zweifel  be- 
zeichnen die  genannten  Worte  Eigenschaften,  die  den  Provinzialen  fast  regel- 
mäfsig  in  ihren  römischen  Statthaltern  verkörpert  vor  Augen  standen.  Und 
dals  Agricola  jene  Untugenden  nicht  anhafteten,  dafs  er  fast  wie  ein 
weifser  Babe  von  den  übrigen  Frokonsuln  abstach,  das  gerade  will  der 
Lobredner  geltend  machen.  Die  von  Hendrickson  für  seine  Auslegung 
angez(^ne  Parallele  aus  Isokrates,  Euag.  78,  ist  deshalb  nicht  glücklich 
gewählt;  denn  wer  „als  erster  und  einziger  unter  den  Reichen  und  Mäch- 
tigen nach  Denken  und  Tätigkeit  sich  sehnt'S  dem  wird  nicht  ein  be- 
dingtes, sondern  volles  Lob  gespendet. 

10,  6  will  H.  spatio  und  caelo  als  Dative  (=  spatio  caeli)  von  ob- 
tenditur,  Germaniae  und  Hispaniae  als  Genetive  von  spatio  ac  caelo  abhängig 
erklären,  was  ihm  jedoch  niemand  glauben  wird.  —  Zu  10,  18  sed  mare 
pigrum  . .  .  pexhibent  bringt  er  zutreffende  Parallelen  aus  Seneca  rhet 
Suas.  1  Deliberat  Alexander  an  Oceanum  naviget;  2  extr.,  10,  16.  —  Zur 
Erklärung  und  Rechtfertigung  der  Verbindung  18,  28  qui  naves  qui  mare 
exspectabant  wird  von  Fräulein  Eatharine  Allen  an  Hist.n  12  i.  A.  erinnert: 
possessa  per  marze  et  naves  maiore  Italiae  parte.  H.  fQgt  noch  hinzu  Ti- 
bull.  I  3,  50  nunc  nMre  nunc  leti  mille  repente  viae,  wo  mare  prägnant 
für  „nunc  maris  et  navigationis  pericula^'  stehe.  —  Einfach  und  ansprechend 
ist  auch  die  Interpretation  von  41 ,  18  sie  Agricola  . . .  agebatur.  Diese 
Worte,  meint  H.,  schliefsen  lediglich  eine  atSyxQioig  ab,  die  mit  41,  6  et 
ea  insecuta  tempora  beginnt  Vgl.  Cicero  de  imp.  Pomp.  67:  quasi  On. 
Pompeium  non  cum  suis  virtutibus  tum  etiam  alienis  vitiis  magmm  esse 
videamus. 

Frankfurt  a.  M.  Bdiiard  Wolft 

111)  K  Feeht  und  J.  Sitsler,  GriechiBches  Übungsbueh  für 

Untertertia.       Vierte,  verbesserte  Auflage.     Freiburg  L  B., 

Herdersche  Yerlagshandlung,  1902.  YHI  u.  194  S.  8.  ull.60;geb.l.80. 

Das  vorliegende  Übungsbuch  bringt  in  Bezug  auf  die  Anordnung  des 

grammatischen  Stoffes  einige  Neuerungen.    Es  ist  jetzt  allgemein  üblich 

geworden,  weil  es  sich  aus  praktischen  Bficksichten  empfiehlt,  die  0-de- 

klination  der  A-deklination  vorangehen  zu  lassen.     So  ist  es  auch  hier 

geschehen.    Innerhalb  dieser  beiden  Deklinationen  gelangen  die  Akzente 


206  Neud  Philologisebe  BnndBchan  Nr.  9. 

stufenweise  zur  Einübung.  Auch  bei  der  Behandlung  der  dritten  Deklination 
ist  streng  darauf  Rücksicht  genommen,  dals  der  Schüler  allmählich  vom 
Leichteren  zum  Schwereren  geführt  wird.    Eine  wesentliche  Abweichung 
von  der  landläufigen  Anordnung  tritt  nach  der  Komparation  ein.    Auf 
dieses  Kapitel  pflegt  man  das  Zahlwort,  dann  das  Pronomen  folgen  zu 
lassen.    Hier  aber  schliefst  sich  an  die  Komparation  das  verbum  purum 
non  contractnm  an.    An  dieses  reiht  sich  das  Pronomen  an,  dem  Pronomen 
folgen  die  übrigen  Yerbalklassen,  den  Schlufs  endlich  bildet  das  Zahlwort 
Zur  Einübung  des  Zahlwortes  und  zugleich  zur  Wiederholung  des  gesamten 
Übungsstoffes  wird  ein  Auszug  aus  Xenophon,  Anab.  I,  1  und  2  vorgelegt. 
Einige  Kapitel,  wie  die  attische  Deklination  und  die  sog.  ünregelmäfsig- 
keiten  der  Konjugation,  sind  ausgeschieden  und  für  das  Pensum  der  Ober- 
tertia zurückgestellt.    Empfehlen  würde  es  sich  unseres  Erachtens,  hierin 
noch  etwas  weiter  zu  gehen  und  auch  die  korrelativen  Pronomina  und 
Adverbia  der  Obertertia  zuzuweisen.    Ihr  richtiges  Verständnis  setzt  syn- 
taktische Kenntnisse  voraus,  die  man  von  einem  Durchschnittsschüler  der  Unter- 
tertia nicht  erwarten  kann.    Als  einen  Vorzug  des  Buches  darf  man  es  be- 
zeichnen, dafs  schon  mit  den  Deklinationen  eine  Reihe  von  Konjugations- 
formen eingeübt  wird,  in  der  Weise,  dafs  für  jede  derselben  ein  besonderes 
Übungsstück  eingefügt  ist.    Hierdurch  wird  frühzeitig  eine  gröfsere  Frei- 
heit und  Mannigfaltigkeit  im  Übersetzen  erzielt.    Auch  wird  es  auf  diese 
Weise  mOglich,  dem  Schüler  nach  kurzer  Zeit  neben  den  Einzelsätzen  auch 
zusammenhängende  Lesestücke  zu  bieten.    Solche  folgen  von  der  A-dekli- 
nation  ab  jedem  gröfseren  Abschnitt  als  Wiederholung  mit  sehr  anregendem, 
der  Fassungskraft  eines  Schülers  dieser  Klasse  geschickt  angepafstem  In- 
halt   Auf  die  Korrektheit  des  griechischen  Ausdrucks  ist  hier  die  gröfste 
SorgMt  verwendet    Bei  einigen  derselben  ist  freilich  die  Zahl  der  Nach- 
hülfen so  beträchtlich  grofs,  dafs  man  über   ihren  Wert  doch  wohl  im 
Zweifel  sein  kann,  so  z.  B.  38,  TL  p.  48  (Aschenbrödel),  wo  auf  llVs  Zeilen 
15  Verweisungen  auf  Anmerkungen  unter  dem  Text  nötig  sind.     Syn- 
taktische Regeln  sind  so  weit  verwendet,  als  es  die  Bezugnahme  auf  die 
in  dieser  Klasse  vorauszusetzenden  Kenntnisse  im  Lateinischen  gestattete. 
Man  mufs  es  anerkennen,  dals  die  Verfasser  sich  hierin  weise  Mäfsigung 
auferlegt  haben.    Den  Übungsstücken  ist  ein  Vokabularium  zum  Memorieren 
angefügt.    Die  Vokabeln  sind  aufser  ganz  wenigen  der  Anabasis  entnommen. 
Auf  bereits  gelernte,  etymologisch  verwandte  Wörter  wird  stets  hingewiesen. 
Diese  Verweisungen  würden  vielleicht  besser  wegfallen.    Man  beachte,  dafs 


y\ 


Neae  Fhilologisclie  BimdBchaii  Nr.  9.  207 

die  Wörter  vor  ihrer  Erlernung  mit  den  Scbfliem  gelesen  werden,  und 
deshalb  scheint  es  doch  richtiger,  die  Schfiler  den  etymologischen  Zusammen- 
hang selbst  finden  als  aus  dem  Buche  herauslesen  zu  lassen.  Das  angefügte 
alphabetische  Wörterverzeichnis  soll  den  Schfiler  bei  der  häuslichen  Prä- 
paration unterstützen. 

Sollen  wir  unser  Urteil  über  das  Buch  zusammenfassen,  so  stehen  wir 
nicht  an  zu  behaupten,  dafs  es  den  besten  dieser  Gattung  sich  würdig  zur 
Seite  stellen  darf.  Wir  wünschen,  dafs  ihm  diejenige  Verbreitung  zuteil 
werde,  die  ihm  gemäfs  seiner  Yorzüglichkeit  gebührt. 

Konstanz.  P.  Noiibvrgar. 

112)  Faul  Cauer,  Falestra  vitae.  Eine  neue  Aufgabe  des  altklassischen 
Unterrichtes.   Berlin,  Weidmann,  1902.  —  VII  u.  156  S.  gr.  8. 

Geb.  Jf  3. 40. 
Diese  sehr  lesenswerte  und  sehr  beherzigenswerte  Schrift  des  rührigen 
Vorkämpfers  des  humanistischen  Gymnasiums  ist  eine  Erweiterung  des  im 
Jahre  1900  erschienenen  Programms  der  beiden  unter  Gauers  Leitung  stehen- 
den Düsseldorfer  Anstalten  „Wie  dient  das  Gymnasium  dem  Leben ?^^ 
sie  sucht  durch  HerbeischafiEung  von  allerlei  charakteristischem  Material 
darzulegen,  in  welcher  Weise  der  Gedanke  in  der  Praxis  des  Gymnasial- 
lebens zur  Verwirklichung  gebracht  werden  könne,  den  man  als  die  Formel 
der  heutigen  Auffassung  vom  Bildungswerte  der  Schöpfungen  des  Alter- 
tums bezeichnen  kann  und  dem  ich  in  meinem  Vortrage  über  das  so- 
genannte Beformgymnasium  den  folgenden  Ausdruck  verliehen  habe :  „Wer 
das  reiche  und  in  vieler  Beziehung  geradezu  verwirrende  Leben  der  mo- 
dernen Welt  verstehen  will,  kann  die  Typen  des  staatlichen,  des  sozialen, 
des  künstlerischen,  des  wissenschaftlichen  Lebens  in  den  Institutionen  und 
Schöpfungen  dieser  (der  alten)  Völker  erkennen;  was  sich  Tag  für  Tag  im 
modernen  Leben  vollzieht,  ist  nur  eine,  allerdings  reichere  und  kom- 
pliziertere, Wiederholung  der  politischen,  sozialen,  künstlerischen  und  wissen- 
schaftlichen Vorgänge  in  dem  Leben  der  Völker  des  Altertums'^  (n^^ 
humanistische  Gymnasium'*  1899,  Heft  III/IV  S.  135).  Wenn  nun  die 
Erklärung  der  antiken  Schrift-  und  Kunstwerke  und  überhaupt  die  Be- 
sprechung aller  Erscheinungen  des  antiken  Lebens  in  diesem  Sinne  geübt 
werden,  dafs  man  in  ihnen  die  nicht  mustergültigen,  aber  den  Typus  der 
Gestaltungen  darstellenden  Vorläufer  des  modernen  Lebens  erkennen  lehrt, 
so  mufs  sich  daraus  eine  Fülle  von  intellektuell  bildenden ,  den  Blick  er- 


208  Nene  Philologrisclie  Bandschan  Nr.  9. 

weiternden,  die  AngchauuDg  bereichemdeD  Elementen  ergeben.  Ffir  die 
zu  diesem  Behufe  einzuschlagende  Praxis  gibt  Gauer  die  dankenswertesten 
Fingerzeige,  und  es  braucht  denen,  die  ihn  kennen,  nicht  weiter  gesagt 
zu  werden,  daTs  seine  Ausführungen  fiberall  nicht  nur  von  reichen  und 
tiefen  Kenntnissen,  sondern  auch  von  einer  geistvollen  Erkenntnis,  von 
einer  philosophischen  Durchdringung  der  behandelten  Gegenstände  und  von 
einer  freien,  fiber  alle  engherzige  Schulmeisterei  erhabenen  Anschauung 
zeugen.  Nur  möchte  ich  nach  meinen  Erfahrungen  wünschen,  dafs  er  sich 
noch  ausdrücklicher  gegen  diejenige  Behandlung  der  „Realien",  die  sie  in 
einem  Überma&e  zum  Gegenstände  der  gedächtnismäfsigen  Aneignung 
macht,  ausgesprochen  und  seinem  Satze:  „Man  darf  nur  nicht  denken, 
dafs  ,Bildung^  dasselbe  sei  wie  ,E6nntnisse^",  (S.  67)  die  praktische  Spitze 
gegen  eine  derartige  Verwertung  des  den  Alten  zu  entnehmenden  Materials 
gegeben  hätte;  auch  hätte  sich  zu  den  Wünschen,  die  er  auf  S.  129 ff. 
hinsichtlich  der  Verwirklichung  seines  Ideals  ausspricht,  noch  der  gesellen 
sollen,  dafs  man  bei  der  mündlichen  Prüfung  der  Abiturienten  in  den  alten 
Sprachen  nicht  eingepaukte  Bealienkenntnisse  abfragen  möge,  sondern  nur 
die  Fäh^keit  des  Verständnisses  der  antiken  Schriftsteller  an  noch  nicht 
gelesenen  Proben  festzustellen  versuche. 

Bremen.  Edm.  Fritzo. 

113)    Ludwig    Appel,     Auswahl    fraiizöBiBcher    Gedichte. 

München,  Lindauer,  1902.    91  S.  8.  geh.  Jt  —.80. 

Die  Sammlung  empfiehlt  sich  durch  die  hübsche  Ausstattung,  billigen 
Preis  und  einen  yerhältnismäfsig  reichhaltigen  Inhalt.  Die  gewählten 
Gedichte  sind  für  die  Schullektüre  wohl  geeignet;  als  weniger  glücklich 
gewählt  fallen  auf  von  Batisboune  Le  coBur  d*une  mke ,  wo  das  Wieder- 
beleben einer  gestorbenen  Mutter  durch  das  Lächeln  ihres  Lieblings  zu 
unnatürlich  erscheint,  und  Le  fils  ingrat,  wo  Quelle  und  Flufs  ein 
ungeeignetes  Bild  für  das  Verhältnis  von  Mutter  und  Sohn  bilden.  Doch 
dürfte  es  schwer  sein,  aus  dem  Büchelchen  auch  nur  einige  Qrundzüge 
für  die  Entwickelung  der  neueren  französischen  Lyrik  und  fßr  das  Wesen 
einiger  ihrer  Hauptvertreter  zu  gewinnen,  da  die  gewählten  Proben  mei- 
stens nicht  gerade  bezeichnend  sind  weder  für  die  Strömungen  der  Lite- 
ratur noch  ffir  die  Eigenart  der  einzelnen  Dichter.  So  fehlt  bei  B^ranger 
jede  Beziehung  zu  Napoleon  L,  bei  Victor  Hugo,  abgesehen  von  den  leisen 
Anklängen  in  La  grand*  m^re,  jede  Anspielung  auf  das  Romantische  und 


Nene  Phflologifohe  Bondsobaa  Nr.  9.  909 

Patriotische,  bei  allen  Dichtem  von  ausgesprochen  provinziellem  Charakter, 
wo  er  in  den  Bemerkungen  des  Anhanges  hervorgehoben  wird,  jede  Probe 
fflr  diese  Eigenart  (vgl.  Brizeux,  Qrandmougin).  Zu  bedauern  ist  auch 
die  etwas  willkfirliche  Verstümmelung  mancher  Gedichte  wie  A  TAUemagne 
von  V.  Hugo,  das  durch  den  Wegfall  des  Schlusses  mit  der  Beziehung 
auf  Frankreich  einen  ganz  anderen  Charakter  erhält;  das  BruchstOck  aus 
den  Nuits  von  Musset:  Si  reffort  est  trop  grand  erscheint  als  geschlossenes 
Ganze  und  in  einer  dem  Original  fremden  strophischen  Gliederung.  In  den 
Notizen  über  die  Verfasser  wird  versucht,  jeden  Dichter  zu  charakteri- 
sieren; etwas  biographisches  Material  über  die  bedeutendsten  Dichter  w&re 
dankenswerter  gewesen,  zumal  aus  den  Charakteristiken  meistens  nicht  die 
Stellung  und  Bedeutung  des  Dichters  für  die  Literatur  zu  erkennen  ist  (vgL 
(lautier,  Lamartine,  Musset)  und  die  gewählten  Proben  oft  der  Charak- 
teristik, wie  schon  gesagt,  nicht  entsprechen.  Die  Bemerkung,  da&  An- 
drieux  seinen  Buhm  insbesondere  der  „hübschen  Erzählung  des  Meunier 
Sans^Souci  verdanktes  mufs  in  dem  Schüler  eine  falsche  Vorstellung  von 
der  Bedeutung  dieses  harmlosen  Gedichtchens  erwecken,  der  dieser  Dichter 
doch  nur  seine  Berücksichtigung  in  deutschen  Gedichtsanunlungen  verdankt. 
Trotz  dieser  Mängel  dürfte  das  Büchelchen  w^en  der  im  Eingang  hervor- 
gehobenen Vorzüge  manchen  Schulen  als  Ergänzung  der  Prosalektfire  will- 
kommen sein.  

114)  E.  Despröaux,  Histoire  abrdgöe  de  la  littöratnre  fran- 
9ais6  ä  Tusage  des  ätrangers.  Riga,  N.  Kymmel,  1901.  297  S.  8. 
Das  Buch  soll  Ausländem  einen  kurzen  und  übersichtlichen  Über- 
blick über  die  französische  Literatur  von  ihren  ersten  Anfingen  bis  zur 
neuesten  Zeit  geben.  Der  Verf.  hat  sich  mit  Erfolg  bemüht,  das  Studium 
der  französischen  Literaturgeschichte  angenehm  und  reizvoll  zu  machen 
durch  eine  klare  und  geschmackvolle  Darstellung,  die  sich  begreiflicher- 
weise bis  zur  Benaissance  auf  das  Allgemeinste  und  Notwendigste,  beschränkt, 
aber  doch  scharf  und  deutlich  die  verschiedenen  Entwickelungsstufen  zeigt, 
die  zur  klassischen  Literatur  hinführen.  Mit  Becht  ist  der  Darstellung 
der  neueren  und  neuesten  Literatur  ein  verhältnismäfsig  grolser  Baum 
gewährt  worden.  Der  Verf.  stützt  sich  natürlich  auf  die  literarhistorischen 
und  literarkritischen  Arbeiten  seiner  Vorgänger,  besonders  Saint-Beuves, 
Bruneti^res,  Faguets,  Lemaitres,  Doumics  u.  a.,  zeigt  sich  aber  nament- 
lich in  der  neuesten  Literatur  als  einsichtsvoller  und  selbständiger  Be- 


210  Nene  Pldlologiflclie  Bnndschan  Nr.  9. 

urteiler  der  einzelnen  Erscheinungen  nnd  Persönlichkeiten,  der  umfassende 
literarhistorische  Kenntnisse  nnd  richtiges  Urteil  sowie  guten  Geschmack 
an  den  Tag  legt.  DaTs  er  es  nicht  jeden  recht  macht  in  der  Auswahl 
und  Ausdehnung  des  StofiFes,  und  dafs  sich  auch  manches  Unrichtige  und 
Schiefe  in  der  Darstellung  vorfindet,  ist  bei  der  Ausdehnung  und  dem 
Umfange  des  Oebietes  leicht  erklärlich  und  wird  niemanden  wunderneh- 
men, der  die  Schwierigkeiten  einer  solchen  Aufgabe  kennt.  So  wird 
S.  8  die  Bedeutung  der  griechischen  Eolonialstädte  im  Sfideu  Galliens 
für  die  kulturelle  Entwickelung,  wie  vielfach,  sehr  unterschätzt.  Die 
Ausführung  S.  10  über  die  Entstehung  von  Doppelformen  im  Französischen 
aus  lateinischen  Wörtern  hätte  etwas  ausführlicher  und  mit  Berücksich- 
tigung der  verschiedenen  Dialektformen  durch  mehr  Beispiele  erläutert 
werden  sollen.  Die  Angabe  über  die  weite  Verbreitung  des  Altfranzösi- 
schen in  England,  Portugal,  Ungarn  und  Polen  entspricht  nicht  den  histo- 
rischen Tatsachen,  die  über  die  provenzalische  Literatur  S.  11  hätte  etwas 
bestimmter  und  ausführlicher  sein  sollen.  Die  chronologischen  Angaben 
über  Babelais'  Werke  sind  ungenau,  als  Todesjahr  Bacines  S.  111  ist 
falsch  1669  angegeben  und  ebenso  S.  242  Vignys  Übertritt  zur  romanti- 
schen Schule.  Bei  manchen  Schriftstellern  sind  gerade  literarhistorisch 
bedeutungsvolle  Werke  nicht  erwähnt  worden,  wie  z.  B.  S.  253  die  Vie  de 
36suB  bei  Benan.  Auch  recht  viele  Druckfehler  sind  übersehen.  So  ist 
zu  schreiben:  S.  17  une  arSte,  repr^senter,  21  et,  26  qu'il,  67  elle-mSme, 
79  le  passage,  89  moi  comme,  92  oppos6,  94  Fexpression,  98  attentif, 
133  de,  156  aux  instances,  161  d'^gayer,  165  Cyclopedia,  173  philosophes, 
175  c'est,  178/179  J.-J.  Bousseau,  181  inconsciem-,  182  franjais,  187 
Tarm^e,  188  d^veloppe  und  immense,  201  originalit^,  202  fixer,  207  Tocque- 
ville,  213  disparaissent,  215  d*un  charme,  230  r^alit^,  234  absolument, 
258  philanthropique,  266  verres,  275  des  Deux-Mondes,  288  les  poites, 
292  bruisser,  quelques-uns,  297  d^licieux. 

Aber  trotz  dieser  Ausstellung  trage  ich  kein  Bedenken,  das  Buch  zu 
empfehlen,  besonders  auch  deswegen,  weil  es  wegen  seiner  einfachen  und 
dabei  doch  leichtflüssigen,  eleganten,  korrekten  und  idiomatischen  Sprache 
und  wegen  der  durchsichtigen  und  übersichtlichen  Gruppierung  des  Inhalts 
mir  recht  geeignet  erscheint,  daraus  Stoff  zu  kleinen  mündlichen  Yor- 
trSgen  und  schriftlichen  Beproduktionen  und  Au&ätze  zu  entnehmen. 

Strafsburg  i.  E.  B.  MoUwoMe. 


^-A 


Nene  PhilologiBehe  Bundsohaa  Nr.  9.  811 

115)  Gnfitav  FfeifliBr,  Die  nengermanisohen  Bestandtefle  der 
£ranzö8iBcheii  Spraehe.  Stuttgart,  Qreiner  &  Pfeiffer,  1902. 
108  8.  8.  Jf  2.—. 

Der  Zweck  der  vorliegenden  Schrift  ist,  die  ins  NenfranzOsische  ein- 
gedrungenen germanischen  Elemente  zusammenzustellen.  Sie  ist  aus  dem 
Nachlafs  des  leider  zu  frflh  verstorbenen  Verfassers  von  G.  Gröber  der 
Öffentlichkeit  übergeben  worden. 

Nach  einer  kurzen  Übersicht  Aber  die  Wirkung  des  Akzents  wird  in 
einer  ausführlichen  Lautlehre  nachgewiesen,  dafs  auch  die  modernen 
Entlehnungen  in  der  Form,  wie  sie  im  Französischen  vorliegen,  im  all- 
gemeinen  lautgesetzlich  richtige  Bildungen  sind.  Durch  diesen  Nachweis 
erfährt  die  Wirkung  der  Volksetymologie,  die  in  einem  weiteren  Kapitel 
behandelt  wird,  mannigfache  Einschränkung.  Es  folgen  dann  ein  Abschnitt 
über  Bedeutungswandel  und  eine  kulturhistorische  Skizze.  Den  Schluls 
bildet  eine  besonders  wertvolle  alphabetisch  geordnete  Übersicht  über  die 
Wörter,  die  aus  dem  Deutschen,  Niederländischen,  Englischen  und  Skandi- 
navischen in  neuerer  Zeit  in  die  französische  Sprache  fibergegangen  sind. 

Die  Lautgruppe  hn  möchte  ich  nicht  so  unbedingt  ffir  unfranzösisch 
erklären,  wie  es  der  Verf.  tut  (S.  9).  Sie  ist  zwar  selten  in  der  Schrift 
{Jcnefle  hwuf)^  kommt  aber,  wenn  die  umgebenden  Konsonanten  es  ge- 
statten, in  Zusammenziehungen  (que  +  n)  vor.  Wenn  an  derselben  SteUe 
angenommen  wird,  dab  hlaclcbouler  einmal  zu  llaguebouler  werden  wird, 
so  ist  zu  bemerken,  dafs  dieser  Übergang  schon  jetzt  lautlich  vollendet 
ist,  da  der  Franzose  die  Konsonantenverbindung  1ü>  der  Schrift  in  der 
Aussprache  als  gh  wiedergibt.  Die  S.  25  erwähnte  und  besonders  von 
der  Volkssprache  geltende  Neigung  der  französischen  Sprache,  anlautendes 
h  deutscher  und  englischer  Wörter  zu  eliminieren,  zeigt  sich  auch  ziem- 
lich häufig  in  der  Schriftsprache;  z.  B.  findet  man  neben  de  Hegel  auch 
d'Hegel,  nebst  den  Ableitungen  d'h^g^lianiser,  Th^^lianisme;  Tilot  d*Helgo- 
land,  THamlet,  cet  Heathfield,  THyde  Park  neben  le  Hyde  Park  u.  a.  m. 

In  der  lexikalischen  Übersicht,  die  rund  1000  Wörter  umfafst,  wird 
man  manches  vermissen.  Allein  es  wäre  unmöglich,  hier  Vollständigkeit 
zu  verlangen ;  denn  so  eifHg  auch  von  vielen  Seiten  für  die  Reinheit  der 
Muttersprache  und  gegen  die  Fremdwörter  gekämpft  wird,  der  heute 
herrschende  und  sich  von  Jahr  zu  Jahr  reger  gestaltende  internationale 
Verkehr  bedingt,  dafs  Wörter  der  einen  Sprache  in  den  Wortschatz  anderer 
Sprachen  immer  aufs  neue  eindringen. 


219  Neae  Philologiflehe  Bnndaehan  Nr.  9. 

Nur  weniges  sei  hier  erwähnt  Galenr  bedeutet  auch  Gelegenheits- 
arbeiter. Neben  boobnaker  kommt  auch  die  abgekflrzte  Form  book  vor. 
Statt  le  fiye  o*cIock  tea  sagt  man  auch  kurz  le  five.  Neben  leader  und 
kading  articie  findet  sich  leading  article.  Auch  hat  leader  die  Bedeutung 
Ffihrer;  so  wird  z.  B.  Jaurds  in  französischen  Blättern  le  leader  socialiste 
genannt.  Ffir  ticket  ist  die  Bedeutung  Eisenbahnbillet  angegeben;  es 
bezeichnet  aber  besonders  die  Eintrittskarte  für  Ausstellungen,  Zirkus- 
vorstellungen u.  s.  w.  Auch  hätten  vielfach  Ableitungen  hinzugeffigt  werden 
können.  So  z.  B.  zu  schloff,  schnick,  clown,  globe-trotter,  lunch,  match, 
sport,  toast,  jacht  die  folgenden  Formen:  schloffer,  schniquer,  schniqueur, 
Clownerie,  globe-trotteuse,  luncher,  matcher,  sporter  (=  Sport  treiben), 
toaster,  yachting,  yachteman.  Jingo,  jingolste,  jingolsme  fehlen;  ebenso 
rowing  (Buderefport).  Fflr  tub  wird  die  Aussprache  tob  gegeben;  ich 
kenne  nur  die  mit  offenem  Ö-Laut. 

Die  fleifsige  und  tfichtige  Arbeit  sei  aufs  wärmste  empfohlen. 

AltonarOttensen.  H.  Sohmidl. 

116)  Fxiti  HoUeck-Weifhmami,  Zur  Quellenfri^e  von  Shake- 
speares   Lustspiel    ,,Much    Ado   About    Ifofhing'^ 

(s3  Kieler  Studien  zur  englischen  Philologie,  herausgegeben  von 
Dr.  F.  Holthanaen.  Heft  3.)  Heidelberg,  G.  Winters  üni- 
versitätsbuchhandlung,  1902.    92  S.  8.  JH  2.40. 

Das  Quellenverhältnis  von  Mtich  Ädo  Ahmt  Nothing  ist  bisher  noch 
nicht  ganz  aufgeklärt.  Zwar  weifs  man  längst,  daCs  eine  Novelle  Ban- 
dellos  den  Stoff  dazu  bot;  wie  aber  Shakespeare  zu  dessen  Kenntnis  ge- 
kommen sei,  ist  ungewifs.  Dafs  er  Bandellos  Text  nicht  unmittelbar 
benutzt  hat,  ist  allgemein  anerkannt.  Einige  Forscher  meinen  nun,  er 
habe  ihn  aus  der  französischen  Bearbeitung  Belleforests  kennen  gelernt, 
andere  aus  einer  englischen  Übersetzung,  deren  Vorhandensein  aber  nur 
vermutet  werden  kann,  da  uns  keine  erhalten  ist;  dafs  eine  Episode  aus 
Ariosts  Orlando  Furiose  vom  Dichter  benutzt  worden  ist,  ist  nicht  un- 
möglich, obgleich  nicht  viel  daffir  spricht.  Endlich  hat  man  noch  an- 
genommen, dafs  Shakesfpeare  ein  älteres,  uns  freilich  auch  verlorenes 
Drama  als  Vorlage  gehabt  habe,  und  diese  Annahme  dfirfte  schlieMich 
die  gröfste  Wahrscheinlichkeit  ffir  sich  haben,  wie  vor  allem  das  Ver- 
hältnis des  Lustspiels  zu  Jakob  Ayrers  Comedia  von  der  schonen  Phänieia 
erweist.    Schon  1817  hat  Tieck  die  Vermutung  auEigesprochen,  daüs  das 


'^ 


Neo«  FbilologiMbe  Rnndflchaa  Nr.  9.  1118 

deatsche  and  engliache  Stficl  nach  einem  gemeinsamen  Vorbilde  Ter&Ibt  ist 
Diese  letzte  Annahme  wfthlt  nnn  unser  Verf.  zum  Ausgangspunkt  einer 
neuen  Untersuchung  der  Frage.  Auf  Orund  einer  eingehenden  und  ge* 
nauen  Vergleichung  der  Stflcke  Ayrers  und  Shakespeares  und  einer  auch 
für  die  deutsche  Literaturgeschichte  wertvollen  Betrachtung  der  ganzen 
Arbeitsweise  des  Nürnberger  Dichters  kommt  er  zu  dem  Ergebnis,  dafs 
tatsächlich  Ayrer  und  Shakespeare  ein  englisches,  auf  der  Novelle  Ban- 
dellos fufsendes  Drama  gekannt  und  gesehen  und  danach  ihre  Stflcke  ab^ 
ge&Ist  haben.  Ayrer  hat  sicher  in  NQrnberg  englische  EomOdiantenspiele 
besucht  und  sie  mehrfiich  bei  seinen  zahbreichen  Dramen  verwertet.  Bei 
der  Phänicia  ist  das  auch  der  Fall,  auüserdem  hat  er  aber  da  auch  noch 
die  Übersetzung  der  Bandelloschen  Novelle,  die  MauriHus  Brand  1594 
nach  der  Fassung  des  Belieferest  angefertigt  hatte,  benutzt.  Ein  weiteres  Ka- 
pitel behandelt  dann  noch  die  vom  Tode  erweckte  Phänicia,  Tragicomoedia 
von  Michael  Kongehl  (1680);  auch  dieses  StQck  geht  im  letzten  Grunde 
auf  Bandello,  mit  einer  Zwischenstufe  aber  ebenfalls  auf  ein  älteres  eng- 
lisches Drama,  vielleicht  noch  eine  Moralität,  zurfick.  Im  einzelnen  ergibt 
sich  als  Schlufsfolgerung  folgender  Stammbaum:  Aus  Bandello  floüs  un- 
mittelbar ein  altes,  verlorenes  englisches  Drama  x,  das  Shakespeares  un- 
mittelbare Quelle  ist;  neben  x  gab  es  noch  andere  Fassungen  x^  und  Xf^ 
die  englische  Komödianten  in  Deutschland  spielen  mochten.  Aus  x^  schöpfte 
Kongehl,  aus  Xf  Brand  und  Ayrer;  da  Ayrer  nun  auch  Brand,  dieser  aber 
auch  Belieferest  benutzt,  so  wird  auf  diese  Weise  mittelbar  der  Zu- 
sammenhang mit  der  Urquelle  Bandello  fSr  Ayrer  hergestellt.  —  In  einem 
Nachtrage  weist  der  Verf.  noch  darauf  bin,  dals  er  in  voller  Unabhängig- 
keit in  der  Hauptsache  zu  denselben  Ergebnissen  gelangt  ist,  wie  Fumess 
im  Variorum  Shakespeare  Bd.  12  (Philadelphia  1899). 
Breslau. 


117)  Paul  Krüger,  Memoirs.    London  und  Leipzig,  T.  Fisher  ün- 
win,  1902.     2  Bde.    472  S.  8.  ul3.-. 

Wer  aufmerksam  den  Berichten  gefolgt  ist,  die  während  des  letzten 
sfidafrikanischeu  Krieges  von  den  Tageszeitungen  und  Wochenschriften 
gebracht  worden  sind,  der  wird  in  diesen  Memoiren  Krflgers  wenig  Neues 
finden.  Und  wer  etwa  sensationelle  Enthfillungen  zu  erhalten  glaubte, 
der  wflrde  erst  recht  nicht  befriedigt  werden;  diese  wflrden  ja  auch  nur 
wenig  zum  CJharakter  des  Verf.  gepabt  haben.  In  einfitcher,  ungekfinstelter 


214  Neu«  Philologische  BimdBehaii  Nr.  9. 

Sprache  erzählt  er  sein  Leben  and  sein  Wirken  von  seiner  Jugend  an. 
Und  da  er  bei  Abfassung  des  Werkes  wohl  noch  mit  kindlichem  Ver- 
trauen an  den  Sieg  seines  Volkes  glaubte  und  nicht  annehmen  konnte 
und  wollte,  dafs  Gott  die  gerechte  Sache  im  Stiche  lassen  könne  und  dfirfe, 
so  hat  er  nirgends  zu  viel  gesagt  Die  wenigen  Stellen,  an  denen  fiber 
die  wohlbekannte  Treulosigkeit  und  unersättliche  Ländergier  der  Engländer 
geredet  wird  (vgl.  S.  136.  145.  159. 166. 176.  249),  wfirden  diese  selbst 
unbedenklich  und  selbstbewulst  von  sich  gedruckt  und  verbreitet  haben, 
besonders  jetzt,  nachdem  das  reiche  Qold-  und  Diamantenland  in  ihre 
Hände  fibergegangen  ist.  Und  was  Eruger  in  kurzen,  treffenden  Worten 
fiber  Bhodes  (S.  218),  Ghamberlain  (S.  283.  303  u.  307),  Milner  (S.  290) 
gesagt  hat,  ist  viel  milder,  als  diesen  Henkern  der  sudafrikanischen  Re- 
publiken von  eigenen  Landsleuten  gesagt  worden  ist. 

Die  eigentlichen  Memoiren  Erfigers  reichen  bis  S.  373;  dann  folgen 
noch  auf  weiteren  99  Seiten  Beden,  Bundschreiben  und  Proklamationen. 

Das  Englisch  des  Buches  ist  durchsetzt  von  holländischen  Wörtern, 
nebst  sfida&ikanischen  n.  a.  ungewöhnlichen  Ausdrfioken  wie  outspanned 
und  inspanned  (S.  34.  36  u.  a.  0.),  to  commandeer  (S.  98),  dem  see- 
männischen the  commando  was  sighted  (S.  99),  the  moot-points  =  Streit- 
sache (S.  101),  evenings  in  laager  (S.  125),  to  fall  through  (S.  135.  u.  180), 
Zulu  impis  (S.  150)  und  indunas  (S.  214),  the  ammunition  gave  out 
(S.  182),  to  drag  in  (S.  261)  und  inponring  foreigners  (S.  328). 

Der  Druck  dieses  lesenswerten  Buches  ist  schön  deutlich,  trotz  des 
etwas  durchlässigen  Papiers,  und  druckfehlerfrei,  abgesehen  von  dem  Satze 
I  let  go  of  my  horse  (S.  30). 

Borna.  E.  Toiohmana. 

118)  Rudyard  Kipling,  Just  So  Stories;  for  litüe  Children. 

London,  Macmillan  &  Co.,  1902.    249  S.  8.  geb.  6  sh. 

Der  grofse  und  wohlverdiente  Erfolg  der  Dschungelbficher  ist  es  wohl 
gewesen,  der  Kipling  veranlafst  hat,  sich  aufs  neue  den  Tiergeschichten 
zuzuwenden.  Die  Just-so-stories  sind  für  kleine  Kinder  bestimmt,  was 
u.  a.  in  der  auf  die  Dauer  ziemlich  unerträglichen  Sprache  der  zwölf  Qe- 
schichten  sehr  aufdringlich  zum  Ausdruck  kommt  Inhaltlich  befassen 
sich  diese  der  Hauptsache  nach  mit  der  Erklärung  verschiedener 
Naturerscheinungen,  z.  B.  mit  der  Frage,  warum  das  Dromedar  einen 
Höcker,  der  Elefant  einen  Bfissel,  das  Känguruh  lange  Hinterbeine  hat 


Nene  PbilologiBohe  Bondgcbau  Nr.  9.  216 

u.  s.  w.  Die  Geschichten  kssen  an  Märchenhaftigkeit  und  Unmöglich- 
keit nichts  zn  wünschen  flbrig ,  und  es  wird  nicht  jedermanns  Oeschmack 
sein,  wenn  z.  B.  Ebbe  nnd  Flnt  anf  das  Hin-  nnd  Herkriechen  des 
riesenhaften  ür- Taschenkrebses  znrüd^efflhrt  werden.  Manchen  Erzäh- 
lungen soll  der  Humor  nicht  abgesprochen  werden.  Ob  englische  Kinder 
dafür  das  erforderliche  Verständnis  besitzen,  vermag  Ref.  nicht  zu  be- 
urteilen. Für  Deutsche  kommt  das  Buch  schwerlich  in  Betracht.  Be- 
sondere Erwähnung  verdienen  indes  die  von  dem  Verf.  selbst  herrührenden 
Zeichnungen.  Sie  sind  nebst  den  dazu  gehörigen  Erklärungen  im  höch- 
sten Grade  originell  und  unterhaltend. 

Plensburg.  A4olf  Hertias. 

119)  Levin  L.  Schücking,  Stadien  über  die  stofflichen  Be- 
ziehungen der  englischen  Komödie  zor  italienischen 
bis  Lilly.  (=  Studien  zur  englischen  Philologie,  herau^egeben 
von  L.  Morsbaeh.  IX.)  Halle  a.  S.,  Max  Niemejer,  1901. 
109  S.  8.  JiS.-. 

Der  Verf.  hat  sich  mit  seiner  Arbeit  einen  dankbaren  und  anziehen- 
den, aber  auch  etwas  schwierigen  Stoff  ausgesucht  und  ihn  gewissenhaft 
und  sorgfältig  bearbeitet,  sodafs  er  eine  ganze  Reihe  schöner  Ergebnisse 
vorlegen  kann.  In  einigen  Fällen  freilich,  wo  das  Material  etwas  un- 
sicher und  seiner  Art  nach  nicht  recht  ergiebig  für  scharfe  Beweis- 
führung ist,  hat  ihn  wohl  manchmal  nur  der  Wunsch,  Beziehungen  zwi- 
schen italienischen  und  englischen  Motiven  zu  finden,  solche  sehen  lassen. 
Kapitel  I  behandelt  unter  dem  Titel  „Fragliche  Beziehungen^^  CaUsto 
cmd  Meliboßa,  ThersUes  und  Eaisier  Doister,  bei  denen  gelegentlich  an- 
genommener italienischer  Einflufs  abzulehnen  ist,  während  er  sich  im 
Misogmus  schon  schwach  in  der  Verlegung  des  Schauplatzes  nach  Italien 
zeigt.  Im  II.  Kapitel  dagegen,  „Oascoignes  Suppases'',  die  aus  Ariosts 
Stück  Oli  Suppositi,  allerdings  unter  Benutzung  zweier  verschiedener 
Fassungen,  übersetzt  sind,  kann  der  Verf.  deutlich  eine  ganze  Menge  be- 
zeichnender, wirklicher  Beziehungen  nachweisen,  und  dasselbe  geschieht 
im  folgenden  Abschnitt,  der  die  Bugbears  behandelt ;  dieses  Stück  ist  in 
ganz  ähnlicher  Weise  von  Orazzinis  La  Spirüata  abhängig  und  hat  in 
einer  Fülle  von  einzelnen  Zügen  den  italienischen,  ja  den  florentinischen 
Lokalton  treu  gewahrt  Kapitel  IV  erörtert  die  viel  umstrittene  Frage, 
ob  es  in  England  ein  wirkliches  Stegreifspiel,  wie  man  es  sehr  wohl  aus 


äl6  Nene  Philologische  Rundschau  Nr.  9. 

der  italienischen  commedia  dell'  arte  kannte,  als  echt  heimisches  Gut  ge- 
geben hat,  und  beantwortet  sie  mit  guten  Grfinden  verneinend.  Im  n&ch- 
sten  Abschnitt,  „Verarbeitung  fremder  Motive '*  ist  zum  grö&ten  Teil  von 
Maskenspielen  die  Rede,  über  die  wir  jetzt  durch  Brotaneks  treffliches 
Buch  (Wiener  Beitrage  z.  engl.  Philol.,  hrsg.  v.  Schipper  1902 ;  vgl.  dazu 
Beil.  z.  Mflnch.  Allg.  Ztg.  Nr.  185, 1902)  genauer  unterrichtet  sind.  Das 
Schlo&kapitel  endlich  weist  „Italienisches  bei  Lillys*  auf,  und  zwar  in 
GaUathea,  Loves  Metamorphosis  und  Mofher  Bombie.  —  Wenn  Schfickings 
Arbeit  auch  nicht  in  allen  Einzelheiten  strenger  kritischer  Nachprüfung 
stand  hält,  wie  z.  B.  Bang  in  seiner  Besprechung  im  Shakespeare -Jahr- 
buch 38,  S.  276  ffl  (1902)  gezeigt  hat,  so  ist  sie  im  ganzen  doch  als 
eine  gründliche  und  beachtenswerte  Leistung  zu  bezeichnen.         -tz-. 

Yerlag  von  Friedrich  Andreas  Perthes,  Aktiengesellschaft,  Gotha. 

Cornelii  Tacifi 

Hi6itoifia]n].iii    libiri    qui    eupei^emit. 

Für  den  Schulgebrauch  erklärt  von 
Prof.  Dr.  K.  Knaut, 

Direktor  des  Könlg-WillielmB-GymiiaBinnui  zu  Magdeburg. 

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Sexitexigsexi  -uzi-tl.  sAoliJLlolxe  a^lxexuLAta 

für  die  obersten  Stufen  der  höheren  Lehranstalten. 

Von  Dr.  Edmund  Fritze, 

Professor  am  Gymnasium  in  Bremen. 

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a)  Entwurf  einer  Aufsatzlehre. 

b)  Die  ersten  48  Dispositionen. 

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Die  letzten  52  Dispositionen. 

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Flir  die  Bedaktion  Terantwortlieli  Dr.  E.  Latfwli  in  I 
Dnek  und  Yerlag  toa  Frledrieli  ▲ndreas  Perthes,  AktirageseUsehaft,  Gotik». 


^.kY  ^"   .903  ^ 


Oofha,  16.  Mal.  Kr.  10,  Jahrgang  1903. 

Neue 

PhilologischeRundschau 

Herausgegeben  tob 

Dr.  0.  Wagener  und  Dr.  E.  Ludwig 

in  Bremen. 

Eraoheint  alle  14  Tage.  —  Preis  ftir  den  Jahrgang  8  Mark. 

Bestellnngen  nehmen  alle  Buchhandlungen,  sowie  die  Postanstalten  des  In-  und  Auslandes  an. 

InsertionigebOhr  fflr  die  einmal  gespaltene  Petitzeile  SO  Pfg. 


Inhalt:  Bezensionen:  120)  Fr.  Lillge,  De  elegiis  in  Maecenatem  qnaestiones 
(G.  Wörpel)  p.  217.  —  121)  Herrn.  Hirt,  Handbuch  der  griechischen  Laut-  und 
Formenlehre  (H.  Meltzer)  p.  219.  —  122)  A.  Fuchs,  Die  Temporalsätze  mit 
den  Konjunktionen  „bis"  und  „so  lange  als"  (Ph.  Weber)  p.  222.  — 
123)  G.  Hol  seil  er,  Palästina  in  der  persischen  und  hellenistischen  Zeit(B.  Hansen) 
p.  227.  — 124)  F  r.  G  e  y  e r ,  Topographie  und  Geschichte  der  Insel  Euböa  (E.  Hansen) 
p.  228.  —  125)  Führer,  Übangsstoff  zum  Übersetzen  ins  Lateinische  (E.  Krause) 
p.  229.  —  126)  Fr.  Koldewey,  Jugendgedichte  des  Humanisten  Johannes 
Oaselius  (K.  Löschhom)  p.  230.  —  127)  Fr.  Aly,  Humanismus  oder  Historismus 
(Edm.  Fritze)  p.  232.  —  128)  J.  B.  Segall,  Corneille  and  the  Spanish  Drama 
(Goerbing)  p.  233.  —  129.  E.  Lavisse^  Histoire  de  France  depuis  les  origines 
jusqu'  a  la  revolution  (J.  Jong)  p.  233.  —  130)  L.  Levrault,  Les  Genres 
Litteraires  (C.  Friesland)  p.  235.  —  131)  K.  Engelke,  Cahier  de  Notes 
(W  Böhrs)  p.  236.  —  132)  L.  Hasberg,  Englische  Lieder  (H.  Niemer)  p.237.  — 
133)  Ch.  Turley,  Godfrey  Master  Schoolboy  (C.  Beichel)  p.  238.  —  134)  JuL 
Biegel,  Pädagogische  Betrachtangen  eines  Neuphilologen  (Fiies)  p.  239.  — 
Vakanzen  —  Anzeigen. 

120)  Friedrich  Lillge^  De  elegiis  in  Maecenatem  quaestioneB. 

Dissertation.  Breslau  1901.  72  S.  8. 
Für  die  chronologische  Fixierung  der  Gedichte  der  appendix  Virgiliana 
ist  noch  mancherlei  zu  tun,  und  man  wird  deshalb  jede  auf  diesen  Gegen- 
stand gerichtete  Untersuchung  yrillkommen  heifsen.  Dies  gilt  in  hohem 
Mafse  von  der  zu  besprechenden  Abhandlung,  welche  den  bündigen  Beweis 
erbringt,  dafs  die  beiden  Mäcenas-Elegieen  nicht  etwa  das  Machwerk 
eines  Halbwissers  der  Renaissance,  sondern  das  eines  Dilettanten  der 
augusteischen  Zeit  und  nicht  lange  nach  des  Mäcenas  Tod  verfafst  sind. 
Bisher  hatte  man  nur  die  Zeitanspielungen  in  Betracht  gezogen,  die  in 
der  Tat  den  Beweis  liefern,  dafs  der  Dichter  den  geschilderten  Ereignissen 
nahe,  jedenfalls  nicht  allzufem  gestanden  hat,  Lillge  erwirbt  sich  ein 
unverkennbares  Verdienst,  indem  er  die  endgültige  Entscheidung  in  dieser 
Frage  durch  sorgfältige  und  hingebende  Beobachtung  des  Sprachtypus 
herbeiführt.    Seine  Untersuchung  gliedert  sich  in  drei  Kapitel.    Zunächst 


218  Nene  Philologische  Rundschau  Nr.  10. 

deckt  er  (S.  13—36)  zahlreiche  Anklänge  auf  nicht  allein  in  der  Phraseo- 
logie, sondern  auch  in  Motiven  und  Situationen  an  TibuU,  Vergil,  Horaz, 
vornehmlich  aber  an  Ovid  und  Properz,  die  in  der  damaligen  Zeit  am 
liebsten  gelesen  wurden;  zugleich  gibt  er  einen  Beitrag  zu  einer  gerech- 
teren Beurteilung  und  Würdigung  des  Dichters:  wir  haben  es  nicht  sowohl 
mit  einem  schamlosen  literarischen  Freibeuter  zu  tun,  der  mit  Bedacht 
zusammenstoppelt  und  nichts  weiter  als  ein  Gewebe  fremder  Phrasen 
liefert,  als  vielmehr  mit  einem  Manne,  der  von  der  Lektüre  und  dem 
Studium  der  Augusteer  erfüllt  ist,  um  nicht  zu  sagen  überladen,  und  da 
ihm  die  Fähigkeit  selbständiger  poetischer  Konzeption  völlig  abgeht,  bei- 
nahe unbewufst  seine  Vorbilder  reproduziert,  wenngleich  es  an  Beispielen 
bewufster  Imitation  nicht  ganz  fehlt.  Die  reichsten  Beziehungen  bietet 
ferner  die  hellenistische  Elegie  (S.  37 — 47),  aus  der  unser  Dichter  jedoch 
kaum  auf  primärem  Wege,  sondern  höchstwahrscheinlich  erst  durch  Ver- 
mittelung  eines  römischen  Elegikers  geschöpft  hat.  Nicht  minder  reich 
ist  auch  der  Ertrag,  den  ihm  die  Sepulkral-  und  Eonsolationsliteratur 
namentlich  für  die  zweite  Elegie  geliefert  hat  (S.  47—59).  Vgl.  jetzt 
auch  Lier,  Topica  carminum  sepulcralium  Lalinorum.  Greifsw.  Diss.  1902 
S.  16.  Die  Kette  der  angeführten  Beweisstellen  ist  eine  sehr  lange:  aber 
nirgends  findet  sich  eine  unkritische  Häufung  treffender  und  unpassender 
Parallelen,  wodurch  sonst  so  oft  der  Wert  und  die  Brauchbarkeit  der- 
artiger Untersuchungen  beeinträchtigt  wird.  Dafs  die  Anklänge,  die  L. 
statuiert,  auf  Zufall  beruhen,  entbehrt  jeder  Wahrscheinlichkeit,  sie  sind 
vielmehr  als  Imitationen  aufzufassen  und  gestatten  so  einen  Schlufs  auf  die 
Zeit  der  Abfassung  unserer  Gedichte.  Endlich  zeigt  die  Zugehörigkeit  des 
Dichters  zur  augusteischen  Schule  der  Umstand,  dafs  er  mit  einem 
starken  Anflug  von  Rhetorik  schreibt.  Die  erste  Elegie  entspricht  nach 
Plan  und  Anlage  den  übrigen  köyoi  naqafjLvd^iyuoij  leidet  an  un- 
natürlichem Aufputz  und  ist  durchsetzt  mit  Musterbeispielen  und  T&toi 
aus  der  Rüstkammer  der  Bhetorenschulen.  Weniger  Deklamatorisches 
findet  sich  in  der  zweiten  Elegie.  In  einem  epimetrum  gibt  L.  noch 
einige  Nachträge  zu  Skutsch'  Artikel  über  das  epicedion  Drusi  bei  Pauly- 
Wissowa  IV  933. 

Von  dem,  was  der  Verf.  zur  Erklärung  einzelner  Stellen  beisteuert, 
scheint  mir  S.  10—12  seine  —  teilweise  schon  von  Ziehen,  Rhein.  Mus. 
52,  S.  450  gebrachte  —  Interpretation  von  el.  I  57  ff.  höchster  Be- 
achtung wert  zu  sein,  wenn  diese  auch,   wie  wir  sogleich  sehen  werden, 


o 


i^ene  Philologisclie  Rtindschaa  Nr.  10.  2l9 

einer  kleinen  Modifikation  unterliegen  mnfs.  Diese  Stelle  ist  mit  so  stark 
individuellen  Zfigen  ausgestattet,  dafs  wir  nicht  umhin  können,  „der 
mythologischen  Exemplifizierung  eine  persönliche  Nebenbeziehung  zu  geben  ^' 
und  eine  Teilnahme  des  Dichters  an  einem  politischen  Ereignis  und  zwar 
einem  Dionysostriumphe  des  Augustus  zu  Ehren  des  Sieges  über  die  Inder 
anzunehmen,  in  welchem  der  Kaiser  selbst  als  Bacchus  auftrat.  Lillge 
vermutet,  dafs  dies  —  übrigens  sonst  nicht  ausdrücklich  bezeugte  —  Fest 
im  Anschluls  an  die  von  Ptolemaios  Philadelphos  im  Jahre  280  gestiftete 
Penteteris  eingerichtet  sei.  Das  ist  höchst  blendend,  zumal  wenn  man 
des  Eallixenos  Bericht  bei  Athen.  V  195  ff.  über  die  TtoiiTtij  des  Jahres 
275/4  nachliest,  dennoch  kann  ich  mich  eines  gewichtigen  Bedenkens 
dagegen  nicht  erwehren.  Augustus  vermied  es  prinzipiell  geflissentlich, 
den  Eindruck  zu  erwecken,  als  seien  die  von  ihm  geschaffenen  Institutionen 
—  wenigstens  soweit  sie  Rom  betrafen  —  blofee  iTtorvTCibaeig  imd  Ko- 
pieen  der  hellenistischer  Dynasten.  Nicht  an  die  Ptolemäerdynastieen, 
die  für  ihn  tot  sind,  vgl.  Sueton  Aug.  18,  sondern  an  Alexander  den 
örofsen,  den  rex  xar  i^ox^,  den  allein  er  als  sich  wesensverwandt  an- 
erkannte, knüpft  der  römische  Imperator  an.  Nun  ist  bekannt,  dafs 
sich  Alexander  nicht  ungern  mit  Dionysos  verglich  und  sich  von  seiner 
Umgebung  viog  Jidwaog  nennen  liefs.  Nur  von  hier  aus  verstehen  wir 
es,  wenn  Augustus  in  der  Öffentlichkeit  als  Bacchus  auftrat,  eben  in 
bewufster  Anlehnung  an  sein  grofses  Vorbild.  Auf  dasselbe  Fest  bezieht 
sich,  wie  L.  sehr  scharfsinnig  erkannt  hat,  Horaz.  c.  II 19,  wo  die  Worte 
„Bacchum  vidi  docentem^^  bisher  allgemein  von  einer  Vision  verstanden 
wurden,  die  in  Wahrheit  aber  sinnlich  zu  fassen  sind  und  sich  auf  ein 
tatsächliches  Erlebnis  des  Horaz  beziehen:  describit  antrum  Bacchi,  quod 
in  pompa  vidit.    Vgl.  Athen,  p.  200  b. 

So  legt  denn  die  angezeigte  Schrift  ein  günstiges  Zeugnis  ab  von  den  ein- 
dringenden Studien  des  Verf.  und  macht  durch  umsichtige  Sorgfalt,  rechte  Be- 
sonnenheit und  treuen  Fleifs  einen  in  jeder  Hinsicht  wohltuenden  Eindruck. 

Kiel.  OutaT  W5rpol. 

121)  HernL  Hirt,  Handbuch  der  grieohiBchen  Laut-  und 
Formenlehre.  Heidelberg,  G.  Winters  Universitfttsbuchhand- 
lung,  1902.     XIV  u.  464  S.  8.  ^  8.  ■-. 

Es  ist  ein  Buch  von  erfrischender  Eigenart  und  Selbständigkeit,  das 

uns  der  temperamentvolle  Verf.  der  Studien  über  den  idg.  Akzent  und 


Nene  l^hÜoiogische  feundschan  iTr.  10. 


■^ 


den  idg.  Ablaut  hiermit  geschenkt  hat.  Er  tnt  darin  einen  entschlossenen 
Schritt  hinaus  über  die  bisherigen  Darstellungen,  auch  die  von  Brugmann, 
und  läTst  Richtungen,  die  bisher  mehr  auf  Nebenstrafsen  einherzuziehen 
schienen,  wie  insbesondere  die  von  A.  Fick  und  Joh.  Schmidt,  mit  ins 
Vordertreffen  einrücken:  damit  trügt  er  eine  Dankeschuld  ab,  zumal  an 
dem  ersten  der  beiden  Forscher,  ohne  dessen  geradezu  grundlegenden  und 
vielfach  entschieden  unterschätzten  Aufsatz  in  den  Gott  Gel.  Anz.  vom 
Jahre  1881  das  heute  Erreichte  kaum  zu  vollbringen  gewesen  wäre.  Hirts 
Hauptstärke  liegt  in  einer  neuen  Fassung  und  folgerichtigen  Durchführung 
der  Lehre  vom  Ablaut.  Die  „Wurzeln  ^^  erhalten  den  Laufpafs,  an  ihre 
Stelle  treten  die  (meist  mehrsilbigen)  „  Basen  ^^;  aus  ihren  vornehmlich 
durch  Akzentverschiebungen  herbeigeführten  Wechselformen  erklärt  sich 
eine  grofse  Reihe  früher  unvereinbarer  Bildungen  mit  einer  oft  über- 
raschenden Einfachheit  und  Evidenz:  so  sind  die  dritte  Deklination  einer-, 
die  erste  und  zweite  anderseits  nichts  als  das  Ergebnis  verschiedener 
Ablautsfälle  und  ganz  ähnlich  steht  es  beim  Zeitwort.  Perssons  media- 
nische Wurzelvariationstheorie  wird  überwunden  ebenso  wie  Brugmanns 
Ansatz  von  t^,  r  u.  ä.  m.  Vorsichtig  wird  mit  der  sonst  so  leicht  mifs- 
brauchten  Analogie  umgegangen  und  besonders  in  Befolgung  eines  von 
G.  Curtius  seinerzeit  nachdrücklich  gestellten  Verlangens  nach  einem  ge- 
nügenden Angriffspunkte  für  sie  gesucht.  Natürlich  fehlt  es  nicht  an 
kühnen  Aufstellungen,  doch  beschränke  ich  mich  auf  ganz  weniges:  die 
Basen  mit  unverminderter  Lautfülle  dürften  nicht  minder  hypothetisch 
sein  als  die  nunmehr  verpönten  Wurzeln,  insofern  der  Akzent  die  nicht- 
betonten Silben  stets  schwächen  mufste,  vorausgesetzt,  dafs  er  nicht  rein 
musikalisch  war.  Das  Iktusproblem  hat  auch  Solmsen  nicht  gelüst:  es 
gipfelt  in  der  Möglichkeit,  dafs  wir  es  mit  einem  reinen  Notierungszeichen, 
gleich  unserem  Taktstrich,  zu  tun  hätten.  Bei  den  lat.  Wörtern  wäre 
sorglichere  Beachtung  der  Quantität  zu  wünschen.  Die  syntaktischen  (rich- 
tiger: semasiologischen)  Bemerkungen  fallen  aus  dem  Rahmen  des  Buches 
heraus  und  stehen  meines  Erachtens  auch  nicht  durchweg  auf  dessen 
sonstiger  Höhe:  der  krampfhafte  Versuch,  die  sogen,  grammatischen  Casus 
lokalistisch  umzudeuten,  ist  wohl  ein  Rückschritt,  Imperfekta  mit  punk- 
tueller (d.  h.  perfektiver)  Bedeutung  (S.  393)  enthalten  einen  Wider- 
spruch, ecTTpf  (ebenda)  heifst  nicht  stand  (eicrn^xet),  sondern  „trat^^  Aus 
der  Formenlehre  greife  ich  nur  eines  heraus. 

Doch  angesichts   des  Buches  als   eines  Ganzen   verbietet  sich  das 


w^ 


Nene  Phüologiiche  Bimdiohaii  Kr.  10.  291 

Mfickenseigen  von  selbst:  es  ist  aus  einem  Gnfs  und  trSgt  eigenes  Ge- 
präge. Soviel  scheint  mir  sicher,  dals  eine  Fülle  der  Anregung  davon 
ausgehen  wird  und  ich  wfinsche,  dafs  auch  die  klassischen  Philologen 
davon  recht  ausgebreitete  Kenntnis  nähmen:  soweit  sie  auf  dem  Stand- 
punkt von  Blals  stehen,  wfirden  sie  daraus  ersehen,  daTs  die  von  diesem 
Gelehrten  in  der  Vorrede  zu  Eühners  Griech.  Sprachlehre  der  Sprach- 
wissenschaft als  unknackbare  Nässe  aufgegebenen  Yexierfragen  durch  Hirts 
Ablanttheorie  tatsächlich  gelöst  sind  und  dafs  ein  wirklicher  Einblick  in 
die  Gesetze  der  griechischen  Formenbildung  ohne  die  vergleichende  Methode 
nicht  gewonnen  werden  kann. 

Cannstatt.  H 


122)  Albert  Fuchs,  Die  Temporal8&tM  mit  den  Konjunktionen 
„\m**  und  1,80  lange  als'^  Wfirzburg,  A.  Stnber  (G.  Ea- 
bitzsch),  1902.     130  S.  8.  Jü  8.60. 

Vorliegende  Untersuchung  bildet  das  14.  Heft  der  von  Prof.  Dr.  M. 
V. Schanz  herausgegebenen  „Beiträge  zur  historischen  Syntax  der  griechischen 
Sprache  ^^  Da  bedarf  es  wohl  nur  eines  kurzen  Hinweises  einerseits  darauf, 
dafs,  soll  eine  Arbeit  der  Aufnahme  in  diese  Sammlung  seitens  des  Herausg. 
gewürdigt  werden,  absolute  Vollständigkeit  des  auf  Grund  eigener  Lek- 
tfire  zu  gewinnenden  und  unter  erschöpfender  BerOcksichtigung  aller 
einschlägigen  Vorarbeiten  zu  behandelnden  Materials  unerläfsliche  Vor- 
bedingung ist,  anderseits  auf  das  ungemein  günstige  Urteil,  das  über  die 
bisher  erschienenen  Hefte  hinsichtlich  der  befolgten  Methode,  welche  mit 
minuti(yser  Exaktheit  in  der  Würdigung  aller  in  Betracht  kommenden 
Gesichtspunkte  übersichtliche  Gruppierung  des  Stoffes  zu  verbinden  und 
in  lichtvollen  Erörterungen  zu  im  ganzen  wohl  unanfechtbaren  SchluTs- 
ergebnissen  zu  führen  versteht,  von  der  Kritik  des  In-  und  Auslandes 
ausnahmslos  gefUlt  worden  ist,  um  glaubhaft  die  Versicherung  abzugeben, 
dafs  auch  dieses  neueste  Glied  in  der  Kette  den  übrigen  an  Gediegenheit 
und  Wert  nicht  nachsteht  und  in  gleichem  Malse  dem  Herausg.  wie  dem 
Verf.  rühmenden  Beifall  einbringen  wird. 

Die  materiell  dem  3.,  4.  und  5.  Heft  am  nächsten  stehende  Ab- 
handlung erstreckt  sich  gleich  ihren  Vorgängerinnen  auf  die  ganze  vor- 
aristotelische Literatur  einschliefslich  der  attischen  Inschriften,  jedoch  mit 
Ausschlufs  von  Hippokrates,  und  bdiandelt  diese  in  10  Kapiteln  (rich- 
tiger 11,  da  aus  Versehen  sowohl  die  Bedner  als  Flato  je  als  „Kapitel  VH'^ 


322  Neue  Philologische  BnndBchau  Nr.  10. 

bezeichnet  sind).  Den  einzelnen  Autoren  pflegt  Fuchs  noch  Beispiele 
anderer  Arten  Zeitangaben,  namentlich  für  „bis^'  und  „zugleich  mit*^ 
einleitend  vorauszuschicken  und  dabei  hauptsächlich  auf  die  Präpositional- 
ausdrücke  mit  und  ohne  Partizipien  sovne  auf  die  Verbindung  von  fjiivw 
und  seinen  Eompositis  mit  Inf.,  mit  Substantivobjekt  oder  mit  fiixQi  tivdg 
u.  dergl.  hinzuweisen. 

Eap.  I,  das  umfangreichste,  behandelt  auf  31  Seiten  Ilias  und  Odyssee. 
Der  Verf.  legt  zunächst  dar,  wie  entsprechend  der  allen  Sprachen  im 
frühesten  Stadium  eigenen  einfacheren  Anreihung  nach  Art  der  U^ig  eifo- 
fisvri  auch  diese  Sätze  aus  ursprünglicher  Parataxe  erst  allmählich  zu  der 
schon  als  eine  Art  neQißoXij  zu  charakterisierenden  Stufe  der  Hypotaxe 
sich  weiter  entwickelt  haben,  wie  aber  daneben  Belege  für  die  eigentlich 
nur  mit  der  Parataxe  in  Einklang  zu  bringende  Gegenüberstellung  der 
verbundenen  Sätze  auch  noch  aus  der  Zeit  der  Hypotaxe,  und  zwar  nicht 
nur  aus  Homer  und  den  Hymnen,  sondern  auch  aus  Herodot  und  Thuky- 
dides  sich  erbringen  lassen;  vgl.  S.  123.  Umgekehrt  zeigt  sich  wiederum 
die  Geltung  des  ursprünglichen  Behauptungssatzes  darin,  dafs  ein  mit  ig 
8,  S(og  oder  iate  eingeleiteter  Nebensatz  bei  indirekter  Rede  im  Inf.  er- 
scheint; vgl.  S.  72  u.  75.  Da  wir  Heft  IV  S.  10  gezeigt  haben,  wie 
der  Relativstamm  in  seiner  ursprünglich  anaphorischen  Bedeutung  das 
erste  Mittel  der  Hypotaxe  bot,  so  stellt  Fuchs  mit  vollstem  Rechte  bei 
Behandlung  der  drei  Eoojunktionen ,  mit  denen  Homer  die  im  Bereiche 
dieser  Untersuchung  liegenden  Temporalsätze  einleitet,  den  formelhaften 
Relativausdruck  elg  6'  xe  an  die  Spitze.  Dieser  hat  sich  von  Hause  aus 
so  gut  wie  auf  temporale  auch  auf  modale  und  lokale  Verhältnisse  be- 
zogen —  wir  haben  selbst  bereits  far  Od.  12,  460  auf  die  Möglichkeit 
auch  finaler  Übersetzung  hingewiesen  —  und  mutmafslich  in  Genus  und 
Numerus  mit  seinem  Beziehungsworte  übereingestimmt.  Um  letztere  An- 
nahme zu  stärken,  wird  auf  die  Herodotstelle  tdv  %q6vov  ig  rdv  ^iv  du 
7,  8  d  verwiesen,  wie  ja  auch  äft  l^g  mit  Beziehung  auf  ein  durch  Ordi- 
nale bestimmtes  i^jue^  an  zwei  Herodotstellen  das  frühere  Leben  des 
erstarrten  dn  (dtp)  oS  bezeuge.  Indem  sich  nun  dg  8  X6  meist  auf 
ein  Zeitverhältnis  und  sehr  oft  auf  ein  Neutrum  bezog  (vgl.  bes.  S.  67  f.), 
bildete  sich  die  unveränderliche  Form,  in  der  es,  und  das  bezeichnet  den 
letzten  Schritt  in  der  Entwickelung,  auch  ohne  Korrelativ  als  temporale 
Konjunktion  verwendet  wurde.  Nach  diesen  Ausführungen  werden  die 
einzeben  Stellen  rücksichtlich  des  Modus  und  Tempus  näher  untersucht 


^ 

V 


Neue  Philologisclie  Rundschau  Nr.  10.  223 

Dabei  werden  solche  Stellen,  die  bezüglich  des  Tempos  eine  Abweichung 
von  der  regelrechten  Norm  zeigen,  unter  ungescheuter  Verlassung  des  streng 
grammatischen  Standpunktes  mit  Zuhilfenahme  psychologischer  Momente 
und  sinngemäfser  Ergänzungen  interpretiert,  eventuell  auch  eine  Änderung 
verlangt;  so  soll  z.  B.  Her.  4,  160  das  nach  der  Regel  nicht  zu  recht- 
fertigende Imperfekt  iyiveto  dem  Aor.  iy&fero  Platz  machen.  Ebenso 
finden  sich  allenfallsige  Beobachtungen  von  besonderem  Interesse  regel- 
mäfsig  herausgehoben,  so  z.  B.  hier  die  Verbindung  dg  Ike  xc,  welche  indes 
S.  43  in  etwas  andere  Beleuchtung  gerückt  erscheint  Übergehend  zur 
Partikel  ogp^a,  welche  deutsch  bald  mit  „so  lange  als^S  bald  mit  „wäh- 
rend'', bald  mit  „bis 'S  bald  mit  „damit",  „auf  dafs"  zu  übersetzen  ist, 
lenkt  Fuchs  die  Aufmerksamkeit  zunächst  auf  deren  Grundbedeutung,  um 
meine  seinerzeitigen  Ausführungen  dieses  Betreffs  noch  genauer  zu  präzisieren, 
bzw.  in  einem  Punkte  richtiger  zu  stellen.  Indem  ich  nämlich  unter 
ausdrücklicher  Betonung  der  dunklen  und  strittigen  Etymologie  des  Wortes 
versuchsweise  von  der  Bedeutung  „so  lange"  anfing,  mnfste  ich  zur 
Annahme  mehrerer  nacheinander  folgenden  Bntwickelungsstufen  fflr  die 
verschiedenen  Bedeutungen  gelangen,  nämdich  1)  „so  lange  als"  =  „wäh- 
rend'*, auf  deren  allerdings  mitunter  sich  ausschliefsenden  Bedeutungs- 
nuancen im  Deutschen  näher  einzugehen  ich,  nebenbei  bemerkt,  nicht 
den  geringsten  Anlafs  hatte,  2)  „(so  lange)  bis",  3)  „damit".  Dieses 
Nacheinander  nun  beseitigt  Fuchs  mit  Hilfe  eines  aus  0.  547  gewonnenen 
positiven  Substrats.  Hier  ist  nämlich  wpga  fiiv  in  ganz  gleichem  Sinne  ge- 
braucht wie  z.  B.  eltog  jucV  0. 277  (nach  Fuchs  erscheint  dieses  demonstrativ- 
indefinite i'tog  in  Dias  und  Odjssee  je  an  drei  Stellen),  also  =  „eine  Zeit 
lang",  „die  Zeit  über".  Unter  Zugrundelegung  dieser  Bedeutung  ist  es 
nun  möglich,  aus  ihr  alle  übrigen  Bedeutungen  von  wpqa  unmittelbar 
abzuleiten.  Man  wird  wohl  nicht  umhin  können,  der  S.  14  ff.  vorgetragenen 
Erklärungsart  einer  Nebeneinanderentwickelung  der  verschiedenen  Bedeu- 
tungen von  ofpqa  beizupflichten,  nicht  blofs,  weil  sie  an  und  für  sich 
etwas  Bestechendes  hat,  sondern  weil  sie  noch  durch  eine  andere  Erwägung 
wesentlich  unterstützt  wird.  Das  Bedürfnis,  bei  der  Übersetzung  ver- 
schiedene Konjunktionen  anzuwenden,  ist  nämlich  erst  aus  der  Hypotaxe 
erwachsen;  in  der  Periode  der  naiven  Parataxe  dagegen  tritt  das  durch 
o^Qa  bezeichnete  Zeitverhältnis,  welches  zwischen  den  zwei  aneinander- 
gereihten Sätzen  besteht,  gegenüber  dem  in  den  Vordergrund  gerückten 
Gegensatz  zwischen  Personen  oder  Handlungen  vollständig  zurück.    Noch 


224  Nene  Philologisohe  BundBchan  Nr.  10. 

etwas  scheint  mir  der  Erwähnung  wert  Ich  habe  bereits  darauf  auf- 
merksam gemacht,  dafs  sich  unter  den  Finalkonjunktionen  og>Qa  am 
meisten  gegen  die  Verbindung  mit  fiij  sträubt.  Unter  39  negierten  voll- 
ständigen Finalsätzen  bei  Homer  finden  sich  nur  drei  mit  Sgp^a  fiij.  Auch 
von  den  sämtlichen  temporalen  ogp^a- Sätzen  ist  kein  einziger  negativ. 
Allerdings  haben  sich  fönf  Stellen,  weil  falsch  zitiert,  der  Kontrolle  ent- 
zogen; es  sind  dies  S.  20:  IL  8,  666  f.;  17,  120;  S.  23:  Od.  1,  136; 
S.  24 :  n.  5, 528;  21,  588  (wohl  558).  Übrigens  steht  der  Konjunktiv  nach  09)^0 
„bis^^  (S.  24)  an  30  Stellen,  da  ja  doch  II.  l,  523  u.  524  zwei  nicht 
zusammengehörige  Perioden  sind.  Das  fiber  Bedeutung,  Entwickelung  und 
Gebrauch  von  ^ga  Gesagte  gilt  im  allgemeinen  auch  fflr  stog.  Diese 
beiden  Partikeln  übertreffen  hinsichtlich  ihrer  Verwendbarkeit  dgS  tls  iß 
doppelter  Beziehung,  insofern  nämlich  letzteres  auf  die  Bedeutung  „bis^^ 
und  ein  auf  die  Zukunft  hinweisendes  Satzgefüge  beschränkt  ist;  nur  an 
zwei  Stellen  (11.  9,  60  f.  =  10,  89  f.)  wird  die  Bedeutung  „so  lange  als" 
auf  Grund  deutscher  Anschauung  des  Inhalts  des  Satzgefüges  angenommen. 
Die  Stelle  Od.  9,  376  ist  S.  34  für  „bis 'S  S.  37  für  „damit''  in  Rech- 
nung gesetzt.  Auf  die  eigenartige  Bildung  Swg  in  (S.  29)  wird  erst  in 
der  Fufsnote  S.  43  aufmerksam  gemacht. 

Das  gleiche  Verlahren  wie  im  ersten  Kapitel  wird,  natürlich  durch 
Verweisungen  auf  bereits  Erörtertes  entsprechend  abgekürzt,  die  folgenden 
Kapitel  hindurch  beobachtet.  Jedem  Kapitel  ist  eine  statistische  Tabelle 
über  Frequenz  und  Bedeutung  der  darin  auftretenden  Konjunktionen  an- 
gehängt. Das  zweite  behandelt  Hesiod  und  die  homerischen  Hymnen. 
Hier  wirkt  besonders  anregend  die  verständige  Art,  wie  über  die  Ent- 
stehung von  ^are  gehandelt  wird.  Daneben  werden  die  Singularitäten 
kg  %  dviAwa  und  Icrxe  fidxrfi^ai  besprochen.  Das  dritte  um&Cst  die 
lyrischen,  das  vierte  die  szenischen  Dichter.  Die  Zitate  bei  den  Lyrikern 
beziehen  sich  vermutlich  auf  Bergk.  Bei  ihnen  begegnet  zum  ersten  Male 
f^exQi  oS.  Das  nur  an  einer  einzigen  Stelle  neben  oq>Qa  erscheinende  Sw 
wird  mit  zureichenden  Gründen  beseitigt.  Bei  Aristophanes  hat  einmal 
ÖTt&ve  den  Sinn  „so  lange  als"  und  ebenfalls  einmal  Stotv  die  Bedeutung 
„bis".  Bei  Sophokles  steht  an  einer  Stelle  verstärktes  ^wg  neu  Stfy  wo 
indes  hätte  angemerkt  werden  sollen,  dafs  diese  Lesart  auf  einer  Ver- 
besserung Beiskes  beruht,  einmal  ^/xa  „so  lange  als"  und  einmal  ein 
Relativsatz  mit  dg  Saoy  für  „bis".  Letztere  Stelle  istS.  124  irrtümlich 
der  Bedeutung  „so   lange  als"   zugezählt.    Was  sodann  die  Stelle  aus 


-^ 


Neue  Philologische  Rundschau  Nr.  10. 


Aias  729  f.  (S.  54)  anlangt,  so  lesen  alle  Ausgaben,  in  die  ich  Einsicht 
nehmen  konnte,  ohne  Variantenangabe  nicht  eg  t\  sondern  üüt  „und  so*^ 
Dagegen  fehlt  unter  den  Stellen  mit  süts  „bis''  (S.  54)  Aias  1031: 
IxyctTrW  oliv,  lax  äniipv^ey  ßiov  „  er  ward  unaufhörlich  geschleift,  bis 
er  sein  Leben  ausgehaucht 'S  ferner  unter  €wg  Trach.  601  und  687;  swg 
äy  äQzixQiOTov  äQfioaaif^i  tcov.  Zu  den  Gründen  für  die  ünechtheit  des 
f^^^XQ^S  <^  bei  Sopb-  (Seite  55)  ist  noch  hinzuzufügen,  dafs  die  ältere 
Tragödie  einen  solchen  aus  2  Wörtern  gebildeten  Anapäst  nicht  kennt. 
Nun  folgen  die  Prosaiker  in  der  Weise,  dafs  Herodot,  Thukydides,  die 
Redner,  Plato  und  Xenophon  je  ein  Kapitel  füllen.  Bei  Behandlung  der 
Bedner  sind  Antiphon,  Andokides,  Isäus,  Hyperides,  Ljkurg,  Dinarch, 
Gorgias,  AIcidamas,  Antisthenes  und  Äschines,  weil  nur  wenig  Material 
liefernd,  zusammengenommen,  während  Lysias,  Isokrates  und  Demosthenes 
gesonderte  Besprechungen  beanspruchen.  Bei  Herodot  erscheint  ig  8 
an  65  Stellen,  darunter  49  mit  Beziehung  auf  die  Vergangenheit, 
also  ohne  xp..  Da  sich  nun  dg  8  ne  und  ig  8  aufser  bei  Homer  uod  Herodot 
nur  noch  bei  Hesiod  und  einmal  in  den  Hymnen  findet,  erscheint  ihre 
Bezeichnung  als  „bis "-Konjunktion  des  jonischen  Dialekts  nicht  eben 
unpassend.  Bei  Herodot  begegnen  auch  neben  7  f^exQ'^  oS  2  fiixQh  1  fi^^t 
8aov  und  1  äxQv  od.  Bei  Thukydides  und  Demosthenes  finden  wir  je  2, 
bei  Plato  4,  bzw.  5  oder  6,  bei  Xenophon  3  KelatiYsätze  für  die  Zeit- 
angabe „so  lange  als",  unter  den  17  Stellen,  welche  die  10  zusammen 
besprochenen  Rednejr  aufweisen,  sind  für  die  Bedeutung  „so  lange  als" 
2  mit  6t£,  1  mit  ^tyia  eingeleitet.  Bei  Xenophon  liegt  ein  derartiger 
Fall  mit  8ve  vor,  bei  Isokrates  3,  an  3  weiteren  Isokratesstellen  ist 
diese  Übersetzung  möglich,  desgleichen  bei  ^/xa  an  3  Stellen  des  De- 
mosthenes und  einer  des  Plato.  Bei  Xenophon  hat  ?a)g  an  4  Stellen  die 
Bedeutung  „während";  bei  Lysias  korrespondiert  diese  Partikel  dreimal 
mit  vorangehendem  ad  tiqöteqov,  ist  also  gewissermafsen  Stellvertreter  von 
TtQiv;  auch  andere  relative  Beziehungen  zu  ^(og  lassen  sich  öfter  wahr- 
nehmen, insbesondere  bei  den  Rednern  und  bei  Plato.  Bei  letzterem 
begegnet  ferner  mit  einer  einzigen  Ausnahme  stets  die  verstärkte  Form 
/xexQi^  ^BQ  äv,  daneben  sechsmal  ^cog  TteQ  Sv,  das  noch  zweimal  bei  Xeno- 
phon Hell  6,  5,  12  extr.  und  7,  2,  23  erscheint,  ferner  die  ver- 
einzelten Phänomene  l'wg  r  Sv  ^fjre  und  riwg  =  „so  lange  als"; 
bei  Isäus  eine  Stelle  mit  Scog  od,  wo  anzumerken,  dafs  früher  auch 
Her.  2,  143    so   gelesen    wurde,    während  es  Xen.  Anab.   4,  8,  8   noch 


^6  ^eue  Philologische  Rundschau  Nr.  lO. 


als  Y.  1.  vorkommt.  Bekanntlich  zeigen  diese  Verbindung  auch  die 
Papyri,  und  die  Vulgärsprache  scheint  nur  sie  behalten  zu  haben; 
über  ?tog  oi  und  ?ft)g  Svov  im  N.  T.  s.  Blafs«  129  und  223  f.  In 
einer  Xenophonstelle  steht  lar  Sv  abwechselnd  und  ganz  synonym  mit 
8rav  „jedesmal  wenn".  Von  diesem  Autor  werden  ferner,  wie  die 
S.  119 f.  angefahrten  Beispiele  zeigen,  f^exQi,  f^i^XQ''  ö^>  i"^©^  So^ot;  und 
äxQt  oS  neben  der  temporalen  auch  in  lokaler  Bedeutung  gebraucht.  Von 
der  Stelle  fxixQt  evTa€&a  (Anab.  5,  5,  4)  dagegen  ist  als  einer  nicht  von 
Xenophon  herrührenden  analog  der  bereits  von  Elmsley  als  interpoliert 
erklärten  Sopboklesstelle  mit  fiexQig  oi  wohl  abzusehen.  Wenn  es  S.  101 
heifst,  dafs  die  Anwendung  von  ?wg  als  Präposition  in  der  Qesetzes- 
stelle  bei  Dem.  18,  106  nicht  übersehen  werden  dürfe,  so  sei  hiermit 
auch  auf  die  v.  1.  Xen.  Anab.  2,  5,  36  aufmerksam  gemacht.  Diese  Ver- 
wendung wird  von  Aristoteles  ab  häufig. 

Wie  oben  bei  den  Dichtern  sind  auch  hier  noch  einige  übersehene 
Stellen  aus  Prosaikern  nachzutragen:  aus  Andokides  1,  134  ^wg  mit  Indik. 
Aor.;  1,  69  ?wg  &v  mit  Konj.  Präs.;  3,  15  ewg  av  mit  Konj.  Aor,  aus 
Plato  Phaedo  löl  D  und  Theaet.  155  a,  beidemale  S'oig  mit  Opt  in  einem 
Potentialen  Satzgefüge;  Menex.  245  a  und  Tim.  61  biiiax^t;au3  Dem.  2,  31; 
8,  41  u.  a.  aus  Xenophon  Cyr.  2,  3,  22;  3,  3,  39;  Hell.  1,  1,  24  (drei 
futurische  Fälle  mit  ewg  üv  und  Konj.  Präs.);  Cyr.  5,  3,  53  itag  äyyelog 
ll&oc  (futur.  Fall  in  or.  obl.  nach  hilevev);  Cyr.  1,3,  11  ?wg  Ttaga- 
reivacfAi  (Opt.  durch  Attraktion  eines  Potentialis) ;  ferner  Scog  Cyr.  3,  3,  49 ; 
Hell.  4,  5,  16;  5,  2,  8;  4,  9;  6,  6,  17;  Besp.  Ath.  2,  14;  Anab.  4,  3, 
9;  y^g  av  Hell.  3,  4,  5;  Mem.  2,  1,  13;  4,  2,  8;  5,  9;  Hell.  3,  1,  15 
6  d'  dneKQivaTO  qyvl&TTBtv  avTa,  eav  &v  avrdg  il&wv  oi>v  aitf^  hiEivip 
Mßii  rä  d(0^a;  Cyr.  8,  8,  9  ptex^i  ro^vov  ead-lovzeg  Ttat  Ttivovreg,  €ütb 
Tteq  Ol  dipiait&Toi  ycoiiidffievov  (ungewöhnliche  Attraktion  des  Part.,  etwa 
zu  vergleichen  mit  Isokr.  4,  21  8aov  diaq>iQovaav)  zugleich  mit  Korrelativ; 
ferner  eare  Anab.  3,  3,  5 ;  Ag.  2,  13 ;  ear  av  Anab.  2,  3,  9;  Oec.  1,23 ;  Resp. 
Lac.  5,  3;  iäIxql  Anab.  7,  1,  1  (bis);  Hell.  1,  1,  3;f>iexQiS  aVHell.  1,  1,  27. 

Eine  selbständige  Durcharbeitung  der  Inschriften  hat  Fuchs  nicht 
unternommen,  bezieht  sich  vielmehr  auf  die  Grammatik  von  Meisterhans. 
Von  den  sechs  Paragraphen  des  Schlufskapitels ,  in  denen  die  hauptsäch- 
lichsten Ergebnisse  kurz  zusammengefafst  werden,  verdienen  der  vierte  und 
fünfte  über  den  Gebrauch  der  Tempora  und  Modi  als  besonders  dankens- 
wert rühmend  hervorgehoben  zu  werden. 


o 


Neue  Philologische  RondBchan  Nr.  10.  227 


Ein  schlimmer  Druckfehler  ist  es,  wenn  wir  S.  101  Z.  2  y.  ü.  ,,bi8^* 
st.  „so  lange ^^  lesen.  Im  fibrigen  ist  der  Druck  recht  sorgffiltig.  Ä.ur8er 
einigen  bereits  oben  angedeuteten  Versehen  und  etwa  elf  Unebenheiten 
in  Akzent  und  Spiritus  bedürfen  noch  zwei  Angaben  der  Bichtigstellung. 
Man  lese  nämlich  S.  12  Z.  1:  609;  S.  24  Z.  12:  17,  298. 

Mfinchen.  Ph.  IRTeber. 

123)  OuBtav  Hdlscher,  Palästina  in  der  pendachen  und 
hellenistischen  Zeit.  (Quellen  und  Forschungen  zur  alten 
Geschichte  und  Geographie,  herausgegeben  von  W«  Sieglin. 
Heft  5.)    Berlin,  Weidmann,  1903.     99  S.  8.  jM  3.-~. 

Zweck  der  auf  eingehenden  und  sorgfältigen  Studien  des  Verf.  be- 
ruhenden Arbeit  ist  es,  die  Entwickelung  der  territorialen  Yerhältnisfle 
Palästinas  von  der  Perserzeit  bis  zur  Einrichtung  der  römischen  Provinz 
darzustellen.  Bei  dem  geringen  hiabNrischen  Material,  das  dazu  vorliegt, 
und  bei  der  Kritiklosigkeit  der  meisten  alten  Schriftsteller  in  der  geo- 
graphischen Nomenklatar  mufs  die  Kombination  der  dürftigen  Quellen- 
angaben und  Vermutung  die  Lficken  möglichst  ausfallen.  Ich  glaube, 
dafs  die  meisten  Schlüsse  des  Verf.  das  Bichtige  treffen.  Der  Stoff  nötigte 
zu  Einzelabhandlungen,  deren  Hauptergebnisse  ich  kurz  zusammenfasse. 

Die  Satrapie  des  Darius,  zu  der  Palästina  gehörte,  der  5.  vd^Aog  des 
Herodot,  reichte  nördlich  etwa  bis  zum  Euphratknie,  Nordostgrenze  war 
Thapsakus;  ihr  alter  Name  war  „jenseits  des  Flusses  ^^  (Euphrat).  — 
Gölesyrien:  dieser  Name  für  Syrien  westlich  vom  Euphrat  findet  sich 
erst  nach  Xenophon,  zuerst  bei  dem  Periegeten  Skylax  und  zwar  von  diesem 
offenbar  aus  einer  Vorlage  übernommen,  die  etwa  um  385  entstanden  ist. 
^H  ytoikri  2vQia  bezeichnet  im  Gegensatz  zu  ^  tevu>  2vQia  («s  Mesopo- 
tamien und  das  Gebiet  westlich  davon  bis  ans  Meer)  das  westliche  Syrien, 
der  Name  l^aavgia  verschwindet.  Später  wird  der  Name  erst  beschränkt 
auf  das  Tal  zwischen  Libanon  und  Antilibanon.  —  Der  Zusammenbruch 
der  Philister  ist  gegen  400  erfolgt,  wo  den  Phöniziern  Askalon  überlassen 
wurde.  In  das  südliche  und  südwestliche  Palästina  sind  etwa  seit  600 
arabische  Stämme  eingerückt;  Herodot  nennt  die  palästinischen  Syrer 
beschnitten,  während  die  Philister  im  Alten  Testament  oft  als  unbeschnitten 
bezeichnet  werden.  Die  Idumäer,  ein  arabischer  Stamm,  sind  nach  der 
Katastrophe  von  586  Herren  im  Süden  geworden.  Das  Nabatäerreich 
um  Petra  scheint  gegen  Ende  des  5.  Jahrh.  gegründet  zu  sein.  —   Die 


228  Nene  Philologische  Bundschan  Nr.  10. 


Ausdehnung  des  Gebietes  der  Juden  nach  Nehemias  Zeit  läfst  sich  durch 
die  Bficher  der  Chronika  näher  bestimmen,  in  denen  die  späteren  Zu- 
stände auf  alte  Zeiten  übertragen  sind.  Das  samaritanische  Schisma,  jünger 
als  der  Abschlufs  des  Pentateuchs,  fällt  in  die  Zeit  um  350,  wo  der 
Eriegszug  des  Artaxerxes  Ochus  viel  Unheil  über  das  Land  brachte;  auf 
dies  Schisma  bezieht  sich  der  Tritojesaias  (Kap.  56 — 66).  —  I/v^ÖTtoXig, 
in  dem  heidnisch  gebliebenen  Gebiet  nordöstlich  von  Samaria,  hält  Yerf* 
nicht  für  Sukkot,  sondern  mit  älteren  Autoren  für  eine  Stadt  der  Skythen' 
die  bei  dem  grofsen  Skythenzug  um  600  hier  sitzen  geblieben  sind.  — 
Den  Fall  Jerichos  unter  König  Artaxerxes  setzt  Verf.  mit  sehr  grofser 
Wahrscheinlichkeit  um  350  unter  Artaxerxes  III.  Ochus  an ;  die  Juden  haben 
sich  sicher  an  dem  grofsen  Aufstande  der  Mittelmeerküste  beteiligt.  — 
Unter  den  Diadochen  erfolgte  eine  neue  Satrapieneinteilung  durch  Seleukus 
Nikator;  die  Bezirke  waren  jetzt  viel  kleiner:  in  Syrien  sind  es  Idumäa, 
Samaria,  Phönice,  Cölesyrien,  zusammen  auch  Gölesyrien  genannt,  und 
Apamea,  Laodicea,  Seleucia,  Pieria,  zusammen  =  Seleucis.  —  Der  eigent- 
liche Gründer  griechischer  Städte  ist  Seleukus  Nikator;  auch  die  nach 
Alexander  dem  Grofsen  benannten  Orte  sind  erst  nach  dessen  Zeit,  meist 
von  Seleukus  gegründet.  Gröfstenteils  waren  es  nicht  Neugründungen, 
sondern  Bildung  selbständiger  Kommunen.  —  Das  Gebiet  von  Jericho, 
das  um  350  den  Juden  verloren  ging,  ist  durch  die  Makkabäer  wieder- 
gewonnen und  zwar  durch  Johannes  Hyrkanus  134.  —  Der  Name  Judäa 
für  die  Landschaft  ist  erst  in  der  Makkabäerzeit  sicher  zu  belegen,  Galiläa 
bereits  in  der  Septuaginta,  Gälil  ist  aber  der  alte  Name  des  Gebietes  vor  der 
Seleucidenzeit.  —  Der  letzte  Abschnitt  behandelt  die  Tyrannis  in  Palästina 
nach  der  Erhebung  der  Makkabäer  und  die  Einrichtung  der  römischen  Provinz. 

Diese  kurze  Zusammenstellung  mag  genügen,  um  auf  die  in  dem 
Hefte  steckende  Fülle  von  Arbeit  und  die  reichen,  hie  und  da  vielleicht 
anfechtbaren,  aber  doch  bemerkenswerten  Ergebnisse  hinzuweisen. 

Oldesloe.  Reimer  Baasen. 

124)  Fritz  Oeyer^  Topographie  und  Oeschichte  der  Insel 
Euböa.  I.  Bis  zum  peloponnesischen  Kriege.  (Quellen 
und  Forschungen  zur  alten  Oeschichte  und  Geographie,  heraus- 
gegeben von  W.  Sleglin.  Heft  6.)  Berlin,  Weidmann,  1903. 
124  S.  8-  Ji  4-. 

Diese  eingehende  Untersuchung  verwertet  vor  allem  das  inschrifUiche 

Material,  bei  dessen  höchst  mühseliger  Sammlung  Hiller  v.  Gärtringen 


'^ 


Neae  Philologische  Rondsehaii  Nr.  10.  229 

dem  Verf.  Dienste  leistete.  Leider  reicht  der  Stoff  nicht  immer  aus,  nm 
die  alten  örtlichkeiten  mit  neueren  zu  identifizieren,  und  man  mufs  sich 
öfter  mit  Vermutungen  begnfigen.  Geyer  behandelt  zunächst  das  All- 
gemeine (Qröfse,  Gebirge  und  Flfisse,  Namen  der  Insel,  Produkte,  Be- 
völkerung, Übersicht  der  Geschichte),  dann  die  Topographie  und  Geschichte 
der  einzelnen  Ortschaften  von  Mittel-,  Nord-  und  Süd-Euböa.  Die  Arbeit 
erforderte  riesigen  Sammelfleifs,  zahllose  kleine  Notizen  aus  der  neueren 
fhilologischen  u.  s.  w.  Literatur  mufsten  verwertet  werden.  Ich  kann 
auf  Einzelheiten  hier  nicht  eingehen ,  betone  nur  noch ,  dafs  auch  für  die 
allgemeine  Geschichte,  nicht  blofs  für  Lokalgeschichte,  durch  erneute 
Prüfung  alter  Überlieferung  und  neuerer  Vermutungen  manches  abfällt. 
Die  Fortsetzung  wird  hoffentlich  in  nicht  zu  langer  Frist  erfolgen. 
Oldesloe.  R.  Baasen. 


125)  Ftlhrery  Übui^^sstoff  zum  Übersetzen  ins  Lateinische 

im  Anschlufs  an  Ciceros  Beden  für  S.  Boscius,  über  den  Ober- 
befehl des  Gn.  Pompejus  und  für  den  Dichter  Archias.  Münster, 
Aschendorff,  1903.     55  S.  8.  Ji  1.10. 

Während  man  eine  Zeitlang  infolge  einer  Bestimmung  der  früheren 
Lehrpläne  die  Aufgaben  zum  Übersetzen  ins  Lateinische  so  eng  an  die 
Lektüre  anzuschliefsen  pflegte,  dafs  die  Gedanken  des  Schriftstellers  nur 
mit  anderen  Worten  und  Wendungen  einfach  wiederholt  wurden,  ist  man 
neuerdings  zu  der  Einsicht  gekommen,  dafs  ein  solches  Verfahren  bei  dem 
Schüler  notwendig  Überdrufs  und  Langeweile  hervorrufen  mufs.  Man  be- 
müht sich  daher  jetzt  fast  allgemein  die  Texte  so  zu  gestalten,  dafs  zwar 
die  Beziehung  zur  Elassenlektüre  gewahrt  bleibt,  die  Schriftwerke  aber 
nicht  durch  öde  Umschreibungen  und  Variationen  verwässert,  sondern  durch 
andere  Gruppierungen  des  Gedankeninhaltes  und  geschichtliche  Erläuterungen 
dem  Verständnis  des  Schülers  näher  gebracht  werden. 

Nach  diesen  gesunden  Grundsätzen  ist  auch  die  Sammlung  Führers 
gearbeitet,  und  es  gibt  wenig  Bücher,  in  denen  sie  mit  solcher  Folge- 
richtigkeit und  solchem  Geschick  im  einzelnen  durchgeführt  sind.  Mit 
grofser  Anschaulichkeit  werden  die  Verhältnisse,  unter  denen  die  drei 
behandelten  Beden  gehalten  sind,  geschildert,  die  historischen  Anspielungen, 
die  sich  in  ihnen  finden,  sorgfältig  erläutert,  der  Inhalt  der  Beden  selbst 
scharf  gegliedert,  die  einzelnen  Teile  durch  passende  Überschriften  hervor- 


230  Nene  Philologische  Bandschau  Nr.  10. 

gehoben  —  kurz  es  ist  nichts  verabsäumt,  um  dem  Schüler  ein  gründ- 
liebes  Verständnis  dieser  Schriftwerke  zu  erschliefsen. 

Ebenso  hoch  stehen  die  Stücke  in  sprachlicher  Beziehung.  Sie  zeichnen 
sieh  durch  klare,  frische  und  echt  deutsche  Ausdrucksweise  aus,  so  dafs 
man  beim  Durchlesen  fast  vergessen  kann,  zu  welchem  Zwecke  sie  ge- 
schrieben sind. 

Doch  der  Verf.  selbst  verliert  diesen  Zweck  nie  aus  dem  Auge.  Es 
werden  nicht  nur  die  wichtigsten  grammatischen  Regeln  reichlich  geübt, 
sondern  auch  einzelne  stilistische  Regeln,  besonders  über  Verbindung  der 
Sätze,  Unterordnung  statt  deutscher  Beiordnung  u.  a.  zur  Anwendung  ge- 
bracht. Dabei  wird  aber  mit  richtigem  Takte  ein  Häufen  von  Schwierig- 
keiten, das  den  Schüler  leicht  mutlos  macht,  vermieden.  Auch  nach 
dieser  Seite  verdient  die  Arbeit  uneingeschränktes  Lob. 

Zum  Schlüsse  sei  es  mir  gestattet  auf  ein  Versehen  aufmerksam  zu 
machen.  Im  St.  52  ist  L.  Lucullus  Propraetor  statt  Prokonsnl  genannt. 
Im  St.  38  ist  der  Ausdruck:  „Die  Leute  betrachteten  Pompejus  wie  einen 
vom  Himmel  Herabgefallenen^'  verfehlt. 

Potsdam.  E.  Krause. 

126)  Fr.  Eoldewey,  Jugendgedichte  des  Humanisten  Johannes 
Caselius.  In  Auswahl  und  mit  einer  Einleitung  herausgegeben. 
Braunschweig,  Job.  Heinr.  Meyer,  1902.  XLVI  u.  48  S.  8. 
Die  gediegene  Arbeit  verdient  die  allgemeinste  Beachtung  der  Philo- 
logen, trotzdem  man  in  unserer  Zeit,  wenn  auch  irrtfimlich,  lateinische 
Verskunst  als  nutzlose  Spielerei  und  Zeitvergeudung  zu  betrachten  pflegt 
und  nicht  bedenkt,  dafs  gerade  die  hervorragendsten  Dichter  der  Huma- 
nisten zugleich  auch  die  wissenschaftlich  und  sittlich  tüchtigsten  waren. 
Sie  zerfällt  in  zwei  dem  Umfange  nach  fast  gleiche  Teile.  Der  erste 
beschäftigt .  sich  mit  dem  Lebens-  und  Entwickelungsgange  des  1533  zu 
Göttingen  geborenen  und  1613  zu  Helmstedt  als  der  letzte  grofse  Vertreter 
des  untergehenden  Humanismus,  wie  Verf.  S.  ii  treffend  betont,  gestorbenen 
Johann  Kessel  bis  zu  seiner  Immatrikulation  in  Wittenberg  (1551)  und 
nimmt  auch  auf  die  Schicksale  des  Vaters  und  der  Mutter  des  Dichters 
Sficksicfat.  Ersterer  mufste  wegen  seiner  fortwährend  geringen  und  un- 
sicheren Einnahmen,  sowie  wegen  vielfacher  konfessioneller  Anfeindungen 
als  Gegner  des  Interims  achtmal  sein  Amt  und  seinen  Wohnsitz  wechseln, 
bis  er  1580  in  GOttingen  in  leidlicher  BuhQ  starb. 


i^ene  Philologisdie  Randschaa  Nr.  10.  231 


Der  zweite  Teil  des  Baches  gibt  eine  recht  gediegene,  etwa  die  HUfte 
der  carmina  puerilia  nmfassende,  ffir  den  Dichter  sehr  charakteristische 
Auswahl  in  chronologischer  Reihenfolge,  nämlich  64  längere  and  kürzere 
Gedichte,  welche  im  allgemeinen  ein  glänzendes  Zeagnis  von  der  Gewandt- 
heit des  Gaselias  in  der  Behandlang  nicht  nar  heroischer,  elegischer  and 
jambischer,  sondern  aach  verschiedener  lyrischer  Versmafse,  sowie  seiner 
grofsen  Herrschaft  über  den  Sprachgebraach  and  seiner  Belesenheit  in  den 
römischen  Dichtern  abgeben.  NatQrlich  sind  seine  Gedichte,  die  vielfach 
allerlei  biblische  Abschnitte,  Gebete,  christliche  Ermahnangen  a.  ä.  in 
Yerse  kleiden,  aach  seine  persönlichen  Verhältnisse  behandeln  oder,  wie 
Nr.  1—6  and  9,  Streitgedichte  aaf  das  von  seinen  Lehrern  and  auch  ihm 
selbst  gewaltig  gehafste  Interim  sind,  nicht  frei  von  den  dem  Humanismos 
überhaupt,  wie  Verf.  S.  35  und  36  eingdiend  ausführt,  eigenen  prosodi- 
schen  und  metrischen  Fehlem.  So  mifst  er  falsch  /oc  Nr.  28,  62  und 
Nr.  64,  3 ;  quötüKänum  Nr.  10,  43,  guöfidtäna  nach  Gatull  68, 139  (vor 
Lachmann)  Nr.  48, 10,  dagegen  wieder  qtioticKüna  Nr.  59, 7 ;  agendö  und 
effkiendö  Nr.  17,51,  bez.  57,  31;  eoangelivm  Nr.  58,3;  er  vemadi- 
lässigt  auch  den  üblichen  Einschnitt  zwischen  den  beiden  Choriamben  im 
asclepiadeus  minor  Nr,  11,  5  und  7  und  selbst  bis  in  sein  höchstes  Greisen- 
alter die  Cäsar  zwischen  dem  akatalektischen  Tetrameter  und  dem  Ithy- 
phallikus  in  archilochius  major,  wie  Nr.  12, 1.  3.  5.  9.  Gering  ist  da- 
gegen die  Zahl  der  bei  Caselius  vorkommenden,  schon  damals  als  solche 
angesehenen,  wirklich  groben  metrischen  Fehler,  wie  die  unmögliche  Cäsur 
in  Atque  mari,  adversa  or  |  ta  tempestate  coactam  oder  gar  ad  |  versa  orta 
tem|pestate  Nr.  28,  24  nebst  den  Messungen  inhiai,  änimo,  domicüia,  Itä- 
Ucos,  perts,  lücere  und  mülisri  in  der  nicht  mitabgedruekt^  Paraphrase 
des  113.  Psalms. 

Als  Meisterwerk  der  Verskunst  wollen  wir  namentlich  hervorheben 
die  schon  oben  erwähnten  Nr.  2—6  und  9,  meist  sehr  gewandte  Akro- 
stichen, Nr.  10,  das  Vaterunser  zum  erstenmal  in  sapphische  Strophen 
gekleidet,  Nr.  17,  Paraphi-ase  von  Rom.  8,  31,  Nr.  18,  Paraphrase  von 
Psalm  52,  Nr.  22,  „Christ  ist  erstanden**  in  fünf  verschiedenen  Versarten 
(in  phaläcischen  Versen,  sapphischen  Strophen,  jambischen  Trimetem, 
Distichen  und  einzelnen  Hexametern),  Nr.  24,  Epitaphium  scholae  Theo- 
politanae,  auf  die  grause  Vernichtung  der  vom  Dichter  besuchten  Göttinger 
Schule  bezüglich,  die  tief  religiösen  Gedichte  Nr.  40 — 60  und  unter  ihnen 
namentlich  die  beiden  längeren  Elegieen  Nr.  47,  Ad  Ebrium,  und  Nr.  53, 


Nene  Philologische  Rundschau  ^r,  lO. 


Epicnreorom  Gogitationes,  ferner  Nr.  50,  sapphische  und  elegische  Verse 
unter  der  Bezeichnung  Fortuna  pii  doctoris  zusammengefafst ,  dem  wegen 
seiner  Glaubenstreue  so  vielfach  angefeindeten  Vater  gewidmet,  und  Nr.  51, 
eine  innige  Bitte  fQr  den  erkrankten  jüngsten  Bruder.  Becht  charakte- 
ristisch ist  auch  Nr.  49,  Distichen  über  die  Quatuor  sectae  philosophorum 
enthaltend,  in  denen  er  die  Hauptgrundsätze  und  Unterschiede  der  vier 
wichtigsten  Systeme,  der  der  Peripatetiker,  Epikureer,  Stoiker  und  Aka- 
demiker, im  engsten  Anschlufs  an  das  Kompendium  der  Dialektik  von 
Melanchtbon  kurz  darstellt  und  sich  als  Anhänger  des  Aristoteles  zu  er- 
kennen gibt. 

Wollstein.  K.  LSsohhora. 

12  7)  Friedrich  Aly,  HumanismuB  oder  HiBtorismus.  Marburg, 
N.  G.  Elwert,  1902.     31  S.  gr.  8.  Ji  -.60. 

Diese  kleine,  vom  3.  Mai  1902  datierte  Schrift  wendet  sich  g^en 
die  obligatorische  Einführung  des  von  Ulrich  v.  Wilamowitz-Moellendorff 
herausgegebenen  griechischen  Lesebuches  und  berührt  sich  daher  in  manchen 
ÄufseruDgen  und  namentlich  in  ihrem  Grundgedanken  mit  meiner  Be- 
sprechung jenes  Buches^  wie  ich  sie,  ohne  damals  schon  Alys  Schrift  zu 
kennen,  in  Nr.  18  dieses  Blattes  vom  6.  September  1902  veröffentlicht 
habe;  Aly  hat  in  einer  Broschüre  selbstverständlich  sowohl  etwas  weiter 
ausholen  als  auch  etwas  näher  auf  die  einzelnen  Bestandteile  des  Lese- 
buches eingehen  können,  als  mir  das  in  einem  Artikel  möglich  war.  Dafs 
er  zu  demselben  ablehnenden  Ergebnisse  gelangt,  kann  mir  natürlich  nur 
zur  Genugtuung  gereichen,  aber  mit  der  Art  seiner  Darlegung  bin  ich 
nicht  überall  ganz  einverstanden.  Mitunter  fafst  er  mir  etwas  zu  derb 
zu  oder  ergeht  sich,  z.  B.  in  dem,  was  er  über  den  „Historismus"  oder 
über  die  Stellung  des  Gymnasiallehrers  zur  Wissenschaft  sagt,  in  nicht 
vollkommen  klaren  Wendungen.  Insbesondere  vermag  ich  nicht  zu  glauben, 
dafs  mit  dem  neugepri^ten  Begriffe  des  Historismus  und  seiner  Entgegen- 
setzung gegen  den  des  Humanismus  der  Kern  der  Streitfrage  ganz  genau 
bezeichnet  sei;  die  Vertreter  der  humanistischen  Bildung  empfehlen  diese 
doch  gerade,  weil  sie  nicht  blofs  eine  philosophische,  sondern  auch  eine 
historische  Schulung  sein  soll,  nur  wollen  sie  diese  historische  Schulung, 
soweit  sie  durch  die  Betreibung  der  alten  Sprachen  und  speziell  der  grie- 
chischen beschafft  werden  soll,  durch  die  Vorführung  von  Typen,  nicht 
durch  eine  polyhistorische  Unterweisung  geben.    Das  ist  auch  Alys  Mei- 


Nene  Fhilologieehe  BnndaebM  Kr.  10.  S88 

"  *    ■  ■■       ■  ■■■'■-     -■—■—■       .  ,,-,.,..»^  ■ ,  .   ■     .     ._-■■,.»■■■    I.        j... .  ...  ...-1 ..  ..  — --^g~» 

nuDg,  aber  sie  ist  durch  den  kflnsüich  geschaffenen  Gegensatz ,  wie  er  in 
den  beiden  Wörtern  des  Titels  liegt,  eher  verdunkelt  als  ins  rechte  Licht 
gestellt  worden. 

Bremen.  Edm.  FrUmm. 


128)  J.  B.  S^all,  Corneille  and  the  Spaniah  Drama.     New 

Tork,  The  Macmillan  Co.    147  S.  8.  geb. 

Das  Buch  ist  ein  erfreuliches  Zeichen  daftlr,  dafs  die  Teilnahme 
Amerikas  an  der  philologischen  Arbeit  im  Wachsen  begriffen  ist,  trotzdem 
diese  auf  dem  Weltmarkt  noch  immer  so  niedrig  notiert  wird. 

Es  bietet  eine  Reihe  von  Essays  fiber  Dramen  Gomeilles,  die  durch 
den  steten  Ausblick  auf  die  spanischen  Parallelen  zu  einem  Ganzen  ver- 
einigt werden.  Der  Verf.  ist  bemüht,  so  vollständig  wie  möglich  zu  sein. 
Deshalb  geht  er  von  einer  kurzen  Erörterung  des  spanischen  Einflusses  auf 
das  französische  Geistesleben  und  von  der  Entwickelung  Gomeilles  aus,  um 
dann  die  unter  direkter  spanischer  Einwirkung  stehenden  Dramen  genauer 
zu  betrachten  und  mit  ihrer  Quelle  zu  vergleichen.  (Dies  sind  nach 
Segall  Cid,  Le  menteur,  La  suite  du  menteur,  Don  Sanche  d' Aragon. 
H^raclius  beruht  seiner  Ansicht  nach  nicht  auf  Galderon.)  Dabei  sucht 
er  in  die  Motive  für  Gomeilles  Behandlung  des  Stoffes  einzudringen  und 
diese  zu  würdigen. 

Die  Arbeit  zeugt  von  Verständnis  und  urteil  Es  fehlt  die  Heran- 
ziehung resp.  die  Angabe  ihrer  Vorlagen  und  Hilfsmittel.  Der  Anordnung 
mangelt  verschiedentlich  der  überlegene  Gedanke.  Die  Resultate  bieten 
im  wesentlichen  nichts  Neues. 

Wernigerode.  Ctoerbfaf. 

129)  E.  LavisBe^  Histoire  de  France  depuisles  origines  jusqu'  k 

la  revolution.    Publice  avec  la  coUaboration  de  MM.  Bayet  etc. 
Tome  cinqui&me  I :  Lee  guerres  dltalie,  La  France  sous  Charles  VIII, 
Louis  XII  et  Fran^ois  l**  (1492—1547)  par  Henry  Lemomiler, 
professeur  k  Tuniversit^  de  Paris.   Paris,  Librairie  Hachette  et  de., 
1903.     393  S.  4. 
Dieser  ^eil  der  Geschichte  Frankreichs  führt  uns  die  auswärtigen 
Unternehmungen  zu  Ende  des  16.  und  zu  Anfang  des  16.  Jahrh.  vor, 
da  die  italienischen  Staaten  schon  nicht  mehr  imstande  waren,  sich  selb- 
ständig den  Türken  gegenüber  zu  behaupten,  vielmehr  in  ihrer  Uneinig- 
keit und  Zersplitterung  einzelne  daran  dachten,  sich  mit  den  Türken  zu 


284  Neae  PhilologiBche  Bundsobau  Nr.  10. 


verständigen.  Es  ist  die  Zeit  der  Päpste  Alexanders  VI.  und  Julius'  IL, 
die  uns  vor  kurzem  mit  sehr  gemehrtem  Material  L.  Pastor  im  dritten 
Bande  seiner  „Geschichte  der  Päpste  seit  dem  Ausgang  des  Mittelalters'^ 
gesdiildert  hat.  Auch  der  französische  Verf.  spricht  von  der  Tätigkeit 
Savonarolas  in  Florenz,  da  diese  den  Unternehmungen  König  Karls  VIII. 
in  Italien  zu  gute  kam.  Nach  dem  Abzug  der  Franzosen  unterlag  Savo- 
narola  den  Medici  und  der  römischen  Kurie  (1498).  „Aprte  sa  mort,  la 
place  restait  libre  en  Italie  ä  la  Papaut^  temporelle  comme  ä  tous  les  ätrangers/' 

Nicht  ohne  Interesse  ist  die  „  allgemeine  *'  Bibliographie,  die  der  Verf.  ffir 
sein  „erstes  Buch*',  das  eben  „die  Kriege  in  Italien '*  behandelt,  anfAhrt. 
Er  nennt  das  Werk  von  J oh.  Janssen,  Bd.  I,  worin  die  allgemeinen  Zu- 
stände des  deutschen  Volkes  beim  Ausgang  des  Mittelalters  geschildert 
sind  (18.  Aufl.  1897),  „traduction  fran9aise  de  E.  Paris  sur  la  14®  Edition, 
1887";  H.  ülmanns  Kaiser  Maximilian;  Pastors  Päpste,  wovon  die 
dritte  Auflage  erschienen  ist:  „traduction  fran9aise  de  Furcy  Baynaud,  sur 
une  Edition  ant^rieure'^  Dann  mehrere  französische  Werke:  Perrens, 
Histoire  de  Florence,  depuis  la  domination  des  M^dicis  jusqu'ä  la  chute 
de  la  räpublique,  t.  1,  2,  3  (1888—1890);  Boissonade,  Histoire  de  la 
räunion  de  la  Navarre  ä  la  Castille,  1893.  Bott,  Histoire  de  la  repr^ 
sentation  diplomatique  de  la  France  aupr^  des  cantons  Suisses,  1. 1(1900). 
Himly,  Histoire  de  la  formation  territoriale  des  fitats  de  TEurope  cen- 
trale, 2  vol.,  2""  Edition,  1894. 

Man  lernt  auf  diese  Weise  die  Wertschätzung  kennen,  deren  sich 
deutsche  Werke  in  Frankreich  erfreuen,  und  französische  Literatur,  von 
der  die,  welche  die  inneren  Angelegenheiten  Frankreichs  betrifft,  wieder 
besonders  ins  Gewicht  fällt.  Ffir  das  Studium  der  allgemein  europäischen 
Geschichte  hat  jeder  Band  des  Sammelwerkes  von  Lavisse  seine  eigen- 
tümliche Bedeutung.  Während  der  letztpublizierte  erste  Teil  des  vierten 
Bandes  (1902),  den  A.  Goville  bearbeitet:  „Die  ersten  Valois  und  der 
hundertjährige  Krieg  (1328—1422)''  mehr  den  inneren  Krisen  des  fran- 
zösischen Reiches  gewidmet  war,  behandelt  der  vorliegende  erste  Teil  des 
fünften  Bandes  fiberwiegend  die  auswärtige  Politik,  wodurch  Frankreich 
neben  Spanien,  König  Franz  I.  neben  Kaiser  Karl  V.,  in  die  erste  Linie 
vorrfickte.  Daneben  werden  aber  auch  der  König  und  sein  Hof,  die  Aus- 
bildung des  monarchischen  Systems,  ferner  die  Einflüsse  der  Benaissance 
(ein  interessantes  literar-  und  kunsthistorisches  Kapitel),  die  Einwirkung 
der  Beformation,  die  veränderten  ökonomischen  Verhältnisse,  überhaupt  die 


^^ 


Neue  Philologische  Rnndaehm  Nr.  10.  285 

Anf&Dge  der  „modernen*^  Zeit  in  gelaogener  Weise  dargestellt  Auf  Einzel- 
heiten näher  einzugehen,  ist  hier  nicht  der  Ort  Es  genfigt,  den  Eindruck 
im  allgemeinen  zu  konstatieren. 

Prag.  J.  Jobs. 

130)  Lten  Leyranlty  Lea  Oenres  Littörairea.  (Involution  des 
Genres.)  12.  La  Poesie  Lyrique  160  S.  —  L*£pop^e 
112  S.   —  Le  Roman  116  S.   —   La  Gom^die  125  S.  — 

Drame  et  Tragödie  132  S.    Paris,  Delaplane. 

PreiB  jedes  Blndohens  geh.  fr.  — .  75. 

Bereits  im  Jahrg.  1902  dies.  Zeitschr.  ist  auf  den  Seiten  207  und  568 
fiber  die  Eompendienreihe  berichtet  worden,  die  der  Delaplanesche  Verlag 
aus  dem  Gebiete  der  Philosophie,  der  Pädagogik  und  der  französischen 
Literaturgeschichte  herausgibt  Mir  liegen  ffinf  solcher  Bftndchen  vor,  alle 
literarischen  Inhalts  und  sämtlich  von  dem  Gymnasialprofessor  L.  Levrault 
in  den  Jahren  1901/2  veriarst  Sie  behandeln  die  lyrische  Poesie,  das 
Epos,  das  Lustspiel,  das  Schauspiel  und  Trauerspiel  sowie  den 
Born  an.  Dafs  in  jedem  Bändchen  eine  Literaturgattung  für  sich  be- 
handelt wird,  hängt  mit  dem  Zweck  der  ganzen  Publikation  zusammen, 
die  in  erster  Linie  zur  Examensvorbereitung  bestimmt  ist.  Da  in  üni- 
versitätsvorlesungen  die  einzelnen  Literaturzweige  derselben  Epoche  meist 
nebeneinander  besprochen  werden,  ist  es  zur  genauen  Einprägung  des 
dort  vorgetragenen  Stoffes  sicher  förderlich,  wenn  dieser  den  Examinanden 
einmal  in  einer  ganz  anderen  Anordnung  geboten  wird.  Dinge,  die  er 
zuerst  im  Querschnitt  kennen  gelernt  hat,  werden  ihm  entschieden  ver- 
trauter, wenn  er  sie  im  Längsschnitt  noch  einmal  betrachtet,  unter  diesem 
GesichtEfpunkte  sind  die  Bändchen  als  durchaus  praktisch  zu  bezeichnen. 
Da  aufserdem  der  Verf.  das  Wichtige  vom  unwesentlichen  zu  trennen 
weifs  und  eine  glatte  Darstellung  mit  tfichtiger  Sachkenntnis  vereinigt, 
so  wird  seinen  Kompendien  der  buchhändlerische  Erfolg  nicht  fehlen. 
Das  Aufsere  des  Textes  liefse  sich  allerdings  wohl  noch  zweckentsprechender 
gestalten.  Bei  Einprägung  jedes  Lernstoffes  ist  das  Auge  ein  sehr  wesent- 
licher Faktor.  Dem  mfifste  durch  konsequentere  Benutzung  des  fetten 
Druckes  Bechnung  getragen  werden.  Die  praktische  Verwendbarkeit  seiner 
Kompendien  wflrde  Levrault  sicherlich  bedeutend  erhöhen,  wenn  er  nach 
einem  gewissen  System  Schriftsteller,  Werke  und  andere  wichtige  Tat- 
sachen auch  äufserlich  als  wesentlich  kennzeichnete. 

Peine.  Carl  Friotlaad. 


N«ae  Pbilologigcbe  Bundaehan  Nr.  10. 


13t)  K  Engelkei  Cahier  de  Hotes.  Stilistisches  Hilfis-  und  Merk- 
buch des  FranzGsischeD  ffir  Schüler  der  Oberklassen ,  eingerichtet 
zur  Aufnahme  von  weiteren  im  Unterrichte  voigenoounenen  Be- 
obachtungen und  idiomatischen  Ausdrficken.  (}otha,  Friedrich 
Andreas  Perthes,  1902.    192  S.  8.  geb.  Jf  l.bO. 

Einen  an  sich  nicht  Qblen  Oedanken  hat  der  Verf.  in  diesem  Buche  ver- 
wirklicht Von  der  Tatsache  ausgehend,  dafs  nichts  so  bildend  wirkt  als 
das  selbst  Erarbeitete,  und  daTs  eine  Phrase  ihre  rechte  Bedeutung  erst 
im  lebendigen  Zusammenhange  zu  zeigen  vermag,  will  Engelke  den  Schiller 
selbsttätig  zur  Mitarbeit,  zum  Beobachten  und  zum  Sammeln  des  Sprach- 
materials heranziehen.  Er  hat  sich  daher  im  allgemeinen  auf  einen 
kleinen  Stamm  von  Beisrpielen  beschränkt,  den  der  Schiller  selbständig 
oder  unter  Anleitung  des  Lehrers  vermehren  kann.  Zu  diesem  Zwecke 
ist  das  Buch  reichlich  mit  leeren  Blättern  durchschossen,  und  der  Schfiler 
ist  so  in  der  Lage,  die  aus  der  Lektfire  neu  gewonnene  sprachliche  Be- 
lehrung an  passender  Stelle  einzutragen,  das  Neue  in  ein  System  von  ähn- 
lichen und  bekannten  Ausdrücken  einzugliedern  und  es  so  vor  dem 
häufigen  Schicksal  des  schnellen  Yergessenwerdens  zu  retten.  —  Das  ganze 
Werk  ist  aus  allmählichen  Aufzeichnungen  des  Verf.  hervorgegangen,  wie 
man  ihm  noch  deutlich  anmerkt  Es  ist  dadurch  recht  Verschiedenartiges 
zusammengeraten:  stilistische,  synonymische,  orthographische,  lexikalische, 
grammatische,  etymologische,  historische  und  phraseologische  Bemerkungen 
fallen  die  verschiedenen  Bubriken,  ein  reiches  Material,  das  an  einigen 
Stellen  noch  besser  hätte  geordnet  werden  können.  So  wäre  S.  45  bei 
den  Wörtern  mit  leicht  zu  verwechselndem  Geschlecht  wenigstens  alpha- 
betische Reihenfolge  zu  beobachten  gewesen.  Die  stilistischen  Batschläge 
sind  etwas  äufserlich  ausgefoUen.  Wenn  z.  B.  S.  8  ohne  weiteren  Zusatz 
der  Gebrauch  des  historischen  Infinitivs  angeraten  wird,  so  mufs  das  dem 
Schfiler  einen  ganz  falschen  Begriff  von  der  Verwendbarkeit  dieses  Stil- 
mittels geben.  Auf  S.  68  ist  die  Begierungszeit  Ludwigs  XIV.  falsch 
angegeben. 

In  der  Hand  verständiger  Schfiler,  die  einige  Anleitung  in  der 
Einrichtung  solcher  Sammlungen  erhalten  haben,  könnte  sich  das  Heft  recht 
nfitzlich  erweisen. 

Bremen.  W.  BBhrs. 


:> 


iteae  J^lologischd  RnndBcbaa  Nr.  10.  ^BI 


132)  Ludwig   HaBbei^y    Ei^liaohe    Lieder  mit  Singnoten  nnd 
Wörterbnch.    Leipzig,  Rengerscbe  Bachhandlnng,  1902.    80  S.  8. 

geb.  J$  1.  ~. 

Das  Bändchen  entbUt  auf  S.  3— 6  eine  aasfäbriicbe  Vorrede,  die 
beeondeTB  darauf  hinweist ,  dafs  die  Lieder  und  Melodieen  einer  solchen 
Sammlang  ffir  jede  Elassenstufe  praktisch  nnd  bequem  verwendbar  ge- 
gewählt  sein  müssen,  dafs  das  Singen  fremdsprachlicher  Lieder  nnd  Oe- 
diehte  eine  lautlich  reine  Aussprache  vermitteln  sowie  das  Lernen  von 
Vokabeln  und  Bedewendungen  erleichtem,  dafs  es  nutzlich  und  angenehm 
ist,  wenn  die  Schfiler  ein  fremdsprachliches  Liederbuch  durch  alle  Elassen- 
stnfen  hindurch  in  ihren  Händen  haben.  Auf  S.  7—11  befinden  sich 
„kurze  Vorbemerkungen 'S  die  einfach  und  klar  gehalten  sind  und  aus 
folgenden  Abschnitten  bestehen:  1)  Erst  der  Laut  und  dann  die  Schrift, 
2)  Stimmhafte  und  stimmlose  Laute,  3)  Kurze  Bemerkungen  Qber  die 
englische  Aussprache,  4)  Die  Bindung  im  Englischen,  5)  Das  Singen  eng- 
lischer Lieder. 

Dann  folgt  auf  S.  12  und  13  das  Inhaltsverzeichnis  der  Lieder,  auf 
S.  14  das  Verzeichnis  nach  Melodieen,  auf  S.  15 — 57  der  Text  der  Lieder 
und  die  zu  jedem  Liede  oder  jeder  Liedergruppe  gehörigen  Singnoten;  auf 
S.  58  befinden  sich  die  Lautzeichen  und  deren  charakteristische  englische 
Schreibweise  nebst  tre£Eenden  Beispielen,  wobei  au,  ai,  oi  konsequenter 
durch  a^,  a^,  <A  wiedergegeben  wäre.  Auf  S.  59—80  findet  sich  das  Vokabu- 
Lirium  und  zwar  so,  dafs  fär  jedes  Lied  gesondert  die  den  Schfilern  etwa 
unbekannten  Wörter,  Wendungen  und  Verbalformen  angegeben  sind.  Die 
Aussprache,  allerdings  ohne  Angabe  des  Wortakzentes,  ist  zum  Teil  bei- 
gefOgt,  in  manchen  fällen  sogar  überflfissigerweise  (z.  B.  bei  but,  äo, 
steep  etc.,  die  schon  als  MnsterwOrter  in  der  Lauttabelle  stehen),  in  an- 
deren Fällen  aber  ohne  Orund  unterlassen  (z.  B.  bei  shepherdess,  beauti- 
fiä,  unharmed  etc.). 

Die  Liedersammlung  enthält  Lieder  und  Oedichte,  die  englischen 
Liedersammlungen  entnommen  sind,  oder  die  der  Verf.  selbst  im  Auslande 
gesaaimelt  hat,  daneben  auch  elf  Übersetzungen  bekannter  deutscher  Lieder. 
Die  Wahl  der  ersteren  ist  zweckmäfsig  geschehen,  die  Zahl  der  letzteren 
scheint  mir  dagegen  zu  grofs,  eins  oder  zwei  als  Probe  englischer  Über- 
aetzong  hätten  auch  genügt,  da  man  wohl  kaum  Übersetzungen  wie  The  Watch 
on  the  Bhine,  The  Linden  Tree,  When  the  Swallows  homeward  fly  etc.  lernen 
und  -singen  lassen  wird,  wenn  einem  englische  Originale  zu  Gebote  stehen. 


Nene  PhilologfÜMsbe  Bandsehaü  Nr.  10. 


Abgesehen  von  einigen  leichten  Drackfehlern  in  der  Aussprache- 
bezeiehnnng  des  Yocabnlary  entspricht  das  Bändchen  in  seiner  ganzen 
Ausstattung  allen  Anforderungen  und  kann  somit  allen  Freunden  des  Ge- 
sanges fremdsprachlicher  Lieder  beim  Unterricht  empfohlen  werden. 

Lauenbnrg  (Pommern).  Hugo  NIemer. 

133)  Charles  Turley,  Oodfirey  Märten  Schoolboy.  London, 
W.  Heinemann,  1902.    338  S.  8.  3  s.  6  d. 

Das  Buch  schildert  das  Leben  und  Treiben  eines  Schulers  einer  eng- 
lischen public  school  und  einiger  seiner  Freunde.  Es  gibt  jedoch  nicht 
—  und  hierin  liegt  meines  Erachtens  einer  seiner  Hauptnachteile  — 
grofse,  abgerundete  Schilderungen  der  verschiedenen  Seiten  des  englischen 
SchuUebens,  etwa  in  der  Art  wie  Tom  Brown's  Schooldays  sie  bietet,  und 
gerade  solche  sucht  doch  der  deutsche  Leser  in  derartigen  Büchern  be- 
sonders. Vielmehr  erzählt  es  die  Erlebnisse  jedes  term,  manchmal  ein- 
zelner Tage  in  tagebuchartiger,  oft  ermüdender  Ausführlichkeit.  Daher 
ist  zum  Verständnis  einige  Kenntnis  der  Organisation  einer  public  school 
und  besonders  der  englischen  Nationalspiele  cricket  und  FufsbaU  nötig. 
Natürlich  hat  diese  Ausflihrlichkeit  auch  ihr  Gutes,  da  sie  ein  getreues 
Bild  des  alltäglichen  Lebens,  des  Denkens  und  Fühlens  eines  englischen 
Schülers  gibt.  Besonders  interessant  ist  das  Buch  auch  nach  der  sprach- 
lichen Seite  hin,  es  ist  in  ganz  ^.miliarem  Stile  gehalten  und  vermittelt 
so  die  Kenntnis  zahlreicher  Ausdrücke  des  school  slang. 

Der  Inhalt  läfst  sich  schwer  wiedergeben.  Wir  sehen  den  Helden 
Freundschaften  schliefsen,  einige  fights  mit  seinen  Feinden  unter  den 
Schülern  und  zahlreiche  rows  mit  der  Jugend  der  benachbarten  Dörfer, 
mit  Bauern  und  sogar  mit  Wilddieben  bestehen,  wegen  deren  er  beinahe 
von  der  Schule  weggejagt  wird.  Wir  erfahren,  wie  er  und  andere  Kricket 
und  FufsbaU  spielen,  und  der  Verlauf  zahlreicher  matches  wird  uns  vor- 
geführt, wobei  wir  in  die  Eifersüchteleien  und  Feindschaften  zwischen  den 
einzelnen  boarding  houses  der  Anstalt  Einblick  erhalten.  Das  Verhältnis 
der  Schüler  zueinander  und  zu  den  Lehrern,  besonders  zu  dem  an  der 
Spitze  des  Hauses  stehenden  wird  eingehend  dargestellt.  Das  Gefühl  der 
Zusammengehörigkeit  unter  den  Schülern  desselben  Hauses,  das  sich  aller- 
dings auch  manchmal  gegen  die  Lehrer  richtet,  der  Abscheu  vor  Angeberei 
aber  auch  vor  der  Lüge  tritt  deutlich  hervor.  Freilich  stöfst  uns  manches 
ab,  wie  z.  B.  die  Art  der  Aufrechterhaltung  des  Disziplin  durch  Prügel, 


^^ 


Üeue  Philologische  Bnodschau  Nr.  lo. 


die  von  dem  Lehrer  und  den  älteren  Scbfilem,  den  prefect,  reichlich 
ausgeteilt  werden.  Auch  das  urteil  des  Verf.  über  die  Lehrer  ist  sehr 
freimütig,  besonders  in  einem  Falle,  wo  einer  von  ihnen  als  absolute  idiot, 
süperb  brüte  etc.  bezeichnet  wird.  Zu  kurz  kommt  auch  die  Schilderung 
des  Lebens  der  Oesamtschule  und  der  wissenschaftlichen  Arbeit  der  Schfiler, 
die  ja  in  England  überhaupt  erst  in  zweiter  Linie  steht.  Aber  auoh  die 
Lichtseiten  der  englischen  Erziehung  zeigt  dieses  Buch  klar :  die  Erziehung 
zu  körperlicher  Gewandtheit,  Ausdauer,  Mut  und  Entschlossenheit,  die  Er- 
ziehung zum  gentleman  und  zu  freiwilliger  Unterordnung  und  die  Selbst- 
zucht, die  die  Schüler  untereinander  ausüben. 

Breslau.  Onri  Bolehel. 

134)  Jul.  Siegel  9  Pfidagogische  Betrachtungen  eines  Heu- 
philologen.  Ein  Beitrag  zur  Schulreform.  Göthen,  Otto  Schulze, 
1903.  VII  u.  62  S.  8. 
Der  Verf.  bittet  im  Vorwort  „davon  überzeugt  zu  sein,  dafs  redliches 
Streben  nach  Wahrheit  sein  steter  Grundgedanke  war'S  und  seine  Aus- 
führungen machen  in  jeder  Zeile  den  Eindruck,  dafs  wir  es  mit  einem 
ernst  strebenden,  für  seinen  Beruf  begeisterten  und  nur  das  Beste  der 
Schule  wollenden  Lehrer  zu  tun  haben.  Wenn  auch  vieles  mehr  für  die 
bayerische  Heimat  des  Verf.  bestimmt  und  aus  den  besonderen  Zu- 
ständen der  bayerischen  höheren  Schulen  erwachsen  ist,  so  darf  das  Schrift- 
chen doch  Anspruch  auf  allgemeine  Anerkennung  machen,  da  es  so  manche 
Frage  berührt,  die  für  alle  Schulen  gilt  und  überall  und  immer  ihre  Be- 
deutung behält.  Allerdings  tritt  dabei  der  „Neuphilologe"  oft  in  den 
Hintergrund,  um  dem  praktischen  Schulmann  im  allgemeinen  den  Vortritt 
zu  lassen;  und  wenn  das  auch  mit  dem  eigentlichen  Ziele  des  Verf.  im 
Widerspruch  steht,  so  wird  ihm  doch  mancher  Anfänger  für  die  zahl- 
reichen Winke  und  Belehrungen  dankbar  sein.  Einem  älteren  Schulmann 
wird  nicht  viel  neues  gesagt,  trotzdem  wird  auch  er  einzelne  Kapitel 
wegen  der  Frische  der  Darstellung  und  der  Ehrlichkeit  der  Überzeugung 
des  Verf.  gerne  lesen.  Ein  bedeutender  Beitrag  zur  Schulreform  ist  die  Schrift 
nicht;  der  Verf.  scheint  sehr  nach  der  Seite  der  „Beform"  zu  neigen, 
wenn  er  auch  für  die  grammatische  Methode  hie  und  da  eine  Bemerkung 
übrig  hat.  Soll  indessen  wirklich  (S.  33)  die  alte  grammatische  Methode 
bequemer  sein,  die  Denkkraft  der  Schüler  und  die  physischen  und  psychi- 
schen Kräfte  des  Lehrers  mehr  schonen  als  die  sogen,  neue?    Ich  hab^ 


Q 


240  Kette  l^hildogisclie  ttundschaii  Kr.  10. 

die  Vorteile  und  Nachteile  der  ,,  Beform '^  am  eigenen  Leibe  kennen  ge- 
lernt nnd  beantworte  heute  diese  Frage  mit  einem  fiberzengten  Nein. 
Ebenso  fiberlasse  ich  neidlos  den  Beformem  (S.  14)  ,,die  von  einigen  der- 
selben berichteten,  zum  Teil  ganz  fabelhaft  klingenden  Erfolge '^  und  freue 
mich  fDr  meine  Person  Qber  jeden  wirklichen  Erfolg,  mag  er  noch  so 
bescheiden  sein. 

Kauen.  Fries. 

Vakanzen. 
Attendorn,  G.  Obl.  Math.    Bürgermeister. 
Brandenburg^  G.  Obl.  klass.  Phil.    Magistrat. 
Danzlg,  H.M.S.  Obl.  N.  Spr.    Magistrat. 

—      Stadt.  G.  Obl.  Math.  u.  Turnen.    Magistrat. 
Dortmund,  O.B.S.  zwei  Obl.  1)  Math.  2)  N.  Spr.  Gesch.  Schulkaratorium. 
Elblng^  Augusta-Viktoria-Sch.  (H.M  S.)  Obl.  Deutsch.    M^istrat 
Eschwege,  G.  Obl.  klass.  Phil.    Kuratorium. 

Frankfiirt  a.  M.,  Elisabethsch.  (H.M.S.),  Direktor.  Kuratorium  d.  höh.  Seh. 
Cl^raudenz,  O.B.S.  zwei  Obl.  l)  Math.  2)  N.  Spr.  oder  Deutsch  u.  Gesch. 

Magistrat. 
Itzehoe,  B.S.  Direktor.    Kuratorium. 
Kattowltz,  O.B.S.  Obl.  Math.  Nat.  od.  N.  Spr.    Magistrat. 
EOln,  Stadt.  G.  u.  B.G.  Obl.  klass.  Phil  u.  Gesch.    Oberbargermeister. 
Wesel,  H.M.S.    Direktor.    Oberbürgermeister. 

Yerlag  Ton  Friedrich  Andreas  Perthes,  Aktiengesellschaft,  C^otha. 

EilfsbücUein  für  den  lateinisclien  Unterriclii 

Zusammengestellt  von 
Professor  Dr.  R.  Schnee. 


£]rster  Teil:  FHrasexisaxxixKil-ULrLg. 
Preis:  Jf  1.—. 

Zureiter  Teil:  Sülistisolie  Ziegeln. 

Preis:  Jf  ~.80. 


Hetbodisclier  Lebrer- Kommentar  zn  lenoplions  Anabasis. 

Bearbeitet  von  Dr.  fieimer  Hansen. 

1.  Heft:  Buch  I.    Preis:  Ji  3. 

HetMiscber  Lehrer -Kommentar  zn  OTids  Metamorphosen. 

Bearbeitet  von  Dr.  Adolf  Lange. 
1.  Heft:  Booh  I— Y.    Preis:  Jt  4. 

Zu  beziehen  durch  alle  Buchhandlungen.  *1H 


Fftr  di«  BedAktloii  T«rantwortlieh  Dr.  E.  Ll<wl|  in  Brtnti 
Drmek  omd  YtrUg  toa  Fritdrieli  AiidzM»  P«rth6i,  AktiMgeMllaelian,  Gotti*. 


Oofha,  30.  Mal  Kr.  U,  Jahzgang  1908. 

Neue 

PhilologischeRundschau 

Heraosgegeben  Ton 

Dr.  C.  Wagener  und  Dr.  E.  Ludwig 

in  Bremen. 

Bnoheint  alle  14  Tage.  —  Preis  fttr  den  Jahrgang  8  Mark. 

Bestellongen  nehmen  alle  Bnchhandlnngen,  sowie  die  Postanstalten  des  In-  nnd  Anslandes  an. 

Insertionsgebtthr  für  die  einmal  gespaltene  Petitzeile  80  Pfg. 

Inhalt:  Die  Mailänder  Demostbenes-Handschrift  D  112  sap.  (J.  May)  p.  241. 

Bezensionen:  135)  A.  Zingerle,  Livi  ab  arbe  condita  libri;  YlL  Faso.  HI. 
Liber  XXXXIII  (F.  Laterbacher)  p.  251.  —  136) M.  Hodermann,  Unsere  Armee- 
sprache  im  Dienste  der  Cäsar -ÜbersetzuDg  (Broncke)  p.  252.  —  137)  W.  Frei, 
h err  von  L an dau,  Die  Stele  von  Ajniitb  (B.  Hansen)  p.  253.  — 138)  G.  Tropea- 
Nnmismatica Messano-Mamertina  (0.  Hey)  p.  254  —  139)  A.  Waldeck,  Praktische 
Anleitung  zum  Unterricht  in  der  lateiniscnen  Grammatik  (E.  Köhler)  p.  254.  — 
140)  K  Scbnee,  Hil&bflchlein  f&r  den  lateinischen  Unteiricht  (M.  Kleinschmit) 
p.  255.  —  141)  P.  S tapfer,  Victor  Hugo  et  la  Grande  Poesie  Satiriqae  en 
France  (Erich  Meyer)  p.  256.  —  142)  H.  Scherer,  Une  Familie  pendant  la 
Gnerre  1870/71  par  Mme  B.  Boissonnas  (E.  Werner)  p.  258.  —  143)  F.  J.  Wers- 
hoven,  Frankreich  (Ad.  Wad^erzapp)  p.  259.  —  144)  J.  Koch,  Geo£Erey  Chancer, 
The  Pardoner*s  Prologne  and  Tale  (H.  Jantzen)  p.  260.  —  145)  F.  Bentsch, 
Talks  abont  English  Life  (Ad.  Wackerzapp)  p.  262.  —  146)  Ph.  Hangen, 
Englische  Übnngsbibliothek.  Nr.  4:  Gutzkow,  Zopf  und  Schwert  (H.  Hofibcbnite) 
p.  262.  —  Vakanzen.  —  Anzeigen. 

Die  Mailander  Demosthenes-Handschrift 
D  112  sup. 

Von  J.  Hay  (Dnrlacb). 
Da  schon  längere  Zeit  keine  Fortsetzung  der  Kollation  dieser  Handschr. 
erschien,  so  sei  wiederholt,  dab  behnfs  Yereinfachong  des  Materials  nicht 
mehr  die  zahlreichen  mit  FQ  Qbereinstimmenden  Lesarten,  sondern  nur 
die  allerdings  nicht  zahlreichen  Stellen  verzeichnet  sind,  an  denen  D  von 
FQ  abweicht.  Wenn  also  bei  Dindorf  oder  Blafs  die  Bezeichnung  FQ 
erscheint,  so  gilt  dies  auch  fflr  D,  falls  nichts  Besonderes  bemerkt  ist. 
Im  übrigen  beweist  auch  die  folgende  Kollation  zu  den  Beden  45.  46. 
47.  48.  49,  dafs  D  mit  den  besten  Handschriften  konkurriert 

Bede  45. 
^Yftöd'eaig  Toff  ytarä  Sveq>dvov  xpevdogiaQtvqi&v  i^yov.    Überschrift 
der  Bede  selbst: 


242  Neue  Philologiacbe  Rundschau  Nr.  11. 

Kaxä  Sr9q>dy(w  xpevdofioQtvfUSv  Xdyog  fCQörog. 

1  61  dtiMxatal  ^).  2  alaxqo-Mqdlav ')  (pr.  2).  vfy^  %b  tohcv  nw. 
(F2Q).  —  8  noklj&  ')  &yav.  —  6  Sfiq^avog  oiroal  *).  —  nunB/ia^viS- 
iptfiB.  xai  %  —  6  eddvdmav  elaiiyai  •).  —  ^iv  oft'  ^  —  8  *^fi- 
q>lag  (Q).  —  9  cäa&dvBO&i  mw  gegen  FQ.  —  11  fii^  /uc  d'iXuv.  — 
ädi  du  axoTceUe  ^.  —  tivog  Sv  etvsKSv.  Dazu  Bandbemerkung:  yq.  yuxi: 
roCf  Tig  fiv  *).  —  13  TtQÖg  dv  rö  Tr^tfyfia").  —  16  äyayeiv  TtQÖg  ifißg.  — 
16  0^  eifeaviv^^)  hart.  —  l%w  noC  «■.%.—  17  *^Si^un.  —  hti 
Toütiav  ija^^).  —  19  Idße^^)  (40i.  {¥).  —  KjBq>dJitavoQ  (BFQ).  —  21  ro€f 
^fioü  Ttqg.    —    22  eidad'ai.  —   23  rmciy  SHtav  (v.  corr.  2).  —  24L  Sy 


a 

1)  An  anderen  Stellen  ist  gesolnieben:  o»  «fixaerTa/;  das  obige  Zeieben  ftber  o»  be- 
deutet «f.  So  liest  D  überall,  also  immer  &  äv^Qis  itxaarat  und  nicht  &  iiMaarai, 
§  3  ist  S  äpSQ€s  ^ixaaral  ausgeschrieben.  Nach  2  ist  aber  in  §  1  i&c  äpigeg  U^- 
vaZw  zu  lesen. 

2)  Diese  Form  in  D  immer. 

8)  So  schreibt  D  nicht  selten  den  Dativ  dieses  Wortes.  An  sich  wäre  ja  eine 
volleic  Fonn  vor  &yav.  erwünscht,  aber  disr  Dati?  statt  des  passenden  Akk.  des  In- 
halts ist  sehr  zweifelhaft 

4)  Ebenso  xarä  St^tp,  6  §  1.  in  §  18  sogar  yfyon  StiqmfOi  o^oifi. 

5)  An  noch  anderen  Stellen  fehlt  in  D  am  Schlüsse  des  Satzes  y,  so  §  85  na^- 
taxiiSaae;  xal,  §  49  igoVai.  itxäaiiv.    Ebenso  vor  kleineren  Interpunktionen  (Komma). 

6)  Der  Dativ,  obwohl  er  bei  Isäus  steht,  scheint  nicht  Demosthenischer  Sprach- 
gebrauch zu  sein,  denn  Bede  84,  4  heüst  es  auch  ei^v&utiav  eladtfra. 

7)  So  trennt  D  bei  dieser  Form  immer,  ebenso  ohe  ovp, 

8)  An  der  Stelle  scheint  die  Interpunktion  nicht  richtig  zu  sein.  Der  Satz  &X£  & 
bis  ävofyHv  ist  Vordersatz  zu  Ad%  Sij  axoneZre,  also  Komma  nach  ävoiye&vi  Ich 
sage  noch  nichts  darüber,  ob  dies  Testament  wahr  oder  falsch  ist;  ich  werde  euch  so- 
gleich darüber  belehren,  sondern  was  sie  bezeugt  haben,  dab  ich  das  Dokument 
nicht  eröffiien  wollte,  erwäget  folgendermafiaen :  „sed  illud,  quod  testati  sunt  me  ta- 
bulas aperire  noluisse  sie  considerate"  (H.  Wolf  -  Schäfer).  Auch  in  dieser  Übersetzung 
also  sind  beide  Sätze  zusammengenommen.  Nimmt  man  dies  an,  dann  pafiit  besser 
d>&i  iet  axoTtitv.  axon€Zr€  kann  aus  miÜBverständllcher  Lesung  entstanden  sein,  denn 
axoTtitv  wird  handschriftlich  so  geschrieben,  daCi  man  es  für  axoneire  lesen  kann: 
axoTtitrC. 

9)  Wenn  entores  Sinn  haben  soll,  dann  wäre  auch  llg>ivyw  nötig,  denn  der  Bedner 
spricht  von  sich. 

10)  Ist  zweifellos  richtig,  denn  erstens  geht  rd  ngäy/Aa  voraus,  zweitens  ist  der 
Ausdruck  ganz  allgemein:  quocum  mihi  res  erat. 

11)  Wird  von  den  Bednem  gern  gebraucht. 

12)  Jedenfalls  ro^ot^,  aber  ^  deckt  sich  mit  £  und  Bsiskes  Konjektur  y«.   In  D 
fehlt  nur  iota  subscr. 

18)  D  akzentuiert  immer  so. 


^-^ 


Nene  Pbilologiidie  BundaehMi  Nr.  11.  248 

Uetiiaag^).—  döSg  (¥).  —  ij  fA^  ^njalp^  (FQ!)-  —  26  hainog^).  — 
3j  fiijy  q>.  (P).  —  27  iji'  yäq  (BF2Q).  —  roAtm  *)  fCfCiffW  fih.  — 
iomTia  dta9^fi.  —  Sniag  fiij  iöau  —  30  ii  &  t^d.  (Q).  —  81  Xdßß 
A;  iUOt(F).  —  33  9^8iy (BF2Q).—  fiOXloif  ävau  —  34  wu  %ä  älXa  ^).— 
i§Bipai  di{S).  —  ftcerreXOg  dij;ioi(BF2Q).  —  xoT^JU^e(F2Q).  —  37  xa2  6  — 
eldßiij  (BFQ).  —  39  hukeQog  rib  %  —  y9fqamiha  irtb  TOtkov  ^).  — 
alaxfSyriy  roaaövip  %ai  Vßqw  ^  ^L•  —  41  I6aai  ^)  xot  xa^\  —  42  iii- 
99iaaiQ  (2Q).  —  43  änlC^  adr<S>^^).  —  «l  if  hmv  Ij  fiij,  walka  oödiy 
aßv^  fCfoailjiui  cxoTteh^^).  —  44  ßikrunw  yAq  hsti}^.  —  nffoauftih 
(F).  —  r6  %  6lni^%  —  47  yuaxiatoi  (2).  —  48  ^  o6d^  hefiv  ye.  — 
51  tilg  yQogftJg  (F).  —  63  yeyqafAfiiyovg  ö  r.  Svd-q.  fiSvw  rdfiOvg^*).  — 
55  d'WfAviljaTav  (Q).  —   67  ^icciy  (corr.  S).   —  hoikrop  r^  hJ'VV*  — 


1)  Wie  Wolf  und  Beiake  geinmit  haben. 

2)  „Omiiino  afifamaf 
8)  ITie  Wolf. 

4)  iDteresBant  ist,  dab  SchSfer  zu  den  folgenden  xvqti^  y,  bemerkt:  „DaÜTnm 
(arv^)  tnerer,  bIt.  19  (das  itt  eben  die  Torliegende  Stelle)  scfiptnm  eaeet:  i)y— roOro 
4>oqfiiuv&  nQßTw  fikv."  Nnn  eteht  hier  der  ¥<m  Schäfer  Terlangte  DatiT,  also 
wird  obige  Lesart  richtig  sein. 

5)  Sonst  immer  t&XltL 

6)  Steht  iwar  IX^  am  niehsten,  ist  aber  anch  nidit  mehr  weit  ¥on  der  WoUbohen 
Konjektur  entfernt 

7)  Ist  die  bessere  Stellang. 

8)  Die  SteUnng  wird  wohl  richtig  sein. 

9)  So  aksentniert  D  immer;  das  folgende  nal  bedeutet  „sogar"  und  verstärkt 

10)  Zn  betonen  ist»  da&  Gegensatz  und  Nachdruck  nicht  in  airög  und  ixitvw 
liegt,  sondern  in  raüra  fikv  und  rä  «T  äXXa.  a^6g  ist  Koi^ektar  Wolfii,  a^6  B^, 
was  natfirlich  unmöglich  ist.  Das  Natfirlichste  wäre  nun,  da  unmittelbar  vorher  Phor- 
mion  genannt  wird  und  das  Subjekt  au  qnfau  Stephanos  ist,  {änXBg)  oitog  zu  sagen, 
womit  der  Gegner  bezeichnet  wird.  Es  geht  aber  auch  ohne  ausdr&cklliohe  Bezeich- 
nung aus  dem  Znsammenhang  herror,  dals  Stephanos  als  Subjekt  zu  denken  ist.  £twa 
auf  Grund  der  Lesart  von  D  «ütf? 

11)  Diese  Interpunktion  hat  viel  f&r  sich,  dann  aber  aör^  nffoa^jßuv.  Der  Satz 
ist  wirksamer  ohne  auomZv, 

12)  D  interpungiert  nach  ivtUduav,  wahrscheinlich  um  yäq  zu  erklären;  yd^  ist 
aber  unmöglich,  wenn  nicht  nach  &va(d,  etwas  ausgefiülen  ist. 

18)  Kommt  natürlich  auf  nichts  anderes  als  auf  x6j  qIv  hinaus.  Es  ist  aber  die 
Frage,  ob  rdrc  heilst:  zweitens  oder  damals  und  ob  Umna  xal  als  der  dritte  Fall  an- 
zunehmen ist  rdrc  ist  aber  nicht  der  richtige  Ausdruck,  um  den  zweiten  Punkt  zu 
bezeichnen.  Wenn  aber  rdrc  damals  bezeichnen  soll,  so  weils  man  nichti  wann?  In 
r6t€  scheint  ein  Fehler  zu  liegen. 

14)  Bei  dieser  Stellung  ist  ^drov^  unmöglich. 


iU  Nene  Fliilologiiche  BondBcban  Nr.  11.         

59  roOtor  SUm.  %ov  (F2Q).  —  60  ^wfiiaaa^B.  —  62  inlav.  lonnrij).  — 
o&c  liy  idi^oTO  ^  (PQ).  —  d&tj&ivTog  rov  djoijaai  Jiy  »).  —  68  dobg  d» 
d.  »).  —  ^iM  avriß.  *)  (F).  —  ida  *).  —  64  tä  nL  rä  (2).  —  vä 
tpevdfl  64  jMOv  q>av.  oSrwg  •).  —  65  fiij  SXlo  (PQ)  /uijdei^  OMnüv  (Q) 
jf/roig  ttA^  ?fei ').  —  66  Xeirovqylav  edgarav  (P).  —  67  Tcrg  lovrdb.  — 
69  addiva  ®)  Ä^.  —  70  roüvov  ^gieig.  —  78  tag  •)  d^  dg  %.  n.  — 
81  eig  riva  Sv  vaCta  di^ayeg;  —  82  ifiOÜ  d^  ücfiro»^®).  —  84  ^' 
Sv  adriy^^)  d-avfiü^ead-ai.  nq.  —  86  o^  ixcrydi»**)  rb  ßdtOQ.  —  lavtb^ 
Oiij*«/ij").  —  87  nqbg  hiaatw  om.  wxl  (P2Q).  —  t/j  ofc'  ij  (P).  — 
88  tfjg  Sy€t¥  X.  (geg6ii  P2Q). 

Bede  46. 
*Y7t6dwig  ToC  luxtä  atiq^Avcn)  tpevdofiaQtvQi&v  löyov  B. 

TtQoaeiadyetai,^*). 

Katä  OT&pivov  rpBvdoiAafjTvqiöv  Xo  B. 

3  rag  di  dcadi^yuxg  fii)  ^^eiv  (P2Q).  —  olde  (B).  —   dia^ßfihfov^^)  roV 


1)  äv  wird  nach  einem  Zwischensatz  und  gerade  nach  oCx  formelhaft  h&afig 
wiederholt;  es  ist  wirklich  kein  Grand,  es  zu  tilgen. 

2)  Ans  demselben  Gmnde  wie  vorher  ist  äv  hier  berechtigt,  nnd  rov,  das  Beiske 
▼ermntet,  während  es  in  D  steht,  wird  anch  von  Schäfer  verteidigt. 

3)  Blab  behält  äv  mit  Recht  bei,  das  gesetzt  ist,  am  anzadeaten,  da&  das  hypo- 
thetische Verhältnis  sich  aach  aof  das  Partizipiom  bezieht. 

4)  fikp  häaft  die  Kttrzen. 

5)  Nor  notiert,  weil  es  aach  Schäfer  and  Beiske  tan.  D  akzentaiert  aber 
meistens  so. 

6)  oüriog  vor  Konsonant  and  zwar  vor  ». 

7)  nkipf  fehlt,  and  die  anderen  Lesarten  sind  konstroktionswidrig. 

8)  Wie  Wolf. 

9)  Ist  oflfonbar  kein  Schreibversehen ,  sondern  gesagt  als  Gegensatz  za  dem  vorher- 
gehenden ras  eh  ifittvtdv  iandpas,  »ai  8aa  ist  verallgemeinernd,  and  za  beiden  ge- 
hört noM. 

10)  Pafst  sehr  gat,  denn  es  ist  doch  sicher  nicht  anzanehmen,  daCs  der  Redner  in 
Vorder-  and  Nachsatz  die  gleiche  Partikel  angewendet  hat. 

11)  Scheint  mir  deswegen  besser,  weil  der  Gegensatz  za  roikovs  schärfer  her- 
vortritt. 

12)  Diese  Lesart  stimmt  mitBlafs  flberein,  der  8y  ebenfalls  streicht.  —  ^  Sv  td 
ist  allerdings  nicht  Demosthenisch. 

13)  Ich  glaabe  nicht,  daljs  diese  Lesart  aaf  einem  Ifiüsverständnis  beraht.  Aller- 
dings pafst  das  Partizip.  Ttmop&dr«  nicht  Es  ist  möglich,  daCi  das  an  and  für  sich 
sehr  passende  oltiMti  samt  seiner  Konstr.  daro  h  &elfi  verdrängt  worden  ist. 

14)  Wie  Wolf. 

15)  Nach  §  2  dMn&i(iivifi -- nagayivito  maus  maa  allerdings  das  Präs.  erwarten. 


^ 


Nette  Kllologlecht  Rnndacbw  Nr,  11.  S45 

^ifS-  —  4  9roy  di  xal  tobg  /liQtvifag  TtaQiaxijvm  ^).  —  6  ^AfupUav  *)•  — 
6  (iU'  S  &V  eidiji  >).  —  8  nf&motB  . . .  fi^  %  —  9  foftfi  i*  aivdg  ^).  ~ 
Ttijoavijaafiivoig^,  —  tmu  %at&  ToCfro^).  —  11  yeyfafi/Aivovg  (Q  corr. 
¥).  —  tva  d  VI  ßavlqdij  —  ijy  «).  —  13  xai  oi  idlXloig  •).  —  ^jocr- 
STti^kthuas.  —  dwn^ae.  —  17  diyvi}%  —  23  ijßo6le%o  (2).  —  25  gw»/- 
yij*  (B).  —  26  'Brfy  rtg  awustStai}^  —  awiatäu  —  k  xä  XJÜ*  (F).  — 
27  i}d^ais  To/jw.  —  28  Sri  dia^xij^  (2QWolf). 

Bede  47. 
'YTtöd-eaig  toC  luxtä  EUqyov  xai  Mmfpißoiijov  tffeviofiaQTVQl  Uyov. 
1  vawi^xijr  yQfig>etai  xpi^q>ia(4a^*).  —  Jvi(AO%iqri  (F).  —   2  /riL  dJU 
h/jL  hfkuvav  (P2).    —    %ai  %a%   &XU^)  (P2).    —    3  cSg  yjevaofiivoig 
(P2).  - 

Jfoträ  Ediqyov  xul  Mmffißailov  tlmvdofiafWfiöy. 
3  tfrriq>laea&B.  —  5  Nach  i^di^  /«i^  i}y  steht  o^oZ^  (2).  —  wl  vüp  di 


lyUt  nachdrfickliche  Wiederanfoahme  des  vorhergehendea  AoBdraekSi  die  wegen 
des  folgenden  toijtois  nicht  nnwahracheinlicb  ist. 

2)  In  der  yorbergehenden  Bede  liest  D  *4fi(pias, 

8)  Wie  nahe  D  mit  JIT  oft  sieb  berfibrt,  eiebt  man  ancb  bier.  D  nnprfinglicb  wie 
S  pr.  bloÜB  äp,  dann  ist  aber  in  D  A,  wie  oben  angegeben,  darüber  geschrieben. 

4)  Solche  Basnren,  in  £  bänfigi  sind  in  D  sehr  selten;  es  sollte  nss  wnndem, 
wenn  in  ^  an  derselben  Stelle  nicht  anch  Basnr  wäre. 

5)  Richtig  und  notwendig  (Hiatus).  —  H.  Wolf-Schäfer  flbersetxea:  re  ipsa  verOi 
wie  wenn  ik  im  Text  stände.  Die  Lesart  ^^91  <f  bietet  sich  von  selbst.  In  der  Begd 
heifst  es  aber  sonst  noch  nQ6<paa&v  fih, 

6)  Ist  nattbrlich  nnrichtig;  höchstens  ngoarfiaafAivtfi  zn  a^f. 

7)  Ans  dem  folgenden  a^o  roikov  mnls  man  allerdings  scblielseni  dab  ar«f 
u^6  roCfro' besser  ist 

8)  ,,notanda  oonstmetio"  sagt  Schäfer.  Festznsteilen  ist,  dafs  ngoa^t  yorans- 
geht;  tva  mit J dem  Imperf.  wäre  aber  nur  möglich,  wenn  es  Ttgoalfitep  hielbe.  Der 
Eonj  nach  el  ist  zwar  sehr  selten,  kommt  aber  doch  vor.  Belassen  könnte  also  Bl-fiov- 
Xtid^  werden,  aber  ^  nicht    Statt  dessen:  ^. 

9)  So  geschrieben,  bedeutet  sber  keine  Verschiedenheit  von  o^  ällo&s. 

10)  Hierbei  kommt  es  ganz  darauf  an,  ob  man  unter  t^  —  i6ytt  Pasion  versteht. 
In  diesem  Fall  ist  alte  Lesart  richtig.  Versteht  man  aber  unter  der  in  Frage  kom- 
menden Person  Phormiouy'^dann  ist  die  Lesart  von  Blafo  besser. 

11)  Zu  ifwtatfiTM  sdueibt  Wolf  „quasi  esset  ßoQfkmfw  ifwiatofAa&,  ävwl  roO 
ifvptaTärtu".    In  D  steht ^also  diese  Form. 

12)  Es  fehlt  also  bier  Miu  mt.  rq.  xaX.    Das  gibt  auch  einen  guten  Sinn,   da 

18)  Wolf  schlägt  vor  jmiI  »ot  äU^lw  «f/xa;  ämfpiyMap  ahtiae,  was  sehr  beach- 
tenswert ist. 


Nene  Pbilologigcbe  BandaobAn  Nr.  10. 


13  t)  K  Engelke,  Cahier  de  HotM.  Stdlistisches  Hilfis-  und  Merk- 
buch des  FranzösiBohen  ffir  Sohfiler  der  Oberklassen,  eingerichtet  | 
zar  Aufnahme  von  weiteren  im  Unterrichte  voigenommenen  Be-  | 
obachtongen  und  idiomatischen  Ansdrficken.  Gotha,  Friedrich  | 
Andreas  Perthes,  1902.  192  S.  8.  geb.  Jf  LbO.  \ 
Einen  an  sich  nicht  üblen  Oedanken  hat  der  Verf.  in  diesem  Buche  ver-  i 
wirklicht.  Von  der  Tatsache  ausgehend,  dafs  nichts  so  bildend  wirkt  als 
das  selbst  Erarbeitete,  und  dafs  eine  Phrase  ihre  rechte  Bedeutung  erst 
im  lebendigen  Zusammenhange  zu  zeigen  vermag,  will  Engelke  den  Schüler 
selbsttätig  zur  Mitarbeit,  zum  Beobachten  und  zum  Sammeln  des  Sprach- 
materials heranziehen.  Er  hat  sich  daher  im  allgemeinen  auf  einen 
kleinen  Stamm  von  Beispielen  beschränkt,  den  der  Schiller  selbständig 
oder  unter  Anleitung  des  Lehrers  vermehren  kann.  Zu  diesem  Zwecke 
ist  das  Buch  reichlich  mit  leeren  Blättern  durchschossen,  und  der  Schfiler 
ist  so  in  der  Lage,  die  aus  der  Lektfire  neu  gewonnene  sprachliche  Be- 
lehrung an  passender  Stelle  einzutragen,  das  Neue  in  ein  System  von  ähn- 
lichen und  bekannten  Ausdrücken  einzugliedern  und  es  so  vor  dem 
häufigen  Schicksal  des  schnellen  Yergessenwerdens  zu  retten.  —  Das  ganze 
Werk  ist  aus  allmählichen  Aufzeichnungen  des  Verf.  hervorgegangen,  wie 
man  ihm  noch  deutlich  anmerkt.  Es  ist  dadurch  recht  VerschiedenartigeB 
zusammengeraten:  stilistische,  synonymische,  orthographische,  lexikalische, 
grammatische,  etymologische,  historische  und  phraseologische  Bemerkungen 
fallen  die  verschiedenen  Rubriken,  ein  reiches  Material,  das  an  einigen 
Stellen  noch  besser  hätte  geordnet  werden  können.  So  wäre  S.  45  bei 
den  Wörtern  mit  leicht  zu  verwechselndem  Geschlecht  wenigstens  alpha- 
betische Reihenfolge  zu  beobachten  gewesen.  Die  stilistischen  Ratschläge 
sind  etwas  äufserlich  ausgefallen.  Wenn  z.  B.  S.  8  ohne  weiteren  Zusatz 
der  Gebrauch  des  historischen  Infinitivs  angeraten  wird,  so  mufs  das  dem 
Schüler  einen  ganz  falschen  Begriff  von  der  Verwendbarkeit  dieses  Stil- 
mittels geben.  Auf  S.  68  ist  die  Regierungszeit  Ludwigs  XIV.  falsch 
angegeben. 

In  der  Hand  verständiger  Schfiler,  die  einige  Anleitung  in  der 
Einrichtung  solcher  Sammlungen  erhalten  haben,  könnte  sich  das  Heft  recht 
nützlich  erweisen. 

Bremen.  W.  BShrs. 


\ 


itene  llulologuche  RondBchau  Nr.  10.  ^Si 


132)  Lndw^   HaBbei^y    Englische   Lieder  mit  Singnoten  und 
Wörterbuch.    Leipzig,  Rengersche  Bachhandlang,  1902.    80  S.  8. 

geb.  Ji  1.  —. 

Das  Bändchen  enthUt  auf  S.  3—6  eine  ausführliche  Vorrede,  die 
besonders  darauf  hinweist,  dafs  die  Lieder  und  Melodieen  einer  solchen 
Sammlung  fflr  jede  Elassenstufe  praktisch  und  bequem  verwendbar  ge- 
gewählt sein  mfissen,  dafs  das  Singen  fremdsprachlicher  Lieder  und  Ge- 
dichte eine  lautlich  reine  Aussprache  vermitteln  sowie  das  Lernen  von 
Vokabeln  und  Bedewendungen  erleichtem,  dab  es  nützlich  und  angenehm 
ist,  wenn  die  Schfiler  ein  fremdsprachliches  Liederbuch  durch  alle  Elassen- 
stufen  hindurch  in  ihren  Händen  haben.  Auf  S.  7—11  befinden  sich 
„kurze  Vorbemerkungen",  die  einfach  und  klar  gehalten  sind  und  aus 
folgenden  Abschnitten  bestehen:  1)  Erst  der  Laut  und  dann  die  Schrift, 
2)  Stimmhafte  und  stimmlose  Laute,  3)  Kurze  Bemerkungen  fiber  die 
englische  Aussprache,  4)  Die  Bindung  im  Englischen,  5)  Das  Singen  eng- 
lischer Lieder. 

Dann  folgt  auf  S.  12  und  13  das  Inhaltsverzeichnis  der  Lieder,  auf 
S.  14  das  Verzeichnis  nach  Melodieen,  auf  S.  15 — 67  der  Text  der  Liedw 
und  die  zu  jedem  Liede  oder  jeder  Liedergruppe  gehörigen  Singnoten;  auf 
S.  58  befinden  sich  die  Lautzeichen  und  deren  charakteristische  englische 
Schreibweise  nebst  treffenden  Beispielen,  wobei  au,  ai,  oi  konsequenter 
durch  a^,  a^,  ai  wiedergegeben  wäre.  Auf  S.  69—80  findet  sich  das  Vokabu- 
larium und  zwar  so,  dafs  fär  jedes  Lied  gesondert  die  den  Schfilern  etwa 
unbekannten  Wörter,  Wendungen  und  Verbalformen  angegeben  sind.  Die 
Aussprache,  allerdings  ohne  Angabe  des  Wortakzentes,  ist  zum  Teil  bei- 
gefügt, in  manchen  Fällen  sogar  Qberflüssigerweise  (z.  B.  bei  hd,  do, 
steep  etc.,  die  schon  als  MusterwOrter  in  der  Lauttabelle  stehen),  in  an- 
deren Fällen  aber  ohne  Orund  unterlassen  (z.  B.  bei  shepherdess,  beauti- 
fuly  unharmed  etc.). 

Die  Liedersammlung  enthält  Lieder  und  Gedichte,  die  englischen 
Liedersammlungen  entnommen  sind,  oder  die  der  Verf.  selbst  im  Auslande 
gesammelt  hat,  daneben  auch  elf  Übersetzungen  bekannter  deutscher  Lieder. 
Die  Wahl  der  ersteren  ist  zweckmäTsig  geschehen,  die  Zahl  der  letzteren 
scheint  mir  dagegen  zu  grofs,  eins  oder  zwei  als  Probe  englischer  Über- 
setzung hätten  auch  genfigt,  da  man  wohl  kaum  Übersetzungen  wie  The  Watch 
on  the  Bhine,  The  Linden  Tree,  When  the  Swallows  homeward  fly  etc.  lernen 
und  singen  lassen  wird,  wenn  einem  englische  Originale  zu  Gebote  stehen. 


240  Kette  ^hildqgiflche  Bundschan  Kr.  10. 

die  Vorteile  und  Nachteile  der  „  Beform  ^^  am  eigenen  Leibe  kennen  ge- 
lernt and  beantworte  heute  diese  Frage  mit  einem  überzeugten  Nein. 
Sbenso  fiberlasse  ich  neidlos  den  Beformem  (S.  14)  „die  von  einigen  der- 
selboi  berichteten,  zum  Teil  ganz  iabelhaft  klingenden  Erfolge '^  und  freue 
mich  fBr  meine  Person  Qber  jeden  wirklichen  Erfolg,  mag  er  noch  so 
bescheiden  sein. 

Kauen.  Friae. 

Vakanzen. 
Attendorn,  0.  ObL  Math.    Bfirgermeister. 
Brandenburg^  G.  Obl.  kbss.  PhiL    Magistrat. 
Danzlg,  H.M.S.  Obl.  N.  Spr.    Magistrat. 

—      Stadt.  G.  Obl.  Math.  u.  Turnen.    Magistrat. 
Dortmund,  O.RS.  zwei  Obl.  1)  Math.  2)  N.  Spr.  Gesch.  Schulknratorium. 
Elblng^  Augusta-Viktoria-Sch.  (H.M  S.)  Obl.  Deutsch.    M^istrat 
Eschwege,  G.  Obl.  klass.  Phil.    Kuratorium. 

Frankfiirt  a.  M.,  Elisabethsch.  (H.M.S.),  Direktor.  Kuratorium  d.  höh.  Seh. 
Graudenz,  O.B.S.  zwei  Obl.  1)  Math.  2)  N.  Spr.  oder  Deutsch  u.  Gesch. 

Magistrat 
Itzehoe,  B.S.  Direktor.    Kuratorium. 
Kattowltz,  O.B.S.  Obl.  Math.  Nat.  od.  N.  Spr.    Magistrat. 
EOln,  Stfidt.  G.  u.  B.G.  Obl.  klass.  Phil.  u.  Gesch.    Oberbargermeister. 
Wesel,  H.M.S.    Direktor.    Oberbürgermeister. 

Yerlag  Ton  Friedrich  Andreas  Perthes,  Aktiengesellschaft,  Gotha. 

HilfsbücUeizi  für  den  lateinisclien  Unterriclii 

Zusammengestellt  von 

Professor  Dr.  R.  Sclinee. 

Elrster  Teil:  FlxTasexisfli rr\ nulmi g« 

Preia:  Ji  1.—. 

Zureiter  Teil:  Stilistisolie  ZlecelaL. 

PreiB:  Ji  —.80. 


HetMscIier  Lebrer- Kommentar  zn  lenoplions  Anabasis. 

Bearbeitet  von  Dr.  ficimer  Hansen. 

1.  Heft:  Buch  I.    Preis:  Ji  3. 

HetMscIier  Lehrer -Kommentar  zn  Ovids  Metamorphosen. 

Bearbeitet  von  Dr.  Adolf  Lange. 
1.  Heft:  Booh  I— Y.    Preis:  J$  4. 

Zn  besdelien  durch  alle  Buchhandlungen. 


DriAk 


Fftr  dU  S«dAktioii  ▼•rantworüieh  Dr.  E.  Lidwli  in  Brtati 
ui  VtrlAf  Ton  Fri«drieli  ABdzM»  PwtkM,  AktitiifftMUfleliafl,  Gotti*. 


Gotha,  30.  Mai  Hr.  U,  Jalugaag  1908. 

Neue 

PhilologischeRundschau 

HeraoBgegeben  Ton 

Dr.  C.  Wagener  und  Dr.  E.  Ludwig 

in  Bremen. 

Knoheiiit  all«  14  Tage.  —  Preis  fllr  den  Jahrgang  8  Mark. 

Bestellangen  nehmen  alle  Bnchhandlongen,  sowie  die  Postanstalten  des  In-  und  Aoslandes  an. 

Ittsertionsgebtthr  für  die  einmal  gespaltene  Petitxeile  80  TU» 

Inhalt:  Die  Mailänder  Demostbenes-Handschrift  D  112  sap.  (J.  May)  p.  241. 

Bezensionen:  135)  A.  Zingerle,  Livi  ab  nrbe  condita  libri;  YlL  Faso.  HI. 
Liber  XXXXIII  (F.  Lnterbacher)  p.  251.  —  ld6)M.  Hodermann,  Unsere  Armee- 
sprache  im  Dienste  der  Cäsar -Übenetzung  (Bmncke)  p.  252.  —  137)  W.  Frei, 
herr  von  Landau,  Die  Stele  von  Ajniitb(B.  Hansen) p. 253. -- 138)  G.Tropea- 
Nnmismatica  Messano-Mamertina  (0.  Hey)  p.  254  —  139)  A.  Wal  deck,  Praktische 
Anleitung  zum  Unterricht  in  der  lateiniscnen  Grammatik  (E.  Köhler)  p.  254.  — 
140)  B.  Schnee,  Hil&bflcblein  f&r  den  lateinischen  Unteiricht  (M.  Kleinschmit) 
p.  255.  —  141)  P.  S  tapfer,  Victor  Hngo  et  la  Grande  Poesie  Satiriqae  en 
France  (Erich  Meyer)  p.  256.  —  142)  H.  Scherer,  Une  Familie  pendant  la 
Gnene  1870/71  par  Mme  B.  Boissonnas  (E.  Werner)  p.  258.  —  143)  F.  J.  Wers- 
hoven,  Frankreich  (Ad.  Wad^erzapp)  p.  259.  —  144)  J.  Koch,  Geo£Erey  Chancer, 
The  Pardoner*8  Prologne  and  Tale  (H.  Jantzen)  p.  260.  —  145)  F.  Bentsch, 
Talks  abont  English  Life  (Ad.  Wackerzapp)  p.  262.  —  146)  Pb.  Hangen, 
Englische  Ubnngsbibliothek.  Nr.  4:  Gutzkow,  Zopf  und  Schwert  (H.  Hofibchnite) 
p.  262.  —  Vakanzen.  ^  Anzeigen. 

Die  Mailänder  Demosthenes-Handschrift 
D  112  sup. 

Von  J.  Hay  porlach). 
Da  schon  längere  Zeit  keine  Fortsetzung  der  Kollation  dieser  Handschr. 
erschien,  so  sei  wiederholt,  dab  behnfe  Verein&chang  des  Materials  nicht 
mehr  die  zahlreichen  mit  FQ  übereinstimmenden  Lesarten,  sondern  nur 
die  allerdings  nicht  zahlreichen  Stellen  verzeichnet  sind,  an  denen  D  von 
FQ  abweicht.  Wenn  also  bei  Dindorf  oder  Blals  die  Bezeichnung  FQ 
eTBCheint,  so  gilt  dies  auch  ffir  D,  &lls  nichts  Besonderes  bemerkt  ist. 
Im  fibrigen  beweist  auch  die  folgende  Kollation  zu  den  Beden  45.  46. 
47.  48.  49,  dafs  D  mit  den  besten  Handschriften  konkurriert 

Bede  45. 
*Yft6&B(fig  ToO  ytarä  Sveqxhov  tpeväo(4a(jtvQiöv  i^yov.    Überschrift 
der  Bede  selbst: 


242  Neue  Philologiflche  Bnndgehan  Nr.  11. 

'.I  '  I „    ■■     ■■  .  ,  ■       •.,.., 

Ka%ä  SfBqnhwf  yßevdofAantvdiöif  X6foq  ftf^og. 

1  Ol  ivMunal  *).  2  aia%(iOMqdUxv  *)  (pr.  2).  vfyf  %b  to6tav  no9. 
(F2Q).  —  3  ftol!U&^  äyar.  —  6  Jk^avog  ofeari*).  —  nunefictft^ 
ff/ae.  luxl  •).  —  6  svdvdiyUar  daihat  •).  —  tjiftt»  (A^ ').  —  8  Wfi- 
iplag  (Q).  —  9  cia9Avw»i  nta  gegen  FQ.  —  11  ijh^  lu  »iXur.  — 
&de  du  (nLOTteiTB  *).  —  rirog  Bk  ävenm.  Dazu  Bandbemerkang:  yg.  nuxi: 
ToC  Tig  &  •).  —  13  nfög  dv  td  nQäyfiä^^  —  16  dyayäy  ^qAq  ifiäg.  — 
16  o&c  tnaTiv^^)  havr.  —  1?«  noü  t.  %.  —  17  *A9^iau  —  hcl 
tohm  ^a").  —  19  Uße^^)  fioi  (P).  —  Keq>dlmos  (BFQ).  —  21  w« 
^fioß  nqg.    —    22  ddadtti.  —   23  vinor  SXlof^  (y.  oorr.  2).  —  24  fi^ 


1)  Ab  anderen  Stellen  ist  gesollrieben:  »  dumnat^  das  oUge  Zeiehan  fiber  m  be- 
deutet 6,  So  liest  D  ftberall,  also  immer  &  Svdqtt  StMwnai  nnd  nicht  i  dumsttd, 
§  3  ist  f5  ä^qiQ  dmaarai  ausgeschrieben.  Nach  S  ist  aber  in  §  1  «^  aM^c  *A^ 
vaio&  an  lesen. 

2)  Diese  Form  in  D  immer. 

8)  So  schreibt  D  nicht  selten  den  Dati?  dieses  Wortes.  An  sich  wSre  ja  eine 
▼ollere  Form  Tor  Ayav.  erwfinscht,  aber  der  Dativ  statt  des  passenden  Akk.  des  In- 
halts ist  sehr  iweifelhaft 

4)  Ebenso  xarä  Sntp.  B  §  1.  in  §  18  sogar  yiyoift  St^popot  o^od. 

5)  An  noch  anderen  Stellen  fehlt  in  D  am  Schlosse  des  SatMS  y,  so  §  86  nm(f- 
taxtiktat ;  «al.  §  49  i^i>a$.  Suiäottv.    Ebenso  vor  kleineren  Interpunktionen  (Konuna). 

6)  Der  Dativ,  obwohl  er  bei  Isans  steht,  scheint  nicht  Demosthenischer  Spraoh- 
gebraneh  an  sein,  denn  Bede  84,  4  heüst  es  auch  tt^vdutitnß  ckrtdrro. 

7)  So  trennt  D  bei  dieser  Form  immer,  ebenso  otx  ovr. 

8)  An  der  Stelle  scheint  die  Interpunktion  nicht  richtig  an  sein.  Der  Sati  iiH  B 
bis  &vo^ytir  ist  Vordersatz  zn  A&l  i^  mtondtiy  also  Komma  nadi  äpoiytwi  Ich 
sage  noch  nichts  darüber,  ob  dies  Testament  wahr  oder  füseh  ist;  ich  werde  eoch  so- 
gleich darüber  belehren,  sondern  was  sie  beiengt  haben,  dab  ich  das  Deknment 
nicht  erOffiien  wollte,  erw&get  foIgendermaOaen :  „sed  illnd,  qnod  testati  snnt  me  ta- 
bnlas  aperire  nolnisse  sie  considerate''  (H.  Wolf-Schftfer).  Auch  in  dieser  Obenetsnng 
also  sind  beide  S&tze  zusammengenommen.  IHmmt  man  dies  an,  dann  pa(st  besser 
dt^  6iZ  tncontiv.  OMonitu  kann  aus  miüBverstftndlicher  Lesung  entstanden  sein,  denn 
axoTulv  wird  handschriftlich  so  geschrieben,  dab  man  es  fikr  axonitti  lesen  kann: 
axontZTC 

9)  Wenn  erstqres  Sinn  haben  soll,  dann  wäre  auch  Hipivyop  n6tig,  denn  der  Redner 
spricht  von  sich. 

10)  Ist  zweifellos  richtig,  denn  erstens  geht  t6  ngäyfia  voraus,  zweitens  ist  der 
Ausdruck  ganz  allgemein:  quoeum  mihi  res  erat. 

11)  Wird  von  den  Bednem  gern  gebraucht. 

12)  Jedenfails  roCro»',  aber  ^  deckt  sich  mit  J?  und  Bdskes  Xoigektar  9«.   In  D 
fehlt  nur  iota  subscr. 

18)  D  akzentuiert  immer  so. 


Neue  Fhilologbflhe  Bandadu«  Nr.  11. 2i8 

H^iaag  ^y  —  d6Sg  (F).  —  ij  A*^  W*»  *)  (FQ2).  —  26  haivwg  »).  — 
1j  fii^  q>.  (F).  —  27  ^  yäf  (BF2Q).  —  roi^oii  ^)  ^^oy  fiir.  — 
^otxvZa  dia^i].  —  &raif  /ui)  ASkrc,  —  30  di'  8  «1^  d.  (Q).  —  31  JiA߀ 
A;  /uoi  (F).  —  38  9^y  (BF2Q).—  fidfUoy  elrai.  —  34  xoi  ir^  Slka  »).  — 
ile&ot  di(S).  —  /royraAiSs  ih}Xoi(BF2Q).  —  xaTiJU7r«(F2Q).  —  37  xat  d  — 
elde/i}  (BFQ).  —  39  hukeQog  tib  %  —  ytyQctfifiiifa  inb  to^ov  ^).  — 
autffivrp  XQQoAvcp  xai  ^^w  ^y%.  -^  AI  i6am  ^)  xoi  xo^'.  —  A2  fUr- 
c&taaig  {IQ^.  —  43  änlOg  aiwö^^  —  d  i"  hniv  ^  M^f  ^(^ct  Miy 
aiw^  TtQoa^jxu  awTtüi^^).  —  44  ßUvtatay  ydf  iari^.  —  nQoauftBiP 
(F).  —  %6  %  oÄy").  —  47  wnAaxoi  (1).  —  48  äl£  o«'  feejA'  ye.  — 
51  vfjg  Y9ogft}g  (F).  —  63  YB/Qafifihovg  6  t.  Sp^q.  h^vow  v6fiOvg^%  — 
55  &90fiy^ov  (Q).  —   67  ^um^  (corr.  S).   —   h^ofkrw  t(p  h^rv*  — 


1)  Wie  Wolf  und  Beiike  getmuit  haben. 

2)  y^Onmino  afibmat" 
8)  Wie  Wolf. 

4)  IntereBsant  ist,  dab  Scb&fer  za  den  folgenden  xvqU^  y.  bemerkt:  ,,DatiTnm 
{xvffi^)  tnerer,  eiT.  19  (das  ist  eben  die  vorliegende  Stelle)  aoriptun  eiaet:  ijr^rolhro 
^oQfiiuv$  ngOrw  füv."  Nnn  steht  hier  der  von  SohSfer  verlangte  Dativ,  also 
wird  obige  Lesart  richtig  sein. 

5)  Sonst  immer  tiXUu 

6)  Steht  swar  2Xt  am  nächsten,  ist  aber  aich  nicht  mehr  weit  von  der  Wolibohen 
Konjeiktiir  entfernt 

7)  Ist  die  bessere  SteUnng. 

8)  Die  SteUnng  wird  wohl  richtig  sein. 

9)  So  akzentniert  D  immer;  das  folgende  «al  bedentet  „sogar"  nnd  ventirkt 

10)  Zn  betonen  ist,  dafii  Gegensats  nnd  Naohdmck  nicht  in  a^6g  nnd  ÜMi^o» 
liegt,  sondern  in  taffwa  fikv  nnd  tä  ^  äUa,  a^6s  ist  Koqjektar  Wohb,  a^6  BiSQ, 
was  natürlich  nnmOglioh  ist  Das  Natflrlichste  wäre  nun,  da  unmittelbar  vorher  Phor- 
mion  genannt  wird  nnd  das  Subjekt  zn  ^f^i$  Stephaaos  ist»  {änJMg)  ohof  zu  sagen, 
womit  der  Oegner  bezeichnet  wird.  Es  geht  aber  auch  ohne  ansdrfickliohe  Bezeich- 
nung ans  dem  Zusammenhang  hervor,  dals  Stephaaos  als  Subjekt  zu  denken  ist  Etwa 
auf  Qmnd  der  Lesart  von  D  a^^? 

11)  Diese  Interpunktion  hat  ^  ffir  sich,  dann  aber  adr^  n(foaifKi$v.  Der  Satz 
ist  wirksamer  ohne  <txon€lv. 

12)  D  interpungiert  nach  ^raAfcMtr,  wahrscheinlich  um  y&Q  zu  erklären;  ydQ  ist 
aber  unmöglich,  wenn  nicht  nach  inmld,  etwas  ausge&Uen  ist 

18)  Kommt  natürlich  auf  nichts  anderes  als  auf  rdr*  ow  hinaus.  Es  ist  aber  die 
Frage,  ob  r(ir<  heilst:  zweitens  oder  damals  nnd  ob  lm»ra  na\  als  der  dritte  Fall  an- 
ist rdrt  ist  aber  nicht  der  richtige  Ausdruck,  um  den  zweiten  Punkt  zu 
Wenn  aber  x&t^  damals  bezeichnen  soll,  so  weils  man  nichts  wann?  In 
rdr<  seheint  ebi  Fehler  zu  liegen. 

14)  Bei  dieser  StelluBg  ist  /«drovc  unmöglich. 


Neu«  Philologisch«  RimdBchaii  Nr.  11. 


weifs  er,  was  er  in  dieser  Bicfatong  voraussetzen  darf.  Folgt  man  dieser 
Methode  der  Auswertung  der  LektQre  bis  zur  Oberprima  hinauf,  so  wird 
man  fBr  jede  Klasse  eine  sichere  Kenntnis  eines  fest  umgrenzten  Wort- 
und  Phrasenschatzes  erreichen  kOnnen.  Der  Nutzen  wird  in  den  Extem- 
poralien bald  zu  Tage  treten:  die  Dürre  und  Unsicherheit  im  Ausdruck, 
die  auch  bei  grammatisch  gut  herangebildeten  Klassen  sich  zeigen, 
werden  von  Jahr  zu  Jahr  mehr  schwinden.  Aber  ich  glaube,  dals  auch 
die  Lektfire  selbst  durch  das  konsequente  Festhalten  und  Wiederholen  der 
gelesenen  Bedewendungen  gewinnen  wird.  Schliefslich  noch  eine  Be- 
merkung: da  die  vorliegende  Phrasensammlung  dem  Qange  der  Lektfire 
nach  Kapiteln  folgt,  so  ist  sie  geeignet,  den  SchQler  auch  bei  der  häus- 
lichen Vorbereitung  wirksam  zu  unterstfitzen. 

Im  zweiten  Teile  behandelt  der  Verf.  auf  81  Seiten  die  wichtigsten 
stilistischen  Begeln  und  belegt  sie  mit  zahlreichen  Beispielen  aus  den  in 
der  Schule  gelesenen  Schriften.  Wer  in  der  Praxis  steht,  wird  erkennen, 
dafs  gerade  die  Qebiete,  deren  Erfassen  dem  Schfiler  die  grSfsten  Schwierig- 
keiten bereitet,  vom  Verf.  am  ausführlichsten  besprochen  worden  sind. 

Hamburg.  M.  Kleiasolimit. 

141)  Faul  Stapfer,  Victor  Hugo  et  la  Orande  FoöBie  Sar 

tirique  en  France.    Paris,  Paul  Ollendorf,  1901.    349  S.  8. 

fr.  8.50. 
Der  behandelte  Gegenstand  hat  augenscheinlich  auf  die  Art  der  Be- 
handlung eingewirkt:  das  ist  ein  Buch  so  langatmig  und  eintönig  wie 
Victor  Hugos  Poesie  selbst,  und  das  wirklich  Wertvoile  verliert  sich  wie 
einzelne  Weizenkömer  in  der  Spreu.  Wertvoll  ist  eigentlich  nur  der 
letzte  Abschnitt,  der  den  Beziehungen  zwischen  Victor  Hugo  und  Agrippa 
d*Aubign£  nachgeht.  Dafs  mancherlei  Fäden  von  dem  Satiriker  des  16.  Jahrh. 
(1550 — 1630)  zu  dem  des  19.  herQberleiten ,  liegt  ja  auf  der  Hand. 
Stapfer  deckt  sie  systematisch  auf  und  erklärt  sie  in  zutreffender  Weise. 
Grundbedingung  ist  natürlich  eine  Ähnlichkeit  der  Charaktere.  Dann  aber 
liegt  entschieden  ^ine  Einwirkung  des  Älteren  auf  den  Jüngeren  vor,  da 
Victor  Hugo  ihn  in  seiner  Jugend  gelesen  hat  Wie  fest  solche  Lese- 
frflchte  in  Hugos  Erinnerung  safsen  und  wie  sie  ihm  wieder  in  die  Feder 
liefen,  ohne  daä  er  sich  bewufst  war,  eine  Anlehnung  zu  suchen  oder  gar 
ein  Plagiat  zu  begehen,  dafür  erzählt  Stapfer  aus  eigener  Erinnerung  ein 
Erlebnis,  das  alles  Ähnliche  weit  hinter  sich  lälsi    Das  Hauptverdienst 


1^ 


Nene  Fhilologiscbe  Bnndicbaii  Nr.  11.  257 

der  flbrigen  acht  Abflchnitte  ist  eigentlich  nur,  dab  man  an  der  Hand 
eines  Kündigen  einen  groben  Teil  der  Hngoschen  Lyrik  in  einem  be- 
stimmten Sinne  durchwandert  und  sich  so  ihrer  Merkmale  wieder  erinnert; 
irgend  etwas  Neues  wird  nicht  zu  Tage  gefördert.    Gegen  die  These  des 
ersten  Abschnittes,  dab  vor   Hugo  die  Satire  in  nnpersOnlicben  Sitten- 
predigten bestanden  habe,  das  Persönliche  erst  von  ihm  hineingebracht 
sei,  gibt  es  mancherlei  Einwftnde:  man  denke  nur  an  Anbign^.    Biditig 
aber  ist,  dals  Victor  Hngo,  wie  fiberhaapt,  so  auch  in  seiner  Satire  rieh 
als  das  Mafs  aller  Dinge  hinstellt    Auch  das  wird  man  zugeben,  dab 
ihm  niemand  gleichkomme  „im  Ausdruck  der  heftigen  und  dfisteren  Leiden- 
schaften, der  Empörung,  des  Zornes,  des  Hasses,  der  Verachtung '^   Sicher- 
lich entcfpracb  auch,  wie  Stapfer  ausfahrt,  diese  satirische  Lyrik  am  voll- 
kommensten seinem  Wesen,  insofern  er  mehr  und  be wulster  als  andere 
Dichter  das  Bedfirfiüs  geq^flrt  hatte,  zu  belehren,  und  den  —  nach  unserer 
Meinung  freilich  ohnmaditigen  —  Wunsch,  umgestaltend  in  die  EntwidLO- 
lung  der  Dinge  einzugreifen.  Im  Anschluis  an  diese  Auseinandersetzungen 
aber  wirft  Stapfer  noch  die  Frage  auf,  wie  man  sich  dazu  stellen  solle, 
dals  Victor  Hugo,  der  strenge  Sittenrichter,  in  seinem  eigenen  Hause  so 
wenig  auf  Beobachtung  der   Sittengesetze  gehalten  habe.     Eben  jetzt 
erscheinen  in  der  Bevue  de  Paris  (Fövrier  1903)  die  erbaulichen  Dokumente 
seines  bigamischen  Lebens.    Natfirlich  weils  Stapfer  auch  weiter  nichts 
zu  sagen,  als  dab  ein  Satiriker  kein  Heiliger  zu  sein  brauche,  und  dafs 
die  gepredigten  Tugendlehren  darum  nicht  weniger  wahr  und  erhaben 
seien  und  was  dergleichen  Verl^enheitsauskOnfte  mehr  sind.    So  enüftbt 
dieser  Abschnitt  den  Leser  mit  einem  peinlichen  GefDhl,  das  weit  entfernt 
wieder  zu  schwinden,  stetig  zunimmt.    Es  gibt  wenig  Schilderungen,  in 
denen  Hugo  so  klein  erscheint,  wie  in  dieser,  obschon  Stapfer  ihn  ge- 
wissenhaft immer  den  „Qrofsen  Dichter'*  nennt.    Ffihrt  er  doch  selbst 
so  viele  Beispiele  seiner  Unzulänglichkeit  an  —  bekannte  und  weniger 
bekannte  —  dafs  man  Seiten  damit  f&Uen  könnte:  Hugo  ist  kein  Denker, 
er  ist  kein  Philosoph,  er  ist  in  seinem  Hafs  stets  blind,  indem  er  unter- 
schiedslos ganze  Klassen  und  Stftnde  verfolgt,  er  „kennt  sich  selbst  gar- 
nicht'S   er  steckt  voll  kindischer  Selbstfiberhebung,  er  scheut  vor  den 
fadesten  Albernheiten  ebensowenig  zurfick,  wie  vor  den  unedelsten  Schimpf- 
wörtern, er  verwickelt  sich  in  ungezählte  Widersprüche  —  wo  bleibt  da 
die  Oröfse ,  ja  wie  kann  dabei  Hugo  auf  literargeschichtliche  Bedeutung 
Anspruch  erheben?    Das  Positive  gegenfiber  all  diesen  ehrlich  gemachten 


846  Nene  Philologische  Bnndsehaii  Nr.  11. 

fi.  (S).  —  6  oddi  T&ve  (Q).  ~  7  g>eÖYUv  di  fiBl).  —  9  ftqon^iQyptai 
(2Q).  —  14  rCfv  d^  amiytbv  ^ih  fimaQtiS(npMxg.  —  Sp&QtOftov  fiiXXwv 
di  Ttfoyuxleladixi  fteql  t.  d.  (BFQ).  —  diX  od  ■).  —  16  i9ilm  TtaQa- 
öMpai  •).  —  16  Sftov  BlaiJYayeg  vijy  düww  Ttfdg  td  d.  ■).  —  18  ^a- 
Ttcan^ag  %.  d.  dllct  x.  v.  ß.  (SyQ.B)^).  —  19  TQiriQiTui  (F2Q).  — 
20  ¥rvx9y  hLnXovtfCiv  TQiijQCiP  ^.  —  atvnma  ^.  —  21  ol  t&v  v&aqUa¥ 
i.  «).  —  TQUiQ^oxaig  (Q  pr.  2).  —  toifg  iq>dX.  rtanaXaßäv  (P).  —  ijwfy- 
xa^e  om.  %b  {yq.  B,  Wolf).  —  23  efmQoa&ei^  (P).  —  26  iiBiiaqtiipfM  •).  — 
26  £/rj^  ^/uoff.  —  Ttanä^^)  Tfjg  ß.  {yQ.  B).  —  88  ^idUrprw  (F).  — 
32  tevelLevTfiyLirog  toü  J.  (mg.  2).  —  83  Tr^ooq/aoy^^).  —  84  vwBiin^ihog 
(/?•  Q  ^«  §  3ö)'  —  37  o^dw  dfi'  »iUytoq.  —  38  iTtiiiafWQdfiwog  {S).  — 
39  ol/uai  dfiTy  (BFQ).  —  1j»eXev  ÖecJy.^«).  —  V  «^V^  Sl^ns^)-  —  ^0  9aBv 
£(|i2t  %uq<Shf  ddiwav  nq6veQa^%  —  fia^rvfla^^)  (2).  —  MTtireQa  h 
%(jf  iiyu  ft.^%  —  44  MAqftvn^Q^'^).  —  hdkevof»  (2Q).  —  46  dniftdo- 


1)  So  scheint  auch  Z  zu  lesen,  doch  erkennt  man  es  ans  der  Notiz  hei  Dindoif- 
Blafii  nicht  recht. 

2)  Es  ist  wohl  möglich,  dats  D,  nm  die  H&nfoog  der  ^i  zn  Termeiden,  äX£  od 
schrieb  st.  äXXov.    Dann  dürfte  freilich  nicht  gleich  wieder  ^i  {aot)  folgen. 

3)  Vgl.  §  47  Srt  ifAaQTrS^aav  i&iUiv  nagodiddvM  tdv  O.  r^y  äp^gamot^. 

4)  €ia^.  nQÖs  t6  &.  anch  am  SchlnTk  des  §.  Sonst  §  24.  26.  27.  28.  81.  89 
9laay.  oder  tiaeX&tZv  iig  t6  ^.,  aber  nie  äyny  allein,  anch  nicht  in  Verbindung  mit 
iif  tipf  AyoQdp.    Deswegen  wird  die  Lesart  D  richtig  sein. 

5)  Hier  also  gegen  FQ6.  Schäfer  bemerkt  zn  der  Stelle:  „Sunt  aliqnot  hnins 
orationis  loci  Inxati  et  a' traiectione  Terbomm  comipti.''  Das  trifft  nicht  blois  bei 
dieser  Bede,  sondern,  wie  schon  einmal  bemerkt,  bei  allen  Beden  zn. 

6)  Natürlich  rQ&iJQtov,  ixnXovaap  weist  aber  anf  Z  hin  {ixnMoatv), 

7)  Wird  verschieden  geschrieben  und  wie  scheint  anch  verschieden  akzentuiert 

8)  Bestätigung  der  Koojektnr  Balten.    Die  Behörde  (^  fiky  &gx^  sind  eben   ol 

9)  Es  ist  dnrchans  nicht  notwendig,  am  Satzsdünb  gegen  die  Handschriften  v 
i<pelie,  zn  setzen,  wie  Bekker  hier  tnt. 

10)  Wenn  dies  richtig,  so  ist  I»  r.  ä^X'  nachher  begreiflich. 

11)  Ijiaav  jonisch. 

12)  So  vielleicht  znr  Vermeidung  der  EOrzen,  vgl.  58  »vfAßiop  Oi6ip. 

18)  Ist  jedenfalls  die  ursprüngliche  Lesart,  wobei  aus  Versehen  dittfis  in  ^(xas 
geändert  winde.  Da  aber  der  Akk.  Fl.  unrichtig  is^  so  wollte  Blafs  den  Dat.  Fl.  Die 
Lesart  D  ist  aber  passender. 

14)  Stellung  wie  in  2:  gegen  FQ,  aber  ng6n^  ist  falsch. 

15)  In  D  ist  »  adscr.  durchstrichen,  also  gleich  2, 

16)  Sonst  natürlich  ttg  tb  <f.,  aber  auch  §  6  äXXo^  —  na^Mfiivop. 

17)  AUein  richtig,  denn  die  Überschrift  entspricht  doch  jeweils  der  vorhergehenden 
Bezeichnung:  fiagr^Qoc  i).  naqi^ofiat. 


Neu«  Fhilologisoha  BimdBohaa  Nr.  11.  247 

xaXeaafiipov  ^)  (2).  —  48  edu  didiifoi  dU^K  —  r^iij^a^dh^  ').  — 
50  uAiäfuxxos  {2  ya*  B).  —  luleöoi  (S  yQ.  B).  —  tij^  vctfh^  om.  ratkfpf 
(BFQ).  —  51  iyä»  vi/v  iiiv  vq.  —  53  ä7t9xi&(pnaw  (F).  —  yLotaßaXövres 
gegen  FQ.  —  54  ti^  yäQ  oiady  fioi  tötb  •).  —  55  naiiUw.  —  t/t^j.  — 
htav.  aivil  (F).  —  56  Melj  oioa»  fii}  di  n  %dijv  ifiifr  y^yofiivtp^  xat 
Ttaidaywyiif  %  —  oJS^ot  om.  xat  (2BQ).  —  58  rd  miißüo^  ^).  —  M.  äddir- 
q>dg  (2Q).  —  59  Ttihw.  —  60  6q.  TtOfd'OVfiivTpf  vi^  oixiay  t.  L  — 
hL  tljg  oiyuag.  —  61  Ma^nflai  ^  {BS).  —  62  ßaöXowai  (BFQ).  — 
63  diafiaQzvQafiivov.  —  u  %iva  h  %^  TtQoriQf  (Q).  —  67  xat  iatfobg 
(F).  —  äyayäfv  fidfWQag  (F).  —  äa^.  xöi  oimhi  oddip ').  —  äg  di 
dlridij  Xfyw  (FQ)  8).  —  68  «ig  •)  Toi>g  i^tff.  —  n&^eQa  (BQ)  iSrn^ovrai 
(2Q).  —  avfißovXffSaowJiv^^   —   70  du)ju€t  (2).   —  d<$^M$  elyat  tto^ 


1)  Vorher  aber  ngoaixoL 

2)  YgL  §  21.  Die  Lesarten  schwanken  zwischen  der  ftlteien  und  der  jüngeren 
Form. 

8)  So  D  allein;  die  anderen  Handschr.,  die  diese  Lesart  haben,  schreiben  nan 
tdre  ist  aber  ricbtiger. 

4)  rir&fi  hier  nnd  nachher  wieder  anders  akzentuiert  als  vorher.  Es  kann  dies 
daher  kommen,  daÜEi  der  Schreiber  das  Wort  flberhanpt  fiüsch  Terstanden  hat,  wie  man 

,  aus  der  Trennnng  der  beiden  Silben  sieht  Dnroh  Mtfj  owretp  wird  in  eklatanter 
Weise  Wolfii  Koigektor  bestätigt:  „sna  ratione  hie  mascnünnm  plnrale  ponator,  cnm 
sententia  postnlet  singulare  femininnm  (de  nna  enim  anicnla  vidna  loqnitiir)  Mifj 
ovaav,  me  non  intdligere  fiiteor."  Aufüallend  ist  ferner  xa\  naid.  Das  weist  deut- 
lich darauf  hin,  daCi  der  Redner  sagen  wollte:  ich  konnte  sie  nicht  der  Armut  preis» 
geben,  die  meine  Amme  nnd  Erzieherin  gewesen  war.  xol  ist  aber  nicht  möglich, 
wenn  i^rfik  vorausgeht  Es  schreiben  deshalb  die  Herausgeber  mit  2  yg.  Q  /iijrc  — 
fiiiTB.  Seager  will  nfp  yt  r.  L  y.  Ich  möchte :  Meij  ovaop  t^y  t€  titSriv  i/iittf  yip. 
xai  n.    Dies  scheint  mhr  den  Sinn  am  deutlichsten  auszudrücken. 

5)  So  immer. 

6)  Nat&rlich,  da  der  Plural  auch  unmittelbar  vorher  gebraucht  ist 

7)  FQ  o^kv  ointirt.  Die  Lesart  D  ist  besser,  wie  auch  die  von  Blafii  zitierte  Stelle 
ans  Eur.  Ale.  887  beweist:  &£  ohtit  oidkv  ovoav.  Etwas  anderes  ist  v.  390  oidiv 
iifA  in. 

8}  FQ  lassen  taVra  vor  Xiyu  mit  Becht  weg.  Blals  führt  dabei  einige  Stellen 
an,  wo  es  steht  und  fehlt  Es  gibt  aber  noch  viel  mehr  ähnliche  Stellen,  unter 
den  34  Stellen  in  den  von  mir  bis  jetzt  verglichenen  Beden  ist  keine  einzige,  die  der 
gewöhnlichen  Lesart  an  unserer  Stelle  entspricht  Dagegen  häufig  &s  AXti&fl  Ifym  mit 
Weglassung  von  taVra,  Wenn  aber  taifra  steht,  dann  immer  vor  ilti&H,  Steht  es 
aber  nach,  dann  wird  raVra  durch  xal  hervorgehoben  vgl.  B^de  40,  35  Srt  xoivw 
äXff&il  xal  taüta  L  40,  52  &g  f  &Xti&^  xal  raüra  A.  An  allen  anderen  Stellen  ist 
entweder  taOra  ganz  weggelassen  oder  steht  voraus. 

9)  Ist  gerade  bei  den  Bednem  eine  beliebte  Wendung. 
10)  D  ist  mit  dem  Futur,  avfiß.  wenigstens  konsequent. 


248  Neae  Philologiiclie  Bnndmbaa  Nr.  11. 


73  8  %t  Ttqoa.  (Beiske).  —  73  oi  yäq  ofkwg  (2).  —  ävayv^awm  (Q 
corr.  P  Blafe).  —  76  hvfy/yBiXa  (yp.  FQ).  —  11  ^  %ä  h  —  diayuooiaq 
deKatQug.  —  78  ij  üTQmriydg  *).  —  el  de  ii^  i%.  o\  fiaftvfiljaayveg  Ag 
1j9ekB  ft.  (Yd.  FQ).  —  80  yuat  äTtflXSw  (2).  —  81  htaf/elX.  8i  fiov.  — 
XiL  öictKoalag  dnunqüg  wie  §  77.  —  83  &  ^  toitwv  mc  % 

Bede  48. 
^Y7t69wig  %oe  nun  ^OXvfiftiodiiQOv  BXAß^  hdyog. 

§  4  ßovUfim)!.  (P2)  om.  wivfj «).   —   tdv  fJv  'O.  —  tiv  de  IL 
(F2).  —  hJielfteiv  (F2).  —  5  to0  ^filaavg  (F).  —  6  avwe9eiiiivoi{¥B).  — 
Kavä  ^OXvfifciodi&fov  BUßnig. 

§  1  difapu  iavlv  latog.  —  y£fv  avfiß.  (Q).  —  fieya  id.  (F2Q).  — 
4  W  ^OL  —  5  BOTi  yäq  (AFr). —  Kdiitav  (Ar  pr.  2)  so  immer.  — 
6  xat  a^dv  r.  jw,  —  %^  ävaia%vvtia¥  (F).  —  8  xöt  o^d^  ^.  (F),  — 
&y  om.  (F2Q).  —  T<Sy  ifxawoC  naldwv.  —  10  öfion.  om.  fiiv  (F2Q).  — 
8s  äme^iMi  om.  (2Q).  —  xo2  nuoivfj  (F2Q).  —  12  xöt  aw».  (F2Q).  — 
xaJ  irc^  äkla  wie  2^  sonst  rdfUa.  —  dg  %.  ohuodoiiipf  ^.  —  14  %al 
8fl  ®)  «r6  c?ßy.  —  16  o&og  6  ol%.  6  Jf.  om.  —  16  iq)elleto  (F2Q).  — 
19  ro€f  dv^d^Ttcv  (2)  st.  Tiii'^;.  —  airihf  Toüvoy  (2Q).  —  24  aBnj  ^ 
(F2Q).  —  30  ^OX.  oiroal  (F2Q).  —  ^y&  vor  xarÄ  om.  —  82  ducTtQaid- 
fievog  (Felicianus).  —  34  dvaylv.  di^  gegen  F2Q.  —  36  ovSe  »iUu  — 
%ä  airä  (2).  —  37  TtoQä  toü  aitoe  äv.  —  38  Iri  vvvl  (F2Q).  — 
89  vafhpa  htivoia  oddefila  iaviv'  —  41  Sti  del  difj  (F2Q).  —  42  xat 
ahlat  (F2Q).  —  46  äg  yv.  (F2Q).  —  &v  Uyei,  am  Band:  yj.  xai:  ög 
Acycft.  —  48  %h  ^eQW  (F2Q).  —  48  iyygajpaf^ipavg  (AFQr).  —  49  Tafh;a 
ifiof^  (JS) »).    —    51    i7criyyeihi(j.ifiv  (BFQ).  —  o^d'  S,w  oiSi'   ciyqcota^« 

1)  Gute  Stellung. 

2)  So  auch  yg.  FQ  und  Wolf. 

3)  St.  nqoaijiiuv, 

4)  DaÜEi  dies  möglich,  zeigt  Arietoph.  Eccl.  491.  500. 

5)  ändtfitop  sehr  nonötig;  denn  der  Plnr.  tojkaiv  bezieht  sich  auf  die  zwei  Ponkte 
xßv  n  Xix^'  xal  rSiv  fia^,    Dazn  aber  braucht  man  ändvr.  nicht. 

6)  Gerade  die  Ungewilsheit,  wohin  xoivy  zu  ziehen,  labt  Zweifel  an  der  Bichtig- 
keitzn.  Zn  awTi&iirai  gehört  es  nicht,  denn  §  4  heiikt  es:  xoip^  xiä  awTB&ufiivo&, 
also  zn  flovUvöfi.    J^otwendig  aber  ist  xoivy  überhaupt  nicht. 

7)  Gilt  sonst  als  späteres,  unattisches  Wort. 

8)  Unmittelbar  darauf  xalff^xal;  es  ist  nicht  anzunehmen,  dafo  in  so  unmittelbarer 
Folge  dieselben  Eoigunktionen  stehen.  Einmal  lassen  das  zweite  xal  auch  Ar  weg 
und  zwar  an  zweiter  Stelle. 

9)  Diese  Lesart  von  ^D  scheint  die  richtige  zu  sein. 


\ 


Nene  Philologiache  Rundschau  Nr.  11. 249 

(F2Q)  *).  —  63  raf^a  ohog  (F2Q).  —  diwiaanes  ärcaneg  *).  —  58  nun 
aMj  hmv.  —  64  iTtif  aivod  (F).  —  66  '0.  fiiv  TOiovroai  (F2Q).  — 
oidelg  rtiSmw  oi  7ta(f9q>f.  —  hoiiod'ititflB  26lm  Avai.  —  67  ixerei$OfMy 

Bede  49. 
*Yft69&ng  toü  nfög  Tifidd'eov  iftiq  X8^  I6ydb* 
irig^db').  —  tolg  &td  (BS).  — 

ÜQÖg  Tifidd'ew  iftig  XQ^* 
3  iftovfyfato  ona,  b  nar/JQ  *).  —  TLOgÄiaaü^ai  (F2Q).  —  6  rrf  w  Aijy- 
»ivra  (gegen  FQ).  —  6  hiiJievaB  XQ^cti  om.  oA%^  ^).  —  xot  d.  hilfvw 
(BQ2).  —  7  ^  xeÄwJaag  •).  —  8  filav  diJ'  Ä/JoXcö  (B2Q).  —  10  mari- 
%a%  Sy  (F2Q).  —  fiöXig  om.  juw  (F2Q).  —  11  6  fj.ip  h  (FIQ).  — 
12  dvianoMv  in  der  Panse.  —  14  di4X7tel^vrtav  tOv  arp.  ^.  —  15  oin 
l  TtaQOfiivuv  (A2r).  —  17  TtfoaJiym  (F2Q).  —  18  X9^  (ABF2Q).  — 
difjffe  gegen  FQ  •).  —  19  di  fiov  aivöi  •).  —  xataddöiniiviiirai  (F).  — 
20  iddyeiae^%  —  21  o^r^)")  y«.  —  22  'iftrcodafieug  (Harpocrat),  — 
23  TO0  ck.  «rolJrov  (F2Q).  —  8  jfw  (F2Q).  —  26  dv  awlarriaiv^).  — 
27  eÖTtaS^Oy^^).  —  29  xai  vor  TtQoaeli^.  om.  (2).  —  30  äTtayQdhparo  de 
(FIQ).  —  ^  liXiü»iyovg.  —  31  Awtot;«^.  (F2Q).  —  32  ii  Tifioo^i- 


1)  In  D  fehlt  aho  itv.    Es  ist  schon  möglich,  dab  dieses  äv  in  &pixf^a&i  steckt 
nnd  o^  örM>€fy  ^  (f//our^£  oder  änadixoia^i  zn  lesen  ist. 

2)  Ist  unrichtig. 

8)  Dann  ist  das  Wort  von  Auxv^s  abgeleitet. 

4)  Der  Bedner  hatte  im  folgenden  Satz  kanm  schon  wieder  das  Wort  gesetzt 
wenn  er  es  im  vorhergehenden  gebraucht  h&tte. 

5)  Ist  unnötig,  vgl.  §  8:  r^  x€Ui5€favTa  /^(Tcm  7%fid&, 

6)  Ist  so  besser.  Beiske,  der  auch  eine  andere  Verbindung  mit  dem  Vorhergehenden 
wünschte,  schrieb  6  xal  xiMaag,    Die  Lesart  D  ist  einfacher. 

7)  So  auch  Blafs:  „alterum  nq&viQw  delererim". 

8)  Stand  fdi^«  da,  ist  aber  in  Mijfti  korrigiert. 

9)  Bestätigung  der  Eoigektur  Wolfs.  ai%&p,  das  F^  haben,  kommt  von  dem 
milsverstandenen  »  adscriptum. 

10)  So  auch  Bekker.    Aulser  der  Pause. 

11)  Kommt  S  am  nächsten. 

12)  Wahrscheinlich  durch  Mifsverständnis  aus  awiatnaiv  entstanden.  Dafs  aber 
auviOTfi  ebenso  falsch  ist,  scheint  mir  sicher.  Was  soll  das  Imp.  von  einer  vor- 
Tergangenen  Handlung?    Vgl.  vorher  avariiaas  4»  und  §  28. 

13)  Ist  wahrscheinlich  durch  Mifsverständnis  entstanden,  denn  es  ist  nicht  anzu- 
nehmen, dafs  die  Ableitung  tou  iina^Btv  dem  Sinne  entsprechen  wftrde,  obgleich 
iina^iZv  auch  heilten  kann:  von  jem.  Gutes  erfahren. 


(B:^.  .—  .35  arg.  ,ToCf  /{fwa.  (?).  —  ^  Mwt  --  itat  «^jd^ 
, (F^).  —  Äös  Sv^inpfihwo *).  —  .37c:€&g..ai8jRÖF^ (r)^  —  88, w<Jr«t;./ 
(ABÄ).  —  daXvaw  ^  Ag  (F2Q).  ^,89,l?ta&(J  ti^ <BSQ).  —  .41,H«Ua 
dvoiy  9AuBqov  ovdeyi*  ddä)g.  —  i§if^it§ig.  ij  (Xu  iäy  (2)  dwtidiji^).  — 
42  h€keva^^),yuzL  —  "Oßxot^.(AB).  —  AS  Oqa^ifiQtd.  ^  {AlQ)  beide 
Male.  —  43  T(p  di  *)  Oq.  —  44  xai  Evyipqßjiog.  ^— ^f^  lai;T0Cf,.<5).  — 
46  Sre  xfiAwJffCTC  (2).  r—  49  ,aiiJL7tav%ot  (F^)  ^eUy^ag  «).  —  60  Trcp«- 
jMÄwaiy,  (P^).  —  81  d^iTiJy  qpajat  (APQr).  —  olx.  t.  J/M<öv.^F:5ft).  — 
53.xat  r/yog  &exa;^  Jtote'^). —  54  8^  dün/fvai  [2).'^  55  ird^  IwföCf 
.(2).  —  adriy.  ^i^ojcoy^  (F;SQ).  —/äg,  iL  ovwgg  Qm.^(F).  Dann  ftbrt  D 
in  mner. Bandbemerkapg  toYti,6.y  c^ve  ^g  eXwS^iQOv  Si^^^ff^oCf/iai^^/- 
Äovog  ®).  —    66  iTpt  tcöi^c  ®)  ( Ar).  — ^  rtaqc^dfitgu  G^^S^. — ,67  »OT9fgx» 


;  1)  S<>  >^viiider  walinMbeinlroh<ge8pioeli6n,  «o^dali^  der  spiritaa  aftper  nicht  Idrbar mir. 

>^>.Mtnk^t  labch.  .Ebensogut  als  z.>B.  (eini  voiwisgfiieiider  Qp(»ttv^#)it\äyjftiif 
eimen  im  Optat.  stebenden  NebenaiM^. mit,  |q>C' wirken, Jcum^,,  so  .i|J!s  diesem.  el>e]tfalls 
mit  £y  verbimden  wurd,  ebenso  ist  in  einem'  hypothetischen  Satzrerhältnis  tmg  üv  mit 
^d^n  I&diipaHv  indj^ch. 

o9>  Üs ^igeriBeht.bier  (qjkuget  Yopirisnuig.  l  ^^ 8ch];eiheE  M»iuKh  ^^tthe^ov  ^bfori »nf 
das  zweite  oddcvl  abgeirrt.  Die  Auslassung  von  4  Tor  Mint  findet  sich  auch  noch 
In  anderen  Handschriften,  z.B.  in  B;  ebenso  die  Einschiebnng  von  J)  oder  ij  vor  otei. 
^ijijchtjg.  ]^t^AV0r.jeden&Ua<pnr^4  vor  ^^A^;riuildie>AQ9lasfH^ig^T4»nl)<oieri4iTor>ofc«.  — 
<fvi7}^  O,  also  ist  D  g«paner,<in4er>i)inr.4imn.b^eo;,QaAd|8chKi^ 
Lesart:  Swr^s, 

4)  Unrichtig  wäre  dies  nicht. 

-^Ti^iw.A  (Seiiger,  ^cüb«fer)VrT*#?/tl?lg<^W^  90  «i^oia^Jk  a^rf&^X.  ent- 
sprechen soll,  so  ist  dies  eine  gezwungne;  BespaniSdB^^  *DWBln^>wvQtvdiei  Lesart  A  Jipch 
vorzuziehen,  da  &h  auch;  ewn.  ffn^ptfifttz  »eialeitea  fainnTv 

6).  Dasselbe  Wort  ßxifih  F„  ^ber  mit  anderem.  Akzent.  Afif^^^^^^  dab  »it  d»m  Weg- 
fall von  aif  durch  (T^^;?««?«  .an«h  ein,  JV^it$^ipium,  (Ifcl^^  lerbnoden  äst.  rDas 
zweimalige  ai/  —  xal  ak  ist  überhaupt  nicht  Wj^.  >  Sa  »t  n^^w^ndiA  «»ck  ^x  rffiv 
avfifittx^  ein  Yerbum  ausgefaUen  i^t,.  daa<4as  fyal^sm  IQr  den^)|^  Wi^- 

7)  Besta^'gupg:der  Lesart  DindQ]:fs. 

8)  y€  würde  bedeuten:  „denn  er  hat  ja  weder ",MW8.mPgli<5hiV«'f®-  ^Wa  Stelle 
selbst,  aber  mit  d&h,  steht  auch  so  ^,  woraus  sie  die.  Hen^sgebecgl^^^''^^  haben. 
Übrigens  ist  die  Auslassnng  mit  F  und  anderseits  wieder.die.Hin^QMi^'^^^'''  ^^ 
auch  2X)  haben,  aber  wie  ye  beweist,  aus  einer .u»deBen<luelle,!  wk.wF^  Beweis  der 
Selbständigkeit  V(on  D.  Die  £l«sse  FQQrD.ist^  zwar  veifwaiidj,  aber  P*  »**^  *^^ 
selbständig  da. 

9)  SoiinerBt,.  d«nn  in  Täv^i^kot^^fpfirt,  «Jfan  9i(»bt|,al8o,,,dftbs4er  .Sc^^^^  ^^^  ^ 
weh  nocb,wdere.yQrJ^n  bfttte  als  den*A5cbfitypvVonri?Q<ÄZ  Ud  ,4jS\«'^«»»®'8t 
diesem  folgte,  nur  ganz  selten  .A  r. 


»^ 


N^e  PiiüMo^ftedi6'^BtiiidMfaini  *  Nr.  1 1;  251? 


^pW*y^-"' —  58  xtt^7iot^(lQ)i—  58'T.  ^är;(^.  <J7ro*o€frtftv  —  59"iinr-»- 
ert<re'gög6n"P«JMW"c^^n^  lesen.  —  60'irÄ  "y.  Td>i*''|.' (F2Q);- — 
61  »«V  a^Ä  «WA.-—  6«  jTiJör;^  om;  (iiv  (APQr).  —  dfteiiSato  (PS!?): — 
d^üiovwg  r&v  *y  —  r/jMi)i' om.'  Ti}r'(F2Q)'.  —  61  x^^ot^  ao*  ift.^  — 
Trpdff /Jacrr  (2Q);  —  65  €>Är-*TOftoi^  (2Q)l  —  xat  adtfÄg^  c/e«  (P2Q).^  — 
fior^i^^icor^omtii»  l/kof^  (2Q);   —    66^^  ohn^  Littira:*  —   adtg^  aiipiati 

vöts  om;  (F^.*  —  68  YÄ'VJ^.'<iy.^ 

185)  Mitontiid  ZbigerM;  1%  Iivl^aV'iürb>)*  oöndtliä'libHb'  Pars 
Vit.  Pl^m.  Lib«r^XXXXm.  EdiUo  maior.  Lipskle  somptoi 
fcfcit  XSKi  Ftejftag,  MtXXXXXI.^   IT«  u.»  30  S.^  8.  ^<-.  50i 

D^y  yerdkntetHtepatisgi^  des  Llvni8<  baifr  aneh' fBr  di^'lfldr^riiftft 
efhaltbwtBtMh  die»  einzige  «EbndsGhr.t  in  Wien  auft^  geniMLestovefglichfH 
nni  d]ii*<'E^iiP}eicittren'd6^^Gtoklir(^  sehjr*  gcrwteMihaft  zasammeagetragen; 
DteoAblrt^ng  'dieses  ^MstterMs)  e^g^:  einen'^Tejrt,(d0r»an'-3&^^tM^-  vet» 
WkifiMibJnfn^Mflliekrs  ^Atisgaib#«db^iclii 

If  9'fiötßo  fmouAä»i>^it¥Mre  «ind  4ie  Adjektive  diuek^^liie  vcvbiuid«» 
(B«ßbjHei1ai)i(—  6/  11  istT^^die^ZMttmmeMkettinigrCdh^^  • 

iniiäWfi^'dtircihnddbt'BMBat^^'I^^  J.  M<H0i);;V-^ 

7,  t5  ihetfs«  4fl^'Ha«pt  d^  Oeflattdtschalt  Yen»  ChMci^^^  K^  Mi- 

ciw)))  iiiie»))ai^0noiiiiien>witti;)^iiei  jener  Mcythiei/  dctt^<23' Jiibfe  < veibev 
diO'Sieiie*  der^BOttier' in  )ObM<mi^  gegen  die  Itoüet  und  Antioebm^^yei^ 
fdehU  -^  16,  8  i£Ä  aufgenonoauen }  ita  ius  iumnäum' exigdmnt  (]EK  (mK^ 
gAani^  n«di  H.  J«  Mtiler.  —  18,  11  ist  das  'anverstantißiohe  prmtun 
(ö/tmia^-ademil)  ^\kvAi^*^if!XkZ\isak\A^  19,^14  hof^ 

tamtk^  CtenHim  m>  amidtiam^  . .  iungmdam  ist  idie  notwendige  Ee^* 
rektar  od  eingeBetzt  j 

NätOrlioh  sind  taiir»ane]iiBriiieD8telleii'ZweM!ri>gegen>die«  von  fingerte 
gewlMte^^^Leeartiaofi^stofsen.  2, 6  ist  fiberliefert:  cumiM.'Tiimi»  pHmm 
. . .  recuperatares  sumps&runt.  Nov&k  verlangte  ^enm^  nnd  Z.  bat  dies 
ai^g^enmenj  Der  Aosdmok  „die  Siebter  verbandeln  mit  dem  «Beklage 
ten**  scbeint  mir  sonderbari  Der  Pr&tor  Oannleins  batte  den  Anftrag« 
dala  er  reeup^atarea-  exardme  $enatorio  daret.  Wenn  er  Bichter  gab,  so 

ly.EÄ  Terdient  herroigehoben  zu  werden,  daÜEi  D  hier  aUein  mit  einer  Bandleiart 
der  enften  fla!nd  in  2:  l&bMiiiBtiintnt. ' 
2)  Y^nehta' ^- joHov, 


Neue  Philologische  BnndBchaa  Nr.  11. 


waren  die  Kläger  die  Nehmer.  Der  Angeklagte  konnte  sich  dorch  frei- 
williges Exil  (§  10)  dem  Gericht  entziehen.  Titinins  blieb  in  Born;  also 
liefsen  sich  die  Kläger  mit  dem  M.  Titinins  zusammen  ein  Gericht  be- 
stellen. —  5,  8.  Meines  Erachtens  waren  zwei  Brilder  des  Oindbilns 
nach  Bom  gekommen.  Alle  anderen  Gesandten  erhielten  das  übliche 
Geschenk  (vgl.  6,  10  u.  14) ,  diese  aber  nicht,  sondern  praedpua.  Die 
Meinung  Weifsenboms,  et  comitibus  . . .  fieret  beziehe  sich  auch  anf  die 
anderen  Gesandten,  ist  fidsch.  duobus  fratribus  regtdi  (Madvig),  ,,zwei 
Brüdern  des  Häuptlings 'S  scheint  mir  richtig.  —  7, 10  liest  Z.  mit  Emesti, 
Yahlen,  Giübauer:  apoUa  sacrüegis  C.  Lucrelium  nambu»  Antium  de- 
vexisse.  Es  scheint  unpassend,  die  Schiffe  als  'tempelräuberisdi'  zu  be- 
zeichnen. Vollends  das  Epitheton  sacrüegis  durch  die  Stellung  vor  C.  Lu- 
cretium  mit  Nachdruck  hervorzuheben,  ist  ein  rhetorischer  Fehler.  Die 
Stelle  scheint  mir  von  Weilsenbom  so  gut  als  mißlich  hergestellt  zu 
sein.  —  12,  8.  Die  Zahl  XYI  wird  durch  sexdecim  wiedergegeben;  ich 
ziehe  sedecim  oder  decem  sex  vor.  —  13, 1.  qua  ist  nicht  mit  Madvig  in  guia 
zu  ändern.  Die  eine  neglegentia  ist,  dafs  man  nicht  mehr  an  Warnungen 
der  Götter  glaubt,  die  andere,  dals  die  Prodigien  nicht  mehr  beachtet 
werden.  Die  beiden  Glieder  mit  negpie  . . .  neque  sind  nur  eine  Art  der 
neglegentia:  es  werden  keine  Prodigien  mehr  gemeldet  und  selbstverständ- 
lich auch  keine  mehr  aufgezeichnet.  Zwei  Prodigien  wurden  nach  §  6 
nicht  gesühnt,  weil  das  eine  in  private  loco,  das  andere  in  loco  peregrino 
geschehen  war.  Also  mufs  42,  2,  4  in  Veienti  apud  Bementem  lapidcOurn 
eine  öffentliche  Stätte  gemeint  sein.  Nach  Nissens  italischer  Landeskunde 
(U  360)  gehörte  das  Weichbild  des  zerstörten  Yeji  zur  Tribus  Tromen- 
tina.  Man  schreibe  also  apud  Tramenhm;  dies  wird  der  Ort  gewesen 
sein,  nach  dem  die  Tribus  genannt  wurde,  v  30,  3  qua  unda  harharus 
inaps  inpeUi  ad  heUum  non  poterat.  Es  scheint  mir  möglich,  unda  als 
Best  eines  Gerundivs  aufiEufassen:  qua  neganda,  bei  dessen  Verweigerung. 
Burgdorf  bei  Bern P,  Lviorbaohor. 

136)  Max  Hodermann»  Unsere  Anneesprache  im  Dienste 
der  Cftsar- Übersetzung.  Zweite,  umgearbeitete  und  ver- 
mehrte Auflage.   Leipzig,  Dfirrsche  Buchhandlung,  1903.    53  S.  8- 

Jt  1.  -. 
Als  ich  die  erste  Auflage  dieser  Schrift  (1899)  in  der  N.  Ph.  B. 
besprach,  naunte  ich  sie  ein  höchst  willkommenes  Hil&mittel  zur  Ofisar- 


\ 


Nene  Phflologitehe  Bondsehan  Nr.  11. 268 

ErUänug,  die  jetzt  vorliegende  zweite  Auflage  mOohte  ich  nach  den  viel- 
fachen  Besseningen  und  Umarbeitungen  als  ein  fbr  Lehrer  unentbehr- 
liches Hilfsmittel  bezeichnen.  Namentlich  die  Kollegen,  die  selbst 
Beserveoffiziere  sind  oder  gewesen  sind,  werden  aus  eigener  militftrischer 
Erfahrong  und  nach  dem  Studium  der  von  H.  S.  7  angefahrten  Schriften 
(Exerzierreglement  f.  d.  Infanterie,  Die  Felddienstordnung,  die  Schriften 
Moltkes  und  die  Veröffentlichungen  des  Grofsen  Oeneralstabes)  das  vom 
Verf.  eingeschhigene  Verfahren  prflfen  und  nach  besten  Kräften  im  Unter- 
richt betätigen  können.  Werden  aber  unsere  Schfiler  als  Tertianer  daran 
gewöhnt,  die  deutsche  Armeesprache  nach  Möglichkeit  und  mit  Verständnis 
für  die  CSäsar-Übersetzung  zu  verwenden,  so  werden  sie  daraus  auch  grolsen 
Gewinn  fQr  die  spätere  Livius-  und  Tacitus-Lektüre  ziehen.  —  Hoffent- 
lich findet  der  Verf.  Zeit  und  Gelegenheit,  seine  Durchforschung  der  deutschen 
Armeesprache  nicht  blofs  ffir  Cäsar  nutzbar  zu  machen,  sondern  audi  auf 
die  anderen  in  der  Schule  gelesenen  Klassiker  auszudehnen.  Er  würde 
sich  dadurch  unstreitig  ein  gro&es  Verdienst  erwerben,  insonderheit  auch 
der  Benutzung  billiger  und  schlechter  gedruckter  Übersetzungen  der  Schrift- 
steller vorbeugen.  Eine  Schrift:  „Unsere  Armeesprache  im  Dienste  der 
Klassikerübersetzung '^  wäre  mit  Freuden  zu  begrfilsen.  Ausstellungen  und 
Besserungsvorschläge  für  diese  zweite  Auf  hige  der  Hodermannschen  Sdirift 
habe  ich  nicht  zu  machen. 
WolfiBnbflttel. 


137)  Wflhelm  Freiherr  v.  Landau,  Beitrage  zur  Altertmns- 
ktmde  des  Orients.  IH.  Die  Stele  vonAmrith.  Die 
neuen  phönizischen  Inschriften.  Leipzig,  Ed.  Pfeiffer, 
1903.     29  S.  8.  Jü  1.80. 

Der  Verf.  vergleicht  die  1881  bekannt  gewordene  Stele  von  Amrith 
mit  einer  Darstellung  in  den  Torskulpturen  von  Sendschirli  und  versucht 
die  Deutung  der  mythologischen  Figuren.  Die  Inschrift  ist  später  hinzu- 
gefügt, die  Säule  aus  der  Zeit,  wo  noch  hethitische  Einflüsse  in  Phönizien 
vorhanden  waren.  Dann  gibt  Verf.  die  neuesten  28  phönizischen  In- 
schriften, aus  Phönizien,  Ägypten  und  (13)  Karthago  mit  Übersetzung 
und  Anmerkungen,  Grab-  und  Votivinschriften  auf  Krügen,  Vasen,  Amu- 
letten u.  s.  w. 

Oldesloe.  Reiflier  Banflea. 


2ft4'>  Neu»  FhMologMM  Banisoiu»  Nr.  11. 

18«)  /GiaiMmo«.  Ttop»a^v  NmmigBiAtldft^  MMSMMHlianieytiimufi 

[Qi8tiiatta>  ddr.  Ar43faivio   Storio§:.  MesshieBe .  11 .  3/44,   Measki»« 
1902.    43  S.  8. 

Der  Verf.  sagt  in  der  Vorrede,  dafs  er  es  für  ntitzlich'befdnden,  allcis, 
was  ihm  von  messiriesisctaen  Mdnztypen  des  Altertums  (5.-2.  Jahrh.  v.  Chr.) 
erreichbar  war,  za  sammeln.  Es  sind  166  Nummern,  von  de'hen  fünf 
(Nr.  57,  ein  Subäeratüs  von  schon  bekanntem  Typus,  und  Vier  Bronzen: 
76.  77.'  130.  139)  noch  nicht  publiäert  zu  sein  scheinen;  wünschenswert 
wftrie  es  gewesen,  wenn  T.' diese  abgebildet  hätte:  statt  dessen  fifiden  wir 
die  Brosch&fe  mit' einigen  Holzschnitten  von  sehr  zweifelliafter  G'fltd  nach 
bekannten  Münzen  ausgestattet.  Trbpeas  Serie  der  messinesischen  Mfinzen 
darf  übrigens  keinen  Anspruch  darauf  machen ,  vollständig  zu  sein ;  denn 
wenn  der  Verf.  auch*  sagt,^  däfs  er  alles  berücksichtigt  habe-,  was  seit  Parutsl 
(1612)  über  sizilische  Mänzküden  erschienen,  so  hat  er  doch  zwei'  deV 
wichtigsten  Publikationen  der  letzten  Jähre  übersehen:  die  Aüfsät'sie  von 
A.'  J.  Evans  in  der  Nümismatic  Chronicle  (1890,  91,'  94,  96)^utld 
A.'  Holms  GFeschichie  des  sizilischen  Mtinzwesens*  im  Anhaug  zu  seiner 
Geschichte  Sizüiens  (IIT  543—  787y.;  Sei  weifs '  denn  T! '  nidtik  von  dem 
interessanten  Incusus  ältisister  Prä^ng  (HöIm  NV.  5;  vgl.'  auch  NK  6) 
und  zitiert '  die  Mtfnze  mit  dem  Pan  (Hdlmi  JJr.  170  Tafel  *  VI  'l6  ^  — 
übrigens  audi'  bei  Head  bist.'  num.  S.'  135)  noch  nach  E6khMs''Dbcti1na. 
Zu  dem  w^en  der  anachronistischen  Legende  ZJ^iVSL^dfJ/ZO?^*  bemerkens- 
werten SCftck  (Nr.  36)  empfehlen  wir  dem  Verf.,  die  ausführliche  Er- 
örterung von  Holm  zu  lesen;  hier  ist  auch  der  beigegebene  Holzschnitt 
gflM'u&zulifiaglitlkc  dia  'Mtts(Ae)'uift0rhalb^  des  vDe^lns'  undr^a»  ^/Qir 
Liegend<^  «ini- auf  Hblibs  Ptotot^ie'deutUdl^silsbftar\^wäKt0tt^^8)^  auf  dem 
Bflitoehnitif  (dito »Madchel  auch  in » d^  B^sdil^bBng)  fdilen;' 

Auf «  weitere  Einzelheiten  einzugehen  verlohnt'essidi' nicht.  Für 
sädliiKdie^  Sainmler  eti^ '  mag  das  BüdiMn  ganz  *  bhntehbär  seinv  es  ist 
jed^ifktyMUigitiiid mSA  kann^BeitieMAiixefii  das»^  bestimmeKniifd trduM; 
dMtKer  -^hlnaus'^lik^fhftt^^es'  keineii"VMit. 

Miich*n.  .  0.<  B^f)  • 

1  SO)'  Aldgturt  W^diöeki'  FraküMlib  AUelttiiig  ztimiJiiMxYitdil 

ixi  der  lät^infsehen  Orammatik   nach'  den  neuen  Lbhr- 

pMhra.^  ZWeitid,  verbessert«!  Auf  läge.»'  Hftttcla;iSj;  BbeUiMdlti^g 

des  Waisenhauses,  1902.    217  8.  8.  JtfB^^. 

DieBe^^oclif i4Men  erste  Auflage  mir  nicht  zu  Händen  gekommen  ist, 

müehte  ich  allen  Lehrern  der  alten  Spraehen,  namentlich  aber  den  Anftngem 


K 


'  Neae  Fhilologiitohe  Buiidgchaa*  Nr.  11.  *5ft5 

nüd'  jflngeren'Eolhefen,  dringehd  empfehlen.  Die  'darin  üiedergelegtet  Be- 
*  handlnngsweise  der  Segeln  kann  nrtttlich  oiid  soll,  -irie'der^Tefrf.'-flelbst 
biBtont/  keine  Schablone  znm  metehatn^ehen^^Nachmatehen  sein,  'soadern  jMer 
Lehrer  mag  dieselben  nüt  itorlbsiäüdigem '  urteile  nsteh  «einer  Bigenort 
modifizieren.  Aber  die  ganze  Terfahrensart  -wird /dabei  zn  t^raade  zu 
legen  sein.  'Der  Verf.  yertrftt  mit  Nafßhdnfck,'nild  gowifs  ntit-Belsht, 
das  induktive' Ter&hren,  irobei  Wetdings,  wie  er  tselbst  S;  2d"flagt,  dieses 
nicht  istots  niid  flberafllmafi^beAd  sein  kann.  Induktion  und  DMuktion 
werden  einander  ergänzen  müssen;  das  iAdtiktiTe^ V<^faren -^ird  nii»hr  in 
den  uhteren  und  mutieren  Klassen,  das' dMhktiTO  mehr  in  den  oberen- zur 
Geltung' kommen,  ftber  nicht  aus^tehliefslich  herrschen.  — 'Der^'grMMre 
Teil  des  Buches  ist  dem  prtiktischenTJhberricfate  gewidmet,  *uAd'  hier  z^ 
silBh  der  erfkhrene  Schulmann.  !Bs  ist  hier  der  ganze  llifeiniäche' Unter- 
richt in  seiner '  Entwitkidlung  ron  TP  bi£rrduithgenommen,uiidlBer^'#ird 
ein  j^der,  der  das  Buth  aufmerksam  durchalrbeitet,  mag  er  aueh*  Vi'elleieht 
4sllBlbst '  in  Ihnlidier  Weise  rerfiihren,  oder  hie*  und  da  sich'aUehMnd 
verhlEtlten,  viele  neue  Anregungen  ud^d  Fingerzeige  emp&ngen.  'AüßSinAl- 
heiten*  profund  contra  hinzuweisen,  kann  ich  mir  ersparen:  ^möge^^  jeder 
selbst  prüfen;  jedenfalls  möchte  ich  meine  Empfehlmig  dieser  wirklich 
i<prakti86heai.ADiilitu]ig  ^deshdäen. 

Bißkehurg.  tS-hV  5Uor. 

140).B.  Schnee,  HiUabüchlain  fOr.  den  lateinischen  Vnter- 
.  rieht.    Erster  .Teil:  .Phrasensammlung.    .Gotha, .  Friedrich 
Andreas  PMhiSS  1903.    VI  u.  103  8.  8. 

geb.  M  1.  — . 
'Der  Verf.  stdllt  einen  Kanon  der  wichtigsten  laieinistohen  Ausdrücke 
uüd  Phrasen  auf  und  verteilt  den  Stoff  auf  die  einafeloen  Klassen  des 
Gymnasiums.  Für  die  unteren  Klassen  schöpft  er  ihn  aus* Busch -^ Fries 
und  Müller -Ostermann,  für  die  anderen  lediglich  aus  der  Lektüre.  Er 
benutzt  nur  die  in  den  "Gymnasien  am  meisten  gelesenen  Sehliften  des 
Altertums. 'Vielldcht könnten  später  noch  verwertet  werden  das'Somnium 
Scipionis,  de  öfficiis  lib.'I  und  das  erste  Buch  der  Historien  des 'Tacitus. 
Der  praktische 'Nutzen  der  sorgfältigen  Arbeit  ist  meines  Brachtens 
eihleuchtend :  wenn  die  aus  der  Lektüre  gewonnenen'  Phrasen  systematisch 
gelernt  und  wiederholt  werden,  so  witd  der  Lehrer  derhüheren  Klasse 
in  der' Lage  sein,  auf 'diesem  feisten  gründe  wiaiter  zu^  bauen  raufseMem 


256  Neu«  Philologische  RuidBchaii  Nr.  11. 

weifs  er,  was  er  in  dieser  Bicfatong  voraussetzen  darf.  Folgt  man  dieser 
Methode  der  Auswertung  der  LektQre  bis  zur  Oberprima  hinauf,  so  wird 
man  für  jede  Klasse  eine  sichere  Kenntnis  eines  fest  umgrenzten  Wort- 
und  Phrasenschatzes  erreichen  können.  Der  Nutzen  wird  in  den  Extem- 
poralien bald  zu  Tage  treten:  die  Dürre  und  Unsicherheit  im  Ausdruck, 
die  auch  bei  grammatisch  gut  herangebildeten  Klassen  sich  zeigen, 
werden  von  Jahr  zu  Jahr  mehr  schwinden.  Aber  ich  glaube,  dals  auch 
die  Lektfire  selbst  durch  das  konsequente  Festhalten  und  Wiederholen  der 
gelesenen  Bedewendungen  gewinnen  wird.  SchlieMich  noch  eine  Be- 
merkung: da  die  vorliegende  Phrasensammlung  dem  Qange  der  Lektfire 
nach  Kapiteln  folgt,  so  ist  sie  geeignet,  den  SchQler  auch  bei  der  häus- 
lichen Vorbereitung  wirksam  zu  unterstfitzen. 

Im  zweiten  Teile  behandelt  der  Verf.  auf  81  Seiten  die  wichtigsten 
stdlistischen  Begeln  und  belegt  sie  mit  zahlreichen  Beispielen  aus  den  in 
der  Schule  gelesenen  Schrifben.  Wer  in  der  Praxis  steht,  wird  erkennen, 
dals  gerade  die  Gebiete,  deren  Erfassen  dem  Schfiler  die  grSfsten  Schwierig- 
keiten bereitet,  vom  Verf.  am  ausführlichsten  besprochen  worden  sind. 

Hamburg.  M.  Kleiasolimit. 

141)  Faul  Stapfer,  Victor  Hugo  et  la  Orande  FcöBie  Sa- 

tixique  en  France.    Paris,  Paul  Ollendorf,  1901.    349  S.  8. 

fr.  8.50. 
Der  behandelte  Oegenstand  hat  augenscheinlich  auf  die  Art  der  Be- 
handlung eingewirkt:  das  ist  ein  Buch  so  langatmig  und  eintönig  wie 
Victor  Hugos  Poesie  selbst,  und  das  wirklich  Wertvoile  verliert  sich  wie 
einzelne  WeizenkSmer  in  der  Spreu.  Wertvoll  ist  eigentlich  nur  der 
letzte  Abschnitt,  der  den  Beziehungen  zwischen  Victor  Hugo  und  Agrippa 
d*Aubign£  nachgeht.  Dafs  mancherlei  Fäden  von  dem  Satiriker  des  16.  Jahrb. 
(1550 — 1630)  zu  dem  des  19.  herüberleiten,  liegt  ja  auf  der  Hand. 
Stapfer  deckt  sie  systematisch  auf  und  erklärt  sie  in  zutreffender  Weise. 
Orundbedingung  ist  natfirlich  eine  Ähnlichkeit  der  Charaktere.  Dann  aber 
liegt  entschieden  ^ine  Einwirkung  des  Älteren  auf  den  Jfingeren  vor,  da 
Victor  Hugo  ihn  in  seiner  Jugend  gelesen  hat  Wie  fest  solche  Lese- 
frflchte  in  Hugos  Erinnerung  safsen  und  wie  sie  ihm  wieder  in  die  Feder 
liefen,  ohne  dafii  er  sich  bewuM  war,  eine  Anlehnung  zu  suchen  oder  gar 
ein  Plagiat  zu  begehen,  dafür  erzählt  Stapfer  aus  eigener  Erinnerung  ein 
Erlebnis,  das  alles  Ähnliche  weit  hinter  sich  l&lsL    Das  Hauptverdienst 


k 


Nene  Fhilologiiohe  Bimdiehfta  Nr.  11.  257 

der  fibrigen  acht  Abflchnitte  ist  eigentlich  nur,  dab  man  an  der  Hand 
eines  Eondigen  einen  groCsen  Teil  der  HngOBchen  Lyrik  in  einem  be- 
stimmten Sinne  durchwandert  und  sich  so  ihrer  Merkmale  wieder  erinnert; 
irgend  etwas  Neues  wird  nicht  zu  Tage  gefördert.    Oegen  die  These  des 
ersten  Abschnittes,  dals  vor  Hngo  die  Satire  in  unpersönlichen  Sitten- 
predigten bestanden  habe,  das  Persönliche  erst  von  ihm  hineingebracht 
sei,  gibt  es  mancherlei  Einwände:  man  denke  nur  an  Aubign^.    Biditig 
aber  ist,  dals  Victor  Hugo,  wie  Oberhaupt,  so  auch  in  seiner  Satire  sich 
als  das  Mafs  aller  Dinge  hinstellt    Auch  das  wird  man  zugeben,  dals 
ihm  niemand  gleichkomme  „im  Ausdruck  der  heftigen  und  dflsteren  Leiden- 
schaften, der  Empörung,  des  Zornes,  des  Hasses,  der  Verachtung  ^^    Sicher- 
lich entsprach  auch,  wie  Stapfer  ausffthrt,  diese  satirische  Lyrik  am  voll- 
kommensten seinem  Wesen,  insofern  er  mehr  und  bewulster  als  andere 
Dichter  das  Bedfii&is  gespflrt  hatte,  zu  belehren,  und  den  —  nach  unserer 
Meinung  freilich  ohnmächtigen  —  Wunsch,  umgestaltend  in  die  Entwicke- 
lung  der  Dinge  einzugreifen.  Im  Anschluß  an  diese  Auseinandersetzungen 
aber  wirft  Stapfer  noch  die  Frage  auf,  wie  man  sich  dazu  stellen  solle, 
dals  Victor  Hugo,  der  strenge  Sittenrichter,  in  seinem  eigenen  Hause  so 
wenig  auf  Beobachtung  der   Sittengesetze  gehalten  habe.     Eben  jetzt 
erscheinen  in  der  Bevue  de  Paris  (Fivrier  1903)  die  erbaulichen  Dokumente 
seines  bigamischen  Lebens.    Natfirlich  weils  Stapfer  auch  weiter  nichts 
zu  sagen,  als  dals  ein  Satiriker  kein  Heiliger  zu  sein  brauche,  und  dafs 
die  gepredigten  Tugendlehren  darum  nicht  weniger  wahr  und  erhaben 
seien  und  was  dergleichen  Verlegenheitsauskflnfte  mehr  sind.    So  entlälst 
dieser  Abschnitt  den  Leser  mit  einem  peinlichen  Oefähl,  das  weit  entfernt 
wieder  zu  schwinden,  stetig  zunimmt.    Es  gibt  wenig  Schilderungen,  in 
denen  Hugo  so  klein  erscheint,  wie  in  dieser,  obschon  Stapfer  ihn  ge- 
wissenhaft immer  den  „Grofsen  Dichter'^  nennt.    Fährt  er  doch  selbst 
so  viele  Beispiele  seiner  Unzulänglichkeit  an  —  bekannte  und  weniger 
bekannte  —  dafs  man  Seiten  damit  fDUen  könnte:  Hugo  ist  kein  Denker, 
er  ist  kein  Philosoph,  er  ist  in  seinem  Hafs  stets  blind,  indem  er  unter- 
schiedslos ganze  Klassen  und  Stände  verfolgt,  er  „kennt  sich  selbst  gar- 
nicht",   er  steckt  voll  kindischer  Selbstfiberhebung,  er  scheut  vor  den 
Mesten  Albernheiten  ebensowenig  zurfick,  wie  vor  den  unedelsten  Schimpf- 
wörtern, er  verwickelt  sich  in  ungezählte  Widersprflche  —  wo  bleibt  da 
die  Gröfse ,  ja  wie  kann  dabei  Hugo  auf  literai^eschichtliche  Bedeutung 
Anspruch  erheben?    Das  Positive  gegenüber  all  diesen  elirlich  gemachten 


258  l^ene  iPhilologisehe  Bnndschan  Nr.  11. 

Ansstellnngen  ist  verbfiltnismftrsig  gering.  Wenn  ans  ein  Abschnitt  bei- 
spielsweise verspricht,  uns  in  die  „Gesetze  der  Vorstellungskraft  Hogos*^ 
einznfBhren,  so  erwarten  wir,  wenn  anders  Hugo  wirklich  der  „Grobe 
lichter**  ist,  hier  in  die  Geheimnisse  des  schaffenden  Menschengeistes 
schlechthin  eingeführt  zu  werden.  Und  was  er&hren  wir?  Eins  dieser 
angeblichen  „ Gesetze '^  sei  die  „Antithese 'S  ein  anderes  „dieÜbertreibung'^ 
Das  wfirde  man  doch  h(k^hstens  „rhetorische  Mittel,  durch  die  er  Wir- 
kungen zu  erzielen  sucht'S  nennen  können.  Ein  weiteres  „Gesetzes  das 
in  diesem  Genius  lebendig  war,  soll  dann  sein,  dafs  „die  Worte  in  seinen 
Augen  ein  wirkliches  Leben  annehmen '^  Um  mit  den  Worten  plastische 
Vorstellungen  zu  verbinden,  braucht  man  noch  nicht  einmal  Dichter  zu 
sein.  Und  dann  werden  zwei  gänzlich  negative  Eigenschaften  seines  dich- 
terischen Wesens  unter  diesen  „ Gesetzen'*  genannt,  nftmlich  gänzliche 
ünflUiigkeit  zur  Selbstironie  und  Mangel  an  psychologischem  ünterschei- 
dungsvermOgen,  mag  auch  immerhin  das  letztere  positiv  ausgedrfickt  sein: 
la  Edmplification  extrfime  des  choses  que  les  mots  repr^ntent.  Man  muls 
sagen:  entweder  ist  Stapfer  nicht  in  die  Tiefe  von  Hugos  Wesen  ein- 
gedrungen, oder  diese  Tiefe  ist  überhaupt  nicht  vorhanden.  Und  dafs  das 
zweite  der  Fall  sei,  ist  der  bedauerliche  Eindruck,  den  dies  Buch  hinter- 
läfst.  Es  beweist,  dafs  man  auf  diesem  Wege  Hugos  unleugbare  Bedeutung 
nicht  fiissen  kann.  Man  vrird  immer  von  dem  Zugeständnis  ausgehen 
müssen,  dafs  er  keiner  von  den  Grofsen,  keiner  von  den  Führenden  ge- 
wesen ist,  sondern  unter  dem  grofsen  Haufen  der  nach  wechselnden  Zielen 
drängenden  Menge  einer  der  lautesten  Bufer  und  unermüdlichsten  Kämpfer 
nicht  mehr  und  nicht  weniger. 

WefanaY.  Crloh 


142)  H.  Scharar,  Una  Familla  pandant  la  Ghierra  1870/71 
par  Mme  B.  Boissoiinas.  Im  Auszug  zum  Schulgebrauch  heraus- 
g^eben.  München,  J.  Lindauersche  Buchhandlung  (Schöpping), 
1902.     92  S.  8.  brosch.  Ji  -.80,  geb.  Ji  1.-. 

Die  von  Madame  Boissonnas  veröffentlichten  Erlebnisse  einer  fran- 
zösischen Fkmilie  während  des  Eriegsjahres  erfreuen  sich  als  Schullektüre 
zunehmender  Beliebtheit.  In  der  Tat  bietet  das  Werk  eine  soldie  Fülle 
anziehenden  Stoffes,  der  für  die  Zwecke  des  französischen  Unterrichts  und 
vom  ethischen  Gesichtspunkte  aus  in  gleichem  Mafse  wertvoll  ist,  da(s  es 
schwer  fällt,  auf  den  für  eine  Schulausgabe  verfügbaren  Baum  sich  zu 


k 


Nene  FhiklogiMhe  Baadidiiii  Nr.  11.  SM 


beschrSnken.  In  vorliegender  Auagabe  fehlen  leider  die  fegaelnden  Briefe 
von  Flau  v.  ThienUni  die  ein  anaehauliohes  Bild  der  Beziehungen  zwischen 
Deutschen  und  Franzosen  bieten.  Daf&r  ist  die  abenteuerliche  Flucht  des 
CSapitaine  Herbauld  mit  aufgenommen. 

In  den  ,, Einleitenden  Bemerkungen'*  ist  das  Nötigste  enthalten. 
Übrigens  ist  nicht  nur  die  Bezeichnung  des  Gutes,  „Les  Flatanes'S  son- 
dern auch  der  Name  der  Familie,  de  Vineuil,  wülkfirlich  gew&hlt 

Zeilenzählung  am  Bande  des  Textes  ist  nicht  vorhanden;  daher  muf^ 
durch  bdgefttgte  Ziffern  auf  die  Anmerkungen  verwiesen  werden.  Diese 
(S.  66—73)  sind  fast  ausschlieMich  geschichtlicher  oder  geognphischer 
Natur.  Einige  davon  sind  wohl  entbehrlich:  „Die  Loire  entefpringt  auf 
den  Cevermes  und  ist  bei  einer  L&nge  von  1002  km  der  grO&te  Fluls 
Frankreichs.'*  (Ähnlich  unter  Seine,  Bretagne,  Larraine.)  —  „Quühiume. 
Friedrich  (sie!)  Wilhelm  1797—1888,  König  von  Fteufim,  seit  1871 
Deutscher  Eaiser.^^ 

Das  Wörterverzeichnis  (S.  76—92)  enthUt  fast  gar  keine  AusEfprache» 
bezeichnung,  obwohl  bei  WOrtem  wie  babjf,  eneaigmure,  eaMiM,  fmä 
efaie  solche  wfinsdienswert  wilre. 

Durch  Beigabe  einer  Kartenskizze  der  Umgebung  von  BuriSi  vielleicbt 
auch  des  Kriegsschauplatzes  an  der  Loire,  wflrde  die  Brauchbarkeit  der 
Ausgabe  wesentlich  gewinnen.  Der  Text  bietet  eine  willkommrae  Lek- 
tfire  IBr  Sekunda;  (Ox  Obertertia  wflrde  sich  der  Mangel  an  Übersetzunga- 
hilfen  wohl  stSrend  bemerkbar  machen. 

Baden-Baden.  B.  Wfl 


143)  F.  X  Werahoven»  Frankreieh.    Bealienbuch  fBr  den  fran- 
zösischen Unterricht  Dritte  verbesserte  Auflage.  GSthen,  0.  Schulze, 
1903.     Vm  u.  224  S.  8. 
Das  Buch  will  nicht  Stoffe  zu  Sprechflbungen  Aber  Voigftnge  und 
Verhflltnisse    des    wirklichen  Lebens  bieten,    sondern    solche  fBr  freie 
Arbeiten  u.  s.  w.  Aber  Geschichte,  Literatur  und  Kultur  des  französi- 
schen Volkes.    Es  ist  eine  ziemlich  bunte  Zusammenstellung,    die  ja 
manches  Brauchbare  enthalten  mag,   aber  nichts  besonders  Wertvolles. 
Von  der  Flfichtigkeit  der  Arb^t  erhält  man  einen  netten  Begriff,  wenn 
man  sich  das  Verzeichnis  der  Druckfehler  ansieht,  welche  die  Besprechung 
in  der,  Zeitschr.  f.  lateinlose  höhere  Schulen  1902,  S.  102,  aufrählt.  Dabei 
liegt  ciie  „dritte  verbesserte  Auflage''  vorl    Ein  solches  Buch  darf  man 


SgQ Nene  Phüologiaelie  Bnndechan  Nr.  11. ^ 

ja  deo  Schfilern  gar  nicht  in  die  Hand  geben.  —  Anmerkungen  nnd 
Synonyma  zeigen  geradezu  angenverderbenden  Druck.  Quellennachweise  sind 
nur  zum  Teil  vorhanden. 
Viersen. 


144)  John  Koch,  QeoSrey  Chauoer,  The  Fardoner'a  Pro- 
logue  and  Tale.  A  Critical  Edition.  (=s  Englische 
Textbibliothek,  herausgegeben  von  J.  Hoops,  7.)  Berlin, 
E.  Felber,  1902.    LXXII  u.  164  S.  8.  J$  3.-. 

Alle  sechs  frflheren  Bände  dieser  schönen  und  zweckdienlichen  Samm- 
lung sind  in  deutscher  Sprache  erschienen,  wie  es  sich  ffir  das  Unter- 
nehmen eines  deutschen  Gelehrten  und  eines  deutschen  Verlegers  geziemt. 
J.  Koch  ist  der  erste,  der  diesen  Grundsatz  durchbricht.  Ganz  geheuer 
scheint  es  ihm  freilich  selbst  ursprünglich  dabei  nicht  gewesen  zu  sein, 
denn  er  fQhlt  sich  verpflichtet,  die  Prefatory  Note  mit  folgenden  charak- 
teristischen Worten  einzuleiten:  The  first  question  asked  by  numy  on 
openmg  Üiis  book  toiU  perhaps  be,  ^Why  was  it  wriUen  in  English,  üs 
authar  hemg  a  Qermanf  Dann  gehts  nicht  minder  bezeichnend  weiter: 
The  piain  answer  is,  *Ai  ihe  Suggestion  of  ihe  leamed  Editor  of  this 
CoJlection,  who,  like  the  author,  ihinks  that  in  this  shape  (he  book  wül 
find  more  friends  among  ihe  EngUsh-^eakmg  natUms,  for  whom  it  is 
OS  much  intended  as  for  German  students^.  Also  gewöhnliche  Nfitzlich- 
keitsbestrebungen  oder  Liebedienerei  vor  dem  Auslande  fahren  noch  immer 
bei  ^ms  zu  Erfolgen,  wie  sie  kein  anderes  Volk  der  Welt  aufzuweisen  hat. 
Ich  habe  noch  keine  deutsch  geschriebene  germanistische  Abhandlung  oder 
Ausgabe  eines  Franzosen  oder  Engländers  gesehen,  selbst  Tschechen  und 
Ungarn  schreiben  Fachaufsätze  und  wissenschaftliche  Bflcher  in  ihrer 
Muttersprache,  der  deutsche  Gelehrte  aber  mufs  seine  Schriften  fiber  eng- 
lische Philologie  getreulich  in  englischer  Sprache  abfassen;  denn  auf  das 
bifschen  Deutsch  kommts  ja  nicht  an,  wenn  nur  die  Herren  Engländer 
und  Amerikaner  die  Gflte  haben,  so  ein  Werk  mit  herablassendem  Danke 
hinzunehmen  und  es  ihrer  Beachtung  zu  wfirdigen.  Es  wäre  dringend  zu 
wünschen,  dafs  auch  in  der  Wissenschaft  etwas  mehr  nationales  Selbst- 
bewufstsein  zum  Vorschein  käme  und  Erscheinungen  wie  die  vorliegende 
allmählich  von  der  Bildfläche  verschwänden.  Denn  die  deutsche  Wissen- 
schaft, besonders  auch  die  Anglistik,  hat  doch  wahrlich  das  Recht,  auch 
in  deutschem  Gewände  vom  Aushind  beachtet  zu  werden.    Geschieht  das 


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Nene  Fhiloloc^lie  Bimdsefaaa  Nr.  11.  S61 

dennoidi  nidit,  wie  es  in  Biigland  freilich  fest  Begel  ist,  sa  bleibt  der 
Sehaden  anf  Seiten  derer,  die  da  za  bequem  sind,  deutsch  m  lernen. 
Wegen  solcher  Bequemlichkeit  Fremder  aber,  die  nicht  selten  in  Hochmut 
ausartet,  so  ohne  weiteres  auf  die  Muttersprache  zu  Terzichten,  das 
ist  nicht  würdig.  (Vgl.  hierzu  auch  die  Bemerkungen  Aber  Holthausens 
Sammlung  Old  and  JÜUddOe  EngUsh  Texts  im  Jahig.  1901,  S.  187  dieser 
Zeitschr.). 

Bein  sachlich  betrachtet  ist  das  Buch  natfirlich  eine  Musterleistung 
eines  deutschen  Gelehrten,  ja  man  könnte  ihm  vielleicht  fBr  seine  Zwecke 
—  hauptsächlich  soll  die  Sammlung  zum  Gebrauch  an  üniTersiatBsemi- 
naren  dienen  —  etwas  weniger  Gelehrsamkeit  wfinschen.  Denn  die  Seiten 
der  Ausgabe  sehen  in  der  Begel  so  aus,  dals  4 — 7  Zeilen  Text  darauf 
stehen  und  der  ganze  Best  von  den  Handschriftenvarianten  eingenommen 
wird.  Das  ist  ja  nun  zweifellos  ein  Zeichen  von  grober  Gründlichkeit 
und  Genauigkeit  bei  der  kritischen  Herstellung  und  Bearbeitung  des  Textes, 
aber  ob  das  in  dem  Mafse  und  gerade  bei  Chaucer  notwendig  oder  fBr  den 
Studenten  auch  nur  nützlich  ist,  ist  doch  wohl  eine  Frage,  Ober  die  man 
geteilter  Meinung  sein  kann.  Denn  aUzugrofse  Fülle  kann  bekanntlich 
auch  verwirrend  wirken  und  unter  den  55  für  die  Pardoner^s  Tale  in 
Betracht  kommenden  Handschriften  und  Drucken  läfst  sich,  wie  Koch  ja 
selbst  in  seiner  Einleitung  zeigt,  eine  verhältnismftisig  einfache  Gruppierung 
erzielen,  die  wohl  unschwer  noch  etwas  mehr  Knappheit  in  der  Gestaltung 
des  Variantenapparats  ermöglicht  hätte.  Das  ist  indessen,  zum  Teil  wenig- 
stens, Ansichtssache.  —  Die  umfangreiche  Einleitung  enthält  nun  im  ein- 
zelnen im  ersten  Kapitel  eine  kritische  Übersicht  über  die  früheren  Aus- 
gaben der  Pard.  Tale,  die  übrigens  hier  zum  ersten  Male  allein  in  einer 
Sonderausgabe  erscheint,  das  zweite  gibt  die  notwendigen  Bemerkungen 
über  die  Anhige  und  Einrichtung  der  Ausgabe,  Kap.  III  beefpricht  di^ 
Stellung  der  Pard.  Tcde  im  Bahmen  des  Gesamtwerkes,  wobei  Koch  sie 
auf  1390—91  datiert,  Kap.  IV  bringt  eine  Übersicht  über  das  Quellen- 
verhältnis, Kap.  y  eine  Charakteristik  des  Pa/rdonery  und  Kap.  VI  end- 
lich (S.  XXX — Lxxu)  besteht  aus  einer  ungemein  eingehenden  und  sorg- 
samen Untersuchung  über  die  Handscbriften  und  Drucke  der  Erzählung, 
ihren  Wert,  ihre  Beschaffenheit  und  ihr  Verhältnis  zueinander;  ihr  End- 
ergebnis besteht  wiederum  darin,  dafs  das  EUesmere- Manuskript  sich 
als  die  beste  Überlieferung  darstellt  und  als  Grundlage  eines  kritischen 
Textes  dienen  mufo.  Auf  den  Text  folgeu  dann  noch  die  auch  sehr  reich- 


Nene  FhiiologiBelie  Bnndsebaii  Nr.  11. 


K 


haltigen  Notes  (S.  94—160),  die  mit  gro&er  Gründlichkeit  alle  möglichen 
Fragen,  sadiliche,  sprachliche,  grammatische,  vergleichende,  solche  der 
Aussprache,  Metrik  n.  a.  m.  erörtern,  und  öfter  auch  eine  deutsche 
Übersetzung  oder  Erklärung  bieten. 
Breslau. 


145)  F.  Bantsch,  Talks  about  EngliBh  Life.   Göthen,  0.  Schulze, 

1902.    XVI  u.  301  S.  8. 

Nach  dem  Titelblatto  ist  das  Buch  auch  fflr  höhere  Lehranstalten 
bestimmt  (auDserdem  f8r  Fortbildungsschulen,  Pensionate  und  zum  Selbst- 
studium), dedialb  mag  hier  eine  kurze  Besprechung  am  Platze  sein.  An 
ridi  ist  das  Buch  nicht  sohlecht,  aber  far  höhere  Schulen  ist  es  kaum  zu 
verwenden.  Qanz  abgesehen  von  der  weitlftufigen  Anhige  vieler  Kapitel, 
enthält  es  Verschiedenes,  das  wir  doch  nicht  gut  unseren  Schfllem  vor- 
zulegen brauchen,  so  den  köstlichen  Abschnitt  Aber  die  Vorzfige  des  Jung- 
gesellentums,  denjenigen  Aber  Herren-  und  Damentoilette  u.  s.  w.  Am 
errten  wird  sich  das  Buch  zum  Selbststudium  empfehlen,  allenfalls  auch 
f&r  Mftddienpensionato«  —  Druck  und  Ausstattung  sind  gut. 

Viersen.  A.  Waokersapp. 

146)  Ph.  Hangen,  Englische  Übnngsbibliothek  zur  Benutzung 

an  höheren  Lehranstalten  sowie  zum  Privatstudium.  Dresden, 
L.  Ehlermann  (o.  J.).  Nr.  4:  Gutzkow,  Zopf  und  Schwert. 
5.  Aufl.     124  S.  8.  geb.  ^1.20. 

Über  die  im  Verlag  von  Ehlermann  erscheinende  Übungsbibliothek 
;  ist  in  diesem  Blatte  Jahrg.  1901,  Nr.  26,  schon  gesprochen  worden.    So 

I  wie  dort  der  Wert  einzelner  Bändchen  dieser»  Sammlung  gebfihrend  her- 

I  vorgehoben  vrurde,  so  darf  auch  an  dieser  Stelle  die  fünfte  verbesserte 

[  Auflage  der  Bearbeitung  des  Gutzkowschen  Stuckes  allen  denjenigen  em- 

pfohlen werden,  die,  sei  es  im  Unterrichte,  sei  es  zum  Privatstudium, 
die  Übertragung  eines  echt  deutschen  Schriftwerkes  ins  Englische  ins 
Auge  gefalst  haben. 

Münster  i.  W.  ■•  BofRiohvUo. 


Nea«  Phllologiflelie  BnnaMbM  Nr.  11.  868 


Vakanzen. 
Braunsehwelg,  H.M.S.  ObL  N.  Spr.    Stadtmagiatrai 
Cassel,  B.S.  Zwei  Obl.  1)  N.  Spr. ;  2)  Bei.,  Deutsch  tu  Gesch.   Magistrat 
Dortmund,  O.B.  ObL  1)  Math ;  2)  N.  Spr.    Scholkaratoriam. 
Eschwege,  G.  u.  RS.  Obl.  Alte  Spr.  n.  Deutsch.    Kuratorium. 
Guben,  G.  Hil&I.  Gesch.  u.  Deutsch.    Dir.  Dr.  Hamdorff. 
Halle  a.  S.,  G.  Obl.  Elass.  PhiL   Magistrat. 
EOln,  O.B.  u.  B.G.  Obl.  Math.  u.  Nat.    Dir.  Dickmann. 
Harienburg,    H.M.S.    Obl.    Deutsch    u.   Gesch.   oder  Bei.  u.  Gesch. 

Dir.  Dr.  BSmstedt. 
Sehwerte,  Prg.  Obl.  N.  Spr.    Kuratorium. 
Yiersen,  G.  Hilfsl.  Alte  oder  N.  Spr.    Dir.  LOhrer. 

Yerlag  Ton  Friedrieh  Andreas  Perthes,  Aktiengesellschaft,  C^otha. 

Perthes*  Schulausgaben 

englischer  und  französischer  Schriftsteller. 

Nr.  16B.  Hlstolre  de  FExp^dltion  d'Egypte,  tir^e  de  THistoire  de 
la  BSvolution  fraD9ai8e  par  A.  Thlers.  Edition  annot^e  ä  Tusage 
des  classes  par  Charles  Beckmann,  Professeur  au  Gymnasium 
Carolinum  d'Osnabrfick.  Gebunden  A  1.20.  —  Wörterbuch  dazu  ui —.40. 

Nr.  34  B.  F.  H.  Bumett.  Llttle  Lord  Fauntleroy.  (1866.)  Edited 
with  explanatory  notes  by  Dr.  A.  Stoerlko. 

Gebunden  Jf    1.—.  —  Wörterbuch  dazu  Jk  —.20. 

Nr.  40  B.  Hademolselle  de  la  Seigltöre,  com^die  par  Jules  Sandeau. 
(1851.)  Vitien  pr^dfe  de  notices  biographique  et  historique 
et  accompagnäe  de  notes  par  E.  Engelke,  Docteur  en  Philoso- 
phie et  professeur  k  la  Oberrealschule  de  Flensburg. 

Gebunden  Jd  1.60.  —  Wörterbuch  dazu  J(  —.20. 

Nr.  42  B.  Salllng  alone  around  the  world.  By  Gapt.  Joshua  Sloeum. 

Adapted  for  the  use  of  schools  by  B.  Blume,  Ph.  D.,  Professor 
at  the  Bealschule  beim  Doventor,  Bremen.  With  a  plan  and  a  map. 
Gebunden  Ji  1.20.  —  Wörterbuch  dazu  J$  —.20. 


LA  CLASSE  EN  FRANQAIS. 

Ein  Hilfsbuch 

ftkr  den  Gebrauch  des  FranzöaiBclien  als  Unterriohta- 
und  Sohulyerkehrsspracba 

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Dr.  v^.  Engelke, 

Oberlehrer  an  der  Oberrealschule  zu  Flensburg. 
Zweite,  verbesserte  Auflage.    Preis:  Jf  0.80. 

■9*  Zu  beziehen  dnreh  alle  BaeUumdluifen.    "Wä 


264 Nene  Philologiadie  Rnndgchan  Nr.  11. 

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Stillstisches  Hilfs-  und  Merkbuch  des  Französischen 
für  Sehüler  der  Oberklassen, 

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lichen Beobachtungen  und  idiomatischen  Ausdrflcken 
von  Dr.  K.  Bngelke» 

Oberlehrer  an  der  Oberrealschnle  m  Flensburg. 
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Professor  am  KgL  Joachimsthaler  Gymnasium  zu  Berlin. 
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Paul  yeff  Verlag  (Carl  Bflchle)  In  Stuttgart 

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Christoph  Fr.  Griebs 

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neu  bearbeitet  und  vermehrt 
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Dr.  Arnold  SchrOer 

ord.  Professor  an  der  Handelsbochscliule  zu  Köln 
weil.  ord.  Professor  der  englischen  Philologie  an  der  Universität  Freibnrg  i.  B. 

160  Bogen  dreispaltiger  Satz  in  Gr.-Lex.  8®. 

I.  Band:  n  Band: 

eleg.  m  Halbleder  geb.  IL  14.—  eleg.  in  Halbleder  geb.  M.  12.^ 

Die  Ansspraoheangaben  Schröers  verdienen  das  gröfste  Lob.  Mit  welcher  Vorsicht  der 
Verfasser  vorgeht,  ist  besonders  daraus  zu  ersehen,  aaflB  er  von  vielen  Wörtern  swei  nnd 
mehr  verschiedene  Aussprachen  angiebt.  KatlirUoh  wird  die  an  erster  Stelle  stehende  als 
die  beste  empfohlen.  Prsf.  Dr.  Ellln|sr,  Trsppau,  in  der  „As|lla". 

pgr  Zu  haben  In  allen  Buchhandlungen  "VI 

Für  SchnleB  Hvr^fia^mt^sanwfi'^  bei  gleichzeitigem  Bezug  einer  größeren  Anzahl 
von  Exemplaren. 

fftr  die  BsdakttoB  vonatworilieh  Dr.  E.  Luiwl|  in  BffMta 
Dnek  «Bd  Verlag  von  Friadrleh  AadTMU  Perthes,  Aktitngeaellscliftfl,  Qotlia. 


^ 


tu 


o.-'i9C3 


Ctotha,  13.  jTnm.  ]ffr.  12,  Jahrgang  19Öd. 

Neue 

PhilologischeRundschau 

HeraiugegebeD  tod 

Dr.  C.  Wagener  und  Dr.  E.  Ludwig 

in  Bremen. 

Encheint  alle  14  Tage.  —  Frei«  fOr  den  Jahrgang  8  Hark. 

Bestellnngen  nehmen  alle  Bachhandlangen,  sowie  die  Postanstalten  des  In-  and  Aaslandes  an. 

Imertionsgebflhr  Rlr  die  einmal  gespaltene  Petitzeile  80  Pfg. 

Inhalt:  Bezensionen:  147)  Ch.  W.  Peppler,  Comic  Terminationes  in  Aristophanes 
and  the  Comic  Fragments  (Pb.Weber)  p.  265.  —  148)  Fred.  H.  M.  Blay  des,  Spici- 
legiam  Aristophaneom  (Pongratz)  p.  26b.  —  149)  Jacob  vanderValk,  De 
Lucretiano  carmine  (H.  Schröder)  p.  268.  —  150/152)  W.  Dörpfeld,  Das 
Homerische  Ithaka;  Hago  Michael,  Das  Homeriscne  nnd  das  heutige  Ithaka; 
N.  K.  IlavXdxov  4>ttQfJLttxifag ,  ^H  ulrj&iis  *I9'äxri  toO  ^OfiriQou  (B.  Menge) 
p.  270.  —  153)  L.  Hervienx,  Notice  snr  les  fahles  latines  d'origine  indienne 
(Fr.  Heidenhain)  p.  275.  —  154)  P.  Yarese,  II  calendario  romano  all'eta 
della  prima  guerra  punica  (P.  Lnterbacber)  p.  275.  —  155)  M.  Wetze j,  Griech. 
Lesebnch  (F.  Adami)  p.  276.  —  156)  üppenkamp,  Aufgaben  zum  Übersetzen 
ins  Lateinische  imAnschluIs  an  Tacitus  (£.  Krause)  p.  279.  —  157)  A.Brofsmer, 
Aigar  et  Maurin  (M.  Goldschmidt)  p.  280.  —  158)  M.  Hoffmann,  Guy  de 
Maupassant  (A.  Bohr)  p.  281.  —  159)  B.  Lade,  Henri  Malln,  ün  CoUegien 
de  Paris  en  1870  (K.  Pusch)  p.282.  —  160)  £.  Goerlich,  Hilfsbuch  far  den  franz. 
Unterricht  (A.  Wackerzapp)  p.  283.  —  161)  V.  Kerb,  The  Valiant  Welsh- 
man  by  B.  A.  Gent  (-tz-)  p.  284.  —  162)  H.  L obre,  Von  Percy  zum  Wunder- 
horn  (T.)  p.  285.  —  163)  M.  Steffen,  Einfuhrung  in  den  englischen  kauf- 
männischen Briefwechsel  (Bahrs)  p.  287.  —  164)  H.  Fischer,  Der  Neuhumanismus 
in  der  deutschen  Literatur  (T.)  p,  288.  —  Anzeigen. 

147)  Charles  William  Feppler,  Comic  Terminations  in  Ari- 
•topIianeB  and  the  Comic  Fragmente.  Parti:  Diminutives, 
Charakter  Names,  Patronymics.    Baltimore,  John  Murphy  Com- 
pany, 1902.    53  S.  8. 
Der  Überschrift  entefprechend  zerf&llt  die  hiermit  angezeigte  Disser- 
tation in  drei  Teile,  und  zwar  dergestalt,  daTs  die  gute  erste  Hälfte  der 
Abhandlung  von  den  Deminutiven  handelt,  während  die  beiden  anderen 
Wortklassen  sich  in  die  Besthälfte  teilen.  Diese  Ungleichheit  des  äufseren 
ümfangs  in  der  Behandlung  der  drei  namhaft  gemachten  Erscheinungen, 
die,  wie  man  sofort  begreift,  Spezies  einer  und  derselben  Art  sind,  insofern 
bei  allen  der  komische  Zweck  durch  Änderung  der  gewöhnlichen  Endung 
in  eine  neue  und  unerwartete  erreicht  wird,   dfirfte  zu  der  mehr  oder 
weniger  häufigen  Anwendung  dieser  Mittel  behufs  Erzielung  der  beabsicb- 


äeä  Nene  t^hilologisclie  Rnnclschan  Nr.  1^. 

tigten  Wirkung  im  richtigen  Verhältnis  stehen.  Jedenfalls  treten  gegen- 
über den  Deminutiven  die  beiden  anderen  weit  zurfick.  Wurzelnd  in  der 
täglichen  Umgangssprache  des  Volkes  dienen  die  Deminutive  dem  an  der 
Unterhaltung  regen  Anteil  nehmenden  Gemüte  je  nach  den  Umständen 
zum  Ausdruck  der  ungeheuerlichsten  Stimmungskontraste;  leihen  sie  ja 
doch  der  liebevollsten  Teilnahme  und  dem  stärksten  Abscheu  gleich  be- 
redten Ausdruck,  sind  ebensogut  Kosenamen  als  verächtliche  Benennungen. 
Die  Komiker  allerdings  wenden  sie  hauptsächlich  in  letzterem  Sinne  an. 
Nach  einer  kurzen  Einleitung  bespricht  der  Verf.  zunächst  Zweck 
und  Wirkung  der  Deminutiva,  soweit  sie  im  Sinne  hyperbolischer  Ver- 
kleinerung verwendet  werden,  und  belegt  seine  Ausffihrungen  theoretisch 
durch  Grammatikerstelleu,  praktisch  durch  nicht  aus  griechischen  Komikern 
ausschliefslich ,  sondern  auch  aus  Plautus,  ja  selbst  Cicero  u.  a.  entnom- 
mene Beispiele,  ein  Verfahren,  das  er  die  ganze  Arbeit  hindurch  ziemlich 
gleichmäfsig  beibehält.  Der  nächste  Abschnitt  handelt  von  der  über- 
triebenen Anwendung  der  Deminutive,  die  wieder  doppelter  Art  ist, 
erstlich  eine  Vervielföltigung  (richtiger  Verdoppelung!)  der  Deminutiv- 
suffixe {TtatdiGTuiQiov,  x^anax/(^tov,  IlQiafiiXXildQioVf  JtjfiayLidiov,  womit 
zu  vergleichen  pedüasteUtis ,  gravastellus)  ^  zweitens  eine  Häufung  von 
Deminutiven.  Ausdrücke  wie  parvulum  pdlliölum  und  aureola  oratiun- 
cula  sind  als  äquivalent  mit  der  an  erster  Stelle  genannten  Verdoppe- 
lung zu  betrachten.  Das  reichlich  angezogene  Material  läfst  in  diesem 
Teile  deutlicher  als  in  anderen  Partieen  Vertrautsein  des  Verf.  mit  den 
Quellen  und  Vorarbeiten  ersehen.  Während  indes  später  dvldiov,  x^eAi- 
xog,  acevdaXlayiog ,  anceUayiOQj  meduUula,  imtdus,  mcUicMus,  erudi- 
tuius  als  &7ta^  dy^iiva  bezeichnet  sind,  fehlt  dieser  Zusatz  hier  bei 
JrifjiayUdiov,  Was  vollends  %q^%og  anlangt,  so  möchte  es  trotz  der 
Analogie  der  beiden  nächsten  Wörter  meines  Erachtens  doch  geratener 
sein,  einstweilen  noch  an  der  Form  y^^etayiov  festzuhalten ;  es  ist  ja  richtig, 
dafs  die  beiden  anderen  Maskulinformen  von  Neutris  gebildet  sind,  aber 
Rock  (zu  den  Fröschen  V.  405)  findet  diese  Bildung  „sehr  auffällig". 
Nunmehr  folgen  die  Deminutive  liebkosender  Zärtlichkeit  und  Schmeichelei, 
wo  indes  der  angeführte  Gebrauch  von  q>il6tiiig  in  der  Anrede  mit  nichten 
auf  die  zitierte  Platostelle  beschränkt  ist,  und  im  Anschlufs  hieran  die 
der  Verächtlichmachung,  bei  welchen  die  von  Aristophanes  an  der  Sprache 
des  Euripides  geübte  Kritik  als  recht  ergiebige  Fundgrube  sich  erweist. 
Der  zweite  Teil,  der  eine  bemerkenswerte  Vorliebe  der  Griechen  für  Spott- 


k 


Itene  JPhUolOgiBche  Kündscbaa  ^r.  12.  26? 


namen  erkennen  läfst,  geht  der  Reihe  nach  die  Endungen  -(ov,  -iW,  -c^, 
'iQj  lag  (zu  dig>&eQiag  ist  noch  Varr.  r.  r.  2,  11  zu  vergleichen),  -äg 
(und  'dg:  Jioifüg)  und  -3^  durch,  unter  dem  aus  II.  10,  68  f.  entlehnten 
Motto  bildet  endlich  die  Betrachtung  der  Patronymika  den  Schlufs.  Bei 
letzteren  wird,  wie  dies  eingehender  schon  bei  den  Deminutiven  der  Fall 
gewesen  ist,  auch  der  etwaige  Einflufs  des  Metrums  auf  Anwendung  oder 
Nichtanwendung  solcher  Wörter  einer  ziemlich  eingehenden  Besprechung 
gewürdigt.  Ob  die  dabei  geäufserten  Vermutungen  einen  über  die  statisti- 
schen Feststellungen  noch  hinausgehenden  Wert  haben,  muls  dahin  ge- 
stellt bleiben. 

Gilt  es  nun  schlieMich,  die  Arbeit,  welche  stellenweise  mehr  den 
Charakter  einer  Betrachtung  als  einer  Abhandlung  an  sich  trägt,  in  einem 
zusammenfassenden  Urteile  zu  werten,  so  können  ihr  Vorzüge  mancherlei 
Art  gewifs  nicht  abgesprochen  werden.  Mit  Klarheit  und  Übersichtlich- 
keit der  Gruppierung  verbindet  sich  verständige  Sichtung  der  einschlägigen 
Literatur  und  mafsvoUes  Abwägen  des  Für  und  Wider.  An  manchen 
Stellen  tritt  auch  selbständige  Durchforschung  der  Quellen  zu  Tage,  sodafs 
Poppers  in  der  erfreulichen  Lage  ist,  die  Beispielsammlungen  anderer 
durch  kleine  Beiträge  zu  vermehren;  öfter  freilich  verläfst  er  sich  auf 
fremde  Feststellungen.  Wenn  man  jedoch  noch  weiter  einerseits  die 
Schwierigkeiten  bedenkt,  die  sich  erheben,  sobald  man  in  einem  be- 
stimmten Falle  entscheiden  soll,  ob  das  hier  in  Frage  kommende  Wort 
dem  Komischen  zuzurechnen  ist  oder  nicht,  zumal  da  es  sich  um  eine 
fremde  und  noch  dazu  tote  Sprache  handelt,  deren  ümgangsidiom,  welches 
doch  das  eigentliche  Gebiet  hierfür  ist,  bei  dem  allgemeinen  literarischen 
Schiffbruch,  um  ein  Bild  Wyttenbachs  zu  gebrauchen,  im  Vergleiche  zu 
dem  Bestände  der  auf  uns  geretteten  Literatursprache  gröfstenteils  über 
Bord  ging,  anderseits  darauf  hinweisen  kann,  dafs  keine  der  von  Peppler 
in  Betracht  gezogenen  Stellen  zur  Opposition  herausfordert,  so  darf  man 
wohl  in  dieser  vorsichtigen  Beschränkung  auch  eine  Art  Meisterschaft 
erblicken. 

Druckfehler  haben  sich  nur  wenige  eingeschlichen.  Man  verbessere 
und  lese  S.  11  Z.  30  7CwUqiOV\  S.  18  Z.  26  'Aqiov\  S.  19  Z.  30  7t6- 
aviov;  Z.  32  MvQQividiov;  S.  50  Z.  28  7tolv€Tijg. 

München.  Ph.  Weber. 


^ÜS  itene  t^hilologisehe  ifeundschan  itr.  1^. 


148)  FredericuB  H.  M.  Blaydes,  SpioU^um  Ariatophaneum. 

Halis  Saxonum,  in  orphanotrophaei  libraria  MDGCGCII.    136  S.  8. 

Jü  3.—. 

Das  Büch  bildet  eine  Ei^nzung  zu  des  Verf.  bekannter  Aristophanes- 
au^abe.  Es  zeigt,  wie  wenig  sieb  Blaydes  genng  tun  kann  in  AnfQhrong 
von  Parallelstellen,  eine  Eigenheit,  die  nicht  allerwärts  Anklang  gefanden 
hat  Am  Schiasse  sind  noch  Bemerkungen  beigefügt  zu  anderen  Komikern 
und  ganz  zuletzt  noch  einmal  Addenda  zu  Aristophanes,  sodafs  ein  ge- 
wissenhafter Benutzer  von  Blaydes*  Aristophanesausgabe  an  drei  Orten  sich 
Bats  erholen  mufs. 

Amberg.  Pongratz. 

149)  Jacob  van  der  Valk,  De  Lucretiano  carmine  a  poeta 

perfecto  atque  absolute.    Disputatio  litteraria.  Gampisapud 

Ph.  Zalsman,  MCMII.  YUI  u.  171  S.  8. 
Die  herrschende  Lukrezkritik  verdankt  ihre  Eigenart  der  Hieronymus- 
stelle,  nach  welcher  der  Dichter  in  lichten  Zeiten  zwischen  Wahnsinns- 
perioden eine  Beihe  von  Büchern  verfafste,  die  dann  Cicero  herausgegeben, 
und  einer  Vermutung  Lachmanns,  wonach  dem  Herausgeber  als  Hinter- 
lassenschaft des  Dichters,  aufser  dem  unfertigen  Werke,  auf  Eonzeptblättern 
einzelne  Stellen  in  späterer  Bearbeitung  übergeben  worden  seien,  die  er 
dann  schlecht  genug  in  den  laufenden  Text  eingefügt.  Sie  findet  also 
ihre  Aufgabe  nicht  mehr  in  der  Beseitigung  von  Interpolationen  —  höch- 
stens ein  Vers  gilt  noch  für  unecht  —  sondern  sie  sucht  den  Text  her- 
zustellen, wie  Lukrez  ihn  gestaltet  haben  würde,  wenn  es  ihm  vergönnt 
gewesen  wäre,  unter  den  hinzugekommenen  Fragmenten  Auslese  zu  halten, 
das  Wertvolle  passend  unterzubringen  und  die  Kommissuren  glatt  zu  über- 
brücken. Neben  Verwerfungen  von  einzelnen  Versen  und  Versgruppen 
und  Lücken  sind  spätere  Einschiebsel  und  doppelte  Bedaktionen  in  erster 
Linie  Gegenstand  der  Aufmerksamkeit,  das  Ergebnis  aber  Ausgaben,  die, 
so  hoch  sie  sonst  stehen,  äufserlich  durch  verwirrende  Verszählung,  An- 
deutung von  Lücken  und  Athetesezeichen  den  Eindruck  machen,  als 
habe  Peerlkamps  Geist,  aus  der  Horazkritik  glücklich  gebannt,  sich  bei 
Lukrez  eingenistet. 

Demgegenüber  will  v.  d.Valk  die  Annahme,  dafs  der  Dichter  sein  Werk 
nicht  vollendet  und  nicht  selbst  herausgegeben  habe,  widerlegen.  Er  zeigt, 
indem  er  des  Arnobius  und  des  Laktanz  Schweigen  betont,  zum  Teil  mit 


X 


Neue  Fhilolofi^iBehe  Bnndschaa  Nr.  12. 


Brieger,  im  ganzen  aber  mit  dem  besten  Sachverständigen  in  solchen  Fragen, 
W.  Teuffei,  zusammentreffend,  dafs,  wie  der  biographische  Teil  der  Hie- 
ronymusstelle  keinen  Glauben  verdient,  so  auch  Giceros  Herausgeberschaft 
aus  den  Fingern  gesogen  ist.  Dann  prfift  er  die  auf  Hieronymus  mittelbar 
oder  unmittelbar  fnfsenden  Hypothesen  älterer  Zeit,  um  endlich  auf  die 
Lachmannsche  zu  kommen,  die,  während  jene  praktisch  überwunden  sind, 
bei  ihrer  noch  weiterzeugenden  Kraft  es  beansprucht,  dafs  alle  in  ihrem 
Sinne  ausgesprochenen  Vermutungen  geprüft  werden.  Keine  Mfihe  hat  der 
Verf.  gescheut,  unter  beständiger  Berücksichtigung  der  Ausgaben  von 
Lachmann,  Bemays,  Munro,  Brieger,  Giussani,  Bailey  und  Heinze  das  in 
Zeit-  und  Gelegenheitsschriften  verstreute  Material  heranzuziehen  und  das 
Für  und  Wider  bei  allen  beanstandeten  Stellen  abzuwägen.  Da  ist  er 
denn  in  der  Lage,  bei  etwa  80  Stellen  sich  bald  auf  einen,  bald  auf 
mehrere  Eideshelfer  berufen  zu  können ;  übernimmt  er  bei  über  50  Stellen 
selbst  die  Bettung  und  bespricht  endlich  noch  über  30  Stellen,  wo  er  die 
erhobenen  Bedenken  mehr  oder  weniger  teilt,  aber  teils  anders  als  im 
Sinne  der  Lachmannschen  Hypothese,  teils  durch  Annahme  von  Lücken 
und  Zulassung  von  Umstellungen  beseitigt.  So  sind  zwar  Lücken  (25), 
Wiederholungen  von  Versen  (18)  und  Verwerfungen  (40)  zuzugeben;  aber 
sie  haben,  meint  der  Verf.,  nichts  Befremdliches  bei  Handschr.,  die  alle 
auf  einen  und  denselben  Archetypus  zurückgehen.  Dagegen  ist  kein  Ab- 
schnitt wegen  Störung  des  Zusammenhanges  herauszuheben,  somit  die 
Zetteltheorie  widerlegt.  Fragt  man  noch,  wie  der  Verf.  über  den  Schlufs 
des  sechsten  Buches  denkt,  so  ist  er  der  Ansicht,  dafs  durch  Beschädigung 
des  Archetypus  am  Ende  ein  Abschnitt  verloren  gegangen  sei,  in  dem  der 
Dichter  sein  V,  155  gegebenes  Versprechen  einlöste  und  im  Anschlufs  an 
die  Pestschilderung  den  Satz:  deorum  potestatem  nil  ad  nos  pertinere 
bewies,  wie  am  Ende  von  Buch  III  gezeigt  worden  ist:  mortem  nil  ad 
nos  esse. 

Der  Verf.  weifs  gediegene  Kenntnis  des  epikureischen  Systems  wie  der 
Sprache  und  Metrik  des  Lukrez  mit  Scharfsinn  und  guter  Methode  zu 
verwerten.  So  wird  seine  Arbeit  Eindruck  machen,  freilich  nicht  so  weit, 
dafs  alle  seine  Beweisführungen  für  gelungen  und  alle  Bätsei,  auf  denen 
die  Existenz  der  Lachmannschen  Hypothese  beruht,  für  gelöst  gelten 
könnten;  ist  doch  auch  die  Zahl  der  zugegebenen  Lücken  und  Ver- 
werfungen unverhältnismäfsig  grofs.  Abschlielsende  Resultate  sind  viel- 
mehr erst  zu  erwarten,  wenn  der  Gebrauch  der  Übergangspartikeln  sowie 


270  Nene  Philologisch»  Bniidschaa  Nr.  12. 

die  Übergangs-  und  Verweisargsformeln  allseitig  beleuchtet,  ferner  das 
Verhältnis  der  jeweiligen  Anordnung  bei  Lukrez  zur  Disposition  der  je- 
weiligen Vorlage,  endlich  auch  die  sprachliche  Abhängigkeit  von  den 
griechischen  Vorlagen,  deren  sich  gewifs  noch  mehr  als  bisher  abseits  von 
den  Epicurea  nachweisen  lassen,  genügend  ins  Licht  gestellt  sein  werden. 
Abschliefsende  Resultate  werden  sich  auch  eher  dem  einstellen,  der  bei 
allseitiger  Bearbeitung  jedes  Buches  f&r  sich  den  Grundsatz  festhält,  auf 
die  durch  Lachmann  nahegelegten  Auswege  ganz  zu  verzichten,  als  wer 
die  in  Betracht  kommenden  Stellen  einzeln  prüft,  wobei,  der  isolierten 
Stelle  gegenüber,  leicht  Meisterung  des  Sinnes  durch  vorgefafste  Meinungen 
platzgreifii.  So  verweist  v.  d.  Valk  wiederholt  mit  Olück  auf  Parallelismen 
in  Gedanken  und  Form;  das  verleitet  ihn  aber,  wie  wenn  es  sich  um 
Strophe  und  Antistrophe  handelte,  dazu,  in  der  Stelle  über  die  Mond- 
finsternisse den  Vers  menstrua  (sc.  luna)  dum  rigidem  coni  perlabüur 
umbras  (V,  764  =  771)  dort  zu  tilgen,  wo  es  sich  um  iTciTtgogd-erijaiQ, 
und  ihn  dort  zu  halten,  wo  es  sich  um  aßiaig  handelt,  nur  um  Eben- 
mafs  in  den  Verszahlen  (5  -|-4  und  5-|-4)  herzustellen;  wovor  er  sich 
im  Zusammenhange  exegetischer  Durcharbeitung  des  ganzen  astronomi- 
schen Abschnittes  wohl  gehütet  hätte.  Solcher  Ausstellungen  liefsen 
sich  noch  mehr  machen;  aber  das  ist  sicher,  dafs  v.  d.  Valks  Arbeit 
an  ihrem  Teil  dazu  beitragen  wird,  dafs  das  Beispiel  Heinzes,  durch 
dessen  erfolgreiche  Bearbeitung  des  dritten  Buches  v.  d.  Valk  doch  wohl 
zu  seiner  Arbeit  angeregt  und  ermutigt  worden  ist,  wie  seine  grundsätz- 
lichen Bemerkungen  sowohl  in  jener  Ausgabe  als  auch  in  der  inhalt- 
reichen Besprechung  des  Lukrez  von  Giussani  (Gott.  Gel.  Anz.  1897) 
gebührende  und  erspriefsliche  Nachachtung  finden. 

Strafsburg  i.  E.  Hans  SohrSdor. 

150/152)  W.  Dörpfeld,  Das  Homerische  Ithaka.    Sonderabdruck 

aus  Milanges  Perrot.   Paris,  Thorin  &  fils,  1902.   S.  79—93.  gr.  8. 

Hugo  Michael,  Das  Homerische  und  das  heutige  Ithaka. 

Wiss.  Beil.  des  Gymnasiums  in  Jauer,  Ostern  1902    Jauer,  Oskar 
Hellmann.     28  S.  4  und  drei  Kartenskizzen.  Ji  1. 50. 

NixoXdoo   K.   IlaüXdToo   Oap[iaxea)(;.    'H  dXY]d9)(;  'IddxYj   xoo 

'  O|ii^poo.    ü//ß;^atoAoyt)t^  (ÄeXhri.   "jExdoaig  devriga.      'Ev  l^^- 

vaig,  BY.  ToCf  tvnoyqaq)eiov  rfjg  Koqiwrig,     1902.     30  S.  8. 

Die  Ithaka-Frage  beschäftigt  wieder  einmal  weitere  Kreise:  aber  jetzt 

handelt  es  sich  nicht  mehr  darum,  ob  der  Dichter  der  Odyssee  das  Hei- 


1 


Nene  Philologiaehe  Bandschau  Nr.  12.  271 

matland  des  Odysseos  gekannt  habe,  sondern  welche  der  jonischen  Inseln 
das  älteste  Anrecht  auf  den  Namen  Ithaka  habe,  ob  das  heutige  Ithaka 
oder  Lenkas.  Kein  Geringerer  als  Dörpfeld  hat  sich  in  der  oben  bezeich- 
neten Schrift  fOr  Lenkas  ansgesprochen  in  derselben  Weise,  wie  er  es  in 
der  Jnlisitznng  der  Archäologischen  Gesellschaft  zu  Berlin  im  Jahre  1902 
getan  hatte.  Bis  jetzt  hatte  man  von  dieser  seiner  Ansicht  schon  öfter 
gehört  und  gelesen,  jetzt  liegt  sie  endlich  in  seiner  eigenen  Darstellung 
gedruckt  vor.  Oafs  er  schwerwiegende  Grfinde  hat,  Iftfst  sich  von  yom- 
herein  annehmen:  es  fragt  sich  nur,  ob  sie  alle  die  Zweifel  aufzuwiegen 
vermögen,  die  gegen  seine  Meinung  sich  geltend  machen.  Hierüber  i&fst 
sich  zu  einem  abschliefsenden  Urteile  noch  nicht  kommen,  da  seine  Ab- 
handlung fast  nur  die  geographische  Lage  der  Insel  und  fast  nicht  die 
vom  Dichter  genauer  ausgemalten  Ortlichkeiten  und  ihre  vorausgesetzte 
Li^e  zueinander  behandelt.  Zunächst  erörtert  er,  dafs  Leukas  schon  im 
Altertum  eine  Insel  vrar,  nicht  eine  Halbinsel,  wie  andere  annehmen,  und 
dafs  es  die  vierte  Insel  der  vom  Dichter  genannten  vier  Inseln  Ithaka, 
Dulichion,  Same  und  Zakynthos  sei.  Dann  behandelt  er  die  auf  das  heu- 
tige Ithaka  nicht  recht  passende  Stelle  Od.  IX,  21—26,  nach   der  die 

Insel 

mß^CLptaXfi  TtawTtedvdtfi  dv  äli  yußixai 

TtQÖg  ^6q>0Vf  ai  di  %  äpsv&e  Ttqbq  ijö  r  ijili6y  ve. 
Er  setzt  ^6q>og  =  Westen.  So  liegt  aber  Leukas  nicht  im  Verhält- 
nisse zu  den  anderen  Inseln.  Es  mufs  mit  einem  Irrtum  der  Alten  ge- 
rechnet werden,  nach  deren  Meinung  die  Küste  des  Festlandes  gegenüber 
diesen  Inseln  nicht  von  Norden  nach  Süden,  sondern  von  Westen  nach  Osten 
verläuft.  Wenn  freilich  hierbei  herauskommen  sollte,  dafs  der  Dichter 
die  Lage  von  Leukas -Ithaka  ähnlich  angenommen  habe,  wie  sie  auf 
der  Karte  nach  Ftolemaios  angegeben  ist  (s.  H.  Kiepert,  Neuer  Atlas 
von  Hellas  und  den  hellenischen  Kolonieen,  in  15  Blättern,  Berlin  1872, 
Karte  13),  dann  müfste  bestritten  werden,  dafs  er  die  Insel  je  selbst  ge- 
sehen hat.  Denn  dort  liegt  sie  westlich  von  der  Nordhälfte  Kephallonias 
und  weit  vom  Festlande  entfernt.  Dann  würde  aber  auch  die  Deutung 
von  x^^f^^^f  ^i^  Dörpfeld  dem  Worte  gibt,  nicht  passen.  Er  meint 
nämlich,  indem  er  von  der  Bedeutung  „x^afAaUg  =  niedrig*'  ausgeht: 
„Eine  Insel  liegt  für  den  Dichter  niedrig  im  Meere,  oder  unten  im  Meere,  wenn 
sie  sich  sehr  nahe  am  Festlande  befindet  Das  liefse  sich  an  sich  gewifs 
erwägen,  aber  nimmer  mit  der  Lage  in  Einklang  bringen,  die  Ftolemaios 


272  Neae  Philologische  Bundschaa  Nr.  12. 

der  Insel  Leukas  zugewiesen  bat.  Im  Gegenteil  würde  es  nach  Ftolemaios* 
Karte  eher  zu  Ithaka  passen.  Sollte  aber  endlich  Homer  Leukas-Ithaka  für 
die  westlichste  der  jonischen  Inseln  gehalten,  aber  ihre  Lage  zum  Fest- 
lande richtig  gekannt  haben,  dann  ist  es  wunderbar,  dafs  dies  Verhältnis 
zum  Festlande,  das  für  Leukas  so  sehr  bezeichnend  ist,  bei  dem  Dichter 
nicht  greifbarer  hervortritt.  Ja,  ist  es  denkbar,  dafs  er  die  Worte  eiv  &U 
dazugesetzt  haben  würde,  wenn  er  die  Insel  sich  als  am  Festlande  liegend 
vorgestellt  hätte?  Zwar,  wenn  man  mit  Göbel  glaubt,  dafs  Slg  = 
Eüstenmeer,  so  würde  x^aiialfi  ...  dv  &Xi  KeiTai  den  erwünschten 
Sinn  geben;  aber  diese  Deutung  des  Wortes  Slg  ist  wohl  nicht  allgemein 
angenommen.  So  scheint  mir  die  oben  erwähnte  Odysseestelle  und 
somit  die  Frage,  ob  Ithaka  =  Leukas  sei ,  noch  nicht  hinreichend  geklärt. 
Denn  die  von  Dörpfeld  weiter  aufgeführten  Dinge,  die  Fähre,  die  öfters 
wiederholte  Bemerkung  „du  bist  doch  nicht  zu  Fufs  hierher  gekommen^* 
u.  a.  sind  nicht  von  durchschlagender  Bedeutung.  Mehr  Gewicht  1^ 
D.  selbst  dem  Umstände  bei,  dafs  als  die  Insel  Asteris,  wo  die  Freier 
dem  Telemachos  auflauerten,  die  südöstlich  von  Leukas  gelegene  Insel 
Arkudi  mit  mehr  Recht  angesehen  werden  könne  als  das  der  homerischen 
Beschreibung  wenig  entsprechende  Daskalio  zwischen  dem  heutigen  Ithaka 
und  Eephallonia.  Aber,  wie  soll  es  sich  erklären,  wenn  Leukas  das  alte 
Ithaka  ist,  das  jetzige  Ithaka  aber  das  homerische  Same,  dafs  aus  dem  letz- 
teren bei  einem  Flächeninhalt  von  94  qkm  24  Freier  zugegen  sind,  aus 
ersterem  aber,  das  gegen  290  qkm  mifst,  nur  12  (Od.  XVI,  249  f.)?  —  Dafs 
während  der  ganzen  klassischen  Zeit  das  heutige  Ithaka  für  das  homerische 
gegolten  habe,  zieht  D.  nicht  in  Zweifel.  Die  Übertragung  des  Namens 
sei  erfolgt  im  Zusammenhang  mit  der  Völker-  und  Namenverscfaiebung, 
welche  die  dorische  Wanderung  mit  sich  gebracht  habe.  Im  Schiffis- 
kataloge,  dem  jüngsten  Teile  der  Ilias,  sei  Ithaka  schon  das  heutige  Ithaka. 
So  verquickt  sich  diese  Einzelfrage  mit  der  grofsen  Frage  nach  der  Ent- 
stehung der  homerischen  Gedichte. 

Als  Dörpfelds  entschiedener  Gegner,  der  dessen  Ansichten  allerdings 
blofs  aus  den  Mitteilungen  anderer  kennt,  tritt  H.  Michael  auf,  ein  Mann, 
der  um  so  mehr  gehört  zu  werden  verdient,  als  er  seinerzeit  mit  dem  um 
die  Erforschung  der  jonischen  Inseln  so  verdienten  Partsch  fQnf  Tage  auf 
Ithaka  verbracht  hat.  Partsch  hat  zwar  im  98.  Ergänzungshefte  der 
Petermannschen  Mitteilungen  nachgewiesen,  dafs  der  Dichter  das  heutige 
Ithaka  vor  Augen  gehabt  hat,  und  mein  Aufenthalt  dort  hat  mich  dasselbe 


k 


Kene  Philologische  ßanclschan  llr.  12.  27^ 


gelehrt  (s.  „Itbaka  nach  eigener  Anschauung  geschildertes  Gütersloh, 
Bertelsmann),  aber  nachdem  Dörpfeld  eine  andere  Ansicht  aufgestellt  hat, 
ist  es  doch  willkommen,  dafs  die  Tatsachen  noch  einmal  geprüft  werden, 
wie  es  von  Michael  geschieht.  Er  gibt  drei  Kapitel:  1)  die  Lage  der 
Insel,  2)  die  Beschaffenheit  der  Insel,  3)  die  vom  Dichter  genannten  ört- 
lichkeiten der  Insel.  Zunächst  weist  er  darauf  hin,  dafs  ngdg  ^6g>ov  nicht 
bedeute  „nach  Westends  sondern  „nach  dem  Dunkeles  also  „nach  Norden 
hin''.  Der  Dichter  behauptet  also  Od.  IX,  26:  „Die  Insel  Ithaka  liegt 
weiter  nach  der  Seite  des  Dunkels,  also  nach  Norden,  als  seine  Nachbar- 
inseln, was  auch  der  Lage  des  heutigen  Ithaka  entspricht/'  Für  x^a/uaA^ 
hält  er  an  der  Bedeutung  „niedrig,  flach"  fest,  gibt  zu,  dafs  dies  auf  Ithaka 
nicht  passe,  und  möchte  deshalb  am  liebsten  die  zwei  oben  angefahrten 
Verse  gestrichen  sehen,  zumal  sie  auch  zu  dem  Vorhergehenden  in  Wider- 
spruch stehen.  Unter  Dulichion  versteht  Michael,  wie  auch  schon  andere, 
den  westlichen  Teil  der  Insel  Eephallonia,  der  vom  östlichen,  in  dem  er 
das  homerische  Same  sieht,  fast  ganz  abgesondert  liegt.  Hierfür  ];iätte 
er  einen  Beweis  auch  in  dem  Texte  Homers  finden  können,  der  Dulichion 
und  Same  immer  durch  ve-Te  zu  einer  Einheit  verbindet,  der  er  Zakynthos 
als  andere  Einheit  gegenüberstellt  z.  B.  9,  24  JovXixi6v  re  2<ifiri  te  xal 
ili^eaaa  ZdyLvvd-og.  Scheint  solche  Deutung  etwa  künstlich,  so  ist  zu 
bemerken:  Einfacher  wird  die  Benennung  der  jonischeu  Inseln  auch  nach 
Dörpfeld  nicht,  da  dieser  S.  93  auch  einräumt  „Im  Schiffskatalog  ist 
Ithaka  das  heutige  Ithaka".  Wir  können  nicht  verfolgen,  wie  Michael 
weiter  die  Behauptungen  Döi*pfelds  zu  entkräften  sucht.  Nur  von  der 
Insel  Asteris  sei  noch  die  Bede.  Michael  weist  darauf  hin,  dafs  ^oQd^fÄÖg 
=  Überfahrtstelle,  Meerenge,  Sund  wohl  auf  den  Kanal  zwischen  Ithaka 
und  Eephallonia  passe,  nicht  aber  auf  das  zynschen  Leukas  und  Ithaka 
liegende  Meer,  auf  das  es  von  Dörpfeld  bezogen  wird.  Die  Insel  Daskalio 
entspreche  freilich  nicht  genau  der  Beschreibung  des  Dichters  —  früher 
soll  sie  nach  Strabo  II  356  dies  getan  haben  — ,  aber  auf  die  Insel  Ar- 
kudi,  die  äufserlich  ähnlicher  ist,  passe  des  Dichters  Erzählung  nicht. 
Schon  die  für  die  Beise  des  Telemach  angedeuteten  Entfernungen  stimmten 
nicht  zu  Leukas.  Weitere  Einzelheiten  mufs  man  in  dem  Schriftchen 
selbst  nachsehen.  Im  zweiten  Teil  desselben  wird  nachgewiesen,  dafs  die 
vom  Dichter  über  die  Beschaffenheit  der  Insel  gemachten  Angaben  auf 
Ithaka  sehr  wohl  passen,  nicht  aber  auf  Leukas.  Wie  weit  Dörpfeld  auch 
die  vom  Diehter  genauer  bezeichneten  örtlichkeiten  auf  Leukas  wieder- 


274  Neue  thilologische  Runiscliaii  itr.  12. 

findet,  ist  mit  Ausnahme  der  nöhgy  die  er  —  beiläufig  —  in  die  Ebene 
von  Nidri  neben  den  Hafen  von  Vlicho  verlegt,  noch  unbekannt.  Michael 
kann  abo  auch  hier  keinen  Gegenbeweis  antreten,  sondern  nur  nachweisen, 
dafs  diese  Ortlichkeiten  sich  auf  Ithaka  finden.  Nur  ob  er  die  von  Thiersch, 
und  auch  von  mir  und  ebenso  von  Beisch  (Serta  Harteliana,  Wien  1896, 
im  Aufsatze  Nr.  24  „Ithaka 'S  S.  Iö7)  als  Nymphengrotte  bezeichnete 
Stalaktitengrotte  als  solche  anerkennen  soll,  ist  ihm  zweifelhaft,  da  nach 
dem  Dichter  die  Grotte  näher  am  Stmnde  gelegen  hat  Im  übrigen  ist 
Michael  so  fest  davon  fiberzeugt,  dafs  das  heutige  Ithaka  die  Heimat  des 
Odysseus  sei,  dafs  er  schliefst:  „Selbst  wenn  die  auf  Leukas  veranstalteten 
Ausgrabungen  das  Vorhandensein  einer  Stadt  aus  der  mykenischen  Periode 
erweisen  sollten,  so  wird  dies  der  kleinen  Insel  (Ithaka)  den  seit  Jahr- 
tausenden besessenen  Buhm ,  das  Vaterland  des  Dulders  Odysseus  zu  sein, 
nicht  nehmen  können  ^)." 

Gleichen  Zweck  wie  Michael  verfolgt  der  Ithakasier  Paulatos,  dessen 
Abhandlung  in  erster  Auflage  übrigens  schon  früher  erschienen  ist. 
Er  bringt  ähnliche  Gründe  wie  dieser  gegen  Dörpfeld  vor.  Im  Anfange 
betont  er  besonders,  dafs  von  Leukas  doch  unmöglich  Od.  IX,  22  f.  ge- 
sagt werden  könne,  dafs  dfig)i  viele  Inseln  liegen;  wenn  dies  äfiq>i  aber 
von  den  Gegnern  als  nXrfliov  gefafst  werde,  dann  vertrüge  sich  wieder 
damit  die  alsbald  folgende  Angabe  nicht,  dafs  diese  Inseln  fern  liegen. 
Über  die  Verteilung  der  Inselnamen,  den  noQd-fiögy  nqbg  Utpovy  die  Insel 
Asteris,  die  Beise  des  Telemach,  äufsert  er  sich  in  gleichem  Sinne  wie 
Michael.  Bei  seinen  Beweisen  berücksichtigt  er  besonders  die  Angaben  der 
Überlieferung  und  zeigt  dabei  gute  Literaturkenntnisse.  Wenn  er  die  Lage 
der  Aev-mg  nerqa  (Od.  XXIV,  11)  auf  dem  Pfade  der  zum  Hades  wan- 
dernden Seelen  gegen  Dörpfeld  geltend  machen  will,  so  ist  dieser  ihm 
inzwischen  ausgewichen,  indem  er  S.  86  seines  Aufsatzes  die  Stelle 
mit  Partsch  anders  deutet,  als  P.  annimmt.  Der  Verf.  fahrt  seinen 
Kampf  gegen  Dörpfeld  natürlich  nicht  blofs  mit  Verstandesgründen,  son- 
dern er  ist  ihm  auch  Herzenssache.     Aber  er  läfst  sich  durch  das  Gefühl 


1)  Auf  einige  kleine  Veraehen  in  Michaeb  Abhandlang  macht  mich  Professor 
Hennings  in  Hasum  aufmerksam:  S.  6  letzte  Z«.'ile  lies  statt  17 129:  17 189:  S.  8  Mitte 
-W38  st.  M  381 ;  S.  19  bei  iMeieXog  fehlt  |  344;  S.  20  Z.  9  lies  st.  T201:  r201; 
S.  24  Mitte  lies  st.  a  398,  tt  425:  ß  390,  n  325;  S.  25  unten  st.  o,  495:  n  325; 
S.  27  Mitte  st.  «  188:  X  188. 


\ 


Nene  Philologifche  BondBcban  Nr.  12.  375 

den  Verstand  nicht  trüben  and  verdient  daher  Beachtung,  nm  so  mehr, 
als  er  ja  mit  den  örtlichkeiten  vertraut  ist  wie  keiner. 

Auch  in  griechischen  Zeitungen,  von  denen  mir  einige  zugegangen 
sind,  vertritt  er  seinen  Standpunkt  mit  Nachdruck  und  Geschick,  und 
er  hat  auch  die  Topographie  Ithakas  selbst  gefördert.  In  der  Zeitschrift 
^i  MoCaaiy  1892,  Nr.  226  (Zakynth  d.i.  Sept.)  macht  er  es  sehr  wahr- 
scheinlich, dafs  er  die  Stelle  genauer  bestimmt  hat,  wo  des  Laertes  Landgut 
gelegen  hat.  Sie  führt  noch  heute  den  Namen  Agri,  der  recht  wohl  zu- 
sammenhängen kann  mit  der  Bezeichnung  ^Ayqbg  {Aaiqtao)^  und  ent- 
spricht den  Andeutungen  des  Dichters. 

Oldenburg  i.  Gr.  Bad.  Meas^. 

153)  Leopold  Hervieux,  Notice  sur  les  fables  latmes  d'ori- 

gine  indienne.    Paris,  F.  Didot,  1898.    78  S.  8. 

Diese  Schrift  ist,  wie  der  Verf.  selbst  sagt,  eigentlich  nur  die  Vor- 
rede zu  einem  Buche,  nämlich  zu  einer  Ausgabe  von  dem  Directorium 
humanae  vitae  des  Johannes  von  Oapua  und  dem  Baidos,  der  ihn  in  Prosa, 
wie  dem  des  Raymond  aus  B^ziers,  der  ihn  unter  Zugabe  poetischen  Schmuckes 
nachahmte.  Was  an  den  anderen  Werken  H.s  gerühmt  wurde  (vgl.  N.  P.  B. 
1900,  Nr.  7),  die  peinliche  Sorgfalt,  die  umfassende  Darlegung  des  Tat- 
bestandes, das  vorsichtige  Urteil:  alle  diese  Eigenschaften  zeigt  auch  das 
vorliegende  Büchlein.  Anschaulich  erzählt  H.,  wie  das  Pantscha^tantra 
der  Indier  zu  den  Persern,  von  diesen  zu  den  Arabern  kam,  um  schliels- 
lich,  wie  so  viele  andere  Werke  des  Orients,  von  den  stammverwandten, 
zugleich  aber  dem  Abendlande  angehörenden  Juden  in  das  Lateinische 
übertragen  zu  werden  und  so  in  den  Besitz  der  europäischen  Völker  über- 
zugehen: und  der  eingehenden  Darlegung  des  Nachlebens,  dessen  sich  die 
indische  Fabelsammlung  in  dem  Latein  des  Mittelalters  erfreute,  ist  H.s 
Arbeit  gewidmet.  Mit  ihr  fügt  er  ein  neues  wertvolles  Stück  in  den  nach  grofsem 
Plane  von  ihm  entworfenen  Bau  einer  Geschichte  der  lateinischen  Fabel. 

MarienbuTg  (Westpr.).  Pr.  Beldeahalii. 

154)  Frospero  Varese,    II  calendario  romano   all'etä  della 

prima  guerra  punica  (=  Studi  di  storia  antica,  publicati 

da  Oiulio  Beloch.    Fascicolo  III).    Boma,   Ermanne  Loescher, 

1902.     74  S.  in  8  gr.  4  lire. 

Varese  revidiert  die  Chronologie  der  Jahre  263—229  v.  Chr.,  von 

denen  er  am  Schlüsse  eine  Tabelle  nach  dem  julianischen  Kalender  ent- 


276  Nene  Philologische  Bandschan  Nr.  12. 

wirft.  Die  Triumphe  der  EodsuId  fallen  alle  in  die  Zeit  von  An&ng 
Oktober  bis  zum  13.  April.  Danach  glaubt  V.,  dafs  der  Antritt  ihres 
Amtes  am  1.  Mai  stattfand.  Sicher  ist,  dafs  Gn.  Fulvius  227  bei  seinem 
Triumph  am  21.  Juni  pro  consule  war. 

Besonders  behandelt  wird  das  Datum  der  Schlacht  bei  den  Ägatischen 
Inseln.  Polybius  sagt  I,  68,  8:  hoifÄaad-ivTiav  diayLoaiiov  nloimf  nev- 
tniqiKu&v  axqaxriybfv  "Karaat'i^aavTsg  Fiiov  ^wdtLOv  i^eneiixpav  dgxofiiyrig 
Tfjg  d^egeiag.  Das  bedeutet:  Von  den  beiden  Konsuln,  deren  Amtszeit 
vom  1.  Mai  242  bis  zum  29.  April  241  lief,  erhielt  Catulus  den  Ober- 
befehl der  Flotte.  Die  Schlacht  war  nach  Eutrop  am  10.  März,  also  241. 
Indem  V.  den  Bericht  fiber  den  Feldzug  des  Catulus  durchgeht,  kommt 
er  zu  der  Überzeugung,  dafs  die  Schlacht  gegen  Ende  unseres  Monats  Mai 
stattfand,  dafs  also  damals  der  römische  Kalender  um  2—3  Monate  hinter 
dem  astronomischen  Jahreslauf  zurück  war.  Der  Amtsantritt  der  Konsuln 
am  1.  Mai  fiel  also  in  den  Hochsommer.  Y.  bekämpft  1)  die  Annahme 
von  Beufs,  dafs  die  Schlacht  ins  Jahr  242  zu  setzen  sei,  2)  die  Meinung 
von  Fränkel  und  Seipt,  dals  der  damalige  Kalender  dem  julianischen  um 
2 — 3  Monate  voraus  war  und  die  Schlacht  in  unseren  Dezember  fiel, 
3)  die  Ansicht  Soltaus,  dafs  der  Kalender  damals  mit  dem  julianischen 
übereinstimmte.  —  Sodann  wird  die  Chronologie  des  ersten  punischen 
Krieges  und  der  folgenden  Zeit  bis  218  nach  Polybius,  den  römischen 
Autoren  und  den  Fasten  besprochen.  Da  jedoch  die  Chronologie  des  galli- 
schen Krieges  eng  mit  der  des  zweiten  punischen  Krieges  verbunden  ist, 
so  hat  er  sie  für  eine  spätere  Erörterung  aufgespart,  in  der  er  auch  nach- 
weisen will,  dals  die  Verlegung  des  Amtsantrittes  der  Konsuln  vom  1.  Mai 
auf  den  15.  März  zu  Anfang  222  bei  der  Abdankung  des  C.  Flaminius 
erfolgte. 

Burgdorf  bei  Bern.  F.  Lnterbaohor. 


155)  Wetzel,  OriechiBcheB  Lesebuch  mit  deutschen  Übungsstücken 
für  Unter-  und  Obertertia.  5.  durchgesehene  Aufl.  Freiburg 
i.  Br.,  Herdersche  Verlagshandlung,  1900.    XI  und  228  S.  8. 

geb.  J$  2.25. 
Das  Buch  enthält:  I.  in  110  Paragraphen  griechische  und  deutsche 
Übungsstücke.     IL  15   deutsche  Übungsstücke,    in.  Vokabularium  zu  I 
u.  n.    IV.  Grammatische  Bemerkungen  zu  l.    V.  Übersicht  von  Beispielen 


\ 


Nene  Philologisehe  Rnndschaa  Nr.  12.  377 


des  LesebachoB  zu  syntaktischen  Begeh.   VI.  Verzeichnis  der  griechischen, 
deutschen  Wörter  und  der  Eigennamen. 

Za  I.  In  den  ersten  33  Stficken,  in  denen  alle  Deklinationen,  vom 
Yerbam  Praes.  Imperf.  Fat.  Aor.  Akt.  behandelt  werden,  wiegen  Einzelsätze 
vor;  von  Stfick  34  ab,  mit  dem  die  Komparation  einsetzt,  flberwiegen 
dnrchans  die  zusammenhängenden  Stttcke  im  griechischen  Text  sowohl  wie 
in  den  sich  dem  voranfgehenden  griechischen  Text  stets  anschliefsenden 
deutschen  Stficken.  Von  den  Stficken  mit  Einzelsätzen  behandeln  47,  56, 
101  Erscheinungen,  die  ohne  Efinstelei  kaum  in  einen  zusammenhängenden 
Text  hätten  geprefst  werden  können,  nämlich  Fron.  SXlog,  ^Taxarogy  n6- 
aog  etc.,  Opt.  Eonj.  Imper.  Praes.  Med.  und  Pass.,  üfil  und  Komposita; 
61,  67, 106  enthalten  Sentenzen  und  können,  da  ihr  Übungsstoff  im  näch- 
sten Stfick  wiederkehrt,  fibersprungen  werden,  aus  gleichem  Grunde  auch 
78  (Gutturalstämme), und  108 — 110  (Nachtrs^:  ati  zweite  Dekl.,  Fem  auf  cei, 
Dual).  So  trägt  das  Buch  mit  Recht  den  Namen  eines  griechischen  Lese- 
buches. Von  den  Lesestficken  selbst  aber  sind  die  meisten  zu  lang  geworden ; 
durch  Streichung  unwesentlicher  Zfige  in  der  Erzählung  können  die  meisten 
erheblich  gekfirzt  werden,  ohne  dafs  der  Übungsstoff  darunter  litte,  z.  B.  49,  51, 
53,  67  u.  a.;  auch  die  Verba  pura  contracta  sind  zu  breit  behandelt; 
ganz  entschieden  aber  mfissen  die  Verba  auf  fn  in  kfirzeren  Texten  vor- 
gefahrt werden,  selbst  wenn  eine  der  Taten  des  Herakles  kfirzer  erzählt 
werden  oder  ganz  wegfallen  mfifste.  Sprachlich  wäre  in  49  der  seltene 
Superlativ  ia^Utajog  durch  Sqiatog  zu  ersetzen,  das  seltene  clW 
mit  seinem  ganzen  Satze  kann  wegfallen;  nicht  gut  ist  34  äzi 
ßaqvxiqa  Ylyveraiy  72  nXelw  ifidvia  nogelv ;  dot;A(0/uai  74  will  nicht 
im  Munde  des  Mardonius  passen.  Inhaltlich  sollte  Stfick  43  geändert 
werden,  das,  nach  Plato  Apol.  20  E  gearbeitet,  dem  Sokrates  die  bekannte 
delphische  Entscheidung  in  allzu  breiter  und,  da  der  gröfsere  Zusanunen- 
hang  fehlt,  prahlerisch  wirkenden  Bede  in  den  Mund  legt;  man  lasse 
etwa  den  Ghärephon  erzählen.  Die  spartanische  Jugenderziehuog  verdient 
sicher  nicht  die  Bewunderung  und  Hochschätzung,  die  ihr  72/73  zu  teil 
wird.  Im  fibrigen  hat  sich  der  Verf.  bemfiht,  innerhalb  des  vorgeschrie- 
benen Stoffkreises  „der  griechischen  Geschichte  und  Sage^*  möglichste 
Abwechslung  zu  bringen.  Becht  passend  fänden  hier  einige  Stficke  etwa 
aus  Strabo  fiber  Britannien  und  Gallien  und  ihre  Bewohner  (vgl.  Wila- 
mowitz,  Lesebuch  IV)  Aufnahme;  die  preufsischen  Lehrpläne  auch  von 
1901  schreiben  jenen  Stoff  kreis  ja  auch  nur  „im  wesentlichen**  vor,  und 


278  Nene  Philologische  Rnndschaa  Nr.  12. 

das  Lesebuch  wfirde  so  neben  der  Unterstützung  der  Ovidlektflre  auch  fflr 
die  Gäsarlektüre  dankenswerte  Ergänzungen  bieten. 

Zu  II.  15  zusammenhängende  Stücke  paraphrasieren  Xenophons  Anab. 
bis  n,  4 ;  einzelne  bringen  als  B  auch  Einzelsätze.  Als  Übungsstoff  liegt 
eine  erweiternde  Wiederholung  der  Formenlehre  zu  gründe. 

Der  IV.  Teil  bringt  174  grammatische  Bemerkungen,  die  an&ngs 
auch  aus  der  Formenlehre,  später  vorwiegend  aus  der  Syntax  die  Erschei- 
nungen besprechen,  so  wie  sie  zum  ersten  Male  in  den  griechischen  Lese- 
stücken vorkommen.  Bei  weiterem  Auftreten  wird  dann  durch  Fufsnote 
auf  die  betr.  Begel  verwiesen.  In  diesem  Teile  finden  sich  durchaus  alle 
wichtigen  Erscheinungen  behandelt,  sodafs  er  den  Gebrauch  der  Gram- 
matik völlig  entbehrlich  macht  und  den  Schüler  veranlassen  wird,  immer 
wieder  auf  sein  Lesebuch  zurückzugreifen.  Dabei  ist  nicht  versäumt,  auf 
parallele  Erscheinungen  im  Lateinischen  und  wiederholt  auch  im  Fran- 
zösischen (37,  47,  76, 162)  hinzuweisen.  Bei  46  hätte  noch  an  den  Unter- 
schied im  Gebrauch  des  französischen  Imparfait  und  Pass^  däfini  erinnert 
werden  können;  die  lateinischen  Hinweise  wünschte  man  vollständiger: 
31  Abi.  instr.,  57  militis  est,  lOö  talis -^  qualis,  110  Abi.  modi,  157  ponere, 
ducere  etc.,  170  ad  venire,  nuntiare  eto.  Die  Hinweise  auf  unter  sich  enger 
zusammengehörige  Begeln  sollten  mehr  angewandt  sein,  besonders  bei  147 
auf  113,  bei  126  auf  111,  83  u.  a.  verwiesen  werden.  Die  Fassung  der 
B^el  69  über  c^te  —  Te,  117  (auditoi)  ist  nicht  klar;  bei  64  empfiehlt 
es  sich  vor:  IcU.:  existima  ...  „dagegen*^  einzuschieben,  die  Bezeichnung 
Charakter  buch  Stabe  für  das  a  des  Fut.  u.  Aor.  45  ist  sicher  nicht  gut 

Zu  VI.  In  dem  griechischen  und  deutschen  Wörterverzeichnis  wird 
dem  einzelnen  Worte  nicht  die  Übersetzung  beigegeben,  sondern  auf  das 
Stück  hingewiesen,  in  dem  es  zum  erstenmal  behandelt  ist,  ein  Verfahren, 
das  ebenfalls  dazu  beitragen  wird,  den  Schüler  in  seinem  Buche  heimisch 
zu  machen. 

Der  Druck  ist  besonders  in  den  griechischen  Texten  etwas  matt;  in 
der  Verbindung  von  Spiritus  lenis  und  Akzent  gerät  der  Akut  oft  zu 
kurz,  der  Zirkumflex  bleibt  oft  fast  ganz  aus.  Der  Druck  von  VI  mufs 
entschieden  gröfser  werden  auf  die  Ge&hr  hin,  den  umfang  des  Buches 
etwas  zu  vergröfsern.  Gleich  im  Anfang  fehlt  5  S.  6  Akz.  u.  Sp.  bei  12, 
34  Z.  5  bei  ^. 

Zum  Vorteil  gereicht  es  dem  Buche,  dafs  die  Pensen  für  unter-  und 
Obertertia  zu  einem  Bande  und  zu  einem  Ganzen  gearbeitet  sind,   ein 


K 


l^eue  Philologische  fiandschau  Nr.  l2.  279 


Znrfickgreifen  auf  frfiher  Gelerntes  also  jederzeit  möglich  ist.  Dies  und 
die  ganze  Anlage,  besonders  des  II.  und  VI.  Teiles  verspricht  die  beste 
Wirkung  auf  den  Schfiler :  er  mrd  heimisch  in  einem  Buche  werden,  aus 
dem  er  sich  auch  später  für  alle  wichtigen  Fragen  sicher  und  rasch  Bat 
zu  holen  weifs. 

Laubach  (Hessen).  _J_ P.  Adaml. 

156)  Uppenkampy  Aufgaben  zum  Übersetzen  ins  Lateinisclie 

im  Anschlufs  an  Tacitus.  Münster,  Aschendorff,  1902.  Teil  I 
44  S.,  Teil  II  40  S.  8.  k  Ji  -.  75. 

Der  erste  Teil  dieses  Werkchens,  der  für  die  Hand  des  Schülers 
bestimmt  ist,  enthält  den  deutschen  Text,  der  zweite  die  lateinische  Über- 
setzung und  die  Angabe  der  benutzten  Stellen,  damit  dem  Lehrer  die 
Nachhilfe  und  da,  wo  es  gewünscht  wird,  die  Erweiterung  des  Stoffes  er- 
leichtert wird. 

Die  Aufgaben  haben  nicht  nur  die  Bestimmung,  als  Anleitung 
zum  Übersetzen  ins  Lateinische  zu  dienen,  sondern  sollen  vor  allem  den 
Primaner  in  die  reiche  Gedankenwelt  des  Tacitus  einführen.  Zu  dem 
Zwecke  hat  der  Verf.  Aufserungen  und  Urteile  des  grofsen  Historikers 
über  gewisse  Eulturzustände  und  allgemein  menschliche  Verhältnisse  ge- 
sanunelt,  nach  bestimmten  Gesichtspunkten  geordnet  und  teils  durch  Über- 
arbeitung der  Schriftstellen,  teils  durch  Hinzufügung  eigener  Bemerkungen 
zu  zusammenhängenden  Gedankenreihen  verknüpft.  Auf  diese  Weise  er- 
geben sich  13  Abschnitte,  die  folgendermafsen  überschrieben  sind:  I.  Ge- 
schichtschreibung. II.  Religiöse  Ansichten  des  Tacitus.  III.  Verfassung  und 
Regierung  des  Staates.  IV.  Gesetze.  V.  Das  Majestätsgesetz.  VI.  Schmei- 
chelei und  sklavische  Unterwürfigkeit  der  Vornehmen.  VII.  Charakter  des 
gemeinen  Volkes.  VIII.  Die  Eriegszucht.  IX.  Üppigkeit  und  Habsucht. 
X.  Ehrgeiz  und  Herrschsucht.  XI.  Neid,  Hafs  und  Zwietracht.  XII.  Glück 
und  Unglück.    XIII.  Sitten  der  alten  Germanen. 

Wie  diese  Übersicht  schon  zeigt,  hat  man  es  hier  mit  einer  ganz 
eigenartigen  Arbeit  zu  tun.  Das  landläufige  Verfahren,  durch  Variation 
einzelner  Schriftstellerkapitel  Übersetzungsstoff  zurechtzumachen,  ist  auf- 
gegeben und  der  Versuch  gemacht,  unter  Berücksichtigung  der  gesamten 
Produktion  eines  Schriftstellers  dem  Schüler  ein  Bild  von  der  ganzen 
Persönlichkeit  desselben  und  von  dem  Ideengehalte  seiner  Werke  zu  ver- 
mitteln.   So  bietet  das  Werk  unter  dem  bescheidenen  Titel  von  Aufgaben 


2to  \HeJxe  ^hilologisclie  ttnndscliati  ITr.  12. 

zum  Übersetzen  die  reifen  Frfichte  eindringender  Tacitusstndien,  die  man 
kaum  in  derartigen  Übnngsbfichern  zn  finden  erwartet. 

Freilich  darf  anderseits  nicht  verschwiegen  werden,  dafs  gerade  diese 
Eigenart  des  Werkchens  seine  Brauchbarkeit  für  Stilübungen  etwas  beein- 
trächtigt. Denn  trotz  der  grofsen  Geschicklichkeit,  mit  der  der  Verf.  die 
einzelnen  Aper9ns  zusammenzufügen  versteht,  ist  es  ihm  doch  nicht  ge- 
lungen, einen  so  innigen  Zusammenhang  herzustellen,  dafs  das  Ganze  wie 
aus  einem  Gusse  erscheint.  Eine  fiiefsende  und  gleichmäfsige  Darstellung 
ist  eben  bei  solcher  mosaikartigen  Zusammensetzung  von  Gedankensplittern 
nicht  zu  erreichen,  zumal  wenn  man  sich,  wie  der  Verf.,  scheut,  durch- 
greifende Änderungen  an  dem  VT^ortlaute  der  Schriftstellen  vorzunehmen. 
Daher  wird  der  Primaner  aus  dem  Buche  weniger  Gewinn  für  die  Bil- 
dung seines  Stils  und  die  Befestigung  seines  grammatischen  Wissens 
ziehen  als  für  die  Vertiefung  seiner  Einsicht  in  die  unsterblichen  Werke 
des  Tacitus.  Dieser  Gewinn  ist  aber  ein  so  eminenter,  dafs  ich  nicht 
anstehe,  das  Buch  trotz  der  hervorgehobenen  formalen  Mängel  auf  das 
wärmste  zur  Benutzung  zu  empfehlen.  Denn  es  ist  jedenfalls  wert- 
voller, wenn  der  Schüler  den  Tacitus  als  Denker  und  Geschichtsphilosophen 
begreifen  lernt,  als  wenn  ihm  an  flachen,  inhaltsleeren  Sätzen  stilistische 
Feinheiten  vorgeführt  werden. 

Potsdam.  B.  Kraiuie. 

157)  Alfred  Brofsmer,  Aigar  et  Maurin,  Brachstücke  einer 
Chanson  de  geste  nach  der  einzigen  Handschrift  in  Gent  neu 
herausgegeben.    (Separatabdruck  aus  „Romanische  Forschungen'' 
Band  XIV,  Heft  1.)    Erlangen,  Fr.  Junge,  1902.     103  S.  8. 
Aigar  et  Maurin  ist  eins  der   wenigen   provenzalischen  Volksepen, 
das,   wenn  auch  nur  in  Bruchstücken,   auf  uns  gekommen  ist.    In  der 
Genter  Bibliothek  im   Jahre  1877  auf  dem  Inneren  der  beiden  Deckel 
eines  Foliobandes  aufgefunden,  wurde  es  noch  in  demselben  Jahre  von 
A.  Scheler  herausgegeben.    Da  diese  Ausgabe  vergriffen  ist,  so  hat  sich 
Brofsmer  durch  die  Neuherausgabe  des  wichtigen  Textes  unstreitig  ein 
Verdienst  erworben.    Er  hat  die  Handschr.  aufs  neue  vei^lichen,  Kon- 
jekturen von  Tobler,  Bartsch,  Hentschke,  soweit  sie  ihm  als  Verbesserungen 
erschienen,  aufgenommen,  selbst  einiges  zum  Verständnisse  beigefügt,  so 
dals  der  Text  nun  lesbarer  ist  als  zuvor.    Trotzdem  ist  auch  jetzt  noch 
recht  vieles  dunkel. 


Nene  Philologische  Bondschau  Nr.  12.  281 

In  der  EiDleitung  spricht  der  Herausg.  von  der  Handschrift,  f&hrt  die 
literarischen  Zeugnisse  an  (die  früheste  Erwähnung  fällt  in  das  Jahr  1182), 
sucht  die  Zeit  der  Entstehung  zu  ergründen  (nach  der  Mitte  des  12.  Jahrh.), 
gibt  ausführlich  den  Inhalt  der  Dichtung,  behandelt  die  literargeschicht- 
liche  Stellung  der  Dichtung  und  stellt  die  Laute  und  Flexionen  zusammen: 
letzteres  besonders  dankenswert,  da  auch  Aigar  et  Maurin,  wie  verschiedene 
der  ältesten  Dichtungen  Frankreichs,  in  einer  seltsamen  halb  französischen, 
halb  provenzalischen  Mischsprache  abgefafst  ist.  Dafs  ein  solches  Misch- 
idiom wirklich  einmal  gesprochen  wurde,  meinen  manche  Gelehrte. 
P.  Meyer  aber  und  mit  ihm  unser  Herausg.  zweifeln  daran.  Nach  ihnen 
habe  der  provenzalische  Dichter  Formen  angewendet,  die  der  Sprache 
des  benachbarten  Landes,  in  diesem  Falle  der  französischen,  entnommen 
seien,  um  so  nicht  nur  seinen  Landsleuten,  sondern  auch  den  Nordfranzosen 
verständlich  zu  sein. 

Ein  Verzeichnis  der  Eigennamen,  sowie  ein  Wörterverzeichnis  bilden 
den  Abschlufs  des  Heftes.  Das  letztere  hätte  man  gern  etwas  vollständiger 
gesehen. 

Wolfenbüttel.  M.  Ooldsohmldt. 


158)  Max  HofEinaniii  Guy  de  Maupassant  Verse.  In  deutscher 
tTbertragung.  Mit  einer  Einleitung  des  Übersetzers,  einem  Briefe 
Gustave  Flauberts  und  dem  Bildnis  des  Dichters.    Breslau,  Schle- 

sische  Verlagsanstalt  von  S.  Schottlaender,  1902.  XVII  u.  103  S.  8. 

Ji  2.—. 
Der  Übersetzer,  der  Sprachgewandtheit  und  dichterisches  Verständnis 
schon  bei  mehreren  anderen  Gelegenheiten  bewiesen  hat,  legt]^  uns  hier 
eine  Verdeutschung  von  Maupassants  Des  Vers  vor,  die  (in  erster  Auflage) 
bereits  1884  erschienen  sind  und  teilweise  die  frühesten  Leistungen  des 
Dichters  enthalten.  Bef.  mufs  gestehen,  dafs  er  an  Übertragungen  aus  dem 
Französischen  stets  mit  Zögern  und  Mifstrauen  herangeht,  besonders  wenn 
das  dürre  Geklapper  des  einförmigen  deutschen  Alexandriners  droht:  diese 
Arbeit  aber  hat  ihn  sehr  befriedigt.  Die  fünffüfsigen  Jamben  —  nur  stellen- 
weise sind  in  Anlehnung  an  die  Vorlage  andere  Versmafse  gewählt  — 
lesen  sich  -durchaus  wie  ein  Original,  dabei  sind  die  Gedanken  fiberall 
sinngemäfs,  mit  fast  philologischer  Genauigkeit  wiedergegeben.  Wie 
treffend  ist  z.  B.  der  Vers: 


Ö82  Nette  Philologfische  Kundachaii  Nr.  12.  

Ma  mere  esi  briüa/fUe,  et  la  nuit  est  brune 
(aus  la  Chanson  du  rayon  de  lune)  mit: 

Meine  Mutter  steht  schimmernd  im  nächtlichen  Saal 
fibersetzt!    Nur  ausnahmsweise  kann  man  auf  Freiheiten  stofsen  wie  in 
dem  Yerspaare: 

So  £ällen  seinem  toüden  Wüten 

Zum  Opfer  Stieglitz,  Hänfling,  Fink, 
während  es  im  Original  heifst: 

Oü  tombent,  camme  une  avdUmche  (=  scharenweise) 

Linots,  pinsons,  cha/rdonnerets  (aus  TOiseleur). 

Und  solche  Beime  wie: 

dafs 

Ich  beinah'  unbewufst  und  nicht  zum  Spafs 

Verliebt  war,  —    —    —    —    — 

kommen  nicht  wieder  vor.    Dafs  bei  dem  letzten,  einem  dramatischen, 

Gedichte  (Histoire  du   vieux  temps)  der  anmeldende  Diener  ausgelassen 

ist,  wird  wohl  niemand  bedauern;  aber  das  Fehlen  der  an  Frau  Gomman- 

ville  gerichteten  kurzen  Widmung  könnte  eher  unangenehm  empfunden 

werden. 

Strasburg  (Westpr.). A.  Bohr. 

159)  Bernhard  Lade,  Henri  Malin:   Un  Collögien  de  Paris 

en  1870.  Ffir  den  Schulgebrauch  herausgegeben.    Leipzig,  Frey- 
tag, 1903.    IV  u.  95  S.  8.  Ji    1.25. 

Wbrterbuch  dazu  40  S.  .4  -.  50. 
Das  kleine  Buch  erzählt  die  Erlebnisse  eines  siebzehnjährigen  Gym- 
nasiasten Fernand  Oridennes.  Dieser  hat  bei  Ausbruch  des  Krieges  in 
der  ersten  Begeisterung  ins  Heer  einzutreten  versprochen,  wie  drei  seiner 
Kameraden.  Aus  Bficksicht  auf  seine  Eltern,  besonders  seine  kränkliche 
Mutter  verschiebt  er  sein  Vorhaben.  Er  erntet  dafür  den  Spott  seiner 
Freunde,  die  ihn  in  Uniform  besuchen.  Während  der  ersten  Monate  des 
Krieges  lebt  er  mit  seinen  Eltern  im  Seebade  Le  Orotoy.  Nach  der 
Bückkehr  von  dort  schliefst  sich  Fernand  der  Association  des  pupilles  an 
und  zeichnet  sich  in  dieser  als  Krankenträger  aus.  Seinem  bei  Arcueil 
als  Nationalgardist  schwer  verwundeten  Vater  rettet  er  das  Leben.  Dann 
macht  Fernand  die  Schrecken  der  Beschiefsung  von  Paris  mit.  In  einem 
Ballon  verläfst  der  junge  Mann  Paris,   landet  nach   gefahrvoller  Fahrt 


\ 


Nene  PhUologiMlie  Bondaebau  Nr.  Id.  388 

—  der  Ballon  wird  beschossen  —  in  Hardeilles.  Dort  hat  er  Gelegen- 
heit, mit  der  Waffe  dem  Vaterlande  zn  dienen  in  einem  Kampfe  zwischen 
Preolsen  and  Franctireors,  der  zu  gnnsten  der  Preoüsen  endet.  Diese 
jubeln  Ober  die  eben  eingetroffene  Nachricht  von  der  Obergabe  von  Paris, 
w&hrend  Fernand  mit  seinem  Gefährten  Aschaler,  dessen  Schicksale  eben- 
falls erz&hlt  werden,  betrübt  das  Weite  sacht. 

Das  B&ndchen  empfiehlt  sich  durch  seinen  ansprechenden  Inhält,  der 
zu  Unterhaltung  in  französischer  Sprache  reichlich  Gelegenheit  bietet  und 
sein  gefälliges  sprachliches  Gewand.  Die  Anmerkungen,  meist  sachlicher 
Art,  sind  sorgfältig  gearbeitet,  ebenso  das  Wörterbuch.  Die  Aussprache- 
bezeichnung ist  nach  Hatzfeld-Darmesteter,  Dictionnaire  gänäral  gegeben. 
Eine  Obersicht  fiber  dieselbe  findet  sich  im  Bändchen  und  im  Wörterbuch. 
Druck  und  Einband  sind  vorzfiglich. 

Hildbnrghausen.  EU  Pv0oh. 

160)  E.  Ctoerlioh,  Hüfsbucli  ftür  den  französiflchen  Unterricht 

in  den  oberen  Klassen.    (Mit  Karte  von  Frankreich  und  Monu- 
mentalplan von  Paris.)    Leipzig,  Benger,  1902.    XII  u.  330  S.  8. 

brooh.  Jf  4.  — . 
Ein  umfiEmgreiches,  gut  angelegtes  Lesebuch,  welches  im  vollen  Um- 
fange nur  an  Bealanstalten  und  auch  an  diesen  zum  Teil  nur  durch 
Privaüektfire  voll  ausgenutzt  werden  kann.  Die  ersten  Teile  bieten  die 
fiblichen  geographischen,  geschichtlichen  und  literargeschichtlichen  Dar- 
stellungen in  reicher  FfiUe,  dann  auch  eine  Anzahl  Gedichte,  Beden  u.  s.  w., 
die  fibrigens  sorgfältiger  ausgewählt  sind,  als  dies  bei  vielen  Werken 
gleicher  Art  der  Fall  zu  sein  pflegt.  Einige  Gedichte  entsprechen  aber 
doch  wohl  nicht  dem  Standpunkte  der  oberen  Klassen.  Der  letzte  Ab- 
schnitt enthält  eine  sehr  hübsche  Anleituog  zur  Anfertigung  von  Auf- 
sätzen, der  Schlufs  eine  gute  Zusammenstellung  von  Sponymen.  Die  Karte 
von  Frankreich  ist  sorgfältig  gearbeitet:  der  „Monumentalplan'*  von  Paris 
dagegen  kann  mir  ganz  und  gar  nicht  gefallen.  Bei  der  Kleinheit  des 
Mafsstabes,  die  ja  durch  den  Charakter  als  Beigabe  erklärlich  ist,  tritt 
das  Äufsere  der  Baulichkeiten  doch  recht  wenig  hervor.  Weshalb  denn 
nicht  Oberhaupt  einfach  den  Onindrifs  einzeichnen?  Der  Schfiler  kann 
unmöglich  nach  diesen  Skizzen  einen  rechten  Begriff  von  den  Gebäuden 
bekommen.  Zu  tadeln  ist  die  Vergröfserung  des  Zentrums  auf  Kosten  der 
Aufsenbezirke,  das  heifst  denn  doch  dem  SchOler  einen  ganz  fälschen 


284  Nene  Philologisohe  Randschan  Nr.  12. 

Begriff  vom  ümfonge  der  inneren  Stadt  geben!  Das  Papier  ist  gut,  aber 
der  Druck  mflMe  noch  etwas  klarer  sein,  selbst  wenn  dadurch  das  Werk 
etwas  teurer  werden  sollte. 

Viersen.  Adolph  Waokersapp. 

161)    V.  Eerbi    The   Valiant   Welshman   by  B.  A.  Gent 

Nach  dem  Drucke  von  1615  herausgegeben  (=  München  er 
Beiträge  zxxt  romanischen  und  englischen  Philo- 
logie, herausgegeben  von  H.  Breymann  und  J.  Sehiek^ 
XXIII.)  Erlangen  und  Leipzig,  A.  Deichertsche  Verlagsbuch- 
handlung Nachf.  (0.  Böhme),  1902.    LXXVII  u.  88  S.  8. 

The  Valiant  Welshman  ist  ein  in  vieler  Hinsicht  merkwürdiges  und 
immerhin  beachtenswertes  Drama  der  Elisabethanischen  Zeit,  das  bisher 
nur  ganz  gelegentlich  in  den  Ereis  der  Forschung  gezogen  worden  ist. 
Eerb  hat  sich  die  nicht  undankbare  Aufgabe  gestellt,  es  neu  abzudrucken 
und  literarhistorisch  zu  untersuchen.  Das  Stück  ist  nur  in  wenigen  Exem- 
plaren zweier  Quartausgaben  von  1616  und  1663  erhalten,  die  sich  nicht 
wesentlich  von  einander  unterscheiden.  Der  vorliegende  sorgfältige  Neu- 
druck schliefst  sich  an  die  älteste  Ausgabe  —  mit  Becht  auch  in  der 
genauen  Beobachtung  der  orthographischen  Eigentümlichkeiten  —  an  und 
verzeichnet  in  den  Anmerkungen  die  Abweichungen  der  jüngeren.  Ästhe- 
tisch ist  das  Drama  nicht  viel  wert.  Es  ist  eine  verhältnismäÜBig  ge- 
schickte Historie,  die  das  Leben  und  die  Taten  des  keltischen  National- 
helden CSaradoc  behandelt,  ohne  sehr  auf  die  Charakteristik  der  Personen 
Bedacht  zu  nehmen.  Die  Sprache  dagegen  ist  oft  recht  eindrucksvoll  und 
stellenweise  selbst  von  wirklichem  poetischen  Schwünge  beseelt,  und  die 
Metrik  ist  glatt  und  regelmäfsig,  wie  überhaupt  in  den  Elisabethanischen 
Dramen.  Wichtiger  als  alles  dies  sind  die  stofflichen  und  literarischen 
Beziehungen  des  Stückes.  Der  tapfere  Oaradoc  ist  nämlich  kein  anderer 
als  jener  historische  Held  der  Walliser  Caratacus  (oder  Garactacus),  der 
im  1.  Jahrh.  n.  Chr.  sich  aufs  lebhafteste  den  Eroberungsgelüsten  der  BSmer, 
insbesondere  des  Kaisers  Claudius,  widersetzte,  derselbe,  von  dessen  Schick- 
salen und  Kämpfen  Tacitus  in  den  Annalen  XH,  31—37  berichtet.  Die 
Angaben  dieses  und  anderer  Gechichtsschreiber  sammelt  Kerb  fleifsig,  fär 
den  Ver&sser  des  Dramas  aber  kommt  als  Quelle,  wie  er  überzeugend 
darlegt,  gewifs  nur  die  zusammenfassende  Darstellung  in  Holinsheds  Chronik 


\ 


itene  JPbÜologisclie  ttandsoban  itr.  12.  28& 

in  Betracht,  nicht  aber  die  einzeken  Originalberichte.  Die  literarische 
Qaellenontersachang  gestaltet  sich  sehr  viel  ergiebiger.  Sie  berechtigt 
nns,  das  Stfick  eine  wahre  Mosaikarbeit  zu  nennen.  Denn  es  finden  sich 
Anklänge  and  Motive,  zum  Teil  frei,  zum  Teil  auch  in  sehr  engem  An- 
schlols  verarbeitet,  ans  Spencers  Faerie  Queene,  ans  Shakespeares  Bape 
of  Lucrece  und  Hamlet^  aas  Ben  Jonsons  Alchemist  and  Eyds  Spanish 
Trageäy  vor,  die  Eerb  alle  klarlegt  und  kritisch  beleachtet.  Über  die 
Zeit  der  Entstehang  ist  nar  so  viel  za  ermitteln,  dafs  die  Abfassnng  bald 
nach  1610  anzusetzen  ist.  Grofsen  Schwierigkeiten  begegnet  die  Yerfasser- 
firage.  Auf  dem  Titelblatt  steht  nur  Jß.  A.  Gent  (d.  i.  Gentleman).  Fast 
alle  Forscher  haben  dieses  B.  A.  auf  den  Dichter  und  Schauspieler  Bobert 
Armin  —  fiber  den  fibrigens  der  Verf.  bei  dieser  Gelegenheit  eine  Beihe 
wichtiger  Bemerkungen  anknäpfl  —  gedeutet,  allein  eine  kritische  Unter- 
suchung der  Frage  läfst  doch  diese  Annahme  ziemlich  unsicher  erscheinen, 
und  Eerb  dflrfte  recht  haben,  wenn  er,  auf  mehrere  gewichtige  innere 
und  äufsere  Grflnd^  gestützt,  meint,  ein  junger  Akademiker  sei  der  Ver- 
fasser gewesen.  —  Eine  Einwirkung  des  Valiant  Wdshman  auf  zwei 
spätere  Stücke,  Beaumont  und  Fletchers  Bonduca  (um  1616)  und  Masons 
Caractacus  (1777)  ist  nicht  nachzuweisen. 

An  die  alle  irgendwie  bemerkenswerten  Punkte  gewissenhaft  und 
sorgfiltig  behandelnde  Einleitung  schliefst  sich  dann  der  Neudruck,  dem 
eine  Anzahl  erklärender,  meist  sprachlicher  Anmerkungen  beigegeben  ist. 
Die  ganze  Arbeit  ist  eine  wertvolle  und  fieifsige  Leistung.  «tz-. 


162)  Hemrich  Lohre,  Von  Fercy  zum  Wnnderliom.  Bei- 
träge zur  Geschichte  der  Volksliedforschung  in  Deutschland. 
(=  Palaestra,  herausgegeben  von  Alois  Brandl  und  Erich 
Selunldt.  Band  XXII.)  Berlin,  Mayer  &  Müller,  1902.  XII 
u.  133  S.  8.  Ji  4.  -. 

Die  vorliegende,  sehr  gewissenhafte  Arbeit,  deren  Anfang  schon  als 
Berliner  Dissertation  1901  erschienen  und  aus  der  Schule  Erich  Schmidts 
herrorg^iangen  ist,  bestimmt  die  Beziehungen  zwischen  der  englischen 
und  deutschen  Volksliedforschung,  um  dann  die  Wiedergeburt  des  deut- 
schen Volksliedes  zu  behandeln.  Sie  übertrifft  an  Gründlichkeit  der  For- 
schung und  vor  allem  an  ästhetischem  Urteil  bei  weitem  eine  frühere, 
ähnliche  Arbeit,  die  Heidelberger  Dissertation  von  H.  F.  Wagener  über 
das  „Eindringen  von  Fercys  Beliques  in  Deutschland''  (1897).  Es  kommt 


^86  i^ene  Phüologisolia  ftundschaa  ^t,  l2. 

dem  Verf.  hauptsächlich  darauf  an,  die  Zwischenglieder  zwischen  den 
Hauptetappen,  welche  durch  Percys  Beliques,  Herders  „Volkslieder^'  und 
Arnims  „ Wunderhorn '*  gekennzeichnet  sind,  festzulegen.  Der  erste  kleinere 
Abschnitt  handelt  von  der  Aufnahme,  die  Percys  grundlegende  Sammlung 
bei  uns  fand,  und  den  Übersetzungsversuchen  einzelner  Balladen  aus  der- 
selben. Die  Mitglieder  des  Oöttinger  Dichterbundes  waren  hier  die  ersten 
Vermittler  zwischen  England  und  Deutschland.  Boie,  Vofs,  Miller,  auch 
Matthias  Claudius,  ein  Freund  des  Bundes,  und  besonders  Bfirger  haben 
übersetzend  und  nachbildend  aus  Percy  geschöpft.  Eingehend  werden  Her- 
ders Bemühungen  um  die  Verdeutschung  der  englisch-schottischen  Lieder 
gewürdigt,  daran  schliefst  sich  die  Betrachtung  der  Übersetzungen  von 
Fr.  ürsinus,  Bodmer,  Bothe,  Eosegarten,  Hang  u.  a.  Noch  wichtiger  als 
die  Übertragungen  aus  Percy  ist  der  indirekte  Einflufs,  den  die  Sammlung 
ausübte,  indem  sie  zum  Studium  der  heimischen,  damals  kaum  bekannten 
Volkslieder  anregte.  In  dem  zweiten  gröfseren  Abschnitt  schildert  der  Verf. 
die  Wiedergeburt  des  deutschen  Volksliedes,  die  Bemühungen,  nach  dem 
Muster  der  englischen  Sammlung  einen  deutschen  Percy  zu  schafifen.  Der 
Verf.  beginnt  mit  Goethe,  der  auf  Herders  Anregung  als  Strafsburger 
Student  ein  Dutzend  Volkslieder  sammelte,  und  gibt  auch  einen  Ausblick 
auf  Goethes  spätere  Beschäftigung  mit  dem  Volkslied,  auch  mit  dem  aufser- 
deutschen.  In  Herders  Volksliedern  ist  die  Zahl  der  deutschen  Lieder 
verhältnisroäfsig  gering,  da  ihm  fast  nur  die  Sammlung  des  Paul  von  der 
Aelst  vorlag,  so  dafs  er  sich  genötigt  sah,  mehrfach  bei  den  Eunstdichtern 
Anleihen  zu  machen  und  volksliedähnliche  Lieder  wie  Simon  Dachs  „Änn- 
chen  von  Tharau"  und  gar  Goethes  „ Fischer*'  aufzunehmen.  Ihm  folgte, 
abgesehen  von  vielen  zerstreuten  Publikationen  einzelner  Lieder,  die  mit 
grofser  Sachkenntnis  aufgezeigt  werden,  Nicolais  „Feyner  kleyner  Al- 
manach'S  der  eine  Persiflage  gegen  Herder  und  Bürger  sein  sollte,  aber 
die  Eenntnis  manchen  alten  Volksliedes  vermittelte  und  der  volkslied- 
freundlichen Bewegung  nicht  schadete.  Ausführlich  werden  dann  Elwerts 
„üngedruckte  Beste  alten  Gesanges''  (1784)  behandelt.  Die  Darstellung 
der  bezüglichen  Forschungen  Gräters,  die  er  in  der  jetzt  verschollenen 
Zeitschrift  „Bragur"  veröffentlichte,  weitet  sich  zu  einer  ausführlichen 
Charakteristik  dieses  jetzt  meistens  unterschätzten  Gelehrten  aus.  Daran 
schiefst  sich  eine  kurze  Entstehungsgeschichte  der  Sammlung  von  Arnim 
und  Brentano,  die  alle  früheren  Studien  zusammen&fst  und  die  Ent- 
sprechung zu  Percys  „Beliques'*  bildet    Im  Verlauf  seiner  Arbeit  hat 


k 


IJeue  Philologiftehe  ftundgcbau  lir.  12.  2^7 


der  Verf.  mehrfach  auf  die  ünkhirheiten  hingewiesen,  die  mit  dem  Be- 
griff „Volkslied''  verbunden  wurden.  Wenn  wir  auch  heute  ein  be- 
deutendes Stück  weiter  sind  in  der  Erkenntnis  der  Merkmale  eines  Volk- 
liedes, so  bleibt  doch  noch  manches  aufzuklären,  und  ich  teile  nicht  ganz 
die  zuversichtliche  Auffassung,  die  Lohre  S.  xii  äufsert.  T. 


163)  Max  Steffen,  Einführung  in  den  englischen  kauf- 
männischen Briefwechsel.  2.  Auflage.  Leipzig,  August 
Neumann  (Fr.  Lucas),  1903.    XII  u.  166  S.  8.     geb.  Ji  2.40. 

Der  Verf.  erklärt  in  der  Vorrede  zu  seinem  Werke,  dafs  dieses  sich 
in  Anordnung  und  Inhalt  eng  an  die  im  gleichen  Verlage  erschienene 
„Einffihrung  in  den  französischen  kaufmännischen  Briefwechsel''  von  Dr. 
Peters  anschliefsi  Er  will  den  Schuler  der  Oberklasse  der  Handelsschulen 
in  planmäfsiger  und  methodischer  Weise  zur  Abfassung  von  „  Briefen  aus 
dem  Bereiche  der  wichtigeren  Vorfölle  des  Geschäftslebens''  anleiten,  und 
man  kann  nicht  leugnen,  dafs  der  Weg,  den  er  zur  Erreichung  dieses 
Zieles  beim  Unterricht  einschlägt,  ein  sehr  praktischer  ist.  In  16  Kapiteln 
werden  die  Hauptsachen,  die  in  der  Handelskorrespondenz  in  Betracht 
kommen  können,  mit  Gründlichkeit  und  unter  Beibringung  reichlichen 
Materials  sowie  der  verschiedenartigsten  Musterbriefe  behandelt.  Den  Ein- 
gang jedes  Kapitels  bildet  eine  kurze  sachliche  Erörterung  der  einschlägigen 
Fragen.  Ihr  folgen  die  Briefe  sowie  ein  Verzeichnis  von  Wendungen  und 
Ausdrücken  mit  beigefügter  Übersetzung,  auch  Material  zur  Anfertigung 
von  Briefen  seitens  der  Schüler,  und  deutsche  Briefe,  von  denen  eine 
häusliche  Übersetzung  anzufertigen  ist.  Am  Schlufs  findet  sich  auch  noch 
ein  deutsch-englisches  Vokabular. 

Was  besonders  das  kleine  Buch  von  manchen  anderen  Werken  ähn- 
licher Art  vorteilhaft  unterscheidet,  ist  der  Umstand,  dafs  es  nicht  nur 
die  Kenntnis  des  geschäftlichen  Briefwechsels  vermittelt,  sondern  eben 
auch  zur  selbständigen  Anfertigung  mannigfacher  derartiger  Briefe 
in,  wie  mir  scheint,  sehr  geeigneter  Weise  methodisch  anleitet.  Man 
kann  es  also  den  Handelsschulen  und  überhaupt  allen  Anstalten,  die  auf 
den  Gegenstand  eine  gewisse  Zeit  verwenden  können,  nur  empfehlen. 

Dessau.  Bahrs. 


iTene  IPhilologische  ^nndsohan  Itr.  iä. 


164)  Hermann  Fischeri  Der  Neuhnmanisrnns  in  der  dentsehen 
Literatur.  Bektoratsrede,  zum  Gebartsfeste  des  Etaigs  von 
Wfirttembergam  2.  Febniarl902  an  derUniversitätTübingen  gebalten. 
Tübingen,  H.  Lauppsche  Bachbandlung,  1902.  31  S.  8.  Ji  — .  60. 
Nachdem  der  Verf.  den  Unterschied  zwischen  dem  Humanismus 
des  16.  Jahrb.  und  dem  sogen.  Neuhumanismus  des  18.  und  19.  Jahrb. 
angedeutet  hat,  betrachtet  er  die  zwei  auf  die  Erneuerung  der  Antike 
gerichteten  Strömungen  unserer  Literatur.  Die  eine  mehr  formale  knüpft 
sich  an  die  Namen  Elopstock  und  Yofs.  Die  andere  materiale,  die  vor  allem  die 
Belebung  des  geistigen,  sittlichen  und  künstlerischen  Gehalts  der  Antike  er- 
strebt und  schliefslich  zum  Griechenkultus  führt,  wird  durch  Winkelmann  und 
Herder,  Heinse,  Schiller  und  Goethe  und  Hölderlin  vertreten.  Der  Vortrag 
gibt,  ohne  neue  sachliche  Gesichtspunkte  aufzustellen,  in  gewählter  und  ge- 
wandter Sprache  einen  inhaltreichen,  auf  genauer  Kenntnis  beruhenden  Über- 
blick über  die  wichtigsten  hierher  gehörenden  Erscheinungen.  Am  Schluls 
kann  es  sich  der  Verf.  nicht  versagen,  in  einem  offenen  Bekenntnis  eine  Lanze 
fQr  das  humanistische  Gymnasium  zu  brechen  und  den  modernen  Bildungs- 
bestrebungen ein  Fragezeichen  entgegenzustellen.  Der  letzte  Absatz  zur  Ehrung 
des  Königs,  der  mit  dem  Inhalt  der  Bede  in  keiner  wesentlichen  Beziehung 
steht,  hätte  unseres  Erachtens  im  Druck  fortgelassen  werden  können.      T. 

Paul  y eff  Verlag ICarl  Bflchle)  In  Stnttgart°^ 

jf  ■  jf  ■ 

In  unserem  Verlag  ist  komplett  erschienen  die 

Zehnte  Auflage 

von 
Christoph  Fr.  Griebs 

Enflllsdi-BeBtschem  und  DeatscIi-EniilischBni  Warterhocli 

mit  besonderer  Rücksicht  auf  Aussprache  und  Etymologie 

neu  bearbeitet  nnd  vermehrt 

von 

Dr.  Arnold  Schröer 

ord.  Professor  an  der  Handelshochschule  zu  Köln 
well.  ord.  Professor  der  englischen  Philologie  an  der  üniversitftt  Freil/urg  1.  B. 

160  Bogen  dreispaltiger  Satz  in  6r.-Lex.  8o. 

I.  Band:  n  Band: 

eleg.  in  Halhleder  geh.  M.  14.—     eleg.  in  Halhleder  geoT  M.  12.— 

Erwähnenswert  ist  es,  daTs  die  Kinleitang  das  Nötigste  über  Formenlehre  und  Orthographie, 
namentlich  über  die  Yerdoppelang  der  Endkonsonaten  enthält,  nm  das  Aufschlagen  auch  ün- 

Siübteren  zu  erleichtern,    loh  glaube,  auch  mancher  Anfänger  wird  sich,  um  die  zweimalige 
usgahe  zu  vermeiden,  gleich  ein  Buch  „fürs  Leben"  anschaffen. 

Direktor  Dr.  KrMmmaohor,  Kastei,  in  „Englltthe  Stadion". 

ggT'  Zu  haben  in  allen  Buchhandlungen  '^H 

Für  Sclial«H  TersfiiMtlsnMseii  bei  gleichzeitigem  Bezog  einer  grÖAneren  Anzahl 
von  Exemplaren. 

Fftr  di«  Bedaktlon  Terutwortlieh  Dr.  E.  Lodwig  in  BrOHOn 
Dnek  und  Verlag  ron  Friedrieh  AndreM  Perthes,  AktiengeMlliehaft,  Ootha. 


K 


JUL   9    1903 


Gotha,  27.  Juni  Nr.  13,  Jahrgaag  1903. 

Neue 

PhilologischeRundschau 

HerauBgegeben  von 

Dr.  C.  Wagener  und  Dr.  E.  Ludwig 

in  Bremen. 

Bncheint  alle  14  Tage.  —  PreiB  fBr  den  Jahrgang  8  Mark. 

Bestellungen  nehmen  alle  Bnchhandlnngen,  sowie  die  Postanstalten  des  In-  und  Auslandes  an. 

Insertionsgebflhr  fDr  die  einmal  gespaltene  Petitzeile  80  Pfg. 

Inlialt:  Bezensionen:  165)  A.  Börne r^  Homerische  Studien  (0.  Ding^dein) 
p.  289.  —  166)  £.  Harrison,  Stndies  in  Theognis  together  with  a  text  of  the 
poems  {ß)  p.  290.  —  167)  Paul  Brandt,  Ovidi  de  arte  amatoria  libri  tres 
(G.  Schüler)  p.  291.  —  168)  W.  A.  Eckels,  'nare  as  an  index  of  style  in  the 
orators  (Ph.  Weber)  p.  294.  —  169)  Beiträge  zur  klassischen  Philologie,  Alfred 
Schöne  dargebracht  (B.)  p.  299.  —  170)  H.  Francotte,  Formation  des  Yilles, 
des  ^tats,  des  conf(§d4rations  et  des  ligues  dans  la  Gr^e  ancienne  (H.  Swoboda) 
p.  301.  -~  161)  J.  C.  H.Matile,  Explication  de  quelques  fahles  de  La  Fontaine 
(B.  Kiessmann)  p.  303.  —  172)  £.  Meyer,  Emile  Augier,  Le  Gendre  de  Mon- 
sieur Poirier  (P.  Leja)  p.  306.  —  173)  E.  Lehmann,  Lehr-  und  Lesebuch  der 
englischen  Sprache  (Bahre)  p.  307.  —  174)  Nietzsches  Gesammelte  Briefe  (E.  Neu- 
ling) p.  308.  —  Vakanzen.  —  Anzeigen. 


165)  Adolf  Bömer,   Homerische   Stndien.     (Aus  den  Abhand- 
langen der  k.  bayer.  Ak.  der  Wiss.  I.  El.   XXII.  Bd.   IL  Abt. 
S.  387 — 451).    München,  in   Kommission   des  H.  Franzschen 
Verl^  (L.  Both),  1902.     54  S.  4. 
Die  Schrift  ist  eine  Art  Fortsetzung  des  früher  hier  besprochenen 
Aufsatzes  von  A.  Bümer  „Homerische  Gestalten  und  Gestaltungen *S  auf 
den  auch  öfter  Bezug  genommen  wird.  Den  gröfsten  Teil  der  Abhandlung 
nimmt  Abschnitt  I  ein:  „Zur  Eunstbetrachtung  des  zweiten  Teiles  der 
Odyssee '^    Es  soll  darin  gezeigt  werden,  dafs  dieser  Teil  in  Komposition 
und  Kolorit,  in  Erfindung  und  —  um  einen  Lieblingsaasdruck  des  Verf. 
zu  gebrauchen  —  in  Gestaltung  in  weit  höherem  Grade  Kunstarbeit  sei, 
als  die  übrigen  Homerischen  Gesänge.    Er  Mst  diese  Ansicht  (S.  399) 
in  den  Satz<  „Die  Komposition  der  anderen  Gesänge  Homers  ist  äTtlfj^ 
die  Komposition  des  zweiten  Teiles  der  Odyssee  ist  im  schärfsten  Gegen- 
satz dazu  TtenleyiiiyriJ*^    Von  Volkspoesie  und  einem  Volksdichter  könne 
man  da  nicht  sprechen.  —  Der  Best  der  Schrift  enthält  einige  Betrach- 
tungen über  Kritik  und  Exegese  des  Textes  und  der  Schollen.  V7enn  die 


290  itene  t^bilologisohe  ftondscliaii  Nr.  lä. 


Arbeit  auch  einige  treffende  Beobachtungen  enthält,  so  kann  Bef.  in  ihr 
ebensowenig  wie  in  ihrer  Vorläuferin  einen  nennenswerten  Fortschritt  in 
der  Homerforschang  erblicken.  Eraftansdrficke  wie  „Unsinn"  (S.  408), 
„dumme  und  rohe  Interpolationen''  (S.  414),  „abscheuliche  Interpola- 
tionen und  wüste  Einschübe''  machen  die  Lektflre  nicht  erquicklicher. 
BQdmgen.  O.  Dingeldolii. 

166)  E.  HaxriBon,  Studies  in  Theognis  Ix^ether  wiih  a  text 
of  the  poems.  Cambridge ,  üniversity  Press.  London ,  J.  G 
Clay  &  Sons,  1902,    XII  u.  336  S.  8.  10  sh.  6. 

Die  gelehrte  Forschung  hat  sich  in  dem  letzten  Yierteljahrhundert 
eingehend  mit  Theognis  beschäftigt,  und  es  gibt  wohl  keine  auf  ihn  be- 
zügliche Frage,  die  nicht  behandelt  worden  wäre.  Trotzdem  konnte  eine 
Einigung  über  alle  Punkte  bis  jetzt  nicht  erzielt  werden  und  wird  vermut- 
lich auch  in  Zukunft  nicht  erzielt  werden  können ;  das  liegt  einmal  in  der 
Natur  der  Sache.  Aber  über  einen  Punkt  herrschte  unter  allen  Forschern 
Übereinstimmung,  nämlich  darüber,  dafs  die  auf  uns  gekommene  Samm- 
lung der  Theognidea  nicht  das  ursprüngliche  Werk  des  Theognis  ist,  son- 
dern ein  späteres  Erzeugnis,  das  Verse  verschiedener  älterer  Elegiker  in 
sich  vereinigt. 

Gegen  dieses,  wie  man  bisher  ghubte,  unumstCfsliche  Ergebnis  der 
Theognisforschung  läuft  jetzt  der  Verf.  der  vorliegenden  Studien  Sturm. 
Nach  ihm  dichtete  Theognis  alle  oder  doch  fast  alle  Verse,  die  jetzt  unter 
seinem  Namen  gehen;  er  teilte  sie  in  zwei  Bücher,  die  nach  Inhalt  und 
Anordnung  von  den  beiden  erhaltenen  nicht  sehr  verschieden  waren ;  daher 
hat  man  jeden  Vers,  der  in  einer  der  beiden  Sammlungen  steht,  schon 
aus  dem  Grunde,  weil  er  darin  steht,  für  theognideisch  zu  halten. 

Wer  unsere  Sammlung  der  Theognideen  genauer  kennt,  weifs,  dafs 
es  unmöglich  ist,  diese  Sätze  zu  beweisen,  und  so  konnte  es  auch  dem 
Verf.  nicht  gelingen.  Er  mufs  annehmen,  dafs  Theognis  alle  Verse  und 
Gedichte,  welche  die  Überlieferung  älteren  Dichtern  zuschreibt,  diesen 
entlehnt  habe,  um  sie  entweder  unverändert  seinen  eigenen  Dichtungen 
einzuverleiben,  oder  nachdem  er  Wortlaut  und  Sinn  mehr  oder  weniger 
abgeändert  hat,  dafs  er  ferner  in  der  gleichen  Weise  auch  Verse  von  sich 
selbst,  wo  es  ihm  gut  schien,  wiederholt  habe,  und  dafs  er  endlich  solche 
Gedichte  nebeneinander  gestellt  habe,  von  denen  das  zweite  dem  ersten 
widersprach  oder  sonst  in  irgend  einer  Weise  auf  es  antwortete.   Werden 


Nene  PhilologiBcbe  Enndschaa  Nr.  13.  291 


diese  Annahmen  irgendjemand  wahrscheinlich  oder  glaubwürdig  erscheinen? 
Und  selbst  wenn  dies  an  sich  der  Fall  sein  sollte ,  so  wird  man  sofort 
wieder  bedenklich  werden,  wenn  man  von  dem  Verf.  h(^rt,  dafs  man  trotz 
alledem  das  Gedicht  V.  903—930  als  späteres  Einschiebsel  betrachten 
mofs;  denn  man  wird  sich  sagen,  dafs  ebensogut,  wie  diese  Verse,  auch 
alle  jene  eingedrungen  sein  können,  welche  die  Alten  selbst  anderen 
Dichtem  zuschreiben,  welche  Wiederholungen  früherer  Verse,  Urteile  über 
vorhergehende  Verse  u.  s.  w.  sind.  Das  Vorhandensein  eines  Verses  in 
der  Sammlung  ist  also  keine  Gewähr  dafär,  dafs  dieser  auch  wirklich 
echt  ist. 

So  läfiit  sich  das  Hauptergebnis,  zu  dem  der  Verf.  gelangt  ist,  nicht 
aufrecht  erhalten.  Was  er  sonst  noch  in  seinen  Studien,  denen  noch  acht 
Appendices  beigegeben  sind,  vorbringt,  ist  von  untergeordneter  Bedeutung, 
grOfstenteils  nichts  Neues,  sondern  eine  oft  gelungene,  manchmal  auch 
miMungene  Besprechung  der  Ansichten  anderer.  Auch  der  Text  der 
Theognideen,  der  den  Studien  vorausgeschickt  ist,  bietet  kaum  etwas  Be- 
cahtenswertes.  /?. 

167)  Paul  Brandt»  P.  Ovidi  NasoniB  de  arte  amatoria  libri 
tres.  Leipzig,  Dieterichsche  Verlagsbuchhandlung,  Theodor  Wei- 
cher, 1902.  XXIII  u.  255  S.  8.  Ji  8.-;  geb.  Ji  10.-. 
Beinahe  binnen  Jahresfrist  istOvids  ara  amatoria,  die  einem  Aschen- 
brMel  gleich  solange  eine  unverdiente  Zurücksetzung  erfahren  hat,  in 
einem  neuen,  eigenartigen  Gewände  an  die  Öffentlichkeit  getreten. 
H.  Blümner  (vgl.  Nr.  1  S.  11  f.  ds.  Jahrgs.)  hat  sie  für  einen  gröfseren 
Leserkreis  in  gereimte  fünffüfsige  Jamben  gekleidet,  und  P.  Brandt  hat 
ihren  von  B.  Ehwald  hergestellten  Text  für  einen  engbegrenzten  Kreis 
von  Fachleuten  mit  fortlaufenden  Erläuterungen  ausgestattet.  Welchen 
Klassen  von  Lesern  Br.  mit  seiner  Ausgabe  Hilfe  zu  bringen  gedenkt, 
gibt  er  seiht  (S.  vi)  an:  „Zu  oft  tappt  der  Leser  der  Ars  im  Dunkeb: 
sei  es  nun,  dafs  er  das  Oedicht  um  seiner  selbst  willen  lesen  will,  so 
wird  er  oft  aufgehalten  durch  die  Fülle  von  Anspielungen  auf  Antiquitäten, 
Kultus,  Mythologie,  die  er  sich  erst  notdürftig  zurecht  suchen  mufs,  um 
doch  bei  sehr  vielen  Stellen  unbefriedigt  zu  bleiben,  oder  dafs  er  das 
Oedicht  benutzen  will  zu  näherer  Kenntnis  einer  kulturgeschichtlich  höchst 
interessanten  Zeit,  so  fehlt  es  auch  hier  immer  wieder  an  dem  notwendigen 
Material.''    Alle  diese  Leser  werden  dem  Verf.  Dank  dafür  wissen,  dafs 


Neu«  t^hiloiogische  bnndschau  J^r.  lä. 


er  mit  Geschick  und  Oeschmack  y,da8  Verständnis  und  vor  allem  den 
poetischen  Gennfs  des  einzig  dastehenden  Gedichtes ''  gefördert  hat.  Die 
Ausgabe  zerfUlt  in  zwei  Abteilungen:  die  erste  enthält  neben  einem  Vor- 
worte und  einer  Einleitung  den  Text  und  Kommentar,  die  zweite  (der 
Anhang)  umfafst  Zusätze  und  Ausffihrungen  zum  Kommentar  sowie  Indices 
(I.  Eigennamen,  II.  Sprachliches,  III.  Sachliches). 

In  der  Einleitung  (S.  ix~xxiii)  sucht  Br.  den  künstlerischen  Wert, 
der  Ars  gebührend  darzulegen.  —  Da  er  auf  die  Kritik  verzichtet  und 
nur  dem  Verständnisse  des  einmal  vorhandenen  Textes  förderlich  zu  sein 
sich  bestrebt,  so  schliefst  er  sich  eng  an  den  Text  der  Ehwaldschen  Aus- 
gabe an.  Die  wenigen  Abweichungen  hat  er  fast  ausschliefslich  im  An- 
hange, ganz  vereinzelt  im  Kommentare  selbst  begründet.  Seinen  Ände- 
rungen wird  man  im  allgemeinen  zustimmen  können,  etwas  bedenklich 
jedoch  erscheint  die  Abweichung  III  270.  Hier  hat  er  Blümners  Kon- 
jektur Phariae  vestis  statt  des  überlieferten  Pharii  piscis  aufgenommen 
und  versteht  darunter  die  im  Altertume  berühmte  ägyptische  Leinwand. 
Diese  Konjektur,  die  er  noch  näher  zu  begründen  sucht,  hat  viel  Be- 
stechendes, zumal  wenn  man  zugibt,  dafs  es  sich  hier  „um  die  geschickte 
Wahl  der  Toilette'' handelt  und  auch  im  vorhergehenden  Verse  (269)  unter 
„purpureis  virgis''  die  sogen,  vestes  virgatae,  buntgemusterte,  der  Länge 
nach  gestreifte  Kleider  versteht.     Allein  die  Anweisung  (V.  261/2): 

occule  mendas, 
Quaque  potes,  Vitium  corporis  abde  tui! 
scheint  in  V.  269  sowohl  wie  in  V.  270  mehr  die  Erwähnung  einer  Schminke 
zu  verlangen  und  einen  so  gewaltsamen  Eingriff  in  die  Überlieferung 
unnötig  zu  machen.  Würde  nicht  eine  Schöne  mit  zu  schwarzer  Haut 
gerade  durch  ein  Gewand  aus  Linnen  vom  Ägypterland  ihren  Schönheits- 
fehler nur  noch  mehr  hervortreten  lassen?  —  Lib.  I  544  lies  iubas 
st.  inbas. 

Jedes  der  drei  Bücher  wird  durch  einen  kurzen  „Inhalt^'  eröfhet, 
der  dann  innerhalb  des  Kommentars  etwas  ausführlicher  wiederkehrt.  Der 
Kommentar  selbst  bietet  alles,  was  zur  Erläuterung  der  einzelnen  Verse 
erforderlich  und  zweckdienlich  sein  kann,  in  der  ergiebigsten  Weise.  Die 
wesentlichsten  Zitate  sind  möglichst  vollständig  ausgeschrieben,  gute  Ver- 
deutschungen aus  den  bekannten  Übersetzern  angefahrt,  einzelne  Paral- 
lelen auch  aus  unseren  deutschen  Dichtem  zum  Vergleiche  herangezogen. 
Zu  III  321  könnte  auch  auf  Horand  hingewiesen  sein,  von  dem  es  in  der 


Nene  Philologiaohe  RnodBohaa  Nr.  18. 


Oudran  am  Anfiinge  des  sechsten  Abenteuers  (Strophe  372  bei  H.  A. 
Junghans)  heilst: 

„vom  Dänenlande  der  kfihne  Degen  sang 
Mit  so  schtoer  Stimme,  dafs  es  wohl  geMen 
Mauste  aUen  Leuten.  Davon  schwieg  selbst  der  holden  YOglein  Schallen/' 
Selbst  mit  solchen  Stellen,  die  der  Erklärung  nicht  unerhebliche  Schwierig- 
keiten  verursachen,  weifs  sich  der  Verf.  ganz  geschickt  abzufinden.  So 
vermutete  er  I  405  f.,  teilweise  wohl  auch  im  Anschlüsse  an  Blfimner, 
dals  an  dem  ersten  April,  dem  Festtage  der  Venus  Yerticordia  und  der 
Fortuna  Virilis,  die  Geliebten  von  ihren  Verehrern  Geschenke  empfingen, 
und  sucht  aus  V.  407  u.  408  zu  folgern,  „dafs  zur  Zeit  der  Satumalien 
und  vor  dem  Neujahrstage  im  Zirkus  eine  Art  Messe  oder  Jahrmarkt 
stattfand,  wo  die  zu  Geschenken  dienenden  Sachen,  zum  Teil  kostbarster 
Art  (regum  opes)  ausgestellt  waren  (poBita8)'^  Es  ist  demnach  ffir  den 
Liebhaber  der  Neujahrstag  wegen  der  damit  verbundenen  kostspieligen 
Geschenke  der  eigentliche  dies  ater,  nicht  der  (früher  liegende)  Tag,  an 
dem  sigillaria,  an  diese  denkt  der  Verf.  bei  'sigillis'  V.  407,  kleine  Fi- 
guren und  Puppen  aus  Ton,  geschenkt  wurden.  —  III  327  zu  genialia 
mufs  es  si  „fr(^hlich,  heiter''  wohl  genauer  „erfreuend,  erheiternd"  heifsen, 
und  III  332  ist  vielleicht  weniger  auf  Menander  als  auf  Terenz  hin- 
gedeutet, in  dessen  Phormio  bekanntlich  die  beiden  Greise  Demipho  und 
Ghremes  von  dem  Sklaven  (}eta  hintei^angen  werden. 

Im  ganzen  ist  der  gesamte  Stoff,  der  ffir  die  Erklärung  zusammen- 
getragen ist,  sorgftltig  verarbeitet  und  mit  Besonnenheit  geordnet  Ffir 
eine  Neuauflage  jodoch  dflrfte  es  sich  empfehlen,  den  ganzen  Kommentar 
nochmals  gehörig  zu  sichten  und  dann  nur  das  zum  Verständnisse  Alier- 
notwendigste  unter  dem  Texte  zu  belassen,  alles  fibrige  aber  in  den  An- 
hang zu  verweisen.  Jeder  Leser  wird  es  mit  Freuden  begrfifsen,  wenn 
er,  um  das  Nötigste  herauszufinden,  sich  nicht  immer  erst  durch  so  um- 
fangreiche Anmerkungen  hindurchzuarbeiten  braucht. 

Das  Buch  als  Ganzes  stellt  sich  als  eine  recht  anerkennenswerte  Lei- 
stung dar  und  enthält  soviele  Vorzüge,  dafs  vereinzelte  Schwächen, 
manche  kleine  Unebenheiten  im  Stil  und  Ausdruck  u.  dgl  gar  nicht  ins 
Gewicht  fallen.  Es  wird  ohne  Zweifel  nicht  nur  bei  den  Leipziger 
Freunden,  denen  es  der  Verf.  gewidmet  hat,  sondern  auch  bei  allen  den  Lesern, 
far  die  es  hauptsächlich  bestimmt  ist,  die  freundlichste  Aufnahme  finden. 

Wilhelmshaven.  O.  SohUw. 


294  Nene  Philologische  Bnndichau  Nr.  13. 

168)  William  Alezander  Eekels,  ""'Qoxe  as  an  index  of  style 
in  ihe  orators.  Baltimore,  John  Murphy  Company,  1901. 
83  S.  8. 

Die  Aufgabe,  die  der  Verf.  dieser  Inauguraldissertation  der  John 
Hopkins  Universität  sich  gesetzt  hat,  besteht  in  einer  Untersuchung  des 
Gebrauchs  von  &ate  bei  den  attischen  Rednern.  Sie  ist  insofern  eine 
doppelte,  als  sie  sich  nicht  auf  die  syntaktisch-statistische  Seite  beschränkt, 
sondern  ihr  Hauptaugenmerk  der  Prflfung  der  Frage  zuwendet,  ob  etwa 
der  dkrre-Satz  und  die  verschiedenen  syntaktischen  und  sonstigen  Erschei- 
nungen, die  er  darbietet,  rhetorischen  Zwecken  dienen.  Eine  diesbezüg- 
liche Arbeit  hatte  schon  1896  Wendelin  Berdolt  in  seiner  zu  Erlangen 
erschienenen  Wflrzburger  Inauguraldissertation  „Der  Folgesatz  bei  Plato 
u.  s.  w.''  in  Aussicht  gestellt.  Dafs  diese  unterblieb,  ist  um  so  bedauer- 
licher, als  Berdolt  im  Vergleich  zu  seinen  Vorgängern  in  der  Behandlung 
dieser  Materie  —  ich  habe  in  erster  Linie  die  grundlegende  Göttinger 
Inauguraldissertation  von  Hermannus  Seume,  De  sententiis  consecutivis 
Graecis,  1883,  im  Auge,  sodann  die  Dissertationen  von  M.  Fellmann  1883 
und  M.  Wehmann  1891,  deren  erstere  den  Gebrauch  dieser  Satzart  hei 
den  Tragikern,  letztere  den  bei  den  Historikern  (Herodot,  Thukydides,  Xeno- 
phon)  behandelt,  schliefslich  den  Aufsatz  des  in  allen  Zweigen  der  philo- 
logischen Wissenschaft  aufserordentlich  rührigen  B.  Gildersleve  (in  Amer. 
Joum.  of  Phil.  VII,  161  flf.)  —  in  seiner  verdienstvollen  Arbeit  den  Gegen- 
stand nicht  nur  eingehender  und  anregender  zu  erörtern,  sondern  dem- 
selben auch  neue  ungemein  fruchtbare  Seiten  in  gröfserem  Umfange 
abzugewinnen  gewufst  hat  (vgl.  Gildersleve  ebendort  XIV,  240  ff.).  Doch 
hat  Eckeis  augenscheinlich,  wenigstens  bei  Behandlung  der  Modi  und 
Eorrelativa,  die  von  Berdolt  eingeschlagene  Methode  sich  zum  Vorbilde 
genommen.  Die  wissenschaftlich  wertlose  Sammlung  von  Thukydidesstellen 
von  Wilde  wird  mit  Becht  nirgends  erwähnt.  Auch  die  von  Bertold  so 
reichhaltig  angefahrte  Literatur  zu  Herodot  (S.  20)  scheidet  hier  aus  und 
bleibt  aufser  Betracht. 

Angesichts  der  zurzeit  so  gearteten  Sachlage,  dafs  die  Redner  allein 
auf  dem  Gebiete  statistischer  Durchforschung  des  <Sar€- Satzes  keine  alle 
Erscheinungen  desselben  umfassende  Bearbeitung  gefunden  hatten  —  die 
wenigstens  teilweise  hier  einschlägige  Würzburger  Inauguraldissertation 
des  Schweizers  Paul  Dessoulavy  „Grammatisch -stilistische  Beobachtungen 
über  eine  Redensart  u.  s.  w.''  scheint,  wohl  infolge  ihres  seltsamen  Titels, 


X 


Nene  Philologische  BnndBchau  Nr.  13.  296 

allen  entgangen  zn  sein  —  mflfste  die  endlich  einmal  erfolgte  AusfBllnng 
dieser  „klaffenden  Lfioke'S  wie  sie  Berdolt  in  seinem  Vorworte  nennt, 
selbst  wenn  sich  die  vorliegende  Untersnchong  in  dem  engen  Bahmen 
der  Statistik  bewegte,  willkommen  geheifsen  werden.  Allerdings  darf  dabei 
nicht  verschwiegen  werden,  dafs  anch  schon  Seume  seine  meisten  Beispiele 
ans  den  Bednem  hergeholt  nnd,  wie  aus  dem  Satze  „qui  artissima  sen- 
tentiarnm  per  particulam  ßate  conianctione,  in  qna  magna  est  vis 
oratoria,  creberrime  utuntnr^'  znr  Genflge  hervorgeht,  an  die  Verwend- 
barkeit des  dkrrs- Satzes  zn  rhetorischen  Zwecken  geglaubt  hat.  Nicht 
weniger  unumwunden  hat  dem  gleichen  Gedanken  Gildersleve  Ausdruck 
geliehen  mit  den  Worten  „it  is  safe  to  speak  of  stylistic  effect  withen 
the  ränge  of  Scrre'^  Eben  dieser  besonderen  stilistischen  Verwendung  der 
Konstruktion  gelten  die  weiteren  Bemflhungen  des  Verf.,  oder  vielmehr 
ihre  Klarstellung  läfst  sich  als  die  Hauptaufgabe  bezeichnen,  welche  er 
durch  diese  Abhandlung  zu  lOsen  versucht. 

Dafs,  will  man  überhaupt  mit  solchen  Studien  ein  wirklich  stich- 
haltiges Besultat  erzielen,  die  rhetorischen  Erzeugnisse  der  Kunstprosa, 
vor  allem  auch  die  bei  den  Nichtrednern,  vornehmlich  den  Historikern,  sich 
findenden  gr(^fseren  Beden  zu  gründe  zu  legen  sind,  sollte  sich  doch  wohl, 
dächte  ich,  von  selbst  verstehen.  Meines  Erachtens  schlägt  daher  Eckeis 
hier  gleich  von  vornherein  einen  nicht  ganz  einwandfireien  Gang  der  Unter- 
suchung ein.  Er  stellt  nämlich  zu  diesem  Behufe  zunächst  eine  Tabelle  auf, 
in  welcher  die  Frequenz  von  ßare  bei  den  sieben  ersten  Bednem  des  Kanons 
(Antiphon,  Andokides,  Lysias,  Isokrates,  Isäus,  Demosthenes,  Äschines) 
jener  bei  den  vier  wichtigsten  anderen  Prosaklassikem  (Herodot,  Thuky- 
dides,  Plato,  Xenophon)  schlechthin  proportional  nach  Teubnerschen  Text- 
seiten gegenflbergestellt  wird.  Da  springt  denn  freilich  sofort  die  weit 
überwiegende  Häufigkeit  des  Vorkommens  von  &ai;e  bei  den  Bednern  in 
die  Augen.  Denn  von  Xenophon  abgesehen  werden  die  drei  anderen 
Prosaisten  sogar  von  dem  niedrigststehenden  der  Bedner,  nämlich  Anti- 
phon, noch  fibertroffen.  Aber  wie  sollte  es  denn  auch  anders  sein?  Oder 
vermeinte  Eckeis  mit  diesem  Besultate  irgendjemand  etwas  Neues  oder 
Überraschendes  bieten  zu  können?  Parturiunt  montes.  Also  dürfte  eine 
solche  auf  blofsen  Ziffern  fufsende  Beweisführung,  um  ffir  die  Beurteilung  des 
Stils^der  Autoren  schiefslich  zu  einem  negativen  Ergebnis  zu  führen,  ver- 
dientermafsen  wenig  oder  richtiger  gar  keinen  Anklang  finden.  Hatte  ja  doch 
bereits  Berdolt  in  dem  Abschnitte  über  die  „Frequenz  des  Konsekutiv- 


396  Nene  Philologische  Rnndschan  Nr.  13. 


Satzes"  gezeigt,  dars  die  FreqaeDzunterschiede  in  den  einzelnen  Schriften 
Piatos  ganz  erhebliche  sind.  So  hätten  gewifs  auch  zwischen  den  geschichtlich 
erzählenden  und  den  rednerischen  Partieen  des  Werkes  desselben  Historikers 
angestellte  Vergleiche  interessantere  und  besser  verwertbare  Besultate  ge- 
zeitigt. Jedenfalls  wäre  es  ein  verhängnisvoller  Trngschlufs,  wollte  man 
aus  der  chronologisch  angelegten  Tabelle  und  dem  im  ganzen  eine  regel- 
mäfsige  Zu-  und  Abnahme  zeigenden  Zififerbild  28 :  36  :  95  :  100 :  69j  46  :  30 
eine  sich  mehr  und  mehr  entwickelnde  Sorgfalt  in  der  künstlerischen  Be- 
handlung der  Bede  und  ein  dadurch  bedingtes  Emporblühen  der  Sprache 
bis  zu  Isokrates  als  dem  das  Stadium  der  Beife  bezeichnenden  Höhepunkte 
und  einen  von  da  ab  wieder  eintretenden  Verfall  ablesen ;  es  würden  ja  in 
diesem  Falle  die  gefeierten  Werke,  die  den  Namen  des  Demosthenes  und 
Äschines  tragen,  einen  gewaltigen  Bückschritt  bedeuten,  ganz  abgesehen 
von  dem  Bedenken,  das  schon  darin  läge,  dafs  die  Vertreter  zweier  ganz 
verschiedener  Stilgattungen,  nämlich  Isokrates,  das  Muster  des  überladenen 
(„fiorid")  Stils,  und  Lysias,  der  Hauptrepräsentant  des  genus  tenue,  in 
der  häufigen  Verwendung  dieser  Konjunktion  sich  so  nähern,  dafs  man 
nahezu  von  einer  völligen  Übereinstimmung  sprechen  kann,  und  dafis  oben- 
drein die  Vergleichung  zweier  demselben  Verfasser,  aber  verschiedenen 
Stilgattungen  angehörender  Beden  ebenfalls  mit  negativem  Besultate  ab- 
sehlielBi  Und  so  läfst  sich  denn  auch  das  Besultat  der  Untersuchungen 
Eckeis  nach  dieser  Seite  dahin  zusammenfassen,  dafs  die  Häufigkeit  des 
Vorkommens  der  Konjunktion  im  allgemeinen  als  charakteristisches  Merk- 
mal des  Stils  nicht  erachtet  werden  kann,  ja  dafs  nicht  einmal  dem  Ge- 
brauche der  Modi  in  dieser  Hinsicht  ein  irgendwie  beIangreiches[]^Qewicht 
beigemessen  werden  darf.  Einem  Satze  indes,  den  Eckeis  aus  dem  Bilde 
dieser  Frequenztabelle  ableiten  zu  können  glaubt,  möchte  «ich,  allerdingB 
nur  im  eingeschränktesten  Wortverstande,  beipflichten.  Es  scheint  näm- 
lich bei  den  auf  Lysias  und  Isokrates  zeitlich  folgenden  Bednern  sich  eine 
gewisse  Beaktion  gegen  den  fast  bis  zur  Manieriertheit  entarteten  aus- 
gedehnten Gebrauch  von  öiave  geltend  gemacht  zu  haben.  Die  Anfänge 
dieses  Bflckschlags  will  der  Verf.  schon  in  den  letzten  Werken  des  Iso- 
krates erkennen  und  bringt  dafür  Belege,  die  aber,  da  sich  diese  Erschei- 
nung auch  noch  anders  erklären  läfst,  zu  einer  unumstöfslichen  Begründung 
sich  unzureichend  erweisen. 

Lälst  nun  auch  die  Frequenz  der  Konjunktion  an  sich  keinen  Bfick- 
schlufs  auf  die  Verschiedenheit  des  Stils  zu,  so  spiegelt  sich  letztere  nach 


\ 


Nene  Philolog^he  ftandschan  Nr.  IB.  2d? 

der  Behauptung  des  Verf.  um  so  deutlicher  in  der  Setzung  oder  dem 
Mangel  von  Korrelativen  zu  äave,  deren  Phänomene  in  ihrem  Werte  daher 
nicht  miteisch&tzt  werden  dfirften.  Dies  versucht  er  zunächst  im  all- 
gemeinen zu  begrfinden,  dann  in  Bezug  auf  die  Bedner  im  einzeben 
nachzuweisen.  Den  Ausgangs-  und  Angelpunkt  bildet  ihm  der  gewiia 
richtige  Satz  Gildersleves  von  der  auf  den  respondierenden  Konelativen 
beruhenden  Folgerichtigkeit  („consequentiality*^),  die  als  erster  bei  seiner 
Untersuchung  praktisch  verwertet  zu  haben  Berdolt  sich  rfihmen  darf. 
Während  aber  dieser  seine  Urteile  nach  den  Grundsätzen  der  Vernunft 
abwägt  und  so  mit  den  unerlälslich  zu  stellenden  wissenschaftlichen  An- 
fordemngen  in  EinUang  bringt  und  dadurch  seiner  bahnbrechenden 
Arbeit  gern  gezollten  Beifall  und  Anerkennung  erzwii^  stellt  sich  Eckeis 
auch  hier  wieder  vorzugsweise  auf  den  statistischen  Standpunkt.  Durch 
eine  zweite  Tabelle  veranschaulicht  er  das  Zahlenverhältnis  des  Gebrauchs 
von  korrektivem  und  nichtkorrelativem  ßarey  indem  er  hier  die  nämlichen 
sieben  Bedner  den  Tragikern  (st.  Äschylus  heifst  es  irrig  Äschines!) 
Herodot,  Thukydides,  Aristophanes  und  Plato  gegenüberstellt  Daraus 
erhellt,  dafs  einerseits  nur  bei  Isokrates,  Demosthenes  und  Äschines  der 
korrelative  Gebrauch  den  nichtkorrelativen  überragt,  während  sich  bei  den 
übrigen  Bednern  und  bei  Herodot  beide  Phänomene  umgekehrt  verhalten, 
jedoch  so ,  dafs  selbst  die  extremsten  Verhältnisse  (2,  21 : 1  bei  Isokrates 
und  1 : 2,  73  bei  Antiphon)  nur  mäfsig  differieren,  dafs  dagegen  anderseits 
bei  den  attischen  NichtredDern  sich  das  Verhältnis  sehr  zu  Ungunsten  der 
Korrelation  gestaltet  (Plato  1:3,  9,  Euripides  1 : 4,  5,  Sophokles  1 : 6, 
Äschylus  1:6  und  gar  erat  Aristophanes  1:10  und  Thukydides  1:11). 
Das  namentlich  bei  Herodot  so  beliebte  verwachsene  („coalesced")  oBT(og 
äaT€y  das  Berdolt  ausgeschieden  hat,  dürfte  dabei  wohl  mitgerechnet  sein. 
Wenigstens  sagt  Eckeis  S.  12:  „I  inclined,  on  the  whole,  to  dass  itO." 
Wie  nun  in  beiden  Tabellen  Isokrates  zugleich  als  H(^he-  und  Mittel- 
punkt erscheint,  so  hat  ihn  Eckeis  auch  zum  Angelpunkt  seiner  Abhand- 
lung gemacht,  weil  diesen  Bedner  neben  seinem  peinlichen  Streben  nach 
technischer  Vollendung  auch  Erwägungen  praktischer  Art  hierzu  am  ge- 
eignetsten erscheinen  liefsen  (vgl.  S.  12).  Dies  geschieht  nun  in  der  Weise, 
dafs  der  Gebrauch  von  Gotb  bei  Isokrates  zunächst  mit  jenem  der  anderen 
Bedner,  dann  hinsichtlich  der  verschiedenen  Stilgattungen,  deren  fünf 
unterschieden  werden:  die  epideiktische,  die  philosophische,  die  politische, 
die  gerichtliche  und  die  ermahnende,  ferner  innerhalb  verschiedener  Beden 


2Öä  iiea«  Phiiologiseiie  ttnndscilaa  iTr.  lä: 

derselben  Gattung  nnd  schliefslich  nach  den  Terschiedenen  Teilen  ein  und 
derselben  Bede  verglicben  und  des  näheren  erOrtert  wird.  Es  wfirde  hier 
zu  weit  ffihren,  wollte  ich  alle  dabei  gemachten  feinen  Einzelbeobachtungen, 
die  teils  den  Folgesatz  als  solchen  und  seine  Modi,  teils  die  Korrelatiya  zu 
äarey  beziehungsweise  die  Unterlassung  der  Korrelation,  teils  auch  die 
Ersatzmittel  dieser  Wechselbeziehungen  angehen,  reproduzierend  vorfQhren. 
Sie  verdienen  volle  und  ungeteilte  Anerkennung,  obzwar  manche  derselben, 
z.  B.  die  in  der  Fufsnote  S.  15  als  bemerkenswert  hervorgehobene  Erschei- 
nung, sich  schon  aus  Dessoulavy  ersehen  lassen.  Gegenflber  Fuhr  gestatte 
ich  mir  hier  noch  anzumerken,  dafs  die  Formel  eig  to^to  fjMiv  bei  Isaios 
aufser  1,  2  —  einzig  diese  Stelle  kann  er  im  Auge  haben  —  auch  4,  24 
und  6,  43  vorkommt,  aufserdem  noch  üg  roCvo  dipvyiiivoi  daiv  3,  60 
u.  dg  Tofhro  fil&ov  6,  39,  ferner  bei  Demosthenes  dg  toüto  ^auv  4,  27; 
18,  22;  19,  72;  36,  46  u.  48;  45,  73;  dg  ToaoüTO  ngoi^ytsiv  51,  19 
u.  13  synonyme  Ausdrucke,  bei  Pseudo- Demosthenes  dg  toCto  ^miv 
12,  20;  17,  12;  25,  49;  40,  28  u.  49;  52,  28;  56,  3  u.  11  analoge 
Wendungen, 

Was  dagegen  den  Versuch  der  Verwertung  der  Frequenz  des  korre- 
lativen Sarc-Satzes  als  Gradmesser  stilistischer  Bedekunst  anlangt,  so  ist 
derselbe  meines  Erachtens  nicht  gelungen  und  auf  diese  schablonenhafte 
Weise  überhaupt  nicht  einer  gedeihlichen  Lösung  zuzuführen.  Um  hier 
zu  einem  positiven  Ergebnis  zu  kommen,  müfsten  aufser  Echtheit  und 
ünechtheit  noch  so  viele  andere  Gesichtspunkte  in  Betracht  gezogen  wer- 
den, dafs  schliefslich  die  Frequenz  resp.  das  Verhältnis  zwischen  korrela- 
tiven und  nichtkorrelativen  Folgesätzen,  in  der  Kette  der  Beweisführung 
überhaupt  keine  ausschlaggebende  Bolle  mehr  spielt,  also  auch  kein  rich- 
tiges Bild  zu  liefern  vermag.  Dies  tut  es  nur  insofern,  als  mit  derEnt- 
Wickelung  der  Sprache,  wie  die  Periodenbildung  im  allgemeinen,  so 
auch  die  im  Folgesatze  zunimmt,  was  aber  heutzutage  keines  weiteren 
Beweises  mehr  bedarf,  sondern  für  die  meisten  Satzarten  schon  bis  zur 
Evidenz  nachgewiesen  worden  ist  und  erforderlichenfalls  leicht  belegt 
werden  kann.  Was  aber  soll  und  kann  denn  eigentlich  gegenüber  den 
zahllosen  Mitteln,  wie  sie  dem  theoretisch  geschulten  und  praktisch  ge- 
übten Bedner  zwecks  Erzielung  von  Effekten  zu  Gebote  stehen,  eine  so 
gewissermafsen  natürliche  Einzelerscheinung  besagen?  Zur  Ermöglichung 
eines  annähernd  richtigen  ürteilsergebnisses  müfsten  doch  wohl  zum  min- 
desten auch  alle  anderen  korrelativen  Perioden  in  Berücksichtigung  ge- 


\ 


Nene  Philologische  Rnndsohaa  Nr.  13.  299 


zogen  werden,  dienen  sie  doch  ihrerseite  gleichfalls  der  neQißoXilj  im  Gegen- 
satze zur  li§ig  d(fOfiivfiy  und  zwar  sind  sie  in  einem  noch  viel  hSheren 
Grade  dazu  geeigenschaftet,  insofern  ja  bei  ihnen  durch  die  Satzstellung 
aA,  die  Xenophon  sogar  bei  den  Sätzen  mit  S(og  nni^eate  hat,  oftmals 
ein  „interiectional  effect*',  eine  „surprise*^  in  einer  Weise  erreicht  werden 
kann,  wie  sie  dem  in  die  Stellnng  A  a  gebannten  konehtiven  Serrs- Satze 
versi^  ist.  Nach  disser  Seite  eine  umfassende  Prfifung  anzustellen,  dfirfte 
nicht  nur  interessant,  sondern  auch  lohnender  sein,  und  fOr  eine  solche 
wäre  der  zweite  Teil  vorliegender  Untersuchung  eine  nicht  zu  verachtende 
Yorarbeii 

Eine  andere  Achillesferse  haftet  ferner  der  Arbeit  dadurch  an,  dafs 
sie,  indem  sie  Isokrates  zu  ihrem  Alpha  und  Omega  macht,  einen  wesent- 
lichen Gesichtspunkt  aulser  acht  lassen  mufs.  Gerade  von  diesem  Badner 
heifst  es  bei  Cicero  (Brut  8)  „luce  forensi  caruit  et  intra  parietes  alnit 
eam  gloriam^^  Seine  Werke  sind  daher  neben  den  Erzeugnissen  eines 
Isftus,  Demosthenes,  Äschines  u.  a.  gewissermafsen  mehr  als  Aufsätze 
denn  als  Beden  zu  beurteilen.  Oder  sollte  Eckeis  wirklich  so  blind  auf 
den  Buchstaben  des  von  ihm  am  Ende  seiner  SchluTsbemerkungen  zitierten 
Satzes  des  übrigens  von  anderen  Leuten,  die  auch  etwas  von  der  Sache 
verstehen,  durchaus  nicht  für  unfehlbar  gehaltenen  Meisters  Blafs  schwören, 
dafs  ihm  etwa  der  §  27  der  Bede  neffi  toC  ^eiiyovg  mit  seinem,  man 
halte  mir  den  Ausdruck  zu  gute,  Überstil  der  Kulminationspunkt  stilistischer 
Kunst  dfinkt?  Dann  allerdings  hat  Isokrates  als  attischer  Überredner 
zu  gelten. 

Der  Druck  ist  recht  sauber.  Aufser  dem  bereits  oben  verbesserten 
Fehler  (S.  11  Z.  23)  habe  ich  nur  noch  in  der  Stelle  adv.  Euth.  6  (S.  11) 
Druckversehen  bemerkt,  hier  allerdings  gleich  drei. 

München.  Ph.  Wobw* 

169)  Beitrage  zur  klaBdsehen  Phflologie,  Alfred  Schöne 
dargebracht.  Kiel,  Bobert  C!ordes,  1903.  42  S.  8.  Jf  1.50. 
Dem  von  der  Christian-Albrechts-Üniversität  zu  Kiel  scheidenden 
Vertreter  der  klassischen  Altertumswissenschaft,  Prof.  Schöne,  haben 
einige  seiner  Schüler  als  Zeichen  ihrer  Dankbarkeit  eine  würdige  Gabe 
dargebracht  Die  Schrift  enthält  vier  Abhandlungen,  deren  erste,  „De 
Cicerone  et  Torquato  Epicureo^'  betitelt,  von  Joseph  Kaussen 
verfa&t  ist:  dieser  behandelt  das  persönliche  Verhältnis  zwischen  Cicero 


300  Nene  PhilologiBche  Kondscban  Nr.  18. 

und  dem  jungen  Torquatos  (de  fin.  I—- II),  den  die  foszinierende  Macht 
der  Persönlichkeit  Epikurs  zu  einem  Fanatiker  des  Epikureismus  gemacht 
hat.  An  seinem  fQr  diese  Weltanschauung  entschiedenen  Willen  prallen 
alle  rhetorischen  und  dialektischen  Efinste  des  Siteren  Freundes  ab.  Er 
ist  als  blinder  Anhänger  dieses  philosophischen  Systems  fQr  YernunftgrQnde, 
fttr  wahre  Aufklärung  und  bessere  Belehrung  nicht  mehr  zugänglich.  Die 
Darstellung  ist  einfach  und  fibersichtlich  und  hebt  mit  geschickter  Hin- 
weisung auf  das  psychologische  und  persönliche  Moment  die  Hauptpunkte 
der  Giceronianischen  Technik  klar  hervor.  Es  wäre  eine  lohnende  Aufgabe, 
auch  den  anderen  in  Giceros  philosophischen  Schriften  auftretenden  Epi- 
kureer C.  Velleius  einer  besonderen  Betrachtung  zu  unterziehen.  Vielleicht 
entschliefst  sich  der  Verf.,  der  uns  hierffir  wohlvorbereitet  erscheint,  dazu, 
dies  bei  Oelegenheit  nachzuholen.  (Druckfehler  S.  5:  illo  philosophia 
statt  illa.) 

Alle  fibrigen  Aufsätze  haben  den  Herausgeber  der  Schrift  Gustav 
WOrpel  zum  Verfasser.  Zunächst  gibt  er  einige  Einzelbemerkungen  zu 
Juvenal  VH,  40  ff.  Mit  Becht  lehnt  er  Jessens  Änderung  von  partas  in 
poreas  ab  und  erklärt  V.  41  lange,  das  bislang  als  gleichbedeutend  mit 
diu  aufge&fst  wurde,  in  lokalem  Sinne.  Eine  bekannte  cruz  philologica 
bildet  der  Eigenname  Macula,  dem  Altertum  wie  Jetztzeit  ratlos  gegen- 
flberstanden.  Wörpel  zeigt  in  überzeugender  Weise,  dals  sich  jede  Ände- 
rung der  bestb^laubigten  Lesung  verbiete  und  dafs  die  Entscheidung  fiber 
den  richtigen  Sinn  der  Stelle  lediglich  von  der  Etymologie  dieses  Wortes 
abhänge.  Das  Resultat,  zu  dem  er  auf  Grund  eines  reichen  sprachlichen 
Materials  gelangt,  ist,  dafs  Maculo  eine  vox  barbara  in  klassischem  Kostüm 
ist  und  mit  dem  hebräischen  mahlon  zu  kombinieren  ist.  Damit  sind  in 
sehr  scharfidnniger  Weise  alle  Schwierigkeiten  gelöst  und  die  behandelten 
Verse  in  ein  völlig  neues  Licht  gerückt. 

Höchst  interessant  sind  die  nun  folgenden  Ausführungen  über  die  Deu- 
teroskopie bei  Homer.  Der  Verf.  bringt  den  Nachweis,  dafs  es  sich  in 
der  TheoUymenos-  (v.  345  ff.)  und  Xanthos- Episode  (T.  404  ff.)  um  die 
Vision  des  secand  sigkt  handele,  dafs  mithin  die  Kenntnis  der  ekstatischen 
Mantik  dem  Dichter  zuzusprechen  sei,  was  von  Lobeck  und  Bhode  be- 
stritten wird. 

Der  letzte  Aufsatz  ist  dem  pseudovergilischen  Gedicht  Giris  gewidmet, 
das  in  neuester  Zeit  durch  Skutsch  Buch  „Aus  Vergils  Frflhzeit*'  den 
Gelehrten  ergiebigen  Stoff  zu  Kontroversen  geliefert  hat.    Aufser  text- 


\ 


Nene  PbUologiMhe  BondMliM  Nr.  18.  8(A 

kitischen  und  exegetischen  ErSrteruDgen  gibt  WOrpel  einige  wertroUe 
BeitrSge  zur  Kenntnis  der  änfseren  Lebensomstftnde  nnd  des  poetischen 
Charakters  des  Verf.  Eine  genaue  Yei^leichnng  zwischen  Ovid  Mei  YIII 
nnd  der  Giris  gibt  eine  Handhabe  znr  chronologischen  Fixierung  der  letz- 
teren; denn  der  Cirisdichter  setzt  die  Ovidische  Schilderung  von  Scylhis 
Verwandlung  als  bekannt  voraus  und  beabsichtigt  nur,  ein  Supplement 
zu  dieser  zu  liefern. 

Das  angezeigte  Bfichlein,  das  ein  so  schOnes  Zeugnis  ablegt  fBr  die 
piet&tvolle  Gesinnung  der  Verfasser  gegenüber  ihrem  scheidenden  Lehrer 
verdient  Beachtung.  B. 


170)  Henri  Franootte,  Fomation  des  vUIm,  des  Atats,  des 
oonfMAratioiui  et  des  lignes  dans  la  Gzftce  ancieime. 

Paris,  &nile  Bouillon,  1901.  66  S.  8. 
Der  Verf.,  der  durch  sein  Werk  L'Indushrie  dans  la  Orece  ancienne 
in  den  Kreisen  der  fachgenossen  vorteilhaft  bekannt  ist,  macht  in  der 
vorliegenden  Abhandlung,  welche  zuerst  in  den  Bulletins  der  königlich 
belgischen  Akademie  erschien,  den  ansprechenden  Versuch,  zu  einer  An- 
sicht Aber  die  Bildung  des  griechischen  Staats  zu  kommen,  liefert  also, 
wie  er  selbst  betont,  einen  Beitrag  zu  dem  griechischen  Staatsrecht  der 
Zukunft  Bei  aller  Anerkennung  fOr  seine  Intention  wird  man  aber  dodi 
gegen  seine  Aufstellungen  einige  Bedenken  äufsein  müssen.  F.  selbst 
spricht  davon,  dals  er  sich  von  der  induktiven  Methode  leiten  lasse;  nicht 
ganz  im  Einklang  damit  steht,  dals  er  von  einigen  Voraussetzungen  aus- 
geht, welche  er  als  gegeben  betrachtet,  die  aber  fraglicher  Natur  sind. 
Eine  der  wichtigsten  davon  ist,  dats  die  Griechen  bei  dem  Einrficken  in 
ihr  Land  in  noHons  geteilt  waren,  die  wieder  in  peuplades  zerfielen  —  es 
ist  schwer,  einen  entsprechenden  deutschen  Ausdruck  dafar  einzusetzen. 
Es  ist  richtig,  dab  E.  Meyer  eine  ähnliche  Ansicht  aufstellt,  wah- 
rend Beloch  eine  gegenteilige  nnd  durchaus  nicht  unverftchtliche  An- 
schauung vertritt.  Was  wir  von  der  Geschichte  der  griechischen  Stamm- 
bildung, speziell  in  Eleinasien,  wissen,  spricht  nicht  für  F.s  Ansicht,  viel- 
mehr erscheint  unter  den  griechischen  Stämmen  von  An&ng  an  nur  der 
dorische  als  geschlossene  Einheit  Auch  die  weitere  Ansicht,  dafs  die 
Gliederung  in  Phylen,  Phratrien  und  Geschlechter  ursprünglich  und  dafs 
sie  überall  vorgekonunen  sei,  ist  nicht  richtig;  ich  weise  darauf  hin,  dafs 


Nene  Fhilologisehe  Bnndsohaa  Nr.  13. 


Szanto,  der  in  einer  zu  gleicher  Zeit  mit  F.s  Schrift  erachienenen  Ab- 
handlung „Die  griechischen  Phylen^^  (Sitzungsberichte  der  Wiener  Aka- 
demie, phiL-hist.  Klasse,  Bd.  144)  ähnlichen  Problemen  nachging,  sie 
aber  unstreitig  viel  tiefer  gefafst  hat,  nachwies,  dafs  die  Teilung  in 
Phylen  durchaus  nicht  fiberall  in  Griechenland  anzutreffen  ist.  Ander- 
seits ist  auch  das  yhoq  in  seiner  charakteristischen  Besonderheit  als  Adels- 
verband  unzweifelhaft  erst  ein  Produkt  des  griechischen  Mittelalters,  darin 
ist  E.  Meyer  vollstftndig  beizustimmen. 

Als  die  mafsgebende  Form  ffir  die  Entstehung  eines  Staats  erscheint 
F.  der  Synoikismos,  was  auch  wieder  fraglich  ist,  wenn  man  nicht 
unter  „Synoikismos^'  einfach  den  Voigang  verstehen  will,  dals  mehrere 
offene  Niederlassungen  mit  einem  Mauerring  umgeben  und  dadurch  zur 
Stadt  wurden.  Dagegen  ist  zuzugeben,  dafs  die  Analyse  der  verschiedenen 
Formen  des  Synoikismos  nach  den  historischen  Beispielen  durch  den  Verf. 
gut  durchgeführt  ist,  was  auch  von  deren  relativer  Altersbestimmung  gilt. 
Die  darauf  folgende  Untersuchung  fiber  das  Verhältnis  der  gentilizischen 
Verbände  zum  Staat  leidet  an  dem  schon  berührten  Mangel,  dafs  was 
eigentlich  nur  für  den  dorischen  Stamm  gilt,  auf  das  gesamte  Griechentum 
ausgedehnt  wird  und  die  Wandlung  der  Phylen  aus  ursprflnglich  territorialen 
Einteilungen  zu  gentilizischen  Verbänden,  die  dann  wieder  von  örtlichen 
Bezirken  durchkreuzt  wurden  —  wie  dies  Szanto  so  treffend  dargelegt 
hat  —  nicht  erkannt  ist.  Das  Verdienst  der  Abhandlung  F.8  liegt  meines 
Erachtens  mehr  in  der  Erörterung  der  Einzelheiten,  obwohl  auch  da 
Manches  nicht  richtig  aufgefafst  ist.  So  erscheinen  die  Bemerkungen  Aber 
die  Gliederung  von  Kos  und  Samos  nicht  als  ausreichend;  was  Samos 
anhingt,  so  hätte  F.  ffir  die  geschichtliche  Beurteilung  der  „ Ge- 
schlechter'* einiges  meinem  Aufsatz  in  der  Festschrift  ffir  Benndorf  ent- 
nehmen können,  der  ihm  entgangen  ist.  Bei  Elis  wäre  es  besser  gewesen, 
das  Kollegium  der  Frauen  ffir  die  Frage  nach  den  Phylen  ganz  aufiser 
acht  zu  lassen;  und  was  Rhodos  betrifft,  so  ist  es  doch  höchst  fraglich, 
in  den  uToivai  keine  örtlichen  Bezirke  zu  sehen. 

Knapper  sind  die  beiden  Kapitel  fiber  die  Sympolitien  und  den 
„Perioikismus"'.  In  dem  ersten  fiel  mir  die  höchst  unwahrscheinliche 
Annahme  auf,  dafs  jemand  Bundesbfirger  sein  konnte,  ohne  Bfirger  einer 
Bundesstadt  zu  sein.  Was  das  boiotische  Synedrion  anhingt  (GIGS.  1 2418), 
welches  F.  streift,  so  ist  es  der  Bat  der,  wenn  man  so  sagen  darf,  weiteren 
Verbfindeten  Boi oticus,  hauptsächlich  in  Mittelgriechenland,  gewesen  (Rhein. 


\ 


Hene  Philologische  ttondBehaa  ^r,  18.  303 


Mns.  LV  467  ff.)  und  hat  mit  der  staatsrechtlichen  Organisation  des  boio- 
tisdien  Staats  nichts  zu  tnn. 
Prag. 


171)  J»C.  H.  MatUe,  Ezplication  de  quelques  fables  de  La 
Fontaine.    Oroningne,  P.  Noordhoff,  o.  J.  [1902].    184  S.  8. 

fl.  1. 50  s  fr.  3.  25. 

Das  Bach  ist  geschrieben  ä  Vusage  de  ceux  gui  se  prSparent  aux 
examens  de  franfais  en  HoUande.  Es  erhebt  nicht  den  Ansprach  anf 
strenge  Wissenschaftlichkeit,  sondern  will,  nach  den  Worten  der  Vorrede, 
nnr  einen  Yersach  über  die  Art  nnd  Weise  darstellen,  wie  man  die  Fa- 
beln Jean  de  La  Fontaines  studieren  könnte.  Vierzehn  bunt  ausgewählte 
Fabeln  sind  mehr  oder  weniger  eingehend  behandelt  worden;  zwei  andere 
sind  mit  einem  Questionnaire  versehen  worden,  das  einen  Anhalt  zu 
selbständigem  Studium  geben  soll. 

Im  voraus  will  ich  bemerken,  dafs  neben  den  wichtigsten  Bemerkungen 
zum  Verständnis  der  Fabeln  La  Fontaines,  die  sich  ja  schon  in  den 
frfiheren,  von  Matile  erwähnten  Kommentaren  finden,  auch  allgemeine, 
Gallizismen,  Wortgeschichte,  Synonyma  u.  s.  w.  behandelnde  Exkurse  auf- 
genommen worden  sind.  Ich  habe  die  Schrift  nicht  ohne  Interesse  durch- 
gelesen und  gebe  im  folgenden,  den  Seitenzahlen  nach,  meine  Bemerkungen. 

S.  2  zur  Fabel  VII,  3  sind  die  Bedeutungen  von  Ugende  unvoll- 
ständig angegeben;  es  fehlt  l^nde  =  erklärende  Unterschrift  bei  Land- 
karten, Mfinzen  u.  s.  w.  Die  unterschiede  der  verschiedenen  holländer  Käse  und 
die  Anekdote,  die  im  Anschlufs  an  die  yyUie  de  tnort"  erzählt  wird,  inter- 
essieren uns  wenig.  Weitschweifigkeiten  finden  sich  auch  S.  4  ff.  Ist 
Dieu  vaus  assiste,  Dieu  vau8  b6ni$se  als  Zuruf  an  Niesende  wirklich  all- 
gemein fiblich?  (S.  9.)  Bei  den  Verben,  die  mit  dem  Akkusativ  und 
Dativ  verbunden  werden ,  fehlen  einige  der  wichtigsten  (S.  9  f.).  In  der 
Fabel  I,  12  ist  zu  V.  6  der  juristische  Ausdruck  de  leu/r  chef  nicht  er- 
klärt, wozu  man  du  chef  de  la  femme  zu  vergleichen  hat.  Pädagogisch 
&lsch  ist  es,  S.  14  zu  sagen :  Bemarqueg  qu^an  dit:  je  me  le  rappeUe  je  me 
rappeße  une  ehoae  ...et  non  pas:  je  me  rappdle  ät%me  chase  ...  V.  16 
war  ä  mains  =  pour  une  cause  maindre  zu  deuten ;  in  V.  21  kann 
man  chef  als  dichterisch  oder  scherzhaft  (Lubarsch)  gebraucht  erklären, 
ich  möchte  darin  eine  archaistische  Anwendung  des  Wortes  erblicken, 


&0i  Mene  ^hilologisclie  ttundschaa  Nr.  td. 

XI,  8  wird  im  ganzen  recht  ansprechend  interpretiert,  nnr  hätten  m 
Y.  17—21  die  oft  zitierten  Verse  von  Maucroix  Brwfthnnng  finden  kOnnen. 
Die  überaus  breite  Einleitung  zu  XII,  6  mufste  viel  knapper  gestaltet  werden. 
Zu  welchem  Zwecke  hat  der  Verf.  die  ganze  franz(3sische  Weidmann- 
aprache  in  Bewegung  gesetzt?  (S.  23 ff.;  vgl.  a.  u.  S.  116  ff.  Aber  die 
Abrichtnng  der  Falken.) 

Die  nächste  Fabel  ist  nach  der  sonst  Ablieben  Zählung  I,  SO.  S.  33 
war  lapidaire  auch  in  der  Bedeutung  Steinbuch  anzugeben.  Auf  den 
Parallelismus  der  beiden  Strophen  dieser  Fabel  war  hinzuweisen.  Im 
QuestUmnaire  zu  XI,  4  finden  sich  manche  recht  flberfifissige  Fragen; 
einige  sind  zu  elementarer  Natur,  während  bei  anderen  den  holländischen 
Kandidaten  die  Antwort  recht  schwer  fallen  dflrfte.  Bei  V.  151  ce  qui 
vieni  de  la  fltUe  s^en  reioume  cm  tamhaur  beachte  man  die  Verwertung 
des  Sprichworts  in  E.  Bestands  Cyrano  de  Bergerac  IV.  Anläfslich  der 
Besprechung  von  IV,  5  verweist  der  Verf.  richtig  auf  Ars  poetica  V.  386. 
Er  hätte  nur  das 

Tu  nihü  invUa  dices  faciesve  Minerva 
gleich  mit  hinsetzen  sollen.     Das  Zitat  aus  Virgil  auf  der  folgenden  Seite 
ist  unvollständig,  es  mufs  heifsen  VI,  129. 

S.  48 ff.  finden  sich  wieder  viele  Weitschweifigkeiten,  die  zum  Teil 
die  einfachsten  Dinge  umständlich  erOrtem.  Comment  prononce-t-on  les 
mots:  dessatts,  dessus,  ressort,  vraisembäble,  iransüian.  —  Racantef! 
gtielque  ehose  sur  Vtdüiid  des  animaux  domestiques.  Wichtigeres  fehlt; 
so  war  bei  Hciä,  Martin-bälan  (zu  S.  55)  auf  Rabelais  III,  eh.  XII  (ed. 
Molaud  S.  238)  aufmerksam  zu  machen.  Übermäfsig  breite,  ganz  elemen- 
tare Fr^en  behandelnde  Ausführungen  stören  u.  a.  S.  57  ff.  (Fabel  IV,  13); 
um  so  seltsamer  berührt  die  Aufforderung  (S.  63):  Ea^liqueis,  par  la 
grammaire  historiqtie,  les  irregtdarites  aciueUes  du  verbe  pouvoir.  Der 
Verf.  erspart  sich  die  Antwort,  die,  wenn  sie  erschöpfend  ausfallen  soll, 
gar  nicht  einfach  ist.  In  V.  20  war  zu  beachten,  dafs  meiüeur  Adverb 
ist.  Die  nächste  Fabel  wird  meist  als  IV,  19  (nicht  20)  zu  finden  sein. 
Par  bSnefice  d^inventaire  war  aus  benefidum  inventarii  zu  erklären.  Von 
dem  Questionnaire  zu  X,  2  gilt  das  oben  Gesagte. 

LeBatet  TEtMre  wird  —  wohl  irrtümlich  —  als  VIII,  8  —  statt  9  — 
angeführt.  Die  etwas  zu  eingehenden  naturhistorisohen  Bemerkungen  über 
die  Austern  (S.  90),  die  stark  medizinischen  Ausführungen  über  das  0e- 
bim  (S.  91),  wie  später  über  das  Auge  (S.  155)  und  S.  167  zu  iäiot, 


K 


Nene  PhilologiBche  BiiDdsehaa  Nr.  13.  805 

hatten  ebensowohl  wie  die  Erklftning  der  eau  de  javdle  ond  die  nach 
den  Leyguesschen  Beformen  fttr  die  Zwecke  des  Buches  kanm  notwendige 
sorgsame  Behandlang  der  Fartizipialyerftnderang  bei  Verben  wie  vahir, 
peser,  coüter  (S.  93)  wegfallen  können.  Bei  den  vielen  Gallizismen  mit 
numt  gebflhrte  auch  dem  Mant-de-pUtS  ein  Platz  (S.  96).  Dafs  Tethys 
in  der  Poesie  oft  metonymisch  für  „Meer"  gebraucht  worden  ist,  brauchte 
nicht  erst  umständlich  durch  ein  Zitat  aus  M*"*  Deshoulikers  bel^  zu 
werden.  Die  guten  Ausffihrungen  zu  y,sire'*  (S.  99)  hätten  schon  S.  12 
eingefiBgt  werden  können.  Bei  V.  16  verweisen  die  Konmientatoren  ge- 
wöhnlich auf  Babelais  I,  66  (ed.  Moland  S.  66).  S.  106  und  107,  110 
und  120  können  wesentlich  gekürzt  werden.  Bei  S.  112  zu  V.  12  u.  13 
war  ein  Hinweis  auf  Phädrus  III,  18^^  angebracht:  augurmn  carvo,  laeoa 
comici  omina  sdl  data  sunt.  War  parte-malheur  erwähnt  (S.  112), 
so  konnte  auch  porte-banheur  (vierblätteriges  Kleeblatt  als  Anhängsel,  Arm- 
band mit  Inschrift  u.  s.  w.)  genannt  werden.  Die  Zusammenstellung  der 
Verben  mit  dem  Präfix  d^s)  (S.  117)  und  ähnliche  sich  öfters  findende 
Gruppierungen  haben  kaum  irgend  welchen  Wert.  Die  poetischen  Lizenzen 
sind  S.  119  unvollständig  angegeben.  In  V.  39  erforderte  las  Berfick- 
sichtigung.  Die  letzten  Verse,  die  (seltsam  genug  bei  La  Fontaine)  in 
düstere  Melancholie  ausklingen: 

Ne  sentkai-je  plus  de  charme  gpH  m'arrite? 
Äi-je  passS  U  temps  d'aimer? 
scheint  M.  nicht  mehr  erklärt  zu  haben,  ebensowenig  wie  die  Einleitung 
zu  X,  10  S.  149fr.  unter  dem  Titel  „Un  souper  ckea  Jean  de  La 
Fontaine''  ist  (S.  126)  ein  literarhistorisches  Fragment  eingefügt  worden, 
das  leider  zu  sehr  als  Torso  wirkt,  so  hübsch  es  sich  sonst  der  Fabel  von 
den  beiden  Tauben  anschliefst. 

Zu  V.  9  der  Fabel  von  den  pestkranken  Tieren  war  ein  Hinweis  auf 
„mawra/nte  vie"  Ciorneille  Cid  III,  4  am  Platze.  Die  Anekdoten  S.  135 
u.  148.  174  können  fehlen.  Die  Seiten  138-146.  164.  165  mögen  in 
einer  späteren  Ausgabe  auf  einen  geringen  Bruchteil  ihres  jetzigen  üm- 
&ng8  reduziert  werden. 

in,  1  V.  71  war  in  der  Konstruktion  zu  erklären,  wozu  man  bei 
Lubarsch  (Berlin,  Weidmann,  1881)  den  Verweis  auf  Mätzner  §  136,  10  e 
findet.  Das  Zitat  der  nächsten  Fabel  (soll  I,  xvi  heifsen)  ist  unvoll- 
ständig. Der  empfehlende  Hinweis  auf  einige  Veröflfentlichungen  des 
F.  Noordhofbchen  Verlages  (S.  174)  stört,  da  bibliographische  Hinweise 


306  Neae  Philologische  Bandflchan  Nr.  13. 


dieser  Art  sonst  fehlen.  Die  machine  ronde  des  V.  8  ist  nebenbei  bemerkt 
auch  in  Le  Chartier  embourbri  VI,  18  Y.  17  erw&hnt  Der  Sinn  von  V.  16  ist 
fibrigens  nicht  so  ein&cb,  wie  M.  meint;  das  Nähere  mag  man  in  der 
Ausgabe  Lnbarsch  nachlesen.  Zum  Schlnfs  druckt  M.  eine  Fktbel  einer 
Urenkelin  La  Fontaines  ab,  die  Madame  Elisabeth,  der  Schwester  Lud- 
wigs XVL,  1780  in  Ghäteau-Thierry  vorgetragen  wurde,  und  in  der  das 
arme  Mädchen  den  Schutz  der  grofsen  Dame  anruft.  Ein  Index  schliefst 
den  Band. 

Alles  in  allem  ein  Buch,  das  die  schon  bekannten,  zum  Verständnis 
notwendigen  Erklärungen  des  La  Fontaineschen  Textes  verständig  vorträgt, 
ansprechende  Ausblicke  lexikalischer  und  phraseologischer  Art  bringt, 
Synonyma  n.  s.  w.  sowie  die  Etymologie  malsvoll  berficksichtigt,  leider  je- 
doch an  einer  nicht  selten  hervortretenden  Weitschweifigkeit  krankt.  Die 
wenigen  Druckfehler  sind  leicht  zu  bessern. 
Bemburg.  B.  KiefkmaBtt. 

172)  Erich  Meyer  I  Emile  Augier,  Le  Oendre  de  Monrienr 
Feiner.  Gotha,  Friedrich  Andreas  Perthes,  Aktiengesellschaft, 
1901.  (Perthes'  Schulausgaben  englischer  und  französischer  Schrift- 
steller. Nr.  28.)  8.  geb.  Jd  1.60. 
In  der  rflhmlichst  bekannten  Sammlung  der  Perthesschen  Schulausgaben 
englischer  und  französischer  Schriftsteller  ist  dankenswerterweise  auch  Augiers 
Lustspiel  Le  Gendre  de  Mr.  Poirier  aufgenommen  worden.  Wer  unsere 
Schfiler  mit  einem  modernen  französischen  Lustspiele  bekannt  machen 
will,  wird  gern  dieses  Augiersche  Stuck  wählen,  das  gehaltvoll  und  wohl 
gegliedert  in  seiner  leicht  und  gefällig  dahinfliefsenden  Eonversation  eine 
Fülle  interessanter  Kenntnisse  vermittelt  und  eine  überaus  ergiebige  Quelle 
für  Bereicherung  des  Wortschatzes  und  für  die  Veranstaltung  von  Ge- 
sprächen liefert.  In  der  vorliegenden  Ausgabe  geht  dem  Text  eine  deutsch 
geschriebene  Einleitung  voraus,  die  aufser  den  üblichen  biographischen 
Notizen  über  die  Tendenz  des  Stückes  einige  kurze,  aber  zutreffende  Be- 
merkungen bringt.  Die  am  Ende  des  Buches  beigegebenen  Anmerkungen 
sind  nach  jeder  Sichtung  wertvoll,  indem  sie  nicht  blofs  präzise  Sach- 
erklärungen geben,  sondern  auch  idiomatische  Ausdrücke  und  Wendungen 
treffend  verdeutschen  (so  z.  B.  troupier  fini,  Eommifssoldat ;  faire  Courier, 
Bennpferde  halten,  ä  feraU  beau  voir,  es  wäre  ein  schöner  Anblick  u.  a.  m.). 
Indes  könnten  rein  subjektive  Bemerkungen  wie  die  über  den  französischen 


V 


Nene  PhilologiBcfae  Bmidschaii  Nr.  13.  307 


Adel  zu  duc  I  1,  23  oder  über  die  Ehrenlegion  zu  etoüe  des  braves 
I  2,  75  besser  fortbleiben.  Ein  Wörterbuch  als  besonderes  Heftchen  hebt 
auch  für  schwfichere  Scbfller  alle  Schwierigkeiten  bei  der  Vorbereitung  auf. 
Die  Aufgabe  sei  für  die  Primalektüre  bestens  empfohlen. 

Neustadt  (O.-Schles.).  P.  Lc|Ja. 


173)  Ernst  Lehmaim,  Lehr-  und  Lesebuch  der  englisohen 
Sprache.  Nach  der  Anscbauangsmethode  mit  Bildern  bearbeitet 
6.  Auflage.    Mannheim,  J.  Bensheimer,  1902.    XY  u.  246  S.  8. 

geb.  Jd  3.—. 
Das  Charakteristische  des  Buches  ist,  dafs  es  in  umfangreicherer  Weise, 
als  es  sonst  der  Fall  ist,  die  Anschauung  in  den  Dienst  des  Unterrichts 
stellt.  Den  34  Lektionen,  die  seinen  Hauptteil  ausmachen,  ist  ein  reich- 
liches Bildermaterial  heigegeben,  so  dafs  aufser  einigen  wenigen,  die  sich 
wie  Schulzimmer,  Kleidung  u.  s.  w.  auf  direkte  Anschauung  stützen  oder 
ihrem  Charakter  nach  weitere  Yeranschaulichung  entbehren  kOnnen,  jede 
Lektion  ihr  Bild  hat.  Sämtliche  Lektionen  bestehen  einfach  aus  Lektüre- 
stoffen. Die  ersten  20  beschäftigen  sich  mit  Dingen  aus  dem  alltäg- 
lichen Leben  und  der; nächsten  Umgebung  des  Schülers,  dann  folgen  an- 
sprechende kleine  Geschichten,  während  in  den  letzten  sechs  Lektionen  in 
ziemlich  eingehender  Weise  die  vier  Jahreszeiten,  Industrie  und  Krieg  so- 
wie der  Mensch  und  die  Erde  behandelt  werden.  Dabei  werden  in  passender 
Weise  naturgeschichtliche  und  geschichtlicbe  Stoffe  herangezogen,  dann 
und  wann  untermischt  mit  harmlosen  aber  doch  lehrreichen  Anekdoten. 

Der  Lektüre  jedes  einzelnen  Stückes  empfiehlt  der  Verf.  eine  kurze 
Besprechung  des  entsprechenden  Bildes  vorangehen  zu  lassen,  an  die  Lek- 
türe aber  grammatische^^Erörterungen  unter  Benutzung  der  einen  weiteren 
Teil  des  Lehr-  und  Lesebuches  bildenden  Qrammatik^anzuschliefsen  und 
endlich  eine  eingehendere  Besprechung  des  Bildes  vorzunehmen. 

Man  braucht  nicht  zu  bezweifeln,  dafs  bei  diesem  praktischen  Be- 
triebe, bei  dem  natürlich  Lehrer  und  Schüler  sich  der  Muttersprache  so 
wenig  wie  mOglich  bedienen,  das  Buch  unter  der  Leitung  eines  erfahrenen 
Lehrers  auch  im  Klassenunterricht  einen  guten  Erfolg  erzielen  wird. 

Die  am  Schlufs  auf  47  Seiten  zusammengefafste  Grammatik  bringt 
das  wichtigste  aus  Formenlehre  und  Syntax;  es  ist  —  dem  Bericht- 
erstatter sehr  sympathisch  —  eine  Grammatik  in  Beispielen,  die  den  sehr 


d08  Nene  Philologische  Rundschau  Nr.  18. 

knapp  gehaltenen  Text  in  englischer  Sprache,  aber  in  so  einfacher  Weise 
gibt,  dafs  er  auch  schwächeren  Schülern  keine  Schwierigkeiten  machen  kann. 

Etwas  zu  umfangreich  für  den  vorliegenden  Zweck  ist  dagegen  meines 
Erachtens  die  voraufgeschickte  ebenfalls  in  englischer  Sprache  abgefa&te 
Lautlehre  ausgefallen.  Auch  würde  sie  an  Einfachheit  und  Deutlichkeit 
entschieden  gewonnen  haben,  wenn  der  Verf.,  anstatt  für  jeden  Buch- 
staben die  verschiedenen  möglichen  Aussprachen  anzugeben,  den  Laut  zum 
Ausgangspunkt  gemacht  und  dazu  die  möglichen  Darstellungen  in  der 
Schrift  in  Beispielen  aufgezählt  hätte.  Das  würde  auch  einen  greisen 
Teil  der  diakritischen  Zeichen,  die  auseinander  zu  halten  dem  Schüler 
bisweilen  schwer  werden  wird,  entbehrlich  gemacht  und  überdies  der 
ganzen  Methode  des  Verf.  mehr  entsprochen  haben.  Im  einzelnen  er- 
wähne ich  noch,  dafs  der  Yokallaut  in  Wörtern  wie  up,  hut,  san  nicht 
genügend  beschrieben  und  dafs  Wörter  wie  braneh,  dance  zurzeit  in  London 
und  im  ganzen  Süden  Englands  wohl  mit  dem  „Italian  a^S  gesprochen 
werden. 

Hinsichtlich  der  Bilder  wäre  endlich  noch  zu  wünschen,  dafs  sie 
—  namentlich  die  der  vier  Jahreszeiten  —  bei  einer  weiteren  Auflage,  die 
wir  dem  trefflichen  Buche  wohl  wünschen  und  gönnen  möchten,  teilweise 
wenigstens  durch  solche  mit  etwas  künstlerischerer  Ausführung  und 
etwas  modernerem  Charakter  ersetzt  würden. 

Dessau.  Bahrs. 

174)  Friedrich  Nietzsches  Oesammelte  Briefe.    Erster  Band: 

Briefe  an  Finder,  Krug,  Deufsen,  Freiherrn  von  Gersdorff,  Carl 

Fuchs,  Frau  Baumgartner,  Frau  Louise  0.,  Freiherrn  von  Seydlitz  u.  a. 

Herausgegeben  von  Elisabeth  FSrster- Nietzsche  und  Peter 

ftast.    3.  Auflage.     XXVI  u.  602  S.   8.   —   Zweiter   Band: 

Briefwechsel  mit  Erwin  Bohde.    Herausgegeben  von  Elisabeth 

FSrster- Nietzsche  und  Fritz  SchSU.     Berlin   und  Leipzig, 

Schuster  &  Loeffler,  1902.    XXVIII  u.  628  S.  8. 

Es  erscheint  gar  nicht  leicht,  fßr  diese  Anzeige  den  richtigen  Ton 

zu  finden,  den  Ton  nämlich,  aus  dem  die  Leser  dieser  Zeitschrift,  doch 

wohl  ausschliefslich  Philologen,   heraushören  könnten,  welche  Ausbeute 

gerade  sie  aus  einem  Studium  der  angezeigten  Schriften  sich  versprechen 

dürften.    Denn  dafür  läfst  sich  schlechterdings  keine  allgemeine  Formel 

finden,  und  ein  Versuch,  sie  durch  Anhäufung  von  Details  zu  ersetzen, 


\ 


Keae  l^hüolog^uohe  bandicfaaii  itr.  18.  809 


mii  gleichfalls  zu  keinem  befriedigenden  Ziele  f&hren.  Es  würde  ein  ganz 
falsches  Bild  geben,  wollte  jemand  etwa  addieren,  was  fftr  mannig&che 
Oebiete  der  Philologie  als  in  jenen  Briefen  des  ansf&hrlicheren  behandelt 
oder  leichter  hin  gestreift,  der  Bericht  aufzählen  wfirde.  In  dieser  Be- 
ziehung entbehren  selbst  die  eingehenderen  Untersuchungen  in  den  Brief- 
sammlungen des  Abschlusses,  da  im  ersten  Bande  nur  Nietzsches  Fragestellungen 
und  Meinungen  enthalten  sind,  nicht  aber  der  Adressat  zu  Worte  konunt, 
ein  Mifsstand,  an  dem  ja  alle  einseitigen  Brief^nblikationen  kranken.  In  dem 
Briefwechsel  mit  Bohde  aber  treten  aufßlligerweise  die  rein  philologischen  Aus- 
sprachen schon  nach  dem  ersten  Drittel  so  gut  wie  ganz  zurück,  um  Platz  zu 
machen  einerseits  der  gegenseitigen  Versicherung  gemeinsamen  Begeiste- 
rungsrausches für  Schopenhauer  und  Richard  Wagner,  anderseits  der  Auf- 
richtung und  schliefslich  tragischen  Zerbröckelung  eines  Denkmals  er- 
hebendster Freundestreue.  Und  das  dürfte  vielleicht  für  alle  Leser  die 
Quintessenz  des  Ganzen  sein,  dafs  sie,  wenn  sie  die  Bücher  aus  der  Hand 
legen,  sich  nicht  bereichert  fühlen  werden  durch  Aufklärung  über  Sachen, 
sondern  durch  den  Einblick  in  Menscbenseelen,  Bohdes  und  Nietzsches 
selber  zumeist.  Das  ist  freilich  ein  Oewinn  und  Genufs,  der  die  an- 
gewandte Mühe  reichlich  lohnt:  Mühe  mufs  man  es  sich  allerdings  kosten 
lassen,  sich  über  manche  Ode  Strecken  hin  genufsfähig  zu  erhalten.  Hier 
hätten  die  Herausgeber  wohl  etwas  mehr  im  Interesse  eines  gröfseren 
Leserkreises  diesem  entgegenkommen  können.  So  wird  der  Zwang,  fast 
bei  jedem  Briefe  in  den  erst  am  Schlufs  des  Bandes  zusammengestellten 
Anmerkungen  sich  Rats  erholen  zu  müssen,  der  noch  dazu  allzu  häufig 
ausbleibt,  schwer  empfunden,  und  ebenso,  da  Ausmerzungen  nicht  zu 
umgehen  waren,  hätten  die  Herausgeber  wohl  noch  bedeutend  mehr  aus- 
lassen dürfen.  Das  bezieht  sich  sowohl  auf  ganze,  völlig  belanglose  Briefe, 
als  auf  Einzelheiten  in  den  Briefen.  Zu  solchen  wünschenswerten  Strei- 
chungen rechne  ich  in  allererster  Linie  die  —  ich  stehe  nicht  an  zu 
sagen  —  unqualifizierbaren  Epitheta,  mit  denen  gewisse,  noch  lebende 
Gegner  Rohdes  und  Nietzsches  signiert  werden.  Sie  resultieren  aus  dem 
Temperament  und  der  damaligen  Eämpferstellung  der  beiden  Freunde, 
machen  aber  als  posthume  FuTstritte  einen  den  Leser  quälenden  Eindruck, 
auch  für  den,  der,  wie  ich,  sich  zu  den  dankbarsten  Schülern  und  wärmsten 
Verehrern  Rohdes  zählt.  „Briefe  sind  eben  subjektive  Stimmungsbilder'' 
(an  Deufsen  I,  73).  „Auch  ist  es  eine  edle  Kunst,  in  solchen  Dingen 
zur  rechten  Zeit  zu  schweigen.    Das  Wort  ist  ein  gefthrlichoß  Ding 


älO  Kene  Philologisohe  ftnndschau  Kr.  13. 

und  selten  bei  derartigen  Anlässen  das  rechte.  Wie  vieles  darf  man  nicht 
aassprechen '^  (an  von  Gersdorff  I,  188).  „In  mir  gährt  jetzt  sehr  vieles, 
nnd  mitunter  sehr  Extremes  und  Gewagtes.  Ich  möchte  wissen,  bis  wie 
weit  ich  solcherlei  meinen  besten  Freunden  mitteilen  dürfte?  Brieflich 
natürlich  überhaupt  nicht  ^*  (an  denselben  I,  283).  „Wir  anderen  Sterb- 
lichen haben  kein  Becht,  Briefe  zu  veröffentlichen,  wir  wären  denn  affek- 
tierte Narren  und  wollten  dies  öffentlich  zur  Schau  stellen  '^  (an  G.  Fuchs 
I,  349). 

Diese  kleine  Blutenlese  aus  Nietzsches  eigenen  Worten  berührt  selbst- 
redend nicht  den  hier  angezogenen  Fall,  und  ich  weifs  wohl,  ihr  stehen 
andere  Stellen  gegenüber  wie  II,  84  an  Bohde:  „Wenn  sich  zwei  Freunde 
unserer  Art  Briefe  schreiben,  da  freuen  sich  bekanntlich  die  Engelchen '', 
aber  sie  gibt  doch  dem  oben  ausgesprochenen  Wunsche  einen  kräftigen  Für- 
sprecher. 

Es  mag  übrigens  Zufall  sein,  dafs  die  paar  hier  wörtlich  gegebenen 
Zitate  gerade  denjenigen  Briefgruppen,  d.  h.  wenn  man  die  Briefe  nach 
ihren  Adressaten  gruppiert,  entstammen,  die  mir  wenigstens  beim  Lesen 
den  nachhaltigsten  Eindruck  hinterlassen  haben.  Obenan  steht  natürlich 
der  Briefwechsel  mit  Erwin  Bohde.  Er  ist  ja  schon  nach  Verdienst 
benutzt  und  gewürdigt  in  dem  prächtigen  Buche  von  Otto  Crusius  über 
Bohde,  auf  das  in  den  Anmerkungen  fortlaufend  verwiesen  wird.  Es 
erübrigt  daher  hier  vielleicht  nur  noch,  auf  die  interessante  Tatsache 
hinzuweisen,  dafs  Bohde  (von  dem  Nietzsche  übrigens  eingesteht  (II,  514), 
dafs  jener  „schärfer  und  schneller  denke ^'  als  er  selbst)  bereits  in  eioem 
Briefe  von  1868  (II,  102)  den  Freund  auf  die  innigen  Berührungen  ihrer 
Weltanschauung  mit  den  Bomantikern  aufmerksam  zu  machen  beginnt,  die 
Earl  Joel  im  diesjährigen  Maiheft  der  Neuen  Deutschen  Bundschau  so 
ausgiebig  für  das  Verständnis  Nietzschescher  Philosophie  verwendet.  Und 
auch  für  die  Weiterbildung,  oder  richtiger  für  den  Umschlag  Nietzschescher 
Probleme,  bleibt  Bohdes  Brief  vom  16.  Juni  1878  ein  bedeutsames  Zeugnis, 
dafs  er  bei  der  Lektüre  von  „Menschliches,  Allzumenschliches *^  aufrichtig 
seine  schmerzliche  Überraschung  bekennt  (II,  544);  B6e,  den  Ver- 
fasser von  „Ursprung  der  moralischen  Empfindungen*',  in  jenem  Buche 
hören  zu  müssen  glaubt,  und  dem  Freunde  direkt  vorhält :  an  diese  „Un- 
verantwortlichkeit  wird  mich  niemand  jemals  glauben  machen,  kein  Mensch 
glaubt  daran,  auch  Du  nicht 't 

Im  ersten  Bande  sind  die  Briefe  an  den  Freiherm  von  Oersdorff  die 


\ 


Kene  t^Uologisefae  Emidsohan  Nr.  13.  311 


vielseitigsten.  Bei  ihnen  besonders  wird  der  lebhafte  Wunsch  rege,  die 
Einwirkungen  auf  und  die  Anregungen  von  dem  Adressaten  kennen  zu 
lernen.  Am  meisten  philologisches  Interesse  erwecken  die  Briefe  an  den 
Kieler  üniversitätsprofessor  Faul  Deufsen.  Bei  ihrer  wiederholten  Lektfire 
kam  mir  der  Gedanke,  man  solle  sie,  nicht  alle  gerade,  fflr  sich  allein 
drucken  lassen  und  als  Vademecum  jungen  Philologie  Studierenden  in  die 
Hand  geben.  Sie  würden  nach  vielen  Richtungen  hin  segensreich  wirken ; 
darin  stecken  Körner  reinsten  Goldes,  fflr  deren  Mitteilung  dem  ersten 
Besitzer  Hochachtung  und  Dank  zu  schulden  ist.  Denn  mag  auch  Nietzsche, 
der  Grflnder  des  philologischen  Studentenvereins  in  Leipzig  und  spätere 
Philologieprofessor  in  Basel,  in  seiner  dritten  „ünzeitgemäfsen  Betrach- 
tung'^ uns  „Philologen  und  Schulmänner  die  gebildetsten  und  eingebildetsten 
Gelehrten  von  Berufs  wegen'*  nennen,  dort  und  in  diesen  Briefen  an 
Deufsen  entbehrt  seine  gallige  Kritik  nicht  jeder  Berechtigung,  und  was  er  in 
den  letzteren  an  positiven  Forderungen  vorbringt,  ist  wohl  der  Nacheiferung  wert. 

Fflr  die  unreifen  Jungen  wird  Nietzsche  der  Philosoph  mit  seiner 
Voltaireischen  Niederreifsungswut  eine  ständige  Gefahr  bedeuten.  BQckt 
ihn  aber  erst  eine  objektive,  historische  Betrachtung  aus  dem  vermeintlichen 
Zielpunkte  in  den  ihm  tatsächlich  gebflhrenden  Durchgangspunkt,  wo  er  fflr  die 
Kultur  im  letzten  Drittel  des  19.  Jahrh.  charakteristisch  und  als  Gegengewicht 
gegen  die  flbertriebene  soziologische  Humanitätsduselei  notwendig  erscheint, 
dann  wird  dieSammlungseinerBriefe  erst  in  ihrer  ganzenBedeutung  alsDokument 
fflr  Nietzsche  den  Freund  und  Nietzsche  den  Menschen  empfunden  werden. 

Bremen.  Eriuit  Neuling. 

Berichtigung. 

S.  55  d.  Z.  ist  zu  lesen  carminum  amatoriorum. 


Valcanzen. 
Arolsen,  Rpg.  Obl.  Math.  N.  Kuratorium.  Dortmund^  G.  Obl. 
Kl.  Ph.  u.  Deutsch.  Kuratorium.  Elberfeld,  BG.  Obl.  Math.  Nat. 
Kuratorium.  Frankfurt  a.  M«,  RS.  zu  Sachsenhausen:  zwei  Obl.  N. 
Spr.  Kuratorium  d.  H.  Seh.  Frankfurt  a.M.,  Klinger -O.R.S.  Obl., 
1)  Physik  u.  Chemie,  2)  N.  Spr.  Kuratorium  d.  H.  Seh.  (jtartz,  G.  Obl. 
Klass.  Ph.  Kuratorium.  Herne,  R.S.  u.  Prg.  Obl.  Kl.  Ph.  Kuratorium. 
HSehst  a.  M.,  G.  u.  RS.  Obl.  Math.  u.  Nat.  Kuratorium.  Kattowltz, 
H.M.S.  Obl.  N.  Sp.  Magistrat.  K81n,  G.  u.  R.G.  Obl.  Geogr.  u.  Gesch. 
Oberbflrgermeister.  Lfibeek,  H.M.S.  Obl.  Franz.  u.  Deutsch.  Dir.  Hoff- 
mann. Bixdorf,  R.G.  Obl.  N.  Spr.  Magistrat.  Bttttenscheid,  Prg.  i.  B. 
Obl.  N.  Spr.  Bgmstr.  Held.  Schoeneberg,  R.G.  u.  RS.  u.  H.M.S.  Obl. 
Nat.;  Obl.  N.  Spr.;  Obl.  Math.;  Obl.  Latein.  Magistrat.  Zaborze,  G.  Obl. 
Ey.  Rel.  u.  kl.  Ph.    Dir.  Dr.  Drechsler. 


312  t^ene  t^ologisohe  ftnndsohan  Kr.  18. 

Yerlag  tob  Friedrich  Andreas  Perthes,  Akttengesellsehaft,  O^othä. 


Für  den  Sehulgebraueh 

erklärt  von 

Dr.  Karl  Linde, 

Oberlehrer  am  HerzogL  Gymnaeium  za  Helmstedt. 
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jIVI.  Tulli  Ciceronis 
pro 


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von 

Prof.  Dr.  L.  Reinhardt, 

Direktor  des  Königl.  Gymnaelnms  zu  Wohlau. 
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Dr.  Hans  Dütschke, 

Professor  am  Kgl.  Joacbimsthaler  Gymnasium  su  Berlin. 
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Prmek  ud  Verlag  toa  Friedriek  JUdxMi  Sertkei,  Aktiesgasellialiaft,  Gotha. 


X 


UMiV.ur  mcn. 
JUL  841903 

Goiha,  U.  JnlL  Hr.  14,  Jahrgang  1908. 

Neue 

PhilologischeRundschau 

Henuugtgobeo  ton 

Dr.  O.  Wagener  und  Dr*  E.  Ludwig 

in  Breznexu 

Bnoheint  alle  14  Tht«-  —  Prtii  für  den  Jahrgaiif  8  Ifark. 

BatteUnngen  nehmM  alle  Bnehhandlnnf*!!,  Mwie  die  PocUngtalteo  des  In-  und  Annluides  ao. 

IneeiÜoiiigebllhr  für  die  einmal  gespaltene  Petitseile  80  Vfg» 

Inhalt:  Bezensionen:  175)  Th.  Birt,  Der  Hiat  bei  Plautos  (W.)  p.  313.  — 
176)  M^langes  Perrot,  Becneil  de  M^moires  conoemant  Tarch^logie  elassiqiie, 
la  Utt^ratore  et  Thittoire  anciennes  (J.  Jung)  p.  318.  —  177)  Eine  neue  Er- 
Uanmg  der  Apokolokyntosis  (A.  Chambaln)  p.  822.  —  178)  B.  Hirzel,  Der 
Eid  (0.  Wackermann)  p.  822.  —  179)  J.  Ackerknecht,  Wie  lehren  wir  die 
neuen  VereiD&changen des  Französischen?  (M.  Krüger)p.826.  — 180)  J.  Klapperioh, 
London  old  and  new  (A.  Herting)  p.  329.  —  181)  £.  Heyer  und  B.  Afsmann, 
Hilfiibflcher  för  den  Unterricht  in  der  englischen  Sprache  (H.  Niemer)  p.  330.  — 
182)  M.  Trantmann,  Kleine  Lautlehre  des  Deutschen,  Französischen  und  Eog- 
lisehen  (H.  Schmidt)  p.  334.  —  Vakanzen.  —  Anzeigeu. 

175)  Th.  Birt»  Der  Hiat  bei  Flautos  und  die  lateinische  Aspi- 
ration bis  zum  10.  Jahrhundert  n.  Chr.  Marburg,  N.  Q.  Elwert, 
1901.     IV  U.  375  S.  8.  ui  9.60. 

Das  erste  Buch  handelt  von  dem  h  der  Zeit  der  Bepublik;  es  ist  da 
-zunächst  die  Bede  vom  auslautenden  h  in  oh,  ah,  vah  ('stolsende  Aus- 
brache  mit  gehauchtem  Yobilabsatz'),  vom  nachkonsonantischen  h  (in  der 
iLlteren  Zeit  Aspiration  nur  nach  Gutturalen,  cf.  Qellius  II  3,  If.;  Gic. 
Orat.  160),  vom  Schwund  des  echten  h  zwischen  (gleichen)  Vokalen,  von 
dem  scheinbar  als  Dehnungszeichen  verwendeten  h  (in  aha,  vaha,  oho 
^langer  zweigipfeliger  Vokal  mit  Exspirationsstofe  in  der  Mitte')  sowie  von 
dem  Verhalten  des  h  im  Inlaut  vor  Jot  und  vor  i-Vokal  {h  vor  i=j  [£%], 
also  Spirans,  cf.  abhicio  =  abjicio,  tragiiur  =  trajüur  =  trahitur;  folgte 
auf  hi  ein  Konsonant,  fiel  h  aus,  cf.  ahü  s=  agü  :=iaü,  traicus^^trofi- 
<n4s,  oft  hielt  es  sich  aber  auch  zähe,  et  uechicülum  u.  ä.).  Die  Hauptsache 
kommt  in  Kapitel  7  u.  8,  in  denen  vom  anlautenden  h  gehandelt  wird.  Birt 
stellt  hier  vier  Möglichkeiten  auf:  1)  A=cA,  2)  A  =  Mittelstufe  zwischen  c& 
und  griech.  Spiritus  asper,  S)  hs=s  neuhochd.  h,  i)  hs=s  griech.  Spiritus 
lenis.    Bei  Plautus  Truc.  252  läfst  sich  auch  de  frumento  \  dnseres  messen 


314  Neo6  Philologische  BundBchaa  Nr.  14. 

aus  der  Aspirata  i^  ist  echtes  italisches  h  entstanden,  vgl.  x^os  J^ortus^ 
Xidltv  hiems,  danach  ist  zn  xfy^  hanser  zu  stellen ;  da  nun  bei  obiger  Messung 
Hiat  entstehen  wflrde,  so  wird  Plautns  hanseres  gesprochen  haben.  Dann 
mnfs  aber  das  A  im  Anlaut  hörbar  gewesen  sein  und  mindestens  zwischen* 
^  und  deutschem  h  gestanden  haben,  ^ein  Eehlkopfreibegeräusch  mit  ge- 
wisser palataler  Artikulation  (S.  34).  Eine  Bestätigung  daffir  findet  Birfc 
einmal  in  Gleichungen  wie  habeo  «==  capio  (nach  B.),  sodann  besonders  in 
dem  c.  8'4r  des  Gatull,  wo  ein  gewisser  Arrius  verspottet  wird,  der  chom^ 
moda  und  hinsidias  sprach ,  was  Gatull  vermutungsweise  auf  Vererbung 
in  der  mfitterlichen  Familie  zurückführt.  Durch  seine  Interpretation  dea 
Gedichtes  gelangt  B.  zu  dem  Schlüsse,  dafs  Arrius  das  h  nicht  Meniter 
et  leviter'  sprach,  dafs  es  vielmehr  ein  ^h  forte  et  durum^  war;  dafs  ferner 
Gatull  diese  Aussprache  nicht  im  allgemeinen,  sondern  nur  die  Aspiration 
am  falchen  Platze  tadelte  (das  war  nach  Nigidius  Figulus  eine  Eigentüm- 
lichkeit des  ^rusticus  sermo') ;  dafs  endlich  durch  GatuUs  Bemerkung  über 
den  Grofsvater  des  Arrius  dieser  Fehler  bis  an  das  Ende  des  2.  Jahrh. 
V.  Ghr.  zurückdatiert  wurde.  Belege  für  diese  rustikaue  Gepflogenheit  sucht  B. 
nun  u.  a.  bei  Flautus  und  Terenz  zu  ermitteln,  indem  er  Schreibungen  wie  cui 
für  hui  (Terenz  Hec.  283  in  allen  Handschr.)  u.  ä.  zunächst  dem  Archetyp  und 
dann  dem  Autor  selbst  zuweist  Also  sprach  auch  Flautus  das  ^h  forte',, 
das  Position  macht  und  den  Hiat  verhindert.  Aber  nun  elidiert  aucb^ 
Flautus  über  h  hinweg,  und  das  ist  sogar  das  Vorwiegende;  wie  ist  dies^ 
zu  erklären?  ^Des  Flautus  Wesen  ist  die  Inkonstanz,  und  er  zeigt  uns 
in  vielen  Funkten  einen  Zustand  des  Überganges'  (S.  61);  sogut  er  Formen» 
wie  aibai  und  aiebai  nebeneinander  gebrauchte,  und  die  Jambenkürzung^ 
ganz  ad  libitum  verwendete,  so  ist  auch  eine  zweifache  Wertung  der 
Aspiration  bei  ihm  anzunehmen.  Der  alte  Satumier  bat  noch  das^ 
echte  lateinische  h,  aber  durch  das  Studium  der  griechischen  Originale- 
machte  sich  der  Einflufs  des  Griechischen  geltend,  wo  der  Spiritus  asper 
meist  quantitätslos  und  dem  Spiritus  lenis  gleich  behandelt  war;  latein.  fi^ 
und  griech.  Spiritus  asper  wurden  aber  gleich  gesetzt  (Hercules  ^Hqu- 
TiXfjg).  So  wurde  h  im  Anlaut  eine  schwankende  Grölse,  wie  s  im 
Auslaut,  und  verlor  durch  den  Einflufs  der  griechischen  Wertung  in  der 
Eunstpoesie  seine  prosodische  Geltung;  die  klassische  Verskunst  der 
Bömer  kennt  kein  ^h  forte'.  Während  aber  die  Aussprache  des  ^  in  der 
republikanischen  Zeit  wirklich  gelitten  hatte,  war  das  beim  h  keineswegs^ 
der  Fall  (S.  64). 


\ 


Nene  Philobgitehe  RondsohM  Nr.  14.  815 

Das  zweite  Buch  bringt  üntersachangen  Aber  das  h  der  Kaiserzeit. 
Durch  die  archaisiereiiden  Pofiten  wurde  auch  das  h  wieder  belebt,  wo^ 
durch  ein  bewulster  volkstfimlicher  Archaismus  erzielt  wurde  (S.  105). 
Die  Metriker  und  Grammatiker  des  4.  Jahrb.  erkennen  ein  Schwanken 
der  Aufibssnng  an,  indem  ihnen  h  bald  'consonans*,  bald  'nota  adspira- 
tionis'  ist;  jenes  ^h  consonans'  wird  beschrieben  als  ein  Exspirationsstob, 
der  dem  Vokal  voraufgeht,  während  der  Spiritus  erst  mit  dem  Tokal  selbst 
einsetzt  (S.  108).  Von  den  beiden  Lehren,  die  nebeneinander  gehen,  ist 
die,  welche  ht.  Adem  Spiritus  asper  gleichsetzt,  aufVarrozurflckzufflhren, 
der  ^h  inter  litteras  non  esse  disputavit',  d.  h.  nach  Birts  Meinung,  eine 
Yulgftraufibssnng  bekämpfte,  der  h  ffir  eine  littera  galt;  die  andere  Lehre, 
daTs  h  auch  consonans  sein  könne,  möchte  B.  auf  Bemmius  Palaemon 
zurfickführen  (S.  113 — 115).  Wir  finden  aulserdem  bei  den  Artigraphen 
die  Angabe,  dafs  man  h  ^vulgo'  zu  den  mutae  rechnete.  Aus  alledem 
folgert  B.,  dafs  h  nicht  nur  die  ganze  Eaiserzeit  fiber  hörbar  gewesen  sei, 
sondern  auch  stärker  als  der  Spiritus  asper:  *es  war  Konsonant  im  La- 
teinischen wie  im  Oermanischen'  (S.  122). 

Die  beiden  nächsten  Kapitel  gelten  dem  ^h  omissum'  und  %  spurium'. 
Aus  gelegentlichem  Fehlen  des  h  in  der  Schrift  ist  kein  Schlufs  darauf 
zu  ziehen,  dafs  es  auch  nicht  mehr  gesprochen  wurde.  Das  Fehlen  in 
der  Schrift  geht  auf  die  Lehre  der  Schule  zurfick,  die  lat.  h  griech.  Spi- 
ritus asper  gleichsetzte,  sodafs  in  Nachahmung  des  Griechischen,  wo  der 
Spiritus  nicht  auf^edrfickt  wurde,  auch  in  lateinischer  Schrift  h  weg- 
gelassen werden  konnte.  Der  griechisch  erzogene  Römer  brauchte  kein 
geschriebenes  A,  wohl  aber  der  Bauer,  der  angebildete  Mann  ('opicus' 
Ter.  Scaurus,  'rusticus*  Nigidius):  'Der  Bauer  hatte  gleichsam  eine  Be- 
gierde auf  das  h  und  kann  es  nie  genug  sprechen  (S.  129),  daher  die 
falsche  Aspiration,  wie  sie  auch  GatuU  an  Arrius  tadelt.  Der  Schwund 
des  anlautenden  h  ist  teils  eine  Folge  etymologischer  Kombination  (Varro; 
hclera  =  olera :  Ma\  hortus  =  ortus :  oriri)^  teils  verursacht  durch  Ho- 
monyma  {hoc  =  ac :  ac).  Die  letzteren  haben  aber  anderseits  auch  das 
Vordringen  des  h  spurium  begünstigt,  das  schon  'von  frfih  ab  den  Trieb 
hatte,  den  Anlaut  zu  fiberwuchern'  (S.  150;  nach  B.  haud  =  aud  von 
ab  =  iw;  also  auch  hob  gesprochen)  und  dies  um  so  mehr  tat,  jemehr 
die  Busticitas  der  Sprache  fiber  den  Einflufs  der  Schule  siegte.  Dafs  das 
unechte  h  keinesfalls  ein  stummer  Laut  war,  bezeugt  nach  B.  wiederum 
CatuUs  Gedicht. 


316  Neue  Philologische  Bnndschaii  Nr.  14. 

Im  dritten  Buch  spricht  B.  über  lateinisches  h  im  7.  bis  10.  Jahrh.  Die 
beiden  eben  geschilderten  Prozesse,  Verlust  des  echten  h  nnd  Prothese  des 
unechten,  zogen  sieb  nach  B.  bis  ins  10.  Jahrb.  hinein  und  erstreckten 
sich  auch  auf  die  romanischen  Sprachen:  h  spurium  wie  h  genuinum 
wurden  beide  wirklich  geq[)rochen.  Das  Erloschen  des  italienische  und 
französischen  h  hängt  mit  dem  des  griechischen  zusammen  und  schreitet 
durch  die  Jahrhunderte  von  Sflden  vor  (S.  295).  Die  Lehre  von  ^h  muette' 
und  %  aspir^'  stammt  von  den  Gelehrten  des  16.  Jahrh.  (S.  294);  vorher 
ist  nirgends  von  einem  stummen  h  die  Bede  (S.  162  f.). 

Mit  dem  vierten  Buch  kehrt  B.  wieder  zu  Plautus  zurfick:  ^Spiritus 
lenis  in  der  Yerskunst  des  Plautus"  ist  es  fiberschrieben.  B.  erinnert 
zunächst  daran,  dafs  ^h  consonans'  den  Hiat  verhindere,  und  meint,  auch 
die  fibrigen  Fälle  mfifsten  sich  aus  der  Pronuntiaüo  erklären  lassen,  näm- 
lich aus  der  Beschaffenheit  des  Spiritus  lenis  im  Latein.  Aus  Auct.  ad 
Her.  lY  18  und  Cicero  Orat.  150  ff.  erweist  B.,  dafs  'das  Sprechen  mit 
Hiat  rustican  war  (S.  361);  dieser  volkstümliche  Hiat  ist  aber  nichts 
anderes  als  die  Ablehnung  der  Synaloephe  durch  die  Kraft  des  Anlautes. 
Dieser  kann  von  viererlei  Art  sein:  entweder  leiser  Einsatz  wie  im  Fran- 
zösischen, oder  fester  Einsatz  wie  im  Deutschen  (mit  'hustenartigem, 
knackenden  Geräusch'),  oder  mit  Aspiration  verbunden,  wobei  entweder 
der  Hauch  dem  Yokal  vorangeht,  wie  bei  deutschem  h  mit  folgendem 
Vokal,  oder  ihn  begleitet,  so  beim  griech.  Spiritus  asper.  Die  erste  und  letzte 
Art  eigneten  der  griechischen  Sprache,  die  beiden  anderen  der  lateinischen, 
die  sonach  mit  der  deutschen  fibereinstimmte.  Das,  was  die  gebildeten 
Bömer,  die  sich  möglichst  der  griechischen  Sprachweise  befieifsigten,  als 
rustikan  bezeichneten,  war  eben  der  feste  Vokaleinsatz.  Naevius  und 
Plautus  verwendeten  nun  nicht  nur  das  griechische  h  neben  dem  italischen, 
sondern  auch  den  hauchlosen  leisen  Einsatz  der  Griechen  neben  dem  festen 
der  Italiker  (S.  303) ;  dieser  letztere  aber  hinderte  den  Hiat,  er  bewirkte, 
dafs  zwischen  zwei  aufeinander  folgenden  Vokalen  ein  kleines  Zeitintervall 
entstand,  das  die  Zeit  des  sonst  vokal-trennenden  Konsonanten  ersetzte, 
weshalb  auch  keine  Verkfirzung  eines  langen  Endvokals  eintrat. 

Auf  dem  Eintreten  einer  neuen  Exspiration  beruht  der  Hiat  in  den 
Diäresen  der  gestreckten  Langverse  wie  bei  Personenwechsel;  aber  wie 
Plautus  hier  auch  verschleifen  konnte  und  es  der  Begel  nach  tat,  so  erklärt 
sich  auch  im  sonstigen  Text  seine  Inkonsequenz  in  Bezug  auf  Hiat  und 
Synaloephe.    Als  besonders  wahrscheinlich  bezeichnet  es  B.,  dafs  Plautus 


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Neue  PhilologiBche  Bnndschaa  Nr.  14. 817 

in  solchen  FUlen  von  der  biattilgenden  Beschaffenheit  des  nistikanen, 
echt  italischen  Yokaleinsatzes  (Spiritas  lenis)  Gebrauch  gemacht  habe,  wo 
sich  später  mit  Vorliebe  das  h  spurium  einstellte:  in  erster  Linie  bei 
Wörtern,  die  mit  ab  (a),  av  und  in  beginnen  (vgl.  GatuU  'hinsicUae), 
dann  aber  auch  da,  wo  im  vierten  Kapitel  des  zweiten  Buches  das  h  spurium 
in  späterer  Zeit  nachgewiesen  worden  ist.  Andere  Gelegeoheiten  zu  starkem 
Vokaleinsatz  bieten  fremde  Eigennamen  und  LehnwOrter,  Pronomina  mit 
i-  unter  dem  Versiktus,  Sprechpausen  und  die  ursprünglich  konsonantisch 
anlautenden  Pronominaladverbien  (tä,  übi,  tmde,  usque  etc.).  Damit  sind 
freilich  noch  nicht  alle  Fälle  erschöpft;  auch  wo  sonst  Hiat  auftritt  und 
der  Text  ohne  Anstofs  ist,  mufs  die  Beschaffenheit  des  Spiritus  lenis  im 
Lateinischen  die  Erscheinung  erklären,  sodafs  jeder  Versuch,  durch  Emen- 
dation  den  Hiatus  zu  beseitigen,  von  vornherein  abzulehnen  ist.  Anhangs- 
weise werden  eine  Anzahl  Plautusstellen  auf  Grund  der  vorgetragenen 
Theorieen  geändert. 

Fassen  wir  das  Resultat  zusammen,  so  lehrt  B.,  dalB  jeder  Hiat  bei 
Plautus  in  Versen,  die  gut  Qberliefert  und  inhaltlich  ohne  Anstand  sind, 
zu  behalten  ist,  denn  entweder  ist  es  nur  ein  scheinbarer  Hiat,  nämlich 
vor  hy  das  dann  eben  konsonantische  Geltung  hat,  oder  es  liegt  bei  voka- 
lischem Anlaut  der  feste,  italische  Einsatz  vor,  wir  haben  dann  also  den 
berechtigten  volkstümlichen  Hiat.  Mit  dieser  Lehre  und  der  Proklamation 
der  Inkonstanz  des  Plautus  wäre  ja  nun  die  Hiatfrage  glücklich  erledigt  — 
wenn  sich  nicht  zu  viele  Bedenken  gegen  die  ganze  Theorie  erhöben. 
Da  ist  zunächst  die  Hypothese  von  dem  konsonantischen  h,  die  auf  recht 
schwachen  Ffifsen  steht;  die  Art,  wie  das  spöttische  GatuUgedicht  aus- 
gelegt, richtiger  ausgeprefst  wird;  die  Art,  wie  Lesarten  später  Hand- 
schriften über  den  Archetypus  auf  den  Dichter  selbst  zurückgeführt  wer- 
den; die  Art,  wie  Dinge,  die  B.  selbst  als  unsicher  bezeichnen  mufs, 
schliefslich  doch  mit  in  der  Argumentation  verwendet  werden:  das  alles 
erweckt  doch  lebhafte  Zweifel  an  der  Bichtigkeit  der  Theorie.  Unter  der 
Überfülle  von  Belegen,  die  B.  zusammengetragen  hat,  figurieren  eine  ganze 
Menge  Lesarten  einzelner  Handschr.  (so  z.  B.  für  Plautus  die  Bezension  der 
Palatini  oder  einzelne  Handschr.  wie  der  Vetus  allein),  aus  denen  Schlüsse 
gezogen  werden,  die  man  schwerlich  als  berechtigt  anerkennen  kann,  denn 
sie  nehmen  auf  die  Textgeschichte  viel  zu  wenig  oder  gar  keine  Bflcksicht. 
Weiterhin  ist  es  sehr  schwer  alle  einzelnen  Belege  auf  ihre  Bichtigkeit 
zu  prüfen   —  das  würde  beinahe  ein  Spezialstudium  erfordern  — ,   und 


8t8  Nene  Philologische  Bimdaohaa  Nr.  14. 

wenn  man  so  gelegentlich  dabei  auf  unzutreffende  Angaben  stSfst,  wie 
z.  B.  S.  69  zu  Terenz  Ad.  946  o.  947  (vgl.  Eauer  im  Anhang  z.  d.  Si), 
80  wird  man  doch  zn  einiger  Vorsicht  gemahnt.  Gelegentlich  muls  B. 
selbst  zugeben,  dais  nicht  alles  stimmt.  So  wird  S.  153  aus  GatuU  auf 
rustikanes  hin  fßr  in  geschlossen  und  diese  Prothese  des  h  spurium  mit 
Hilfe  desselben  Gedichtes  zwei  Menschenalter  zurückdatiert,  auch  unter 
Anführung  von  Bacch.  386,  wo  tatsächlich  Hiat  überliefert  ist,  dem  Plautus 
vindiziert;  aber  S.  271  heifst  es  dann  'Auffallend  ist  darum,  dafs  die 
Schreibung  hin  in  Wirklichkeit  verhältnismäfsig  so  selten  sich  belegen 
läfst;  und  nach  einer  ausreichenden  Erklärung  hierfür  suche  ich  ver- 
gebens!' Sollte  das  nicht  am  Ende  daran  liegen,  dafs  B.  etwas  schnell 
bei  der  Hand  ist,  aus  Einzelfilllen  allgemeine  Schlüsse  abzuleiten?  — 
Auf  der  anderen  Seite  aber  müssen  wir,  um  nicht  ungerecht  zu  sein,  auch 
betonen,  dafs  manches,  was  B.  vorträgt,  recht  plausibel  erscheint,  und  dafs 
jedenfalls  sein  Buch  eine  Fülle  von  Anregung  gewährt,  durch  die  der 
Leser  zu  aufrichtigem  Danke  verpflichtet  wird. 

Br. W. 

176)  Mölanges  Ferrot^  Secueil  de  Mömoires  oonoemant 
Tarchöologie  olasflique^  la  littörature  et  rhistoire 
ancieimes,  d£di6  ä  Georges  Perret,  membre  de  Tlnstitut, 
directeur  de  T^cole  normale  sup^rieure,  professeur  honoraire  ä  la 
faculte  des  lettres  de  Tuniversit^  de  Paris.  A  Toccasion  du  50"^ 
anniversaire  de  son  entr^e  k  r£cole  normale  sup^rieure.  Ouvrage 
contenant  un  portrait  en  höliogravure,  cinq  planches  hors  texte  en 
phototypie  et  trente-six  illustrations  dans  le  texte.  Paris,  An- 
cienne  librairie  Thorin  et  fils,  Albert  Fontemoing,  Miteur,  1902. 
343  S.  4.  30  fra. 

Gratulationswerke,  wie  sie  nach  dem  Vorbild  der  „Ciommentationes 
Mommsenianae''  seit  einem  Vierteljahrhundert  üblich  geworden  sind,  bieten 
den  Vorteil,  dafs  neben  der  in  unserer  Zeitsehriftenliteratur  immer  mehr 
um  sich  greifenden  Zersplitterung  doch  auch  die  Zusammenfassung  ver- 
wandter Disziplinen  zum  Worte  kommt.  In  dieser  Hinsicht  ist  das  vor- 
liegende Werk,  das  in  glänzender  Ausstattung  erscheint,  besonders  lehr- 
reich, um  so  mehr  als  es  zugleich  einen  internationalen  Charakter  an  sich 
trägt.  Es  beteiligten  sich  aufser  französischen  auch  englische  und  deutsche 
Gelehrte,  die  meisten  in  ihrer  Nationalsprache  schreibend,  femer  die  ita- 


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Neae  Philologiiche  Rnndsehaa  Nr.  14.  819 

—  ■  - -  — —  ■      -1   ■  I      '      ■  ■  ■ .-   -■— » 

lienische  Grftfin  Ersilia  Gaetani  Lovatelli  (mit  einem  Aufeatz 
„L'iflola  Tiberina^')  nnd  derOrieche  P.  Gavaddias,  der  „aar  la  gaärison 
de  malades  au  hiäron  d*]äpidaare**  schrieb.  England  ist  vertreten  durch 
E.  Oardner  in  Oxford  (,, Aphrodite  with  the  Goat^^)  und  durch  den 
Konservator  am  Britischen  Museum  A.  S.  Murray  („An  Athenian  Ala- 
foastos^')-  An  der  Spitze  der  deutschen  Gelehrten  eröffnet  0.  Benndorf 
die  Sammlung,  indem  er  eine  durch  ihre  Form  auffallende  „Grabstele 
von  Arsada  in  Lykien^*  behandelt,  die  aus  hellenistischer  Zeit  stammt. 
Das  Belief  zeigt  rechts  auf  einem  Stuhl  eine  Frau,  die  das  Obergewand 
über  den  Kopf  gezogen  hat,  w&hrend  Gesicht  und  Brust  dem  Beschauer 
zugewendet  sind;  als  Nebenfigur  ein  Mädchen:  nach  der  Inschrift  eine 
Lykierin  namens  Sonbrate  und  ihre  Tochter  Pladarmate.  Die  Stele,  von 
Benndorf  im  Jahre  1892  gefunden  und  abgezeichnet,  iajb  seitdem  ver- 
:schwunden;  sollte  sie  ins  Ausland  verkauft  sein,  so  wäre  durch  Benndorfs 
Aufsatz  in  diesen  Mölanges  die  Aufmerksamkeit  darauf  gelenkt.  Von 
Deutschen  arbeiteten  noch  folgende  Archäologen  mit:  W.  Dörpfeld 
<„Das  homerische  Ithaka''),  A.  Furtwängler  („Vom  Zeus  des  Phidias''), 
E.  Loewy  („Zum  Harpyienmonument^^),  Ad.  Michaelis  („HallenfiSrmige 
Basiliken 'Of  G.  Robert  („Le  poignard  d'AchiUe  chez  Earipide,  et  les 
^evaux  d*Hector  sur  le  vase  de  Gharte'*),  F.  Studniczka  („Über  das 
&shauspielerrelief  aus  dem  Piräus^^,  G.  Treu  („Zur  Mänade  des  Sko- 
f»s'^).  F.  Wolters  spendete  einen  Beitrag  „Loco  sigilli^S  über  die  Art 
und  Weise,  wie  auf  inschriftlichen  Eopieen  von  Dokumenten  die  Tatsache 
•der  Besiegelung  zum  Ausdruck  gebracht  wird.  W.  Hei  big  behandelt 
in  methodisch  und  sachlich  interessanter  Weise  den  „currus  des  römi- 
schen Königs",  mit  Heranziehung  einiger  Reliefs  aus  Toscanella  und  Pi* 
tigliano  im  ehemaligen  Etrurien,  auf  denen  der  currus  zur  Darstellung 
.rgebracht  ist,  so  dals  auch  die  Nachrichten  der  römischen  Schriftsteller 
verständlicher  werden ;  etruskische  und  römische  Eulturzustände  beeinflufsten 
:6ich  gegenseitig.  Da  gerade  von  Etrurien  die  Bede  ist,  erwähne  ich  an 
dieser  Stelle  J.  Martha  ,^Observations  grammaticales  sur  la  langue 
etrusque",  worin  (im  Anschlnls  an  Deecke)  von  den  etmskisch-lateinischen 
Bilinguen  und  dem  daraus  zu  konstatierenden  Suffix  -al  ausgegangen  iat^ 
dann  auch  andere  Suffixe  besprochen  werden.  Der  Verf.  stellt  grammati- 
Imlische  Eigentflmlichkeiten  fest,  welche  das  Etmskische  aus  der  Beihe 
4er  indoeuropäischen  oder  semitischen  Sprachen  ausschliefsen,  hingegen 
«eine  gewisse  Verwandtschaft  mit  den  urahütaisdien  Idiomen  dartun  wfirden. 


330  Nene  Philologiaehe  Bmidaehaa  Nr.  14. 

Von  den  französischen  Gelehrten  behandelt  weiter  L.  Heazey  „Qaelqüea^ 
r^les  d'interpr^tation  ponr  les  fignres  Assyriens''.  B.  Hanssouillier; 
„Insoriptions  grecques  de  rExtrSme-Orient  gree'S  nämlich  griechische  In- 
schriften ans  Babylon  und  Sosa,  letztere  durch  die  Expedition  Morgan* 
gewonnen,  woraus  zu  ersehen,  daTs  Susa  in  seleucidischer  und  wohl  auch 
noch  in  arsacidischer  Zeit  „Seleucia  am  Eulaios''  hiefs,  während  unter 
den  Sassaniden  wieder  der  alteinheimische  Name  „Schusch''  hervortritt. 
G.  Foug^res  „Encore  le  Lyciarque  et  Tarchiäreus  des  Augustes''  stimmt 
jetzt  Mommsen  in  der  Identifikation  dieser  Würden  bei,  fttr  die  im  Lande 
selbst  mit  Vorliebe  der  eine  Titel,  hingegen  von  römisch-offizieller  Seite^ 
der  andere  gebraucht  wurde.  St.  6 seil  gibt  eine  „Note  sur  deux  anti-* 
quitfe  puniques  trouvies  en  Alg^rie".  P.  Paris,  „Bijou  phMcien 
trouvö  en  Espagne".  P.  Yidal  de  la  Blache,  „Les  Purpui*ariae  du 
roi  Juba".  Es  sind  die  Inseln,  die  nach  König  Jubas  IL  Bericht  im 
sechsten  Buche  des  Plinius  erwähnt  werden  und  die  der  Verf.  bei 
Mogador  ansetzt.  Der  Purpurschnecke  halber  belebte  sich  im  1.  Jahrh. 
n.  Chr.  wieder  die  Schiffahrt  nach  der  Westküste  Ton  Afrika,  wodurch 
das  geographische  Interesse,  das  seit  Hannos  Periplus  diese  Gegenden 
zeitweise  vernachlässigt  hatte,  neu  erweckt  wurde.  B.  Gagnat  teilt  eine 
Inschrift  mit,  die  1902  in  den  Buinen  des  römischen  Kastells  zu  Kherbet* 
Ksar-Tir,  bei  A!n-Melloul  südwärts  von  S6tif  (Algerien),  gefunden  wurde. 
Sie  meldet,  dafs  unter  Kaiser  Gordian  (III)  das  hier  gelegene  „Gastellum 
Yana[rz]anensem"  (sie)  wieder  hergestellt  und  vergröfsert  wurde,  zur  Zeit 
da  (der  schon  bekannte  frühere  praefectus  vigilum)  Faltonius  Bestitu* 
[ti]anus  Statthalter  (praeses)  war,  unter  Leitung  des  (Domanial-)Prokurator8; 
[Aur]eliu8  oder  [A]elius  Felix.  Aus  anderen  Inschriften  wissen  wir,  dafs 
die  Kastelle  jener  Gegend  damals,  als  nach  längerer  Unruhe  wieder  stabilwe 
Verhältnisse  eintraten,  einem  aUgemeineren  Plane  entsprechend  repariert  wur- 
den. P.  Gauckler  ist  durch  die  Dedikationsinschrift  einer  römischen 
Befestigung  bei  Ksar*Tarcine  im  südlichen  Tunesien  veranlafst,  über  „oen** 
tenarius,  terme  d*art  militaire"  sich  auszusprechen.  Der  Ausdruck  een^ 
tenarius,  der  in  den  afrikanischen  Provinzen  schon  Ende  des  3.  Jahrh« 
vorkommt,  erscheint  auch  auswärts,  z.  B.  in  den  Itinerarien;  in  der  No» 
titia  dignitatum  ist  von  einem  „burgus  oentenarius"  die  Bede,  eine  In-- 
Schrift  aus  der  Zeit  der  Kaiser  Leo  und  Konstantin  Kopronymus  (zwischen. 
727  und  741  n.  Chr.)  nennt  (bei  Nicäa)  Ttiqy^'^  TtewivdQiop;  selbst  noch 
im  Liber  pontificalis   der  römischen  Kirche  findet  man  saec«  YIII  den 


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Nene  PhilologiBohe  Bnndsohan  Nr  14.  821 

Ansdrack  „centenarium'^  Der  Verf.  vergleicht  die  Bezeichnang  „buigiiB 
speculatorius^^  und  „centenarins^*;  wir  haben  es  hier  mit  baulichen  Varie- 
täten des  „burguB^^  zu  tun,  wovon  der  letztere  wohl  einem  Poeten  resp. 
einem  Kommandanten  „von  100  Mann^*  entspricht. 

Mit  der  antiken  Kunstgeschichte  beschSftigen  sich,  wie  zu  erwarten, 
noch  eine  Reihe  von  Beiträgen:  S.  Beinach,  „Becherches  nouvelles  sur 
la  ,Yenus^  de  MMicis^  Th.  Homolle,  „Bronze  grec  de  la  premi&re 
moiti6  du  Y*  siMe^^  P.  Jamot,  „Dem  petits  monuments  relatife  au 
culte  de  D^m^ter  en  B^otie^^  A.  Joubin,  „Statuette  en  marbre  de 
r^poque  hell6nistique'^  H.  Lechat,  „Le  firont  de  rjB^rmte^  d*01ym- 
pie^^  A.  de  Bidder,  „Yases  archalques  ä  relie&'^  E.  Michon,  „Vase 
et  bijoux  d'argent  trouvte  prte  d'Al^ria^  E.  Pottier,  „Petit  vase 
archalque  ä  t6te  de  femme^'.  M.  Gollignon,  „Tfite  ffiminine  provenant 
deTraIle8'^  P.  Foucart,  „Le  culte  de  Bendis  en  Attique^^  ROrail- 
lot,  „MMaillon  au  type  de  Cybile^^  P.  Perdrizet,  „De  quelques 
monuments  figurte  du  culte  d'Ath^na  Ergan^^^  Diesen  archäologischen 
Au&ätzen  gehören  die  meisten  der  durchwegs  vortrefflichen  Illustratio- 
nen an. 

Von  den  Aufsätzen  zur  alten  Oeschichte  und  Literatur  sind  zu  nennen: 
M.  H  olle  au  X,  „Le  pr^tendu  trait£  de  306  entre  les  Bhodiens  et  les 
Romains  ^S  dem  der  Yerf.,  wie  der  Titel  zeigt,  skeptisch  gegenfibersteht; 
er  emendiert  danach  den  Text  des  Polybius  30,  6,  6,  indem  er  im  Jahre 
167  V.  Chr.  das  Bfindnis  zwischen  Bom  und  Bhodos  statt  140  Jahre  den 
bekannten  Tatsachen  entsprechend  (mit  Auslassung  von  nQÖg  %o'ig  huatAv) 
blols  40  Jahre  dauern  läTsL  —  M.  Giere,  „La  bataille  de  Tauroentum 
(Episode  du  si^e  de  Marseille  par  Jules  Cäsar) ^  0.  Bloch,  „Helenes 
et  Doriens^^  G.  Boissier,  „Introduction  de  la  rh^torique  grecque  it 
Bome^  A.  Boucbä-Leclerq,  „Les  reclus  du  S^raplum  deMemphis^S 
G.  Badet,  „Sur  un  point  de  Titin^raire  d'Alexandre  en  Asie  mineure^' 
(in  Lykien  während  des  Winters  von  334  auf  333  v.  Chr.  Yergleichung 
der  Darstellung  Arrians  und  Diodors,  mit  Zugrundelegung  der  Oster* 
reichischen  und  Heranziehung  der  älteren  Forschungsberichte  von  SchOn- 
bom,  Spratt  und  Forbes). 

Wir  notieren  zum  Schlufs  noch  die  Artikel  von  mehr  philologischem 
Inhalt:  Ph.-E.  Legrand,  „L*Oracle  rendu  ä  Chairiphon^  A.  Groiset, 
„Sur  le  Mänex&ne  de  Platon^S  P.  Guiraud,  „Note  sur  un  passage 
d'Aristote    (Adrpfalwf  ftoh%%laY^.     P.  Girard,    „Observations  philo- 


Nea«  Fhilologiaclle  BimcUöhaiii  Nr.  14. 


logiqaes  sur  Aristophane ^.  Am.  Haavette,  ,tSir  un  passagd  de  la 
ddnzi^me  Pyihiqiie  de  Pindare^^  M.  Br4al,  y^Avtaptlfiriütg^*.  Y.  B<- 
rard,  yire^^a  vd^ia^^.  Em.  Bourget,  yjBviai-&^iw^^.  M.  Croi^ 
set,  „Date  de  la  troiai^e  Ol7nthienne^^  P.  Decharme,  ^La  loi  de 
Diopeithte^  Th.  Beinach,  „Un  ostrakon  litMraire  de  Theben^  (Ein 
erotiflCber  Dialog.)  H.  Weil,  ^fNouvelles  tablettes  greequeB  i^venant 
d*Bgypte'^  (griechiache  SchtlmeiBterpoeBie). 

Bei  der  Unmöglichkeit,  alle  63  Artikel  zu  analysieren,  ist  dnrcli  diese 
Aufifthlnng  der  behandelten  l%emen  den  InteMsenten  der  beteiligten 
Ferschnngsgebiete  der  Anhalt  geboten,  selbst  nachznsriien. 

Prag^Weinberge.  J.  Jung. 

177)  Eine  neue  Brklanmg  der  ,,Apokolokyntosii''  (zu  Nr.  loe 

dieses  Jahrganges). 

Herr  Dr.  Max  Maas  (Iffinchen)  schreibt  mar,  er  habe  in  einer  Et^ 
kUnitig  det  neuen  Jmvenalverse  (Archiv  fQr  lat.  Lexikogr.  u.  Gramm.  1899, 
p.  419)  xoAoxtV^  nach  Plinius  N.  L.  XIX,  71  (cucurbitamm  usus)  und 
Petron  46  (illa  matella),  als  ein  Nachtgeschirr  gedeutet,  darauf  hin  habe 
LundstrOm  im  Eranos  (Acta  philologica  Suecana  IV,  1)  Upsala,  Maerz 
1900,  iim>xoAaxi^^ciHfi$  als  Verwandlung  des  daudius  in  ein  Nacht- 
gcBdiirr  erklärt  Da  der  Ton  der  Schmutzschrift  zu  dieser  „un&stbetischen*' 
Deutung  paTst,  stehe  ich  nicht  an,  sie  einem  weiteren  Kreise  bekannt 
zu  geben. 

Köl».  Ang«it  Gluaaibala. 

178)  Rudolf  Hinel,  Det  Eid»    Ein  Beitrag  zu  seiner  Geschichte. 

Leipzig,  S.  Hirzel,  1902.    VI  u.  226  S.  gr.  8.  JH  &.-. 

So  allgemein  der  Titel  dieses  Buches  klingt,  so  ist  doch  die  Zeit, 
mit  der  es  sich  beschäftigt,  beschränkt  und  auch  das  räumliche  Gebiet 
begreaztw  Verf.  bespricht  Ursprung,  Entwickelung  und  Bedeutung  des  Eides 
vornehmlich  bei  den  Griechen,  doch  nicht  so,  dals  er  ausschlie&lieh  die 
Anschauungen  dieses  Volkes  zum  Gegenstände  nimmt,  sondern  er  verfolgt 
dabei  die  der  gesamten  antiken  Welt,  also  auch  der  Bömer  bis  in  die 
späte  Eaiserzeit,  wobei  zür  Vergleichung  nicht  selten  Germanen,  Inder, 
Juden  herangezogen  werden.  Auch  wird  bei  der  Behandlung  kein  durch- 
gehender und  grundsätzlicher  Unterschied  gemacht  zwischen  dem  jaristisch 
formulierten  Eidsdiwur  und  der  eidlichen  Beteuerung,  vrie  sie  aadi  das 


K 


Neos  PMlologtofliie  Run  jgehan  Nf.  14. m 

gewOhnliehe  Oesprtch  bringt  Das  foU  kein  Tadel  sein,  tondeni  nur  im 
allgemeuMin  andeuten,  waeien  sich  der  LesMr  in  dem  Bache  za  verieben  hat, 
da  der  so  allgemein  gehaltene  Titel  zu  wenig  Anhalt  gibt  WAnsohen»- 
wert  wftre  es  gewesen,  Verf.  hfttte  seine  üntersaohnngen  in  dar  Weise 
mehr  ^tematisch  dorchgefflhrt,  dafs  das  aufgerichtete  Geb&ude  aach 
&ulaerlich  deutUchor  erkennbar  gewesen  wilre.  Indessen  das  Buch  will  in 
seinem  ganzen  Zusammenhange  gelesen  sein,  und  es  verdient  eine  ein- 
gehende Lektfire  mit  Bücksioht  auf  dm  reiohen  Inhalt  und  auf  die  wert- 
veUen  Brgebnisse  der  gewissenhafken  und  scharfsinnigen  Untersuchung. 
Einige  Hauptgedanken  mOgen  hier  kurz  skizziert  werden. 

Yerf.  geht  von  den  Anschauungen  ans,  die  im  Altertum  die  herr- 
sehenden waren.  Wenngleich  an  manchen  SMlen  dar  alten  Sohriftstelte 
der  Eid  aussoblieMieh  als  Vemieherung  erscheint,  an  anderen  wiederum 
sich  nur  als  QeUbnis  aufhssen  lUsk,  auch  sich  beide  Arten  bei  den  Alten 
keineswegs  immer  aussehlielsen,  so  ist  doch  die  Unterscheidung  des  asser« 
torischen  und  pnmüssorisohen  Eides,  obwohl  erst  durch  Nachdenken  enfr« 
standen,  sehr  alt  Wie  es  yerschiedene  Arten  des  Eides  gibt,  so  auch 
Yorschiedene  Grade;  aber  auch  nach  den  Menschen,  ihren  Sitten  und 
CSiarakteren ,  unterscheid«!  sich  die  Eide,  ein  Gedanke,  der  fBr  Athen 
besonders  ausgefBhrt  wird  in  §  14  („Geringschitznng  des  Eides  in  Athen  ^0 
daher  das  Wort  des  Äschylus  firg.  394  N*:  „Nicht  der  Eid  macht  den 
Mann  gkubwArdig,  sondern  der  Mann  den  Eid.'^  Es  war  immer  ein 
Höheres,  Wfirdigeres,  ein  %liuovy  bei  dem  man  schwur;  da  die  Q4tter 
nichts  Höheres  kennen,  schwören  sie  bei  sich  selbst,  bis  Zeus  der  Styz 
die  Ehre  erwies,  dals  bei  ihr  geschworen  wurde. 

Die  Griechen  waren  im  ganzen  in  ihren  Bechtsanschauungen  weniger 
streng  als  die  Bömer;  Autolykos  und  Hermes  sind  griechische  Ge- 
stalten. Aber  wenn  den  Bömem  der  Grundsatz  gilt  „ins  civile  Tigilan* 
tibus  scriptum  est^^  (Dig.  42,  8,  24),  so  ist  das  nicht  viel  verschieden 
von  Piatos  Ausspruch  (Bep.  I  334  A):  yüiiTtvi^  ÜQa  t^g  S  dlxaiogy  äg 
h$n^  nitpavtai.  Und  so  ist  auch  der  sophistische  Eid  sehr  alt  und  zu 
allen  Zeiten  angewandt;  des  Enripides  Wort  (HippoL  612)  ij  fhSkM 
dfidfwxj  ij  di  q>q^  ävdfiovog  erlangte  sprichwörtliche  Bedeutung.  Erst 
durch  manche  Irrungen  kam  man  vom  bindenden  Wort  zum  bindenden 
Sinn  des  Eides.  Aber  neben  jenor  Theorie  findet  sich  auch  schon  bei 
Eoripides  die  Anschauung,  dals  den  aus  Not  geschworenen  Eiden  gegen- 
flber  die  Götter  nicht  strenges  Becht  üben;  zum  gfiltigen  Eide  gehört 


824  Nene  PhilologlMlie  Bnodgehtu  Nr.  14. 

nicht  blöd  rechtliche»  Bondem  auch  geistige  Freiheit,  and  Bechtsverbind- 
lichkeit  des  Eides  ist  nur  da  nnd  so  lange  vorhanden,  als  Bechtsgemein- 
schaft  besteht;  daher  Cicero  z.  B.  den  Eid  gegenfiber  Piraten  nicht  als 
rechtsyerbindlich  erachtet,  eine  Anschaunng  fibrigens,  die  in  bewegten 
Zeiten  auch  anderswo  sich  findet. 

Doch  wenn  schon  bei  Homer  und  Hesiod  wissentlicher  nnd  unwissent- 
licher, absichtlicher  und  unabsichtlicher  Meineid  unterschieden  wird,  so 
hat  die  Frage  Aber  den  sittlichen  und  rechtlichen  Meineid,  die  Frage,  ob 
es  Meineid  sei,  zu  schwören  in  der  Absicht,  den  Eid  nicht  zu  halten, 
oder  erst,  wenn  der  Schwörende  das  im  Eide  Oelobte  unterläTst,  die  Stoiker 
vidfiEtch  beschSfldgt,  und  einige  unterscheiden  danach  Meineid  und  Falscheid; 
eine  &st  christliche  Beurteilung  des  Meineides,  die  indessen  merkwflrdiger- 
weise  schon  im  6.  Jahrh.  y.  Chr.  der  delphische  Oott  hat  (Hdt.  VI,  86). 
Allein  daÜB  man  Mh  fiber  den  Eid  nach  seinen  verschiedenen  Bedeutungen 
und  Erscheinungen  nachdachte,  Iftlkt  erkennen,  dals  der  Zweifel  an  seinem 
Werte  stieg,  der  Glaube  an  seine  Kraft  schwand.  Ebenso  Mh  sind  denn 
auch  die  Versuche,  den  Mi&brauch  des  Eides  abzustellen;  in  diesem  Be- 
streben begegnen  sich  die  dem  Bhadamanthys  beigelegten  Beformen  und 
die  Anschauungen  des  Sokrates.  Des  Bhadamanthys  Theorie  wurde  nun 
aber  wieder  als  eine  Überschätzung  betrachtet,  und  in  der  Opposition 
gegen  ihn  suchte  man  den  Eid  zu  einem  Beweismittel  zu  machen  ganz 
gleich  anderen;  ja  es  folgen  Bestrebungen,  ihn  ganz  abzuschaffen,  da  er 
in  zahllosen  FUlen  doch  seine  Wertlosigkeit  zeigte;  und  stolze  Naturen, 
von  Achill  an,  haben  als  Kennzeichen  auch  rücksichtslose  Wahrhaftigkeit 
stets  an  sich,  die  des  Eides  nicht  bedarf.  Wer  schwur  oder  des  Eides 
bedurfte,  erweckte  gerade  dadurch  Mifstrauen.  So  wurde  der  Eid  herab- 
gesetzt, weil  er  eigentlich  entbehrlich  sein  sollte;  es  kamen  Zeiten,  wo  wie 
im  Mittelalter  geradezu  als  Sprichwort  galt:  ein  Handschhg  ist  mehr 
wert  als  sieben  Eide.  Geringschätzung  des  Eides  zeigt  sich  vornehmlich 
in  Athen.  Daher  hat  Solon,  wenn  er  ihn  auch  nicht  abschaffte,  allerlei 
auf  diesem  Gebiete  reformiert;  und  „wo  ein  freies  Volk  durch  geschriebene 
Gesetze  sich  selbst  regiert,  ist  er  das  HauptmitteL,  das  die  Gewissen  der 
Bfliger  zur  Erftkllung  der  Gesetze  anhält'^ 

Der  Eid  ist  aber  auch  eine  Beschwörungsformel,  ein  Fluch ;  und  so  ist 
AeT^Ofwg  als  Personifikation  schon  bei  Hesiod  ein  verderblicher  Dämon; 
er  gehört  zu  dem  Geschlecht  der  unheilbringenden  Nacht.  In  diesem  Zu- 
sammenhange gibt  Verf.  eine  ansprechende  Etymologie  von  inloq'Mg^  das 


\ 


Nene  Fhilologiaohe  BnndiohAa  Nr.  14. 


nacb  der  Analogie  von  iTtlfOfiog^  iTtlri/wg  eigentlich  das  Gegenteil  von 
dem  bedeuten  mfliete,  was  es  heifst;  Inioipuog  ist  nicht  der  Eidestrene, 
sondern  der  Meineidige,  um  den  der  Bachegeist  schwebt  In  diesem  Sinne 
aber  ist  Horkos  kein  anderer  als  der  Todeogott,  der  Qrcns  der  Lateiner. 
^Oqyuoif  dfivövai  hiefs  danach  nicht  sowohl  „einen  Eid  schwören ^S  als  viel- 
mehr „unter  Anrufung  des ''O^xo^  schworen ^S  ganz  wie  Juxy  noauddh^a 
dfivivau  Dieser  zweifellos  ursprfinglichen  Personifizierung  des ''O^xog  (ver- 
wandt mit  Orcus)  widmet  Verf.  eine  besonders  eingehende  Besprechung; 
daher  auch  das  hqwv  TviSXai  bei  SchoL  Theokr.  3,  22  gegen  Meineke  und 
seine  Nachfolger  verteidigt  wird  S.  164  Anm.  1.  Es  ist  nicht  blofs 
Qleichklang  des  Wortes,  wenn  Yeig.  Georg.  I  277  ff.  von  Orcus  spricht, 
wo  Hesiod.  W.  u.  T.  802  ff.  ^Oqxoq  sagt.  Verf.  vermag  einleuchtend  darzutun 
(bes.  S.  169 — 170),  dals  man  uralten  beim  Todesgott  schwur,  dals 
dieser  Schwur  der  erste  und  einzige  war  und  dais  in  weiterer  Entwicke- 
long  der  Geschichte  des  Wortes  8^xo$  dies  allmählich  die  Bedeutung  des 
Eidschwures  schlechthin  annahm.  —  Ein  dem  alten  Schwur  beim  Horkos 
synonymer  Eid  ist  auch  in  historischer  Zeit  bestehen  geblieben,  wenigstens 
in  der  Welt  der  Dichter.  Das  ist  eben  der  Schwur  bei  der  Styx,  die  zu 
den  Göttern  in  einem  ähnlichen  Verhältnis  steht,  wie  der  Horkos  zu  den 
Menschen.  Auch  hier  zeigt  sich,  wie  gerade  die  ältesten  und  heiligsten 
Eide  bei  den  Unterirdischen  geschworen  werden.  —  In  diesem  Abschnitte 
des  Buches  scheint  uns  der  Schwerpunkt  der  Untersuchung  zu  liegen. 

Der  Eid  bei  der  Styx  ist  ursprfinglich  als  ein  Gottesurteil  zu  erkennen 
nachHes.  Th.  760  ff.  (wenngleich  die  Übertragung  auf  menschliche  Verhält- 
nisse nicht  recht  deutlich  ist).  Man  kann  zwei  Arten  Gottesurteile  unter- 
scheiden: 1)  diejenigen,  in  denen  Gott  als  Schiedsrichter  zwischen  zwei  Par- 
teien angerufen  wird  (Losurteil  und  Eampfurteil),  2)  das  Wunder  (Bruch 
der  Naturgesetze)  als  Gottesurteil.  Ein  solches  Urteil,  nicht  ein  Gericht, 
ist  auch  das  Styxurteil.  Das  Ansehen  der  Gottesurteile  konnte  aber  bei 
einem  so  kritischen  Volke  wie  die  Griechen,  zumal  die  Athener,  sich 
nicht  lange  auf  der  Hohe  erhalten;  die  innere  Unvernunft  und  der 
nahe  gelegte  Mifsbrauch  brachte  sie  zu  Falle.  So  kommt  es,  dafs  in  der 
Zeit,  auf  die  das  Licht  der  Geschichte  fillt,  die  Nachrichten  darfiber 
fiberaus  spärlich  sind.  Ein  Schatten  hat  sich  erhalten  in  der  Folter  der 
Sklaven  und  im  Eide,  der  eben,  wie  ausgefUirt,  ursprflnglich  die  Be- 
deutung eines  Gottesurteils  hat,  wie  er  denn  wirklich  von  Plato  und 
Aristoteles  als  eine  x^/atg  ^aoCf  bezeichnet  wird.    Das  alte  Gottesurteil 


396  K«ae  Fliilologlsohe  Bnndieliaa  Nr.  14. 

▼erlor  die  Eörperliaftigkeit  des  Yerfiihrens,  tud  es  blieb  das  blofse  Wort. 
Der  alte  Styxeid  sank  vom  Oottesnrteil  herab  zum  blorsen  Eide,  behielt 
die  Bedeutung  der  Anmftang  eines  göttlichen  Zeugnisses;  anderseits  wurde 
iet  Eid  ftber  den  Kreis  der  Yersichernng  eiser  Tatsache  hinaus  übertragen 
auf  das  Gelöbnis  —  assertorischer  und  promissorischer  Eid  — ;  aber  der 
Ausdehnung  des  Qeltungsbereiches  ents^H^icht  eine  Abnahme  der  Kraft. 

Der  Schlufs  zeigt  einen  Ausblick  auf  die  spfttere  Zeit,  in  der  in 
anderer  Form  das  Gottesurteil  fortlebt.  Als  die  alten  Götter  ihre  Hilfe 
▼ersagten,  galt  es  den  Versuch  mit  dem  neuen  Gotte;  ihn  machten  die 
jugendlichen  Völker  der  German^. 

Da  das  Buch  durchweg  anf  gleichartige  Anschauungen  bei  anderen 
Völkern  und  in  anderen  Zeiten  Bezug  nimmt,  bietet  es  zugleich  einen 
lehnreichen  Beitrag  zur  Völkerpsychologie. 

Hanau.  O.  Waokermaui. 

179)  JnUxLB  Ackerknecht,  Wie  lehren  wir  die  neuen  Verein- 
fttchnngen  des  Französischen?  Abdruck  aus  der  Zeitschr. 
„Die  Neueren  Sprachen".     Marburg,  N.  G.  Elwert,  1902.  27  S.  8. 

J$  —.50. 
Selbst  anf  die  Ge&hr  hin,  in  dieser  Zeit  allgemeinen  Fortschritts, 
namentlich  auch  auf  dem  Gebiete  des  neusimchliehen  Dnterridits,  tBa 
rflckatftndig  angesehen  zu  werden,  möchte  ich  einige  Bemerkungen  über 
den  VereiBfaohungserlafs  des  französischen  ünterrichtsministers  und  fiber 
die  Bfiekwirkungen,  die  er  meines  Erachtens  auf  unsere  deutschen  Schulen 
auafthen  sdlte,  voraussenden.  Gflltigkeit  ffir  die  Franzosen  sowohl  wie 
ftr  die  Deutschen  hat  ja  nur  der  Erlafs  vom  26.  Februar  1901.  Es  ist 
aber  doch  recht  interessant,  iha  mit  dem  Mh^en  vom  31.  Juli  1900 
zu  vergleichen;  wohl  verstanden  nur  den  Erlafs,  nicht  die  angeffigte  Liste. 
Artikel  1  stimmt  in  beiden  fiberein  und  besagt,  dafs  die  Verstöfse  gegen 
die  Orthographie,  welche  in  der  angeffigten  Liste  anfgefihrt  sind,  den 
Prüflingen  nicht  als  Fehler  angerechnet  werden  sollen.  Diese  Verstölhe 
werden  mit  mildem  Ausdruck  als  tol^rances  bezeichnet,  ein  Ausdruck,  dessen 
Stammverwandte  äch  dann  noch  öfter  auch  in  der  Liste  wiederholen.  Also 
den  Prüflingen,  nnd  dann  wird  noch  hinzugefagt,  soweit  es  sich  um  Prfl* 
fongen  handelt,  die  vom  Unterrichtsministerium  angeordnet  sind:  dans 
les  eiamens  oo  a  concours  d^ndent  dn  Minist^re  de  rinstruetion  publique. 
Artikd  2  des  alten  Erlasses  ordnet  an,  dafs  die  Gebräuche  und  Vorschriften, 


)i 


^Noua  PhüologiMhe  Rmdichw  Nr>  14 WT 

welche  dem  im  Anlumge  an^eftUurten  toMrancee  zawider  smd«  in  der 
Sdmle  nicht  als  Begeln  gelehrt  werden  Collen.  Dies^  Artikel  2  ist  nwi 
in  cter  neuen  YerflDgüDg  nicht  enthalten.  Das  scheint  den  deutschen  ftbet'- 
eifrigen  Kommentatoren  der  französische  „Simplification^*  ganx  entgangen 
zu  sein,  denn  diese  Weglassung  sagt  doch  klipp  und  Uar^  dafs  die  bis- 
herigen Begeln  noch  nicht  abgeschafft  sind,  daTs  sie  noch  ihre  volle  Get 
tung  haben,  und  dafs  nur  einzelne  YerstOfse  gegen  sie  als  unerheblich 
„geduldet^*  werden  sollen,  und  zwar  dem  W<Nrtkut  der  Yerftgung  nach, 
nur  bei  den  Prüfungen  im  Bereich  des  Unterrichtsministeriums.  Demnach 
ist  der  französische  Erlafs  für  die  Lehrer,  nicht  ffir  die  Schfiler  gegeben, 
und  was  machen  nun  mandie  unserer  deutsehen  Schulmänner  aas  diesem 
einfitchen  Tatbestände?  Sie  erheben  das,  was  der  franeOsische  Minister 
nur  als  toldranoes  bei  Prfifungsarbeiten  bezeichnet,  zu  Begeln  und  wollen 
diese  flott  schon  in  die  deutschen  Schulen  einfahren.  Dies  Ver&hren 
halte  ich  für  ganz  verkehrt.  Wir  können  doch  nicht  französischer  sein 
als  die  Franzosen  und  nicht  ministerieller  als  der  Minister!  Madien  wir 
es  doch  auch  so.  Lehren  wir  ruhig  die  alten  Begeln  weiter  und  „tole- 
rieren'* wir  bei  der  Korrektur  unserer  Schülerarbeiten  -*  ich  konzediere 
s(^ar  bei  allen,  nicht  blols  bei  den  Prüfungsarbeiten  —  die  in  iet  Liste 
des  französischen  Ministers  als  „tdärances**  bezeichneten  Yerstöfte.  So 
haben  wir  es  am  Gymnasium  in  Görlitz  gehalten,  so  halten  wir  es  am 
Königlichen  Bealgymnasium  in  Erfurt,  und  so  wird  es  hoffentlich  auch  an 
mancher  anderen  Anstalt  gehalten.  Auch  ist  mir  bisher  noch  keine  Yer- 
fugung  unseres  preußischen  Ministeriums  zu  Gesicht  gekommen,  die  einen 
anderen  Standpunkt  anordnete.  Übrigei»  stellt  sich  auf  denselben  auch  Gustav 
Plötz  in  der  neuesten  Gymnasialausgabe  E  seines  Elementarbuches :  es 
gibt  die  alten  Begeln  im  Text  und  die  sogen.  Yereinfacfaungen  in  Anmer- 
kungen oder  in  Klammem.  —  Mit  dieser  Darlegung  will  ich  nun  nicht 
abschwören,  dafs  ich  nicht  später  einmal  einen  anderen  Standpunkt  ein- 
nehmen werde:  das  wird  aber  erst  geschehen,  wenn  die  Mehrzahl 
der  franzöcaschen  Sdirifteteller  in  Büchern  und  Zeitungen  die  in  dem 
übrigens  oft  recht  unklaren  Erlafs  (vgl  Ackerknecht  S.  14)  bisher  nur 
geduldeten Yereinfachungen  zu  Begeln  erhoben  haben  wird.  Ein  Minister  kann 
dergleichen  schwer  befehlen,  das  sehen  wir  doch  in  unserem  eigenen  Lande. 
Die  Zeitschrift,  in  der  Ackerknecht  fBr  die  nur  „tolerierte**  neue  französiscbe 
Orthographie  eine  Lanze  bricht,  kümmert  sich  in  der  von  ihr  beliebten 
Orthographie  um  die  durch  Yerordnung  des  preufsiachen  Ministers  angeerd- 


Nene  Fhilolof^he  BimdBchaii  Nr.  14. 


nete  deutsche  Orthographie  nicht.  Ein  seltaames  Schauspiel!  Und  nun 
noch  einige  Bemerkungen  zu  Ackerknechts  Buch,  das  ich  nach  dem  vorher 
Gesagten  fflr  verfirflht  ansehe  und,  nebenbei  bemerkt,  auch  fQr  zu  um&ng- 
reich.  Wenn  die  Schüler  alle  die  Regeln  darin  lernen  sollen,  so  bietet 
das  Buch  nicht  mehr  eine  „SimpIification^S  sondern  ist  ein  Ansatz  zur 
Überbürdung.  Fort  aus  unseren  deutschen  Lehrbüchern  mit  tme  aigle 
ramame,  deUces,  un  orgue,  une  atdomne,  orge  und  vielen  anderen  in  dem 
vorliegenden  Buche  besprochenen  Einzelheiten.  Das  mag  der  Schüler  lernen, 
wenn  das  Wort  als  Vokabel  in  der  Lektüre  einmal  vorkommt,  das  gehört 
aber  meines  Erachtens  nicht  in  eine  französisch -deutsche  Grammatik. 
Solche  Quisquilien  als  Begehi  pauken,  wäre  Bückschritt,  nicht  Fortschritt 
Anders  liegt  die  Sache  bei  gens.  Die  bisher  geltende  Begel,  deren 
Willkür  ich  gar  nicht  bestreite,  ist  trotzdem  eine  gute  Geistesübung  für 
unsere  Schüler  und  mufs  gelernt  werden,  da  sie  bei  allen  Schulautoren 
sich  noch  in  voller  Geltung  findet  und  aus  den  Dichtem  sich  auch  wohl 
niemals  hoffentlich  herausdichten  lassen  wird:  in  den  eigenen  Elaboraten 
der  Schüler  mag  man  ja  dann  das  Femininum  des  Adjektivs  überall  dul- 
den. Diesen  Standpunkt  hat  ja  nach  Ackerknechts  eigener  Angabe  auch 
Herr  Banderet,  sein  Kollege  französischer  Zunge,  den  er  um  Bat  gefragt 
hat,  nur  mit  Widerstreben  aufgegeben  (S.  4).  Auch  in  bezug  auf  den 
Teilungsartikel  „möchte  B.  die  alte  gebräuchlichere  Form  mit  blofsem 
de  —  vor  Adj.  —  nicht  vernachlässigt  wissen.  „Ganz  meine  Ansicht:  du 
bon  vin  mag  man  dulden,  de  bon  vin  soll  man  lehren  und  üben.  Und  nun,  um 
nur  noch  eins  zu  erwähnen,  das  Kapitel  der  Bindestriche!  Ackerknecht  be- 
spricht dort  alle  möglichen  Fälle,  in  denen  er  für  Weglassung  des  Binde- 
strichs kämpft,  obwohl  der  Erlafs,  der  gerade  hier  besonders  unvollständig 
und  ungründlich  ist,  diese  gar  nicht  erwähnt.  Ich  meine,  der  Bindestrich 
ist  soviel  Sorgfalt  gar  nicht  wert:  er  ist  doch  nur  fürs  Auge  da,  nicht 
fürs  Ohr,  hat  also  im  Leben  der  Sprache  nur  recht  geringe  Bedeutung. 
Es  kommt  da  recht  viel  auf  den  Geschmack  an,  wie  auch  ein  Blick  auf 
das  Englische  zeigt.  In  manchen  Fällen  möchte  ich  ihn  trotzdem  nicht 
entbehren.  Ich  kann  ai  je  gut  vertragen,  aber  nicht  a  t  üy  en  vaüä  t  ü. 
In  der  s.  Z.  von  Ackerknecht  vorgeschlagenen,  dann  aber  wieder  zurück- 
gezogenen Schreibung  at  il  sehe  ich  einen  guten  Ausweg;  aber  mit  Acker- 
knecht behaupte  ich,  da&  es  doch  nicht  die  Sache  von  uns  Deutschen  ist, 
die  Franzosen  ihre  Orthographie  zu  lehren.  Also  schreiben  wir  doch  ruhig 
arM\    Auf  weitere  Einzelheiten  mag  ich  nicht  eingehen,  ich  will  ja 


\ 


Neae  FhUologiaohe  BundiefaAQ  Nr.  14.  82^ 

nksht  den  Erlab,  sondern  Ackerknechts  Schrift  anzeigen,  and  da  hat  auf 
Einzelheiten  einzugehen  wenig  Zweck,  da  ich  eben  die  ganze  Schrift,  wie  ge- 
sagt, als  Lehranweisong  fBr  verfrfiht  halte.  Ein  Gutes  mofs  ich  ihr  aber 
nachrühmen:  sie  hat  gezeigt,  wie  wenig  yollstftndig,  gründlich  und  genau 
der  französische  Erlafs  ist,  wie  viele  Bedenken  er  dem  Philologen  in  seiner 
Akribie  err^,  und  Ackerknecht  sagt  selbst  S.  6:  „Meiner  ansieht  nach 
wird  daher  mit  der  vorliegenden  amtlichen  Verfügung  in  betreff  dieses 
Punktes  (Zusammenschreibung  zusammengesetzter  Hauptwörter)  —  und 
vielleicht  auch  bezüglich  anderer  punkte  —  noch  m'cht  das  letzte  wort 
gesprochen  sein.^*  Also  warten  wir  das  letzte  Wort  erst  ab.  Noch  etwas 
Äufserliches!  Die  vielen  Klammern,  runde  sowohl  als  eckige,  machen  die 
Lektüre  der  Schrift  Ackerknechts  recht  mühselig:  z.  B.  5]  (wie  bisher) 
un  anUamne  [bisweilen  (dichterisch)  une  automne]  oder:  36]  Für  das 
Yor  hauptwörtem  [sowie  in  gewissen  fällen  vor  eigenschaftswörtem  und 
vor  Ordnungszahlen  —  im  spracherlafs  nicht  aufgeführt]  und  vor  für<^ 
wOrtem  stehende  „es  (dies,  das)  ist'S  9« es  sind''  darf  —  sogar  vor  mehr- 
zahl  «a  hauptwörtem  [bzw. «-»  eigenschaf tswörtern  oder  «=  Ordnungszahlen] 
und  vor  mehrzahl  =  fClrwörtem  der  3.  person,  anstatt  ce  sant  ■—  stets  (fest 
gesetzt  werden  [selbstverständlich  auch :  es  war(en)  =sc'6taü  (statt  c^etaient) 
u.  dgL] 
Erfurt. 


180)  J.  Zlapperich,  London  old  and  new;  history,  monuments, 
trade,  govemment.  Mit  11  Abbildungen  und  einem  Plan  von 
London.    YIII  u.  112  S.  8.    Ologau,  Flemming,  1902. 

geb.  Ji  1.60. 
Das  Buch  bietet  in  27  Abschnitten  Skizzen  aus  der  Geschichte 
Londons,  Schilderungen  der  Hauptsehenswürdigkeiten  der  gegen wftrt^en 
Stadt  und  einiges  über  Handel  und  Verwaltung.  Fünfzehn  Stücke  sind 
aus  The  Story  of  London  (Arnold,  London),  je  drei  aus  Besant,  Histoiy 
of  London  und  London  past  and  present  (Blackie  and  Son,  London),  die 
flbr^en  aus  verschiedenen  Schriftsteilem,  Lesebüchern  u.  s.  w.  entnommen. 
Unter  den  Schulausgaben,  die  mit  den  Verhältnissen  Londons  bekannt 
machen  wollen,  gehört  diese  zu  den  besten.  Das  Buch  vermeidet  lang- 
weilige Aufisahlungen  und  hfilt  durch  kurze  Betrachtungen  oder  Hinweise 
auf  die  geschichtliche  Entwickelung  das  Interesse  wach.  Der  Heraus- 
geber empfiehlt  das  Buch  fQr  das  dritte  Schuljahr,  doch  werden  seiner 


390  Keoe  Phflologisehe  BimdBchaa  Nr.  14. 

Yetwendung  im  zweiten  kaam  Hindernisse  entgegenstehen,  vorausgesetzt, 
dafs  die  richtige  Auswahl  getroffen,  bezw.  die  richtige  Beihenfolge  be- 
obachtet wird.  Denn  des  Herausgebers  Bemerkung,  dab  auf  „Einheit- 
lichkeit in  Sprache,  Stil  und  Darstellung^*  Bedacht  genommen  sei,  ist  nicht 
«0  aufzufassen,  dab  alles  gleich  leicht  zu  verstehen  oder  zu  übersetzen 
wäre  (vgl.  z.  B.  Abschnitt  I  und  II  mit  YHI  oder  X).  Wie  wftre  das 
auch  möglich  bei  einem  Buch,  das  aus  neun  anderen  zusammengestellt  ist? 
tlbrigens  ist  es  auch  gar  nicht  nötig,  wenn  nur  die  Unterschiede  nicht 
gar  zu  grob  sind;  und  das  sind  sie  hier  nicht.  Die  Anmerkungen  sind 
kurz  und  bündig  und,  soweit  wir  sehen  konnten,  zuverl&fsig  und  voll- 
fitftndig.  Sie  enthalten  fast  nur  sachliche  Erläuterungen.  Von  den 
Abbildungen  sind  die  meisten  gut,  wenige  dürftig  (z.  B.  Tower,  West- 
minster  Abbey).  An  manchen  Stellen,  wo  eine  örtlichkeit  ausführ* 
lieber  geschildert  wird,  vermifst  man  die  Abbildung  (z.  B.  von  dem 
Innern  von  St.  Paul's,  Westminster  Hall,  Old  London  Bridge).  An  Un- 
genauigkeiten  wurden  nur  bemerkt  die  Trennung  bet-ween  auf  S.  66 
cmd  die  Schreibung  civilization  S.  2  neben  civilisation  S.  29.  Ein  Sonder- 
Wörterbuch  ist  nicht  vorhanden.  Druck  und  Ausstattung  sind  gut. 
Flensburg.  Adolf  HertiaK. 

181)  E.  Meier  und  B.  Afsmann,  Hilfsbücher  fOr  den  Unter- 
richt in  der  englischen  Sprache.    Ausgabe  fßr  Anstalten 
mit   dreijährigem   Kursus.    Teil  I:   Englischer   Lehrgang. 
Leipzig,   Dr.  Seele  &  Co.,   1902.    298  S.  u.  8  S.  Anhang.   8. 
Teil  II:   Englisches   Lesebuch.      Ebendaselbst.     229  S.  8 
und  eine  Karte. 
Teil  I:  Englischer  Lehrgang,  ist  nach  den  Grundsätzen  des 
direkten  Verfahrens  gearbeitet.    Das  Vorwort  (S.  1  u.  2)  gibt  Auskunft 
Ober  die  Anlage  und  Verwendung  des  Lehrbuches  sowie  über  die  Ver- 
teiluQg  des  granmaatischen  Stoffes  nebst  den  dazu  gehörigen  Übungen  auf 
drei  Schuljahre.  —  Die  Einleitung  (S.  3 --7)  handelt  kurz  und  sachlich 
über  Ausbreitung,  Wesen  und  Entwickelung  der  englischen  Sprache,  über 
Notwendigkeit  und  Nutzen  einer  guten  Aussprache,  über  die  englischen 
Sprachlaute  und  die  Lautschrift,  über  die  Sprechtätigkeit  des  Engländers 
und  den  Standpunkt  der  englischen  Orthographie  im  Vergleich  zur  heutigeii 
Aussprache  sowie  über  den  Gebrauch  der  grofsen  und  kleinen  englisdien 
Buchstaben. 


\ 


Neae  PhilalogiMhe  Bundflohaii  Nr.  14.     831 

Pröliminary  Lesaon  (8.  8—10)  bietet  die  Vorflbiing  zur  Einffthrang 
in  die  dem  Englischen  eigentOmlichen  Laute  und  die  dafftr  gebrauchten 
Lautzeichen  ohne  Verwendung  der  englischen  Orthographie«  Hierbei  scheint 
mir  die  Erklärung  der  Laute  „a^^  (sun),  „e^^  (girl),  „i]^'  (sing)  nicht  aus^ 
reichend. 

Die  Pronunciation  Exercices  (S.  11—32)  enthalten  in  12  lessons 
Stoff  aus  dem  Schulleben  und  nach  dem  Frühlingsbilde  mit  Aussprache- 
und  Sprechöbungen  in  Satzform.  Unter  jedem  in  englischer  Orthographie 
gedruckten  Satze  befindet  sich  die  dazu  gehörige  Lautschrift.  Fragen  zur 
Einübung  und  Befestigung  des  Lehrstoffes  oder  Sätze  zur  Einübung  gram- 
matischer Begeln  sind  nur  in  der  gewöhnlichen  Schreibweise  gedruckt. 
Überflüssig  scheint  mir  hier  die  Verwendung  der  Lautschrift  neben  der 
englischen  Orthographie.  Nachdem  die  Schüler  die  dem  Englischen  eigen- 
tümlichen Laute  in  einem  Lautkursus  eingeübt  haben,  müssen  sie  sich  an  die 
englische  Orthographie  gewöhnen,  bei  längerer  Beibehaltung  der  lautschrift 
ist  nämlich  leicht  Gefahr  vorhanden,  dafs  sie  diese  mit  der  gewöhnlichen 
Orthographie  verwechseln.  Im  übr^en  wollen  die  Verf.  diese  letztere 
auch  schon  zu  häuslichen  Schreibübungen  und  Umformungen,  zu  Diktaten 
und  Extemporalien  verwendet  wissen.  Weder  am  Anfang  noch  am  Ende 
jeder  dieser  Obungen  finden  sich  die  dem  Schüler  unbekannten  Ausdrücke 
zusammengestellt,  ihre  deutschen  Bedeutungen  sind  vielmehr  stets  den 
betreffenden  englischen  Wörtern  im  Texte  beigefügt.  Die  Schüler  müssen 
daher  jeden  neuen  Ausdruck  in  ihr  Präparationshefb  schreiben,  wobei 
«rfahrungsmäfsig  sich  leicht  und  oft  Fehler  einschleichen.  Em  Ende  jeder 
Lesson  werden  die  neuen  grammatischen  Erscheinungen  kurz  zusammen- 
gestellt und  an  englischen  Sätzen  durch  Umformen  oder  Ergänzen  ein- 
geübt, sodafs  der  Schüler  nach  Absolvierung  der  12  Lessons  bereits  einen 
beträchtlichen  Teil  der  Formenlehre  sich  zu  eigen  gemacht  hat. 

Auf  S.  33 — 50  folgen  dann  6  Beading,  Writing,  and  Orammar  Exer- 
cises.  In  diesen  erst  wird  die  Lautschrift  in  der  üblichen  Weise,  zur 
Angabe  der  Aussprache  fremder  Wörter,  verwendet.  Von  der  englischen 
Schreibweise  der  Wörter  ausgehend,  geben  die  Verf.  in  übersichtlicher 
und  knapper  Form  eine  Anzahl  allgemein  gültiger  Ausspracheregeln  unter 
Beifügung  zahlreicher  Beispiele  nebst  deutscher  Bedeutung. 

Die  Orammar  Exercises  (S.  51—212)  enthalten  den  grammatischen 
Stoff  nebst  Übungssätzen.  „Die  Spraehregeln  sind  nicht  auf  Orund  der 
Yeigleichung  mit  den  Ausdrucksmitteln  der  deutschen  Sprache  aufgestellt» 


Nene  Philologisdie  Buidaehaa  Nr.  14. 


Bondem  unter  Zübilfenahme  der  dem  ScbtUer  aas  dem  deutschen  und 
flremdspraoblichen  Unterrichte  geläufigen  grammatischen  Begriflfe/^  Die 
Verf.  kommen  dieser  Aufgabe  in  löblicher  Weise  nach,  die  Word-buildii^ 
Lessons  und  die  fibersicbtiiche  Gruppierung  der  unregelmäfsigen  Verben 
sind  dabei  besonders  wertvoll.  Nur  finde  ich  im  dritten  Teile  dieses  Ab- 
schnittes die  Satdehre  zu  eingehend  und  schematisch  bebandelt,  als  daf& 
sie  in  der  dazu  verfügbaren  Zeit  erschöpfend  behandelt  werden  konnte. 
Die  Verf.  nehmen  allerdings  ffir  das  2.  und  3.  Jahr  je  2  wOchentliehe 
Stunden,  die  Hälfte  der  wöchentlichen  englischen  Unterrichtsstunden,  zur 
Durcharbeitung  der  betreffenden  Pensen  ihres  Lehrganges  in  Ansprucht 
f&r  die  preufsischen  Bealgymnasien  aber,  denen  nur  3  Stunden  in  d«r 
Woche  zu  Gebote  stehen,  wäre  dies  nicht  angängig,  da  dann  fär  die 
Lektfire  zu  wenig  Zeit  übrig  bliebe.  Im  Anfange  dieser  Eiercises  werden 
zuerst  die  grammatischen  Regeln  aufgestellt,  darauf  folgen  die  Muster- 
beispiele, zuletzt  die  englischen  und  im  zweiten  Teile  dieses  Abschnitte» 
auch  die  deutschen  Übungssätze.  Wenn  zuerst  die  Mustersätze  kämen, 
dann  die  Regeln  folgten,  wfirde  mir  diese  Reihenfolge  vorteilhafter  er* 
scheinen.  Aufgabe  der  Schiller  ist  es,  die  vorangestellten  grammatischen 
Erscheinungen  durchweg  durch  Umformung  und  Ergänzung  der  englischen 
Übungssätze  einzuüben,  die  fast  durchweg  modernen  Schriftstellern  ent- 
nommen sind  und  daher  idiomatischen,  praktisch  verwertbaren  Sprachstoff* 
bieten.  Die  Übersetzung  der  deutschen  Sätze  soll  zur  Einübung  schwieriger 
syntaktischer  Erscheinungen  geschehen.  Der  Übungsstoff  ist  deswegen  so* 
reich  bemessen,  damit  dem  Lehrer  bei  Wiederholungen  noch  ein  Teil  der 
Beispiele  übrig  bleiben  soll  Dem  ersten  Jahre  ftllt  demnach  die  Ein- 
übung der  Aussprache,  der  Lese-  und  Schreibübungen  und  der  Konjugation 
(Eiercise  1 — 16),  dem  zweiten  der  Abschlufs  der  Formenlehre  (Exercise 
17—30)  und  dem  dritten  die  Einübung  der  Syntax  (Exercise  31—63)  zu. 
Den  Grammar  Exercises  folgen  die  Gomposition  Exercises  (S.  213 
bis  228),  die  nach  dem  Vorworte  „Stoff  zu  Sprechübungen  bieten  und  au 
die  Schüler  die  immerhin  nicht  leichte  Aufgabe  stellen,  den  ihnen  be» 
kannten  Stoff  in  fortlaufender  Darstellung  schriftlich  wiederzugeben,  ihn 
zu  erweitem  und  durch  eigene  Gedanken  zu  vertiefen*'.  Die  Schwierig* 
keit  dieser  Übungen  wird  jedoch  durch  Stellung  von  Fragen,  durch  An* 
gäbe  von  Wendungen  und  kürzeren  Sätzen  über  das  betreffende  Thema, 
oder  durch  kürzere  und  längere  Dispositionen  erheblich  vermindert.  Id 
diesem  und  dem  vorangehenden  Abschnitte  des  Lehrbuches  macht  sieb 


k 


Nene  PbilokgiBobe  BnndBchaa  Nr.  14.  8dl 

aber  das  Fehlen  eines  englisch-deutschen  Wörteirerzeichnisses  fühlbar,  so- 
dab  es  dem  Schfiler  nicht  möglich  ist,  za  Hanse  die  Bedeutung  neuer 
oder  ihm  entfallener  Ausdrücke  bequem  nachzuschlagen.  Manche  dieser 
Oomposition  Exercises  scheinen  mir  selbst  für  Schfiler  des  3.  englischen 
TJnterrichtsjahres  zu  schwer,  Ms  nicht  eine  gründliche  Yörbereitui^  der- 
selben in  der  Klasse  Torangeht.  Die  Lehrpiftne  verlangen  für  diese  Elassen- 
etufe  als  freie  Übungen  hauptsächlich  nur  nachahmende  Wiedergaben  von 
Gelesenem  oder  Vorerzähltem. 

In  den  Stoffen  zu  Übersetzungsübungen  (S.  229 — 262)  befolgen  die 
Verf.  mit  Becht  den  Grundsatz,  auf  die  elementarsten  Übersetzungen  zu 
verzichten  und  sogleich  an  das  auch  nach  den  neuen  Lehrplänen  geforderte 
Hinübersetzen  zusammenhängender  Stücke  zu  gehen.  Jedoch  dürfen  solche 
zusammenhängenden  Stücke  nicht  zu  schwer  sein  und  müssen  sich  möglichst 
an  die  Lektüre  oder  Sprechübungen  anschliefsen.  Dafs  diese  Übersetzungs- 
übungen des  Lehrganges  selbst  im  1.  Teile  dieses  Abschnittes  nicht  immer 
leicht  sind,  beweisen  schon  die  vielen  Übersetzungshilfen  innerhalb  des 
Textes  in  Gestalt  von  in  Klammern  befindlichen  englischen  Ausdrücken, 
deutschen  Umgestaltungen  und  grammatischen  Hinweisen.  Vorteilhafter 
wäre  es  auch  hier  gewesen,  die  dem  Schüler  unbekannten  Ausdrücke 
«inem  sich  anschliefsenden  deutsch -englischen  Wörterverzeichnis  zu  über- 
'weisen. 

Das  Vocabulary  (S.  263—281)  soll  für  alle  vorangegangenen  Übungen 
noch  ergänzendes  Material  zu  den  Sprechübungen  bieten  und  zur  plan- 
mäfsigen  Gewinnung  des  für  die  gesprochene  Sprache  unentbehrlichen  Wort- 
nnd  Phrasenschatzes  beitragen.  Es  enthält  den  Wortvorrat  für  das  Sommer-, 
Herbst-  und  Winterbild,  deren  Besprechung  nach  Vorbild  des  Fruhliogs- 
bildes  geschehen  soll,  sodann  noch  13  Gruppen  begrifflich  zusammen- 
gehöriger Wörter  und  Bedensarten  (Animals;  Trades;  The  Human  Body; 
€lothing  and  Toilet-making;  Stuffs;  Gollective  Nouns;  Tools,  Instruments 
and  Utensils;  Plauts;  Meals  and  Food;  Work  and  Gonduct;  Time  and 
Age;  The  State  and  Society),  die  in  den  ersten  30  Grammar  Exercises 
^ur  Durchnahme  gelangen  sollen. 

Hieran  schliefst  sich  eine  Liste  der  englischen  Herrscher  vom  Jahre 
1066  an,  sodann  folgen  Grundsätze  für  die  Verwendung  von  Satz- 
bildern als  Erklärung  für  die  im  zweiten  Teil  der  Grammar  Exer- 
dses  gebrauchten  schematischen  Abkürzungen  und  Satzbilder.  Eine  Liste 
4er  Verben  mit  präpositionalen   Ergänzungen,   eine  alphabetische  Liste 


384 Nene  PhilolpgJBche  Rnncbchaii  Nr.  14. 

der  starken  Verben  und  ein  Register  bilden  den  Scblufs  des  Lebrganges^ 
dem  als  Anhang  noch  11  Lieder  mit  Singnoten  beigefügt  sind.  Eine 
alphabetische  Liste  der  unregelmäfsig  schwachen  Verben  fehlt  jedoch;  da» 
Register  hätte  ausführlicher  sein  kOnnen. 

Mein  Schlnfsurteil  über  den  ,« englischen  Lehrgang**  geht  dahin,  dafä 
dieser  ein  äufserst  fleifsig  und  geschickt  abgefafstes  und  gut  ausgestal* 
tetes  Lehrbuch  ist,  dals  dieser  aber  seiner  ganzen  Anlage  nach  haupt- 
sächlich für  Anstalten  mit  dreijährigem  Kursus  pafst,  denen  mehr  al& 
drei  Unterrichtsstunden  wöchentlich  zu  Gebote  stehen  und  die  neben  dem 
Lehrgange  sich  eines  englischen  Lesebuches  bedienen. 

Teil  II:  Englisches  Lesebuch.  Es  zerfällt  in  zwei  Teile;  der 
erste  ist  erzählender  und  beschreibender  Art  und  enthält  auf  S.  1 — 1^ 
Anecdotes  and  Fahles,  auf  S.  14 — 25  Lesestficke  über  Nature  and  Seasons, 
auf  S.  26—44  solche  aus  dem  Every-Day  Life,  auf  S.  49 — 66  solche 
über  England  and  the  English  und  auf  S.  67—91  Tales.  Der  zweite  Teil 
bietet  Historisches  und  Literarisches.  Als  Anhang  findet  sich  noch  eine 
Ghronological  Table  of  Englisch  History  and  Literature  und  eine  Karte 
von  der  Umgebung  von  London.  Aus  dieser  Einteilung  und  noch  mehr 
aus  den  Überschriften  der  einzelnen  Lesestücke  ist  zu  erkennen,  dafs  die 
Auswahl  des  Lesestoffes,  der  stets  mustergiltigen  Autoren  entlehnt  ist, 
eine  zweckmäfsige,  mannigfaltige  und  umsichtige  ist  und  die  Einführung- 
der  Schüler  in  die  englische  Kultur-  und  Volkskunde  erstrebt.  Dafs  die 
Bemerkungen  am  Fufse  der  Seiten  nur  zu  Anfang  in  deutscher,  später 
fast  ausschliefslich  in  englischer  Sprache  gegeben  sind,  gereicht  dem  Lese- 
buche nur  zum  Vorteil.  Leider  sind  die  Gedichte  im  Inhaltsverzeichnisse 
S.  5  u.  6  nicht,  z.  B.  durch  ein  Sternchen,  kenntlich  gemacht. 

Das  englische  Lesebuch,  das  allen  an  ein  solches  gestellten  An* 
forderungen  gerecht  wird,  kann  daher  aufs  beste  empfohlen  werden. 

Lauenbnrg-Pommem.  H.  Nlemer. 

182)  Moritz  Trautmann,  Kleine  Lautlehre  des  Deutachen„ 

Französischen  und  Englischen.     Zweite   Hälfte.     Bonn, 

Verlag  von  Carl  Georgis  üniversitäts- Druckerei,    1903.    X  und 

S.  81—150.  8. 

Der  im  Jahre  1901  erschienenen  ersten  Hälfte  der  kleinen  Lautlehre 

ist  nunmehr  die  zweite  Hälfte  gefolgt.    Sie  bringt  die  Fortsetzung  der 


X 


Nene  Philologische  Bnndsobaa  Nr.  14.  a8& 

Darstellnng  der  Laute  des  Deutschen  und  die  Behandlung  der  französischen 
und  englischen  Vokale  und  Konsonanten. 

Das  Buch  ist  auch  in  seiner  zweiten  Hälfte  nichts  anderes  als  eine 
kürzere  Darstellung  des  Inhalts  von  T.s  gröfserem  Werk.  Wie  der 
Verf.  ausdrücklich  im  Vorwort  erklärt,  hat  fBr  ihn  kein  Anlafs  vorgelegen,, 
seine  vor  etwa  20  Jahren  geäufserten  Überzeugungen  zu  ändern. 

Auf  alle  Einzelheiten,  in  denen  T.  von  anderen  Phonetikern  abweicht,, 
einzugehen,  würde  zu  weit  führen.  Zur  Charakteristik  der  Stellung,  die 
der  Bonner  Gelehrte  auf  dem  (Gebiete  der  Phonetik  einnimmt,  verweise 
ich  auf  meine  Bemerkungen  in  dieser  Zeitschrift,  Jahrgang  1901,  S.  621,. 
wo  ich  über  den  ersten  Teil  des  Buches  berichtet  habe.  Nur  eins  sei 
hier  besonders  hervorgehoben.  T.  erklärt,  dafs  die  auslautenden  Vokale 
des  Französischen  im  tatsächlichen  Oebrauche  fast  alle  lang  oder 
mindestens  halblang  sind,  fügt  aber  gleich  darauf  hinzu,  dafs  z.  B.  das  a 
im  Zusammhang  mit  anderen  Worten,  wie  in  tas  de  choses  wirk- 
lich kurz  wird.  Ohne  mich  auf  namhafte  deutsche  Phonetiker  zu  berufen,, 
möchte  ich  doch  erwähnen,  dafs  auch  Zünd-Burguet,  ein  Schüler  des  be- 
kannten französischen  Experimentalphonetikers  Bousselot,  in  seinen  lehr- 
reichen Schriften  die  Vokale  im  Auslaut  für  kurz  erklärt  Auf  alle  Fälle 
haben  wir  Neusprachler  in  der  Praxis  des  französischen  Unterrichts  auf 
kurze  Aussprache  zu  halten,  weil  sonst  nach  deutscher  Weise  (er  ist  da!) 
sehr  leicht  Dehnung  eintritt,  die  der  Aussprache  eine  unfranzösische 
Färbung  verleiht. 

Das  Bestreben  des  Verf.,  fast  nur  deutsche  Fachausdrücke  zu  ge- 
brauchen, hat  eine  Bezeichnungsart  der  wissenschaftlichen  Ausdrücke  er- 
zeugt, die  manchem  gar  seltsam  vorkommen  wird  und  die  von  einigei^ 
Kritikern  als  eine  Schrulle  verurteilt  worden  ist.  Im  übrigen  aber  ver- 
dient die  klare,  präzise,  zuweilen  flott -burschikose  Art  der  Darstellung 
alles  Lob. 

Ich  empfehle  das  Buch  allen  Fachgenossen,  besonders  den  Kollegen, 
die  aus  irgend  welchem  Grunde  es  verabsäumt  haben  sollten,  das  gröfsere 
Werk  des  Verf.  eingehend  zu  studieren. 

Altona-Ottensen.  H.  Sohmldt, 


:886  Neve  PhilologiBohe  Bimdaehaii  Nr.  14. 

Vakanzen. 
Berlin,  Kadettenkorps,  Obl.  N.  Spr.   Kommando  des  E.K.  Berlin  SW.  11. 
Benthen,  BS.  Obl.  ev.  Bei.    Magistrat. 
Boelmiii,  OBS.  Obl.  l)  N.  Spr.;  2)  Math.    Bflrgermeister  Graff. 
Bortmund,  HMS.  Obl.  Bei.,  Deutsch  n.  Oesch.  Stftdt  Schnlkaratorinm. 
Jilberfeld,  BS.  Obl.  Math.  u.  Nat.    Kuratorium. 
Frankfurt  a.  M»,  BO.  Obl.  Deutseh,  Lat.,  Oesch.    Kuratorium. 
Oartz,  0.  Obl.  l)  Klass.  Phil.;  2)  Math.  u.  Phys.    Kuratorium. 
Ornnewald-Berlln,  BO.  Obl.  Nat.  Kuratorium. 
Helde^  BS.  Obl.  1)  N.  Sp.;  2)  Math.    Kuratorium. 
Herne,  Prg.  u.  BS.  Obl.  Klass.  Phil.    Kuratorium. 
Bemscheld,  HMS.  Obl.  Deutsch  u.  Oesch.    Dir.  Dr.  Stolze. 
Saelisenliausen,  BS.  Obl.  N.  Spr.    Kuratorium. 
Velbert,  BPrg.  Obl.  N.  Spr.    Dirig.  Obl.  Hinrichs. 
Wilmersdorf,  G.  Obl.  Franz.    Dir.  Coste. 

Paul  yeflf  Yerlag  (Carl  Bflchle)  In  Stuttgart 

JL   ■     JL   ■ 
In  nnserem  Verlag  ist  komplett  ersöhienen  die 

Zehnte  Auflage 

von 
Christoph  Fr.  Griebs 

Eniilisch-DBiitscfiBin  bbiI  DeBtsch-EnoliscIiBin  Würterlmcli 

mit  besonderer  Rücksicht  auf  Aussprache  und  Etymologie 

neu  bearbeitet  nnd  yermehrt 
von 

Dr.  Arnold  Schröer 

ord.  ProfeBBOT  an  der  HandelBhoohschnle  zn  Köln 
weil.  ord.  ProfeBsor  der  englischen  Philologie  an  der  Universität  Freibnrg  i.  B. 

160  Bogen  dreispaltiger  Satz  in  Gr.-Lex.  8». 

I.  Band:  ü.  Band: 

eleg.  in  Halbleder  geb.  M.  14.—    eleg.  in  Halbleder  geET  M.  12.— 

Was  die  Anordnnne  der  Wortbedeutungen  in  den  einzelnen  Artikeln  anlangt ,  so  ver* 
iährt  der  Heransgeber  hier  nach  einem  ebenso  wissenschaftlichen  wie  praktisch  wertvollen 
Grundsatz.  Br  bringt  methodische  Ordnung  in  die  verwirrende  Masse  der  Bedeutungen  dl« 
in  andern  Wörterbüchern  nicht  selten  planlos  und  mechanisch  aneinander  gereiht  sind.  Sein 
Bestreben  ist,  die  Grundbedeutungen  möglichst  verständlich  hervorzuheben  und  zu  erUftren 
und  daraus  die  anderen  abzuleiten. 

In  der  Tat  ein  mustergültiges  Werk  in  jeder  Beziehung,  eine  lezikalisohe  Leistnne 
ersten  Ranges. 

Dr.  J.  Hotpt,  ord  Professor  der  engl.  PhUologie  an  der  Unlvtrtltlt  Htidtlberi, 
im  LittfraturMatt  fOr  o§raianltob§  ini  rtaanitoht  Pbiioloolt. 

HT"  Zu  haben  in  allen  Buchhandlungen  "VB 

FOr  SelmleB  TergikMtmUgungeMk  bei  gleichzeitigem  Bezug  einer  grölteren  Anzahl 
von  Exemplaren. 

Fflr  dit  BadakUoB  Tenu&twortlieli  Dr.  E.  Liiwl|  in  Brentn 
Dnek  und  YtrUg  toa  Friedrich  Andrtss  PwÜim,  AktieDgeftliMkafl,  Gotha. 


). 


..^. 


-p^. 


■903 


Ck>tha,  25.  Juli.  Nr.  15,  Jahrgang  1903. 

Neue 

PhilologischeRundschau 

Herausgegeben  von 

Dr.  O.  Wagener  und  Dr.  E.  Ludwig 

in  Bremen. 

Erscheint  alle  14  Tage.  —  Preis  für  den  Jahrgang  8  Mark. 

Bestellongen  nehmen  alle  Bnchhandlnngen,  sowie  die  Postanstalten  des  In-  und  Anslandes  an. 

Insertionsgehflhr  fOr  die  einmal  gespaltene  Petitzeile  30  Pfg. 

Inhalt:  Bezensionen:  183)  Hugo  Magnus,  Die  Metamorphosen  des  Ovid 
(G.  Schüler)  p.  337.  —  184)  E.  Knaut,  Taciti  historiae.  I.  Bändchen  (Ed.Wolff) 
p.  339.  —  185)  B.  Romano,  La  critica  letteraria  in  Anlo  Gellio  (F.  Lnterbacher) 
p.  341.  —  186)  G.  Körting,  Latein.- Romanisches  Wörterbuch  p.  343.  — 
187)  T.  Montanari,  Ponto  per  ponto.  Dimostrazione  della  completa  assurditä 
di  tute  le  vecchie  ipotesi  intorno  alla  via  d'Annibale  dal  Rodano  al  Po  (T.  Lnter- 
bacher) p.  344.  —  188)  Paul  Rissen,  Histoire  sommaire  du  Commerce 
(P.  Weyel)p.  346.  —  189)  H.  Ludwig,  Latein.  Stilabungen  (E.  Krause)  p.347.  — 
190)  Morceanx  choisis  de  A 1  f r  e  d  d e  V  i g  n  y  (L.  Klinger)  p.  348.  —  191)  K.  Bö  b  m , 
Beiträge  zur  Kenntnis  des  Einflusses  Senecas  auf  die  in  der  Zeit  von  1552  bis 
1562  erschienen  französischen  Tragödien  (A.  Andrae)  p.  349.  ~  192)  E.  Hack- 
aufy  Die  älteste  mitteleugliscbe  Version  der  Assumptio  Mariae  (-tz-)  p.  351.  — 
193)George  Eliot  by  LesHeStephen(H.Hofföchulte)p.351.— 194)  Pr.Kürschner, 
200  englische  Geschäftsbriefe  (M.  Steffen)  p.  355.  —  195)  W.  Rein,  Encyklo- 
pädisches  Handbuch  der  Pädagogik  p.  356.  —  196)  W.  Lexis,  Die  Reform  des 
höheren  Unterrichts  in  Preufsen  (W.  Grosse)  p.  357.  —  197)  Meyers  Grofses 
Konversations-Lexikon  p.  359.  —  Anzeigen. 


183)  Hugo  Magnus,  Die  Metamorphosen  des  F.  Ovidius  Naso. 

Für  den  Schalgebrauch  erklärt.    II.  Bändchen.    Buch  VI— X. 

2.  Aufl.  Gotha,  Friedrich  Andreas  Perthes,  A.-G.,  1903.    VI  u. 

194  S.  8. 
Durch  seine  eingehenden  „Studien  zur  Überlieferung  und  Eritik  der 
Metamorphosen  Ovids"  hat  M.  för  die  Gestaltung  des  Textes  eine  neue 
und  erheblich  festere  Grundlage  hergestellt.  Die  Ergebnisse  seiner  sorg- 
fältigen Forschungen  sind  vor  allem  der  Neuauflage  des  vorliegenden 
Bändchens  zu  gute  gekommen,  die  der  ersten  Auflage  (1885)  gegenüber  einen 
ganz  bedeutenden  Fortschritt  bezeichnet.  Zunächst  hat  der  Text  eine 
grofse  Anzahl  Änderungen  und  Verbesserungen  erfahren.  Die  Abweichungen 
Tom  Texte  der  ersten  Auflage  sind  S.  m — vi  übersichtlich  zusammen- 
gestellt.   Leider  fehlt  jegliche  nähere  Angabe  über  die  Herkunft  der  neu- 


Verlag  der  WEIDMANNSCHEN  BUCHHANDLUNG  in  Berlin. 

Neuere  Terte  der  UassMen  Mologie  nnS  AltemoiswisseiiSGliafi. 

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Edidit  Ursulus  Philippus  Boissevain.  Vol.  III,  über  LXI— LXXX.  Xiphilini 
epitome  librorum  36—80.  Adiecta  sunt  specimina  phototvpica  tria  libri 
Vaticani  N.  1288.  gr.  S^  (XVIII  u.  800  S.)  Mk.  32.—.  Vol.  I  Mk.  24.—. 
Vol.  II  Mk.  28.—. 

Poetarum  Graecorum  Fragmenta  auctore  udairico  de  wiiamowitz- 

Moellendorff  coUecta  et    edita.    Vol.  III  faso.  prior:   Poetarum   pKilosophorum 

•     fragmenta  edidit  H.  Diels.     gr.  S^     (VIII  u.  270  S.)  Mk.  10.—.     Vol.  VI  fasc. 

1  Comicorum  Graecorum  fragmenta  ed  O.  Kaibel.    Vol.  I  fasc.  1.  gr.  8°.    (VIII 

und  256  S.)  geh.  M.  10.—. 

Der  MimUS*  Ein  litterar-ent wickelungsgeschichtlicher  Versuch  von  Hermann 
Reich.     I.  Bd.,  1.  u.  2.  Teil.    gr.  8^.  .    geh.  Mk.  24.-.- 

1.  Teil.     Theorie  des  Mimus.     (XII  u.  S.  1-413.) 

2.  Teil.     Entwickelungsgeschichte  des  Mimus.  (S.  414 — 900  mit  einer  Stammtafel.) 

Die  Tagesgötter  in  Rom  und  den  Provinzen.    Aus  der  Kultur 

des  Niederganges  der  Antiken  Welt  von  Ernst  Maass  Mit  30  Abbildungen, 
gr.  8^    (VII  u.  311  S.)  geh.  Mk.  10.—. 

Italische  Landeskunde  von  Heinrich  Nissen.  IL  Bd.  Die  Städte.  1.  u,  2. 
Hälfte,    gr.  8^.    (10O4  S.)  '  geh.  Mk.  15.-. 

I.  Bd.    Land  und  Leute,    gr.  8^.     1883.    (VIH  u.  566  S.)  geh.  Mk.  8.—. 

Der  Hannibalweg.  Neu  untersucht  und  durch  Zeichnungen  und  Tafeln  er- 
läutert von  Wilhelm  Oslander.  Mit  13  Abbildungen  und  drei  Karten,  gr.  8". 
(VIII  u.  204  S.)  geh.  Mk.  8,—. 

InSCriptioneS   latinae  Selectae.      Edidit   Hermannus  Dessau.      VoL  n. 

pars  I.     gr.  8".     (IV  u.  736  S.)  geh.  Mk.  24.-. 

Vol.  L     (VII  u.  580  S.)     1892.  geh.  Mk.  16.—. 


Druck  von  G.  Bernstein  in  Berlin. 


Neue  Philologische  Bnndschan  Nr.  15.  839 

aber,  die  zugleich  auch  Verbesserungen  sind,  werden  sicherlich  dem  Buche 
zu  den  bisherigen  Freunden  viele  neue  hinzuerwerben.  Die  erste  Auf- 
lage läfst  sich  neben  der  zweiten  ganz  bequem  weiter  gebrauchen. 

Wilhelmshayen.  O.  Sohfiler. 

184)  K.  Enaut,  Comelii  Tadti  Historiamm  libri  qui  supersunt. 
Für  den  Schulgebrauch  erklärt.  I.  Bändchen.  Buch  I.  Gotha, 
Friedrich  Andreas  Perthes,  1902.  IV  u.  102.  8. 
Kurz  nachdem  seine  Agricolaausgabe  in  zweiter  Auflage  erschienen, 
beginnt  En.  die  Gothaer  Sammlung  durch  eine  Bearbeitung  der  Historien 
des  Tacitus  zu  yervollständigen,  die,  nach  der  vorliegenden  Probe  zu  ur- 
teilen, ihrer  Bestimmung  ebenfalls  aufs  beste  entsprechen  wird.  —  Der 
lateinische  Text  ist  im  ganzen  nach  Halms  letzter  Bezension  gestaltet, 
fär  manche  Stellen  hat  En.  aus  den  Lesarten  anderer  Ausgaben  eine  gute 
Auswahl  getroffen;  mit  Vorteil  sind  auch  Andresens  paläographische  Unter- 
suchungen (Progr.  des  Askan.  Gym.  Berlin  1899  u.  1900)  berücksichtigt 
worden;  so  liest  der  Herausg.  68,  12  infesto  agmine,  84,  6  td  confusi; 
warum  nicht  auch  39,  4  redire  .  .  .  petere?  51,  11  mufste,  ebensowohl 
wie  21,  5,  geschrieben  werden  rursws.  Andresens  wohlbegründete  Vor- 
schläge zu  71,  9  und  74,  3  mögen  En.  doch  noch  allzu  kühn  erschienen 
sein.  15,  22  würde  ich  blanditia  et  (Quintilian  hat  nur  den  Sing.!) 
und  55,  16  den  blofsen  Abi.  suggestu  beibehalten  haben. 

Die  Einleitung  (S  1  — 10)  besteht  aus  einer  gedrängten  „Vorgeschichte", 
einem  Abschnitt  über  die  Abfassung  der  Historien  und  „Sprachlichen  Be- 
merkungen'S  die  natürlich  nur  auf  die  wichtigsten  Eigenheiten  des  taci- 
teischen  Stils,  unter  Anführung  von  Beispielen,  aufmerksam  machen  und 
als  Anknüpfungspunkte  für  weitere  Belehrung  dienen  sollen.  Die  zweite 
dieser  Bemerkungen:  „Das  zusammengesetzte  Verbum  wird  statt  des 
einfachen  gebraucht'S  kann  ich  in  solcher  Form  nicht  ohne  weiteres 
gelten  lassen,  am  wenigsten  in  bezug  auf  die  drei  angeführten  Beispiele; 
denn  exosculari  steht  I  45,  3  und  II  49,  15  in  sehr  verstärkter  Be- 
deutung =  zerküssen,  brünstig  küssen,  etwa  wie  (manus)  osculis  conterere 
(Sen.  ep.  118,  3);  expostulare  hat  namentlich  I  45,  8  den  besonderen 
Sinn:  die  Auslieferung  fordern;  an  anderen  Stellen  ist  es  ein  nachdrück- 
liches, stürmisches  postulare.  Ementiri  endlich  findet  sich  dreimal  bei 
Tacitus:  II  42,  2  exeToitum  ementiretur;  2,  66,  5  mortem  sponte  sump- 
tffm  ementitur;  13,  47,  10  auctorem  eins  doli  SuUam  ementitur  —  und 


340  Nene  PhilologiBche  Eündschan  Kr.  15. 

in  diesen  drei  Fällen  ist  wohl  für  die  Wahl  des  Eompositams  die  Bflck- 
sieht  auf  den  Wohlklang  mitbestimmend  gewesen.  Vgl.  tantam  rem 
ementiare  (Gic.)  und  tantam  rem  est  mentitus  (SalL).  Dafs  das  Simplex 
bei  Tacitus  überhaupt  nicht  vorkommmt,  mufs  demnach  als  etwas  Zu- 
fälliges betrachtet  werden.  —  Auch  die  Bemerkung  Nr.  10.  b)  „Adjek- 
tiva  werden  passivisch  statt  aktivisch  gebrauchtes  trifft  für  34,  7  credulus 
und  II  101,  8  lubricus  meines  Erachtens  nicht  zu. 

Der  Kommentar,  durch  zusammenfassende  Inhaltsangaben  übersicht- 
licher gemacht,  bringt  in  leicht  fafslicher  Sprache  die  erforderlichen  Er- 
klärungen uod  Winke,  diese  zuweilen  in  geschickter  Frageform;  er  gibt 
Besultate  tüchtiger  Studien  und  ist  in  vieler  Hinsicht  reich  an  feinen 
Beobachtungen.  Passende  Zitate  aus  Dichtern,  namentlich  aus  Horaz, 
werden  zur  Illustration  eingestreut;  so  läfst  sich  für  die  wundervolle 
Selbstironie  „post  fortunam  credidimus*'  (10,  15)  kaum  eine  bessere  Pa- 
rallele finden  als  Hör.  carm.  HI  5,  1  Gaelo  tonantem  credidimus  regnare 
lovem!  Die  Übersetzung:  „erst  (so  auch  Both)  nach  seiner  Thronbestei- 
gung^' bringt  übrigens  meioes  Erachtens  jene  Ironie  nicht  fein  genug  zum 
Ausdruck;  die  Zeitpartikel  mufs  fortbleiben.  —  Simplicissime  15, 24  wird 
durch  den  Gegensatz  duplex  ülixes  (Hör.  carm.  I  6,  7),  die  Art  der 
„adoratio''  (36,  11)  durch  eine  Pliniusstelle  gut  kommentiert;  bei  15,  18 
secundae  res  ...  corrumpimur  erinnert  En.  an  Goethes  Sentenz  „Alles 
in  der  Welt  läfst  sich  ertragen,  nur  nicht  eine  Beihe  von  guten  Tagonis 
Derartige  Hinweisungen  auf  Aussprüche  gedankenreicher  römischer  wie 
deutscher  Dichter  drängen  sich  ja  überall  bei  der  Lektüre  des  Tacitus 
geradezu  auf.  Eu.  versäumt  aber  auch  nicht,  wiederholt  daran  zu  erinnern, 
mit  welchen  rhetorischen  Mitteln  der  Schriftseiler  seine  Schilderung  be- 
lebt, wie  er  z.  B.  Eap.  45 — 47  den  plötzlichen  Umschwung  in  der  Volks- 
stimmung, nach  dem  Erfolg  des  Verbrechens,  anschaulich  zu  machen  weifs. 
Der  taciteischen  Breviloquenz  und  anderen  stilistischen  Eigentümlichkeiten 
wird  ebenfalls  im  Eommentar  die  nötige  Beachtung  gewidmet.  Vom 
pädagogischen  Standpunkt  aus  dürfte  kaum  eine  dieser  Art  von  An- 
merkungen als  überflüssig  erscheinen;  hin  und  wieder  vermisse  ich  eine 
Erläuterung  oder  einen  Wink  für  den  Schüler;  so  werden  die  Eingangs- 
worte des  Eap.  8  Et  hie  (=  tam  varius,  diversus) .  . .  multitudine,  inhalt- 
lich erst  völlig  klar  durch  einen  Hinweis  auf  Eap.  4:  varios  motus  ani- 
morum  . . .  patres  laeti,  primores  equitum ,  pars  populi  clientes  libertique 
plebs  sordida,  miles  urbanus  sqq.;  17,  1  liegt  die  Frage  nahe,  welcher 


Nene  Philologische  KnndBchan  Nr.  15.  341 


Kasus  intuentibus  sei;  vgl.  27,  8  requirentibus;  48,  4  ad  hoc  in  der 
besonderen  Bedeutung  „dazu,  daffir^S  fast  wie  6,17,  2;  sonst  regelmäfsig 
bei  Tac.  „ überdies ^^  49,  14  metus  temporum  ostentui,  wie  so?  — 
Nicht  ganz  zutreffend  gibt  En.  13,  11  incuriose  durch  „fahrlässig*'  wieder, 
statt  durch  „leichtsinnig".  27,  8  praedia  „ein  Landgutes  richtiger: 
„ein  Landhaus",  nicht  nur  wegen  Sueton  und  Plutarch  (G.  24),  son- 
dern auch,  weil  die  gewählten  Stichworte  höchst  wahrscheinlich  doppel- 
sinnig gemeint  waren.  An  das  „verdächtig  baufällige  alte  Haus"  mufste 
ich  denken,  als  ich  las,  dafs  seiner  Zeit  Orsinis  Mitverschworenen  die 
Parole  „acheter  une  maison"  ffir  „tuer  Tempereur"  gegolten  habe.  — 
Zu  31,  10  adulta  konnte  wohl  auf  Cicero,  Gat.  I  12,  30  tarn  adulta  rei 
publicae  pestis,  zu  34,  1  speciosiora  suadentibus  mit  Fug  auf  Livius  22, 
3,  8  hingewiesen  werden:  salutaria  magis  quam  speciosa  suadentibus.  — 
35,  7  turbae  (=  a  turba)  mit  levaretur  zu  verbinden,  halte  ich  fEir  un- 
richtig; nicbt  von  der  hereindringenden  Menge  liefs  sich  O.  forttragen, 
vielmehr  von  seinen  gewöhnlichen  Sesselträgern;  fehlte  doch  bei  seinem 
Auszuge  auch  die  Leibkohorte  als  Begleitung  nicht  (41,  1  comitatae  G. 
cohortis).  —  Als  lapsus  calami  oder  Druckversehen,  die  sich  übrigens  von 
selbst  verbessern,  notiere  ich  schliefslich :  Einl.  S.  3  Z.  15  v.  u.  und 
Komm,  zu  1,  15  1.  odio  st.  studio,  Komm,  zu  6,  5  1.  formidolosus,  6,  10 
materia,  7,  6  implevit,  17,  10  retinentis,  27,  15  gaudiis,  60,  5  Coniunct. 
Perf.;  36,  11  ist  die  Anm.  zu  non  desum  umzustellen. 

Frankfurt  a.  M.  Eduard  Wolff. 

185)  Benedetto  Romano,  La  oritica  letteraria  in  Anlo  Oellio. 

Torino,  Ermanne  Loescher,  1902.  VIII  u.  118  S.  8.  2  Lire. 
Im  2.  Jahrb.  trat  in  der  römischen  Literatur  ein  rascher  Verfall  der 
Sprache,  des  Stils  und  der  Eunstformen  ein.  Fronte  und  die  Kritiker 
seiner  Schule  bemühten  sich,  sie  wieder  zu  beleben  oder  doch  ihren  Nieder- 
gang aufzuhalten.  Ein  Spiegelbild  ihrer  literarischen  Kritik  bieten  uns 
die  Noctes  Atticae  des  Gellius,  in  denen  sprachliche,  grammatische,  lite- 
rarische, philosophische,  historische  Notizen  in  buntem  Wechsel  durchein- 
ander gehen.  Wenn  also  die  wissenschaftliche  und  künstlerische  Gliede- 
rung, welche  das  Werk  des  grofsen  Kritikers  Quintilian  auszeichnet, 
dem  Buche  des  Gellius  fehlt  und  es  so  schon  äufserlich  den  Stempel 
einer  Zeit  des  Verfalles  an  sich  trägt,  so  hat  es  für  uns  doch  einen 
grofsen  Wert,   indem  es  uns  zeigt,   welchen  Beichtum  an  literarischen 


340  Neue  Philologische  Eündschan  Kr.  15. 

in  diesen  drei  Fällen  ist  wohl  für  die  Wahl  des  Eompositams  die  Bück- 
sicht auf  den  Wohlklang  mitbestimmend  gewesen.  Vgl  tantam  rem 
ementiare  (Gic.)  und  tantam  rem  est  mentitus  (Sali.).  Dafs  das  Simplex 
bei  Tacitus  überhaupt  nicht  vorkommmt,  mufs  demnach  als  etwas  Zu- 
fälliges betrachtet  werden.  —  Auch  die  Bemerkung  Nr.  10.  b)  „Adjek- 
tiva  werden  passivisch  statt  aktivisch  gebrauchtes  trifft  für  34,  7  crednlus 
und  II  101,  8  lubricus  meines  Erachtens  nicht  zu. 

Der  Kommentar,  durch  zusammenfassende  Inhaltsangaben  übersicht- 
licher gemacht,  bringt  in  leicht  fafslicher  Sprache  die  erforderlichen  Er- 
klärungen und  Winke,  diese  zuweilen  in  geschickter  Frageform;  er  gibt 
Besultate  tüchtiger  Studien  und  ist  in  vieler  Hinsicht  reich  an  feinen 
Beobachtungen.  Passende  Zitate  aus  Dichtern,  namentlich  aus  Horaz, 
werden  zur  Illustration  eingestreut;  so  läfst  sich  für  die  wundervolle 
Selbstironie  „post  fortunam  credidimus"  (10,  15)  kaum  eine  bessere  Pa- 
rallele finden  als  Hör.  carm.  III  5,  1  Caelo  tonantem  credidimus  regnare 
lovem!  Die  Übersetzung:  „erst  (so  auch  Roth)  nach  seiner  Thronbestei- 
gung'' bringt  übrigens  meines  Erachtens  jene  Ironie  nicht  fein  genug  zum 
Ausdruck;  die  Zeitpartikel  mufs  fortbleiben.  —  Simplicissime  15,24  wird 
durch  den  Gegensatz  duplex  ülixes  (Hör.  carm.  I  6,  7),  die  Art  der 
„adoratio*'  (36,  11)  durch  eine  Pliniusstelle  gut  kommentiert;  bei  15, 18 
secundae  res  ...  corrumpimur  erinnert  En.  an  Goethes  Sentenz  „Alles 
in  der  Welt  läfst  sich  ertragen,  nur  nicht  eine  Reihe  von  guten  Tagen''. 
Derartige  Hinweisungen  auf  Aussprüche  gedankenreicher  römischer  wie 
deutscher  Dichter  drängen  sich  ja  überall  bei  der  Lektüre  des  Tacitus 
geradezu  auf.  Eu.  versäumt  aber  auch  nicht,  wiederholt  daran  zu  erinnern, 
mit  welchen  rhetorischen  Mitteln  der  Schriftseller  seine  Schilderung  be- 
lebt, wie  er  z.  B.  Eap.  45 — 47  den  plötzlichen  Umschwung  in  der  Volks- 
stimmung, nach  dem  Erfolg  des  Verbrechens,  anschaulich  zu  machen  weifs. 
Der  taciteischen  Breviloquenz  und  anderen  stilistischen  Eigentümlichkeiten 
wird  ebenfalls  im  Eommentar  die  nötige  Beachtung  gewidmet.  Vom 
pädagogischen  Standpunkt  aus  dürfte  kaum  eine  dieser  Art  von  An- 
merkungen als  überflüssig  erscheinen;  hin  und  wieder  vermisse  ich  eine 
Erläuterung  oder  einen  Wink  für  den  Schüler;  so  werden  die  Eingangs- 
worte des  Eap.  8  Et  hie  (=  tam  varius,  diversus) .  . .  multitudine,  inhalt- 
lich erst  völlig  klar  durch  einen  Hinweis  auf  Eap.  4:  varios  motus  ani- 
morum  . . .  patres  laeti,  primores  equitum ,  pars  populi  clientes  libertique 
plebs  sordida,  miles  urbanus  sqq.;  17,  1  liegt  die  Frage  nahe,  welcher 


Nene  Philologische  KnndBchan  Nr.  15.  341 

Kasus  intuentibus  sei;  vgl.  27,  8  reqnirentibus;  48,  4  ad  hoc  in  der 
besonderen  Bedeutung  „dazu,  dafflr^S  fast  wie  6, 17,  2;  sonst  regelmäfsig 
bei  Tac.  „ überdies '\  49,  14  metus  temporum  ostentui,  wie  so?  — 
Nicht  ganz  zutreffend  gibt  En.  13,  11  incuriose  durch  „fahrlässig**  wieder, 
statt  durch  „leichtsinnig**.  27,  8  praedia  „ein  Landgut**,  richtiger: 
„ein  Landhaus**,  nicht  nur  wegen  Sueton  und  Plntarch  (G.  24),  son- 
dern auch,  weil  die  gewählten  Stich  werte  höchst  wahrscheinlich  doppel- 
sinnig gemeint  waren.  An  das  „verdächtig  baufällige  alte  Haus**  mufste 
ich  denken,  als  ich  las,  dafs  seiner  Zeit  Orsinis  Mitverschworenen  die 
Parole  „acheter  une  maison**  ffir  „tuer  Temperenr**  gegolten  habe.  — 
Zu  31,  10  adulta  konnte  wohl  auf  Cicero,  Gat.  I  12,  30  tarn  adulta  rei 
publicae  pestis,  zu  34,  1  speciosiora  suadentibus  mit  Fug  auf  Livius  22, 
3,  8  hingewiesen  werden:  salutaria  magis  quam  speciosa  suadentibus.  — 
35,  7  turbae  (=  a  turba)  mit  levaretur  zu  verbinden,  halte  ich  fflr  un- 
richtig; nicht  von  der  hereindringenden  Menge  liefs  sich  O.  forttragen, 
vielmehr  von  seinen  gewöhnlichen  Sesselträgern;  fehlte  doch  bei  seinem 
Auszüge  auch  die  Leibkohorte  als  Begleitung  nicht  (41,  1  comitatae  G. 
cohortis).  —  Als  lapsus  calami  oder  Druckversehen,  die  sich  übrigens  von 
selbst  verbessern,  notiere  ich  schliefslich :  Einl.  S.  3  Z.  15  v.  u.  und 
Komm,  zu  1,  15  L  odio  st.  studio,  Komm,  zu  6,  5  1.  formidolosus,  6,  10 
materia,  7,  6  implevit,  17, 10  retinentis,  27,  15  gaudiis,  60,  5  Goniunct. 
Perf.;  36,  11  ist  die  Anm.  zu  non  desum  umzustellen. 

Frankfurt  a.  M.  Eduard  Wolff. 

185)  Benedetto  Romano,  La  oritica  letteraria  in  Anlo  Oellio. 

Torino,  Ermanne  Loescher,  1902.  YIII  u.  118  S.  8.  2  Lire. 
Im  2.  Jahrh.  trat  in  der  römischen  Literatur  ein  rascher  Verfall  der 
Sprache,  des  Stils  und  der  Eunstformen  ein.  Fronte  und  die  Kritiker 
seiner  Schule  bemflhten  sich,  sie  wieder  zu  beleben  oder  doch  ihren  Nieder- 
gang aufzuhalten.  Ein  Spiegelbild  ihrer  literarischen  Kritik  bieten  uns 
die  Noctes  Atticae  des  Gellius,  in  denen  sprachliche,  grammatische,  lite- 
rarische, philosophische,  historische  Notizen  in  buntem  Wechsel  durchein- 
ander gehen.  Wenn  also  die  wissenschaftliche  und  künstlerische  Gliede- 
rung, welche  das  Werk  des  grofsen  Kritikers  Quintilian  auszeichnet, 
dem  Buche  des  Gellius  fehlt  und  es  so  schon  äufserlich  den  Stempel 
einer  Zeit  des  Verfalles  an  sich  trägt,  so  hat  es  fflr  uns  doch  einen 
grofsen  Wert,   indem  es  uns  zeigt,   welchen  Beichtum  an  literarischen 


342  Neue  Philologische  Bundschan  Nr.  15. 

Schätzen  man  damals  noch  besafs,  und  uns  viele  Proben  aus  unter- 
gegangenen Schriften  erhalten  bat.  Eine  Schrift  über  Oellius  hat  also 
ein  gewisses  Interesse. 

Oellius  hatte  zu  Lehrern  den  Sulpicius  ApoUinaris,  Antonius  Julianus, 
T.  Castricius  und  den  Philosophen  Favorinus;  durch  sie  wurde  er  auch 
bei  Fronto  eingeführt.  Die  Schule  des  letzteren  befafste  sich  nicht  streng 
mit  Bhetorik  oder  sachlicher  Kritik,  sondern  mehr  mit  dem  Wortschatz 
und  Stil.  Die  Ausdehnung  des  Beiches  hatte  die  Aufnahme  neuer  Wörter 
und  Wendungen  in  die  Sprache  und  Literatur  herbeigeführt;  die  Fronto- 
nianer  bevorzugten  das  reine,  archaische  Latein.  Namentlich  verwarfen 
sie  das  Übermafs  bildlicher  Wortanwendungen,  durch  welche  die  Präzision 
der  Sprache  litt;  so  mifsbilligt  Oellius  die  Redensart  superesse  alicui  statt 
causam  alicuius  defendere. 

Im  besonderen  erörtert  Romano  die  Ansichten  und  urteile  des  Oellius 
über  die  Bedekunst,  Oeschichtschreibung,  dramatische,  epische  und  lyrische 
Poesie.  Er  schildert  die  attische  und  asiatische  Bedegattung,  die  Vorzüge 
und  Mängel  der  Beredsamkeit  des  alten  Cato,  des  C.  Oracchus,  Cicero  und 
Seneca  und  führt  die  urteile  des  Oellius  über  sie  vor.  Neben  Cicero 
schätzt  dieser  Gates  Beden  hoch  und  weist  die  von  Tiro  gegen  Catos 
Bede  für  die  Bhodier  erhobenen  Ausstellungen  geschickt  zurück. 

Die  stilistisch  gewandten  Oeschichtschreiber  der  Kaiserzeit,  Livius 
und  Tacitus,  wurden  von  den  Frontonianern  ignoriert.  Sie  waren  begeistert 
für  die  einfache  und  kunstlose  Erzählung  des  Claudius  Quadrigarius  mit 
ihren  wirksamen  Archaismen  und  für  die  moralisierende  und  archaisch 
gefärbte  Darstellung  des  Sallust.  Auch  Catos  Origines  und  Gäsars  Kom- 
mentare übergeht  Oellius  mit  Schweigen;  von  Nepos  dagegen,  der  die  alte 
Sittenstrenge  der  Verderbnis  seiner  Zeit  gegenüberstellte,  erwähnt  er  vier 
Werke.  Bomano  meint,  der  lateinische  Fabius  sei  blofs  eine  Übersetzung 
des  griechischen;  aber  nach  der  Art,  wie  Cicero  den  Pictor  anführt,  war 
er  ein  selbständiger  Autor,  wenn  auch  der  griechische  Fabius  seine  Haupt- 
quelle sein  mochte. 

Bomano  schildert  die  römischen  Dichter  der  Beihe  nach,  bespricht 
ihre  griechischen  Vorbilder  und  führt  die  Angaben  des  Oellius  über  beide 
vor.  Über  Menander  urteilt  Oellius  treffender  als  über  die  Bömer,  bei 
denen  er  hauptsächlich  sprachliche  und  grammatikalische  Einzelheiten 
hervorhebt.  Die  Lyriker  Horaz  und  Ovid  ignoriert  er  bomierterweise  und 
schätzt  Catull   und   ältere  Dichter   übermäfsig.    Als  Epiker  wird  Virgil 


I 


Neue  Philologische  Bandschaa  Nr.  15.  343 

geziemend  gewfirdigt;  mit  Ennios  trieben  die  Frontonianer  einen  wahren 
Kultus.  In  der  EomOdie  schätzt  Oellins  mit  Becbt  den  Plantus  am 
höchsten;  in  der  Tragödie  weist  er  dem  Pacnvius  den  ersten  Platz  an. 
In  der  Togata  lobt  er  den  Afranins,  in  der  Atellana  den  Novius  und 
Pomponius;  im  Mimus  entschuldigt  er  die  frechen  Wortbildungen  und 
Solöcismen  des  Laberius  mehr  als  nötig  ist.  —  Aufgefallen  ist  mir  die 
übliche  Erklärung  von  Virg.  Aen.  VI,  763  Süvius,  Älbanum  nomen,  tua 
posiuma  proles,  quem  tibi  longctevo  serum  Lavinia  coniunx  educet  sihis. 
Die  Behauptung  des  Caeselius  Vindex:  „postuma  proles  non  eum  signi- 
ficat,  qui  patre  mortuo,  sed  qui  postremo  loco  natus  est'*  ist  unwahr. 
Sie  setzt  zudem  voraus,  dafs  Virgil  hier  der  allgemeinen  Überlieferung 
entgegentrat,  und  ffihrt  zu  dem  Unsinn,  dafs  Lavinia  zu  Lebzeiten  des  Äneas 
im  Walde  gehauset  habe.  Also  mufs  man  tibi  hngaevo  mit  coniunx 
verbinden:  Lavinia,  die  Gattin  deines  Alters. 

Burgdorf  bei  Bern.  P.  Lnterbaoher. 

186)  Gustav  Körting,  Lateinisch -Bomanisches  Wörterbuch. 

Zweite  vermehrte  und  verbesserte  Ausgabe.   Paderborn,  Ferdinand 

Schöningh,  1901.  VII  u.  1252  Sp.  4. 
Die  erste  Auflage  dieses  ausgezeichneten  Wörterbuches  ist  in  dieser 
Zeitschrift  (Jahrg.  1890,  S.  269f  und  weiterhin  Jahrg.  1892,  S.  311)  an- 
gezeigt worden.  Dafs  schon  nach  verhältnismäfsig  so  kurzer  Zeit  eine 
neue  Auflage  nötig  geworden  ist,  beweist  am  besten,  einem  wie  grofsen 
Bedürfnis  das  Buch  entgegengekommen  ist.  In  der  Tat  leistet  das  Lexikon 
zunächst  der  Romanischen  Wortforschung  die  trefTlichsten  Dienste  durch 
die  Beichhaltigkeit  seines  Materials,  das  in  sehr  zweckmäfsiger  Anordnung 
katalogisiert  ist,  durch  die  ansprechende  und  verständige  Entwickelung  seiner 
Ableitungen,  durch  die  Zuverlässigkeit  der  Beläge  und  die  ausgiebige  An- 
führung der  wichtigsten  einschlägigen  Literatur.  Dafs  auch  der  Latinist 
sich  mit  Vorteil  dieses  Registers  bedienen  kann,  sei  es  um  Auskunft  über 
die  Quantität  eines  lateinischen  Wortes  aus  der  romanischen  Praxis  zu 
erhalten,  oder  um  Schlüsse  auf  ehemalige  Existenz  eines  literarisch 
nicht  mehr  zu  belegenden  Wortes  oder  einer  Form  im  Latein  zu  ziehen, 
ist  hier  s.  Z.  schon  ausgeführt  worden.  Für  das  Studium  des  alten  wie 
des  Vulgärlateins,  für  die  Beschäftigung  mit  dem  Mittellatein  wie  mit  den 
glossographischen  Sammlungen  gibt  das  Wörterbuch  Körtings  manchen 
Anhalt  und  Wink. 


344  Nene  Philologische  RnndBchan  Nr.  15. 

Gegen  die  erste  Auflage  weist  diese  zweite  eine  nicht  unerhebliche 
Vermehrung  des  Stoffes  auf,  insofern  die  Summe  der  Stichworte  um  mehr 
als  1500  zugenommen  hat  und  auch  innerhalb  der  einzelnen  Artikel 
mehrfach  erweiterte  AusfBhrungen  gemacht  sind.  Hatte  die  erste  Auflage 
mit  Nachträgen  im  Hauptteil  828  Spalten,  so  zählt  man  jetzt  im  ent- 
sprechenden Abschnitte  950  Spalten;  ebenso  hat  der  üm&ng  des  romanischen 
Wortverzeichnisses  zugenommen.  Dagegen  ist  das  deutsch-romanische  fie- 
gister  diesmal  fortgeblieben.  Wenn  das  Werk  schon  bei  seinem  ersten  Er- 
scheinen groCse  und  wohlverdiente  Anerkennung  gefunden  hat,  so  gebührt 
der  zweiten,  die  sich  mit  Becht  eine  vermehrte  und  verbesserte  nennt,  das 
Lob  in  gesteigertem  Mafse.  Bef.  ist  überzeugt,  dafs  bei  den  regen  Studien, 
die  man  jetzt  der  späteren  Latinität  wie  der  romanischen  Sprachforschung 
widmet,  die  nächste  Auflage  in  noch  kürzerer  Zeit  erreicht  werden  wird 
als  die  vorliegende. 

187)  Tommaso  Montanari,  Funto  per  punto.  Dimostrazione  della 
completa  assurditä  di  tute  le  vecchie  ipotesi  intorno  alla  via 
d'Annibale  dal  Bodano  al  Po.  Mantova,  Selbstverlag  des 
Verfassers,  Via  B.  Grazioli  11,  1903.     90  S.  8.  L.  1.20. 

In  46  Abschnitten  sucht  Montanari  die  Ungereimtheit  aller  bis- 
herigen Ansichten  über  Hannibals  Weg  von  der  Bhone  an  den  Po  zu 
erweisen.  Nach  Avienus  or.  marit.  683  nannte  man  einen  von  der  Bhone 
gebildeten  See  vor  alters  Accion  (vgl.  Pauly-Wissowa  1, 140).  Man  hielt 
ihn  bisher  für  den  einzigen  bekannten  Bhonesee,  den  Leman.  Nach  Mon- 
tanari dagegen  bedeckte  der  Accios  (?)  in  ältester  Zeit  die  ganze  Ebene 
des  Departements  Vaucluse,  die  Gegend  von  Orange,  Avignon,  Nimes;  er 
verschwand  erst  im  letzten  Jahrh.  v.  Chr.  vollständig.  Ein  Teil  von 
Hannibals  Truppen  sah  ihn  noch,  parvcte  insulae  circumfusum  amnem 
Liv.  21,  27,  4.  In  diesen  See  flofs  die  jetzige  Durance;  zu  dieser  kam 
man  zunächst  von  Massilia  her.  Man  hielt  sie  für  den  Hauptzuflufs  des 
Sees,  welcher  dem  ausfliefsenden  Bhodanus  entspreche.  „Es  kann  nicht 
dem  geringsten  Zweifel  unterliegen,  dafs  der  Bhodanus  der  alten  Massi- 
lienser,  des  Aristoteles,  des  Polybius  die  Durance  war'*  (S.  87).  Die 
Insula  wird  nach  Montanari  von  der  Durance  und  dem  Verden  ein- 
geschlossen ;  ihre  Bewohner  waren  nach  Polyb  keine  Allobrogen ,  sondern 
sie  lebten  mit  den  Allobrogen  in  Feindschaft.  Hannibal  fiberschritt  die 
Bhone  unterhalb  der  Mündung    der  Durance   bei  Aramont-Barbentane, 


Neue  Pbilologiaohe  Bnndschaü  Kr.  15.  345 

folgte  dem  linken  Ufer  der  Darance,  überschritt  den  Verden  und  er- 
reichte Biez.  Dann  setzte  er  über  die  Bhone  =  Darance  und  zog  dem 
Gebiet  dem  Vocontier  entlang  zu  den  Tricastinern,  über  Sisteron,  Montrond, 
Veynes,  Qap.  Von  hier  f&llt  sein  Weg  im  wesentlichen  zusammen  mit 
der  späteren  Beiseroute  über  die  Alpis  C!ottia. 

Diese  ganze  Konstruktion  Montanaris  entbehrt  jedes  soliden  Funda- 
mentes; sie  steht  im  Widerspruch  mit  klaren  Worten  Polybs;  sie  mutet 
Hannibal  und  Scipio  eine  unbegreifliche  Strategie  zu;  sie  Iflfst  unerklärt, 
wie  der  Name  Bhodanus  von  der  Durance  auf  den  Ausflufs  des  Oenfersees 
fibergegangen  sei. 

Für  die  Existenz  eines  Sees  von  Vaucluse  in  historischer  Zeit  fehlt 
jeder  Beweis.  Er  hätte  die  Massilienser  nicht  aufgehalten,  mit  Schiffen 
nach  Norden  vorzudringen  und  das  Haupttal  der  Bhone  von  dem  Seitental 
der  Darance  zu  unterscheiden,  zumal  nachdem  Pytheas  von  Massilia  ein 
Jahrhundert  vor  Hannibal  die  Westküste  Europas  umschifft  hatte  (Pauly 
VI,  331).  —  Polybius  sagt  3,  41,  7:  Von  den  Pyrenäen  kam  Hannibal, 
indem  er  das  Sardinische  Meer  zur  Bechten  hatte,  an  den  Bhoneübergang. 
Die  Bestimmung  der  Bichtung  mag  für  die  zwei  letzten  Tagemärsche 
nicht  passen,  aber  für  den  ganzen  Weg  ist  sie  zutreffend.  Montanari 
(S.  20)  hält  es  für  unmöglich,  Hannibal  weiter  nördlich  als  bis  Aramont 
gehen  zu  lassen,  weil  er  sonst  das  Meer  in  den  Bücken  bekäme.  —  Polybius 
berichtet  3,  42,  l,  Hannibal  sei  ungefähr  vier  Tagemärsche  vom  Meere 
über  die  Bhone  gegangen.  Montanari  (S.  22)  bestimmt  die  Strecke  Mar- 
seille—  Barbentane  auf  89  km  und  meint,  ein  nördlicherer  Übergang 
vertrage  sich  nicht  mit  einer  Distanz  von  vier  Tagemärschen.  Er  selbst 
setzt  die  Strecke  vom  Bhoneübergang  bis  Vinon  am  Verden  auf  72  römische 
Meilen  an,  ==  108  km ,  und  Hannibal  erreichte  doch  die  Insel  in  vier 
Tagen.  —  Nach  dem  Bhoneübergang  zog  Hannibal  nach  Polybius  3,  47, 1 
Ttafä  vdv  Tttyva^bv  äitb  d'akdvr'qg  (hg  elg  ir^y  fieadyaiov  zfjg  EvQ(&7crigj  der 
Bhone  entlang  vom  Meere  weg  gegen  das  Innere  von  Europa.  Das  ist 
doch  unsere  Bhone,  nicht  die  Durance.  Nach  Montanari  dagegen  zieht 
Hannibal  einfach  in  der  alten  Bichtung  am  Sardinischen  Meere  weiter.  An 
die  Bestimmung  dg  zfjv  ^eadyatov  vfjg  EÖQ(lf7trig  knüpft  Polybius  seine 
Schilderung  des  Bhodanus.  Er  läfst  ihn  nördlich  vom  Adriatischen  Meer 
entspringen,  nördlich  der  Alpen  und  an  der  Grenze  des  Oebietes  der  Äduer 
(LiQÖveg)  dahinfliefsen.  Den  Lauf  der  Durance  hatten  denn  doch  die 
Handelsreisenden  von  Massilia  insoweit  kennen  gelernt,  dafs   man  ihre 


346  Neue  Philologiache  fenndBchan  Kr.  15. 

Quelle  nicht  nördlich  vom  Adriatischen  Meere  ansetzte.    Dagegen  ist  es 
begreiflich,  dafs  man  zu  Polybius  Zeit  den  oberen  Lauf  der  Bhone  nicht 
kannte  und  sich  über  ihre  Länge  eine  übertriebene  Vorstellung  machte. 
Burgdorf  bei  Bern.  P.  Laterbaoher. 

188)  Faul  KiBBon,  HiBtoire  sommaire  du  CJommeroe.  Paris, 
Librairie  classique  Eugene  Belin  fr^res,  1902.  384  S.  8. 
Während  es  sich  im  Geschichtsunterricht  in  IV  bis  ü  II  im  wesentlichen 
um  Einprägung  der  wichtigsten  Tatsachen  aus  der  Weltgeschichte  handelt, 
hat  der  Unterricht  in  den  oberen  Klassen  eine  gröfsere  Aufgabe.  Er 
erfordert  eine  eingehende  Berücksichtigung  der  Ver&ssungs-  und 
Eulturverhältnisse.  Die  Lehrpläne  und  Lehraufgaben  für  die  höheren 
Schulen  in  Freufseu  von  1901  verlangen  in  den  „Methodischen  Bemer- 
kungen für  die  Geschichte'^  S.  48:  „Namentlich  wird  den  Schülern  An- 
leitung zu  geben  sein,  dafs  sie  solche  Erscheinungen  des  geistigen  und 
wirtschaftlichen  Lebens,  die  von  wesentlichem  Einflufs  auf  die  Volksent- 
wickelung gewesen  sind,  genügend  würdigen  lernen.'^  Eins  der  hier  zu 
behandelnden  Kapitel  ist  die  Geschischte  des  Handels,  der  auf  die  Beziehungen 
der  Völker  untereinander  von  grofsem  Einflufs  war  und  ist.  Man  denke 
nur  an  die  Kontinentalsperre  Napoleons  gegen  England  und  den  Zollverein, 
sowie  an  das  Verhältnis  Englands  zu  Deutschland  im  letzten  Jahrzehnt! 
Mit  Becht  sagt  daher  Bissen:  „L'histoire  du  commerce,  c'est-ä-dire 
de  la  circulation  des  produits  naturels  et  fabriquäs,  est  le  chapitre  le  plus 
important  peut-Stre  de  l'histoire  g^nörale.''  Das  Werk  Histoire  sommaire 
du  Commerce  des  genannten  Verfassers  ist  den  Lehrern  der  Geschichte 
sehr  zu  empfehlen.  Es  enthält  in  49  Kapiteln  einen  kurzen  Überblick  über 
den  Handel  von  den  ältesten  Zeiten  bis  zur  Jetztzeit  Es  behandelt  die 
Ägypter,  die  Assyrier  und  Ohaldäer,  die  Israeliten,  die  Phönizier,  die 
Meder  und  Perser,  Griechenland,  das  Bömerreich,  die  Karthager,  Gallien, 
das  byzantinische  Beich,  die  Araber,  die  Kreuzzüge,  den  französischen 
Handel  bis  zum  hundertjährigen  Kriege  und  während  desselben,  die  Ent- 
stehung der  Städte  in  Europa,  den  Hansabund,  Genua,  Venedig,  Florenz  u.  s.w. 
Vieles  davon  läfst  sich  schon  im  Geschichtsunterricht  der  mittleren  Klassen 
verwenden.  Für  die  oberen  Klassen  ist  besonders  die  Neuzeit,  in  welcher 
der  Handel  durch  die  Erfindungen  und  Entdeckungen  einen  ungeahnten 
Aufschwung  genommen  hat,  von  Wichtigkeit.  Selbstverständlich  steht 
hier  der  Handel  Frankreichs  im  Vordergrund,  daneben  geben  aber  auch 


Neue  Phflologi0oh6  Bnndicbaa  Nr.  16.  347 

einzelne  Kapitel  Aufschlafs  fiber  die  Bivalität  Hollands  und  Englands  im 
17.  Jahrhundert,  die  Eroberung  Indiens,  den  Unabhängigkeitskrieg  der 
Vereinigten  Staaten,  den  Zustand  Europas  am  Ende  des  18.  Jahrhunderts, 
England  von  1815—1850,  den  Zollverein,  die  Jetztzeit  (1870  —  1901). 
Die  geschichtlichen  Tatsachen  sind  nirgends  au&er  acht  gelassen,  der 
Hauptwort  ist  aber  auf  den  Handel  der  einzelnen  Völker  gelegt.  Die  Oe- 
schichte  der  Eolonieen  ist  mit  besonderer  Sorgfalt  behandelt.  19  Karten 
sind  beigegeben. 

An  realistischen  Anstalten  (und  Handelsschulen)  liefse  sich  das  Buch 
auch  in  einer  Auswahl  mit  Nutzen  als  französische  Lektüre  verwenden. 
Hier  kämen  natürlich  nur  die  lotsten  Kapitel  in  Betracht.  Das  Werk 
hat  vor  ähnlichen  LektürestoSen  den  Vorzug,  dals  es  den  Einfluls  des 
Handels  auf  die  Beziehungen  der  Völker  stets  im  Auge  behält  und  im 
Stoff  nicht  zu  sehr  ins  einzelne  geht,  wodurch  den  Schülern  ein  klarer 
Überblick  ermöglicht  wird.  Manche  französischen  Schulausgaben  behandeln 
nämlich  einzelne  Abschnitte  des  Handels  in  einer  AusfQhrlichkeit,  dafs 
nicht  allein  den  Schülern,  sondern  auch  dem  Lehrer  jede  Lust  daran  vergeht. 

Crefeld.  P.  WeyeL 

189)  H.  Ludwig  I  Lateinisohe  Stilübungen  für  Oberklasaen  an 
Gymnasien   und  Bealgymnasien.    Stuttgart,  Bonz  &  Co.,   1902. 
Teil  I:  VII  u.  148  S.  8.  —  Teil  U:  Übersetzung.    98  S.  8. 
Der  Verf.  hat  den  glücklichen  Ein&ll  gehabt,  einen  reichen  Schatz, 
an  dem  die  meisten  bisher  achtlos  vorübergingen,  für  den  Unterricht  aus- 
zuwerten.   In  der  richtigen  Voraussetzung,  dafs  die  Texte,  die  den  Schülern 
bei  den  Reifeprüfungen  zur  Übersetzung  ins  Lateinische  vorgelegt  werden, 
meist  sorgfältig  darauf  berechnet  sind,  möglichst  vielseitige  Gelegenheit 
zur  Erprobung  der  Grammatikfestigkeit  und  Stilgewandtheit   zu  geben, 
hat  er  solche  Aufgaben  in  grofser  Anzahl  (140)  gesammelt  und  ihre  schul- 
mäfsige  Behandlung  dadurch  erleichtert,  dafs  er  sie  mit  Verweisungen  auf 
die  Grammatik  (von  Landgraf)  und  anderen  Anmerkungen  ausgestattet  hat. 
Somit  bietet  er   —   und  darin  besteht  die  Eigenart  des  Buches  —  einen 
Cbungsstoff,  dessen  Brauchbarkeit  in  der  Praxis  schon  erprobt,  ja  gewisser- 
mafsen  amtlich  anerkannt  ist  und  der  sich  durch  eine  Mannigfaltigkeit 
und  Vielseitigkeit  auszeichnet,  die  bei  Stilübungen,  die  von  einem  ein- 
zelnen Verfasser  entworfen  werden,  von  vornherein  ausgeschlossen  ist. 
Zu  bedauern  ist,  dafs  die  Sammlung  in  einer  Beziehung  doch  ein- 


348  Nene  Ffailologische  RnndBohati  Nr.  15. 

seitig  ist.  Es  haben  nämlich  in  ihr  fast  nur  wfirttembergische  Prfifungsthemen 
Aufnahme  gefunden  (135  von  140).  Diese  Beschränkung  dient  ihr  gewifs 
an  schwäbischen  Anstalten  zur  Empfehlung,  schliefst  aber  bei  der  Ver- 
schiedenheit des  Lehrzieles  ihre  Verwendung  als  Lehrbuch  in  anderen 
ünterrichtsbetrieben  aus.  Trotzdem  können  die  StilQbungen  der  Beach- 
tung jedes  Fachgenossen  warm  empfohlen  werden.  Denn  wenn  sie  auch, 
wie  das  bei  einer  solchen  lanx  satura  selbstverständlich  ist,  nicht  in  allen 
Teilen  gleichwertig  sind,  so  bieten  sie  doch  nach  Form  wie  Inhalt  eine 
Fülle  von  Anregung  und  Belehrung. 

Auch  die  lateinische  Übersetzung,  die  der  Verf.  im  zweiten  Teile 
gibt,  verdient  alles  Lob.  Sie  hält  sich  zwar  nicht  fiberall  von  VerstOfsen 
gegen  den  klassischen  Sprachgebrauch  frei  und  ist  mit  seltenen,  dem 
Tacitus  oder  anderen  späten  Schriftstellern  entlehnten  Wendungen  durch- 
setzt, wiegt  aber  diese  kleinen  Mängel  durch  Frische  und  Prägnanz  des 
Ausdruckes  reichlich  auf. 

Potsdam.  B.  Kraase. 


190)  Koroeaux  choisiB  de  Alfred  de  Vigny.     Po^ie  et  Prose. 
Paris,  Librairie  Gh.  Delagrave.    504  S.  16.  fr.  3.50. 

Die  vorliegende  Auswahl  ist  ein  Gegenstück  zu  den  in  gleichem 
Verlag  erschienenen  Morceaux  choisis  de  Victor  Hugo.  Sie  wird  eingeleitet 
durch  eine  Biographie  des  Dichters  aus  der  Feder  Louis  Batisbonnes,  des 
treuen  Freundes  und  literarischen  Erben  des  Romantikers,  die  in  ihrem 
ersten  Teil  kurz  nach  Vignys  Tod  im  Journal  des  D^bats  erschienen  ist, 
und  die  Batisbonne  bei  seiner  Ausgabe  von  Vignys  Journal  d*un  Poite 
erweitert  hat.  Diese  Einleitung  gibt  uns  nicht  allein  die  blofsen  Daten 
von  des  Dichters  Leben  und  Werken,  sie  gestattet  uns  zugleich  manchen 
Einblick  in  das  Seelec^eben  des  feinfählenden  Dichters,  wenn  auch  hie 
und  da  die  Objektivität  des  Biographen  in  der  Wertschätzung  der  ein- 
zelnen Werke,  beispielsweise  der  Destin^es,  durch  sein  Verhältnis  zu 
dem  Dichter  zu  stark  beeinflufst  wird.  —  Die  Auswahl  umfafst  drei  Teile: 
Oeuvres  po^tiques-Thfttre-Prose.  Sie  bringt  die  Werke  teils  vollständig, 
teils  gekfirzt  unter  Hinzufügung  einer  Einleitung  und  von  Inhaltsangaben 
der  unterdrückten  Teile,  zuweilen  auch  der  gar  nicht  aufgenommenen 
Stücke,  z.  B.  von  La  Mar^chale  d'Ancre.  Alles  in  allem  kann  man  sich 
mit  der  getroffenen  Auswahl  wohl  einverstanden  erklären:  so  ist  mit 
Recht  in  Stelle  der  Tod  Chattertons  weggelassen,  dafar  aber  das  Drama 


Nene  Fhilolo^he  Randsehau  Nr.  15.  849 

Ghatterton  fast  voIlstaDdig  gegeben.  Andrerseits  vermilist  man  einiges  nnr 
nngem:  in  Eloa,  von  dem  nur  der  3.  Gesang  aufgenommen  ist,  die  Klage 
des  gefallenen  Lucifer,  unter  den  Dramen  einige  Szenen  aus  Le  More  de 
Yenise,  die  Yignys  Meisterschaft  in  der  Übersetzung  Shakespeares  gezeigt 
hätten.  DafBr  konnte  die  Auswahl  aus  den  poetisch  weniger  wertvollen 
Destinto  noch  geringer  sein.  Aus  der  Novellensammlung  Servitude 
et  Grandeur  militaires  haben  die  beiden  rührenden  Erzählungen  Laurette 
ou  le  dachet  rouge  und  La  Veill^  de  Vincennes  sowie  die  Erzählung 
La  Yie  et  la  Mort  du  capitaine  Benaud  ou  la  Ganne  de  jonc  Aufnahme 
gefunden.  Geschickt  ist  die  Auswahl  aus  dem  Journal  d'un  po^te  getroffen, 
insbesondere  aus  den  Pens^es  et  r^flexions  diverses,  in  denen  der  Dichter 
manche  Wahrheiten  in  schöner  Form  ausspricht,  die  aber  auch  die  oft  recht 
pessimistischeLebensanschauung  des  in  seinen  Erwartungen  vielfach  getäuschten 
Dichters  zeigen,  der  schon  im  Jahre  1824  schreibt:  II  est  bon  et  salu- 
taire  de  n'avoir  aucune  esp^rance.  L'esp^rance  est  la  plus  grande  de  nos 
folies.  Den  Schlufs  der  Auswahl  bilden  die  Satire  auf  den  Philosophen 
Boger-Gollard,  der  hochmfitig  auf  den  um  einen  Sitz  in  der  Acad^mie 
sich  bewerbenden  Dichter  herabblickt,  und  auf  M.  de  Barante,  der  den 
Dichter  verantwortlich  macht  fSr  Dinge,  an  denen  letzterer [^ völlig  un- 
schuldig ist,  aus  Mes  visites  ä  TAcad^mie. 

Der  klare,  wenn  auch  kleine  Druck  auf  schönem  Papier  dient  eben- 
falls zur  Empfehlung  der  Auswahl,  wie  auch  der  Umstand,  dafs  der  Text 
fast  fehlerfrei  ist.  (S.  6  mufs  als  Datum  der  Geburt  des  Dichters  der 
27.,  nicht  der  17.  März  1797  angegeben  werden;  S.  132:  Lauderdale 
statt  Landerdale.) 

Gleiwitz.  L.  KUager. 

i9i)  Karl    Böhm,    Beiträge   zur   Kenntnis    des   Einflusses 
Senecas    auf  die  in  der  Zeit  von  1552  bis  1562  erschienenen 
französischen  Tragödien.    Erlangen  und  Leipzig,  A.  Deichertsche 
Verlagsbuchhandlung   Nachf.  (Georg  Böhme),  1902.    XVI  und 
163  S.  8.   (Mfinchener  Beitr.  z.  roman.  und  engl.  Phil.  Herausg. 
von  H.  Breymann  und  J.  Schick.  XXIV.  Heft.)         Ji  4.-. 
Von  den  von  1552  bis  1562  erschienenen  französischen  Renaissance- 
Tragödien  zieht  der  Veriiisser  sechs  näher  in  den  Kreis  seiner  Unter- 
suchungen, nämlich  die  „Eleopatra'^  und  die  „Dido*'  Jodelles,  die  „Medea" 
des  La  Perfise,  den  „Julius  Cäsar"  Grevins  und  noch  die  „Sultanin" 


350  Nene  Pbilologuehe  RaBdaehan  Nr.  15. 

BouniiiB  und  den  „Aman^*  Bivaudeaus,  Stficke,  welche  mehr  ane  einem 
Kolleg  über  franzöBische  Literatar  im  16.  Jahrhundert  ak  aus  eigener 
Lektüre  bekannt  sind,  in  denen  sich  aber,  wie  auch  in  der  in  demselben 
Zeitraum  erschienenen  „Sophonisbe^^  Saint  *Qelais\  sehr  beachtenswerter 
Weise  bereits  Stoffe  bearbeitet  finden,  die,  von  dem  der  „Soltane" 
und  des  „Aman'^  abgesehen,  der  Weltliteratur  angehören  und  die 
immer  wieder,  von  früh  bis  jetzt,  in  das  poetische  Gewand  eing^ 
kleidet  sind.  So  wurde  noch  vor  einigen  Jahren,  im  Oktober  1898, 
eine  „Mäd^^^^  drame  en  trois  actes,  en  vers,  von  Catulle  Mendte  im 
Pariser  „Benaissanee-Theater"^  zum  ersten  Mal  aufgeführt,  und  jetzt  auch, 
mit  gleichem  Erfolg,  am  20.  Juni  1903  im  „Th6ätre-Fran9ai8'S  Medea, 
„la  l^gendaire  et  myst^rieuse  enchanteresse  qui  inspira  i6}k  Euripide, 
S^n^ne,  Corneille  et  bien  d'autres'^  Der  Verfasser  selbst  nennt  sein 
Stück  eine  „Imitation,  trop  peu  ressemblante,  du  chef-d*oeuvre  d'Euripide'^ 
Dafs  ebenso  der  Sophonisbestoff  bis  in  die  neueste  Zeit  weiterlebt,  be- 
weist die  fünfaktige  Tragödie  „Massinissa  und  Sopfaonisbe''  von  Carl 
Hardt  1903. 

Die  Yonmtersuchungen  des  Verfassers  besch&flägen  sich  hauptsieh- 
lich  mit  der  Überlieferung  der  Seneca- Tragödien,  sowie  den  Drucken  und 
Aufführungen  der  französischen  Tragödien,  und  er  kommt  dann  in 
vier  Kapiteln  zu  dem  Ergebnis,  dafs  die  in  Frage  stehenden  franzö- 
sischen Tragödien  hinsichtlich  ihrer  Komposition  und  Konstruktion 
mehr  oder  weniger  nach  Seneca  gearbeitet  sind,  dafs  sie  gleichsam  „Kopieen 
Senecafi"  sind.  Für  Jodelle,  der  am  selbständigsten  ist,  kommen  auüaer 
Seneca  noch  griechische  Vorbilder  in  Betracht.  La  Perüse  entlehnt  eben- 
falls bei  Enripides,  doch  folgt  er  in  der  Hauptsache  der  gleichnamigen 
Seneca -Tragödie.  Ebenso  müssen  der  „C^ar'',  die  „Soltane''  und  der 
„Aman''  als  Seneca -Kopieen  bezeichnet  werden.  Die  Arbeit,  wohl  eine 
Promotionsschrift,  ist  mit  viel  Liebe  und  Fleifs  hergestellt.  Übertrieben 
und  teilweise  auch  überflüssig  erscheint  uns  aber  das  viele  Operieren  mit 
Zahlen,  ganzen  und  gebrochenen,  und  Oleicbungen,  sodafs  man  manch- 
mal glauben  könnte,  eine  arithmetische  Abhandlung  vor  sich  zu  haben. 

Wilhelmshaven.  A«g«st  Aiidrae. 


\ 


Nene  Philolog^Bohe  Bnndfleh«!  Nr.  15.  361 

192)  E.  Haekanf,  Die  älteste  mittelenglisohe  Venion  der 
ÄBSumptio  Kariae.  (=  Englische  Textbibliothek,  heraus- 
gegeben von  J.  Hoops,  8.)  Berlin,  E.  Felber,  1902.  XXXUI 
n.  100  S.  8.  Ji  3.  — . 

Das  hier  zum  ersten  Male  kritisch  herausgegebene  Gedicht  von  der 
Himmelfahrt  Marias  ist  eine  der  ältesten  mittelenglischen  Legenden.  Es 
entstand  spätestens  um  1250,  wahrscheinlich  aber  schon  im  zweiten  Viertel 
des  13.  Jahrh.  Der  Verf.  ist  sicher  ein  Geistlicher,  vielleicht  der  Erzbischof 
Edmund  von  Ganterbury,  auf  den  auch  die  Mundart  ganz  gut  pafst;  sie  ist 
die  des  mittleren  Südens  mit  kentischer  Färbung.  Überliefert  ist  das 
Werk  in  sechs  Handschriften,  von  denen  vier  noch  nicht  gedruckt,  alle 
aber  bis  auf  eine  vom  Herausgeber  benutzt  sind.  Über  ihr  Verhältnis 
zueinander  und  das  zu  anderen  mittelenglischen  Fassungen  der  Geschichte 
handelt  Hackauf  im  ersten  Kapitel  seiner  Einleitung,  wobei  er  mehrfach 
schon  ältere  Untersuchungen  ergänzen  und  berichtigen  kann.  Die  Form 
des  Gedichtes  ist  das  kurze  vierhebige  Beimpaar,  das  aber  mit  grolser 
Freiheit  behandelt  ist.  Ästhetisch  nimmt  das  Werk  keine  besonders  hervor- 
ragende Stellung  ein,  gehört  aber  mit  seiner  Einfachheit  und  schlichten 
Natfirlichkeit  noch  immer  zu  den  besten  von  seinesgleichen.  Der  Text 
ist  so  eingerichtet,  dafs  V.  1 — 250  nach  der  besten,  aber  nur  soweit 
reichenden  Handschr.  J.,  der  Best  nach  dem  zweitbesten  Manuskript  C 
wiedergegeben  ist,  während  die  Abweichungen  der  anderen  Handschr.  im 
Variantenapparat  verzeichnet  sind.  Die  Anmerkungen  erörtern  vorwiegend 
noch  textkritische,  dann  aber  auch  metrische,  sprachliche  und  sachliche 
Fragen.  —  Wir  halten  die  handliche  kleine  Ausgabe,  namentlich  auch 
wegen  der  verschiedenen  Mundarten  der  einzelnen  Handschriften,  für  sehr 
geeignet,  in  Seminaren  zur  Einführung  ins  Mittelenglische  wie  auch  in 
die  Textkritik  zu  dienen. 


193)  EngliBh  Men  of  lettres.    Oeoirge  Eliot  by  Leslle  Stephen. 

London,  Macmillan  &  Co.,  o.  J.  [1902].  212  S.  8.  geb.  2  Bh. 
Da  George  Eliot  —  Mary  Ann  Evans  —  zum  deutschen  Geistes- 
leben manche  Beziehungen  unterhielt  und  in  der  schier  endlosen  Zahl 
englischer  Romanschriftsteller  zu  denjenigen  ^^Novelists**  gehört,  die  in 
Deutschland  die  meisten  Leser  und  viele  Bewunderer  gefunden,  so  wird 
vorliegende  in  der  Sammlung  der  ^'English  Men  of  Letters''  jüngst  er- 
schienene    Darstellung    ihres    Lebens    und    Bildungsganges,    sowie   die 


B62  Sega  Philologigcha  Btmdscbati  Wr.  16. 

Wflrdigung  ihrer  Werke  auch  in  Deutschland  verständnisvolle  Leser  finden, 
besonders  da  sie  von  einem  Manne  gegeben  sind,  der  schon  durch  ver- 
schiedene gröbere  und  kleinere  Werke  literar-  und  kulturhistorischen 
Ciharakters  die  Gediegenheit  seines  Urteils  bewiesen  hat. 

George  Eliot  ist  die  Schilderin  englischen  Lebens  in  der  Provinz. 
''The  Scenes  of  Olerical  Life,  Adam  Bede,  Silas  Mamer,  and  The  Mill  of 
the  Flofs,  probably  give  the  most  vivid  picture  now  extant  of  the  manners 
and  customs  of  the  contemporary  dwellers  in  the  midland  counties  of 
England''  (p.  4).  In  ländlichen  Verhältnissen  aufgewachsen  ''she  deve- 
loped  slowly,  and  was  many  years  ignorant  of  her  own  truest  powers" 
(p.  16).  Erst  31  Jahre  alt,  verläfst  sie  nach  dem  Tode  ihres  Vaters 
Warwickshire,  um  nach  London  fiberzusiedeln,  wo  Mr.  Ghapman,  der  Eigentümer 
der  Westminster  Beview,  sie  zum  „assistant-editor''  ernannte  (p.  40).  Unter 
den  zahlreichen  literarischen  Gröfsen,  deren  Bekanntschaft  sie  machte, 
wurden  besonders  Herbert  Spencer  und  George  Henry  Lowes,  der  bekannte 
Goethe -Biograph,  von  gröfstem  Einflüsse  auf  Eliot,  die  sich  in  ihrem 
philosophischen  Denken  und  Fühlen  sehr  zu  diesen  Männern  hingezogen 
fühlte.  Über  das  Verhältnis  zwischen  ihr  und  Lowes  ^)  sagt  Stephen 
p.  46:  George  Eliot  held  that  the  circumstances  justified  her  in  forming 
a  Union  with  Lowes,  which  she  considered  as  equivalent  to  a  legitimate 
marriage.  I  have  not,  and  I  suppose  that  no  one  now  has,  the  knowledge 
which  would  be  necessary  for  giving  an  opinion  as  to  the  proper  dis- 
tribution  of  pndse  and  blame  aniong  the  various  parties  concerned,  nor 
shall  I  argue  the  ethical  question  raised  by  George  Eliot*s  conduct.  It 
may  be  a  pretty  problem  for  casuists  whether  the  breach  of  an  assumed 
moral  law  is  aggrevated  or  extenuated  by  the  offender's  honest  conviction 
that  the  law  is  not  moral  at  all.  George  Eliot  at  any  rate  emphatically 
took  that  Position**  (p.  47). 

In  der  ersten  Periode  ihrer  selbständigen  schriftstellerischen  Tätig- 
keit führt  George  Eliot  in  Scenes  of  Olerical  Life,  Adam  Bede,  The  Mill 
on  the  Flofs,  Silas  Mamer  vielfach  Selbsterlebtes  vor,  und  man  darf  sagen, 
dafs  in  diesen  ihren  bedeutendsten  Bomanen  *^the  memories  of  early  days 
are  the  dominant  fsißtov  in  her  imaginative  world*'  (p.  112).    Selbstredend 


1)  Lowes  had  married  in  1840.  He  was  at  this  time  liviDg  in  the  same  honse 
with  Thornton  Hont,  who  had  edited  the  "Leader"  in  co-operation  with  him.  Mrs.  Lewes 
perferred  Thornton  Hont  to  her  hnshand,  to  whom  she  had  already  bome  children 
(cf.  Stephen  p.  46). 


Neae  Philologische  Bandflchau  Nr.  15.  858 

ist  68,  dals  "the  effect  of  her  philoBophical  studies  npon  her  imaginative 
work  was  very  marked''  (p.  51),  ohne  dafs  jedoch  behauptet  werden 
konnte,  dafs  ''  she  had  changed  her  novels  into  Propagandist  manifestoes" 
(p.  115).  '*She  had  acquired  a  cordial  respect  and  sympathy  for  creeds 
embodied  even  in  cmde  and  superstitious  dogmas;  and  she  had,  therefore, 
described  many  types,  which  in  less  thoughtful  minds  suggested  only 
absurdities  and  provoked  caricatnres  with  the  intention  of  laying  stress 
npon  the  nobler  aspirations  of  snch  hnmble  people  as  Sihis  Mamer  and 
Dolly  Winthrop'*  (p.  115).  —  ''Adam  Bede  placed  the  author  in  the  first 
rank  of  the  Yictorian  novelists"  (p.  66),  wohingegen  ''Silas  Mamer  is 
often  considered  to  be  her  most  perfect  artistic  Performance**  (p.  105), 
Hervorzuheben  sind  in  ihren  Bomanen  die  Frauencharaktere:  ''Her  women 
are  —  so  far  as  a  man  can  judge  —  unerringly  drawn.  We  are 
convinced  at  every  point  of  the  insight  and  fidelity  of  the  analysis;  but 
when  she  draws  a  man,  she  has  not  the  same  certainty  of  touch*'  (p.  97), 
Während  nun  die  "spontaneity  of  the  early  novels  is  beyond  all  doubt** 
(p.  118),  hat  die  Ab&ssung  ihrer  späteren  Werke  stets  viel  "study  and 
labour*'  (p.  122)  gefordert.  Trotz  vieler  Mühe  "to  familiarise  herseif  with 
the  manners  and  conversation  of  the  inhabitants  of  Florence'*  (p.  128), 
ist  es  ihr  nicht  gelungen,  sich  in  das  Florenz  des  15.  Jahrhunderts  zurück- 
zaveisetzen,  wie  sie  dies  in  Bomola,  ihrem  ersten  historischen  Boman, 
beabsichtigt:  "She  proceeded  to  get  up  the  necessary  knowledge;  but  with 
the  result  like  that  which  happens  when  a  manager  presents  'Julius 
CSaesar*  or  'Goriolanus*  in  the  costume  "of  the  period**'.  The  costume 
may  be  as  correct  as  the  manager*s  archaeological  knowledge  allows,  but 
Julius  Caesar  and  C!orioIanus  remain  what  Shakespeare  made  them,  not 
andent  Bomans  at  all,  but  frankly  and  unmistakably  Elizabethans** 
(p.  130).  Und  doch  lälst  sich  manches  sagen  "for  the  judgment  of  the 
oontemporary  critics  who  hold  that  'Bomola*  is  one  of  the  permanent 
masterpieces  of  English  literature**  (p.  136),  wenn  wir  vom  historischen 
Gewände  absehen  und  nur  die  Schilderung  des  Seelenkampfes  der  Heldin 
ins  Auge  fassen. 

Der  Mangel  an  "spontaneity"  und  das  Fehlen  des  "sense  of  looking 
at  the  litüe  world  through  the  harmonising  atmosphere  of  childish 
memories  and  affections**  (p.  151)  macht  sich  auch  in  "Felix  Holt'*  fühl- 
bar, einem  Boman,  der  uns  in  die  Zeit  der  inneren  Wirren  von  1832/3 
zurückversetzen  soll. 


354  Neue  Philologische  BnndiGhaTi  Nr.  15. 

Über  die  Dichterin  George  Eliot  sagt  StefiFen :  I  cannot,  indeed,  believe 
that  George  Eliot  achieved  a  permanent  position  in  English  poetry:  she 
is  a  remarkable,  I  sappose  unique,  case,  of  a  writer  taking  to  poetry  at 
the  ripe  age  of  forty -four,  by  which  the  majority  of  poets  have  done 
their  best  work**  (p.  171).  —  Jnbal,  die  Geschichte  des  Patriarchen,  der 
die  Musik  erfand,  scheint  ihm  *'the  nearest  approach  to  genuine  poetry" 
(p.  170);  ihre  übrigen  poetischen  Experimente  zeigen  ^'great  literary 
ability,  though  it  is  doubtfui  whether  they  show  more"  (p.  169).  Der 
Erfolg,  den  Middlemarch  erzielte,  war  ^^proportioned  rather  to  the  author*' 
reputation  than  to  its  intrinsic  merits.  It  certainly  lacks  the  peculiar 
charm  of  the  early  work"  (p.  177);  in  Daniel  Deronda  mufs  zugestanden 
werden ,  dafs  "  the  Jewish  circle  into  which  Deronda  is  admitted  does  not 
strike  one  as  drawn  from  the  life*'  (p.  188). 

Interessant  ist,  was  Stephen  mitteilt  fiber  die  Wertschätzung,  die 
einige  Autoren  von  selten  George  Eliots  erfahren:  She  seems  to  have 
loved  especially  the  gentler  and  more  serious  observers  of  life,  such  as 
Goldsmith  and  Cowper  and  Miss  Austen ,  and  venerated  such  great  men 
as  Dante  and  Milton  C'her  demi  —  god",  as  she  calls  him),  whose 
austerity  breathes  a  lofty  moral  sentiment.  She  rarely  expresses  he 
antipathies;  bnt  one  instance  is  characteristic.  Of  Byron  she  speaks  with 
disgus(,  as  the  "most  vulgär  —  minded  genius  that  ever  produced  a 
great  efifect  in  literature"  (p.  198). 

Der  Name  "George  Eliot*'  wurde  von  der  Schriftstellerin  angenommen 
"because  Lewes's  name  was  George,  and  "Eliot*'  was  "a  good  mouth  filling, 
easily  pronounced  word"  (p.  54). 

Stephens'  Darstellung  zeigt  gründliche  Kenntnis  der  besprochenen 
Persönlichkeit;  leider  setzt  Stephen,  wie  ja  die  meisten  Biographen,  beim 
Leser  dieselbe  allseitige  Bekanntschaft  mit  dem  Stoffe  voraus,  die  er  sich  selbst 
erworben.  Aber  wer  hat  wohl  alles,  oder  fragen  wir  lieber,  wer  hat  wohl 
mehr  als  zwei  oder  drei  von  den  Werken  Eliots  lesen  können?  Wenige !  Allen 
anderen  wird  aber  das  Verständnis  der  Darstellung  Stephens  dadurch  er- 
schwert, dafs  er  sich  nicht  dazu  herabläfst,  ganz  kurz  stets  eine  rein  sach- 
lich gehaltene,  nur  an  die  gegebenen  Tatsachen  anknüpfende  Inhaltsangabe 
des  betreffenden  Romans  der  kritischen  Besprechung  des  Werkes  voraus- 
zuschicken. Eine  derartige  kurzgefafste  Analyse  würde  vom  Biographen 
ohne  die  geringste  Mühe  gegeben  werden  können  und,  wenn  geschickt  ge- 
macht ,  den  umfang  des  Buches  nicht  wesentlich  vergrOfsern ,  anderseits 


■i 


Nene  Philologische  Rnndschan  Nr.  15.  355 

aber  selbst  demjenigen,  der  die  Werke  schon  gelesen  hat,  in  den  meisten 
Fällen  höchst  willkommen  sein. 

Münster  i.  W.  H.  Hoflkohidte. 

194)   Friedrich    KOnohner,    200  englische   Gesohfiftsbriefe 

und  Formularien  aus  der  Praxis  in  systematisch -methodischer 
Anordnung  zur  gründlichen  Erlernung  der  englischen  Handels- 
korrespondenz nebst  Erläuterungen  im  allgemeinen  und  zu  jedem 
einzelnen  Briefe  für  Handelsschulen  und  zum  Selbstunterricht. 
Leipzig,  Verlag  der  Handelsakademie  (Dr.  iur.  Ludwig  Huberti), 
0.  J.  Ji  2. 75. 

Die  Sammlung  enthält  mit  ganz  wenigen  Ausnahmen  nur  Original- 
briefe aus  den  letzten  Jahren.  Hinsichtlich  der  Anlage  weicht  das  Buch 
von  den  meisten  Lehrbüchern  der  englischen  Handelskorrespondenz  ab. 
Es  werden  nicht  die  einzelnen  Briefarten  nacheinander  behandelt,  sondern 
die  Briefe  sind  in  drei  Kreisen  zusammengestellt  und  zwar  innerhalb  jedes 
Kreises  in  der  Reihenfolge,  in  der  sich  das  Geschäft  abwickelt  Voran 
gehen  der  Briefsammlung  aufser  der  Angabe  der  wichtigsten  englischen 
Gewichte,  Mafse  und  Münzen  kurze  allgemeine  Bemerkungen  über  den 
Geschäftsbrief:  die  Adresse  auf  dem  Briefumschlag  und  im  Brief,  die 
Anrede,  die  gebräuchlichsten  Briefanfänge  und  Briefschlüsse.  Dann  folgt 
der  erste  Kreis,  der  zehn  zwischen  zwei  Firmen  gewechselte  Briefe  um- 
fafst.  Der  zweite  Kreis  ist  umfangreicher  und  enthält  75  Briefe,  vor- 
wiegend aus  dem  Waren-,  Bank-  und  Speditionsgeschäft.  Der  dritte  Kreis 
hat  98  Briefe,  darunter  Agentenbriefe,  Marktberichte,  Erkundigungen  und 
Auskunftserteilungeu ,  Stellenbewerbungen ,  Bundschreiben ,  Kredit-  und 
Empfehlungsbriefe.  Ein  Anhang  enthält  verschiedene  Formulare,  und  den 
Schlufs  machen  die  Erläuterungen  zu  den  einzelnen  Briefen,  d.  h.  Über- 
setzung der  wichtigsten  Vokabeln. 

Wer  die  Briefe,  wie  der  Verf.  will,  durch  Übersetzung  und  Bück- 
übersetzung gut  durchgearbeitet  hat,  wird  dadurch  einen  beträchtlichen 
Schatz  von  Vokabeln,  Wendungen  und  Redensarten  sich  angeeignet  haben, 
der  ihn  befähigt,  einen  leichten  Haudelsbrief  zu  schreiben.  Zu  einem 
fertigen  Briefschreiber  wird  den  Schüler  nur  fortgesetzte  Übung  im  Kontor 
oder  ein  längerer  Aufenthalt  im  Auslande  ausbilden  können.  Ihn  in  den 
englischen  Briefwechsel  e  i  n  z  u  f  ü  h  r  e  n  ist  das  vorliegende  Buch  wohl  geeignet. 
Bochum.  M.  StefTen. 


Neue  PhilologiBohe  Bandschan  Nr.  15. 


195)  W.  Keiüi  Enoyklopadisohes  Handbuch  der  Pädagogik. 

Zweite  Auflage.    I.  Band.    Erste  Hälfte.    Abbitte— Beobachtang. 

Langensalza,  Hermann  Beyer  &  Söhne  (Beyer  &  Mann),  Herzogl. 

Sachs.  Hofbnchhändler,  1902.  512  S.  za  2  Sp.  8.  Ji  7.50. 
Zu  wiederholten  Malen  haben  wir  in  dieser  Zeitschrift  (vgl.  1899, 
S.  616;  1900,  S  112;  1901,  S.  47.  71.  118.  334;  1902,  8.  310)  auf 
die  Vorzüge  der  Beinsohen  Enzyklopädie  hingewiesen.  Dafs  das  Werk 
einem  wirklichen  Bedürfnis  entgegengekommen  ist,  beweist  der  Umstand,  dafs 
es  nach  so  kurzer  Zeit,  unmittelbar  nach  dem  Erscheinen  des  letzten  Bandes, 
alsbald  vergriffen  war  und  die  zweite  Auflage  in  Angriff  genommen  werden 
mufste.  Nach  dem  ursprünglichen  Plane  sollte  das  ausländische  Schul- 
wesen anhangsweise  dem  Hauptwerke  beigegeben  werden.  Diese  Anlage 
ist  jetzt  dahin  abgeändert  worden,  dafs  das  für  den  genannten  Anhang 
bestimmte  Material  nunmehr  im  Zusammenhang  des  Hauptwerkes  in  Reih 
und  Glied  unter  den  bezüglichen  Stichworten  eingeführt  wird.  Dem- 
gemäfs  finden  wir  in  diesem  ersten  Halbbande  folgende  gröfsere  Artikel 
vor:  Amerikanisches  Schulwesen  von  W.  Gh.  Bagley  in  St.  Louis 
(S.  103—155)  und  Belgisches  Schulwesen  von  F.  Collard  in  Löwen 
(S.  451—490).  Der  erste  Artikel  folgt  vorzugsweise  den  „Monographs 
on  Education  in  the  United  Staates.  Albany  N.  T.  1900''  und  ist  im 
historischen  Teile  nur  knapp  und  kurz  gehalten,  gibt  aber  sonst  eine  gute 
Belehrung  über  das  gesamte  Volks-  und  höhere  Schulwesen  mit  Einschluls 
der  Universitäten,  ferner  über  technische,  militärische  und  kaufmännische 
Lehranstalten  und  andere  besonderen  Zweige  der  Facherziehung.  Das  Eigen- 
artige, das  die  Neue  Welt  auf  allen  Gebieten  des  Lebens  zeigt,  tritt  uns 
bekanntlich  auch  im  Unterrichtswesen  ihrer  Landschaften  merklich  auf- 
fällig und  interessant  entgegen.  Die  vorliegende  Studie  erstreckt  sich  nur 
auf  das  Lehrwesen  der  Vereinigten  Staaten  von  Nordamerika.  Voraus- 
sichtlich werden  wir  also  über  die  Schuleinrichtungen  der  anderen  trans- 
atlantischen Staaten  unter  den  betreffenden  Bubriken  noch  Spezialaufsätze 
erhalten.  —  Für  das  Belgische  Schulwesen  lagen  dem  Verfasser  natürlich 
schon  bedeutendere  Vorarbeiten  vor,  und  die  Einführung  ist  demgemäfs 
übersichtlicher  gehalten.  Sehr  eingehend  werden  die  staatlichen  Anforde- 
rungen an  Lehrer,  Schüler  und  Studierende  dai^elegt,  und  man  erfthrt 
mit  einiger  Verwunderung,  wie  kompliziert  die  Beglementierung  in  diesem 
fortgeschrittenen  Musterstaate  ausgebildet  ist.  Ist  der  formale  Ausdruck 
des  Verfassers  auch  hier  und  da  nicht  ganz  einwandfrei,  so  wird  man  dem 


Neue  Philologische  Bundsehan  Nr.  15.  357 

Aasländer  die  gelegentlichen  Unebenheiten  doch  gern  verzeihen,  da  er 
sich  im  ganzen  recht  unbefangen  bewegt  und  seinen  Gegenstand  gut 
beherrscht. 

Alle  anderen  Artikel  begegnen  meist  in  der  ursprünglichen  Gestalt 
der  ersten  Auflage,  doch  sind  resp.  werden  alle  einer  genauen  Nach- 
prüfung unterzogen,  wobei  minder  wesenliches  gegen  wichtigeres  eingetauscht 
wird.  —  Hinsichtlich  der  äufseren  Ausstattung  ist  zu  bemerken,  dafs  das 
Lexikon  diesmal  in  Antiquaschrift  gedruckt  ist  und  damit  zweifellos  für 
den  Gebrauch  viel  gewonnen  hat.  Dieser  Umstand  wird  auch  im 
Auslande  sehr  geschätzt  werden,  wo  man  unsere  Frakturschrift  ungern 
liest.  Es  kann  nach  diesem  Bande  und  der  Mitteilung  über  die  weitere 
Ausführung  das  Werk  als  vermehrte  und  verbesserte  Auflage  empfohlen 
werden.  Über  die  Fortsetzung  werden  wir  s.  Z.  weitere  Mitteilung 
machen. 


196)  W.Lexis,  DieKefonn  des  höheren  üntexiiehts  mPreufsexL 

Halle,  Verlag  der  Buchhandlung  des  Waisenhauses  1902.    XIY  u. 

436  S.  gr.  8.  .^12.-. 

In  26  Abschnitten  hat  der  Mitarbeiter  des  Kultusministers  in  Preufsen 
im  Verein  mit  einer  grofsen  Anzahl  bekannter  Dozenten,  Direktoren  und 
Oberlehrer  ein  trefflich  ausgestattetes  und  dem  Kaiser  gewidmetes  Werk 
herausgegeben.  Alle  Ideen,  die  genau  seit  einem  MenschcDalter  —  seit 
Ostendorfs  Vorschlägen  in  der  1873  von  Falk  berufenen  Konferenz  — 
die  Pädagogik  beschäftigten,  kommen  hier  in  angemessener  Gruppierung  so 
zum  Ausdruck,  wie  sie  nach  hartem  Kampfe  gegen  tief  wurzelnde  Tra- 
ditionen sich  durchgesetzt  haben.  Der  geschichtliche  Bückblick  mit  den 
Etappen  v.  Zedlitz  1779  („weder  Gelehrsamkeit  noch  geschäftlicher  Nutz- 
wert") WöUner'sches  Edikt  1788  (Abiturientenprüfung),  1825  (Unter- 
stellung unter  die  Konsistorien),  1845  (ProvinzialschulkoUegien),  1859 
(Wiese  gliedert  die  Bealschulen  in  zwei  Ordnungen),  1866  (Bildung  von 
Fächergruppen  für  die  Prüfung  pro  fac.  doc),  1878  (Altona-Schlee),  1891 
(Frankfurt- Reinhardt)  —  ist  von  E.  Bethwisch  verfafst.  Seit  1890 
(Dezemberkonferenz)  ist  die  Zahl  der  Gymn.  u.  Prg.  von  312  auf  354  ge- 
stiegen, die  der  Bg.  u.  Bprg.  von  173  auf  97  gesunken,  die  der  Ober- 
realschulen  und  Bealschulen  von  29  auf  175  gestiegen.    Etwa  100  OOQ 


S68  Nene  Philologische  Randschati  Nr.  15. 

Schüler  besuchen  ein  Gymnasinm,  die  Hälfte,  50000,  eine  lateinlose  An- 
stalt, ein  Viertel,  25  000,  ein  Bealgymnasium.  Heynacher- Hildesheim 
behandelt  den  „Unterricht  im  Allgemeinen".  Beligionsunterricht  und 
Naturwissenschaft  geben  die  unmittelbarste  Anwendung  der  Wissenschaft 
auf  das  Leben.  Zur  Beform  gehört  die  Zuruckdämmung  des  „begrifflichen" 
Denkens  durch  das  „anschauliche".  Der  Schüler  soll  mehr  sehen,  weniger 
lesen,  mehr  selbst  erleben,  als  fremdes  nachempfinden.  Waldeck-Eorbach 
behandelt  das  Lateinische.  Da  unsere  Kultur  an  Umfang  und  Tiefe  über 
das  Altertum  hinausgewachsen  ist,  so  können  die  älteren  Sprachen  wohl 
vervollständigen  und  vertiefen,  nicht  aber  ersetzen  und  schaffen.  Die 
Einsicht  in  den  Bau  einer  Sprache  mufs  dem  „Deutschen"  vorbehalten 
bleiben,  v.  Wilamowitz  behandelt  das  Griechische  und  meint  der  „Geist 
des  Altertums"  sei  für  Schüler  nicht  zugänglich,  die  „ästhetischen 
und  sittlichen  Ideale "  der  alten  Griechen  genügen  der  Gegenwart 
nicht.  Nur  im  Zusammenhange  der  Yölkerkultur  interessiere  heute 
das  Werden  der  griechischen.  Diese  beiden  Aufsätze  werden  ohne 
Frage  den  lebhaftesten  Widerspruch  der  klassischen  Philologen  hervor- 
rufen. Über  die  neueren  Sprachen  läfst  sich  Mangold-Berlin  aus:  über 
Geschichte  Neubauer -Halle,  über  Erdkunde  H.  Wagner  -  Göttingen. 
Die  unverkennbaren  Fortschritte,  die  dieser  Unterrichtszweig  gemacht  hat, 
seitdem  es  seit  1875  an  jeder  Hochschule  einen  Ordinarius  für  Erdkunde 
gibt,  sind  wohl  von  allen  Seiten  freudig  begrüfst.  Das  Zeichnen  (Pro- 
fessor PoUat)  ist  durch  die  modernen  Bestrebungen  G.  Hirths,  E.  Langes 
und  Lichtwarks  nach  vielen  unstäten  Schwankungen  auf  festen  Boden  gestellt 
worden  und  völlig  von  Ornamentik,  Architektur  und  Mathematik  befreit. 
Die  grofsen  Wandlungen  der  mathematisch  -  naturwissenschaftlichen 
Fächer  behandeln  Klein-Göttingen  und  NoiTemberg-Posen.  Der  von  Falk 
aus  Anlafs  eines  Spezialfalles  unterdrückte  Entwickelungsgedanke 
beherrscht  jetzt  ausgesprochen  oder  unausgesprochen  den  ganzen  Unterricht. 
Ob  es  gelingen  wird,  den  oberen  Klassen  die  „Biologie"  oder  gar  die 
„Prüfung",  welche  1856  am  Gymnasium  abgeschafft  wurde,  wieder- 
zugewinnen, steht  dahin. 

Bremen.  W.  Groflflo. 


Nene  Philologische  Bnndschan  Kr.  15.  dö9 

197)  Keyers  Orofses  KonversatioxiB-Lexikon.  6.  gäDzlich  neu- 
bearbeitete  und  yermehrte  Auflage.  Mit  mebr  als  llOOO  Ab- 
bildungen im  Text  und  auf  über  1400  Bildertafeln,  Karten, 
Plftnen,  sowie  130 Textbeilagen.  Erster  Band:  A  bis  Astigmatis- 
mus. Leipzig  u.  Wien,  Bibliographisches  Institut,  1902.  gr.  8. 
YIII  u.  904  S.  zu  2  Spalten  u.  IV.  --  Zweiter  Band:  Astilbe 
bis  Bismarck.  Ebenda  1903.  914  S.  zu  2  Spalten  u.  IV. 
Zum  sechsten  Male  erscheint  das  Bibliographische  Institut  mit  seinem 
grofsen  „Nachschlagewerk  des  allgemeinen  Wissens"  auf  dem  Plane.  War 
auch  in  den  letzten  Auflagen  alles  mögliche  geschehen,  um  die  weit- 
gehenden Ansprüche,  die  man  an  einen  solchen  Hausschatz  stellt,  zu  be- 
friedigen, so  hat  die  Zentralleitung  des  Unternehmens  doch  nicht  auf  ihreu 
Lorbeeren  geruht,  sondern  sich  angelegen  sein  lassen,  die  mannichfachen 
Umgestaltungen,  die  auf  den  verschiedenen  Oebieten  der  wissenschaftlichen 
Forschung,  der  Künste,  des  öffentlichen  Lebens  an  der  Wende  des  Jahr- 
hunderts eingetreten  sind,  in  dem  Arbeitsplan  mit  zur  Behandlung  zu 
bringen  und  so  den  gegenwärtigen  Stand  unseres  Kulturbesitzes  in  an- 
gemessener lehrhafter  Form  vorzulegen.  Welche  Fortschritte  Naturwissen- 
schaft und  Technik  im  letzten  Jahrzehnt  gemacht  haben,  zeigen  uns  die 
Veränderungen  des  äu&eren  Lebens  um  uns  herum  alle  Tage.  Man  hat 
demnach  fortgesetzt  Gelegenheit  den  „Grofsen  Meyer '^  nachzuschlagen. 
Und  das  Gleiche  gilt  von  vielen  anderen  Gebieten.  Es  sei  nur  in  flüch- 
tigem Zuge  an  das  erinnert,  was  wir  zur  Orientierung  gebrauchen,  wenn 
wir,  wie  in  diesen  Tagen,  von  den  Entdeckungsfahrten  nach  dem  Nord- 
und  Südpol  lesen,  von  den  politischen  Verhältnissen  im  fernen  Osten,  von 
den  Unruhen  der  Balkanlandschaften,  von  den  Mordszenen  in  Kischenew 
oder  den  turbulenten  Bewegungen  in  Kroatien.  Andere  Fragen  inter- 
essieren natürlich  den  klassischen  Philologen,  aber  auch  sie  finden  ihre 
Auskunft  hier.  So  z.  B.  wenn  neue  Kunde  von  Ausgrabungen  kommt, 
sei  es  auf  dem  Forum  Bomanum  oder  in  Orchomenos,  auf  Leukas  und 
Thera,  in  Gnossus  und  Phästus,  in  Hiaparlik  und  in  der  Besidenz  der  Atta- 
liden,  in  Mesopotamien,  Ägypten,  Tunis  und  Algerien.  Bei  solchen 
Anlässen  stehen  ja  nicht  jedem  die  Spezialschriften  zur  Verfügung,  und  die 
systematischen  Darstellungen  reichen  bei  ihreu  spärlichen  Auflagen  nicht 
immer  bis  an  die  neueste  Zeit  heran.  Wieder  andere  suchen  Bat  in  sozial- 
politischen Dingen :  ihnen  dürften  die  Artikel  des  Grofsen  Meyer  unter„Arbeiter- 
frage'^  und  den  benachbarten  Stichworten  eine  willkommene  Belehrung  bieten. 


Nene  Philologisohe  Rnndsohan  Nr.  15. 


Da  demnach  die  BedQrfnisfrage  zu  gunsten  des  Eonversations-LexikonB 
auch  fBr  den  Gelehrten  nicht  zweifelhaft  sein  kann,  so  sei  das  Meyersche 
Werk  allen  Amtsgenossen  fQr  die  eigene  BQcherei  wie  fßr  die  Bibliothek 
des  Konferenzzimmers  bestens  empfohlen.  Über  mancherlei  Eigenart  der 
Gesamtleistung  dieses  Werkes  soll  weiterhin  berichtet  werden,  wenn 
die  nächsten  Bände  zur  Besprechung  anstehen.  Doch  wäre  es  nicht  recht, 
von  diesen  ersten  Bänden  zu  scheiden,  ohne  ihrer  trefflichen  Illustrations- 
materialien zu  gedenken,  die  ja  bekanntlich  einen  grofsen  Vorzug  des 
Grofsen  Meyer  ausmachen.  Daraus  etwas  besonderes  hervorzuheben,  ist 
freilich  bei  der  gebotenen  Fülle  nicht  leicht.  Interessenten  der  natur- 
wissenschaftlichen oder  technologischen  Studien  werden  an  den  Abbildungen 
zu  den  einschlägigen  Artikeln  ihre  Freude  haben;  andere  an  den  kunst- 
geschichtlichen Tafeln,  die  im  Anhang  des  ersten  Bandes  zur  Geschichte 
der  Architektur  gespendet  sind,  oder  an  den  Olustrationen  zur  Bildhauer- 
kunst am  Schlüsse  des  zweiten  Bandes. 

Yerlag  Ton  Friedrich  Andreas  Perthes,  Aktiengesellschaft,  Gotha. 

Cornelii  Tacifi 

Histoiriainuii    libiri    qui    supeirsuiit. 

Für  den  Schulgebrauch  erklärt  von 
Prof.  Dr.  K.  Knaut, 

Direktor  des  Eönig-Willielins-GymnaBliiinB  zu  Magdebnrg:. 

I.  BKndohen:  Baoh  I. 

Preis:  Ji  1.30. 

Hundert  ausgeffihrte  Dispositionen 

zu 

deutschen  Aufsätzen 

über 

SezxtezxaBezx  x:u3.cl.  sAol:3LXloli.e  "3?li.e3axAta 

für  die  obersten  Stufen  der  höheren  Lehranstalten. 

Von  Dr.  Edmund  Fritze, 

Professor  am  Gymnasinm  in  Bremen. 

Erstes  Bftndehen: 

a)  Entwurf  einer  Aufsatzlehre. 

b)  Die  ersten  48  Dispositionen. 

Preis:  Ji  3. 

Zweites  Bttttdehent 

Die  letzten  52  Dispositionen. 

Preis:  Ji  2. 

HP"    Zu  beziehen  durch  alle  Buchhandlungen.    IHI 

Für  die  Redaktion  Yerantwortiicli  Dr.  E.  LMdwIg  in  Brtmtii. 
Dmok  nad  Verlag  Ton  Jiriedrich  Andreas  Ferthee,  AktiengeeeUaeliaft,  Ooiha. 

Hierzu  als  Beilage:  Prospekt  der  WeUmaiinselieii  Baehhandlmig  in  Berlin, 
betr.:  Ezoerpta  historica  inssu  Imp.Constantini  Porphyrogeniti  confecta  edd  U.Ph.  Boissevain, 
C.  de  Boor,  Th.  Büttner-Wobst    Vol.  I. 


Gotha,  8.  August.  ITr.  16,  Jahrgang  1903. 

Neue 

PhilologischeRundschau 

Herausgegebeo  von 

Dr.  0.  Wagener  und  Dr.  E.  Ludwig 

in  Bremen. 

Erscheint  alle  14  Tage.  ~  Preis  fOr  den  Jahrgang  8  Mark. 

Bestellnngen  nehmen  alle  Buchhandlungen,  sowie  die  Fostanstalten  des  In-  und  Auslandes  an 

Insertionsgebflhr  fOr  die  einmal  gespaltene  Petitzeile  80  Pfg. 

Inlialt:  Rezensionen:  198)  G.  Bartolotto^  Demostene.  Le  tre  orazioni  contro 
Filippo  (May)  p.  361.  —  199)  R.  Y.  Tyrrell,  Terentl  comoediae  (P.  Wessner) 
p.  362.  —  200}  Herrn.  Dessau,  Inscriptiones  latinae  selectae,  vol.  II  pars  1 
(0.  Hey)  p.  363.  —  201)  Jos.  Mikolajczak,  De  septem  sapientiam  fabnlis 
qoaestiones  selectae  (W.  Brnnco)  p.  367.  —  202)  J.  Fürst,  Die  literarische  Porträt- 
manier im  Bereich  des  griech.- römischen  Schrifttums  (P.  H.  Bourier)  p.  372.  — 
203)  E.  A.  Gardner,  Ancient  Athens  p.  374.  —  204)  G.  Tropea,  La  stele 
arcaica  del  Foro  Romano  (P.  Wessner)  p.  375.  —  205)  Harward  Stadies  in 
classical  philology  (P.  Weizsäcker)  p.  377.  —  206)  A.  Gille,  Systematische  Zu- 
sammenstellung des  französischen  grammatischen  Merkstoffes  der  Realschule 
(Fries)  p.  379.  —  207)  Lucas  Cleeve,  The  Man  in  the  Street  (Teichmann) 
p.  380.  —  208)  L  ou i s  B e  ck e ,  Helen  Adair  (Teichmann)  p. 380.  —  209/210)  0.  J  e s- 
persen,  The  England  and  America  Reader;  ders..  Noter  TU  the  England  and 
America  Reader  (A.  Herting)  p  381.  —  211)  J.  Ziehen,  Über  die  Verbindung 
der  sprachlichen  mit  der  sachlichen  Betrachtung  (Bruncke)  p.  382.  —  212)  J.  Z  i  e  h  e  n , 
Über  den  Gedanken  der  Gr&ndaiig  eines  Reichsschulmusen  ms  (M.  Hodermann)  p.  383. 
Anzeigen. 


198)  Demostene.  Le  tre  orazioni  oontro  Filippo  illustrate  da 
Cr.  Bartolotto.  Seconda  edizione  rifatta  da  Domenico  Bassi. 
Torino,  E.  Loescber,  1902.    XXXII  a.  90  S.  8.  Li»  2. 

In  der  Sammlung  griechischer  and  lateinischer  Klassiker  von  E.  Loe- 
scher  in  Tarin  erschien  1902  die  zweite  Aaflage  zu  Bartolottos  Aasgabe 
der  drei  philippischen  Beden,  besorgt  von  Prof.  D.  Bassi  in  Mailand. 
Bassi  hat  in  derselben  Sammlung  auch  noch  andere  Demosthenische  Beden 
herausgegeben  und  ist  in  Italien  als  Demosthenesforscher  bekannt.  Die 
Ausgabe  kann  in  jeder  Beziehung  den  guten  Schulausgaben  Deutschlands 
an  die  Seite  gestellt  werden,  und  die  Grundsätze  in  Erklärung  und  Kritik 
unterscheiden  sich  nicht  von  der  in  Deutschland  herrschenden  wissen- 
schaftlichen Methode.  Nach  einer  kurzen  Biographie  Bartolottos  und 
einer  Vorrede  über  das  Verhältnis  der  zweiten  Ausgabe  zur  ersten  gibt 
der  Herausgeber  eine  Biographie  des  Demosthenes.    Die  einzelnen  Beden 


ää2  Keae  Philologische  ftundschau  Kr.  lä. 

werden  mit  orientierenden  sachlichen  Bemerkungen  und  einer  kurzen 
Disposition  eingeleitet.  Was  die  Interpretation  selbst  betrifft,  so  ist  sie 
philologisch  genau  und  berücksichtigt  die  Interessen  des  Schulgebrauchs 
in  durchaus  geschickter  Weise.  Auch  der  kritische  Anhang  steht  auf  der 
Höhe  der  neuesten  Forschungen  über  Demosthenes. 

Durlach.  May. 

199)  B.  T.  Tyirell,   F.  Terenti  Afri  oomoediae.     Becognovit 

brevique  adnotatione  critica  instruxit  (B.  Y.  T.)  Oxonii  (1902) 
e  i^pographes  Glarendoniano.  ca.  19  Bogen.  8. 
Diese  Terenzausgabe  gehört  zu  der  'Scriptorum  classicorum  bibliotheca 
Oxoniensis'  und  bietet  aufser  dem  Text  einen  vereinfachten  kritischen  Ap- 
parat, der  sich  im  wesentlichen  auf  diejenigen  Lesarten  der  Handschriften 
beschränkt,  die  vom  Text  der  Ausgabe  abweichen;  daneben  werden  an 
zweifelhaften  Stellen  auch  eine  Anzahl  Konjekturen  angeführt.  In  der 
Praefatio  giebt  T.  zunächst  eine  Übersicht  über  die  Handschriften.  Auf- 
fällig ist  dabei  die  Angabe  über  das  Alter  der  Korrekturen  im  Bembinus, 
die  eine  völlige  Unkenntnis  der  Untersuchungen  von  Hauler  und  Kauer 
verrät.  Galliopius  wird  ins  dritte  Jahrhundert  gesetzt  ^quippe  cuius  recen- 
sione  Donatas  iam  usus  sit';  ob  dies  richtig  ist,  erscheint  mir  doch  sehr 
zweifelhaft,  eine  Entscheidung  kann  hier  erst  dann  erfolgen,  wenn  der 
Terenztext  des  Donatkommentars  unter  genauer  Berücksichtigung  von  dessen 
Entstehungs-  und  Überlieferungsgeschichte  sorgfältig  untersucht  ist.  Von 
dieser  scheint  T.  nicht  viel  zu  wissen,  wenn  er  weiterhin  schreibt  'Aelius 
Donatus  ...  commentarium  in  Terenti  comoedias  scripsit  (idhuc  integrum 
exstantem,  excepta  illa  operis  parte  quae  ad  Hauton  timorumenon  attinet'; 
der  Kommentar  ist  bekanntlich  alles  andere  eher  als  der  'integer  Donatus'. 
Über  das  Verhältnis  der  Galliopianischen  Handschriften  zueinander,  bezw. 
der  Familien  d  und  ^,  begnügt  sich  T.,  nachdem  er  die  Arbeiten  von 
Pease  und  Warren  erwähnt  hat,  Dziatzkos  Ansicht  aus  der  Vorrede  der 
Tauchnitz -Ausgabe  (1884)  wiederzugeben,  der  er  selbst  beitritt.  Im  An- 
schlufs  an  die  oben  wiedergegebene  Bemerkung  über  Donat,  der  Mnter 
grammaticos  familiam  ducit',  heifst  es  bei  T.  ^Huc  accedunt  Eugraphius 
Servius  Priscianus  Probus';  was  das  letztere  soll,  weifs  ich  nicht,  denn  der 
Berytier  kommt. unter  denen,  die  Testimonia  geliefert  haben,  nicht  in  Frage 
und  die  dürftigen  Terenzzitate  in  den  unter  dem  Namen  Probus  gehenden 
grammatischen  Büchern  verdienten  doch  kaum  eine  besondere  Hervorhebung, 


Nene  l^hilologische  Rnndflcban  Nr.  16.  863 


wenn  z.  B.  Nonius  mit  seinen  vielen  Terenzstellen  überhaupt  nicht  er- 
wähnt wird.  Unter  den  Herausgebern  werden  besonders  Bentley  und 
Fleckeisen  (genannt  werden  noch  ümpfenbach  und  Dziatzko)  gepriesen, 
und  T.  sagt  von  Fleckeisens  zweiter  Ausgabe  'in  hac  recensione  paranda 
semper  inter  manus  habebam'.  Er  bekennt  sich  denn  auch  ausdrficklich 
zu  Fleckeisens  Ansicht  von  der  Methode  der  Terenzkritik.  Der  Apparat 
beruht  auf  der  Ausgabe  von  ümpfenbach ;  eigene  handschriftliche  Studien 
hat  der  Herausgeber  nicht  gemacht  und  auch  Berichtigungen  von  ümpfen- 
bachs  Angaben  unbeachtet  gelassen.  Wenn  man  weiter  liest  'coniecturas 
admisi  aliorum  raro,  meas  ipsius  perraro\  so  könnte  man  auf  die  Vermutung 
kommen,  dafs  T.  einen  möglichst  konservativen  Text  zu  bieten  beabsichtige, 
etwa  wie  Qoetz-Schöll  in  ihrer  kleinen  Plautusausgabe ;  allein  die  'simplex 
verborum  translatio'  zählt  für  T.  nicht  mit,  und  von  ihr,  sowie  von  einigen 
anderen  Mitteln,  hat  er,  zumeist  im  Anschlufs  an  Bentley  und  Fleckeisen, 
recht  reichlichen  Qebrauoh  gemacht.  An  Kormptel  der  Überlieferung 
fehlt  es  ja  gewifs  auch  bei  Terenz  nicht,  aber  anderseits  hat  doch  auch 
Leo  recht,  wenn  er  (Plaut.  Forsch.  S.  34)  sagt,  dafs  'die  Vorstellung,  die 
sich  Bentley  [in  dessen  Bahnen  auch  Fleckeisen  geht]  von  den  Schick- 
salen des  Textes  in  früher  Zeit  gemacht  hat,  völlig  unzutrefiTend  ist'.  So 
eine  Art  'kleiner  Fleckeisen ,  wie  ihn  T.  liefert,  kann  schwerlich  eine 
Förderung  der  Terenzkritik  bedeuten.  Im  ganzen  ist  die  Oxforder  Ausgabe 
ein  Mixtum  compositum  aus  ümpfenbach  (Bentley),  Dziatzko  (Ausg.  v.  1884) 
und  Fleckeisen  (2.  Aufl);  von  einer  Benutzung  sonstiger  Literatur  —  und 
an  solcher  fehlt  es  doch  wahrlich  nicht  —  ist  so  gut  wie  gar  nichts  zu 
bemerken.  Die  eigenen  Beiträge  des  Herausgebers  beschränken  sich  auf 
eine  kleine  Anzahl  meist  überflüssiger  Korrekturen  und  gelegentliche  Um- 
stellungen ä  la  Fleckeisen;  dazu  kommen  des  öfteren  Flüchtigkeiten  und 
üngenauigkeiten,  die  das  Qesamtbild  von  der  Tätigkeit  T.s  nicht  gerade 
verbessern. 

Bremerhaven. P.  Wessner. 

200)  Herrn.  Dessau,  Insoriptiones  latinae  selectae,  vol.  n, 
pars  1.  Berlin,  Weidmann,  1902.  IV  u.  736  S.  8.  Ji  24.—. 
Der  erste  Band  dieses  Inschriftenwerkes,  der  vor  zehn  Jahren  erschien, 
ist  hier  im  Jahrgang  1895  S.  153  ff.  angezeigt.  Wir  verzichten  daher 
darauf,  die  ganze  Anlage  und  den  Zweck  der  Dessauschen  Sammlung  zu 
besprechen.    Auch  über  Wert  und  Brauchbarkeit  im  allgemeinen  brauchen 


d64  j^ene  j^bilologisclie  ttnndschaa  ^r,  16. 


wir  hier  kein  Wort  zu  verlieren,  da  diese  Eigenschaften  bei  der  so  be- 
währten, anf  dem  Gebiete  der  lat.  Epigraphik  wie  wenige  geschalten 
Persönlichkeit  des  Verfassers  von  vornherein  aofser  Frage  stehen. 

Was  zunächst  den  Inhalt  der  neu  erschienenen  Partie  betrüK,  so  ent- 
hält sie  gegenüber  den  zehn  Kapiteln  des  ersten  Bandes  zwar  deren  nur 
vier  (dieselben  beziehen  sich  auf:  Beligion  und  Kultus;  die  Spiele;  öffent- 
liche Werke  u.  ä.  einschliefslich  Privatbauten;  das  Munizipalwesen),  da- 
gegen fibersteigt  der  Umfang  den  des  ersten  um  ein  bedeutendes:  736  Seiten 
gegen  580,  4254  Nummern  gegen  2956.  Und  dabei  ist  das  Volumen 
nur  der  erste  Teil  des  zweiten  Bandes,  so  dafs  das  Werk  statt  der  in  Aus- 
sicht genommenen  drei  Bände  also  mindestens  vier  enthalten  wird,  deren 
Oesamtpreis  nicht  viel  unter  hundert  Mark  bleiben  dfirfte.  Das  ist  ziem- 
lich teuer,  wenn  man  die  Wilmannssche  Beispielsammlung  mit  ihren 
20  Mark  dazu  in  Parallele  stellt,  aber  ein  recht  bescheidener  Preis  gegen- 
über den  vielen  Hunderten,  die  das  Hauptquellenwerk,  das  Corpus  selbst, 
kostet. 

Und  an  dem  Corpus  mufs  Dessaus  Werk  in  erster  Linie  gemessen 
werden.  Denn  wenn  es  auch  den  Epigrapbik  Treibenden  ein  Buch  der 
Einführung  sein  soll  wie  Wilmanns'  Exempla,  so  ist  es  doch  hauptsächlich 
dazu  bestimmt,  den  Gelehrten  einen  Ersatz  für  das  schwer  zu  beschaffende 
CIL  zu  bieten.  Daher  geht  es  denn  an  Beichtum  des  Inhalts  nicht  nur 
über  Wilmanns,  sondern  auch  über  die  Sammlung  Orelli-Henzen  weit 
hinaus.  Wenn  die  Inschriften  im  Titel  als  ^selectae^  bezeichnet  werden, 
so  scheint  dies  —  falls  Bef.  von  einer  genauer  durchgenommenen  Partie 
auf  das  Qanze  schliefsen  darf  —  keine  ^Auswahl'  in  dem  Sinne  zu  be- 
deuten, dafs  die  einzelnen  in  der  Epigraphik  erscheinenden  Objekte  blofs 
in  einem  oder  ein  paar  typischen  Beispielen  vertreten  wären;  es  äind  viel- 
mehr tunlichst  alle  Inschriften  der  Art  gegeben,  höchstens  dafs  solche, 
die  gegenüber  den  angeführten  gar  nichts  Neues  bieten,  mit  einem  nackten 
Zitat  in  die  Adnotatio  verwiesen  sind.  Dagegen  ist  die  Sammlung  aller- 
dings eine  Auswahl  in  dem  Sinne,  dafs  die  ganze  Masse  von  Inschriften 
ausgeschlossen  ist,  die  lediglich  onomatologisches  Interesse  haben,  d.  h.  i 

nur  Namen  nebst  geläufigen  Formeln  enthalten. 

Für  die  Sammlung  des  Materials  sind,  wie  im  ersten  Bande,  die 
Quellenwerke  aufs  ausgiebigste  ausgenutzt,  nicht  nur  die  Sammlungen  des 
CIL,  der  Ephemeris,  Brambachs  u.  s.  w.,  sondern  auch  die  zerstreuten 
Publikationen;  so  z.  B.  bringt  Nr.    4913    die  vielumstrittene   Forums- 


Nene  Philologische  Rnncbchan  Nr.  1%.  365 

inschrift  —  diese  natfirlich  nicht  in  Minuskeltransskription  —  und  in  den 
Anmerkungen  dazu  die  Literatur  hierüber  bis  1900:  freilich  ist  seither 
noch  weiter  Tinte  in  Strömen  über  dies  epigraphische  Rätsel  vergossen 
worden!  Bei  den  metrischen  Inschriften  konnte  in  diesem  Band  neben 
dem  Corpuszitat  die  Nummer  von  Büchelers  Garmina  epigraphica  gebracht 
werden;  dafür  scheint  sich  der  Herausgeber  gegenüber  Bücheier  auf  rein 
epigraphisch -antiquarische  Notizen  beschränkt  zu  haben. 

Aufserordentliche  Mühe  hat  sich  Dessau  mit  einer  bis  ins  kleinste 
gehenden  sachlichen  Ordnung  seines  Materials  gegeben,  um  dem  Leser 
durch  Zusammenstellung  des  Gleichartigen  das  Verständnis  des  Einzelnen 
zu  erleichtern,  so  weit  nicht  schon  durch  die  Adnotatio  hierfQr  gesorgt 
ist,  bezw.  durch  die  Indices  noch  gesorgt  werden  wird.  So  sind  z.  B. 
die  tituli  sacri  nicht  nur  nach  römischen,  griechischen  und  ausländischen 
Kulten  gesondert,  sondern  auch  innerhalb  der  einzelnen  Kreise  ist  eine 
sachliche,  nicht  etwa  alphabetische  Gliederung  vorgenommen,  die  so  weit 
geht,  dafs  z.  B.  in  der  Serie  'luppiter',  die,  nach  einer  kleinen  Beihe 
archaischer  Inschriften,  den  römischen  Götterkreis  eröffnet,  noch  nach  Tun- 
lichkeit  kleine  Untergruppen  auf  grund  der  verschiedenartigen  Epitheta 
gemacht  sind:  so  figurieren  in  erster  Linie  die  Inschriften,  welche  sich 
auf  Würde  und  MachtfQlle  des  Göttervaters  beziehen  (I.  optimus  maximus, 
conservator,  custos  u.  s.  w.),  dann  kommen  die,  welche  auf  den  Gott  der 
Himmelserscheinungen  hinweisen  (caelestis,  serenus,  pluvialis,  tonans,  fulgu- 
rator),  weiterbin  die  personalsubstantivischen  Beinamen  (I.  Liber,  Libertas, 
luventas)  und  die  lokalen  (Latiaris,  Apenninus  etc.)  und  schliefslich 
luppiter  innerhalb  der  kapitolinischen  Trias  sowie  in  Verbindung  mit 
anderen  Gottheiten.  Ähnlich  bringt  das  Kapitel  über  die  Spiele  zuerst 
die  das  Gladiatorenwesen  betreffenden  Denkmäler,  innerhalb  dieser  Haupt- 
gruppe zuerst  die  Tituli  ganzer  Fechterschulen,  dann  die  einzelnen  Waffen- 
gattungen gesondert,  das  Hilfspersonal  u.  s.  w. 

Was  die  Akribie  des  Buches  in  formaler  Hinsicht  betrifft,  so  ist  der 
neue  Band  auch  noch  nicht  vollkommen,  ebenso  wie  der  alte,  an  dem  seinerzeit 
von  verschiedenen  Seiten  einzelne  Ausstellungen  gemacht  wurden.  Es  ist 
dies  insofern  zu  bedauern,  als  bei  einem  ürkundenwerk  dieser  Art  gröfste 
Zuverlässigkeit  einer  der  wichtigsten  Faktoren  ist;  aber  einen  persönlichen 
Vorwurf  hierüber  wird  dem  Verf.  niemand  machen,  der  aus  Erfahrung 
weifs,  dafs  bei  einem  umfangreichen  Werk,  zu  dem  das  Material  aus  einer 
Menge  weitverstreuter  Quellen  geschöpft  werden  und  das  wie  ein  Mosaik 


366  Nene  Philologische  Bnndschaa  Nr.  16. 

aus  tansenden  und  abertausenden  kleiner  Steinchen  zusammengesetzt  werden 
mufs,  —  dafs  bei  einem  derartigen  Werk  gewisse  Unebenheiten  und  Form- 
fehler eben  fast  zu  den  ünvermeidlichkeiten  gehören.  Im  übrigen  sind  die 
meisten  Fälle,  die  dem  Bef.  bei  den  Stichproben  auffielen,  leichter  Art 
und  betreffen  Dinge,  wie  man  sie  als  Bezensent  anzuführen  pflegt  mehr 
um  zu  zeigen,  dafs  man  sich  die  Sache  auch  genau  angesehen  hat,  als 
weil  ein  Unterbleiben  ihrer  Berichtigung  Schaden  anrichten  könnte.  Da- 
hin gehört  die  unrichtige  Zeilenteilung  in  5982  Z.  3  (schreibe :  ujtrisque), 
die  falsche  Bezifferung  der  Anmerkungen  in  5141  und  6438,  das  Fehlen 
der  Zeilenabteilung  in  5304.  Die  Bezeichnung  ungewöhnlicherer  Formen 
und  Schreibungen  durch  beigesetztes  'sie'  ist  etwas  willkürlich ;  so  gehörte 
'sie  konsequenterweise  in  6199  zu  'curie',  6456  zu  Vibo\  4423  zu 
bestem  liniam',  zu  'siricam'  und  zu  'lentea',  bei  6459,  wo  es  aus  dem 
CIL.  übernommen,  eher  zu  'exibuit'  als  zu  'abundantiä',  bei  5698  zu 
'honer/,  bei  7195  zu  Vofent.  ==  Oufent.,  wenn  auch  die  nachfolgende 
griechische  Version  Ovwq>BVTBiva  über  die  Bichtigkeit  der  Schreibung 
aufklären  kann.  Ebenso  ist  in  der  Wiedergabe  der  Apices,  bezw.  der 
I  longa  durch  i,  keine  strenge  Konsequenz:  dafs  in  einigen  Inschriften, 
wie  5129  und  6965  diese  Zeichen  überhaupt  fehlen,  ist  dabei  weniger 
zu  bedauern,  als  dafs  die  Setzung  innerhalb  ein  und  derselben  Inschrift 
nicht  streng  durchgeführt  ist,  wie  bei  6579,  6964,  6988  (in  ersterer  auch 
unrichtig:  c^ntumvirös).  Abweichungen  vom  Text,  bezw.  der  Trans- 
skription des  Corpus  sind  dem  Bef.  folgende  aufgefallen:  4422  Fabia 
L.  1.  (L.  f.  im  CIL),  5141  zeses  (zesis),  5302  ollas  IIII  (III),  5306  vivit 
(vixit),  5503  Leonam  (Leonan),  5982  determinationem  (definitionem)  und 
supercilium  (-u),  6194  aed.  (aedil.),  6965  Narbonenses  (-neses),  Antonini 
(Antonini  Pii),  4424  Guram  (curam)  ^). 

Doch  alle  diese  Fehler  sind,  wie  gesagt,  Kleinigkeiten,  die  den  wissen- 
schaftlichen Wert  des  Buches  nicht  beeinträchtigen.  Bei  einer  scharfen 
Kontrolle  des  Materials  gelegentlich  der  Zusammenstellung  der  Indices 
kann  ja,  wo  Berichtigung  nottut,  noch  die  bessernde  Hand  angelegt  werden. 
Wir  wünschen  dies,  doch  mag  dieser  Wunsch  ganz  zurücktreten  gegen- 
über einem  andern,  der  hier  im  Namen  aller  Benutzer  von  Dessaus  Werk 
ausgesprochen  sei :  nämlich  dafs  bis  zum  vollständigen  Abschlufs  des  Werkes 


1)  Die   Wiedergabe  der   Corpns-Nnmmem    zeigte    sich    bei    gegen    200  Stich- 
proben, die  Bef.  vornahm^  als  durchaus  exakt. 


Nene  Philologische  RandBchan  Nr.  16.  867 

keine  so  grorse  Spanne  Zeit  yerstreichen  mOgey'^wie  sie  zwischen  dem  Er* 
scheinen  des  ersten  Bandes  nnd  des  hier  besprochenen  liegt.  Bis  zum 
vollständigen  Abschlofs,  des  Werkes,  sagen  wir,  einschliefslich  des  Index- 
Bandes;  denn  erst  durch  die  Indices  wird  ein  derartiges 'Monnmentalwerk' 
zum  vollen  Leben  erweckt.  Dann  wird  es  aber  anch  in  keiner  Bibliothek 
mehr  fehlen  dfirfen,  in  der  die  lat.  Epigraphik  Oberhaupt  vertreten  sein  soll. 
München.  O.  Hej. 

201)  JoBophatoB  Mikolajozak,  De  Septem  sapientiiim  fabnlis 
quaestiones    selectae.      Accedit   epimetrum    de  Maeandrio 
sive  Leandro  rerum  scriptore  (=  Breslauer  philologische  Ab- 
handlungen, herausgegeben  von  fitehard  FSrster.     Bd.  IX, 
Heft  1).    Breslau,  M.  &  H.  Marcus,  1902.    75  S.  8.     J$  8.—. 
Der  Verf.  zeigt  in  seiner  Schrift  ein  besonnenes  urteil  und  hält  sich 
von  gewagten  Hypothesen  möglichst  ferne.    Bfihmend  hervorzuheben  ist 
auch  seine  grofse  Vertrautheit  mit  der  antiken  und  modernen  Literatur. 
Denn  abgesehen  von  den  Monographieen,  welche  die  sieben  Weisen  zum 
Thema  haben,  kennt  er  auch  sehr  genau  die  in  Zeitschriften  erschienenen 
Aufsätze,   in  denen  die  Fragen,  die  in  sein  Oebiet  einschlagen,  nur  ge- 
legentlich berührt  werden. 

Mik.  gliedert  den  StoflT,  den  er  sich  zur  Untersuchung  ausgewählt 
hat,  in  fOnf  Kapitel.  Im  ersten  (S.  3 — 26)  sucht  er  die  Zeit  zu  bestim- 
men, in  welcher  der  Katalog  der  sieben  Weisen  entstand.  Der  älteste 
Schriftsteller,  der  uns  ein  Verzeichnis  der  sieben  Weisen  gibt,  ist  Plato 
(Protag.  343  A).  Durch  scharfsinnige  Interpretation  der  Worte  xai  ^ß- 
dofwg  h  Toikoig  eXiyeTo  weist  jedoch  Verf.  nach,  dafs  dieses  Verzeichnis 
aus  frfiherer  Zeit  stammt  und  dals  zur  Zeit  Piatos  auch  schon  andere  Ver- 
zeichnisse vorhanden  waren.  Da  die  Novelle  den  Buhm  der  sieben  Weisen 
schon  bei  ihren  Zeitgenossen  vergröfserte,  so  nimmt  Mik.  an,  dafs  bereits 
im  6.  Jahrh.  im  Volksmund  diese  Männer  zu  einem  Kollegium  vereinigt 
worden  seien.  Diese  Aufistellung  ist  jedoch  unhaltbar;  hoffentlich  ist  es 
dem  Bef.  möglich,  in  einem  besonderen  Aufsatz  seine  eigene  Meinung 
in  betreff  dieser  Frage  genauer  darzulegen. 

Der  fibrige  Teil  des  ersten  Kapitels  trägt  einen  polemischen  Cha- 
rakter und  wendet  sich  gegen  F.  DQmmler,  Akademika,  S.  50  f.  sowie 
gegen  die  allzu  gewagten  Behauptungen,  welche  CSarl  Jod,  Der  echte  und 
der  Xenophontische  Sokrates,  Berlin  1901,  S.  759  ff.  aufstellte.   Mik.  zeigt, 


868  Nene  Philologische  Bundschau  Nr.  16. 

dafs  Plat.  Protag.  347  G  nur  die  Sophisten  gemeint  sein  können  und  dafs 
diese  die  Sagen  von  den  sieben  Weisen  weiter  ausgestalteten,  wie  über- 
haupt alle  Philosopbenschulen  sich  mit  den  Aussprüchen  dieser  Männer 
beschäftigten. 

Das  zweite  Kapitel  (S.  27—32)  erörtert  die  Frage:  Hebdomas  sapien- 
tium  quare  ficta  sit.  Bei  den  Griechen  spielte  die  Zahl  7,  besonders  im 
Apollokultus,  eine  grofse  Bolle.  Zu  den  vielen  Belegen,  welche  Verf.  aus 
antiken  Autoren  bringt,  möchte  Bef.  noch  eine  bisher  unbeachtet  ge- 
bliebene Stelle  hinzufügen,  nämlich  Plut.  Aristid.  11,  2,  wo  das  delphische 
Orakel  vor  der  Schlacht  bei  Flatää  von  den  Qriechen  unter  anderm  ver- 
langt, sie  sollten  sieben  Heroen,  welche  namentlich  bezeichnet  sind,  ein 
Opfer  darbringen.  Am  Schlüsse  dieses  Kapitels  glaubt  Verf.,  dafs  die 
Siebenzahl  der  Weisen  aus  der  Volksreligion  hervorgegangen  sei  und  dafs 
man  sie  nicht,  wie  dies  Hirzel,  Der  Dialog  11,  S.  133  und  Harro  Wulf, 
De  fabellis  cum  collegii  septem  sapientium  memoria  coniunctis  quaestiones 
criticae,  Halis  Sax.  1896  p.  8  u.  9  (=»  diss.  philol.  Hai.  vol.  XIII  pars  III 
p.  170  u.  171)  tun,  aus  der  Siebenzahl  der  Heliossöhne  herzuleiten  brauche. 

Im  dritten  Kapitel  (S.  33  u.  34) :  De  VII  sapientibus  cum  Apolline 
Delphico  coniunctis  bringt  Mik.,  abgesehen  von  reichen  Literaturangaben, 
nichts  Neues. 

Im  vierten  Kapitel  (S.  35 — 46):  De  septem  sapientium  conventibus 
conviviisque  geht  der  Verf.  von  der  wohlbegründeten  Anschauung  aus, 
dafs  die  Oriechen  schon  in  den  ältesten  Zeiten  ohne  Bücksicht  auf  Chrono- 
logie berühmte  Männer  miteinander  in  Verbindung  setzten.  Infolgedessen 
habe  man  auch  geglaubt,  die  sieben  Weisen  seien  wiederholt  zusammen- 
gekommen. 

Als  Beweis  für  die  Popularität  der  S^en  von  den  sieben  Weisen 
führt  Mik.  S.  43  f.  die  zwei  Mosaikbilder  von  Albi  Torlonia  und  von 
Torre  Annunziata  sowie  eine  Gemme  an.  An  dieser  Stelle  hätte  er  jedoch 
auch  darauf  aufmerksam  machen  sollen,  dafs  sich  in  der  Vatikanischen 
Sammlung  Hermen  des  Periander  und  Bias  nebst  Fragmenten  von  Her- 
men des  Selon,  Thaies,  Fittakos  und  Kleobulos  befinden.  An  den  meisten 
von  ihnen  ist  noch  der  Name  des  betreffenden  Weisen  und  sein  berühm- 
tester Spruch  zu  lesen  (vgl.  Visconti,  Iconographie  Orecque,  Paris,  Didot, 
1811  I,  p.  104  sq.  9).  Auf  ein  Epigramm  des  Agathias  gestützt,  glaubt 
Visconti,  dafs  diese  Hermen  auf  Bronzen  des  Lysippos  oder  vielmehr 
dessen  Schülers  Aristodemos  zurückgehen.    Visconti  erwähnt  1.  1.  p.  119 


Keae  t'bilologische  ttandschaa  Kr.  l6.  369 


auch  ein  Fragment  eines  Mosaiks,  das  Gbilon  darstellt  und  in  Verona  auf- 
bewahrt wird. 

Auch  hätte  Verf.  hier  erwähnen  sollen,  daTs  Brustbilder  von  Ghilon 
und  Eleobulos  zusammen  mit  denen  des  Diogenes,  Sokrates,  Aristoteles, 
Plato  und  Sophokles  in  einem  grofsen  Mosaikfursboden  dargestellt  sind, 
der  1844  in  Köln  bei  dem  neuen  Hospital  an  Gäcilien  gefunden  wurde 
und  der  sich  jetzt  daselbst  im  Wallraf-Bichartz-Museum  befindet. 

Im  letzten  Teil  des  vierten  Kapitels  nennt  Mik.  auch  die  Spruch- 
sammlung des  Pseudo-Ausonius.  Bei  der  Literatur  über  diese  Sprüche 
entging  ihm  eine  Abhandlung  des  Bef.  (Zwei  lateinische  Spruchsamm- 
lungen, Programm  des  Gymnasiums  Bayreuth,  1885),  woselbst  die  Ent- 
stehung dieser  Sammlung  ausführlich  dargelegt  ist. 

Im  fünften  Kapitel  (S.  46  —  60):  De  praemio  Septem  sapientibus 
dato  gibt  der  Verf.  die  Stellen,  welche  sich  bei  den  Alten  auf  diesen 
Sagenkreis  beziehen,  in  ihrem  vollen  Wortlaut  an.  Im  Gegensätze  zu 
Wulf  sucht  Mik.  diese  Stellen  systematischer  zu  ordnen.  Er  erwähnt  hier 
zwei  Stellen,  die  Wulf  übersehen  bat  (Athen.  XI,  p.  781  d  und  Plut. 
conviv.  VII  sap.  13);  Ref.  kann  aber  nicht  verstehen,  warum  Mik.  ver- 
schiedene Stellen,  die  zu  dem  angegebenen  Sagenkreis  gehören  und  schon 
bei  Wulf  stehen,  wegläfst,  indem  er  nur  kurz  von  ihnen  sagt,  sie  seien 
ohne  Belang.  Bef.  glaubt  jedoch ,  dafs  Verf.  seine  Behauptung  im  ein- 
zelnen hätte  näher  begründen  sollen,  damit  der  Leser  auch  erßihrt,  warum 
diese  Stellen  aufser  Betracht  bleiben  sollen. 

Sehr  dankenswert  ist  die  Untersuchung,  welche  Verf.  alsdann  S.  52 — 55 
über  den  Inhalt  von  Androns  Tqinovq^  über  die  Bedeutung  dieses  Titels 
und  über  die  Lebenszeit  des  Schriftstellers  gibt. 

Während  Wulf  versucht  hatte,  die  Anfänge  dieses  Sagenkreises  genau 
festzustellen,  hält  dies  Verf.  bei  der  grofsen  Zahl  einander  widersprechender 
Sagen,  welche  von  den  Schriftstellern  mit  aller  Kunst  verknüpft  wurden, 
für  unmöglich.  Hier  legt  er  mit  Geschick  dar,  dafs  die  Sage  von  dem  im 
Meer  gefundenen  Dreifufs  eine  spätere  Bildung  ist.  Zu  weit  geht  jedoch 
Mik.,  wenn  er  aus  Diod.  IX  3  b  schliefst,  die  Erzählung  von  dem  Kriege 
der  lonier  und  die  von  dem  im  Meere  gefundenen  Dreifufs  seien  erst 
zueinander  in  Beziehung  gebracht  worden.  Bef.  hält  vielmehr  dafür,  dafs 
der  Krieg  als  eine  Folge  jenes  Fundes  aufzufassen  ist  und  dafs  bei  Diodor, 
dessen  neuntes  Buch  wir  zudem  nur  in  Form  von  Exzerpten  besitzen,  die 
Worte  der  Quelle  ungenau  wiedergegeben  sind;  es  wird  aufserdem  von 


37Ö  Kene  t'hilologtscbe  änndschaa  Nr.  lä. 


diesem  Krieg  selbst  weiter  [gar  nichts  erwähnt  Auch  ist  hier  zu  be- 
achten, was  Rudolph  Elöber,  Über  die  Quellen  des  Diodor  von  Sicilien 
im  neunten  Buch,  Würzburg  1868,  S.  8,  gerade  bei  Besprechung  des 
Fragments  3  über  die  Überlieferung  des  Diodorischen  Textes  sagt. 

In  einem  Epimetrum  folgt  S.  61—72  noch  eine  Abhandlung  über 
MaidvÖQiog  und  AeavÖQoq.  Karl  Keil  hat  zwar  schon  in  seinen  Vin- 
diciae  onomatologicae,  Numburgi  1843,  cap.  II,  p.  9—13  nachgewiesen, 
dafs  mit  diesen  beiden  Namen  der  gleiche  Schriftsteller  bezeichnet  werde; 
da  aber  Keil  nach  Ansicht  des  Verf.  dies  nicht  genug  begründete,  so 
nimmt  Mik.  die  Untersuchung  noch  einmal  auf,  um  jeden  Zweifel  an  der 
Identität  der  beiden  Namen  zu  beseitigen.  Maiandrios  lebte  nach  Verf. 
BeweisfQhrung,  die  freilich  bei  den  wenigen  Anhaltspunkten,  die  uns  zu 
Qebote  stehen,  nicht  zwingend  ist,  im  Anfang  des  4.  Jahrh.  Um  diese 
seine  Behauptung  zu  stützen,  beruft  sich  Mik.  S.  71,  A.  1  auf  Hicks 
und  Susemihl;  doch  mit  Unrecht.  Denn  nach  dem  ersteren  lebte  Maian- 
drios nicht  früher  als  Alexander  der  Grofse,  nach  dem  letzteren  aber  in 
den  Zeiten  Alexanders. 

Die  Drucklegung  der  Abhandlung  hätte  mit  etwas  gröfserer  Sorg- 
falt überwacht  werden  sollen.  S.  1  sollte  Joel  ebenso,  wie  dies  bei 
dem  Vorname  Garolus  geschehen  ist,  gesperrt  gedruckt  sein.  S.  29 
ist  hinter  scholiasta  zwar  die  Anfangsklammer  gesetzt,  doch  fehlt  hinter 
„p.  410,  10"  die  entsprechende  Schlufsklammer,  die  auch  auf  der  folgen- 
den Seite  hinter  dem  Zitat  aus  Liban.  ausgefallen  ist.  Etwas  später  ist 
auf  S.  30  die  Schlufsklammer  erst  hinter  dem  Zitat  aus  der  dem  Dionys. 
Halicarn.  fälschlich  zugeschriebenen  Ars  rhet^r.  zu  setzen.  S.  29,  Z.  21 
steht  Sl  fjv  statt  öl"  ^v.  Auf  der  nächsten  Seite  ist  hinter  QaQpiXidivog 
der  Doppelpunkt  zu  streichen.  S.  63  vermifst  man  bei  dem  ersten  Worte 
^Aqiai;6d7ifjiov  den  Spiritus.  S.  64,  A.  4  ist  statt  Callmachum  zu  lesen 
GalUmachum.  Ebenso  halte  ich  auf  S.  65  im  Zitat  aus  Theodoretos 
Mih^aiot  für  verdruckt  aus  Mth/jaLOv\  eine  Ausgabe  dieses  Schriftstellers 
war  mir  leider  nicht  zur  Hand.  S.  67  fiel  vor  ApoUinis  Didjmaei  . . . 
templo  die  Präposition  de  aus.  Sehr  schlimm  aber  erging  es  zwei  anderen 
Stellen.  So  liest  man  S.  69,  Z.  14  „(II  225)",  was  „(Hom.  n  225  bis 
227)"  heifsen  soll,  und  in  den  Addenda  et  corrigenda  S.  73  machte 
der  Setzer  aus  „Cic.  de  leg.  II,  11,  2  6  Thaies  qui  sapientissimus  in  Sep- 
tem fuit"  gar  einen  Nachtrag  zu  pag.  11  lin.  26. 

Da  Mik.  sehr  viele  Zitate  gibt,  so  konnte  es  nicht  ausbleiben,  dafs 


Nene  Philologuche  Bnndschan  Nr.  16.  371 

auch  ihm  selbst  dabei  verschiedene  üngenauigkeiten  und  Versehen  mit  unter- 
liefen. Bohren  (S.  1)  heifst  mit  seinem  Vornamen  nicht  F.  s=  Ferdinand, 
sondern  Franz  Emil.  S.  5,  A.  2  erweckt  der  Wortlaut  „Ed.  Meyer, 
Philol.  XXXXVIII  (1889)  p.  268.  Forschung  z.  alt.  Gesch.  I,  p.  127'' 
bei  dem  Leser  den  Qlauben,  man  habe  es  hier  mit  zwei  verschiedenen 
Abhandlungen  Ed.  Meyers  zu  tun;  in  der  Tat  aber  enthalten  die  For- 
schungen S.  127  ff.  —  freilich  mit  Veränderung  des  ursprfinglichen  Titels  — 
nur  einen  Abdruck  der  ersten  Abhandlung.  Auch  stehen  die  Worte,  auf 
welche  sich  Verf.  bezieht,  bei  Ed.  Meyer  nicht  im  Text  selbst,  sondern 
jedesmal  in  einer  Anmerkung.  S.  9  verweist  Verf.  auf  das  nachfolgende 
Kapitel  III  statt  IV.  Die  Worte  diiaag  xarixate,  welche  er  S.  23,  letzte 
Zeile,  als  Zitat  aus  Herod.  I,  60  anführt ,  sind  von  ihm  nach  dem  Texte 
bei  Herodot  zurecht  gemacht  S.  31  sollte  man  bei  der  Stelle  aus  Aristot. 
Metaphys.  ersehen,  wie  zu  ev  eTtrSt  de  dddvtag  ßdXXei  das  Subjekt  heifst.  Auch 
ist  S.  50  nicht  angegeben,  wer  im  Lud.  VII  sap.  des  Ausonius  die  betreffenden 
Verse  vorträgt.  Ebenso  vermifst  man  S.  51  im  Zitat  aus  Flut.  conv. 
VII  sap.  eine  Angabe  darüber,  wer  diese  Worte  spricht  und  besonders, 
wer  die  angeredete  Person  ist.  S.  55  sollte  zu  Flut.  Sol.  4  die  Paragraphen- 
zahl beigeschrieben  sein,  wie  dies  auch  S.  50  geschehen  ist.  S.  58  sind 
die  Worte  „  ovTtoTe  Ttqiv  etc.^*  ein  ungenaues  Zitat.  Den  Samier  Oih^ing 
nennt  Plutarch  Aristid.  c.  23  nicht  §6,  wie  Mik.  S.  62,  A.  1  angibt, 
sondern  §  4.  S.  73  erwähnt  Verf.  nicht  im  Nachtrag  zu  S.  8,  A.  2 ,  dafs 
Frachter  in  Bursians  Jahresbericht,  1898,  Band  I  Heinzes  Abhandlung 
rezensierte. 

Zum  Schlüsse  noch  einige  Bemerkungen  über  das  Latein  des  Verf. , 
Dieses  ist  zwar  im  allgemeinen  korrekt;  doch  ist  auch  hier  einiges  der 
Verbesserung  bedürftig.  S.  37  erfordert  der  Satz  „nisi  Hesiodi  carmina 
tum  magni  aut  Homero  pluris  aestimata  essent*'  nicht  „magni^S  sondern 
„tantidem'^  An  zwei  Stellen  (S.  38  u.  56)  steht  quantopere  ...  value- 
rint  statt  quantum  ...  valuerint;  S.  59  ist  quantopere  dazu  verwendet, 
um  das  Adjektiv  notum  zu  steigern.  S.  57  sollte  der  Satz  quanto  cum 
studio  . . .  consilia  studuerunt  mit  mehr  Sorgfalt  abgefafst  sein.  S.  17 
u.  21  gebraucht  Mik.  Hoc  (sc.  JoSlio)  iudice  und  JoSlio  iudice  fehlerhaft 
statt  Joelius  iudicat  und  setzt  an  der  zweiten  Stelle  einen  weiteren  Satz, 
der  dem  Qedanken  nach  davon  abhängig  ist,  als  selbständig,  noch  dazu 
durch  einen  Beistrich  getrennt,  daneben.  Auf  der  folgenden  Seite  läfst 
dafür  Verf.  von  einem  anderen  Jo6lio  iudice  einen  Acc.  c.  Inf.  abhängen. 


372  Neue  Philologische  Bundschaa  Nr.  16. 

Am  Ende  der  Abhandlaog  sollte  „scilicet  quod  etc.'^  in  anderer  Form 
gegeben  sein,  damit  der  Leser  sieht,  dafs  dies  Worte  Boepers  sind,  gegen 
den  Mik.  an  dieser  Stelle  polemisiert.  Eine  ganz  besondere  sprachliche 
Eigenart  zeigt  Verf.  in  der  Satzstellung.  Non  dubito  setzt  er,  wie  Bef. 
zählte,  fünfmal  hinter  den  quin-Satz;  in  ähnlicher  Weise  läfst  er  S.  37 
band  scio  dem  Satze  mit  an  non  folgen.  Statt  der  gewöhnlichen  Stellung 
tantum  abest,  ut-ut  gebraucht  er  zweimal  (S.  54  u.  68)  die  neue  Satz- 
stellung ut  . . .  tantum  abest  ut. 

Bayreuth.  Wilhelm  Brmieo. 

202)  J»  Fürst,  Die  literarische  Forträtmanier  im  Bereich 
des  griechisch-römischen  Schrifttums.  Leipzig,  Diete- 
rich, 1903.  (Sep.-A.  a.  d.  Philologus  61,  Heft  3.)  S.  374—440 
U.  593—622.  8.  Ji  2.40. 

Vorliegende  Studie  ist  eigentlich  der  siebente  und  Hauptabschnitt 
der  im  Philologus  60  (1901),  S.  228  ff.  u.  330  ff.  erschienenen  Unter- 
suchungen zur  Ephemeris  des  Diktys  von  Kreta,  wurde  aber  mit  gutem 
Orunde  vom  Verf.  auch  als  selbständige  Monographie  herausgegeben.  Denn 
sie  ist  auch  für  solche,  die  sich  nicht  speziell  mit  Diktysuntersuchungen 
beschäftigen,  in  hohem  Grade  lehrreich  und  lesenswert.  Namentlich  gilt 
dies,  um  einige  Beispiele  anzuführen,  von  der  Übersicht  über  die  Ver- 
breitung der  lit.  Porträtmanier  (S.  382—396),  von  der  ansprechenden 
Erörterung  über  die  unter  griechischem  Einflufs  in  den  Fapyrusurkunden 
sich  vollziehende  Entwickelung  vom  Vollsignalement  zum  ovAi^- Typus 
,  (S.  397—407)  und  vom  Abschnitt  über  Physiognomik,  Boman  und  Skulptur 
(S.  427  ff.). 

Ich  glaube  Fürst  unbedenklich  zugeben  zu  müssen,  dafs  in  der  Tat 
die  d-ioL  des  malalianischen  Trojaberichtes  dem  griechischen  Diktys  an- 
gehören. Aus  Sisyphus  sind  sie  sicher  nicht.  Wenn  ich  in  meinen  Pro- 
grammen (Fürst,  S.  374,  Anm.  3)  dieselben  dem  Domninus  zuteilte,  so 
wollte  ich  damit  nicht  sagen,  dafs  dieser  sie  selbst  produziert  habe,  son- 
dern dafs  er  sie  in  seine  Chronik  aufnahm,  weil  er  Qeschmack  daran  fand. 
Er  kann  sie  ganz  gut  aus  Diktys  genommen  haben,  wie  das  Porträt  der 
Phädra  und  des  Hippolytos  (Mal.  88,  14,  17)  aus  Kephalion.  Damit 
dürfte  sich  auch  der  Einwand  Patzigs  (Byz.  Zeitschr.  X,  609)  erledigen, 
dafs  in  der  domninischen  Orestie  Iphigenie ,  Orest  und  Pylades  nicht  por- 
trätiert sind.  Hier  fand  eben  Domninus  in  seiner  Quelle  kein  Porträt  vor. 


Nene  Philologische  Rnndsehaa  Nr.  16.  373 


Patzig  schreibt  1.  c.  die  d^eai  dem  Malalas  selbst  zu  im  Hinblick  auf 
Mal.  130,  4.  Mit  Becht  weist  Forst  darauf  hin,  dafs  hier  kein  Forträt 
im  eigentlichen  Sinn  vorliegt  (S.  694).  Wenn  Patzig,  um  die  Schwierig- 
keit, daTs  Malalas  von  den  griechischen  Heldengestalten  aufser  denen  der 
Trojasage  nur  noch  Phädra  und  Hippolyt  porträtiert  hat,  zu  erklären,  die 
Vermutung  aufstellt,  es  sei  deshalb  geschehen,  weil  er  irrtfimlich  die 
„'iXia^^  Oaldqa  dem  Herrscherhause  von  Ilion  zugewiesen  habe, 
so  kann  man  dem  die  naheliegende  Frage  entgegenhalten,  warum  Malalas 
dann  die  Könige  von  Ilion  Troos  (79,  21),  Ilios  (81,  11),  DardanoB 
(83,  8)  und  Laomedon  (86,  18),  nicht  mit  Porträten  versah,  während  der 
Sohn  des  letzteren,  Priamus  (105,  7),  porträtiert  ist.  Priamus  stammt 
eben  aus  Diktys,  der  Porträte  hatte,  während  bei  Timotheus  solche  durch- 
weg fehlen.  Ich  glaube  also  nicht,  dafs  Malalas,  abgesehen  von  den 
Porträten  der  zeitgenössischen  Kaiser,  selbständig  Porträte  erfunden  habe, 
wenn  er  auch  mit  manchen  willkörlich  umgegangen  sein  mag. 

Mit  besonderem  Interesse  habe  ich  die  Ausffihrungen  Forsts  ober  die 
Kaiserporträts  bei  Malalas  gelesen.  Auch  ich  halte  sie  für  Ausgeburten 
naiver  oder  spekulativer  Phantasie.  Die  Beobachtungen,  die  Ffirst  bezfig- 
lich  der  Zahl  und  namentlich  hinsichtlich  des  Verhältnisses  der  körper- 
lichen und  ethischen  xaQayfxriQiaixata  macht,  sind  sehr  beachtenswert. 
Man  könnte  auch  noch  darauf  hinweisen,  dafs  von  Konstantin  an  manche 
Kaiser  ohne  jedes  Porträt  sind,  nicht  einmal  eine  ^ortoua  haben,  während 
vor  Konstantin  keine  LQcke  in  der  Porträtierung  sich  zeigt.  Unerklärlich 
bleibt  es,  warum  gerade  Marcianus  zuerst  wieder  zur  Ehre  eines  Voll- 
porträts kommt,  um  so  mehr  als  seine  Nachfolger  Leo  und  Zeno  über- 
haupt gar  kein  Porträt  bekommen  haben,  ebenso  wie  sein  unmittelbarer 
Vorgänger.  Vielleicht  ist  das  Porträt  Leos  und  Zenos  nur  ausgefallen, 
wie  es  beim  Oegenkaiser  Zenos  der  Fall  ist.  Mal.  388,  20  ist  nämlich 
nach  ovra  üvdqa  eleö^eqov  aus  dem  Cod.  Scorialensis  ein  längerer  Ab- 
schnitt einzufügen,  der  mit  den  Worten  beginnt:  'f/v  di  6  Aedyxiog  dp^n 
BVTtQBnijg^  oilogy  noXii&Qi^f  evfjlt^,  lax^äQiog  (vgl.  Hermes  6  [1872], 
S.  371). 

Zum  Schlüsse  möge  es  mir  noch  gestattet  sein,  einige  kleine  Gorri^ 
genda  anzuführen,  die  mir  gelegentlich  aufgestofsen  sind.  S.  376  ver- 
misse ich  neben  Mal.  105,  5,  12  u.  106,  17  den  Hinweis  auf  105,  19 
{iaxvqdg  TtolefiiaTrjg  xat  dQdfia^. —  S.  593  Anm.  2  ist  nicht  klar,  was 
unter  „folgenden''   gemeint  ist.    Wie   es  scheint,   ist  an  die  Porträte 


374  Nene  Philologische  Randschan  Nr.  16. 


91,  8 — 103,  4  ZU  doDken,  die  S.  695  zasammengestellt  sind.  Denn  von 
103,  17  an  sind  moralische  Prädikate  keine  Seltenheit.  Speziell  fyfvxog 
(Mal.  88,  20)  kehrt  mehrmals  wieder.  —  Unter  dem  Zitat  99,  2  (S.  595) 
ist  wohl  99,  23  gemeint.  —  S.  616  (617)  wird  bei  Antoninus  Pius  inoyeltShf 
dei  vielleicht  besser  zn  den  ethischen  xaQa%vriQiaiJia%a  gerechnet,  zu  291,  6 
fehlt  der  Name  Sevems,  zn  298,4  ist  zu  lesen  6:1  {fieyaUxpvxog) j  zu 
367, 7  ist  zu  lesen  4 : 0.  Endlich  sei  noch  erwähnt,  daä  S.  436  yewaiog 
unter  Hinweis  auf  Mal.  104,  3  als  moralische  Eigenschaft  angefahrt  wird, 
während  es  S.  616  Anm.  unter  Hinweis  auf  die  gleiche  Stelle  heifst,  dafs 
yewaiog  in  den  malalianischen  Porträts  offenbar  eine  Eörpereigenschaft 
ist.  Die  fanf  Stellen,  an  denen  yewaiog  in  Porträts  vorkommt  (104,3; 
105,14;  258,9;  258,17  und  besonders  298,4),  sprechen  ffir  das  letztere. 
Augsburg.  P.  H.  Bonrier. 

203)  Emest    Arthur  Oardner,    Ancient  Athens.    Illustrated. 
London,  Macmillan  and  Co.,  1902.    XVI  u.  579  S.  8. 

geb.  £  1.  1.  S.  net. 
Es  ist  ein  altes  und  ewig  neues  Problem,  eine  unendlich  anziehende 
und  niemals  völlig  befriedigend  zu  lösende  Aufgabe,  die  sich  der  Verf. 
hier  gestellt  hat  —  Topographie  von  Athen!  Es  kommt  ein  gelindes 
Gruseln  über  einen,  wenn  man  all  der  vielen  noch  ungelösten  Fragen  denkt, 
die  dieses  Thema  einschliefst,  und  es  gehört  eine  selbstlose  Hingabe,  ja 
ein  hoher  Grad  von  Begeisterung  fQr  die  Sache  dazu,  ein  Werk  zu  unter- 
nehmen, bei  dem  man  voraus  weifs,  dafs  man  zu  keinem  durchaus  gesicherten 
Gesamtresultat  gelangen  kann,  sondern  sich  bescheiden  mufs,  die  Streit- 
punkte zu  erörtern  und  wenigstens  das  Wahrscheinliche  festzustellen.  Aber 
dabei  stellt  sich  doch  erfreulicherweise  heraus,  dafs  unser  sicheres 
Wissen  über  vieles  Einzelne  in  den  letzten  Jahrzehnten  erheblich  gestiegen 
ist,  und  dann  ist  das  Objekt,  die  Stadt  Athen  im  Altertum,  ein  so  an- 
ziehendes und  reizvolles,  dafs  es  keinen  mehr  losläfst,  der  sich  einmal 
etwas  näher  damit  befafst  hat.  Darum  ist  auch  ein  neuer  Versuch  der 
Zusammenfassung  des  jetzt  erreichten  Standes  unserer  Kenntnis  des  alten 
Athen  mit  Freuden  zu  begrfifsen,  um  so  mehr,  als  es  schwer  ftUt,  den 
vielen  weitherum  zerstreuten  Einzeluntersuchungen  zu  folgen.  In  diesem 
Sinne  kommt  das  neue  Werk  einem  wirklichen  Bedürfnis  entgegen,  nament- 
lich insofern  es  die  glückliche  Mitte  hält  zwischen  allzu  grofser  Aus- 
dehnung und  allzu  grofser  Knappheit.    Zugleich  ist  eine  gewisse  Zurück- 


tiene  t^hüologtsclie  tlun^han  Kr.  16.  3?6 


haltuDg  gegen  die  Aufnahme  neuer  gewagter  Hypothesen  gewifs  nur 
lobenswert,  ebenso  erleichtert  das  Zurficktreten  des  gelehrten  Apparates  und 
der  sparsame  Gebrauch,  der  von  Anmerkungen  gemacht  wird,  die  Lesbar* 
keit  des  Buches  Man  spfirt  es  diesem  an,  mit  welcher  Liebe  der  Verf. 
bei  seiner  Arbeit  war.  Es  wfirde  aber  eine  falsche  Vorstellung  von  dem 
reichen  Inhalt  erwecken,  wenn  ich  nicht  hinzufügte,  dafs  der  Verf.  keines- 
wegs sich  auf  die  Topographie  der  Stadt  beschränkt,  sondern  die  Bedeu- 
tung derselben  fQr  die  alte  Kunst  in  vollem  ümfong  zu  ihrem  Becht 
kommen  läfst.  Auf  seine  Stellung  zu  Einzelfragen  kann  dabei  natQrlich 
nicht  eingegangen  werden.  Was  der  Verbreitung  des  Buches  in  weiten 
beteiligten  Kreisen  in  Deutschland  im  Wege  stehen  dürfte,  ist  sein  aufser- 
ordentlich  hoher  Preis.  Dafür  enthält  es  aber  auch  aufser  einigen  guten  und 
sehr  zweckmäfsig  eingerichteten  Karten  und  einer  schönen  Anzahl  sehr  guter 
Heliogravüren  eine  Menge  von  Textabbildungen,  die  zwar  teilweise  etwas 
zu  klein  und  zu  verschwommen  sind,  teilweise  aber  Ansichten  bringen, 
die  man  sonst  nicht  zu  sehen  bekommt  und  die  für  die  Gewinnung  einer 
deutlichen  Anschauung  höchst  wertvoll  sind.  Die  Abbildungen  zu  den 
Ausgrabungen  zwischen  Pnyx,  Areopag  und  Akropolis  sind  leider  ab- 
gesehen von  dem  Plan  S.  108  sehr  ungenügend.  Das  Buch  ist  vornehm 
ausgestattet  und  wird  sich  gewifs  viele  Freunde  erwerben. 


204)  G.  Tropea,  La  stele  arcaica  del  Foro  Eomano.  Cronaca 
della  discussione  V,  Sett.  1901— Dec.  1902,  Padova  1903.  12  S.  8. 

Die  Chronik  ist  sehr  dünn  geworden,  ein  Zeichen,  dafs  das  Interesse 
für  die  archaische  Inschrift,  ihren  Träger  und  dessen  Umgebung  erheblich 
nachgelassen  hat.  Nur  hier  und  da  eigeht  sich  noch  ein  Gelehrter  in 
kühnen  Hypothesen  über  die  Bedeutung  der  ganzen  Anlage,  oder  versucht 
ein  anderer  auf  einem  neuen  Wege  der  Inschrift  beizukommen;  bei  all 
der  teilweise  recht  lebhaft  geführten  Diskussion  ist  doch  das  Besultat  so 
geringfügig,  dafs  es  wohl  von  weiteren  Bemühungen  abschrecken  kann. 
Zwar  glauben  verschiedene  Gelehrte,  die  rechte  Deutung  des  Monumentes 
und  die  rechte  Lesung  der  Inschrift  gefunden  zu  haben,  aber  ihre  An- 
sichten gehen  so  himmelweit  auseinander,  dafs  man  schon  dadurch  zur 
Skepsis  genötigt  wird. 

L.  A.  Milan i,  'Mundus  e  Templum,  in  una  pittura  preellenica  del 
jabirinto  di  Gnosso,  in  Caldea,  in  Etruria  e  nel  Foro  Romano'  (Bendiconti 
dei  Lincei  v.  19.  Mai  1901)  hält  seine  schon  früher  ausgesprochene  An- 


3t6  llene  t^hilologisohe  ttandscfaan  '^r.  16. 

Eicbt  aufrecht,  dafs  es  sich  um  den  Eingang  zur  Unterwelt  (mundos) 
handele,  an  dem  an  bestimmten  Tagen  die  Schatten  der  Toten  erschienen, 
um  sich  an  den  dargebrachten  Opfern  zu  laben,  und  sucht  sie  durch 
Heranziehung  eines  von  Evans  im  Labyrinth  von  Enossos  entdeckten 
Gemäldes  sowie  durch  Hinweis  auf  chaldftische  und  etruskische  Anlagen 
zu  stützen.  —  A.  Ludwig,  'Die  Stele  auf  dem  Forum  Romanum  und 
die  Inschrift  darauf^  (Prag  1901)  sucht  eine  neue  Ergänzung  der  Schrift- 
reste, wobei  er  stark  mit  der  Annahme  rechnet,  dafs  die  Inschrift  fehler- 
haft auf  den  Stein  gebracht  sei;  aber  was  er  herausbekommt,  ist  ebenso 
unsicher  und  dunkel  wie  das  Ergebnis  anderer.  Bedenklich  ist  vor  allem 
schon  die  Voraussetzung,  dafs  der  Cippus  ursprünglich  anderswo  seinen 
Platz  gehabt  habe  und  daher  die  Inschrift  ohne  jede  Beziehung  zu  dem 
Fundorte  sei.  —  Chr.  Huelsen,  'Neue  Inschriften  vom  Forum  Bomanum' 
(Lehmanns  Beitr.  z.  alt.  Qesch.  II,  2)  kommt  unter  Berücksichtigung  des 
Standpunktes  des  Betrachters  der  Stele  zu  einer  neuen  Auffassung  über 
die  Gliederung  der  Inschrift,  die  er  folgendermafsen  gibt: 

1 — 9  quoiho  [,  . .  sjdkros  esed  sora  [ ] 

iasias  recei  l[ ]  euam  quos 

re  [ ]  m  Kalatarem  hap[, 

15—12 Jod  icmestod  uehd  nequf. J 

m  qtmham  üe  ri[ 

10—11 ]iod  iauxmenta  kapia  dota  u[.  . . . .; 

dazu  kommt  dann  noch  die  auf  der  abgeschrägten  Kante  stehende  Zeile  16, 
wo  H.  mit  Studniczka  und  Thurneysen  loiquiod  liest.  Was  den  Inhalt 
betrifft,  so  hält  es  H.  für  ^einigermafsen  sicher,  dafs  in  der  Inschrift  von 
Befugnissen  und  Verrichtungen  des  Bei  auf  dem  Comitium  die  Bede  war, 
wo  derselbe  mit  seinem  Ealator  —  vielleicht  zu  Wagen,  wenn  iouxmmta 
Zeile  10  nach  Analogie  des  Sprachgebrauches  der  zwölf  Tafeln  so  zu  über- 
setzen ist  —  erschien.  Aber  ob  die  Inschrift  der  Stele  eine  Lex  sacra  oder 
eine  Weihung  an  (unterirdische?)  Götter  enthielt  oder  ob  sie  geschicht- 
liche Facta  erzählte,  können  wir  bisher  nicht  entscheiden\  Aufser  diesen 
Arbeiten  verzeichnet  Tropea  noch  folgende,  zum  Teil  einfach  berichtende 
Artikel:  W.  Otto,  'Die  archaische  Inschrift  vom  Forum  Bomanum*  (Archiv 
f.  lat.  Lex.  XII,  102—113);  Minton  Warren  (Transact.  of  the  Americ. 
Philol.  Assoc.  XXXII,  112);  0.  Keller  (Berl.  phil.  Wochenschr.  1902, 
219— 222); O.Schultess(N.phil.Bund3ch.v.29.Nov.  1902);  O.Kaemmel, 
'Neue  Entdeckungen  auf  dem  Forum  Bomanum'  (Qrenzboten  1902,  H.  19); 


Neue  Philologische  Bundschaa  Nr.  16.  377 

0.  Siebter  (Maliers  Handb.  d.  Elass.  Altertnmsw.  III,  3,2);  dazu  die 
Rezensionen  von  R.  Lanciani  (Arcbivio  delle  Societä  romana  di  storia 
patria  XXY,  1—2)  und  H.  Rueter  (N.  pbil.  Rundscb.  v.  16.  Aug.  1902); 
L.  Mariani  (Rivista  Storica  Italiana  1902,  April— Juni);  Cbr.  Huelsen, 
'Die  Ausgrabungen  auf  dem  Forum  Romanum  1898—1902'  (Mitt.  d.  k.d. 
arcbäol.  Inst.,  röm.  Abt.  XVII,  1);  E.  Breccia  (Coltura  XXI,  19).  In 
den  italieniscben  Tageszeitungen  scheint  das  Thema  nicht  mehr  erörtert 
zu  werden. 

Bremerhaven.  P.  Wessnor. 

205)  Harward  Studies  in  dassical  philology.  Edited  by  a  com- 
mittee  of  the  Glassical  Instructors  of  Harvard  üniversity.  Vol.  Xin. 
Leipzig,  Otto  Harrassowitz,  1902.    176  S.  8.  Ji  6.50. 

Dieser  Band  umfafst  drei  Abhandlungen:  1)  Die  Politik  der  patri- 
zischen  daudier  von  George  Gonverse  Fiske,  2)  Die  Schildzeichen  der 
Griechen  von  George  Henry  Chase,  3)  Eine  Studie  aber  den  Mythus  der 
Danaiden  von  Campbell  Bonner.  Bei  der  ersten  stehe  ich  dem  Gegenstand 
zu  fem,  um  ein  Urteil  darüber  abgeben  zu  können.  Die  dritte  berührt 
eine  Frage,  deren  Beantwortungsversuche  der  Strafe  der  Danaiden  in  der 
Unterwelt  gleichen:  man  schöpft  dabei  mit  Sieben  in  ein  bodenloses  Fa&, 
und  es  ist  meines  Erachtens  auch  dem  Verf.  nicht  gelungen,  eine  aller- 
seits befriedigende  Lösung  zu  finden.  Doch  hat  er  jedenfalls  Recht, 
wenn  er  Danaos  als  Eponym  der  Danaer  von  der  Danaidensi^e  und  in 
dieser  wieder  die  Erzählung  von  der  Ermordung  der  Freier  von  dem  ohne 
Zweifel  späteren  Bericht  über  eine  zweite  Vermählung  der  Danaiden  auf 
Grund  eines  Wettkampfes  der  einheimischen  Jugend  trennt  und  in  diesem 
eine  Erfindung  der  Genealogen  sieht,  die  bei  der  Zurückführung  argivischer 
Geschlechter  auf  Danaos  den  ersten  Teil  der  Sage  nicht  brauchen  konnten. 
Ob  aber  viel  damit  gewonnen  ist,  wenn  er  in  diesem  eine  eigenartige  Wen- 
dung eines  in  ganz  Europa  verbreiteten  Volksmärchens  und  in  den  Da- 
naiden der  ursprünglichen  Sagenform  blutdürstige  empusenartige  Wesen 
sieht,  scheint  mir  sehr  zweifelhaft.  Denn  nicht  nur  ist  die  behauptete 
Ähnlichkeit  sehr  problematisch ,  ja  kaum  annehmbar,  sondern  selbst  wenn 
diese  Annahme  richtig  wäre,  so  ist  man  wieder  vor  die  Frage  gestellt, 
welche  Bedeutung  denn  das  Volksmärchen  hat,  und  dabei  ist  die  von  Bonner 
bekämpfte  Naturbedeutung  der  Danaiden  als  Quellnymphen  doch  kaum 
abzulehnen,  wie  er  sich  denn  auch  wenigstens  ihrer  Auffassung  als  Tau- 


878  Nene  Philologische  Rnndsohaa  Nr.  16. 

nnd  Begenschwestern  znzaneigen  scheint.  Die  eigentBmliche  Strafe  der 
Danaiden  in  der  Unterwelt  hat  jedenfalls  mit  ihrer  AufiTassnng  als  Wasser- 
geister nichts  zu  tun,  sondern  kann  sich  nur  darauf  beziehen,  dafs  die 
unglficklichen  Mädchen,  nach  einer  wohl  allen  Völkern  gemeinsamen  Vor- 
stellung, verurteilt  sind,  in  der  anderen  Welt  das  ewig  ohne  Erfolg  fort- 
zusetzen, an  dessen  Vollendung  sie  in  der  Oberwelt  durch  den  Tod  ver- 
hindert wurden,  in  unserem  Fall,  die  Vorbereitungen  zum  Brautbad  zu 
tre&en,  da  sie  dveXelg  ydficv  gestorben  sind.  Wenn  man  sich  auch  nicht  mit 
allen  Ausführungen  des  Verf.  einverstanden  erklären  kann,  so  ist  die  Ab- 
handlung doch  reich  an  neuen  Gesichtspunkten  und  insbesondere  verdient 
die  Behandlung  der  dunkeln  Berichte  über  die  lemäischen  Mysterien  und 
ihren  Zusammenhang  mit  den  Thesmophorien  alle  Beachtung. 

Einen  merkwürdiger-,  aber  auch  begreiflicherweise  noch  sehr  wenig 
behandelten  Gegenstand  betrifft  die  zweite  Abhandlung:  Über  die  Schild- 
zeichen der  Griechen  von  G.  H.  Chase.  Gilt  es  doch  hier,  die  fast  un- 
übersehbare Masse  von  Schildzeichen  auf  erhaltenen  Monumenten,  nament- 
lich Vasenbildern,  zu  sammeln  und  zu  sichten.  Aber  der  Verf.  hat  sich 
nicht  auf  diese  Aufgabe  beschränkt,  sondern  natürlich  auch  die  in  poeti- 
schen Beschreibungen  und  sonst  in  der  Literatur  überlieferten  Nachrichten 
über  Schildzeichen  herbeigezogen.  Das  mykenische  und  homerische  Zeit- 
alter kommen  dabei  selbstverständlich  ziemlich  kurz  weg.  Die  Beschrei- 
bung der  Aigis  der  Athene  und  des  Schildes  des  Agamemnon  (II.  5,  739  ff. 
u.  11,  34  ff.)  hätten  wohl  eine  eingehendere  Behandlung  verdient.  Bei 
der  Musterung  der  Schildzeichen  aus  der  historischen  Zeit,  soweit  sie  in 
Beschreibungen  bei  Dichtem  und  in  der  prosaischen  Literatur  vorkommen, 
ergeben  sich  dem  Verf.  neun  Klassen  von  Gesichtspunkten,  die  bei  der 
Wahl  der  Schildzeichen  maf^ebend  waren.  Diese  Zahl  vermehrt  sich  auf 
zwölf  bei  der  Durchsicht  der  in  Bildwerken  erhaltenen  Schilden.  Wer 
etwa  mit  der  Erwartung  an  die  Frage  herantritt,  es  werde  sich  ein  dem 
Geschlechtswappenbrauch  des  Mittelalters  auch  nur  halbwegs  entsprechendes 
System  in  den  Schildzeichen  der  Griechen  nachweisen  lassen,  wird  sich 
bei  dieser  Zusammenstellung  überzeugen,  dafs  sich  hiervon  keine  blasse 
Spur  findet,  sondern  in  der  Wahl  der  Schildzeichen  die  bare  Willkür 
herrscht,  gerade  die  Beziehungen  zu  Familie  und  Abkunft  des  Schild- 
trägers sind  am  allerwenigsten  sicher  nachzuweisen.  Eine  hübsche  Gegen- 
überstellung des  deutschen  Wappengebrauchs  und  des  griechischen  Ge- 
brauchs  der  Schildzeichen,   worin   die  Ähnlichkeit  und  der  Unterschied 


s 


Nene  Philologiiehe  Randfchau  Nr.  16.  379 

beider  Oebräuche  treffend  zum  Ausdruck  kommt,  hat  Goethe  im  zweiten 
Teile  des  Faust  in  die  Ankündigung  der  Ankunft  Fausts  in  Sparta  ein- 
geflochten. Dag^en  scheinen  Zeichen,  die  auf  die  Taten  und  Schicksale  des 
Trägers  Bezug  haben,  nicht  so  ganz  unsicher  zu  sein,  wie  es  S.  88  dargestellt 
ist.  Der  Stier  auf  dem  Schild  des  Peirithoos  z.  B.  (Mon.  1,  55)  ist  doch 
wohl  eine  Anspielung  auf  seinen  Binderraub.  Aber  im  allgemeinen  ist 
die  Zurückhaltung,  die  der  Verf.  in  der  Deutung  der  Schildzeichen  sich 
auferlegt,  nur  zu  loben,  und  verdient  sowohl  die  von  ihm  gewonnene 
Klassifikation  als  insbesondere  der  mühevolle  Katalog  von  Schildzeichen 
auf  Monumenten  alle  Anerkennung.  Vermilst  habe  ich  darin  nur  das 
Zeichen  des  Phobos,  das  jedoch  unter  dem  Titel  Qorgoneion  inbegriffen 
ist,  da  man  gewöhnlich  zwischen  der  bärtigen  Phobosmaske  und  dem 
unbärtigen  Medusenhaupt  keinen  unterschied  zu  machen  pflegt,  wie  es 
wohl  am  Platze  wäre. 

Calw.  P.  WelBSftekor. 


206)  A.  Oille,  Systematische  Zusammenstellung  des  fran- 
zösischen grammatischen  Merkstoffs  der  Eealschnle. 

Berlin,  P.  A.  Herbig,  1903.     32  S.  8.  broach.  Ji  -.40. 

Bei  aller  Hochachtung  vor  dem  guten  Willen  und  dem  ernsten  Streben 
des  Verf.  kann  ich  doch  die  Bemerkung  nicht  unterdrücken,  dafs  mir 
das  Verständnis  für  die  Notwendigkeit  des  Schriftchens  abgeht.  Der 
grammatische  Merkstoff  der  Bealschule  ist  nach  Ploetz-Eares  und  0.  Ploetz 
kurz  zusammengestellt,  ohne  dafs  dadurch  die  Vorlage  entbehrlich 
würde;  dafs  der  Stoff  auf  die  einzelnen  Klassen  verteilt  ist,  erscheint  nur 
von  äufserlicher  Bedeutung.  Der  Schüler  findet  alles,  teilweise  sogar  die 
wörtlichen  Beispiele,  in  seinem  Lehrbuch,  und  der  Lehrer  kann  eine  der- 
artige Zusammenstellung  erst  recht  entbehren,  die  zudem  nicht  vollständig 
ist;  in  Klasse  I  fehlen  z.  B.  die  von  den  Lehrplänen  geforderten  Ver- 
gleichungssätze und  Negationen.  Einzelne  Ausstellungen  will  ich  nicht 
machen,  nur  möchte  ich  unter  keinen  Umständen  in  einem  Schulbuch  die 
deutschen  Sätze  finden  (S.  22):  Der  Subjonctif  steht  zum  Ausdruck  des 
Gewünschten  oder  dessen  Qegenteils  ...  (S.  25):  Der  Infinitiv  mit  de 
steht  nach  afin  de, 

Nauen.  Fries. 


380  Neae  Philologische  Rnndschan  Nr.  16. 

207)  Lucas  Cleeve,  The  Man  in  the  Street.  London  u.  Leipzig, 
Fischer  Unwin,  1903.     305  S.  8.  Ji  1.50. 

Ein  recht  modernes  Bach.  Modem  sind  die  beiden  weiblichen  Haupt- 
personen, eine  Lady  und  eine  Schauspielerin,  die  den  Männern  ihrer  Wahl 
ihre  Liebe  antragen,  die  erstere  verlobt  sich  auch  auf  Zeit;  modern  ist 
die  letztere  auch  noch  insofern,  als  sie  so  zart  emplSndsamer  Art  ist,  dafs 
sie  auf  der  Bühne  den  Einflufs  eines  Hypnotiseurs  sogleich  fühlt,  als  er 
den  Zuschauerraum  nur  betritt,  obgleich  sie  ihn  erst  im  späteren  Verlauf 
der  Erzählung  kennen  lernt;  modern  ist  die  in  den  englischen  Bomanen 
jetzt  öfter  versuchte  moralische  Ehrenrettung  der  Schauspieler,  modern 
auch  die  etwas  unpassende  Wahl  des  Titels  des  Buches,  dsssen  schwer  zu 
erratende  Berechtigung  gegen  Ende  der  Erzählung  vordemonstriert  werden 
mufs;  nicht  ganz  modern  vielleicht  (oder  doch?)  der  ungeschickte  Diplomat, 
der  den  Zweck  seiner  geheimen  politischen  Sendung  ausplaudert  und  sich 
dadurch  unmöglich  macht. 

Trotz  einiger  ungeschickter  Vergleiche  (S.  24  die  letzten  Zeilen  und 
S.  43  die  zwei  ersten  —  ein  Schwan  aufserhalb  des  Wassers  ist  doch 
sicherlich  kein  schöner  Anblick);  trotz  der  Unwahrscheinlichkeit  S.  21, 
Z.  21 — 23;  trotzdem  jedes  der  französischen  Zitate  (vgl.  S.  21.  22.  67 
u.  81)  einen  Fehler  enthält,  und  trotz  des  ungeheuerlichen  Satzes  S.  181, 
Z.  1 1  ff.  ist  das  Buch  doch  ein  ganz  interessanter,  munter  und  ansprechend 
geschriebener  Boman  eines  Verfassers  mit  offenbarem  Erzählertalent. 

Borna  Telohmami. 


208)  Louis  Becke,   Helen  Adair.      London  u.   Leipzig,   Fischer 
Unwin,  1903.     276  S.  8.  Ji  1.50. 

Ich  weifs  nicht,  ob  es  den  Grundsätzen  englischer  Bechtspflege  ent- 
spricht, dafs  eine  Irin  nach  den  Südsee-Inseln  deportiert  wird,  weil  sie 
einmal  falsches  Geld  ausgegeben  hat,  wie  es  die  Heldin  dieser  Erzählung 
tut ,  um  ihrem  Vater  nachgesandt  zu  werden ,  den  politischer  Vergehen 
halber  ein  gleiches  Geschick  getroffen  hat.  Immerhin  ist  Helene  eine 
ansprechende  Gestalt  des  Bomans.  Unerwartet  ist  die  Lösung,  dafs  sie 
die  Frau  eines  Beamten  der  Strafkolonie,  in  dessen  Hause  sie  nach  guter 
Führung  im  Gefängnis  als  Zofe  gehalten  wird,  und  nicht  die  des  mutigen, 
ritterlichen  amerikanischen  Agenten  wird,  der  sie  u.  a.  aus  der  Gefangen- 
schaft befreit  hat.    Seesturm,  Stranden  an  einem  Korallenriff,  Verfolgung 


"N 


Kene  Phüologieohe  ttnudsohan  Kr.  16.  dSl 

durch  einen  Begieningskatter  and  der  unvermeidliche  Ehebruch  des  mo- 
dernen Bernaus  helfen  die  Erzählung  interessant  zu  machen. 

Äs  fine  a  looking  young  man,  S.  53,  ist  nicht  korrekt;  Kommas 
vor  dem  Worte  sonny  S.  57,  Z.  7  und  S.  81,  Z.  16  vor  dearest  sind  zu 
leichterem  Verständnis  nötig. 

Lebhafte  und  spannende  Erzählung  eigentümlicher  Verhältnisse  und 
treffliche  Schilderung  weltentlegener  Gegenden  machen  das  Buch  zu  einer 
angenehmen  Lektüre. 

Borna.  Telohmann. 

209/210)  Otto  Jespersen,  The  England  and  America  Eeader. 

Kopenhagen,  Schubothe  publisher,  MGMIII.    III  u.  252  S.  8. 

geb.  4  Kronen  25  Öre  {JH  4. 80). 

— ,  Noter  TU  the  England  and  America  Eeader.  Ebenda. 
79  S.  8. 

„Es  war  meine  Absicht,  in  dem  E.  a.  A.  B.  für  unsere  höheren 
Klassen  und  für  Privatunterricht  einen  Lesestoff  zu  schaffen,  der  ein  voll- 
kommenes und  vielseitiges  Bild  geben  könne  von  dem,  was  das  englische 
Volk  ist,  von  seinem  privaten  und  öffentlichen  Leben,  seinem  Charakter, 
seinen  Sitten  und  Einrichtungen.  Ich  habe  geglaubt,  dafs  dies  am  besten 
erreicht  werden  könnte  durch  eine  mosaikartige  Sammlung  von  verschieden- 
artigen Stücken,  in  denen  eigentliche  Beschreibungen  abwechseln  mit 
lebendigeren  Schilderungen,  Briefen,  Gedichten,  Zeitungsartikeln,  auch 
Bruchstücken  aus  Bomanen,  wenn  sie  dazu  dienen  können,  wichtige  Seiten 
des  Lebens  zu  beleuchten."  Mit  diesen  Worten  gibt  J.  am  Anfang  seines 
Vorwortes  selbst  den  Inhalt  seines  Lesebuches  an.  Dieses  enthält  im 
ganzen  52  Lesestücke,  worunter  13  Qedichte;  38  beziehen  sich  auf  Qrofs- 
britannien,  8  auf  Qreater  Britain,  5  auf  Amerika;  dazu  ein  Schlufsgedicht. 
Dafs  hier  etwas  Gutes  geboten  wird,  dafür  bürgt  der  Name  des  Heraus- 
gebers. Es  sind  Lesestoffe,  deren  Sprache  ebenso  mustergültig  ist  wie  der 
Inhalt  charakteristisch  und  interessant.  Ein  Vergleich  mit  Hausknechts 
English  Beader,  der  ähnliche  Zwecke  wie  das  vorliegende  Buch  verfolgt, 
zeigt,  dafs  es  in  letzterem  weniger  auf  nüchternen  Sachunterricht  ab- 
gesehen ist  als  in  dem  ersteren,  dafs  dagegen  mehr  Wert  gelegt  wird  auf 
Weckung  des  Interesses  und  ästhetischen  Wert  des  Gebotenen.  Man  findet 
daher  keine  Vorschriften  für  die  Anfertigung  von  Briefen,  keine  Beispiele 
für  Geschäfts^  und  ähnliche  Briefe,  keine  Gespräche,  Annoncen  u.  dgl. 


Kene  Philologische  ftondsohan  ^r.  16. 


Dafs  die  Lesestücke  inhaltlich  nicht  alle  aaf  gleicher  Höhe  stehen,  versteht 
sich  von  selbst.  Im  Durchschnitt  aber  ist  der  Inhalt  derart,  dafs  die  Samm- 
lung als  hervorragend  bezeichnet  werden  darf  und  der  Wunsch  berechtigt 
erscheint,  dafs  sie  auch  in  deutschen  Schulen  Verwendung  finden  könne. 
Eine  gevrisse  Schwierigkeit  bietet  dabei  freilich  die  Form  des  Buches. 
Denn  fDr  eine  Semesterlektüre  ist  es  zu  umfangreich,  und  es  als  besonderes 
Lesebuch  einzuführen,  dazu  wird  man  sich  schwerlich  entschlielsen.  Viel- 
leicht, dafs  durch  eine  geeignete  Umarbeitung  diese  Schwierigkeit  beseitigt 
werden  könnte.  Die  Anmerkungen  sind  vortrefflich;  sie  sind  englisch 
abge&fst  und  besonders  geheftet.  Dieses  Heft  enthält  auch  eine  Vokabel- 
präparation; die  Wörter  sind  ins  Dänische  übersetzt  und  mit  Aussprache- 
bezeichnung versehen.  Im  Text  des  Lesebuches  sind  einige  sehr  gute 
Abbildungen,  die  nur  den  Wunsch  r^e  machen,  dafs  ihre  Zahl  noch 
gröfser  wäre.    Die  Ausstattung  ist  gut. 

Plensburg.  Adolf  Bertlng. 

211)  Julius  Ziehen,  Über  die  Verbinduog  der  sprachlichen 
mit  der  sachlichen  Belehrung.  Leipzig  und  Frankfurt  a.  M., 
Kesselringsche  Buchhandlung,  1902.    81  S.  8.  Jt  1.—. 

Der  als  Vorkämpfer  für  das  Bealschulwesen  bekannte  Verfasser  spricht 
in  dieser  Schrift  den  Wunsch  aus  nach  einem  BealschuUesebuche,  das  ähnlich 
dem  von  Wilamowitz-MöUendorfif  herausgegebenen  Qriechischen  Lesebuche 
eingerichtet  sei.  Er  entwickelt  in  dem  1.  Kapitel  (S.  1 — 33)  die  Grund- 
züge, nach  denen  das  Buch  gestaltet  werden  soll :  L  Sonderung  des  Wichtigen 
und  Unwichtigen,  letzteres  mufs  als  eine  Belästigung  der  jugendlichen 
Oeister  durchaus  fern  gehalten  werden.  II.  Erweckung  und  Pflege  des 
geschichtlichen  Sinnes.  —  Es  soll  nicht  das  Frankreich  und  England  des 
laufenden  Jahres  im  Schulbuche  von  1902  unfertig  erscheinen;  Verf. 
weist  mit  Becht  den  rein  utilitarischen  Standpunkt  ab.  III.  Die  fremd- 
sprachlichen Bealien  sind  vom  Standpunkte  des  deutschen  Beobachters  zu 
betrachten.  —  Man  kann  sich  nicht  jeden  Vormittag  je  eine  Stunde  angli- 
sieren und  frankogallisieren.  Die  Wahrung  des  deutschen  Standpunktes 
spricht  hier  besonders  gut  an.  IV.  Die  einzelnen  Stoffe  sollen  in  der 
Sprache  des  Volkes  gegeben  werden,  aus  deren  Geschichte  und  Kulturleben 
sie  entnommen  sind. 

Man  wird  sich  mit  diesen  Grundsätzen  durchaus  einverstanden  erklären, 
auch  den  Worten  des  Verf.  beistimmen,  dafs  Wert  und  Unwert  des  ge- 


l^ene  t^bilologisclie  ItnndBcbaa  Kr.  16. 


forderten  Buches  ganz  von  der  mssenschaftlichen  Bichtigkeife  und  Ver- 
tiefang  seines  Planes  abhängt. 

Um  so  eher  können  wir  auf  die  Skizziemng  des  2. — 4.  Kapitels  ver- 
zichten, die  sich  ganz  und  gar  auf  den  neusprachlichen  Unterricht  beziehen, 
dessen  Vertiefung  fordern  und  schablonenhaften  Betrieb  abweisen.  Die 
ersten  18  Seiten  der  Schrift  enthalten  aber  so  viele  schöne  und  allgemeine 
pädagogische  Grundsätze,  dafs  sie  allseitige  Beachtung  verdienen  und  nicht 
nur  von  „Neusprachlern'^  gekannt  und  befolgt  werden,  sondern  jedem 
Eanditaten  des  höheren  Schulamtes  in  succum  et  sanguinem  übergehen 
sollten. 

Wolfenbüttel.  Bronoke. 


212)  Julius  Ziehen,    Über    den    Oedanken    der    Gründung 

eines  Reichsschulmuseums.  Leipzig  und  Frankfurt  a.  M., 

Eesselringsche  Hofbuchhandlung  (£.  v.  Mayer),  1903.    27  S.  8. 

Ji  —.50. 

Während  einige  Qrofsstädte  vne  Berlin,  Breslau,  Königsberg,  Magde- 
burg u.  a.  schon  seit  geraumer  Zeit  Schulmuseen  besitzen,  die  den  Pädagogen 
nicht  nur  in  zuverlässiger  Weise  eine  orientierende  Übersicht  über  das 
vorhandene  Material  der  Lehrmittel  bieten,  sondern  auch  die  Produktion 
neuen  Materials  günstig  beeinflussen,  hat  merkwürdigerweise  das  deutsche 
Beich  als  solches  —  im  Gegensatz  zu  Holland  und  Frankreich  —  zu 
dieser  so  wichtigen  Frage  des  Erziehungswesens  bis  jetzt  noch  nicht 
Stellung  genommen.  Ein  Beichsschulmuseum  d.  h.  eine  Anstalt,  die 
einerseits  als  Sitz  einer  beratenden  Zentralbehörde,  einer  umfassenden 
pädagogischen  Sammlung  und  ihrer  schulwissenschaftlichen  Verarbeitung, 
anderseits  als  Stätte  zu  denken  ist,  an  der  die  Lehrerein-  und  ausgehen, 
an  der  sie  die  Anregung  und  die  Erweiterung  ihres  Gesichtskreises  suchen 
und  finden  sollen,  ist  in  deutschen  Landen  zurzeit  nicht  vorhanden.  Den 
Gedanken  der  Gründung  eines  solchen  angeregt  und  mit  gewichtigen 
pädagogischen  Argumenten  den  mafsgebenden  Kreisen  empfohlen  zu  haben, 
ist  eines  von  den  vielen  Verdiensten,  die  sich  Verf.  vorliegender  Abhandlung 
um  das  deutsche  Schulwesen  erworben  hat. 

Wernigerode  a.  H.  Maz  Bodermaim. 


884 Neue  Philologiache  Kundachau  Nr.  16. 

Yerlag  Ton  Friedrich  Andreas  Periihes,  Aktiengesellschaft,  ftotha. 

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Dr.  Arnold  Schröer 

ord.  Professor  an  der  Handelshochschule  eh  Köln 
well.  ord.  Professor  der  englischen  Philologie  an  der  Universität  Freiburg  i.  B. 

160  Bogen  dreispaltiger  Satz  in  Gr.-Lex.  8^. 

I.  Band:  n  Band: 

eleg.  in  Halbleder  geb.  M.  14.—     eleg.  in  Halbleder  geb.  M.  12.— 

Von  einem  guten  Wörterbnche  verlangt  man ,  dafs  es  den  Wortschatz  gut  auswähle, 
nicht  zu  viel,  nicht  zu  wenig  biete,  und  dafs  es  die  gebräuchlichsten  Bedeutungen  eines 
Wortes  in  sich  auseinander  entwickelnder  Folge  gebe,  daTs  auch  genügende  Phraseologie  bei- 
gefügt sei,  um  bei  Übersetzungen  von  Nutzen  sein  zu  können,  endlich  auch.  daTs  cue  Aus- 
sprache in  genauer  und  doch  leicht  verständlicher  Weise  angegeben  sei.  Allen  diesen  An- 
forderungen genügt  die  vorliegende  Neubearbeitung  Griebs  durch  Schröer.  Das  Wörterbuch 
von  Grieb- Schröer  wird  das  beste  und  empfehlenswerteste  für  den  grolben  Kreis  der  Oe- 
bUdeten  werden. 

Dr.  Rioh.  Wiilker,  Geh.  Hof  rat,  Professor  der  engl.  Philologie,  Universität  Lelpilg, 
im  Lltterarlaohen  Centralbiaft. 

§/gr  Zu  haben  in  ailon  Buchhandlungen  "WlH 

Fikr  Schulen  YersttnsUg^ung^n  bei  gleichzeitigem  Bezug  einer  gröfseren  Anzahl 
von  Exemplaren. 


Für  die  Redaktion  Terantwortlieh  Dr.  E.  Ladwlg  in  I 
Drvok  und  Verlag  Ton  ii'riedricli  Andreas  Perthes,  Aktiengesellieliaft,  Ooth». 


Gotha,  22.  August.  Nr.  17,  Jahrgang  1903. 

Neue 

PhilologischeRundschau 

HeraosgegebeD  von 

Dr.  C.  Wagener  und  Dr.  E.  Ludwig 

in  Bremen. 

Erscheint  alle  14  Tage.  —  Preis  fOr  den  Jahrgang  8  Mark. 

Bestellangen  nehmen  alle  Bnchhandlungen,  sowie  die  Postanstalten  des  In-  nnd  Auslandes  an 

Insertionsgebfihr  fflr  die  einmal  gespaltene  Petitxeile  80  Pfg. 

Inhalt:  Bezensionen:  213)  J.  van  Leeawen,  Aristophanis  Aves  (Pongratz)  p.  285.  — 
214)  W.  Rhys  Roberts,  Demetrins  on  style  (Ph,  Weber)  p.  389.  —  215)  James 
Gow,  Horati  saturarnm  lib.  I  (Aug.  Ohambaln)  p.  400.  —  216)  Hammelrath 
und  Stephan,  Übungsstücke  zum  Übersetzen  ins  Lateinische  für  Seknnda  n.  Prima 
(E.  Krause)  p.  402.  —  217)  G.  Dnbray,  Le  Roman  des  Mots  (K.  Engelke)  p.  404.  — 
218)  Bastiaan  yan  Dam  and  Com.  Stoffel,  Chapters  on  English  Printing, 
Prosody,  and  Pronnnciation  (-tz-)  p.  405.  —  219)  R.  Jordan,  Die  altenglischen 
Sängetiere,  (-tz-)  p.  406.  —  Anzeigen. 

213)  J.  van  Leeuwen  J.  F.,  Aristophanis  Aves.  Garn  prole- 
gomenis  et  commentariis  edidit  (J.  v.  L.).  Lngdoni-Batavonun 
apud  A.  W.  SijthoflF  MDCCCCII.    XV  u.  276  S.  8. 

In  rascher  Folge  schreitet  diese  neueste  Ausgabe  des  Aristophanes 
vorwärts.  Nachdem  bereits  1893  die  Wespen,  1896  die  Frösche,  1898 
die  Wolken  erschienen  waren,  brachte  das  Jahr  1900  die  Bitter,  1901  die 
Acharner  and  1902  die  Vögel,  sodafs  in  nicht  ferner  Zeit  der  Abschlufs 
der  Arbeit  zu  erwarten  steht. 

Die  Anordnung  ist  in  dem  neuesten  Stücke  dieselbe,  wie  in  den  zu- 
letzt erschienenen  Rittern  und  Acharnern.  Jede  Seite  enthält  in  vier  Ab- 
teilungen oben  den  Text,  darunter  getrennt  einen  kritischen  und  einen 
exegetischen  Kommentar,  unten  die  wissenschaftlichen  Nachweise,  Zahlen 
u.  s.  w.  Es  hat  diese  Anordnung  ihre  unbestreitbaren  Vorzüge.  Nament- 
lich solche,  welche  an  die  Lektfire  einer  Aristophaneskomödie  lediglich 
ihres  Inhaltes  wegen  herantreten  und  dieselbe  möglichst  kursorisch  auf- 
nehmen wollen,  werden  es  dankbar  begrüfsen,  den  erklärenden  Teil  ohne 
jede  Zutat  vor  sich  zu  haben.  Auf  einen  solchen  weiteren  Lesekreis  scheint 
der  Hei^l^eber  es  auch  abgesehen  zu  haben,  da  er  diesem  exegetischen 
Teile  seine  Hauptsorge  zuwendete.  Wer  aber  die  Ansprüche  eines  Qe- 
lehrten  mitbringt,  kann  diese  Trennung  des  Literaturnachweises  nur  als 


386  Neae  Philologische  Bondschaa  Nr.  17. 

nnbequem  empfinden.  Auch  kann  bei  genauerem  Zusehen  nicht  entgehenc 
dafs  an  dieser  untersten  Stelle  gar  nicht  selten  Bemerkungen  sich  finden, 
die  entweder  in  den  kritischen  oder  exegetischen  Teil  gehörten,  sodafs 
man  sich  des  Eindruckes  nicht  erwehren  kann,  es  habe  der  Herausgeber 
diesen  vierten  Teil  zum  eigenen  Nutzen  als  bequeme  Sammelstelle  für 
spätere  Einfälle  sich  geschaffen. 

Was  die  Textgestaltung  anbelangt,  so  unterscheidet  sich  van  Leeuwen 
von  seinen  Landsleuten  vorteilhaft  durch  sein  besonnenes,  malsvolles  Urteil 
und  eine  entschieden  konservative  Bichtung,  die  freilich  schon  dadurch 
bedingt  war,  dafs  der  neuen  Ausgabe  keine  neue  Vergleichung  der  Hand- 
schriften zu  gründe  liegt.  Der  in  der  adnotatio  critica  gegebene  wissen- 
schaftliche Apparat  genügt  indes  nicht  den  bescheidensten  Anforderungen. 
Kaum  dafs  noch  V  und  B  (in  dieser  richtigen  Beihenfolge)  von  den  Hand- 
schriften erwähnt  werden;  für  die  übrigen  begnügt  der  Herausgeber  sich 
mit  Angaben  wie  nonnulli,  complures,  alii  Codices  oder  meist  einfach  mit 
codd.  Ebenso  summarisch  und  willkürlich  verfährt  er  mit  der  Anführung 
und  Auswahl  von  Yerbesserungsvorschlägen  alter  und  neuer  Gelehrten,  die 
er  nur  in  einzelnen  Fällen^unter  die  kritische  Lupe  nimmt,  meist  ohne 
ein  Wort  eigenen  Urteils  anführt  oder  kurz  mit  male,  recte  etc  zensiert 
Auffallen  mufs  auch,  dafs  dabei  gröfstenteils  niederländische  und  englische 
Namen  begegnen,  während  doch  auch  Franzosen,  Italiener  und  nicht  zum 
wenigsten  auch  Deutsche  ihr  Teil  zur  Aufhellung  der  Überlieferung  bei- 
tragen. Seine  eigenen  Emendationen  hat  Leeuwen  entweder,  durch  Sternchen 
kenntlich  gemacht,  in  den  Text  aufgenommen,  oder  er  bringt  sie  nur  in 
der  Note  zum  Vorschlag.  Es  findet  sich  darunter  manches  Beachtenswerte ; 
vieles  ist  ganz  willkürlich  und  könnte  ebensogut  anders  sein. 

Der  Hauptwert  der  Ausgabe  besteht  ohne  Zweifel  in  dem  reichhaltigen 
exegetischen  Kommentar.  Leeuwen  fufst  hier  natürlich  auf  seinen  Vor- 
gängern, ohne  immer  die  Quelle  seiner  Erklärung  zu  notieren,  was  ja 
wohl  auch  nicht  zu  verlangen  ist.  Namentlich  die  Ausgabe  von  Eock 
zeigt  in  vielen  Fällen  die  nämliche  Erklärung,  wie  sie  hier  neuerdings 
geboten  wird;  oft  gibt  Leeuwen  nur  eine  Ausführung  der  Kockschen  An- 
deutungen; nur  selten  polemisiert  er  gegen  den  Vorgänger  und  dann  ohne 
den  Ton  mitleidiger  Überlegenheit,  den  er  andern  gegenüber  oft  anzunehmen 
beliebt.  Vielfach  werden  aber  auch  neue,  zum  Teil  wertvolle,  zum  Teil 
gewagte  Beiträge  gebracht.  Gleichmäfsig  werden  alle  Fragen  berück- 
sichtigt, und  kaum  eine  dunkle  Stelle  bleibt  ohne  plausible  Erklärung,  so- 


Nene  Philologrische  BondBohan  Nr.  17.  887 

dafs  der  tiro  an  der  Hand  dieser  Ausgabe,  ohne  ein  weiteres  Hilfsmittel 
za  Bäte  za  ziehen,  sich  in  ein  aristophanisches  Stfick  hineinznlesen  vermag. 
Wie  die  Erklärung  der  einzelnen  Stellen,  so  läfst  Leeuwen  auch  die  Auf- 
deckung und  Klarlegung  des  Gedankenganges  sich  zur  besonderen  Sorge 
sein.  Zu  verwundern  ist  nur,  warum  die  wörtliche  AnführuDg  von  Schollen 
geradezu  vermieden  ist,  da  doch  Butherfords  bekannte  Ausgabe  mehrmals 
erwähnt  wird.  Als  grofse  Unbequemlichkeit  werden  die  mit  jedem  Stficke 
sich  mehrenden  Verweise  auf  frühere  Bemerkungen  empfunden.  Es  wflrde 
sich  da  wohl  empfehlen,  mit  einem  oder  ein  paar  Worten  dem  Leser  die 
Mflhe  des  unablässigen  Nachschlagens  zu  ersparen  oder  zu  erleichtem. 

Ein  nicht  zu  unterschätzender  Vorzug  liegt  in  der  allerdings  ganz 
modernen  Zerlegung  des  Dramas  in  Szenen  auf  Qrund  des  Personenwechsels, 
ferner  in  den  eingestreuten  szenischen  Bemerkungen.  Wird  durch  erstere 
die  Übersichtlichkeit  nicht  unerheblich  gefördert,  so  sind  letztere  nicht 
weniger  wertvoll  zur  schnellen  Erfassung  einer  Stelle  und  zur  klaren  Ver- 
anschaulichung einer  Szene,  mag  auch  manchmal  des  Outen  zu  viel  oder 
Widersprucherregendes  geboten  werden. 

In  einer  Ausgabe,  die  offensichtlich  allen  Ansprüchen  genfigen  will, 
wird  man  eine  wenn  auch  nur  skizzierte  Darstellung  der  Überlieferung 
nicht  vermissen  wollen,  ebensowenig  ein  Verzeichnis  der  beigezogenen 
Ausgaben  und  der  wichtigsten  Literatur.  Das  in  einer  Anmerkung  zu 
Anfang  der  Prolegomena  Qegebene  kann  ffir  keinen  Fall  genügen.  Namen 
wie  Wilamowitz,  Eaibel  und  andere,  die  sonst  nirgends  begegnen,  könnten 
Ehren  halber  an  dieser  Stelle  wenigstens  Platz  finden.  Vermissen  wird 
man  in  einer  derartig  angelegten  Ausgabe  auch  eine  kurze  Übersicht  der 
Metra,  deren  Behandlung  von  Leeuwen  überhaupt  auffallenderweise  aus- 
geschieden ist.  Vielleicht  liefse  sich  nach  Zielinskys  Beispiel  auch  ein 
kurzer  Überblick  über  die  Gliederung  des  Stückes  im  Zusammenhange  geben. 

Beim  Eingehen  auf  einzelne  Stellen  wird  man  finden,  dafs  Leeuwen 
alten  Aporemen  gegenüber  ebenfalls  ratlos  bleibt.  So  ist  es  bei  Vers  1575 
zweifellos,  dafs  der  2.  Fufs  eine  ganz  unmögliche  Auflösung  enthält,  da 
die  beiden  eine  Länge  vertretenden  Kürzen  auseinandergerissen  sind.  Eine 
genaue  Vergleichung  der  Handschriften  mfifste  auf  die  richtige  Leseart 
führen.  Ahnlich  steht  die  Sache  bei  Vers  1527,  der  im  1.  Fufs  einen 
Tribrachys  enthält,  zu  dem  sich  bei  Aristophanes  kein  Analogen  finden 
läfst.  Mit  dem  beliebten  Fiickwörtchen  yi  (/)  ist  in  beiden  Fällen  der 
Fehler   nicht   zu    heben.      Die    richtige    Leseart   scheint  mir   auch   in 


Nene  Philologische  Bnndsohaa  Nr.  17. 


Vers  1588  nicht  hergestellt,  wo  Leeuwen  negi  Ttolifiov  yLavaXlay^ 
schreiben  will.  Wir  vermissen  schwer  den  Artikel  vor  noUfiov  und  es 
mag  auch  in  Betracht  kommen,  dafs  zwar  in  den  fibrigen,  nie  aber  im 
3.  FoTse  eine  ähnliche  Auflösung  der  Länge  begegnet.  Warum  sollte 
Aristophanes  nicht  geschrieben  haben  negl  rod  noUfiov  maraXXayfjg? 
Noch  weniger  möchte  ich  Leeuwens  Korrektur  des  Verses  108  billigen, 
wo  er  schreibt:  S&ev  TQn^geig  al  yuxXal.  Auch  hier  vermissen  wir  vor 
TQii^Qeig  den  bestimmten  Artikel,  den  in  der  Tat  auch  alle  Handschriften 
bieten.  Da  aber  die  Begel,  dafs  auf  einen  Tribrachys  kein  Anapäst  folgen 
könne,  zweifellos  feststeht,  so  mufs  hier  ein  anderer  Ausw%  gesucht 
werden,  und  ich  glaube,  dafs  die  ganz  ähnlich  gebauten  Verse  Ach.  47 
und  938,  sowie  Ecd.  315,  die  ebenfalls  auf  sicherer  Überlieferung  beruhen, 
uns  auf  die  einzig  richtige  Erklärung  der  Abnormität  fBhren  können.  In 
sämtlichen  Fällen  folgt  auf  den  Tribrachys  eine  stärkere  Interpunktion  und 
damit  eine  Pause,  welche  die  vorhergehende  Silbe  zur  anceps  macht,  wie 
das  ja  regelmäfsig  am  Schlüsse  eines  Verses  begegnet.  Ganz  zu  verwerfen 
ist  auch  die  nach  Herwerdens  Vorgang  von  Leeuwen  aufgenommene  Lese* 
art  des  Verses  850:  naZy  nai^  %6  tb  yLovoCv  xre,  da  bei  Aristophanes 
niemab  die  2.  Eflrze  eines  Tribrachys  mit  einer  Enclitica  ausgefQllt  wird. 
Aus  demselben  Grunde  war  die  ebenfalls  von  Herwerden  vorgeschlagene 
Emendation  des  Verses  1358  äTtehmsi  n  U^a  zu  verwerfen.  Zu  Vers  1639 
wird  Meinekes  Vorschlag,  statt  Tc^ii  ywaiycög  zu  schreiben  yvvaii^  Ttiqi 
ohne  Orund  angefahrt,  da  zu  einer  Abweichung  von  der  handschriftlichen 
Überlieferung  kein  Orund  vorliegt.  Nicht  billigen  kann  ich  femer,  dafs 
Leeuwen  nach  dem  Vorgange  von  Blaydes  in  Vers  1361  das  Komma  nach 
iivcvq  getilgt  hat;  denn  während  das  Adjektiv  bei  m€Q(&aio  entbehrlich 
erscheint,  ist  es  bei  IjlS'eg  unbedingt  notwendig,  da  ja  auch  Strolche  ver- 
schiedener Art  voraussichtlich  die  Aufnahme  ins  neue  Eldorado  nachsuchen 
werden.  Ebenso  möchte  ich  bei  Vers  1392 — 94  lieber  die  handschriftliche 
Interpunktion  als  die  von  Bergk  vorgeschlagene  aufnehmen,  da  sinngemäfs 
die  Verse  sich  ohne  weiteres  zusammenschliefsen.  Eine  gekfinstelte  Inter- 
punktion bietet  Leeuwen  auch  in  Vers  1210  an  Stelle  der  ungezwungenen 
handschriftlichen.  Qekfinstelt  erscheint  auch  die  Annahme  eines  Wort- 
spieles zwischen  vöfiog  und  vofiög  in  den  Versen  1286—89.  Wenn  Leeuwen 
im  gewohnten  Tone  der  Überlegenheit  fragt,  warum  so  mäfsige  Leute, 
wie  die  Athener,  gleich  an  Speise  und  Trank  denken  sollten,  was  Witziges 
die  Erwähnung  des  Frflhstfickes  habe,  und  warum  sie  dazu  hätten  „fliegen'^ 


Neae  Philologische  BundcMjhau  Nr.  17. 


sollen,  so  ergibt  sich  die  Antwort  mit  Leichtigkeit  ans  dem  Sinne  der 
ganzen  Stelle,  da  ja  die  Menschen  ganz  vernarrt  in  Vogelleben  nnd  Sitte 
in  allem  die  Vögel  nachahmen  {d^fi^ofjiavotkJi).  Manche  Erklämngen 
machen  den  Eindruck,  als  ob  Leenwen  sich  bemfihe,  Dinge  herauszufinden, 
an  die  man  bisher  nicht  gedacht,  und  von  der  landläufigen  Auffassung  ab- 
zuweichen. So  erklärt  er  es  in  der  Anmerkung  zu  Vers  1035  f&r  eine 
res  ridicula,  immo  absurda,  daran  zu  denken,  dafe  es  in  Athen  in  Wirk- 
lichkeit \pri(piafiaT07t&hxi  gegeben  habe.  Im  Oegenteil,  es  wäre  absurd 
anzunehmen,  dafs  man  in  der  athenischen  Demokratie  nicht  auf  dieses 
Mittel  gekommen  sei,  teils  zur  Stütze  des  Oedächtnisses,  teils  um  Bfirgem, 
die  nicht  zu  einer  Versammlung  kommen  konnten,  auf  diese  Weise  von 
den  Beschlfissen  Kenntnis  zu  schafifen.  Verwundert  fragt  man  sich  auch, 
warum  Leeuwen  in  der  Bemerkung  zu  Vers  1025  sich  gegen  die  Annahme 
sträubt,  die  Bundesstädte  hätten  ihre  iTtlayiOTtoi  nicht  nur  unterhalten, 
sondern  auch  besolden  mfissen.  War  das  nicht  der  Fall,  welchen  Orund 
hat  dann  Pisetäms  überhaupt,  dieses  Anerbieten  zu  machen? 

Doch  genug  der  Ausstellungen  an  einer  Arbeit,  die,  als  Ganzes  ge- 
nommen, wenige  zu  Tadlem  haben  wird  und  in  hervorragender  Weise  ge- 
eignet ist,  dem  „ungezogenen  Liebling  derGrazien'^  neue  Freunde  Zugewinnen. 

Eingeleitet  wird  das  Stück  durch  einen  Prologus  über  Zeit  und  Auf- 
fassung des  Stückes;  denSchlufs  bildet  ein  Exkursus  „de  epope,  avium  rege'^ 

Leeuwen  schreibt  ein  elegantes  Latein,  bei  dem  man  sich  freilich 
auch  des  Gefühles  nicht  erwehren  kann,  als  strebe  er  um  jeden  Preis 
nach  einer  aparten  Ausdrucksweise. 

Möge  uns  Leeuwens  Fleifs  im  nächsten  Jahre  mit  einem  neuen  Stücke 
der  aristophanischen  Muse  erfreuen! 

Amberg,  Oberpfalz.  Poagratz. 

214)  W.  Ehys  Roberts,  DemetriuB  on  style.    The  Greek  texte 

of  Demetrius  de  elocutione  edited  after  the  Paris  manuscript  with 

introduction,    translation,    facsimiles  etc.    Cambridge:    At  the 

üniversity  Press.  London,  J.  G.  Clay  &  Sons ;  Leipzig,  F.  A.  Brock* 

haus,  1902.    XI  u.  328  S.  8.  9  s. 

Gewifs  ein  höchst  interessantes  Zusammentreffen  ist  es,  dafs  kaum 

ein  halbes  Jahr  nach  dem  Erscheinen  der  Ausgabe  Bademachers  und  von 

dieser  ganz  unabhängig  die  goldene  Schrift  des  Demetrius  7t€Ql  eQfirpfeiag^ 

wie  sie  Wilamowitz  nennt,  in  Boberts,  der  sich  bereits  durch  seine  Aus^ 


390  Nene  Philologische  Randsohan  Nr.  17. 

gaben  von  Longinns*  Schrift  Ttefi  ihpovg  und  der  drei  Literatarbriefe  des 
DioDysius  von  HaUkarDafs  rühmlich  bekannt  gemacht  hat,  einen  nenen 
Heransgeber  findet.  Der  Text  bemht,  wie  billig,  anf  der  Hanpthandschr.,  dem 
cod.  Parisinns  1741,  den  der  Herausg.  selbst  nenerdings  kollationiert  hat, 
und  nmfafst  S.  66 — 207  in  der  Weise,  dafs  die  Seiten  mit  geraden  Ziffern 
den  griechischen  Wortlaut  und  miter  demselben  die  textkritischen  Be- 
merkungen, jene  mit  ungeraden  Ziffern  die  englische  Übersetzung,  die  sich 
rühmen  darf  die  erste  zu  sein,  und  an  ihrem  Fufse  literarische  Anmerkungen 
bieten.  In  den  S.  212—262  noch  weiter  beigegebenen  Noten  werden 
auch  moderne  Autoren  ziemlich  reichlich  berücksichtigt,  vereinzelt  bereits 
in  den  Anmerkungen  zur  Einführung.  Doch  hat  Roberts,  was  gleich  von 
vornherein  gesagt  sein  möge,  alles  vorzugsweise  auf  englische  Leser  zu- 
geschnitten, wie  er  denn  (vgl.  seine  Worte  S.  vni  f.)  bei  der  ganzen  Ein- 
richtung des  Buches  ein  Hauptaugenmerk  darauf  gerichtet  hält,  das 
moderne  Englisch  theoretisch  und  praktisch  zu  fördern.  Eine  wenigstens 
teilweise  Erklärung  hierfür  ergibt  sich  vielleicht  aus  der  verh&Itnismäfsigen 
Armut  des  Englischen  an  rhetorischen  Eunstausdrücken,  wie  sie  das  reich- 
haltige Glossar  (S.  263—309)  neben  der  erstaunlichen  Fülle  in  des  De- 
metrius  Schrift  recht  deutlich  erkennen  läfst.  Nebenbei  bezeichnet  der 
Herausg.  ein  neues  Wörterbuch  der  griechischen  und  lateinischen  rhetori- 
schen Termini  als  ein  dringendes  Bedürfnis,  meines  Erachtens  mit  Becht; 
gibt  es  ja  auch  bei  uns  kaum  mehr  zwei  Schulbücher  mit  ganz  gleicher 
Nomenklatur.  An  das  Glossar  schliefst  sich  noch  eine  sechs  Seiten  um- 
fassende hinsichtlich  ihrer  Lückenlosigkeit  musterhafte  Literaturangabe, 
mit  der  ich  den  zweiten  Absatz  auf  S.  x  zu  vergleichen  bitte.  Wenn 
ich  hierzu  die  weitere  Bemerkung  füge,  dafs  aufser  zwei  Faksimiles  aus 
cod.  P.  1741  ein  Namen-  und  Sachregister,  sowie  ein  solches  fttr  die  vor- 
kommenden Stellen  aus  den  Autoren  beigegeben  sind  und  dafs  zu  alledem 
eine  64seitige  Einführung  vorausgeht,  so  darf  ich  wohl  schon  an  dieser 
Stelle  mein  Urteil  dahin  zusammenfassen,  dafs  nach  meiner  festen  Über- 
zeugung niemand  dem  Herrn  Boberts  die  Anerkennung  wird  versagen 
können,  er  habe,  mag  man  an  seiner  Arbeit  Kritik  üben,  von  welchem 
Gesichtspunkte  aus  man  will,  nichts  verabsäumt,  um  allen  billigerweise 
an  seine  Ausgabe  zu  stellenden  Anforderungen  vollauf  gerecht  zu  werden. 

Die  vorhin  erwähnte  Einführung  bietet  zunächst  (S.  1 — 27)  eine  in 
kurz  skizzierten  Umrissen  sich  haltende  Entwickelungsgeschichte  des  grie- 
chischen Prosastils.    Ihren  Ausgangspunkt  hat  diese  Entwickelung  in  den 


•i 


Nene  Philologische  Bnndschan  Nr.  17. 


griechischen  Städten  Siziliens  genommen.  An  die  Spitze  wird  im  Ein- 
klang mit  Aristoteles  (vgl.  Diog.  Laert.  Vm,'  57)  Empedokles  als  Erfinder 
der  Bbetorik  gestellt.  Indes  hat  Aristoteles  mit  dem  Ausdrucke  ^E^/rc* 
doyJiJa  ^oqi%ipf  Bbqüv  wohl  nnr  andeuten  wollen,  dafs  Empedokles  einem 
mehr  systematischen  Nachfolger,  wahrscheinlich  Gorgias,  den  Weg  gebahnt 
habe.  Der  erste  rhetorische  Eunstschriftsteller  dagegen  war  Eorax  von 
Syrakns  (c.  460),  welcher  als  Lehrer  der  Beredsamkeit  sich  darauf  be- 
schränkt zu  haben  scheint,  beim  Sturze  der  sizilischen  Tyrannen  und 
Einführung  der  Demokratie  seine  Klienten  mit  Beweisen  zur  Geltend- 
machung ihres  Eigentumsrechts  zu  versehen.  Sein  Schfiler  Tisias,  welcher 
die  Topik  des  Wahrscheinlichen  in  einer  eigenen  Abhandlung  entwickelte, 
soll  Gorgias  nach  Athen  begleitet  haben.  Damit  gewinnt  Boberts  den 
Übergang  zu  den  Sophisten,  um  sodann  an  diese  die  attischen  Bedner  in 
der  Weise  anzuknüpfen,  dafs  er  in  Antiphon,  Lysias,  Isokrates  und  De- 
mosthenes  die  Hauptvertreter  der  verschiedenen  Stilarten  vorführt  Zur 
Ausbildung  des  rednerischen  Stils  haben  die  östlichen  wie  die  westlichen 
Eolonieen  Griechenlands  Beiträge  geleistet,  insofern  nämlich  Protagoras 
die  Grammatik,  Prodikus  die  Synonymik,  Hippias  die  Prosodie  und  Metrik, 
Theodorus  von  Byzanz  neue  Termini  für  die  Unterabteilungen  einer  Bede 
einführten  und  begründeten.  Ganz  hervorragend  war  in  dieser  Beziehung 
der  EinfluJB  des  Sophisten  Thrasymachos  aus  Ghaicedon ;  er  war  der  erste, 
welcher  die  wesentliche  Bedeutung  der  Periode  erkannte,  weshalb  er  als 
Vorläufer  von  Isokrates  und  Plato  nicht  unterschätzt  werden  darf.  Im 
Anschlufs  an  Isokrates  wird  auch  das  dem  Bhetor  Anaximenes  von  Lamp- 
sakus  zugeschriebene  Werk  'Ajro^ixi^  nqitg  ^AXe^avdqw  (auf&llenderweise 
gebraucht  Boberts  durch  die  Bank  lateinische  Titel),  das  bekanntlich  eine 
gute  und  übersichtliche  Orientierung  über  Wesen,  üm&ng  und  Methode 
der  Beredsamkeit  gewährt,  einer  kurzen  Wertschätzung  unterzogen.  Von 
den  genannten  vier  attischen  Bednern  heifst  es:  Alle  vier  sind  „students^S 
wenn  auch  nicht  alle  Lehrmeister  des  Stils  sind.  Antiphon  ist  Vertreter 
des  erhabenen,  Isokrates  des  mittleren,  Lysias  des  schlichten  Stils,  wäh- 
rend Demosthenes  ein  „Proteus'^  des  Stils  genannt  wird.  Fördern  die 
weiteren  Ausführungen  auch  inhaltlich  nicht  gerade  wesentlich  Neues  zu 
tage  (vgl.  indes  die  Figurenbeispiele  aus  dem  Bruchstücke  der  Leichen- 
rede des  Gorgias  u.  ä.),  so  ist  doch  die  meist  originelle  Form,  in  der  sie 
dem  Leser  entgegentreten,  recht  anmutend  und  gerade  durch  ihre  präzise 
Knappheit  wirksam.     Die  Belege  sind  in  der  Begel  aus  Dionys  von  Bali- 


392  Nene  Philologische  Rundschau  Nr.  17. 


karnafs  entlehnt,  doch  werden  solche  vielfach  anch  unmittelbar  ans  den 
Schriften  der  Redner  erbracht.  Die  gleiche  Präzisheit  und  Selbständigkeit 
des  Urteils  bekunden  die  weiteren  Abschnitte  über  Plato  und  Aristoteles, 
über  die  nacharistotelischen  Philosophen-  und  Oelehrtenschulen  sowie  über 
die  griechisch-römischen  Bednerschulen.  Die  dabei  nicht  völlig  zu  ver- 
meidende Kritik  wahrt,  ebenfalls  ein  bezeichnender  Vorzug,  stets  eine 
edle  und  mafsvoUe  Sprache,  wie  z.  B.  gegenüber  Norden  (S.  23).  Von 
S.  28  ab  fährt  sodann  Roberts  die  Leser  in  die  Schrift  selbst  ein.  Zu 
diesem  Behufe  gibt  er  vorerst  eine  fünfteilige  summarische  Übersicht, 
welche,  wie  sie  einerseits  den  Orundplan  des  Werkes  scharf  und  klar 
hervortreten  läfst,  so  anderseits  die  Schrift;  als  eine  nicht  streng  syste- 
matisch angelegte  kennzeichnet.  Sieht  man  von  einer  Anzahl  Abschwei- 
fungen, die  der  Verf.  manchmal  selbst  angibt,  z.  B.  §  178,  und  Wieder- 
holungen (§§  121.  220.  243.  248  verglichen  mit  §§  6.  94.  99.  31)  ab, 
so  trägt  die  einer  formalen  Einleitung  und  ebensolchen  Schlusses  ermangebde 
Abhandlung  einen  anspruchslosen  und  praktischen  (business-like)  Charakter. 
Die  summarische  Übersicht  wird  dann  noch  in  ihren  einzelnen  Punkten 
lichtvoll  erläutert  (S.  31—49).  Bei  aller  Unebenheit  in  der  Ausfährung 
besitzt  die  Schrift  gleichwohl  nicht  nur  viele  durchgehende  Vorzüge, 
sondern  auch  zahllose  Verdienste  im  einzelnen.  In  ersterer  Hinsicht  ist 
vor  allem  der  verfeinerte  Geschmack  rühmend  hervorzuheben  und  das 
umfassende  Studium  der  griechischen  Literatur  zu  betonen,  auf  dem  sich 
der  wichtige  Gegenstand  aufbaut,  in  letzterer  Beziehung  ist  S.  32  eine 
ganze  Sammlung  von  Einzelvorzügen  namhaft  gemacht. 

Erst  nach  diesen  theoretischen  Erörterungen  tritt  Roberts  der  Frage 
nach  Abfassungszeit  und  Autorschaft  der  Schrift  näher.  Den  hiefßr  gel- 
tend gemachten  Gründen  (S.  49)  kann  man  unbedenklich  zustimmen. 
Wenn  nun  auch  durch  das  Schlufsergebnis  die  Sache  im  wesentlichen 
nicht  weiter  geklärt  wird,  als  dies  im  Streite  der  im  Anschlufs  an  Liers 
Dissertation  in  Repliken  und  Dupliken,  ja  sogar  seitens  Hammers  in 
Triplik  und  Quadruplik  aufeinander  platzenden  Meinungen  seit  dem  vor- 
letzten Jahrzehnt  geschehen  ist,  zo  dürfte  es  sich  doch  angesichts  des 
lebhaften  Interesses,  das  sich  ebendadurch  dem  Gegenstande  neuerdings 
allenthalben  zugekehrt  hat,  empfehlen,  über  diesen  Abschnitt  etwas  ein- 
gehender zu  referieren. 

Die  von  Roberts  eingeschlagene  Methode  sucht  auf  doppeltem  Wege, 
zuerst  aus  inneren,  dann  aus  äufseren  Gründen,  Stützen  für  den  die  unter- 


Neae  Philologuche  Rundschau  Nr.  17. 


SQchung  krönenden  Schiurs  zu  gewinnen.  Behufs  dessen  wird  fflrs  erste, 
ich  möchte  sagen  in  Descartesscher  Manier,  von  allen  ihrer  Natur  nach 
ja  gewifs  prekären  äufseren  Beweisen  durch  Zeugnisse  abstrahiert  und  die 
Frage  dahin  formuliert,  welche  Meinung  wir  uns  fiber  die  Zeit  der  Ab- 
fiissung  der  Schrift  etwa  gebildet  haben  würden,  wenn  dieselbe,  olme  irgend 
ein  äulseres  Merkmal  betreffs  dieses  Punktes  an  sich  zu  tragen,  auf  uns 
gekommen  wäre.  Welchem  Jahrhundert  und  welcher  Gruppe  yon  Schrift- 
stellern über  den  Stil  sie  zuzuschreiben  würden  wir  in  diesem  Falle  wohl 
geneigt  gewesen  sein?  Da  wird  nun  zuvörderst  eine  in  sieben  Rubriken 
ebensoviele  Jahrhunderte  (500  v.  Chr.  bis  200  n.  Chr.)  umfassende  Zeit- 
tafel der  hauptsächlichsten  zuvor  in  der  Einleitung  erwähnten  Schriftsteller 
(Bxponents  of  style)  entworfen.  Der  Gedankengang  der  weiteren  Deduktion 
ist  etwa  folgender.  Wer  immer  der  Autor  gewesen  sein  mag,  so  viel  ist 
klar,  dafs  er  in  hohem  Grade  der  Lehre  der  peripatetischen  Schule  folgt. 
Bezugnahmen  auf  Aristoteles  spinnen  sich  durch  die  ganze  Abhandlung, 
wofür  16  Paragraphen  ins  Treffen  geführt  werden.  In  der  Tat,  auf  den 
ersten  Blick  mag  die  Schrift  nur  eine  verständlichere  Abhandlung  über 
die  im  dritten  Buche  der  Rhetorik  niedergelegte  Materie  zu  sein  scheinen. 
Die  Peripatetiker  als  eine  Klasse  sind  erwähnt  §  181,  des  Aristoteles 
unmittelbarer  Nachfolger  Theophrast  in  7  Paragraphen  und  wahrscheinlich 
nachgeahmt  (foUowed)  in  vielen  anderen  Stellen.  Die  im  Laufe  einer 
kurzen  Abhandlung  zahlreichen  Bezugnahmen  auf  Aristoteles  erscheinen  um 
80  bemerkenswerter,  als  sie  mit  der  von  anderen  Rhetorikern,  wie  Dionys 
von  Halikamafs,  geübten  Gepflogenheit,  die  Autorität  der  Philosophen  und 
ihrer  Nachfolger  (followers)  zu  bestreiten  oder  zu  ignorieren,  in  Gegensatz 
stehen.  Es  darf  daher  nicht  wunder  nehmen,  dafs  Victorius,  der  sowohl 
die  Rhetorik  als  die  Schrift  de  elocutione  studiert  hatte,  die  tberlieferung, 
welche  die  letztere  dem  Phalereer  zuschreibt,  so  sorgfältig  festgehalten 
hat.  Aber  obwohl  viele  Einzelheiten  von  Erheblichkeit  Aristoteles  ent- 
lehnt (borrowed)  sind,  ist  doch  ganz  klar,  dafs  es  eine  erst  in  späterer 
Zeit  geläufige  Lehre  ist,  die  das  Buch  in  seinem  System  aufgenommen 
hat.  Bilden  ja  doch  den  wirklichen  Gegenstand  der  mit  Bemerkungen 
über  Periodenbau  anhebenden  Abhandlung  die  vier  Stilarten,  eine  Ein- 
teilung, die  deshalb  nicht  von  Aristoteles  herrühren  kann,  weil  wir  in 
dessen  umfangreichen  Werken  höchstens  den  Keim  zu  einer  solchen 
finden;  auch  ist  es  unwahrscheinlich,  dafs  Theophrast  vier  Stilarten  an- 
erkannt habe.    Auf  der  anderen  Seite  scheint,  wie  mit  Recht  aus  der 


394  Neae  Philologische  Bondschan  Nr.  17. 


zweiten  Hälfte  des  §  36  gefolgert  wird,  diese  Vierteilung  nicht  bei  unserem 
Autor  ihren  Ursprung  zu  haben,  wenn  derselbe  auch  Anspruch  darauf 
erhebt,  das  vernachlässigte  Verhältnis  einer  dieser  Arten  behandelt  zu 
haben.  (Gemeint  ist  tö  yXag>vQ6v,  worüber  er  §  179  sagt:  ovdi  yäg  töv  Ttqlv 
evQtjffai  TivL  negi  yXaq>vQäg  avv&eaecDg.)  Daraus  ergibt  sich  die  natür- 
liche, wenn  auch  nicht  zwingende  Folgerung,  dafs  der  Autor  zu  einer 
beträchtlich  späteren  Zeit  gelebt  hat  als  Aristoteles.  Der  Hauptpunkt,  in 
welchem  sich  unsere  Schrift  von  allen  ähnlichen  ausführlichen  Abhand- 
lungen unterscheidet,  ist  die  Anerkennung  der  dewörrig  als  einer  beson- 
deren Stilart.  Können  so  Aristoteles  und  Theophrast  nur  für  einzelne  Teile 
der  Schrift  als  Quellen  gelten,  so  wird  man  sich  der  weiteren  Aufgabe  nicht 
entziehen  können,  jedem  in  der  Abhandlang  vorkommenden  Personennamen, 
der  auf  die  Frage  nach  Zeit  und  Autorschaft  Bezug  zu  haben  scheint, 
Bevue  passieren  zu  lassen.  Der  wichtigste  Name  in  dieser  Hinsicht  ist 
der  des  Fhalareers  selbst  §  289.  Diese  Stelle  erregte  natürlich  bei  den 
Gelehrten  der  Renaissance  im  Punkte  der  Autorschaft  Zweifel,  und  so 
gelangte  unsere  Schrift  viel  früher  als  die  de  sablimitate  in  jene  strittige 
und  ungewisse  Stellung,  welche  das  Los  so  vieler  griechischer  Abhandlungen 
geworden  ist.  Victorius  sah  in  dieser  Stelle  einen  Beweis  für  seine  An- 
sicht. Es  ist  nur  natürlich,  bemerkt  er,  dafs  Demetrius  Phalereus  das 
Gedächtnis  an  eine  Tat  lebendig  zu  erhalten  wünschte,  welche  ihm  so 
viel  Ehre  einbrachte.  Spätere,  die  für  die  Urheberschaft  des  Phalereers 
eintraten,  haben  es  für  besser  befunden,  in  der  in  Frage  kommenden 
Stelle  einen  nachträglichen  Zusatz  zu  erblicken,  jedoch  mit  seichter  Be- 
gründung, so  Liers.  Wenn  auch  keine  Literaturangabe  in  unserer  Schrift 
der  Überlieferung  solchen  Eintrag  tut  wie  diese,  so  mag  doch  auch 
die  Erwähnung  anderer  Namen  und  die  Art  ihrer  Erwähnung  mit  dazu 
beigetrs^en  haben,  dieselbe  später  anzusetzen.  Aus  der  Art  der  An- 
spielungen auf  die  Redner  Demosthenes  und  Demades  kann  wohl  nach 
keiner  Seite  hin  ein  Schlufs  gezogen  werden.  Zwar  wird  die  Suprematie 
des  Demosthenes  in  dieser  Schrift  nicht  so  ausdrücklich  anerkannt  als  in 
anderen  der  Art,  nichtsdestoweniger  drückt  sich  in  den  zahlreichen  Er- 
läuterungen, zu  denen  seine  Reden  herhalten  müssen,  das  grofse  Ansehen, 
das  er  geniefst,  zur  Genüge  aus,  wogegen  die  relativ  geringe  Anzahl  an- 
geführter Stellen  aus  Demades  zeigt,  dafs  letzterer  keineswegs  als  mit 
jenem  auf  gleichhoher  Stufe  stehend  angesehen  wird.  Ein  bestimmteres 
Kennzeichen   späterer  Urheberschaft  tritt  in  den  Bezugnahmen  auf  Me- 


Nene  Philologische  Bnndfkshau  Nr.  17.  395 

nander  uüd  Philemon  zu  tage.  Während  diese  Zeitgenossen  des  Phale- 
reers  waren,  scheint  der  Inhalt  des  §  193  das  urteil  einer  späteren  Zeit 
zu  enthalten;  darauf  deutet  auch  fj  via  yt(0f4(iföia  §  204.  Schwerlich 
würde  der  Phalereer  neben  dem  summarischen  urteile  über  die  den  Peri- 
patetikern  gemeinsamen  charakteristischen  Kennzeichen  des  Stils  (§  181) 
Aristoteles  und  Theophrast  als  anerkannte  Autoritäten  der  rhetorischen 
Schulen  angeführt  haben.  Durch  oi  äqxaioi.  (§§  67  u.  244)  werden  von 
dem  Autor,  wie  es  scheint,  die  griechischen  Klassiker  in  ausdrücklichen 
Gegensatz  zu  seiner  eigenen  Zeit  gesetzt,  was  sich  in  Ausdrücken  wie  ol 
vCv  ^i^ogeg  (§  287),  ^  vfjv  ^.arixovaa  dBivdr^q  (§  245),  c5g  v^  dvofid- 
^ofiev  (§  237)  darstellt.  In  Verbindung  mit  diesen  Anzeichen  einer 
späteren  Periode  mag  nun  eine  nicht  literarische  Beziehung  erwähnt 
werden,  welche  auf  römische  Zeiten  hinzuweisen  scheint,  mündlich  §  108. 
Wenn  hier  unter  7toqq>iqaig  Tthxteiaig  der  Purpurstreifen  eines  römischen 
Senators  zu  verstehen  ist,  dann  kann  offensichtlich  die  Schrift  nicht  von 
der  Hand  des  Phalereers  stammen;  aber  unglücklicherweise  ist  die  Er- 
klärung der  Stelle  unsicher.  Die  nämliche  üngewifsheit  besteht  hinsicht- 
lich der  Erklärung  von  ö  radaq&iq  (§  237).  Ist  wirklich  der  Bhetor 
Theodor  aus  Gadara  gemeint,  dann  haben  wir  eine  Beziehung  nicht  nur 
auf  die  römische,  sondern  auf  die  augusteische  Zeit.  Die  Bezugnahme 
auf  viele  andere  Schriftsteller,  Dichter  sowohl  als  Prosaisten,  welche  das 
Buch  enthält,  erbringen  keinen  evidenten  Beweis  für  die  Zeit  der  Ab- 
fassung; immerhin  waren  Artemon  und  Archidemus  verhältnismäfsig  späte 
Autoren.  Angesichts  dieser  zahlreichen  Erwähnungen  früherer  Verfasser 
von  Schriftwerken  (aufser  den  schon  genannten  noch  Sotades,  Dikäarch, 
Sophron,  Ktesias,  Philistus,  Klitarch,  Praxiphanes  sowie  der  Maler  Nikias), 
könnte  man  leicht  auf  den  Gedanken  verfallen,  aus  dem  Umstände,  dafs 
der  Name  eines  Schriftstellers  wie  Dionysius  von  Halikarnafs  nicht  vor- 
kommt, zu  folgen,  er  sei  ungekannt  gewesen.  Allein  ein  solcher  Schlufs 
ist  durchaus  unberechtigt,  hauptsächlich  wenn  der  Autor  ein  Zeitgenosse 
des  Dionys  war  oder  nur  wenig  später  lebte.  In  seinen  rhetorischen 
Schriften,  so  umfangreich  und  mannigfaltig  sie  sind,  erwähnt  Dionysius 
nur  ein  einziges  Mal  seinen  Zeitgenossen  und  Mitarbeiter  (fellow-worker) 
Gäcilius.  Auch  wäre  es  voreilig  zu  behaupten,  dafs  beide  notwendiger- 
weise sich  hätten  kennen  müssen.  Es  wird  dabei  nicht  bedacht,  wie  un- 
bedeutend der  Bücherumsatz  im  Altertum  gewesen  sein  mag,  desgleichen 
die  Kostspieligkeit  und  Mühe  der  Vervielfältigung,  und  wie  zahlreiche, 


396  Neue  Philologische  Bnndschaa  Nr.  17. 

verschiedene  und  dabei  zeitlich  und  örtlich  weit  auseinanderliegende 
Bhetorenschulen  es  gab.  Aus  diesen  und  anderen  Gründen  dürfen  wir 
nur  mit  Mirstrauen  auf  Schlüsse  hinblicken,  die  auf  solche  Art  die  Not- 
wendigkeit erhärten  wellen,  die  Schrift  de  elocutione  müsse  später  er- 
schienen sein  als  die  Werke  des  Dionysius  von  Halikarnafs.  (Der  höchste  Orad 
dieses  Mifstrauens  drückt  sich  vermutlich  in  des  Herausgebers  höflichem 
Schweigen  aus,  das  er  im  Laufe  der  ganzen  Untersuchung  gegenüber  der 
in  den  Noten  erwähnten,  auf  eine  sehr  späte  Abfassungszeit  [die  Zeit  der 
Antonine!]  deutenden  Konjektur  Ghrists  zu  §  149  beobachtet).  Nunmehr 
wendet  sich  der  innere  Beweis  den  sprachlichen  Erscheinungen  zu.  Schon 
das  Titelwort  eQfirpfeia  scheint  auf  eine  beträchtlich  spätere  Zeit  als  die 
Aristoteles'  und  Theophrasts  schliefsen  zu  lassen,  da  diese  beiden  für  Stil 
le^ig  gebrauchen,  während  eQf4rjveia  bei  Aristoteles  mehr  ein  logischer 
und  grammatikalischer  als  ein  literarischer  Terminus  ist.  In  gleichem 
MaTse  bezeichnend  ist  ein  so  sorgfältig  herausgearbeiteter  Kunstausdruck 
wie  ^ij^oxcnco^ijA/a,  der  sicherlich  einer  vorgeschrittenen  Stufe  im  Studium 
des  Stils  angehört.  Der  Ausdruck  war  nach  des  Verf.  eigenem  Zeugnisse 
in  seinen  Tagen  eine  neue  Erfindung,  ebenso  das  einfache  Kompositum 
yiayt6^rilog.  Ein  anderes  §  38  ausdrücklich  als  solches  bezeichnetes  Novum 
ist  der  an  die  Stelle  von  ^^aXonqem^q  getretene  rhetorische  Ausdruck 
löyioq.  Die  noch  weiter  folgenden  sprachlichen  Beobachtungen  sind 
gröfstenteils  schon  von  anderen  veröffentlicht  worden,  treten  indes  als  die 
Frucht  eigener  Forschung  entgegen,  da  aufser  Schmidts  Abhandlung  über 
den  Dual  keine  Quellenangabe  erfolgt,  nicht  einmal  bei  den  beiden  Par- 
tizipialadverbien  hxv^avdrcwg  und  Xekvi^hwg  der  Name  Dahls  zitiert 
wird  und  auch  der  von  letzteren  angeführte,  sonst  nirgends  nachgewiesene 
Adverbialausdruck  (hg  rd  nUov  nicht  angemerkt  ist.  Unter  den  Sna^ 
elQtifiiva  wird  ebenso  wie  von  Beheim-Schwarzbach  an  erster  Stelle  ado- 
Xeax^sQog  angeführt.  Schon  diesem  gegenüber  hat  Dahl  darauf  hin- 
gewiesen, dafs  dies  insofern  bedenklich  erscheint,  als  wir  ja  bei  Plut.  den 
Superlativ  ädoleax6Tcn;og  lesen.  Überhaupt  bleibt  der  Wert  der  Arbeit 
Dahls  neben  den  Beobachtungen  Boberts  ungeschmälert.  Bekanntlich  haben 
manche  Gelehrte  auf  das  Fehlen  rhetorischer  Kunstausdrücke,  besonders 
von  TQÖTtog  im  Sinne  von  „Tropus,  figürlicher  Ausdruck''  einen  Schluls 
auf  die  Zeit  zu  gründen  gesucht  und  geltend  gemacht,  dafs,  insofern  Cicero 
(Brut.  17,  6)  den  Ausdruck  anwendet  und  derselbe  wahrscheinlich  schon 
ziemlich  lange  vorher  im  Schwünge  gewesen  sei,  die  Schrift  in  einer  ver- 


Nene  Philologisohe  Bondschan  Nr.  17.  897 

gleichsweise  frflheren  Zeit  verfabt  sein  mflfste.  Darauf  entgegnet  Ro- 
berts kurz:  It  is  nnsafe  to  infer  ignorance  from  silence,  ganz  abgesehen 
davon,  dafs  §  120  das  Wort  sogar  möglicherweise  in  diesem  Sinne  ge- 
braucht ist  Ein  Bflckblick  auf  diese  innere  Begründung  auf  Onind  des 
Hauptinhalts  und  der  Sprache  fBhrt  dann  zu  dem  Wahrscheinlicbkeits- 
schlusse,  dafs  die  Schrift  in  der  Form,  in  welcher  wir  sie  haben  (auf  diesen 
beschränkenden  Zusatz  legt  Roberts  stets  starken  Nachdruck;  der  Grund 
dafBr,  von  ihm  S.  59^  angedeutet,  wird  bei  der  äufseren  Begrfindung  klar 
ersichtlich),  nicht  der  Zeit  des  Phalereers  angehört,  sondern  entweder  dem 
1.  Jahrb.  v.  Chr.  oder  dem  l.  Jahrb.  n.  Chr.  Der  rhetorische  Standpunkt 
weist  auf  die  griechisch-römische  Periode  früher  als  Hermogenes  und 
(möglicherweise)  später  als  Dionysius.  Die  Sprache  ist  ebenfalls  nach- 
klassisch, aber  nicht  so  unmittelbar  nachklassisch  (paulo-post-classical)  wie 
bei  Demetrius  Phalereus.    („The  Atticism  is  but  the  veneer.'') 

Der  äufsere  Beweis  zieht  die  in  anderen  Schriften  vorkommenden 
Anspielungen  auf  vorliegende  in  Betracht  und  lä&t  sich  Aber  den  Wert 
des  handschriftl.  Titels  aus.  Was  die  sogen.  Anspielungen  anlangt,  so 
sind  dieselben  zweifelhaft,  wenn  frühzeitig,  und  spät,  wenn  gut  beglaubigt. 
Ersteres  gilt  von  dem  frühesten  hierher  gehörigen  Schriftsteller,  Philo- 
demus.  Ist  es  schon  an  sich  unwahrscheinlich,  dafs  er  in  der  betreffenden 
Stelle  seiner  Rhetorik  (lY,  16)  den  §  303  unserer  Schrift  im  Auge  hat, 
so  dürfen  aufserdem  drei  weitere  umstände  nicht  übersehen  werden,  erst- 
lich, daß;  er  von  Demetrius  ohne  irgend  welchen  Zusatz  spricht,  sodann, 
dafs  Cicero,  der  Zeitgenosse  des  Philodemus,  zwar  oft  auf  Demetrius  Pha- 
lereus sich  bezieht,  aber  keine  Kenntnis  dieser  Schrift  verrät,  drittens,  dafs 
Diog.  Laert.  in  der  langen  Liste,  die  er  von  den  Werken  des  Phalereers 
gibt,  diese  Schrift  nicht  erwähnt.  Anderseits  scheint  Ammonius  (500 
n.  Chr.)  in  seinem  Kommentar  der  Aristotelischen  Schrift  negi  ^E^^ifivüag 
die  unsere  zu  erwähnen;  aber  auch  bei  ihm  entbehrt  der  Name  des  De- 
metrius, dem  er  sie  zuschreibt,  jedes  näheren  Beisatzes.  So  bleibt  also 
nur  aus  späterer  Zeit  das  Zeugnis  des  Theophylakt,  Erzbischofs  von  Bul- 
garien (11.  Jahrb.),  und  eines  Scholiasten  zu  Tzetzes,  der  selbst  dem 
12.  Jahrb.  angehört.  Denn  der  Scholiast  zu  Hermogenes  nimmt  zwar 
oft  Bezug  auf  die  Schrift  de  elocutione,  aber  ohne  jede  Folgerung  be- 
treff des  Namens  und  der  Zeit  des  Verfassers,  aufser  dafs  er  ihn  unter 
oi  äqxaloi  oder  oi  naXatoi  einreiht,  eine  Bezeichnung,  die  bei  by- 
zantinischen Schriftstellern  nicht  notwendig   auf  die   klassische   Periode 


398  Neue  Philologisohe  Bnndsohaa  Nr.  17. 

hinweist,  da  spätere  Schriftsteller  wie  Apsines  und  Hermogenes  selbst  so 
bezeichnet  werden;  und  die  Scholiasten  zu  Hermogenes  gehören  fast  aus- 
nahmslos byzantinischer  Zeit  an.  Der  beste  anter  ihnen,  Gregor,  Metro- 
polit von  Eorinth,  lebte  nicht  vor  dem  12.  Jahrh.  Besondere  Erwähnung 
verdient  eine  Stelle  ans  des  Syrianus  Prolegomena  zu  Hermogenes  „De 
Ideis'^  (4.  Jahrb.),  insofern  in  derselben  trotz  Abweichungen  in  den  Ter- 
mini von  Dionys  von  Halikarnafs  und  dem  Verf.  nnserer  Schrift  die  Bede 
ist.  Aus  ihr  ergibt  sich,  dafs  letzterer  für  beträchtlich  später  galt  als 
ersterer,  und  dafs  in  der  Zeit  zwischen  dem  Wirken  dieser  beiden  Männer 
noch  ein  gewisser  Hipparchus  in  der  Entwickelung  der  griechischen  Lehre 
vom  Prosastil  eine  Bolle  gespielt  hatte.  Diesen  Zeugnissen  gegenfiber 
mifst  nun  Boberts  dem  Titel,  den  eine  so  ausgezeichnete  Handschr.  wie 
P.  1741  bietet,  eine  hervorragende  Bedeutung  bei;  diese  Überschrift 
mässe,  zumal  sie  möglicherweise  älter  sei  als  einige  von  jenen,  sehr  sorg- 
fältig bewertet  werden.  Zugleich  macht  er  jedoch  darauf  aufmerksam, 
dafs  auch  betreffs  der  Überschriften,  welche  das  Manuskript  anderen  in 
ihm  enthaltenen  Werken  gibt,  beträchtliche  Zweifel  obwalten,  was  an 
zwei  Beispielen  gezeigt  wird.  Bei  unserer  Schrift  kommt  die  weitere 
Tatsache  hinzu,  dafs  es  zu  Ende  derselben  heifst  JrujiinTqiov  7teql  e^f^ri- 
velag,  was  die  Vermutung,  der  Zusatz  OaXyiQewg  in  der  Überschrift  be- 
ruhe auf  Konjektur,  wofür  Boberts  selbst  bestechende  Wahrscheinlichkeits- 
gründe beibringt,  nur  bestärken  könne.  Es  kann  aber  auch  sein,  dafs  das 
Buch  entweder  ursprünglich  anonym  erschien  oder  durch  irgend  einen 
Zufall  im  Verlaufe  seiner  Geschichte  seinen  Titel  verlor,  und  dafs  „De- 
metrius'^  eine  blofse  Konjektur  ist,  bestimmt,  einen  leeren  Baum  auszu- 
füllen. Wenn  dies  der  Fall  ist,  dann  ist  zweifellos  der  Phalereer  sowohl 
in  der  Überschrift  als  in  der  kürzeren  Unterschrift  gemeint.  Wenn  aber 
Demetrius  (ohne  Beisatz)  wirklich  der  ursprüngliche  Titel  ist,  dann  könnte 
unter  Annahme  anderer  Qrüude  für  den  wahrscheinlichen  Zeitpunkt  des 
Entstehens  der  Schrift  nahezu  aus  jedem  Jahrhundert  ein  Anspruchs- 
berechtigter (claimant)  dieses  so  allgemeinen  Namens  gefolgert  werden. 
Vor  Erwähnung  einiger  Konjekturen  auf  dieser  Grundlage  müssen  wir  zu- 
erst Stellung  zu  der  Hypothese  nehmen,  als  ob  Dionys  von  Halikarnafs 
der  Autor  sei,  die  einzige  positive  Vermutung,  die  neben  den  Namen 
Demetrius  oder  Demetrius  Phalereus  herläuft.  Valesius  (Heinrich  von  Va- 
lois)  war  der  erste,  der  die  Schrift  dem  Dionysius  von  Halikarnafs  zu- 
schrieb, und  zwar  auf  Grund  eines  Scholion  zu  V.  401  der  Wolken  des 


Nene  Philologische  Bnndschaa  Nr.  17.  399 

Aristophanes,  in  dem  die  Bezagnahme  auf  §  150  unserer  Schrift  klar  ist. 
Aber  das  Scholion  ist  wahrscheinlich  nicht  älter  als  Musurus  (15.  Jahrh.) 
und  erklärt  sich  einfach  als  ein  Gedächtnisfehler ;  und  selbst  wenn  es  älter 
wäre,  mangelt  es  derart  an  jeder  Bestätigung  gemeinsamen  Stils  oder 
irgend  eines  anderen  Betreffs  (quarter),  dafs  die  Zuteilung  dieser  Schrift  ebenso 
klassifiziert  werden  müfste  wie  die  ähnliche  der  ars  rhetorica  und  de  subli- 
mitate  an  einen  so  erhabenen  und  umfangreichen  Schriftsteller  fiber 
Rhetorik,  als  welcher  Dionysius  betrachtet  wurde.  Wenn  daher  irgend 
ein  spezieller  Name  mit  der  Abhandlung  verknüpft  werden  kann,  mufs  es 
der  irgend  eines  anderen  Demetrins  sein  als  des  Phalereers.  Aber  De- 
metrius  ist  ein  sehr  allgememeiner  Name  (in  den  grofsen  klassischen 
Wörterbüchern  sind  einige  130  Personen  dieses  Namens  der  Erwähnung 
gewürdigt),  sodafs  in  verschiedenen  Zeiten  mehrere  Demetrius  als  mög- 
liche Verfasser  gefolgert  worden  sind.  Zunächst  holte  Muret  einen  alexan- 
drinischen  Sophisten  Demetrius  von  ungewisser  Zeit  hervor,  nach  Diog. 
Laert.  Verfasser  von  r^at  ^oqiTLaL  Eine  andere  Annahme  geht  dahin, 
der  Autor  möge  Demetrius  von  Pergamus,  ein  sonst  unbekannter  Bhetor 
oder  Philosoph  gewesen  sein,  den  man  um  das  Jahr  100  v.  Ohr.  ansetzt, 
wieder  eine  andere  bezieht  sich  auf  den  Syrer  Demetrius,  dessen  rhetori- 
schen üntericht  Cicero  im  Jahre  78  v.  Chr.  zu  Athen  genofs.  Folgerungen 
wie  diese  können  nur  dazu  dienen,  zu  zeigen,  wie  weit  entfernt  von  einem 
sicheren  Schlüsse  man  noch  ist.  Aber  mangels  zureichender  Beweise  ist 
ein  vorsichtiger  Standpunkt  das  einzig  Richtige.  Bei  dem  jetzigen  Stand 
der  Sache  berechtigt  der  Beweisgang  betreffs  Verfasser  und  Zeit  der  Schrift 
schwerlich  zu  irgend  welchen  präziseren  Schlüssen  als  folgenden:  1)  Sie 
ist  in  ihrer  gegenwärtigen  Form  nicht  das  Werk  des  Phalereers,  wie 
grofs  auch  immer  das  Gewicht  der  Überlieferung  zu  Gunsten  dieses  Ge- 
sichtspunktes sein  mag.  2)  Sie  gehört  wahrscheinlich  entweder  dem 
1.  Jahrh.  v.  Chr.  oder  dem  l.  Jahrh.  n.  Chr.  an;  letztgenannter  Zeitraum 
ist  im  ganzen  der  wahrscheinlichere.  3)  Ihr  Verfasser  kann  den  Namen 
Demetrius  getragen  haben. 

Der  textkritische  und  literarische  Apparat,  der  gerade  in  der  knappen 
FassuQg  seiner  Angaben  den  scharfen  Blick  erkennen  läfst,  mit  dem  der 
Herausg.  das,  worauf  es  wesentlich  ankommt,  plastisch  herauszuheben 
weifs,  ist  in  allen  Teilen  des  Buches  gleich  musterhaft  zu  nennen  und 
dürfte  des  lebhaftesten  Beifalls  aller,  die  sich  dafür  näher  interessieren,  sicher 
sein.     Ebenso  uneingeschränktes  Lob  verdient  der  peinlich  saubere  Druck; 


400  Nene  Philologische  Bnndsohaii  Nr.  17. 

einzig  S.  56  Z.  20  avli^Qia  fiUschlich  paroxytoniert.  Im  Namenregister 
habe  ich  allerdings  den  einen  oder  andern  der  vorkommenden  Eigennamen 
vermifst;  da  aber  nur  solche  von  g&nzlich  untergeordneter  Bedeutung 
dabei  in  Frage  kommen,  so  beruht  ihre  Weglassung  vermutlich  auf  Ab- 
sicht. Wenn  daher  die  Engländer  diese  Ausgabe  mit  stolzer  Bewunderung 
feiern,  so  brauchen  sie  nicht  zu  heucheln;  sie  sind  wirklich  darum  zu 
beneiden,  und  so  kann  ich  zum  Schlüsse  nur  der  Hoffnung  und  dem 
Wunsche  Ausdruck  geben,  es  mOge,  nachdem  jetzt  Italiener,  Franzosen 
und  Briten  einer  Übersetzung  dieses  Werkes  in  ihrer  Muttersprache  sich 
erfreuen,  nicht  mehr  gar  zu  lange  anstehen,  bis  auch  uns  Deutschen  eine 
solche  beschert  wird. 

Miknchen.  Ph.  Weber. 

2 1 6)  JameB  Oow,  Cl.  Horati  Flaoci  satiiraram  über  I  edited 
with  introdaction  and  notes.  Cambridge  University  Press  (London, 
J.  G.  Glay  &  Sons;  Leipzig  F.  A.  Brockhaus)  1901.  XXVIIl  u. 
120  S.  8.  Ji  2.50. 

Das  erste  Satirenbuch  gehört  zur  Pitt  press  series,  einer  Sammlung 
von  griechischen,  lateinischen,  deutschen,  französischen  und  englischen 
Schulschriftstellem,  für  die  6ow  auch  Horaz'  Oden  und  Epoden  bearbeitet 
hat.  Die  Einleitung  bespricht  zuerst  das  Leben  desHoraz  (S.  ix. — ^xvi), 
weiter  die  Satire  bis  auf  Juvenal  (S.  xvii— xix),  endlich  Zeitfolge 
(S.  XIX— xxi),  Personen  (S.  xxi— xxm)  und  Sprache  (S.  xxin — xxv) 
der  Horazischeu  Satiren.  Eine  Übersicht  über  die  Handschriftenklassen 
und  die  Schollen  (S.  xxvi— xxvm)  leitet  zum  Text  (S.  1—36)  über.  Es 
folgen  die  sehr  ausführlichen  Anmerkungen  (S.  37 — 116).  Den  Schlufe 
bildet  ein  knappes  Sprach-  und  Sachverzeichnis.  Durchweg  gibt 
G.  die  Belegstellen.  Er  schöpft  hierbei  aus  den  besten  Quellen,  in  den 
Anmerkungen  hauptsächlich  aus  den  deutschen  Ausgaben  von  Orelli 
(—  Mewes  1892),  Schütz  und  Eiefsling  und  d^r  englischen  von  Palmer 
(1888).  Bei  den  Lesarten  unter  dem  Text  berücksichtigt  G.  fast  nur 
seine  Landsleute,  vor  allem  Bentley,  dann  von  Neueren  aufser  Palmer 
besonders  Housman  (Joum.  of  philol.  XVIII)  und  Postgate  (Glassical 
review,  Juli  1901).  Des  letzteren  Konjekturen  sind  eigens  für  Gows  Aus- 
gabe erdacht.  Die  textkritischen  Bemerkungen  haben  wie  das  ganze 
Büchlein  belehrenden  Wert  für  angehende  Philologen  (z.  B.  die  über  die 
ünechtheit  von  10,  1—8  oder  die  über  non  vereor,  ut  3,  120).    Wissen- 


Neoe  Fhilologisohe  Bnactechan  Nr.  17.  401 

schafUiche  BAdeatung  haben  sie  nicht,  das  Richtige  in  ihnen  ist  meist 
bekannt,  das  Neue  ist  durchweg  unnötig  oder  geradezu  falsch.  Richtig 
ist  Housmans  Interpunktion  4,  102  (invidiam)  procnl  afore  chartis  atque 
animo,  prius  ut,  (=  nt  prius  fuit)  .  .  .  promitto,  annehmbar  Oows 
eigne  Änderung  (4,  139)  haec  . . .  mecum  .  .  .  agito  .  .  .  haec  ludo 
(statt  illudo)  chartis.  Bemerkenswerter  sind  einige  neue  Gedanken 
in  den  Vorbemerkungen.  Zwar  ist  es  verkehrt  Horazens  Vater  zum 
Griechen  zu  machen,  weil  der  Sohn  frühzeitig  griechisch  schrieb 
(S.  ix).  Oow  fuhrt  ja,  auch  selbst  die  wahrscheinlichere  Vermutung 
Sonnenscheins  (Class.  rev.  1897  p.  339)  an,  der  alte  Flaccus  („Schlapp- 
ohr"^) sei  ein  Samnite  gewesen  (Sabellus  nennt  sich  Horaz  epist.  I,  16,  48), 
der  durch  den  Bundesgenossenkrieg  Sklave  der  Militärkolonie  Venusia  ge- 
worden, aber  nach  der  Verleihung  des  Bfirgerrechts  an  alle  Italiker  frei- 
gelassen und  nach  der  tribus  Horatia,  zu  der  Venusia  gehörte  Horatius 
genannt  worden  sei  (8.  x).  Dafs  Horaz  aus  Armut  Gedichte  verfafst 
hat,  erklärt  Gow  ansprechend  durch  die  Vermutung,  er  sei  nach  Philippi 
mit  seiner  streitbaren  Muse  (Epoden  und  Satiren)  in  den  Dienst  der 
politischen  Fronde  (Asinius  Pollio,  vgl.  carm.  II,  1)  getreten.  Aus  epod. 
1  und  9  wird  zuweitgehend  gefolgert,  Horaz  habe  in  Mäcens  Gefolge  der 
Seeschlacht  bei  Aktium  als  Augenzeuge  beigewohnt  (S.  xni).  Richtiger 
ist  die  Beobachtung,  das  Zurücktreten  Mäcens  im  vierten  Oden-  und 
im  zweiten  Epistelnbuche  hänge  mit  dem  Zwist  zwischen  Augustus  und 
Mäcen  wegen  der  Terentia  zusammen  (S.  xy).  Den  Widerspruch  Quintilians 
(X,  1,  93  satira  tota  nosba  est)  mit  Horaz'  Angabe  (sat.  I,  4,  6),  die 
Grundlage  der  römischen  Satire  sei  die  alte  attische  Komödie,  erkärt  H. 
richtig  dahin,  Lucilius  habe  Sprache  und  Eunstform  der  italischen  Dichtung 
entnommen,  während  er  fßr  die  persönliche  Gehässigkeit  in  der  Behand- 
lung der  zeitgenössischen  Politik  in  Aristophanes  sein  Vorbild  gefunden 
habe  (S.  xvu).  Dafs  die  verletzende  politische  Dichtung  dem  Dichter 
selbst  später  unbequem  war,  ist  bekannt  genug.  Sehr  fein  aber  ist  der 
Hinweis  Gows  (S.  xvm),  er  habe  das,  was  in  den  Dichtungen  selbst  satirae 
heifst  (sai  II,  l,  6.  17),  wegen  des  anrüchigen  Nebensinnes  später 
beschönigend  „Gespräche"'  (sermones  epist.  I,  4,  1.  II,  1,  250.  2,  60) 
genannt  (S.  xvm).  In  dem  Abschnitt  über  die  Zeitfolge  der  Satiren 
weist  G.  (S.  XX)  darauf  hin,  dafs  wohl  spätere  Gedichte  auf  frühere  an- 
spielen (sai  I,  10  auf  I,  4,  dieses  auf  I,  2),  nicht  aber  frühere  auf  spätere. 
Er  folgert  aber  hieraus  mit  Recht  nur  ganz  im  allgemeinen  eine  zeitliche 


402  Neae  Philologische  Bandsohan  Nr.  17. 


ÄDordnuDg  der  Oedichte.  Als  das  älteste  der  erhalteDen  Oedichte  über- 
haupt bezeichnet  auch  G.  (3.  zn)  den  Becbtstreit  vor  Prätor  Brutus  in 
Elazomenä  i.  J.  43  (sat.  I,  7).  Hinsichtlich  der  Träger  der  Handlungen 
in  den  Satiren  behauptet  0.  mit  Recht,  Horaz  habe  nach  des  Lucilius 
Vorgang  Zeitgenossen  mit  ihren  wirklichen  Namen  eingeführt.  Versteck- 
namen  (Ganidia  ffir  Gratidia),  Gattungsbezeichnungen  (Avidienus  von  avere) 
und  unmittelbar  ans  Lucilius  übernommene  Namen  (Pacideianus)  seien 
Ausnahmen  (S.  xxn).  In  dem  Abschnitt  über  die  Sprache  der  Satiren  wird 
besonders  der  der  Umgangssprache  entnommene  Wortschatz,  weniger  die 
Dichterspracbe  behandelt.  Der  Verstechnik  sind  nur  wenige,  aber  richtige 
Bemerkungen  gewidmet  (S.  xxy).  Überhaupt  ist  die  Darstellung  auch 
in  den  Anmerkungen  knapp  und  gehaltvoll.  Als  fleifsige  und  verständnis- 
volle Arbeit  verdient  Gows  erstes  Satirenbuch  alles  Lob.  Für  das  eng- 
lische Sprachgebiet  wünschen  wir  ihm  weiteste  Verbreitung.  In  Deutsch- 
land freilich  wird  es  ihm  bei  der  Überfülle  auch  an  tüchtigen  Horaz- 
arbeiten  schwer  halten,  sich  einen  Leserkreis  zu  erobern. 

Cöln.  Angasi  Chambaln. 

216)  Hammelrath  und  Stephan,  ÜbungsstUcke  zum  Über* 
setzen  ins  Lateinische  für  Sekunda  und  Prima  im  Anschlufs 
an  die  Lektüre.    Berlin,  Weidmann. 

IL  Heft:  Übungsstücke  im  Anschlufs  an  Cicero.  1900. 

80  S.   8.  Ji    l.~. 

IIL  Heft:  Übungsstücke   im   Anschlufs   an    Sallust, 

Tacitus,  Cicero.  1902.  62  S.  8.  u«-.80. 
IV.  Hefb:  Wörterverzeichnis.  1903.  45  S.  8.  .^-.60. 
Das  lateinische  ünterrichtswerk  von  Hammelrath  und  Stephan,  dessen 
erster  Teil  schon  früher  hier  besprochen  ist,  liegt  nunmehr  vollständig 
vor.  Das  IL  Heft  enthält  Stücke  im  Anschlufs  an  vier  Beden  Giceros: 
in  Cat.  I  u.  IV  (24  -f  16),  de  imp.  (29),  pro  MiL  (14).  Die  Aufgaben 
des  UL  Heftes  beziehen  sich  auf  Sallust  Cat.  u.  Jug.  (6  +  3) ,  Tacitus 
Agric.  (2),  Germ.  (3),  bist.  IV  (6),  ann.  I  u.  H  (13)  und  auf  Cicero  in 
Caec.  (4),  in  Verr.  IV  u.  V  (5  +  2),  Briefe  (18),  de  off.  (2). 

Besonderes  Lob  verdienen  die  Aufgaben  des  U.  Heftes.  Die  hier 
behandelten  Reden  Cäceros  werden  geschichtlich  erläutert,  übersichtlich 
gegliedert  und  kritisch  beleuchtet,  sodafs  der  Schüler  bei  Benutzung  dieses 
Übungsstoffes  nicht  nur  in  seinen  grammatischen  Kenntnissen  gefördert, 


Nene  PhilologiBohe  Bandsohan  Nr.  17.  403 


sondern  auch  in  stand  gesetzt  wird,  der  Lektflre  mit  grOfserem  Verständnis 
zu  folgen.  Weniger  bieten  in  dieser  Hinsicht  die  Stficke  des  IIL  Heftes. 
In  dem  Bestreben  vielerlei  zu  bringen  verzichten  die  Verf.  auf  eine  gründ- 
lichere Behandlung  der  einzelnen  Schriftwerke.  Am  meisten  wird  man 
bedauern,  dafs  die  Germania  und  der  Agricola  keine  eingehendere  Berück- 
sichtigung finden. 

Im  übrigen  kann  man  das  Verfahren  der  Verf.  nur  billigen.  Die 
Übungsstücke  sind  in  bezug  auf  den  Wortschatz  eng  an  die  Schriftstellen 
angelehnt,  dagegen  in  Gedankengang,  Satzbau  und  Konstruktion  so  frei 
gestaltet,  dafs  dem  Schüler  ausreichende  Gelegenheit  zu  selbständig«*  Denk- 
arbeit bleibt.  Auf  ein  gutes  und  klares  Deutsch  ist  überall  Bedacht 
genoDunen,  dabei  aber  der  Ausdruck  so  gewählt,  dafs  ohne  erhebliche 
Schwierigkeiten  eine  Obersetzung  von  echt  lateinischer  Färbung  geliefert 
werden  kann.  Hierbei  vermisse  ich  nur  in  manchen  Punkten  ein  metho- 
disches Fortschreiten  vom  Leichteren  zum  Schwereren.  Die  Aufgaben  im 
Anschluls  an  Tacitus  ann.  z.  B.  scheinen  mir  nicht  höhere  Anforderungen 
an  den  Schüler  zu  stellen  als  die  über  Cicero  de  imp.,  während  die  einen  für 
den  Untersekundaner,  die  anderen  für  den  Oberprimaner  bestimmt  sind. 
Das  Wörterverzeichnis  ist  alphabetisch  geordnet  und  soll  vor  allem  den 
Schüler  in  stand  setzen  auch  diejenigen  Stücke  zu  übersetzen,  die  der 
Elassenlektüre  nicht  entsprechen,  damit  eine  volle  Ausnutzung  des  Über- 
setzungsstofifes  möglich  wird.  Da  aber  die  Phrasen  und  Vokabeln,  die 
in  dem  Verzeichnis  angegeben  werden,  sich  vielfach  nur  zur  Verwen- 
dung in  einem  bestimmten  Zusammenhange  eignen  und  keine  allgemeine 
Gültigkeit  beanspruchen  können,  so  wäre  es  ratsamer  gewesen,  sie  zu  den 
einzelnen  Stücken,  in  denen  sie  gebraucht  werden,  zusammenzustellen. 
Bei  der  gewählten  alphabetischen  Ordnung  werden  schwere  Mifsgriffe 
seitens  des  Schülers  kaum  ausbleiben.  Es  mufs  ihn  geradezu  irreführen, 
wenn  er  in  dem  Verzeichnisse  ohne  jede  Erklärung  findet:  „beherrschjen 
imminere'S  „Weinen  vagitus^',  „Heerhaufen  cuneus 'S  „zufrieden  sein  satis 
habere 'S  „verschönem  celebrare'S  „betroffen  werden  von  etwas  sentire 
aliquid''  etc.  Auch  könnte  der  Grundsatz,  den  der  Verf.  im  Vorworte 
des  Wörterverzeichnisses  aufstellt,  alles,  was  der  Schüler  durch  Nachdenken 
selbst  finden  kann,  fortzulassen ,  noch  strenger  befolgt  sein.  Für  Wendungen 
wie  „Lagergassen,  plattes  Land,  Vergewaltigung,  sich  mit  Friedensabsichten 
tragen,  Brückenkopf"  braucht  kein  Oberprimaner  die  Hilfe  eines  Lexikons. 

Potsdam.  E.  Krause. 


404  Nene  Philologisohe  Bondsohaa  Nr.  17. 

2  t  7)  O.  Dubray,  Le  Boman  des  Mots.  Yienne,  Gerold  &  Co. 
(ohne  Jahr)  [1903].     63  S.  8. 

Eine  philologische  Plauderei,  der  ein  Vergleich  zwischen  dem  Werdegang 
und  der  Natur  französischer  Wörter  mit  menschlichen  Verhältnissen  zu 
Grunde  liegt. 

Zur  Charakterisierung  des  „Geistes",  der  in  dieser  „Fantasie'*  herrscht, 
diene  folgende  Auswahl: 

„Mots  qui  se  sont  rnari^":  en  chair  et  en  os,  bei  et  bien.  Mots 
„orphelius'':  struire  ou  ^truire  (du  latin  struere)  n*a  jamais  exist^.  Gela 
ne  Ta  pas  emp^h^  d*avoir  beaucoup  d'enfants:  Gonstruire,  d^truire  etc. 
G'est  admirable.  Les  amput^:  uneauto;  un  v^lo.  Lesexil^:  rfel,  solide, 
C!oup6,  patron  etc.  Que  sont-ils  devenus  en  passant  la  fronti^re?  fi^las! 
toujours  quelque  chose  de  nous  s'alt^re  en  pays  ^tranger.  Les  Poseurs; 
ceux  qui  se  fönt  „blanchir''  en  Angleterre  ex.  tonnelle:  tunnel,  r^le: 
rail'*  u.  s.  w.  Manches  recht  hfibsch,  das  meiste  forciert  geistreich. 
Mit  einem  teilweise  recht  grofsen  Fragezeichen  sind  folgende  Ableitungen 
zu  versehen:  portrait  aus  trait  pour  trait,  dict^e  aus  une  page  dict^e; 
engl,  poney  aus  pufn^,  sowie  die  Erklärnng  yon  lasse  in  de  guerre  lasse 
als  Attraktion  durch  guerre,  wo  doch  die  ehemalige,  auch  in  h^las  er- 
haltene Aussprache  des  s  eine  viel  natürlichere  Deutung  bietet. 

Den  interessantesten  Teil  des  Büchleins  bilden  die  Ausblicke,  welche 
der  französische  Verfasser,  auch  im  Anhang:  M^langes,  in  den  gegen- 
wärtigen Sprachgebrauch  in  bezug  auf  einige  Konstruktionen  tun  läfst. 
Er  bestätigt  eine  auch  von  Prof.  MorfiT  gemachte  Beobachtung,  wenn  er 
z.  B.  sagt:  „se  rappeler  de''  n'a  presque  plus  Tair  d'une  faute,  oder: 
La  grammaire  recommande  obstin^ment:  je  m'en  suis  all^,  et  le  public 
se  plaitä  dire,  non  moins  obstin^ment:  Je  me  suis  en  all6!  Der  Verf.  führt 
sogar  ein  Beispiel  aus  V.  Hugo,  Gontemplations,  an:  Ils  se  sont  en  alias. 
Von  der  Richtigkeit  dieser  Bemerkungen  habe  ich  mich  während  meines 
letzten  Studienaufenthaltes  in  Lyon  überzeugen  können;  je  m'en  rappelle 
hört  man  von  ganz  Gebildeten.  Von  der  Feststellung  und  Berücksichti- 
gung bis  zur  ausschliefslichen  unterrichtlichen  Verwendung  dieser  von 
Grammatik  und  Akademie  noch  nicht  gutgeheifsenen  Fornien  ist  nun  aber 
ein  Schritt,  den  ich  wenigstens  nicht  zu  tun  wage. 

Flensburg.  Karl  Engolke. 


Nene  Phflologieche  Rondschaa  Nr.  17.  405 


218)  Bastiaan  Tan  Dam  and  Com.  Stoffel,  Chaptera  on 
•Epgliaii  Frinting,  Prosody,  and  Pronunciation  (1550  bis 
1700).  (=  Anglistiflche  Forschungen,  herausgegeben  von 
J.  Hoops,  Heft  9.)  Heidelberg,  Carl  Winters  üniversitätsbnch- 
handlnng,  1902.     207  S.  8.  Ji  r«.~. 

Dieselben  beiden  Gelehrten,  die  sich  erst  kürzlich  zu  einem  sehr 
beachtenswerten  Buche,  WiUiam  Shakespeare,  Prosody  and  Text,  Leyden 
1900,  vereinigt  hatten  (vgl.  Shakespeare- Jahrbuch  38,  S.  242  ff),  legen  in 
dem  oben  genannten  Heft  drei  weitere  gemeinschaftliche  Arbeiten  vor. 
Die  erste  heilst  High-handed  Ways  of  EUeabethm  and  Jacobean  Printers 
(S.  1 — 48).  Sie  handelt,  ausgehend  von  den  wohlbekannten  sogenannten 
Baubausgaben,  in  denen  uns  Stücke  Shakespeares  und  seiner  Zeitgenossen 
überliefert  sind,  über  die  mannigfachen  eigenmächtigen  und  willkürlichen 
Yerftnderungen ,  die  sich  zu  damaliger  Zeit  englische  Drucker  mit  den 
Werken  ihrer  Autoren  erlaubten.  Man  weifs  zwar  bereits  recht  gut,  dafs 
diese  mitunter  recht  bedeutend  waren,  aber  in  wie  hohem  Qrade  das  der 
Fall  ist,  das  zeigen  erst  an  einer  Menge  von  Beispielen  und  zeitgenössischen, 
bisher  kaum  beachteten  Zeugnissen  unsere  Verfasser.  Es  ist  das  geradezu 
feststehender  Brauch,  der  seinen  bezeichnenden  Ausdruck  darin  findet,  dafs 
der  Verleger  die  Urschrift  seines  Autors  nicht  anders  als  uncorrected 
copy  nennt  und  dafs  neue  Abdrücke  in  der  Begel  die  Bezeichnung  newly 
corrected  fahren,  wobei  natürlich  die  Besserungen  nicht  vom  Autor,  sondern 
vom  Drucker  stammen;  auch  wird  der  Nachweis  gefQhrt,  dafs  die  Autoren 
beim  Druck  ihrer  Werke  kaum  etwas  zu  sagen  hatten,  ja  dafs  sie  nicht 
einmal  eine  Korrektur  zu  lesen  bekamen.  Bemerkenswert  ist  übrigens, 
dafs  auch  schon  in  dieser  Arbeit  mehrere  Fragen  über  die  damalige  Aus- 
sprache des  Englischen  gestreift  werden.  —  Die  zweite  Arbeit  behandelt 
The  Dogma  of  the  „Extra  SyUables'^  in  the  Heroic  and  Blank  -verse 
Line  (XVI.  and  XVII.  Century)  (S.  49—113)  und  wendet  sich  in 
zum  Teil  scharfen  Ausführungen  gegen  die  bisher  in  der  metrischen 
Forschung  als  selbstverständlich  geltende  Ansicht,  dafs  in  der  ge- 
nannten Zeit  überzählige  Silben,  mehrsilbige  Senkungen  u.  dergl. 
nicht  ganz  seltene  Eigentümlichkeiten  seien.  Die  Verfasser  treten  dem 
sehr  entschieden  entgegen  und  wissen  ihre  gegenteilige  Meinung  mit  treff- 
lichen Gründen  und  Beweisen  zu  stützen,  indem  sie  darlegen,  dals  sich 
fast  in  allen  Fällen,  die  sorgsam  und  in  grofser  Zahl  durchgeprüft  werden, 
die  vermeintliche,  von  modernen  Gelehrten  angenommene  Überzfthligkeit 


i06  Neue  Philologiaohe  Boodschaa  Nr.  17. 


gewisser  Silben  leicht  und  zwanglos  durch  die  von  der  jetzigen  verschiedene 
alte  Aussprache  des  Englischen  beseitigen  lädt.  Mit  grofser  Belesenheit 
werden  alle  möglichen  Zeugnisse  von  Phonetikern,  Grammatikem  und 
Dichtem  herangezogen,  um  die  Bichtigkeit  der  neuen  Aufstellungen  zu 
erweisen.  —  Die  dritte  Abhandlung  endlich  An  Inquiry  mto  the  Use 
of  Syniems  in  Shakespearean  and  MiÜanic  Verse  (S.  114—206)  be- 
schäftigt sich  mit  dieser  Erscheinung,  die  ebenfalls  fflr  Aussprache  und 
Metrik  von  grofser  Wichtigkeit  ist. 

Da  es  weder  der  Gegenstand  noch  der  Ort  erlauben,  hier  auf  Einzel- 
heiten einzugehen,  so  mufsten  wir  uns  mit  diesen  kurzen  Worten  über 
das  reichhaltige  Buch  begnügen,  verfehlen  aber  nicht,  noch  ausdrücklich 
zu  betonen,  dafs  es  ähnlich  wie  das  oben  genannte  grolse  Werk  der  beiden 
Verfasser  von  hober  Bedeutung  für  die  in  Betracht  koq^menden  Gebiete 
der  Wissenschaft  ist,  dafs  es  eine  Ffille  des  Neuen  und  Anregenden 
bietet  und  volle  Beachtung  bei  allen  denen  verdient,  die  sich  mit  metrischen 
und  sprachlichen  Fragen  beschäftigen.  -is- 


219)  B.  Jordan^  Die  altenglisohen  S&ugetiere.  (=  Anglistische 
Forschungen.  Herausgegeben  von  J.  Hoopa.  Heft  12.) 
Heidelberg,  C.  Winters  üniversitätsbuchbandlung,  1903.  XH  u. 
212  S.  8.  .4  6.-. 

Jordans  Arbeit  ist  ein  fleifsiger  und  sorgfältiger  Beitrag  zu  einer 
systematischen  Durchforschung  des  altgermanischen  Sprachschatzes,  wie  sie 
schon  von  verschiedenep  Seiten  in  Angriff  genommen  worden  ist.  Der 
Verfasser  selbst  weifs  in  seinem  Vorwort  mehrere  Werke  anzuführen,  die 
in  ähnlicher  Weise  wie  er  altenglische  Pflanzen-  und  Vogelnamen,  althoch- 
deutsche Tier-  und  Pflanzennamen  behandeln,  und  in  grOfserem  Zusammen- 
hange hätte  auch  noch  auf  andere  Gebiete,  so  etwa  auf  die  Arbeit  fiber 
altenglische  Musikausdrficke ,  die  Padelford  im  vierten  Hefte  der  Bonner 
Beiträge  zur  Anglistik  (1899)  geliefert  hat,  verwiesen  werden  können. 
Der  Wert  solcher  Arbeiten  leuchtet  von  vornherein  ein.  Sie  sind,  wenn 
sie  gut  sind,  nicht  blofs  vorzflgliche  Hilfsmittel  zur  näheren  Erkenntnis 
des  Woilischatzes  und  der  Sprachgeschichte,  sondern  sie  ermöglichen  oft 
auch  wertvolle  kulturgeschichtliche  Ausblicke.  Jordan  bringt  zunächst 
eine  Übersicht  fiber  die  stattliche  Zahl  der  von  ihm  ausgeschöpften  Quellen, 
dann  fiber  die  sonst  von  ihm  benutzten  Hilfsmittel  und  handelt  dann  in 
der  Einleitung  im  allgemeinen  fiber  Alter  und  Heimat  der  in  Betracht 


Neue  Philologiflche  Bundsohaa  Nr.  17.  407 


kommenden  Tiemamen,  die  zum  Teil  Erbgut  ans  der  indogermanischen 
Urzeit  sind;  andere  sind  nur  ureuropäisch,  nordeuropäiscb,  westgermanisch, 
manche  gehören  auch  blofs  englischen  Dialekten  an.  Neben  den  heimischen 
Namen  begegnen  dann  auch  zahlreiche  Fremd-  und  Lehnwörter  aus  dem 
Lateinischen,  Keltisch- Britannischen,  dem  Nordischen  und  Französischen. 
Auch  fiber  die  Oeschlechtsunterscheidungen,  Zusammensetzungen,  die  Be- 
deutungsentwickelungen und  -Verschiebungen  wird  eine  Reihe  guter  Be- 
merkungen eingeflochten.  Den  Hauptteil  der  Arbeit  bildet  dann  das 
lexikalische  Verzeichnis,  das  auf  naturwissenschaftlicher  Orundlage  nach  den 
verschiedenen  Tierklassen  aufgebaut  ist  und  zunächst  die  Grundform  des 
Namens,  dann  sehr  ausführlich  Belegstellen  nach  grammatischer  Anordnung 
bringt,  ferner  die  Bedeutung  und  endlich  die  Oeschichte  und  Etymologie 
des  Wortes  auseinandersetzt.  Die  Arbeit  bietet  eine  Fälle  von  wichtigen 
Tatsachen  und  auch  viele  neue  Vermutungen  und  Anregungen  dar,  sodafs 
ihr  nur  alle  Anerkennung  zu  zollen  ist.  -is-    . 

Verlag  TOn  Friedrich  Andreas  Perthes,  Aktiengesellschaft,  &otha. 

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et  accompagnäe  de  notes  par  K.  Engelke  ^  Docteur  en  Philoso- 
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von  Dr.  0.  Thoene,  Direktor  der  städtischen  Bealschule  II  zu 
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Dr.  Max  Seibel. 

Preis:  Ji  1.20. 


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Inhalt:  Rezensionen:  220/221)  Der  Timotheos-Papynu.  Lichtdraekaasgabe ; 
ü.  V.  Wüamowitz-MoelleDdorff,  Timotheos,  Die  Perser  (J.  Sitzler)  p.  409.  — 
222)  Alex.  Pallis,  A  few  Notes  on  the  Gospels  aocording  to  St.  Mark  and 
St.  Matthew  (£b.  Nestle)  p.  414  —  223)  C.  Pascal,  De  metamorphoseon  locis 
quibosdam  (G.  Schüler)  p.  414.  —  224)  G.  v.  Eobilinski,  Die  Germania  des 
Taeitns  (Ed.  Wolff)  p.  416.  —  225)  Phil.  Menna,  De  infinitivi  apud  Pliniam 
minorem  nsn  (Strotkötter)  p.  419.  —  226)  J  a  d  e  1 1,  Aus  griech.  Inschriften  (H.  Lösch- 
hom)  p.  420.  —  227)  Basil  L.  Gildersleeve,  Problems  in  Greek  Syntax 
(Ph.  Weber)  p.  421.  —  228)  Eristoffer  Nyrop,  Das  Leben  der  Wörter,  über- 
setzt von  Bob.  Vogt  (0.  Weise)  p.426.  —  229)  Victor  Jäggi,  Latein.  Elementar- 
grammatik  (£.  Krause)  p.  428.  —  230)  H.  Hettner,  Illustrierter  Führer  durch 
das  IVovinzialmuseum  in  Trier  (A.  Funck)  p.  429.  —  231)  Der  alte  Orient  5  Jahrg. 
Heft  1  u.  2  (B.  Hansen)  p.  430.  —  232)  P.  Dörwald,  Griechischer  Wort- 
schatz (F.  Adami)  p.  431.  —  Vakanzen.  —  Anzeigen. 

220/221)  Der  Timotheos-FapyniB.  Gefunden  bei  Abusir  am  l.  Fe- 
bruar 1 902.  Lichtdruckausgabe.  Leipzig,  Hinricbsche Buch- 
handlung, 1903.  15  S.  kl.  Folio  u.  7  Lichtdrucktafeln.  Wissen- 
schaftliche Veröffentlichungen  der  deutschen  Orientgesellschaft 
Heft  3.  Für  Mitglieder  Jü  9.  — ,  sonst  J$  12.  — . 

U.  y.  Wilamowitz-Moellendorff,  Timotheos,  Die  Pener. 

Aus  einem  Papyrus  von  Abusir  im  Auftrage  der  deutschen  Orient- 
gesellschaft herausg^eben.  Mit  einer  Lichtdrucktafel.  Ebenda. 
126  S.  8.  Ji  8.  -. 

Die  an  erster  Stelle  genannte  Schrift  ist  die  im  Auftrage  der  deut- 
schen Orientgesellschaft  von  W  i  1  a  m  0  w  i  t  z  unter  Mitwirkung  von  I  b  s  c  h  e  r 
und  Schu hart  veranstaltete  Faksimileausgabe  des  Timotheos-Papyrus;  sie 
will  auf  sieben  Lichtdrucktafeln  ein  möglichst  getreues  Abbild  desselben 
geben,  und  wenn  man  aus  der  dem  Rezensionsexemplar  beigelegten  Probe- 
tafel auf  die  anderen  schliefsen  darf,  ist  dies  auch  gelungen;  jedoch  warnt 
der  Herausg.,  sich  an  den  Stellen,  wo  nur  noch  Buchstabenreste  vorhanden 
sind,  allzusehr  auf  die  Photographie  zu  verlassen. 


Neue  Philologische  Bandsohaa  Nr.  18. 


beigegebene  Text  macht  zunächst  über  den  Papyrus  selbst  Mit- 

i.    Dieser  wurde  am  I.Februar  1902  in  einem  Grabe  bei  Abusir, 

an  Dorfe  Busiris  bei  Memphis  in  Ägypten,  gefunden.    Er  stammt 

Mitte  des  4.  Jahrb.  y.  Chr.,  ist  also  das  älteste  Buch,  das  wir 

;t  besitzen;  aber  es  ist  nicht  vollständig  auf  uns  gekommen,  son- 

ur  in  seinem  letzten  Teil;  am  Anfang  ist  mehr  als  die  Hälfte  ver- 

Daher   ist   uns   auch   weder  Titel  noch  Verfasser  des  Gedichtes 

efert ;  trotzdem  kann  über  beides  kein  Zweifel  bestehen,  da  sich  Ti- 

eos  in  dem  Gedichte  selbst  nennt,  und  ein  Gedicht  des  Timotheos, 

em  eine  Niederlage  der  Perser  in  einer  Seeschlacht  gegen  die  Griechen 

hildert  wird,  nur  dessen  berühmter  kitharodischer  Nomos  „die  Perser'^ 

1  kann. 

So  kommt  der  Herausg.  auf  das  Gedicht  selbst  zu  sprechen,  dessen 
ideutung  für  uns  um  so  höher  anzuschlagen  ist,  als  es  das  erste  und 
nzige  umfangreichere  Bruchstück  ist,  das  wir  von  einem  Nomos  besitzen, 
as  uns  also  auch  über  das  Wesen  dieser  Dichtungsart  näheren  Aufschlufs 
;eben  kann.  Das  Versmafs  besteht  aus  freien  Rhythmen,  sogen.  äTioXe- 
Ivfjihfoiy  bietet  aber  sonst  nichts  Neues.  Ähnlich  verhält  es  sich  mit  der 
Sprache,  die  einen  festen  überlieferten,  wenn  auch  etwas  ausgearteten  und 
manierierten  Stil  zeigt.  Das  Bruchstück  beginnt  mit  der  typisch  gehaltenen 
Schilderung  einer  Seeschlacht  zwischen  Griechen  und  Fersern,  die  schlielB- 
lich  zugunsten  der  ersteren  ausfällt.  Daran  schliefsen  sich  in  direkter 
Bede  mitgeteilte  Klagen  der  schiffbrüchigen  Mysier  und  Lydier,  eines 
gefangenen  Phrygiers  und  endlich  des  Perserkönigs  selbst,  der  den  Befehl 
zum  Bückzug  gibt;  sein  Name  ist  nicht  genannt,  und  ebensowenig  der  irgend- 
eines anderen,  weder  aus  dem  griechischen  noch  aus  dem  persischen  Heer. 
Ein  kurzer  Hinweis  auf  die  Siegesfeier  endigt  diesen  Teil,  der  offenbar 
der  Hauptteil  des  Gedichts,  der  öf^cpaUg^  ist.  Darauf  folgt  ganz  unver- 
mittelt der  nächste  Teil,  die  aq)QaYig,  die  ganz  persönlich  gehalten  ist 
und  eine  Verteidigung  der  Kunst  des  Dichter  mit  Nennung  seines  Na- 
mens enthält.  Den  Schlufs,  iTtlloyog^  bildet  ein  kurzer  Segenswunsch 
für  die  Jonier,  an  Poseidon  gerichtet.  Nach  Ansicht  des  Herausg.  ist  das 
Gedicht  von  Timotheos  etwa  in  den  Jahren  398 — 396  am  Feste  der  Pa- 
nionien  vorgetragen.  Der  Abdruck  der  erhaltenen  Verse  in  der  vom 
Herausg.  festgestellten  Form  schliefst  das  Ganze  ab. 

Die  philologische  Bearbeitung  des  neuen  Fundes  gibtWilamowitz 
in  der  an  zweiter  Stelle  erwähnten  Schrift.     Er  beginnt  auch  hier  mit  der 


Nene  Philologische  Bondschau  Nr.  18.  411 

Oeschichte  und  Beschreibung  des  Papyrus,  behandelt  beide  aber  ausf&hr- 
licher  als  in  dem  zuerst  angeführten  Buche;  der  Papyrus  ist  nach  ihm 
jedenfalls  nicht  attischer,  wahrscheinlich  ionischer  Herkunft  und  weist, 
besonders  gegen  Ende,  manche  Versehen  und  Fehler  auf.  Dann  gibt  er 
eine  Abschrift  des  Papyrus  mit  genauer  Angabe  aller  unsicheren  und 
zweifelhaften  Buchstaben,  und  auf  diese  läfst  er  seine  Bearbeitung  des 
überlieferten  Textes  folgen,  die  jedoch  in  ihren  Angaben  nicht  immer 
korrekt  ist,  vgl.  z.  B.  Y.  6,  wo  der  Pap.  (rro,  nicht  ar  hat,  und  137, 
wo  afjLq>Bßakhav  st.  aiJLq>ißaXhav  als  fiberlieferte  Lesart  angegeben  wird. 
Der  Text  ist  am  Fufse  der  Seiten  von  einer  fortlaufenden  Paraphrase  in 
Scholiastengriechisch  begleitet,  weil  der  Herausg.  angeblich  Timotheos  in 
keine  moderne  Sprache  fibersetzen  kann;  ohne  Zweifel  hätte  aber  eine 
Erklärung  in  deutscher  Sprache  das  Verständnis  für  viele  besser  gefördert. 

Von  S.  29  ab  folgen  die  Bemerkungen  zu  dem  Oedicht  und  die 
Betrachtungen  über  dasselbe.  Hier  werden  Metrik,  Sprache,  Inhalt  und 
Abfossungszeit  des  Nomos  behandelt.  Daran  reiht  sich  eine  Untersuchung 
fiber  die  Saitenzahl  der  Lyra,  fiber  die  Dichtungen  des  Timotheos  und 
fiber  die  Entwickelung  der  Nomenpoesie  von  der  ältesten  Zeit  bis  herab 
auf  unseren  Dichter.  Durch  die  Perser  des  Timotheos  ist  der  epische 
Charakter  des  Omphalos  bestätigt,  und  sein  Inhalt  wird  jetzt  noch  genauer 
dahin  bestimmt,  dafs  darin  Personen  redend  eingeführt  werden,  um  so 
verschiedene  Stimmungen  und  Geffihle  zum  Ausdruck  zu  bringen.  Das 
Wesen  der  Sphragis  aber  wird  erst  jetzt  klar;  sie  ist  wirklich  das  Siegel,  das 
durch  Nennung  des  Namens  des  Dichters  sein  Eigentumsrecht  an  der  Dichtung 
wahrt.  Wie  die  Sphragis  rein  persönlicher  Art  ist,  so  auch  der  kurze  Epiloges, 
der  einen  Glück-  und  Segenswunsch  enthält.  Als  Anhang  werden  die  fibrigen 
Fragmente  des  Timotheos  beigefügt,  und  ein  Wörterverzeichnis  zu  diesen 
sowohl  als  auch  zu  den  neugefundenen  Persem  macht  den  Schlufs. 

Durch  seine  Bearbeitung  und  Veröffentlichung  hat  Wilamowitz 
den  interessanten  und  wichtigen  Fund  allgemein  zugänglich  gemacht,  und 
daffir  mufs  man  ihm  dankbar  sein.  Wie  man  aus  dem  Vorgange  nach 
der  Veröffentlichung  des  Herondas  und  Bakchylides  schliefsen  kann,  wird 
sich  die  Tätigkeit  der  Gelehrten  in  der  nächsten  Zeit  vorwiegend  dem 
Timotheos  zuwenden,  und  in  der  Tat  harrt  hier  auch  nach  den  Be- 
mühungen des  Herausg.  noch  manche  Stelle  der  Erklärung  oder  Ver- 
besserung und  manche  Lficke  der  sinngemäfsen  Ergänzung.  Einige  Bei- 
träge will  auch  ich  hier  folgen  lassen. 


412  NeoA  Philologische  Bandsehaii  Nr.  18. 

y.  80  liest  der  Herausg.  y6f^q>oig  ^inqUav  fufiwifievos  und  erklärt: 
diä  fiifii^aewg  yoüv  %oig  ddoikri  -Mnanqitap.  Ist  dieses  8iä  ftifiijaeios  yoVv 
schon  an  sich  im  höchsten  Grade  auffallend,  so  wird  es  durch  die  da- 
durch bedingte  Notwendigkeit,  das  überlieferte  d^alaaag  im  folgenden  in 
^alaooif  zu  ändern,  noch  zweifelhafter.  Es  ist  wohl  ^ejtiof/  iiivog  #a- 
Xdaaag  zu  lesen,  so  dafs  nach  sfxnqlijDv  schon  die  Anrede  an  das  Meer 
beginnt,  dem  hier  ohnmächtige  Wut  vorgeworfen  wird,  ebenso  wie  Herod. 
YII  35  dem  Hellespont,  der  gleich  im  folgenden  erwähnt  wird.  Die 
zwischen  lAevog  und  9aMoöag  stehenden  Wörter,  die  W.  Xv/ieCh^i  ad- 
^ajog  liest  —  in  der  Photographie  ist  der  nach  «  und  vor  v  stehende 
Buchstabe  kein  co ,  sondern  etwa  et  — ,  enthalten  die  dem  Meere  zu- 
geschleuderte Schmähung ;  wenn  die  Lesart  des  Herausg.  richtig  ist,  XvfiB- 
wviad^aTog  im  Sinne  eines  Vokativs.  —  V.  88  schreibt  W.  dQiy6voioiv 
und  mifst  t  als  Kürze,  was  kaum  angeht;  es  ist  Tceiixaig  dgeiydroiaiv  zu 
lesen.  —  V.  89:  €y'/,Xyaei  de  nsdia  nkiifia  vofiäatv  adyaig  erklärt  W. 
xat  Tct  nXdifua  nedia  {töv  yuajä  2aXa^lvi  [sie]  luiijtov)  cvfineQiXi^ipeTaL 
t4>  ßle^fdarv  yLatave^öfievog ;  aber  das  genügt  nach  vCv  de  a  dporagd^Bi 
ifjLÖg  ävaSf  ifAÖg  n&Sy,aig  dQeiyövoiOiv  nicht.  Ich  schlage  vofiäai  vaitaig 
vor,  das  den  begonnenen  Gedanken  folgerichtig  fortsetzt  und  abschließt; 
vo^aöeg  heilsen  die  vadrai^  weil  er  der  noipiiiv  Xaöv  ist.  —  Y.  112 
ergänzt  W.  [^'Joci^Ci];  dadurch  wird  aber  der  Raum,  wenigstens  wie 
er  auf  der  Photographie  angegeben  ist,  nicht  ausgefüllt;  es  kommt 
noch  dazU;  dafs  unmittelbar  darauf  yorjiai  folgt;  daher  empfiehlt  sich 
[#^](ic(/[i]  mehr.  Ebenso  istV.  114  yaiav  oder  %&6va  st.  yßv  zu  schrei- 
ben. Übrigens  liegt  kein  Grund  vor,  das  überlieferte  aTe^voxTt;/r^  in 
ovefvoKTiiTcoi  zu  ändern;  es  pafst  recht  gut  zu  ävT^  tb  yuai  doKQvarayel 
&Q6(ff.  —  V.  117  schreibt  W.  ^ioaa^e  fji  ev9ivd\  %v  itfycaig  g>eQ6fiB3'a; 
auf  der  Photographie  steht  ev&ep . .  vw,  und  so  könnte  man  lesen  ev^cy, 
oiS  v^.  Nach  dem  Herausg.  hat  der  Papyrus  evS^ev.Bwv;  dies  würde  auf 
hvd^&f  yB  vihf  führen.  —  V.  119  scheint  mir  [7taTQ]ig  besser  als  lwiv\ig 
in  die  Lücke  und  den  Zusammenhang  zu  passen.  —  Y.  120  liest  W. 
ii[ijQ]8y  yäq  xiqi  7ta[X\8[p\wiAq>ay6vov\  aber  x{;^ev  füllt  die  Lücke  nicht 
aus,  und  nach  na  steht  kein  A,  sondern  ein  Buchstabe  mit  senkrechtem 
ersten  Strich;  auch  verbieten  poetische  Bildungen,  wie  d^Bioyev/ig  neben 
^Boyev/igj  ^eiodäf^agf  ^eiödofiog  usw.  das  überlieferte  wfjLfpaioydvog  in 
wfiq>ay6vog  zu  ändern ;  tö  wfiq>aiov  heifst  das  zu  den  Nymphen  gehörige 
Wesen,  wie  tö  d'elov  das  zu  den  Göttern  gehörige;  rd  w/jiq>äia  deckt 


^ 


Nene  Philologiscbe  Bandschan  Nr.  18.  418 

sich  also  dem  Sinne  nach  mit  al  tnlfiq>au  Ich  ergänze  die  lückenhafte 
Stelle  folgendermalsen  {^li&ei  {ey  ist  verschrieben  aus  Uy  wieY.  156  ayu 
ans  ayey)  yag  x^^t  7ra[^]£[x]  wfig>aioy6vov  [ikpaXIov  ävtQOP  <i[Ao^  Ki)Q 
älXiaata  xa7ti[T(fi  veyLQ[dv  eit{€)  ^o  ßadikegov  ttöwoio  rig/ia:  „denn  es 
birgt  mit  vernichtender  Hand  neben  der  nymphenerzeogenden  Grotte  unter 
dem  Meere  die  Todesgöttin  nnaosweichbar  in  einer  Höhlung  meinen 
Leichnam,  oder  wenn  es  noch  ein  tieferes  Ende  des  Meeres  als  dieses 
(nämlich  die  Nyrophengrotte)  gibt''  —  Y.  126  ergänzt  W.  rijiUreiUo- 
rtÖQov,  jedoch  kann  nach  der  Photographie  der  auf  ij  folgende  Buchstabe 
nicht  l  sein;  ich  lese  ^rigoreleoTtögay  „auf  dem  Trockenen  den  Marsch 
bewirkendes  was  zu  Brücke  gut  pafst.  —  Y.  137  steckt  in  dem  korrupten 
a^q>ißaXhav  augenscheinlich  äfxq>ißaXleiv.  Der  Herausg.  meint  aller- 
dings, nach  neaeiv  mfilste  auch  äfiq)ißaleiy  stehen,  und  schreibt  daher 
mit  veränderter  Konstruktion  dfiq>€ßaXXov;  aber  während  neaeiv  nur 
die  Handlung  an  sich  ohne  jede  Nebenrücksicht  ausdrückt,  will  äfiq>t' 
ßdiXeiv  den  Zustand  anschaulich  vor  Augen  stellen.  Ähnlich  Piaton 
symp.  176a:  Ttoiifiaad-ai  und  Tqinea9ai\  Demosth.  8,  19;  Xenoph. 
oecon.  6,  9.  —  Y.  152  ist  UyoL  vielleicht  aus  exoL  verschrieben;  denn 
hier  handelt  es  sich  nur  um  das  Ergreifen;  Uyev  folgt  Y.  156.  —  Y.  162 
schreibe  ich:  iyäftoi'  aoi  K0g  aal  zi  Ttgäy/^a;  sc.  einüf;  dann  als  Ant- 
wort: ceivig  oddä^  ll&(a.  —  Y.  167  ist  das  überlieferte  (JiCL%Bg  =  fia- 
X^oaif  aktive  Form  wie  eqxf^  ^^^  tuI^ü)  st.  der  medialen  im  Munde  des 
Phrygiers;  es  ist  also  f^axio^  zu  schreiben,  nicht  fuix^^\  ^i®  der  Herausg. 
tut.  —  Y.  178  hat  der  Pap.  ow^i,  was  W.  in  owxi  abändert;  es  ist 
aber  festzuhalten  und  zu  schreiben:  dqiTvrtio  de  nqdaniTt  ow^i^  Tlegalda 
(diy  üTokrjv  TCBqi  xt^.  ;  rcQÖawTüov  ist  unter  Einwirkung  des  folgenden 
ovv^i  entstanden,  und  d^  ist  nach  ile^a/ da  verlorengegangen;  Asyndeton 
ist  hier  nicht  am  Platze.  —  Y.  195  braucht  man  mit  W.  keine  Lücke 
anzunehmen ;  der  Gedankengang  ist  vollständig :  mein  Schiffsheer  habt  ihr 
vernichtet,  die  Schiffe  werden  es  nicht  zurückführen,  sondern  des  Feuers 
Glut  wird  sie  verbrennen,  und  Persien  wird  Schmerzen  empfinden. 

Tauberbischofsheim.  J.  SItslor. 


414  Ken«  Philologische  Bondschau  Nr.  18. 


Alex.  Fallis,  A  few  Notes  on  the  OoBpels  according 

to  St.  Mark   and   St  Matthew   based  chiefly  on  modern 

Oreek.    Liverpool,  the  Liverpool  Bookseilers' Co.,  1903  (London, 

Williams  &  Norgate).    VI  u.  47  S.  8.  2  ah. 

Der  Verf.  hat  neaerdings  die  vier  Evangelien  in  seine  Muttersprache, 

das  Bomaische,  fibersetzt,  wobei  sich  ihm  allerlei  sprachliche  Beobachtungen 

aufdrängten,  die  er  hier  vorlegt.    Sie  sind  vielfach  anregend,  aber  kaum 

irgend  welche   überzeugend.     Man  soll   beispielsweise   lesen  Mc.   6,  56 

äyviatg  statt  äyogatg,  7, 19  ßgäfftara  als  Oestank  fassen,  raxii  9,  39  =  am 

nächsten  Tage  —  das  ist  eher  einleuchtend;  12, 1  fdgyog  als  Landhaus, 

14,  3  ftieaviyLfjg  statt  Ttiavixfjg;  Mt.  12,  43  pLvqiiov  statt  äyöÖQOJv.    Es 

sind  im  ganzen  28  Stellen  aus  Mc,  und  23  aus  Mt.,  die  so  besprochen 

werden.    Diese  Beispiele  werden  hier  genügen. 

Maulbronn.  Eb.  Nestte. 

223)  CaroluB  Pascal,  De  metamarphoseon  loeiB  quibusdam. 

Augustae  Taurinorum  (-*Bomae-Mediolani-Florentiae-Neapoli),  J.  B. 

Paravia  et  soc,  MGMII.    11  S.  kL  8. 
P.  bietet  zu  zwölf  Stellen  der  Metamorphosen  Ovids  recht  beachtens- 
werte kritische  und  exegetische  Beiträge.   Lib.  I  S  setzt  er  „nam  vos  mu- 
tastis  et  illas"  in  Parenthese  und  verbindet  „vos  (Akkusativ!)  et  illas^^ 
I  173  sucht  er  gegenüber  dem  von  H.  Magnus  (N.  Jahrbb.  1891,  S.  701) 
als  durchaus  richtig  erwiesenen   „hac  parte  ^'  des  frg.  Bernense  (B)  die 
Lesart  „a  fronte ''  (==  in  fronte  viae)  zu  verteidigen,  die  nur  Laurent.  (A), 
Erfurtan.  {e)  und  andere  jüngere  codd.  liefern.    Lib.  11  399—400  wird 
statt  „stimuloque  dolens  et  verbere  saevit: 
Saevit  enim,  natumque  etc." 
empfohlen       „stimuloque  dolens  et  verbere  caediti 

Saevit  enim,  natumque  etc." 
11774:  fjngemuit,  vultumque  ima  ad  suspiria  duxit"  nimmt  er  Anstofs 
an  „ima",  das  der  Marcian.  (M)  auf  Basur  von  zweiter  (?)  Hand  hat 
—  der  Neapolitan.  (N)  bietet  „deae"  —  und  schlägt  deshalb  vor: 

„Ingenuit:  motuq^e  imo  suspiria  duxit." 
Lag  es  da  nicht  näher,  sich  Ehwald  anzuschlie&en,  der  (vgl.  Bursian, 
Jahresb.  1901,  H  270)  „deae"  das  Wort  redet?    In  lib.  IV  131:  „ülr 
que  locum  et  visa  cognoscit  in  arbore  formam",  verteidigt  P.  das  über-# 
lieferte  „visa"  gegen  Merkels  Konjektur  „rigua"  (in  der  Ausgabe  von 


Nene  Philologiaohe  Bundschau  Nr.  18.  415 

1900?)  und  erklärt:  ««yidet  arborem  eiusque  cognoscit formamS*  Als  Beleg  ftlr 
den  etwas  nngewOhlichen  Gebrauch  des  Partizipiums  ftlhrt  er  an  IT  712: 

y,üt  in  aequore  summo 

umbra  viri  v^isa  est,  visam  fera  saevit  in  unibram." 
Am  Schlüsse  von  V.  713  ist  wohl  besser  mit  Magnus  (N.  Jahrbb.  1893, 
S.  622)  zu  lesen:  „visa  fera  saevit  in  umbra/^ 
Lib.  y  81—82:  „exstantem  signis  multaeque  in  pondere  massae 

ingentem  manibus  toUit  cratera  duabus'^ 
(nach  Magnus*  Ausgabe)  will  er  nicht  mgentem  in  pondere\  sondern  multae 
in  pondere'  verbunden  und  daf&r  geschrieben  wissen  multaeque  in  pondera 
unter  Verweisung  auf  IX  629:  „Quod  superest,  muUum  est  in  votaJ^ 
Lib.  YI  280  —  84  haben  einige  Herausgeber  Y.  281,  andere  Y.  282  als 
unecht  ausgeschaltet.  P.  geht  von  der  ganz  ähnlichen  Stelle  IX  176—8 
aus  und  weist  nach,  dafs  Y.  282  unecht,  Y.  281  dagegen  echt  ist  Auch  gibt 
er  eine  ganz  ansprechende  Erklärung  dafQr,  wie  Y.  282  in  den  Text  ge- 
langen konnte.  Für  den  absoluten  Oebrauch  von  ^efferri'  verweist  er  auf 
Liv.  24,  22,  17  und  31,  29,  11.    Lib.  Ym  533—5  sucht  er  Y.  635: 

„tristia  persequerer  miserarum  dicta  sororum.^' 
die  Echtheit  von   dicta\  das  N  nebst  jüngeren  Handschr.  bietet,  zu  be- 
gründen und  ebenso  YIII  637: 

„Ergo  ubi  caelicolae  parvos  tetigere  penates^^ 
als  Ovids  Eigentum  nachzuweisen.  YIII  719—20  schreibt  Ehwald  und 
ebenso  jetzt  Magnus  (Ausg.  1903):  . . .  „Ostendit  .  .  .  Thynelus  ...  In- 
cola  .  . ."  auf  Grund  von  MXN.  Dies  ThyneW  nennt  P.  mauditum 
prorsus  vocabulum\  obwohl  er  weifs,  dafs  Ovid  bei  geographischen  An- 
gaben wenig  sorgfältig  gewesen  ist.  Hauptsächlich  aus  sachlichen  Gründen 
bevorzugt  er  Suchers  ^Dinieius'.  Lib.  X  132  —  4  weist  er  Ehwalds  ut 
hunc  (Y.  133)  zurück  und  liest: 

. . .  „Quae  non  solatia  Phoebus 

Dixit!  et  ut  leviter  pro  materiaque  doleret, 

Admonuit!^^ 
so  dafs  sich  ^et  ut  .  .  .  admonuit'  als  Ausruf  an  das  Yorhergehende  an- 
schliefst. Admonuit  .  . .  doleret'  ist  dann  ähnlich  gesagt,  wie  bei  Gic, 
Cat.  2,  20:  moneo  desinant  furere'.  Magnus  setzt  hinter  dixit*  besser 
ein  Fragezeichen.  Lib.  XITT  328  —  33  bringt  P.  den  gut  bezeugten, 
aber  von  den  meisten  Herausgebern  getilgten  Y.  332: 

„utque  tui  mihi,  sie  fiat  tibi  copia  npstri;'' 


416  Neue  Philologische  BnndBohaa  Nr.  18. 

mit  Ehwald  (Ausg.  1898)  nnd  Helm  (Bh.  Mus.  LYI,  S.  358)  wieder  zu 
seinem  Rechte;  während  aber  jener  ut'  im  Sinne  von  licet  Mst,  dieser 
es  sogar  von  cupias'  (Y.  330)  abhängen  läfst,  erklärt  er:  ei  licet  sie  fiat 
tibi  Gopia  nostri,  nt  est  nunc  tui  mihi\ 

Dies  sind  die  von  P.  erörterten  Stellen.  Wenn  nun  auch  nicht  in 
allen  Punkten  ihm  unumwunden  beigepflichtet  werden  kann,  so  mufs 
doch  anerkannt  werden,  dars  er  durch  seine  sorgMtigen  Untersuchungen 
die  Kritik  und  Erklärung  der  ovidischen  Dichtung  nicht  unerheblich  ge- 
fördert hat. 

WilhelmshaYen.  O.  SohUor. 

224)  O.  y.  KobilixiBkiy  Die  Germania  des  Tadtus.  Ffir  den 
Schulgebrauch  erklärt.  Berlin,  Weidmann,  1901.  Text  (28  S.  8 
mit  einer  Karte)  geb.  J(  —.  60.  Anmerkungen  (100  S.)  geb.  Ji  1. 20. 
„  MfiUenhoffs  neulich  erschienener  Kommentar  zur  Germania  war  der 
Anlafs  zu  dieser  Schulausgabe,  ihr  wichtigstes  Ziel,  dessen  Hauptinhalt 
den  Bedflrfiiissen  der  Schule  angepafst  zu  vermitteln.''  Diese  Bestimmung 
des  vorliegenden  Kommentars  brachte  es  mit  sich,  dafs  darin,  sowie  in 
drei  besonderen  Anhängen,  der  Erörterung  germanischer  Altertümer  ein 
unverhältnismäfsig  breiter  Baum  gewidmet  ist.  Von  diesen  „Anhängen'' 
ist  der  dritte:  Von  den  Oöttem  der  Oermanen,  recht  dankenswert  und 
zweckentsprechend,  nicht  so  der  zweite :  Ton  dem  Ursprung  der  Germanen. 
Hier  nämlich  hat  v.  K.  manche  Sätze  reproduziert,  deren  Inhalt  vielleicht 
schon  mit  dem  von  den  Schülern  gebrauchten  Leitfaden  der  Geschichte 
oder  der  Literatur  in  bedenkliche  Kollision  gerät.  „Die  Völker  östlich  (?) 
vom  Indus  und  Ganges  bis  zu  den  westlichen  Küsten  (?)  unseres  Erdteils 
sind  in  fernsten  Zeiten  einem  ürvolke  entsprossen,  dessen  Heimat  im 
nordöstlichen  Iran  auf  der  Westseite  von  Hochasien  angenommen  wird." 
Diesem  ürvolk  soll  dann  nur  ein  Weg  nach  Europa  offen  gestanden 
haben,  „südlich  um  das  Kaspische  Meer  an  dem  niederen  östlichen  Kau- 
kasus vorbei"  (wie  weiter?).  Nun  läfst  der  Herausg.  die  nach  Osten  (soll 
heifsen:  Westen)  ziehenden  Arier  in  wohlgeordnetem  Zuge  aufmarschieren : 
„An  der  Spitze  des  Zuges  be&nden  sich  die  Ahnen  der  Kelten,  hinter 
ihnen  kamen  die  Urgermanen  und  üritaliker  (?),  den  Italikem  folgten  die 
ürhellenen,  den  Germanen  die  Eisten  (so!)  und  Slaven"  u.  s.  w.  Gewifs 
bat  ein  Schulbuch  nicht  die  Aufgabe,  über  wissenschaftliche  Probleme 
sich  eingehend  zu  verbreiten ;  aber  in  so  naiv-dogmatischer  Weise,  wie  es 


Nene  Philologische  Bundschau  Nr.  18.  417 

hier  geschieht,  darf  man  die  „Bätsei  der  indoeuropäischen  Völkerbildung'^ 
doch  nicht  behandeln. 

V.  E.  ist  der  Meinung,  MfiUenhoff  habe  durch  sein  Lebenswerk  „die 
Forschung  der  Germania  zum  Abschlufs  gebracht  ^^  Darin  werden  ihm, 
unbeschadet  der  Achtung  vor  dem  Meister  der  deutschen  Altertumskunde, 
nur  wenige  beistimmen;  denn  von  prinzipiellen  Fragen,  namentlich  der 
Archäologie,  abgesehen,  für  die  es  überhaupt  keinen  AbschluGs  gibt,  bleibt 
M.s  grolsartige  Leistung  gerade  in  bezug  auf  die  Interpretation  einzelner 
Stellen  der  Oerm.  vielfach  höchst  anfechtbar  ^).  In  der  Tat  ist  ja  auch 
der  Herausg.  weit  davon  entfernt,  auf  eigenes  Urteil  zu  verzichten ;  manche 
seiner  Bemerkungen  zeugt  übrigens  von  selbständigen  Studien  auf  dem 
Gebiete  der  germanischen  Ethnologie  und  Mythologie,  doch  nicht  selten 
hat  er  lieber  Mullenhoff  auf  Irrwege  folgen  als  von  ihm  abweichen  wollen. 
So  sträubt  er  sich,  gleich  Baumstark  und  MüUenhoff,  G.  22,  14  die  Auf- 
fassung (und  Interpunktion)  Passows  als  die  allein  vernünftige  und  not- 
wendige anzuerkennen.  Er  schreibt :  Ergo  detecta  . . .  mens  postera  die 
retractatur  „also  aufgedeckt  und  unverhüllt  wird  die  Ansicht  aller  am 
folgenden  Tage  wieder  behandelt''.  Die  blofse  Übersetzung  genfigt  wohl  schon, 
um  die  Absurdität  solcher  Auffassung  des  Überlieferten  darzutun!  Was 
gegen  die  Lesarten  31,  14  vultu  mitiore,  39,  1  Vetustissimos  se  ...  me- 
morant,  44,  1  ipscte  in  Oceano  einzuwenden  ist,  will  ich  hier  nicht  wieder- 
holen, nur  erinnere  ich  daran,  wie  ungeschickt  die  zu  der  letzten  Lesart 
gegebene  Erklärung  des  Herausg.  ist:  „mit  ipsae  werden  die  civitates 
Suionum  in  Oceano  den  vorhergenannten  an  der  Eüste  (ab  Oceano)  gegen- 
übergestellt". —  Die  Sprache  des  Kommentars  ist  im  allgemeinen  von 
äufserster  Knappheit,  nicht  überall  korrekt,  und  die  gebotenen  Er- 
läuterungen oder  Übersetzungen  lassen  manches  zu  wünschen  übrig.  Bei- 
spiele: 5,  2  umidior  „feuchter,  daher  niedriger,  ventosior  windiger,  und 
daher  höher  gelegen".  Das  versteht  einigermafsen  nur,  wer  Müllenhoffs 
Ausführungen  zu  der  Stelle  gelesen  hat;  ebenso  steht  es  5,  11  haud 
perinde  („eig.  nicht  so  wie  sonst");  5, 19  sequuntur  „sie  halten  sich", 
erg.  an  (das  Silber),  nach  Baumstark.  Zu  4,  6  magna  corpora  „die  Gröfse 
von  7  Fufs  bei  Karl  dem  Grofsen  galt  nicht  als  ungewöhnlich". 
Das  letzte  sagt  meines  Wissens  Einhard  doch  nicht.    Zu  den  missilia,  wie 


1)  Ich  darf  hier  wohl  aach  auf  m.  Anzeigen  des  Müllenhoffschen  Kommentars 
verweisen  (Beri.  Phil.  Wochenschr.  1899,  Nr.  21;  1901,  Nr.  38). 


418  Nene  PhilologiBohe  Rimdsohau  Nr.  18. 

sie  6,  7  ZU  yerstehen  sind,  gehörten  gewifs  nicht  „Eenlen^^  In  den  Er- 
läuterungen zu  6,  9  scuta  brauchte  y.  E.  sich  nicht  mehr  mit  den 
MüUenhoff  zur  Verfügung  stehenden  archäologischen  Berichten  zu  be- 
gnügen. 9,  9  nemora  „  Triften  ^\  so  soll  aber  doch  hier  nicht  übersetzt 
werden!  MüUenhoff  sagt:  nemus  ist  eigentlich  „ Trift ^*  =  vifxog,  dann 
öfters  „  Baumgruppe  ^S  später  besonders  „  Lustwald '^  —  24,  2  quibus  id 
ludicrum  est  „die  dieses  Spiel  betreiben^'  (soll  das  Yerbum  prägnant 
genommen  werden?);  besser  MüUenhoff  im  Kommentar  „die  dies  als  Spiel 
betreiben''.  Der  Gegensatz  „nicht  als  Erwerb^'  ist  doch  unverkennbar. 
28,  4  quaeque  gens  „die  Gallier  und  die  Germanen 'S  unrichtig,  wie  das 
folgende  zeigt.  Zutreffend  erklärt  ist  28,  15  nitro  =  sogar,  überdies, 
28,  22  experimento  fidei  als  abl.  causae:  wegen  ihrer  erprobten  Treue, 
auch  29,  13  nisi  ...  animantur,  31,  15  contemptores  sui  —  an  diesen 
und  manchen  anderen  Stellen  zeigt  v.  E.  eine  von  MüUenhoff  ab- 
weichende, richtige  Auffassung.  Ein  bedenkliches  Deutsch  bietet  er  in 
der  Übersetzung  von  30,  11  quodque  rarissimum  sqq.  „und  was  sehr 
selten  und  nur  durch  den  Grund  (auf  Grund)  der  Eriegszucht  verUehen 
ist."  Etwas  besser,  wenn  auch  keineswegs  dadurch  „ein  tadelloser  Ge- 
danken" erreicht  wird  (was  meines  Erachtens  bei  der  Lesart  ratione  überhaupt 
nicht  möglich  ist),  übersetzt  MüUenhoff:  „was  sehr  selten  ist  und  nur  in- 
folge (auf  Grund)  einer  strengen  Eriegszucht  beschieden  (vom  Schicksal 
gewährt)  ist."  —  44,  6  remigium  „das  Rudern";  wie  damit  die  Begriffe 
solutum  und  mutabile,  sowie  die  Stellen  2,  6,  7  und  III  47,  19  zu  ver- 
einigen seien,  verrät  der  Herausg.  nicht.  Unnötig  ausführlich  wird  37,  17 
der  Verlauf  der  Eimbemkämpfe  geschildert. 

Damit  mag  es  der  AussteUungen  im  einzelnen  genug  sein,  die  sich 
grofsenteils  ja  zugleich  gegen  MüUenhoffs  Eommentar  richten.  Aber 
gerade  angesichts  einer  so  reichen  Fundgrube  hätte  der  Herausg.  auf  seine 
relativ  leichte  und  dankbare  Aufgabe  wohl  etwas  mehr  Sorgfalt  und  Fleifs 
verwenden  soUen.  —  Druckversehen,  allerdings  nur  leichter  Art,  fand  ich 
auf  S.  18,  19,  25,  26,  31,  39,  41,  51,  54,  59  (üsipites  zweimal),  72 
(Porsete  und  Forsetisland,  Fermara),  78,  85,  92.  —  Die  seinerzeit  für 
Zemials  Germauiaausgabe  von  H.  Eiepert  entworfene,  seitdem  in  der 
Legende  verbesserte  (nur  Ariones  noch  st.  Aviones!)  Earte  Altgermaniens 
ist  dem  lat.  Text  beigegeben;  dem  Eommentar  geht  eine  angemessene 
kurze  Einleitung  voran. 

Frankfurt  a.  M.  Edvard  WolC 


^ 


Nene  Philologische  Bondiohan  Nr.  18.  419 

225)  Fhil.  Menna,  De  inflnitivi  apud  Flimum  minorem  usu. 

(Diss.  Bostock.)   Bostockii,  H.  Warkentien,  MDCGCGII,    152  S.  8. 

Jf  8.—. 

Der  Infinitiv  einer  Sprache,  die  in  ihrer  Prosa  ffir  die  substantivische 
und  adverbielle  Verwendung  des  Yerbbegrififos  besondere  Formen  entwickelt 
und  dem  Infinitiv  als  solchem  mehr  die  verbale  Funktion  zugewiesen  hat, 
sollte  an  erster  Stelle  nach  letzterem  Oesichtspunkte  untersucht  werden. 
Aber  noch  immer  behandelt  man  den  lateinischen  Infinitiv,  als  wäre  er 
eine  nominale  Kategorie :  das  ist  Tradition  und  den  Verfassern  der  bezüg- 
lichen Untersuchungen  weniger  zur  Last  zu  legen.  —  Ausgehend  vom 
Ursprünge  des  Infinitivs,  wobei  es  belanglos  sei,  ob  man  ihn  aus  dem 
Dativ  oder  aus  dem  Lokativ  ableite,  führt  uns  Verf.  den  lateinischen 
Infinitiv  zunächst  als  grammatisches  Subjekt  vor.  Bei  der  Frage,  warum 
das  Prädikatsnomen  zu  einem  Infinitiv  im  Akkusativ  stehe,  erwähnt  Verf. 
besonders  Schmalz,  der  „Non  decet  esse  adulatorem^^  aus  „Me  non  decet  esse 
adulatorem"  erklärt,  und  Strotkötter,  der  das  Subjekt  ,;quemquam^'  er- 
gänzt wissen  will.  Doch  hätte  Verf.^  wenn  er  sich  nicht  mit  letzterem 
ffir  ein  zu  ergänzendes  „man**  und  eine  prädikative  Auffassung  des 
lateinischen  Infinitivs  entscheiden  mochte,  in  Übereinstimmung  mit  Schütz 
(Krit.  Gttnge  auf  dem  Geb.  d.  lat.  Gramm.,  Heidelberg)  als  Grund  an- 
nehmen können,  dafs  der  Akkusativ  als  absoluter  Kasus  zum  Infinitiv  ge- 
setzt sei;  folgt  er  doch  dieser  Ansicht  bei  der  Erklärung  des  Acc.  c. 
inf.  (S.  28).  Für  die  Behauptung,  dafs  der  Infinitiv  des  Plinius  Minor 
auch  von  Präpositionen  abhänge  (S.  14),  sind  Beispiele  aus  Philosophen, 
Dichtern  und  Grammatikern  ohne  Belang  und  gehören  in  diese  Arbeit 
um  so  weniger,  als  aus  Plin.  Min.  kein  Beispiel  angefahrt  wird. 
Dafs  zum  Infinitiv  dieses  Schriftstellers  auch  Attributa  träten  (S.  14). 
ist  nicht  ganz  korrekt,  da  Verf.  nur  ein  Beispiel  nennen  kann  (S.  15). 
Eine  rein  substantivische  Verwendung  scbeint  nur  in  diesem  einen  Falle 
vorzuliegen.  Beim  Acc.  c.  inf.  gibt  Verf.  dem  Akkusativ  das  Verhältnis  eines 
Subjekts ;  warum  wird  nun  das  Prädikats  Verhältnis  des  Infinitivs  nicht  aus- 
gesprochen? —  In  dem  Abschnitte,  der  über  den  Infinitiv  als  gramm. 
Objekt  handelt,  werdenSätze,  wie„Non  alienum  existimavi  addere^'  unter  die 
Objektsinfinitive  gerechnet ;  scheinbar  mit  Becht.  Da  jedoch  solchen  Sätzen 
der  Gedanke  „Non  alienum  est  addere''  zu  gründe  liegt,  so  gehören  sie 
nur  indirekt  unter  die  Objektsverwendung  des  Infinitivgedankens  und 
wären  eigentlich  mit  der  Infinitivverwendung  im  Subjektsyerhältnisse  ab- 


Nene  Fhilologiicbe  BnndBehAn  Nr.  18. 


Landsleute  mfissen  es  wohl  gewesen  sein,  gegen  die  der  schriftstellerisch 
ungemein  fruchtbare  Grammatiker  eingangs  des  ersten  Aufsatzes  unter 
dem  Wahlspruche  von  Od.  2,  230  sich  wendet  und  meisterhaft  zu  wehren 
weifs. 

Kein  praktischer  Schulmann,  wenn  anders  er  sein  Handwerk  ehrlich 
treibt,  wird  leugnen  wollen,  dafs  er  dem  Studium  der  Grammatik  und 
Stilistik  alljährlich  aufe  neue  viel  Zeit  widmen  mulis;  dabei  setze  ich 
selbstverständlich  voraus,  dafs  derselbe  ohne  Unterbrechung  bestrebt  war, 
zwecks  seiner  eigenen  Weiterbildung  die  Hochflut  syntaktischer  Einzel- 
untersuchungen,  wie  sie  die  letzten  Jahrzehnte  herbeigeführt  haben, 
rficksichtlich  ihrer  Ergebnisse  mit  regem  Interesse  zu  verfolgen.  Gibt  es 
doch  kein  Kapitel  der  fiber  die  Formenlehre  hinausgehenden  Grammatik, 
bei  dem  man  sich  in  allen  einschlägigen  Fragen  Bats  erholen  könnte. 
In  dieser  Hinsicht  machen  auch  die  neuen  Erscheinungen  auf  diesem  Ge- 
biete keine  Ausnahme,  insofern  sie  mit  einer  Pietät  an  den  alther- 
gebrachten Fassungen  festhalten,  die  unbefriedigt  läfst  und  einer  Stagnation 
zum  Verwechseln  ähnelt. 

Die  hier  angezeigten  Veröffentlichungen  Gildersleeves  waren  ur- 
sprünglich als  Einführung  zu  griechischen  Syntaxforschungen  gedacht, 
welche,  teils  von  ihm  selbst,  teils  auf  seine  Anregung  von  anderen  aus- 
geführt, in  einem,  um  mit  seinen  eigenen  Worten  zu  sprechen,  derartig 
gewaltig  anschwellenden  Bande  veröffentlicht  werden  sollten,  dafs  er  schon 
durch  seinen  umfang  die  Aufmerksamkeit  der  gelehrten  Welt  auf  sich 
gezogen  haben  würde.  Das  war  vor  etwa  zehn  Jahren.  Infolge  der  in- 
zwischen aus  dem  Kreise  seiner  eigenen  Schüler  sowie  von  anderen  Seiten 
erfolgten  Veröffentlichungen  mannigfacher  Art  hat  er  es  jetzt  für  besser 
befanden,  jenen  Plan  fallen  zu  lassen  und  sich  auf  die  Drucklegung  des 
zur  Einführung  bestimmten  Gedankenmaterials  zu  beschränken.  Das  Ge- 
botene enthält  abgesehen  davon,  dafs  uns  nebenbei  mancher  willkommene 
Blick  in  den  äufseren  und  inneren  Werdegang  des  Verf.  vergönnt  wird 
—  er  selbst  nennt  denselben  a  droU  fate  — ,  nicht  blofs  für  den  prak- 
tischen Schulmann,  sondern  mehr  noch  für  den  Philosophen  und  Sprach- 
forscher, eine  reiche  Fülle  des  Lehrreichen  und  Interessanten.  Die  aufser- 
ordentliche  Belesenheit  des  Verf.,  dessen  Jugendträume  von  Dichterruhm 
und  Gelehrtennimbus  ausgefüllt  waren,  einerseits,  anderseits  die  bilder- 
reiche Sprache  mit  ihren  ob  ihrer  Knappheit  um  so  schärferen  Antithesen, 
sowie  der  schalkhafte  Humor,   den  jedes  Blatt  widerspiegelt,  sind  eine 


Nene  Philologische  ßnndschan  Nr.  18.  423 

glänzende  Widerlegung  des  Satzes:  Kein  wirklicher  Grammatiker  hat 
irgend  ein  Becht  lesbar  zu  sein. 

Indes  dürfte  es  sich  doch  empfehlen,  vor  und  während  der  Lektfire 
dieser  Probleme  einige  allgemeine  Sätze  von  unanfechtbarer  Wahrheit  zu 
beherzigen  und  im  Auge  zu  behalten.  Kein  Lehrer  noch  Schüler  wird 
selbst  beim  besten  Willen  und  redlichsten  Streben  je  zu  einem  wirklichen 
Abschlufs  in  der  Erfassung  einer  Sprache  gelangen;  ein  solcher  bleibt  stets 
Ideal.  Jeder  Schriftsteller  hat  seine  eigene  Grammatik,  mag  diese  nun 
schon  geschrieben  sein  oder  noch  nicht;  aber  auch  jeder  Studierende  bildet 
sich  seine  eigene  Grammatik;  will  er  nämlich  die  Erscheinungen,  soweit 
sie  nicht  den  gelernten  Elementarregeln  entsprechen,  sich  so  zurecht  legen, 
dafs  er  darüber  Bechenschaft  zu  geben  im  stände  ist,  dann  gilt  gerade 
f&r  ihn  Goethes  Wort:  „Jeder  sehe,  wie  er's  treibe I'^  Was  folgt  aus 
diesen  Sätzen?    Eben  das,  was  Gildersleeve  unter  Problemen  begreift. 

Sobald  einer  beginnt,  die  Sprache  praktisch  zu  behandeln,  Arbeiten 
anzufertigen  oder  zu  korrigieren,  selbst  in  der  Form  der  Betroversion, 
entstehen  unfehlbar  solche  Probleme.  Die  Begeln  erweisen  sich  nicht 
wirksam,  was  wirklich  und  tatsächlich  vorliegt,  will  nicht  in  das  Schema 
passen,  was  aufgelöst  worden  ist,  setzt  sich  nicht  schlechtweg  wieder  zu- 
sammen, die  Präpositionen  und  Kasus  sind  rebellisch,  die  Modi  und  Zeiten 
kehren  bei  der  Bückübersetzung  nicht  wieder.  Darin  dürfte  meines  Er- 
achtens  schon  die  Erklärung  dafür  liegen,  dafs  nach  Gildersleeve  in  der 
Poesie  die  Probleme  nicht  so  vordringlich  (obtrusive)  sind,  weil  eben  im 
Anschlufs  an  die  Dichterlektüre  derartige  Aufgaben  von  der  Schule  nicht 
gestellt  werden.  (Übrigens  bereiten  die  von  Gildersleeve  aus  der  Poesie 
vorgefahrten  Euriosa  in  ihrer  Art  sicherlich  auch  dem  deutschen  Leser 
ein  vergnügtes  Halbstündchen,  selbst  wenn  er  zu  a  long-suffering  public 
gehört,  das  von  seinen  deutschen  „Gelehrten'^  Quantitäten  hinnimmt,  wie 
sie  kein  englischer  „scholar^^  sich  zu  schulden  kommen  liefse.  So  sagt 
Gildersleeve,  um  nur  eines  zu  erwähnen,  mit  Beziehung  auf  das  proso- 
disch  falsch  gemessene  vieles  zu  Anfang  des  „Carmen  Salutatorium'*  von 
Menrad  in  den  „Abhandlungen  aus  dem  Gebiete  der  klassischen  Alter- 
tumswissenschaft Wilhelm  v.  Christ  zum  60.  Geburtstage  dargebracht", 
er  wisse  zwar  nicht,  wo  Christ  studiert  habe,  aber  mancher  60jährige 
Schüler  Bitschis  würde  lieber  mit  59  gestorben  sein,  als  zu  leben,  um 
sich  mittels  eines  mit  solch  schwerem  Fehler  beginnenden  Gedichtes 
gratulieren  zu  lassen.    Lateinische  Verse  seien  überhaupt  ein  Anachronis- 


424  Nene  Fhilologiache  BnndBchan  Nr.  18. 

mns,  doch  sollte  jeder  derartige  Anachronist  wenigstens  einen  gradns  ad 
Pamassnm  besitzen  and  benfitzen.  Hoffentlich  wirkt  das  Wilamowitz  ge- 
spendete Lob  wieder  versöhnend  anf  den  etwa  beleidigten  deutschen  Leser.) 
Des  Lehrers  Hauptaufgabe  besteht  darin,  über  die  sprachlichen  Erschei- 
nungen des  in  der  Klasse  gelesenen  Autors  Bechenschaft  zu  geben;  dieser 
tritt  die  Komposition  vornehmlich  zwecks  Erhöhung  der  Exaktheit  zur 
Seite,  und  gerade  hier,  bei  der  täglichen  Erklärung  der  Texte  und  bei 
den  Korrekturen,  findet  jeder  denkende  Lehrer  je.  nach  seiner  Anschauung 
und  seinem  Temperament  mehr  oder  weniger  reichlich  Schwierigkeiten. 

Diesen  allgemeinen  Ideen  nun  werden  von  dem  Verf.  reale  Substrate 
gegeben,  die,  obgleich  sie  weder  im  allgemeinen  neu,  noch  im  einzelnen 
ganz  einwandfrei  sind,  noch  auch  ohne  weiteres  einer  endgültigen  Lösung 
zugeffihrt  werden  können,  doch  immerhin  in  hohem  Grade  geeignet  er- 
scheinen, zu  weiterem  Nachdenken  anzuregen,  ähnliche  Beobachtungen 
sprachlicher  Differenzen  zusammenzustellen,  die  jedenfalls  beträchtliche 
Ausbeute  unter  streng  sachlichen  Gesichtspunkten  allmählich  abzuklären 
und  die  so  gewonnenen  Besnltate  zum  Gemeingute  des  syntaktisch-stilisti- 
schen Unterrichts  der  Schulpraxis  zu  machen. 

An  die  Spitze  der  Probleme  stellt  der  Verf.  einige  Beispiele  aus  der 
Elementargrammatik.  Zur  Illustration  möge  es  genügen,  das  erste  derselben 
in  seinem  wesentlichen  Gedankengange  vorzuführen.  Die  Syntax  beginnt 
mit  dem  Satze.  Zweifellos  aber  läfst  die  einfachste  Form  des  Satzes,  das 
verbum  finitum  mit  dem  darin  enthaltenen  Subjekt,  überhaupt  keine  Syntax 
zur  Anwendung  kommen.  Sobald  indes  das  Subjekt  ausgedrückt  wird, 
beginnt  das  Problem.  eiTtov.  Brav  und  gut.  Haben  wir  zu  sagen  iyw 
elfcov  oder  bItcov  iyd?  Und  sieh!  wir  stofsen  mit  einem  Male  auf  die 
Frage  von  Hiatus,  stofsen  auf  die  Frage  von  der  Stellung,  stolsen  auf  die 
Frage,  ab  das  Subjekt  überhaupt  auszudrücken  ist.  Unsere  Grammatiken 
sagen  uns,  dafs  das  Subjekt  nicht  ausgedrückt  werden  mufs,  vielmehr 9 
nicht  ausgedrückt  wird,  wenn  auf  ihm  kein  Nachdruck  ruht;  aber  es  ist 
ausgedrückt,  notwendig  ausgedrückt,  ausgedrückt,  wo  wir  nicht  die  Emp- 
findung einer  eigentlichen  Emphase  haben.  Die  Verba  dieser  Subjekte 
gehören  einem  bestimmten  Kreise  an.  Es  sind  sehr  ofb  Verba  des  Sagens, 
Denkens,  Wissens,  und  in  Verbindung  mit  diesen  Verben  ist  die  1.  Pers. 
sehr  ofb  ausgedrückt,  wo  wir  die  Notwendigkeit  nicht  einsehen.  Diese 
Versicherung  der  Persönlichkeit  in  lyi^da^  in  Ey(^(iat  führt  auf  die  Be- 
tonung (is  a  clue  to  the  tone).    Diese  im  Lateinischen  als  vulgär  fest- 


Neue  Philologische  Rundschaa  Nr.  18.  426 

gestellte  Erscheinung  ist  anch  im  Griechischen  bis  zu  einer  gewissen  Ans- 
dehnnng  vulgär,  und  so  darf  uns  bei  dem  „vulgarian^^  Äschines  der 
übermärsige  Gebrauch  des  Personalpronomens  fiber  den  herkömmlichen 
Kreis  hinaus  nicht  überraschen.  Ist  es  nicht  in  unserem  eigenen  öffent- 
lichen Leben  „bessere  Form'^  das  „Ich^^  zugunsten  des  farblosen  „man 'S 
zugunsten  des  unpersönlichen  Passivs  zu  unterdrücken? 

Die  anderen  Probleme  betreffen  die  Auslassung  der  Kopula  (sie  gehört 
ebenso  der  erhabenen  Sprache  als  der  Volkssprache  an;  Pindar  gebraucht 
schwerlich  einmal  die  Kopula,  die  sprichwörtlichen  Redensarten  leben  im 
Volksmunde;  die  Extreme  berühren  sich  in  der  Syntax  wie  im  Wortschatz; 
auch  unsere  dichterischen  Wörter  sind  oft  vulgär  und  umgekehrt),  die 
verschiedene  attributive  Stellung  von  Artikel,  Adjektiv  und  Substantiv 
(6  iftdg  vlÖQy  6  t;fdg  6  ifiög,  vldg  6  ifiög)^  den  Artikel  bei  Eigennamen 
und  beim  Infinitiv,  die  Partizipien,  den  Ersatz  von  Präpositionaladverbien 
durch  Adjektiva  {dtodeytaTdiogy  vi^ioq^  daneben  mit  einem  Seitenblick  auf 
das  Angelsächsische  KUiviBvog\  die  Kasus,  unabhängige  (dabei  persönliches 
und  unpersönliches  Passiv,  q)d^ovoi;fxai  und  mihi  invidetur,  mit  vergleichen- 
dem Ausblick  auf  moderne  Sprachen,  und  abhängige  (haben  wir  in  caelo  de- 
currit  aperto  einen  lokalen,  in  assiduo  ruptae  lectore  columnae  einen  instru- 
mentalen oder  in  beiden  Stellen  einen  Ablativ  des  ümstandes?),  die  Prä- 
positionen, die  Genera  Verbi,  besonders  das  reflexiv  gebrauchte  Passiv,  die 
Modi,  den  Infinitiv  {Ttaqddeiyixa  toC  fxij  ädi^tv  =  Tofj  fiij  deiv  ädr/Mv 
u.  ä.),  die  Negationen  in  allen  ihren  Einzelerscheinungen,  die  Zeiten, 
darunter  auch  das  praesens  propheticum,  und  schliefslich  die  Arten  des 
zusammengesetzten  Satzes.  Übrigens  ist  der  zu  Anfang  der  Probleme  über 
die  Tempora  von  Gildersleeve  behauptete  Widerspruch  zwischen  Blafs  und 
Wilamowitz  bei  näherem  Zusehen  völlig  unbegründet.  Blafs  hat  in  der 
zitierten  Stelle,  wo  er  sagt,  die  Unterscheidung  zwischen  dauernder  und 
vollendeter  Aktion  geschehe  im  N.  T.  mit  derselben  Genauigkeit  wie  im 
klassischen  Griechisch,  nur  das  Imperfekt  und  den  Indikativ  Aorist 
im  Auge,  während  es  bei  Wilamowitz  heifst,  „der  Unterschied  zwischen 
den  Imperativen  des  Präsens  und  des  Aorists  wird  in  der  vul- 
gären Rede  vernachlässigt '^ 

Die  leitenden  Gesichtspunkte  des  Ganzen  dürften  wohl  in  den  Worten 
Ausdruck  gefunden  haben,  die  wir  S.  9  lesen:  „Jede  griechische  Syntax 
ist  mehr  oder  weniger  eine  syntaxis  omata,  und  wenn  ich  imstande  ge- 
wesen bin,  das  Gebiet  dieser  syntaxis  omata  zu  erweitern,  so  werde  ich 


4» Neae  Phaolc^giBche  Bnndacbaii  Nr.  18. 

mehr  als  zufrieden  sein.'^  Jedenfalls  will  ich  nicht  verfehlen,  zum  Schlüsse 
noch  einmal  das  Studium  der  an  f&rdemden  Anr^ungen  mannigfidtigster 
und  interessantester  Art  reichen  Aufsätze,  die  auch  hinsichtlich  des  Druckes 
im  ganzen  recht  sauber  sind  (S.  14,  Z.  1  v.  u.  1.  m;^^),  allen  Berufs- 
genossen recht  warm  zu  empfehlen. 

Manchen.  Ph.  Weber. 

228)  KristoffSer  Hyropi  Das  Leben  der  WArter.  Autorisierte 
Übersetzung  aus  dem  Dänischen  von  Robert  Yogt.  Leipzig, 
Ed.  Avenarius,  1903.    263  S.  8.  Ji  3.—. 

Gleich  A.  Darmsteters  Schrift  La  vie  des  mots  umfafst  Nyrope  Budi 
das  ganze  Gebiet  der  Bedeutungslehre.  Es  gliedert  sich  in  zehn  Kapitel, 
in  denen  Euphemismus,  voces  mediae,  Bedeutungseinschränkung  und  Be- 
deutungserweiterung, Metapher,  Eatachrese,  Namengebung,  Lauthannonie, 
Wortspiel,  Heiligennamen  und  einiges  andere  behandelt  wird.  Das  Ge- 
botene ist  wissenschaftlich  &st  durchweg  zuverlässig,  die  Fassung  der 
Begeln  knapp,  die  Auswahl  der  Beispiele  gut  getroffen.  Die  neueren 
Sprachen  kommen  weitaus  häufiger  zum  Wort  als  die  alten,  und  unter 
jenen  treten  die  germanischen  (besonders  Dänisch,  Schwedisch,  Norwegisch, 
nächstdem  Deutsch  und  Englisch)  und  romanischen  (besonders  Französisch 
und  Spanisch)  in  den  Vordergrund. 

Ffir  den  deutschen  Leser  liegt  der  Beiz  namentlich  darin,  daCa  er 
sieht,  wie  das  Dänische  in  zahlreichen  Fällen  mit  unserer  Muttersprache 
übereinstimmt,  z.  B.  in  formelhaften  alliterierenden  Verbindungen  S.  183  ff.: 
Feuer  und  Flamme  =  fyr  og  flamme,  Mann  und  Maus  =  mcmd 
og  mus,  oder  eigene  Wege  gegangen  ist,  z.  B.  frank  und  frei,  Wohl 
und  Wehe,  mit  Umstellung  der  Glieder:  fri  og  frcmk,  ve  og  vel,  femer 
nicht  Fisch  noch  Fleisch  =  hvoerken  fugl  eller  fish,  weder  Vogel 
noch  Fisch.  So  erfahren  wir  auch  S.  48,  dafs  der  Ausdruck  Zehe  in  der 
gebildeten  Sprache  der  Dänen  unmöglich  geworden  ist  und  durch  Fufs- 
finger  ersetzt  werden  mufs,  S.  126,  dafs  die  deutsche  Bedensart  den 
kürzeren  (nämlich  Halm)  ziehen  bei  unseren  nördlichen  Nachbarn 
noch  die  leichter  verständliche,  vollere  Form  aufweist:  at  traekke  det  kor- 
teste strä,  das  kürzeste  Stroh  ziehen,  S.  129,  däfs  man  in  Dänemark  bei 
starken  atmosphärischen  Niederschlägen  sagt,  es  regne  Schusterbuben, 
während  in  dieser  Verbindung  bei  uns  Bauernjungen  oder  Schneidergesellen, 
in  der  französischen  Schweiz  Kesselflicker  üblich  sind. 


Nene  Philologische  BnndBchan  Nr.  18.  427 

Bei  einer  neien  Auflage  w&re  zu  wfinscben,  dafs  die  einschlägige 
Literatur  verzeichnet  wfirde;  femer  könnten  die  einzelnen  Kapitel  in  ihrer 
Ausdehnung  der  Wichtigkeit  des  behandelten  Gegenstandes  angepafst  wer- 
den; denn  wenn  z.  B.  dem  Euphemismus  57  Seiten  gewidmet  werden, 
aber  der  für  die  ganze  Sprachentwickelung  ungleich  wichtigeren  Metapher 
nur  20f  so  steht  dies  nicht  im  richtigen  Verhältnis.  Auch  die  Anordnung 
des  Stoffes  läist  manches  zu  wfinschen  Qbrig.  Warum  z.  B.  die  Lauir 
harmonie  (samt  Alliteration  und  Beim),  die  doch  etwas  mehr  Äufserliches 
behandelt,  nicht  an  den  Schlufs  gerfickt  worden  ist,  läfst  sich  schwer 
begreifen,  ebensoschwer,  warum  der  Euphemismus  den  Beigen  eröffnet. 
Vor  allen  Dingen  aber  kann  die  Zahl  der  Analogieen  noch  beträchtlich 
vermehrt  werden;  denn  gerade  durch  sie  werden  die  Spracherscheinungen 
in  ein  viel  helleres  Licht  gestellt.  So  war  z.  B.  8.  79  bei  der  Be- 
deutungsentwickelung des  dänischen  Wortes  skarlagen,  Scharlach  (ur- 
sprfinglich  eine  besondere  Art  Tuch  ohne  Bücksicht  auf  die  Farbe,  daher 
auch  blauer,  brauner,  grüner  Scharlach)  zu  erwähnen,  dafs  auch  purpurn 
von  Haus  aus  nicht  ausschliefslich  eine  rote  Farbe  bezeichnet  hat;  denn 
purpureus  kann  auch  dunkelbraun  (panis  bei  Plautus)  und  dunkelblau 
(mare  bei  Yergil)  heifsen.  Dafür,  dafs  das  Wort  doset  von  Haus  aus 
ganz  harmlos  sogar  in  der  Dichtung  gebraucht  wurde,  könnte  als  Beleg 
eine  Stelle  aus  Bodmers  Noachide  angefahrt  werden,  die  ich  in  meiner 
„Ästhetik  der^ deutschen  Sprache ^S  S.  127,  zitiert  habe:  Gleich  der  Böse, 
die  erst  am  Morgen  ihr  Eloset  verlassen,  d.  h.  ihre  Blätterhülle  ge- 
sprengt hat.  Für  die  alliterierenden  Wortverbindungen  S.  183  ff.  hätte  Nyrop 
zahlreiches  Material  in  meinem  Aufsatze  über  die  Wortdoppelung  im  Deut- 
schen" (Zeitschr.  für  deutsche  Wortforschung  II,  S.  8  ff.)  finden  können. 
Endlich  bleibt  zu  wünschen,  dalis  der  gebildete  Laie,  für  den  doch  das 
Buch  bestimmt  ist,  überall  genügend  aufgeklärt  wird.  Dies  ist  aber  nicht 
immer  der  Fall,  z.  B.  wenn  auf  S.  127  zu  der  Bedensart  einen  Eorb 
bekommen  gesagt  wird,  man  müsse,  um  sie  zu  verstehen,  ins  Mittel- 
alter zurückgreifen,  wo  die  Trouv^res  vom  Zauberer  Vergilius  sangen,  den 
ein  Mädchen  in  einen  Eorb  lockte,  da  er  auf  Freiersfüfsen  zu  ihr  kam. 
Hier  galt  es,  zunächst  hinzuzufBgen ,  dafs  der  Boden  des  Eorbes,  weil  er 
sehr  schwach  war,  beim  Hinaufziehen  des  nicht  genehmen  Freiers  durch- 
brechen und  dieser  durchfallen  mufste,  sodann  aber,  dafs  später  (im 
17.  und  18.  Jahrh.)  dem  unbequenien  Liebhaber  ein  bodenloser  Eorb  als  ab- 
weisende Antwort  ins  Haus  geschickt  wurde,  sodafs  er  ihn  tatsächlich  bekam. 

Eisenbergy  S.  A.  O.  Weise. 


4SS  Neae  Philologisehe  Rnndiehan  Nr.  18. 

229)  Victor  Jftggi,  Lateinisohe  Elementargrammatik  mit  ein- 
gereihten lateinischen  und  deutschen  ÜbungsstQcken  fBr  die  unteren 
Klassen    des  Gymnasiums.     Luzem,    Schill  1902.     456  S.   8. 

geb.  ^8.70. 

Das  Buch  ist  aus  dem  Unterrichtsbetriebe  einer  Schweizer  Anstalt 
hervorgegangen  und  bietet  in  fünf  Kursen  ungeßLhr  den  Stoff,  der  in  der 
Sexta,  Quinta  und  Quarta  preufsischer  Gymnasien  behandelt  wird.  Der 
Verf.  ist,  wie  er  im  Vorwort  bekennt,  kein  Freund  „der  neuen  Schule ^^ 
und  will  versuchen  die  lateinische  Sprache  „in  der  alten,  bewährten  Me- 
thode^' zu  lehren.  Ich  flirchte,  er  wird  durch  sein  Buch  in  niemandem 
die  Sehnsucht  nach  der  „guten  alten  Zeit''  wachrufen.  In  der  Grammatik 
beschwört  er  die  Schatten  von  papilio,  vespertilio,  vermis  und  anderem 
Gewürm  ans  dem  Orkus  herauf,  in  den  sie  längst  eine  verständige  Päda- 
gogik verwiesen  hat;  auf  den  Wortschatz  der  Prosaschriftsteller,  die  auf 
der  mittleren  Stufe  gelesen  werden,  nimmt  er  nicht  die  mindeste  Bfick- 
sicht,  sondern  überschüttet  die  armen  Schüler  mit  einer  endlosen  Fülle  von 
Vokabeln,  die  sie  niemals  wieder  verwenden  können:  gleich  auf  den  ersten 
Seiten  begegnen  coruscare,  alauda,  merula,  simia,  nidificare,  pilns,  later, 
Salix,  equile,  struthiocamelus,  socms,  veru,  resplendere,  restaurare.  Der 
Lesestoff  besteht  zum  grofsen  Teile  aus  kurzen  Einzelsätzen,  die  an 
bunter  Mannigfaltigkeit  des  Inhalts  kaum  überboten  werden  können  (z.  B. 
St.  40.  1)  Elephanti  sunt  maximi.  2)  Nihil  est  melius  quam  virtus. 
3)  Sunt  plura  genera  columbarum  etc.).  Besser  gelungen  sind  die  zu- 
sammenhängenden Stücke,  besonders  die,  deren  Stoff  der  griechischen  und 
römischen  Sage  und  Geschichte  entlehnt  ist. 

Der  lateinische  Ausdruck  ist  vielfach  mangelhaft;  ich  hebe  folgende 
Verstöfse  g%en  den  klassischen  Spiachgebrauch  hervor:  S.  92  recreatio 
pro  me  non  erit  iucunda.  S.  103  forte  st  fortasse.  S.  154  impossibile 
est.  S.  155  nunc  st  tum;  iterum  st  rursus.  S.  168  bona  valetudine 
firm.  S.  172  in  bellum  proficisci.  S.  177  conjunct  fiit  nach  timere  ne. 
S.  189  frugiferrtmtis.  S.  221  amare  flere;  desiderare  c  inf.  S.  222 
thronus.  S.  229  Ephesi,  in  Asia  minore.  S.  232  M.  Cicerone  et  M.  An- 
tonio. S.  241  quam  viam  st  utram.  S.  243  nos  impedient  quominus. 
S.  261  mundus  st  orbis  terrarum;  prae  omnibus  duxit  S.  287  a  parti- 
hus  alicuius  stare.  S.  295  Hermes.  8.  297  dubito  num.  S.  299  bellum 
Persicum.  S.  320  Antiochiae  vixit  st  fuit  S.  326  nuUa  re  magia  . . . 
nisk  S.  339  magistrum  effugit  st  fugit    S.  341  und  oft  plures  st  com- 


Neae  Philologische  Rundschau  Nr.  18.  429 

plures.    S.  347  docet  experientia  st.  usus.    S.  349  maior  natus.    S.  350 
dubitant  an  uUns  dox  st.  nuUus.    S.  351  exempli  gratia  st.  ut 

Potsdam.  E.  Kravse. 

230)  H.  Hettner,  IlluBtrierter  Führer  durch  das  Provixudal- 
museuxn  in  Trier.  Mit  143  Abbildungen.  Trier,  J.  Lintz. 
n  und  146  S.  8.  Ji  1.60. 

Ein  Mnseumsffihrer  in  einer  philologischen  Zeitschrift?  Die  Antwort 
auf  die  scheinbar  berechtigte  Frage  gibt  schon  der  Name  des  Verfassers. 
Nie  ist  aus  seiner  Feder  etwas  veröffentlicht,  was  nicht  den  strengsten 
Anforderungen  philologischer  Wissenschaft  genügt  hätte.  Und  weiter,  wie 
sollte  nicht  ein  Buch  Ober  das  Museum  der  alten  Augusta  Treverorum  un- 
mittelbar hineinführen  in  die  Welt  des  Altertums,  von  der  eben  hier  auf 
deutschem  Boden  die  beredtesten  Zeugnisse  zu  uns  sprechen? 

Eine  Festschrift  zum  25jährigen  Bestehen  des  Provinzialmuseums 
sollte  dieses  Werk  werden,  ein  kundiger  Führer  für  den  Laien  zugleich 
wie  für  den  Forscher,  ein  lebendiges  Andenken  für  die,  welchen  diese 
Schätze  mit  eigenen  Augen  zu  schaaen  vei^önnt  war.  Nun  ist  das  Buch 
zum  wehmütigen  Andenken  an  den  geworden,  den  von  der  Höbe  erfolg- 
reichen Schaffens  ein  jäher  Tod  hinabgestürzt  hat  in  die  stumme  Welt 
der  Schatten.  Was  er  mit  frohem  Hoffen  begonnen  hatte,  die  eigene, 
rastlose  Hand  hat  es  nicht  vollenden  dürfen;  dem,  der  ihm  auch  im  Leben 
eng  verbunden  war,  Hans  Lehner  in  Bonn,  fiel  die  traurige  Freundespflicht 
zu,  das  Unternommene  in  seinem  Sinne  zu  Ende  zu  führen.  Ihm  danken 
wir  es,  dafs  das  Buch  nun  doch,  so  wie  es  gedacht  war,  abgeschlossen  vor 
uns  liegt. 

Es  vereinigt  in  sich  die  ungewöhnlichen  Eigenschaften,  welche  Hettner 
allen,  die  ihm  näher  getreten  sind,  unvergefslich  machen:  die  umfassende 
Gelehrsamkeit  auf  diesem  seinem  eigensten  Schaffensgebiete,  den  tief 
dringenden,  selbständig  fortschreitenden  Forschergeist,  der  bei  allem,  was 
er  gab,  zugleich  zu  lebendiger,  eigener  Mitarbeit  fortrifs,  die  frische  An- 
schaulichkeit in  Wort  und  Bild,  und,  nicht  als  geringstes  sei  es  genannt, 
den  klaren  praktischen  Blick,  der,  in  langjähriger  Wirksamkeit  geübt,  ihn 
auch  äufserlich  von  Erfolg  zu  Erfolg  geführt  hat.  War  es  nicht  herz- 
erfreuend, zu  sehen,  wie  an  Sommersonntagen  Leute  jedes  Standes  und  Alters 
die  schönen  Bäume  des  Trierer  Museums  füllten,  um  zu  schauen,  wie  einst 
auf  diesem  althistorischen  Boden  ein  längst  vergangenes  Geschlecht  gelebt 


420  Nene  Philologische  Bnndschan  Nr.  18. 

zutun.  Da  Hilfsverba  zur  temporalen  und  modalen  Erweiterung  des 
Eonjugationssystems  dienen,  keine  selbständige  Verba  bilden  und  erst 
mit  dem  Infinitiv  verbunden  ein  vollständiges  Zeitwort  abgeben  (volo  feusere  = 
faciam,  facturus  sum;  je  vais  aller  =  j'irai,  ire  habeo  zu  j*irai),  so  kann 
man  auch  den  Infinitiv  bei  Hilfsverben  nur  als  eine  an  sich  unselbständige 
Ergänzung,  nicht  aber  als  ein  Objekt  auffassen.  Dasselbe  gilt  von  dem 
Infinitiv  bei  solitus,  consuetus,  paratus,  dignus  und  contentus.  In  dem  auf 
S.  58  aus  Plin.  Min.  angefahrten  Beispiele  steht  trade  nicht  mit  dem 
Infinitiv,  sondern  mit  dem  Gerundivum.  —  So  richten  sich  meine  Aus- 
stellungen im  wesentlichen  gegen  die  von  vielen  nocb  als  richtig  be- 
trachtete traditionelle  Behandlung  des  lateinischen  Infinitivs.  Im  übrigen  ist 
der  grofse  Fleifs,  den  Verf.  auf  seine  Arbeit  verwendet,  gebflhrend  an- 
zuerkennen. Besonders  wertvoll  ist  sie  auch  dadurch,  dafs  bei  den  ver- 
schiedenen Verben  nicht  nur  die  Infinitivkonstruktion,  sondern  auch  andere 
(mit  ut,  quod,  si,  cum)  angegeben  sind,  deren  Yergleichung  m.  E.  zur 
Erkenntnis  der  lateinischen  Denkweise  und  richtigen  Auffassung  des  latei- 
nischen Infinitivs  nicht  unwichtig  ist.  Doch  wenn  der  Verf.  deswegen 
auch  das  Gerundium  und  Gerundivum  behandelt,  warum  berücksichtigt 
er  nicht  die  Supine?  Indem  Verf.  sehr  oft  auch  die  Verwendung  bei 
anderen  Schriftstellern  hinzufügt,  geht  er  zwar  über  den  Bahmen  seines 
Themas  hinaus,  gibt  jedoch  auch  damit  eine  wesentliche  und  dankens- 
werte Bereicherung  von  Drägers  Eist.  Syntax. 

Arnsberg.  StrotkStter. 


226)  Janell,  Aus  griechiBchen  InschrifteiL  Progr.  des  Grofs- 
herzogl.  Gymn.  Neu-Strelitz.  1903.  43  S.  4. 
Die  Arbeit  kann  und  will  keine  besondere  wissenschafUiche  Bedeutung 
beanspruchen,  zumal  sie  &st  nirgends  irgendwelche  neuen,  der  Forschung 
förderlichen  Ergebnisse  liefert.  Nichtsdestoweniger  erscheint  sie  in  hohem 
Grade  beachtenswert,  weil  sie  aus  zahlreichen  Inschriften,  insbesondere 
solchen,  die  das  politische  und  bürgerliche  Leben  der  Griechen,  haupt- 
sächlich zur  Zeit  ihrer  Berührung  mit  und  ihres  Aufgehens  in  Bom,  sowie 
kirchlich-religiöse  Zustände  und  Einrichtungen  betreffen,  ein  gutes  Stück 
griechischer  Kulturgeschichte,  welches  selbst  nichtphilologisch  gebildeten 
Lesern  leicht  verständlich  ist,  in  lebendiger  Weise  vor  unseren  Augen 
entstehen  labt. 


Nene  PhilologiBche  BancUehaa  Nr.  18.  421 

Verf.  hat  hauptsächlich  aus  Dittenberger ,  Sylloge  inscriptioniim  Orae- 
carum,  2.  AulS.,  eine  gediegene  Auswahl  getroffen,  aber  auch  GoUitz-Bech- 
tel,  Sammlung  der  griechischen  Dialektinscbrifken ,  gebfihrend  gewfirdigt, 
dagegen  nur  vereinzelt  das  G.  I.  A.  und  die  'Egyriftegig  ä^aioloyiTLij  zu 
Bäte  gezogen,  jedoch  alle  von  ihm  angeführten  Inschriften  in  gutes  Deutsch 
übersetzt.  Die  meisten  der  hinzugefügten  Anmerkungen  enthalten  aller- 
dings nur  genauere  Nachweise  über  den  literarischen  Fundort. 

S.  2  hebt  Verf.  mit  Becht  hervor,  dafs  alle  von  den  Griechen  nach 
glücklich  geführten  Kriegen  den  Göttern  dargebrachten  Weihungen  nicht 
nur  von  Dankbarkeit,  sondern  auch  von  Stolz  über  die  vollbrachten  Taten 
und  heller  Siegesfreude  zeugen. 

S.  12—25  enthalten  sehr  viele  Inschriften,  die  zeigen,  dafs  die  Bömer 
schon  im  Anfang  des  3.  Jahrb.  v.  Chr.  einen  immer  mehr  zunehmenden 
Einflufs  auf  die  Angelegenheiten  Griechenlands  und  Eleinasiens  gewannen, 
ja  sogar  allm&blich  als  Schutzherren  mit  der  niedrigsten  Schmeichelei 
verehrt  wurden. 

Der  zweite  Hauptteil  der  Arbeit  enthält  zahlreiche  Weihinschriften 
und  zuletzt  Grabinschriften,  femer  Inschriften  über  das  Betreten  der 
Tempel  und  heiligen  Stätten,  über  Wallfahrten  nach  Heiligtümern,  Be- 
fragungen des  Dodonäischen  Zeus,  nicht  nur  in  Krankheitsfällen,  sondern 
selbst  hinsichtlich  der  geringfQgigsten  Dinge  u.  a.  Was  die  vielen  In- 
schriften betrift,  welche  angeblich  wunderbare  Heilungen  durch  Asklepios 
in  Epidauros  enthalten,  so  schliefst  sich  Verf.  S.  37  mit  Becht  den  Auf- 
&ssungen  von  S.  Herrlich,  Epidauros  eine  antike  Heilstätte  (Programm 
des  Humboldts-Gymnasiums  zu  Berlin  1898),  S.  27  und  besonders  Diels, 
Nord  und  Süd,  1888,  Bd.  44,  S.  43  ff.,  an.  Beide  Gelehrte  heben  neben 
der  Menschenfreundlichkeit  der  Priester  auch  ihre  Aufechneiderei  und 
Betrügerei  hervor,  aber  gerade  dadurch  gewährt  der  Inhalt  dieser  Urkunden 
ein  hervorragendes  kulturhistorisches  Interesse. 

Wollstein  Karl  LSsohhorn. 

227)   Basil  L.   Oildersleeve,   FroblemB   in    Oreek   Sjmtaz. 

Baltimore,  The  Johns  Hopkins  Press,  1903.    54  S.  8.   geb. 

Es  verdient  dankbar  begrüfst  zu  werden,  dafs  Gildersleeve  seine  in 

den  Nummern  1 — 3  des  Amer.  Journ.  f.  Philol.  von  1902  erschienenen 

„ProblemsofGreek  Syntax'^  durch  Sonderabdruck  nunmehr  einer  breiteren 

Öffentlichkeit  zugänglich  gema«ht  hat.  Kränkende  Worte  seitens  der  eigenen 


Nene  Philologische  RnndschAn  Nr.  18. 


Landsleute  mfissen  es  wohl  gewesen  sein,  gegen  die  der  schriftstellerisch 
ungemein  fruchtbare  Orammatiker  eingangs  des  ersten  Aufsatzes  unter 
dem  Wahlspruche  von  Od.  2,  230  sich  wendet  und  meisterhaft  zu  wehren 
weilB. 

Kein  praktischer  Schulmann,  wenn  anders  er  sein  Handwerk  ehrlich 
treibt,  wird  leugnen  wollen,  dafs  er  dem  Studium  der  Grammatik  und 
Stilistik  alljährlich  aufe  neue  viel  Zeit  widmen  maus;  dabei  setze  ich 
selbstverständlich  voraus,  dafs  derselbe  ohne  Unterbrechung  bestrebt  war, 
zwecks  seiner  eigenen  Weiterbildung  die  Hochflut  syntaktischer  Einzel- 
untersuchungen,  wie  sie  die  letzten  Jahrzehnte  herbeigeführt  haben, 
rficksichtlich  ihrer  Ergebnisse  mit  regem  Interesse  zu  verfolgen.  Gibt  es 
doch  kein  Kapitel  der  fiber  die  Formenlehre  hinausgehenden  Grammatik, 
bei  dem  man  sich  in  allen  einschlägigen  Fragen  Bats  erholen  könnte. 
In  dieser  Hinsicht  machen  auch  die  neuen  Erscheinungen  auf  diesem  Ge- 
biete keine  Ausnahme,  insofern  sie  mit  einer  Pietät  an  den  alther- 
gebrachten Fassungen  festhalten,  die  unbefriedigt  läfst  und  einer  Stagnation 
zum  Verwechseln  ähnelt 

Die  hier  angezeigten  Veröffentlichungen  Gildersleeves  waren  ur- 
sprunglich als  Einführung  zu  griechischen  Syntaxforschungen  gedacht, 
welche,  teils  von  ihm  selbst,  teils  auf  seine  Anregung  von  anderen  aus- 
geführt, in  einem,  um  mit  seinen  eigenen  Worten  zu  sprechen,  derartig 
gewaltig  anschwellenden  Bande  veröffentlicht  werden  sollten,  dafs  er  schon 
durch  seinen  umfang  die  Aufmerksamkeit  der  gelehrten  Welt  auf  sich 
gezogen  haben  würde.  Das  war  vor  etwa  zehn  Jahren.  Infolge  der  in- 
zwischen aus  dem  Kreise  seiner  eigenen  Schüler  sowie  von  anderen  Seiten 
erfolgten  Veröffentlichungen  mannigfacher  Art  hat  er  es  jetzt  für  besser 
befanden,  jenen  Plan  fallen  zu  lassen  und  sich  auf  die  Drucklegung  des 
zur  Einführung  bestimmten  Gedankenmaterials  zu  beschränken.  Das  Ge- 
botene enthält  abgesehen  davon,  dafs  uns  nebenbei  mancher  willkommene 
Blick  in  den  äufseren  und  inneren  Werdegang  des  Verf.  vergönnt  wird 
—  er  selbst  nennt  denselben  a  droU  fate  — ,  nicht  blofs  für  den  prak- 
tischen Schulmann,  sondern  mehr  noch  für  den  Philosophen  und  Sprach- 
forscher, eine  reiche  Fülle  des  Lehrreichen  und  Interessanten.  Die  aufser- 
ordentliche  Belesenheit  des  Verf.,  dessen  Jugendträume  von  Dichterruhm 
und  Gelehrtennimbus  ausgefüllt  waren,  einerseits,  anderseits  die  bilder- 
reiche Sprache  mit  ihren  ob  ihrer  Knappheit  um  so  schärferen  Antithesen, 
sowie  der  schalkhafte  Humor,   den  jedes  Blatt  widerspiegelt,   sind  eine 


^ 


Neue  Philologische  Bnndschan  Nr.  18.  423 

glänzende  Widerlegung  des  Satzes:  Kein  wirklicher  Grammatiker  bat 
irgend  ein  Becht  lesbar  zu  sein. 

Indes  dürfte  es  sieb  docb  empfehlen,  vor  und  während  der  Lektöre 
dieser  Probleme  einige  allgemeine  Sätze  von  unanfechtbarer  Wahrheit  zu 
beherzigen  und  im  Auge  zu  behalten.  Kein  Lehrer  noch  Schüler  wird 
selbst  beim  besten  Willen  und  redlichsten  Streben  je  zu  einem  wirklichen 
Abschlufs  in  der  Erfassung  einer  Sprache  gelangen;  ein  solcher  bleibt  stets 
Ideal.  Jeder  Schriftsteller  hat  seine  eigene  Grammatik,  mag  diese  nun 
schon  geschrieben  sein  oder  noch  nicht;  aber  auch  jeder  Studierende  bildet 
sich  seine  eigene  Grammatik;  will  er  nämlich  die  Erscheinungen,  soweit 
sie  nicht  den  gelernten  Elementarregeln  entsprechen,  sich  so  zurecht  legen, 
dafs  er  darüber  Bechenschaft  zu  geben  im  stände  ist,  dann  gilt  gerade 
für  ihn  Goethes  Wort:  „Jeder  sehe,  wie  er's  treibe I'^  Was  folgt  aus 
diesen  Sätzen?    Eben  das,  was  Gildersleeve  unter  Problemen  begreift. 

Sobald  einer  beginnt,  die  Sprache  praktisch  zu  behandeln,  Arbeiten 
anzufertigen  oder  zu  korrigieren,  selbst  in  der  Form  der  Betroversion, 
entstehen  unfehlbar  solche  Probleme.  Die  Begeln  erweisen  sich  nicht 
wirksam,  was  wirklich  und  tatsächlich  vorliegt,  will  nicht  in  das  Schema 
passen,  was  aufgelöst  worden  ist,  setzt  sich  nicht  schlechtweg  wieder  zu- 
sammen, die  Präpositionen  und  Kasus  sind  rebellisch,  die  Modi  und  Zeiten 
kehren  bei  der  Bfickübersetzung  nicht  wieder.  Darin  dürfte  meines  Er- 
achtens  schon  die  Erklärung  dafür  liegen,  dafs  nach  Gildersleeve  in  der 
Poesie  die  Probleme  nicht  so  vordringlich  (obtrusive)  sind,  weil  eben  im 
Anschlufs  an  die  Dichterlektüre  derartige  Aufgaben  von  der  Schule  nicht 
gestellt  werden.  (Übrigens  bereiten  die  von  Gildersleeve  aus  der  Poesie 
vorgeführten  Euriosa  in  ihrer  Art  sicherlich  auch  dem  deutschen  Leser 
ein  vergnügtes  Halbstündchen,  selbst  wenn  er  zu  a  long-suffering  public 
gehört,  das  von  seinen  deutschen  „Gelehrten'^  Quantitäten  hinnimmt,  wie 
sie  kein  englischer  „scholar^^  sich  zu  schulden  kommen  liefse.  So  sagt 
Gildersleeve,  um  nur  eines  zu  erwähnen,  mit  Beziehung  auf  das  proso- 
disch  falsch  gemessene  vieles  zu  Anfang  des  „Carmen  Salutatorium'^  von 
Menrad  in  den  „Abhandlungen  aus  dem  Gebiete  der  klassischen  Alter- 
tumswissenschaft Wilhelm  v.  Christ  zum  60.  Geburtstage  dargebrachtes 
er  wisse  zwar  nicht,  wo  Christ  studiert  habe,  aber  mancher  60jährige 
Schüler  Bitschis  würde  lieber  mit  59  gestorben  sein,  als  zu  leben,  um 
sich  mittels  eines  mit  solch  schwerem  Fehler  beginnenden  Gedichtes 
gratulieren  zu  lassen.    Lateinische  Verse  seien  überhaupt  ein  Anachronis- 


424  Nene  Philologische  BnndBchaii  Nr.  18. 

mns,  doch  sollte  jeder  derartige  Anacbronist  wenigstens  einen  gradns  ad 
Parnassnm  besitzen  und  benützen.  Hoffentlicb  wirkt  das  Wilamowitz  ge- 
spendete Lob  wieder  versöhnend  anf  den  etwa  beleidigten  deutschen  Leser.) 
Des  Lehrers  Hauptaufgabe  besteht  darin,  über  die  sprachlichen  Erschei- 
nungen des  in  der  Klasse  gelesenen  Autors  Bechenschaft  zugeben;  dieser 
tritt  die  Komposition  vornehmlich  zwecks  Erhöhung  der  Exaktheit  zur 
Seite,  und  gerade  hier,  bei  der  täglichen  Erklärung  der  Texte  und  bei 
den  Korrekturen,  findet  jeder  denkende  Lehrer  je.  nach  seiner  Anschauung 
und  seinem  Temperament  mehr  oder  weniger  reichlich  Schwierigkeiten. 

Diesen  allgemeinen  Ideen  nun  werden  von  dem  Verf.  reale  Substrate 
gegeben,  die,  obgleich  sie  weder  im  allgemeinen  neu,  noch  im  einzelnen 
ganz  einwandfrei  sind,  noch  auch  ohne  weiteres  einer  endgültigen  Lösung 
zugeführt  werden  können,  doch  immerhin  in  hohem  Grade  geeignet  er- 
scheinen, zu  weiterem  Nachdenken  anzuregen,  ähnliche  Beobachtungen 
sprachlicher  Differenzen  zusammenzustellen,  die  jedenfalls  beträchtliche 
Ausbeute  unter  streng  sachlichen  Oesichtspunkten  allmählich  abzuklären 
und  die  so  gewonnenen  Resultate  zum  Gemeingute  des  syntaktisch-stilisti- 
schen Unterrichts  der  Schulpraxis  zu  machen. 

An  die  Spitze  der  Probleme  stellt  der  Verf.  einige  Beispiele  aus  der 
Elementargrammatik.  Zur  Illustration  möge  es  genügen,  das  erste  derselben 
in  seinem  wesentlichen  Gedankengange  vorzuführen.  Die  Syntax  beginnt 
mit  dem  Satze.  Zweifellos  aber  läfst  die  einfachste  Form  des  Satzes,  das 
verbum  finitum  mit  dem  darin  enthaltenen  Subjekt,  überhaupt  keine  Syntax 
zur  Anwendung  kommen.  Sobald  indes  das  Subjekt  ausgedrückt  wird, 
beginnt  das  Problem.  elTtov.  Brav  und  gut.  Haben  wir  zu  sagen  iyw 
Binov  oder  etftov  iyti?  Und  sieh!  wir  stofsen  mit  einem  Male  auf  die 
Frage  von  Hiatus,  stofsen  auf  die  Frage  von  der  Stellung,  stolsen  auf  die 
Frage,  ab  das  Subjekt  überhaupt  auszudrücken  ist.  Unsere  Grammatiken 
sagen  uns,  dafs  das  Subjekt  nicht  ausgedrückt  werden  mufs,  vielmehrt 
nicht  ausgedrückt  wird,  wenn  auf  ihm  kein  Nachdruck  ruht;  aber  es  ist 
ausgedrückt,  notwendig  ausgedrückt,  ausgedrückt,  wo  wir  nicht  die  Emp- 
findung einer  eigentlichen  Emphase  haben.  Die  Verba  dieser  Subjekte 
gehören  einem  bestimmten  Kreise  an.  Es  sind  sehr  oft  Verba  des  Sagens, 
Denkens,  Wissens,  und  in  Verbindung  mit  diesen  Verben  ist  die  1.  Pers. 
sehr  ofb  ausgedrückt,  wo  wir  die  Notwendigkeit  nicht  einsehen.  Diese 
Versicherung  der  Persönlichkeit  in  eyf^da,  in  iy(^fjiac  führt  auf  die  Be- 
tonung (is  a  due  to  the  tone).    Diese  im  Lateinischen  als  vulgär  fest- 


Neue  Philologische  Bundsohaa  Nr.  18.  426 

gestellte  ErscheinnDg  ist  auch  im  Griechischen  bis  zu  einer  gewissen  Ans- 
dehnnng  vulgär,  und  so  darf  uns  bei  dem  „vulgarian^^  Äschines  der 
fibermäTsige  Gebrauch  des  Personalpronomens  fiber  den  herkömmlichen 
Kreis  hinaus  nicht  fiberraschen.  Ist  es  nicht  in  unserem  eigenen  öffent- 
lichen Leben  „bessere  Form'*  das  „Ich**  zugunsten  des  farblosen  ,,man'S 
zugunsten  des  unpersönlichen  Passivs  zu  unterdrücken? 

Die  anderen  Probleme  betreffen  die  Auslassung  der  Kopula  (sie  gehört 
ebenso  der  erhabenen  Sprache  als  der  Volkssprache  an;  Pindar  gebraucht 
schwerlich  einmal  die  Kopula,  die  sprichwörtlichen  Redensarten  leben  im 
Volksmunde;  die  Extreme  berfihren  sich  in  der  Syntax  wie  im  Wortschatz; 
auch  unsere  dichterischen  Wörter  sind  oft  vulgär  und  umgekehrt),  die 
verschiedene  attributive  Stellung  von  Artikel,  Adjektiv  und  Substantiv 
(6  iftög  vldQf  6  vidg  6  iftdg,  vlög  6  ifxdg)^  den  Artikel  bei  Eigennamen 
und  beim  Infinitiv,  die  Partizipien ,  den  Ersatz  von  Präpositionaladverbien 
durch  Adjektiva  {dtodeytaTaiogy  ii^iog,  daneben  mit  einem  Seitenblick  auf 
das  Angelsächsische  KXeivUiog),  die  Kasus,  unabhängige  (dabei  persönliches 
und  unpersönliches  Passiv,  q>d^ovoi)(xat  und  mihi  invidetur,  mit  vergleichen- 
dem Ausblick  auf  moderne  Sprachen,  und  abhängige  (haben  wir  in  caelo  de- 
currit  aperto  einen  lokalen,  in  assiduo  ruptae  lectore  columnae  einen  instru- 
mentalen oder  in  beiden  Stellen  einen  Ablativ  des  Umstandes?),  die  Prär 
Positionen,  die  Genera  Verbi,  besonders  das  reflexiv  gebrauchte  Passiv,  die 
Modi,  den  Infinitiv  {Ttagddeiy^a  rod  fiij  ddi^tv  =  rod  fiij  deiv  ädixeiv 
u.  ä.),  die  Negationen  in  allen  ihren  Einzelerscheinungen,  die  Zeiten, 
darunter  auch  das  praesens  propheticum,  und  schliefslich  die  Arten  des 
zusammengesetzten  Satzes.  Übrigens  ist  der  zu  Anfiing  der  Probleme  fiber 
die  Tempora  von  Gildersleeve  behauptete  Widerspruch  zwischen  Blafs  und 
Wilamowitz  bei  näherem  Zusehen  völlig  unbegründet.  Blafs  hat  in  der 
zitierten  Stelle,  wo  er  sagt,  die  Unterscheidung  zwischen  dauernder  und 
vollendeter  Aktion  geschehe  im  N.  T.  mit  derselben  Genauigkeit  wie  im 
klassischen  Griechisch,  nur  das  Imperfekt  und  den  Indikativ  Aorist 
im  Auge,  während  es  bei  Wilamowitz  heifst,  „der  Unterschied  zvrischen 
den  Imperativen  des  Präsens  und  des  Aorists  wird  in  der  vul- 
gären Bede  vernachlässigt '^ 

Die  leitenden  Gesichtspunkte  des  Ganzen  dürften  wohl  in  den  Worten 
Ausdruck  gefunden  haben,  die  wir  S.  9  lesen:  „Jede  griechische  Syntax 
ist  mehr  oder  weniger  eine  syntaxis  ornata,  und  wenn  ich  imstande  ge- 
wesen bin,  das  Gebiet  dieser  syntaxis  ornata  zu  erweitern,  so  werde  ich 


426  Neae  Philolc^giBche  Bnndschan  Nr.  18. 

mehr  als  zufrieden  sein/^  Jedenfalls  will  ich  nicht  verfehlen,  zum  Schlüsse 
noch  einmal  das  Studium  der  an  f&rdernden  Anr^ungen  mannigfiedtigster 
und  interessantester  Art  reichen  Aufsätze,  die  auch  hinsichtlich  des  Druckes 
im  ganzen  recht  sauber  sind  (S.  14,  Z.  1  v.  u.  1.  nvQf)^  allen  Berufe- 
genossen  recht  warm  zu  empfehlen. 

Manchen.  Ph.  Weber. 

228)  Kristoffer  Hyrop,  Das  Leben  der  Wörter.  Autorisierte 
Übersetzung  aus  dem  Dänischen  von  Robert  Yogt.  Leipzig, 
Ed.  Avenarius,  1903.    263  S.  8.  JUS.—. 

Gleich  A.  Darmsteters  Schrift  La  vie  des  mots  umfafst  Nyrope  Buch 
das  ganze  Gebiet  der  Bedeutungslehre.  Es  gliedert  sich  in  zehn  Kapitel, 
in  denen  Euphemismus,  voces  mediae,  Bedeutungseinschränkung  und  Be- 
deutungserweiterung, Metapher,  Eatachrese,  Namengebung,  Lautharmonie, 
Wortspiel,  Heiligennamen  und  einiges  andere  behandelt  wird.  Das  Ge- 
botene ist  wissenschaftlich  &st  durchweg  zuverlässig,  die  Fassung  der 
Begeln  knapp,  die  Auswahl  der  Beispiele  gut  getroffen.  Die  neueren 
Sprachen  kommen  weitaus  häufiger  zum  Wort  als  die  alten,  und  unter 
jenen  treten  die  germanischen  (besonders  Dänisch,  Schwedisch,  Norwegisch, 
nächstdem  Deutsch  und  Englisch)  und  romanischen  (besonders  Französisch 
und  Spanisch)  in  den  Vordergrund. 

FQr  den  deutschen  Leser  liegt  der  Beiz  namentlich  darin,  dafs  er 
sieht,  wie  das  Dänische  in  zahlreichen  Fällen  mit  unserer  Muttersprache 
übereinstimmt,  z.  B.  in  formelhaften  alliterierenden  Verbindungen  S.  183 ff.: 
Feuer  und  Flamme  =  fyr  og  flamme,  Mann  und  Maus  ==  mand 
og  mu8,  oder  eigene  Wege  gegangen  ist,  z.  B.  frank  und  frei,  Wohl 
und  Wehe,  mit  Umstellung  der  Glieder:  fri  og  frank,  ve  og  vel,  femer 
nicht  Fisch  noch  Fleisch  =  hvoerhen  fugl  dler  fish,  weder  Vogel 
noch  Fisch.  So  erfahren  wir  auch  S.  48,  daljs  der  Ausdruck  Zehe  in  der 
gebildeten  Sprache  der  Dänen  unmöglich  geworden  ist  und  durch  Fufs- 
finger  ersetzt  werden  mufs,  S.  126,  dafs  die  deutsche  Bedensart  den 
kürzeren  (nämlich  Halm)  ziehen  bei  unseren  nördlichen  Nachbarn 
noch  die  leichter  verständliche,  vollere  Form  aufweist:  at  traekke  det  kor- 
teste strä,  das  kürzeste  Stroh  ziehen,  S.  129,  däfs  man  in  Dänemark  bei 
starken  atmosphärischen  Niederschlägen  sagt,  es  regne  Schusterbuben, 
während  in  dieser  Verbindung  bei  uns  Bauernjungen  oder  Schneidergesellen, 
in  der  französischen  Schweiz  Kesselflicker  üblich  sind. 


i 


Nene  FbilologiBche  Rundschau  Nr.  18.  427 

■*  ■-■  ■  ■■■■■; 

Bei  einer  nemen  Auflage  wSre  zu  wfinschen,  dafs  die  einschlägige 
Literatur  verzeichnet  würde ;  femer  könnten  die  einzelnen  Kapitel  in  ihrer 
Ausdehnung  der  Wichtigkeit  des  behandelten  Gegenstandes  angepaTst  wer- 
den; denn  wenn  z.  B.  dem  Euphemismus  57  Seiten  gewidmet  werden, 
aber  der  ffir  die  ganze  Sprachentwickelung  ungleich  wichtigeren  Metapher 
nur  20,  so  steht  dies  nicht  im  richtigen  Verhältnis.  Auch  die  Anordnung 
des  Stoffes  lälst  manches  zu  wfinschen  übrig.  Warum  z.  B.  die  Laut- 
harmonie (samt  Alliteration  und  Beim),  die  doch  etwas  mehr  Äufserliches 
behandelt,  nicht  an  den  Schlufs  gerückt  worden  ist,  läfst  sich  schwer 
b^eifen,  ebensoschwer,  warum  der  Euphemismus  den  Beigen  eröffnet 
Vor  allen  Dingen  aber  kann  die  Zahl  der  Analogieen  noch  beträchtlich 
vermehrt  werden;  denn  gerade  durch  sie  werden  die  Spracherscheinungen 
in  ein  viel  helleres  Licht  gestellt.  So  war  z.  B.  S.  79  bei  der  Be- 
deutungsentwickelung des  dänischen  Wortes  skarlagen,  Scharlach  (ur- 
sprünglich eine  besondere  Art  Tuch  ohne  Bücksicht  auf  die  Earbe,  daher 
auch  blauer,  brauner,  grüner  Scharlach)  zu  erwähnen,  dafs  auch  purpurn 
von  Hans  aus  nicht  ausschliefslich  eine  rote  Farbe  bezeichnet  hat;  denn 
purpureus  kann  auch  dunkelbraun  (panis  bei  Plautus)  und  dunkelblau 
(mare  bei  Yergil)  heifsen.  Dafür,  dafs  das  Wort  Closet  von  Haus  aus 
ganz  harmlos  sogar  in  der  Dichtung  gebraucht  wurde,  könnte  als  Beleg 
eine  Stelle  aus  Bodmers  Noachide  angeführt  werden,  die  ich  in  meiner 
„Ästhetik  der! deutschen  Sprache^',  S.  127,  zitiert  habe:  Oleich  der  Böse, 
die  erst  am  Morgen  ihr  Eloset  verlassen,  d.  h.  ihre  Blätterhülle  ge- 
sprengt hat.  Für  die  alliterierenden  Wortverbindungen  S.  183  ff.  hätte  Nyrop 
zahlreiches  Material  in  meinem  Aufsatze  über  die  Wortdoppeiung  im  Deut- 
schen" (Zeitschr.  für  deutsche  Wortforschung  II,  S.  8  ff.)  finden  können. 
Endlich  bleibt  zu  wünschen,  dafs  der  gebildete  Laie,  für  den  doch  das 
Buch  bestimmt  ist,  überall  genügend  aufgeklärt  wird.  Dies  ist  aber  nicht 
immer  der  Fall,  z.  B.  wenn  auf  S.  127  zu  der  Bedensart  einen  Eorb 
bekommen  gesagt  wird,  man  müsse,  um  sie  zu  verstehen,  ins  Mittel- 
alter zurückgreifen,  wo  die  Trouv^res  vom  Zauberer  Vergilius  sangen,  den 
ein  Mädchen  in  einen  Eorb  lockte,  da  er  auf  Freiersfüfsen  zu  ihr  kam. 
Hier  galt  es,  zunächst  hinzuzufügen,  dafs  der  Boden  des  Eorbes,  weil  er 
sehr  schwach  war,  beim  Hinaufziehen  des  nicht  genehmen  Freiers  durch- 
brechen und  dieser  durchfallen  mufste,  sodann  aber,  dals  später  (im 
17.  und  18.  Jahrh.)  dem  unbequenien  Liebhaber  ein  bodenloser  Eorb  als  ab- 
weisende Antwort  ins  Haus  geschickt  wurde,  sodafs  er  ihn  tatsächlich  bekam. 

Eisenberg,  S.  A.  O.  Weife. 


428  Nene  Philologische  Bnndschai!  Nr.  18. 

229)  Victor  Jäggi,  Lateinische  Elementargrammatik  mit  ein- 
gereihten lateinischen  und  deutschen  Übungsstficken  ffir  die  unteren 

Klassen    des  Gymnasiums.     Luzern,    Schill  1902.     456  S.    8. 

geb.  ^8.70. 

Das  Buch  ist  aus  dem  ünterrichtsbetriebe  einer  Schweizer  Anstalt 
hervorgegangen  und  bietet  in  ffinf  Kursen  ungefähr  den  Stoff,  der  in  der 
Sexta,  Quinta  und  Quarta  preufsischer  Gymnasien  behandelt  wird.  Der 
Verf.  ist,  wie  er  im  Vorwort  bekennt,  kein  Freund  „der  neuen  Schule^* 
und  will  versuchen  die  lateinische  Sprache  „in  der  alten,  bewährten  Me- 
thode*' zu  lehren.  Ich  fürchte,  er  wird  durch  sein  Buch  in  niemandem 
die  Sehnsucht  nach  der  „guten  alten  Zeit'*  wachrufen.  In  der  Grammatik 
beschwort  er  die  Schatten  von  papilio,  vespertilio,  vermis  und  anderem 
Gewürm  ans  dem  Orkus  herauf,  in  den  sie  längst  eine  verständige  Päda- 
gogik verwiesen  hat;  auf  den  Wortschatz  der  Prosaschriftsteller,  die  auf 
der  mittleren  Stufe  gelesen  werden,  nimmt  er  nicht  die  mindeste  Bück- 
sicht, sondern  überschüttet  die  armen  Schüler  mit  einer  endlosen  Fülle  von 
Vokabeln,  die  sie  niemals  wieder  verwenden  können:  gleich  auf  den  ersten 
Seiten  begegnen  coruscare,  alauda,  merula,  simia,  nidificare,  pilus,  later, 
Salix,  equile,  struthiocamelus,  socrus,  veru,  resplendere,  restaurare.  Der 
Lesestoff  besteht  zum  grofsen  Teile  aus  kurzen  Einzelsätzen,  die  an 
bunter  Mannigfaltigkeit  des  Inhalts  kaum  überboten  werden  können  (z.  B. 
St.  40.  1)  Elephanti  sunt  maximi.  2)  Nihil  est  melius  quam  virtus. 
3)  Sunt  plura  genera  columbarum  etc.).  Besser  gelungen  sind  die  zu- 
sammenhängenden Stücke,  besonders  die,  deren  Stoff  der  griechischen  und 
römischen  Sage  und  Geschichte  entlehnt  ist. 

Der  lateinische  Ausdruck  ist  vielfach  mangelhaft;  ich  hebe  folgende 
Verstöfse  gegen  den  klassischen  Sprachgebrauch  hervor:  S.  92  recreatio 
pro  me  non  erit  iucunda.  S.  103  forte  st.  fortasse.  S.  154  impossibile 
est.  S.  155  nunc  st.  tum;  iterum  st.  rursus.  S.  168  bona  valetudine 
frui.  S.  172  in  bellum  proficisci.  S.  177  conjunct.  fut.  nach  timere  ne. 
S.  189  frugiferrmttö.  S.  221  amare  flere;  desiderare  c.  inf.  S.  222 
tbronus.  S.  229  Ephesi,  in  Asia  minore.  S.  232  M.  Cicerone  ei  M.  An- 
tonio. S.  241  quam  viam  st.  utram.  S.  243  nos  impedient  quominus. 
S.  261  mundus  st.  orbis  terrarum;  prae  Omnibus  eluxit.  S.  287  a  parti- 
bits  alicuius  stare.  S.  295  Hermes.  S.  297  dubito  num.  S.  299  bellum 
Persicum.  S.  320  Antiochiae  vixit  st.  fuit.  S.  326  nulla  re  magis  .  .  . 
nisi.  S.  339  magistrum  effugit  st.  fugit.    S.  341  und  oft  plures  st.  com- 


Nene  Philologische  Bundschan  Nr.  18.  429 

plures.    S.  347  docet  experientia  st.  usus.    S.  349  maior  natu«.    S.  350 
dubitant  an  ullos  dox  st.  nullus.    S.  351  exempli  gratia  st.  ut. 

Potsdam.  E.  Kranfe. 

230)  H.  Hettner,  ülnstrierter  Führer  durch  das  Froyinzial- 
museum  in  Trier.  Mit  143  Abbildungen.  Trier,  J.  Lintz. 
n  nnd  146  S.  8.  Ji  1.60. 

Ein  Mnseumsffihrer  in  einer  philologischen  Zeitschrift?  Die  Antwort 
auf  die  scheinbar  berechtigte  Frage  gibt  schon  der  Name  des  Verfassers. 
Nie  ist  aus  seiner  Feder  etwas  verö£fentlicht,  was  nicht  den  strengsten 
Anforderungen  philologischer  Wissenschaft  genügt  hätte.  Und  weiter,  wie 
sollte  nicht  ein  Buch  über  das  Museum  der  alten  Augusta  Treverorum  un- 
mittelbar hineinführen  in  die  Welt  des  Altertums,  von  der  eben  hier  auf 
deutschem  Boden  die  beredtesten  Zeugnisse  zu  uns  sprechen? 

Eine  Festschrift  zum  25jährigen  Bestehen  des  Provinzialmuseums 
sollte  dieses  Werk  werden,  ein  kundiger  Führer  für  den  Laien  zugleich 
wie  für  den  Forscher,  ein  lebendiges  Andenken  für  die,  welchen  diese 
Schätze  mit  eigenen  Augen  zu  schauen  vergönnt  war.  Nun  ist  das  Buch 
zum  wehmütigen  Andenken  an  den  geworden,  den  von  der  Höhe  erfolg- 
reichen Schaffens  ein  jäher  Tod  hinabgestürzt  hat  in  die  stumme  Welt 
der  Schatten.  Was  er  mit  frohem  Hoffen  begonnen  hatte,  die  eigene, 
rastlose  Hand  hat  es  nicht  vollenden  dürfen;  dem,  der  ihm  auch  im  Leben 
eng  verbunden  war,  Hans  Lehner  in  Bonn,  fiel  die  traurige  Freundespflicht 
zu,  das  Unternommene  in  seinem  Sinne  zu  Ende  zu  führen.  Ihm  danken 
wir  es,  dafs  das  Buch  nun  doch,  so  wie  es  gedacht  war,  abgeschlossen  vor 
uns  liegt. 

Es  vereinigt  in  sich  die  ungewöhnlichen  Eigenschaften,  welche  Hettner 
allen,  die  ihm  näher  getreten  sind,  unvergefslich  machen :  die  umfassende 
Gelehrsamkeit  auf  diesem  seinem  eigensten  Schaffensgebiete,  den  tief 
dringenden,  selbständig  fortschreitenden  Forschergeist,  der  bei  allem,  was 
er  gab,  zugleich  zu  lebendiger,  eigener  Mitarbeit  fortrifs,  die  frische  An- 
schaulichkeit in  Wort  und  Bild,  und,  nicht  als  geringstes  sei  es  genannt, 
den  klaren  praktischen  Blick,  der,  in  langjähriger  Wirksamkeit  geübt,  ihn 
auch  äufserlich  von  Erfolg  zu  Erfolg  geführt  hat.  War  es  nicht  herz- 
erfreuend, zu  sehen,  wie  an  Sommersonntagen  Leute  jedes  Standes  und  Alters 
die  schönen  Bäume  des  Trierer  Museums  füllten,  um  zu  schauen,  wie  einst 
auf  diesem  althistorischen  Boden  ein  längst  vergangenes  Geschlecht  gelebt 


Neue  Philologische  Bandschan  Nr.  18. 


it?  Manch  einer  von  ihnen  wird  jetzt  mit  innerer  Bewegung  dieses 
)ach  in  die  Hand  nehmen  und,  wenn  er  das  lebensvolle  Bild  Hettners 
^trachtet,  mit  Dank  und  Verehrung  dessen  gedenken,  der  vielen  so  vieles 
gegeben  hat.  Vor  allem  aber  geziemt  solcher  Dank  uns  Philologen,  die 
dr,  leidenschaftlich  eifrig  wie  es  seine  Natur  war,  während  der  Festtage 
des  archäologischen  Kursus,  selbst  nie  ermüdend,  stets  anspornend  in  das 
Beich  einzufahren  strebte,  das  hier  er  selbst  vornehmlich  der  Wissenschaft 
erobert  hatte.  Und,  mochte  wohl  einmal  den  einzelnen  ein  schärferes 
Wort  des  temperamentvollen  Mannes  befremden,  vergessen  wir  nicht,  dals 
sein  ganzes  Wesen  von  dem  mannhaften  Gedanken  Senecas  getragen  war : 
si  quis  sibi  proposuerit  quantum  operis  adgressus  sit,  seiet  nihil  delicate 
nihil  molliter  esse  faciendum. 

Sondershausen.  A«  Fnaok. 

231)  Der  alte  Orient.    5.  Jahrgang,  Hefb  l:  W.  Hax  Httller,  Die 

alten  Ägypter  als  Krieger  und  Eroberer  in  Asien.    Mit  7  Ab- 
bildungen.   32  S.    8. 
—   Heft  2:   Leopold   Messerschmldt,    Die    Entzifferung 
der  Keilschrift.    Mit  3  Abbildungen.    32  S.    8.    Leipzig, 
J.  C.  Hinrichs.  k  Ji  —.60. 

Die  beiden  ersten  Hefte  des  5.  Jahrgangs  der  von  der  Vorderasiatischen 
Gesellschaft  herausgegebenen  gemeinverständlichen  Darstellungen  sind  ge- 
eignet, neue  Freunde  zu  werben. 

MfiUer  weist  in  seiner  Darstellung  hin  auf  die  mafslose  Übertreibung 
der  ägyptischen  Eroberungszfige  durch  griechische  Schriftsteller,  die  sich 
manche  Bären  haben  aufbinden  lassen,  wenn  sie  durch  ihre  Fragen  die 
leicht  überschwängliche  Phantasie  der  Orientalen  rege  machten.  Die 
Ägypter  sind  von  altersher  ein  wenig  kriegerisches  Volk  gewesen;  nicht- 
ägyptische Truppen,  Söldner  bildeten  den  Kern  des  Heeres ;  die  südlichen 
Grenzlandschaften  lieferten  schon  in  sehr  alter  Zeit  Bekruten  für  Ägypt-en, 
schwarze  Regimenter  fehlen  eigentlich  nie  zur  Zeit  der  Pharaonen;  dann 
treten  Beduinen,  Libyer  und  Europäer  auf,  libysche  Besatzungen  werden 
angesiedelt,  und  ihre  Nachkommen  bilden  den  ägyptischen  Kriegerstand. 
Auf  den  Kriegszügen  nach  Syrien  sind  sie  höchstens  ein  paarmal  bis  an 
oder  über  den  Euphrat  und  an  das  Amanos-Gebirge  vorgedrungen,  und 
das  war  nur  möglich  bei  der  territorialen  Zersplitterung  Syriens,  wo  nur 
vereinzelt  ein  gröfseres  Fürstentum  existierte;  dauernde  Eroberungen  hat 


Neue  Philologische  Rundschau  Nr.  18.  431 

Ägypten  dort  nie  gemacht,  Hauptzweck  der  Zuge  war  Plünderung.  Noch 
kfimmerlicher  war  die  Seemacht  Ägyptens;  Zflge  über  das  Meer  hat  kein 
König  unternommen;  man  begnügte  sich  mit  notdürftigem  Abwehren  der 
Seeräuber.  —  Die  kriegerischen  Unternehmungen  Ägyptens  werden  vom 
Verf.  kurz  geschildert. 

Bei  dem  jetzt  seit  Delitzschs  Vorträgen  sehr  gehobenen  Interesse  für 
die  Entdeckungen  auf  dem  alten  Kulturboden  von  Vorderasien  wird  für 
alle  die,  welche  sich  mit  diesen  Forschungen  wenig  beschäftigt  haben, 
die  Schrift  Messerschmidts  sehr  willkommen  sein.  Er  gibt  eine  gedrängte, 
aber  durchaus  ausreichende  Darstellung  der  Art  und  Weise,  wie  es  gelungen 
ist,  zunächst  die  persische  und  dann  die  babylonische  Keilschrift  zu  ent- 
ziffern. Aufserordentlich  geschickte  Kombinationen  und  sorgfältige  metho- 
dische Studien  erforderte  vor  allem  das  Babylonische;  wie  man  alle  Irr- 
tümer, die  man  bei  der  Schwierigkeit  der  Sache  beging,  glücklich  verbesserte 
und  jetzt  verhältnismäfsig  leicht  das  Neugefundene  enträtseln  kann,  wird  auch 
für  den  des  Semitischen  unkundigen  Philologen  höchst  lesenswert  sein. 

Von  dem  3.  Hefte  des  1.  Jahrgangs:  Alfred  Jeremias,  Hölle  und  Paradies 
bei  den  Babyloniern,  ist  eine  2.  verbesserte  Auflage  erschienen,  44  Seiten  stark; 
sie  berücksichtigt  die  Bibel-Babel-Frage  und  gibt  die  biblischen  Parallelen  an. 

Oldesloe.  R.  Hansen. 

232)  Faul  Dörwald,  Griechischer  Wortschatz.  Berlin,  Weid- 
mann, 1903.     V  u.  111  S.  8.  ^  2.-. 

Dieses  sorgfältig  gearbeitete  Wörterverzeichnis  will  als  Grundlage 
dienen  zu  einer  systematischen  Einprägung  der  wichtigeren  Vokabeln. 
Berücksichtigt  werden  nur  die  Prosaiker  der  Schule  mit  Ausnahme  Herodots 
und  der  I.  Teil  des  v.  Wilamowitzischen  Lesebuches.  Die  Wörter  sind  in 
15  Gruppen  geordnet,  von  denen  beispielsweise  die  1.  Mensch,  Geburt 
und  OeschUcU,  Lebensalter,  Familie;  Körper;  Haus;  Essen,  Trinken; 
Kleidwng,  die  13.  Heer,  Bewaffnung,  Heeresdienst,  Krieg,  Schlacht; 
Schiffahrt  behandelt.  Ein  alphabetisches  Verzeichnis  sämtlicher  Wörter 
mit  Angabe  ihrer  Stelle  im  Vokabular  ist  beigegeben. 

Auswahl  sowohl  wie  Gruppierung  werden  im  allgemeinen  Zustimmung 
finden.  Zur  besseren  Auffindung  der  Wörter  nach  dem  Verzeichnis  sollten 
die  einzelnen  Seiten  des  Vokabulars  mit  Angabe  der  behandelten  Gruppen 
(als  Kopf)  versehen  werden. 

Limbach  (Hessen).  F.  Adaml. 


432  Nene  PhilologlBche  Bundschan  Nr.  18. 

Vakanzen. 
Bochum,  Q.  Obl.  Elass.  oder  neuere  Phil.   Kuratorium. 
Breslau,  HMS.  Obl.  Math.  u.  Nat   Magistrat. 
Essen  (Ruhr),  HMS.  Obl.  Math.  u.  Nat.   Dir.  Dr.  Fröchtling. 
Frankfiirt  a.  H.,  Handelslehranstalt:  Vier  Obl.   Deutsch.  Oesch.;  Phys. 

u.  Math.;  Engl.  u.  Franz.;  Bei.  Schul  vorstand  d.  Fortbildungsschulen. 
Frelbnrg  1.  Schi.,  OB.  Zwei  Obl.  Math,  und  Nat.;  N.  Spr.   Magistrat. 
Görlitz,  BQ.  Direkt.  Magistrat. 
HannoTer,  OB.  Zwei  Obl.  Deutsch  u.  Gesch.  resp.  Math.  u.  Nai   Dir. 

Dr.  Hemme. 
Leer,  HMS.  Obl.  Bei.  u.  Deutsch.   Magistrat. 
Magdeburg,  G.  u.  BS.  Obl.  N.  Spr.  od.  Math.   Magistrat. 
—         OB.  Obl.  Bei,  Deutsch  u.  Gesch.   Magistrat. 
Neumünster,  G.  Obl.  N.  Spr.   Magistrat. 
Schwedt,  G.  Obl.  Elass.  Phil.   Magistrat. 
Unna,  BS.  Obl.  Gesch.,  Deutsch  u.  Lat. 

Viersen,  G.  (Eathol.)  Obl.  Gesch.  und  Elass.  Phil.   Bfirgermeister. 
Wiesbaden,  OB.  Obl.  Math.  u.  Nat.   Dir.  Gfith. 

Paul  Neff  Vertag  (Carl  Bflchle)  in  Stuttgart 


In  nnserem  Verlag  ist  komplett  erschienen  die 

Zehnte  Auflage 

von 
Christoph  Fr.  Griebs 

EniiliscIi-BBatscIiBiii  BBd  Deutsch -EBQlittlieiii  Wfirtarhicli 

mit  besonderer  Rücksicht  auf  Aussprache  und  Etymologie 

neu  bearbeitet  nnd  yermehrt 
yon 

Dr.  Arnold  Schröer 

•rd.  Professor  an  der  Handelshochschxile  zn  Köln 
weU.  ord.  Professor  der  engUschen  PMlologle  an  der  Universität  Freibnrg  i.  B. 

160  Bogen  dreispaltiger  Satz  in  Gr.-Lex.  8®. 

I.  Band:  II  Band: 

elefc.  in  Halbleder  geb.  M.  14.—    eleg.  in  Halbleder  geb.  M.  12.— 

Dieser  Teil  (der  deutsch-engUscbe)  ist  mit  derselben  Sorgfalt  und  GrUndUchkeit  ge- 
arbeitet, die  von  dem  ersten  gerünmt  werden  konnten.  Die  VollBtändigkelt.  in  der  das  Wort 
material  ausgebeutet  wurde,  erhellt  aus  einem  Vergleich  mit  dem  ebenfalls  rUhmUohst  be- 
kannten „  Deutschen  Wörterbnche  "  yon  M.  Heyne.  Unter  den  mit  der  Partikel  „ab"  rebüdeter- 
Wörtem  allein  weist  das  Grieb-Schröersche  Wörterbuch  um  nahezu  900  Artikel  mehr  auf  sin 
Heyne.  Dabei  sind  die  Weiterbildungen  durch  Zusammensetzung  nicht  einmal  gezählt.  Sehs 
häufig  trifft  man  auf  Bedeutungsnuancen,  die  in  dem  zum  Veiglefch  herangezogenen  deutschen 
Wörterbuch  nicht  berücksichtigt  sind,  und  nur  selten  auf  eine  Lücke,  diese  stets  nur  von 
untergeordneter  Bedeutung.  Zslttohrift  fOr  das  RsaltohalwMea. 

fllP*  Zu  haben  in  allen  Buchhandlunoen  'VH 

Für  Sclmleii  Teri^InBtlffnBKeii  bei  gleichzeitigem  Bezug  einer  gröfseren  Anzahl 
von  Exemplaren. 

Fflr  die  Bedaküon  venuitwortlieh  Dr.  E.  Ludwig  in  BrtmM. 
Prnok  «ad  Verlag  tob  iTriedrick  Andnas  Perthes,  AkliengeBellaehafk,  Gotha. 


OCT   2  1903 


Gotha,  19.  September.  Nr.  19,  Jahi^ang  1903. 

Neue 

PhilologischeRundschau 

^  Herausgegeben  von 

Dr.  0.  Wagener  und  Dr.  E.  Ludwig 

in  Bremen. 

ErBcheint  alle  14  Tage.  —  Preis  für  den  Jahrgang  8  Mark. 

Bestellungen  nehmen  alle  Bachhandlangen,  sowie  die  Postanstalten  des  In-  and  AoHlandes  an 

InsertioDsgebflhr  fttr  die  einmal  gfespaltene  Petitzeile  80  Pfg. 


Inhalt:  Zu  Flatons  Apologie  p.  26  D.  (Edm.  Fritze)  p.  433. 

Bezensionen:  233)  £.  S.  Shackburgh  -  B.  C.  Jebb,  The  Antigone  of 
Sophocles  (W.  Heindl)  p.  437.  —  234)  A.  Eappelmacher,  Studia  luvenaliaDa 
(H.  Polßtorff)  p.  438.  —  235)  W.  H.  D.  Rouse,  Qreek  votive  offerings  (P.  Weiz- 
säcker) p.  441.  —  236)  E.  Kemmer.  Die  polare  Ansdmcksweise  in  der  griechischen 
Literatur  (J.  Keller)  p.  442.  —  237)  J.  Willems,  Le  Sänat  Romain  en  Fan 
65  apr^  J^ns-Christ  (Ed.  WolJQO  p.  444.  —  238)  Alb.  Müller,  Jagendförsorgü 
in  der  römischen  Kaiserzeit  (M.  Hoderroann)  p.  447.  —  239)  Ad.  Zünd-Burguet, 
Methode  pratiqne,  pbysiologiqne  et  comparee  de  Prononciation  fran^aise  (G.  Rolin) 
p.  448.  —  240)  W.  Rübenkamp,  1200  der  gebräuchlichsten  franz.  Sprich- 
wörter (J.  M.  Küffher)  p.  452.  —  241)  Georg  Stier,  Little  Eoglish  Talks 
(K.  Pusch)  p.  453.  —  242)  Behaghel,  Der  Gebrauch  der  Zeitformen  im  kon- 
junktivischen Nebensatz  des  Deutschen  (C.'D.)  p.  454.  —  Vakanzen.  —  Anzeigen. 

Zu  Piatons  ,,  Apologie''  p.  26  D. 

Von  Edm.  Fritze. 

An  der  Stelle  der  Platonischen  „Apologie 'S  an  der  sich  Sokrates 
gegen  die  Worte  der  Anklage  d^eotig,  odg  ij  ndlig  vofii^ei,  ov  rof^i^ovray 
€T€Qa  de  daifiövia  yuxivi  (p.  24  BC)  verteidigt,  lautet  der  Text  in  der 
Ausgabe  mit  deutschem  Kommentar  von  Schanz  (1893)  (p.  26  CD): 
i2  d^avii&aiB  Milr[ue,  %va  ri  tafha  Xiyeig;  oids  fjXiov  ovde  ash^vriv  äga 
vofil^o)  d^eoig  dvm,  üaTteg  ol  äXXov  &yd-Q(07tOL;  Mä  jCj  &  ävdgeg  di- 
yiaatai,  inei  tdv  fiiv  ijkiov  Xi&ov  qnpiv  üvaiy  rijv  de  aeXi^i^v  yfjv. 
ly^va^ayÖQOv]  oXev  yLatrffoqeiv  ^  &  q>iXe  MiXrire,  xai  ofkw  KaTaq)QOvelg 
Ttüvde  Kai  oYec  aivovg  aTteiQOvg  yqafjL^dtojv  ßlvat,  &a%e  ovn  eldevaL  8t v 
Tdva^ayÖQOv  ßißXla  roD  KXaKo^eviov  yifiei  Toikoßv  rdv  Xöywv.  -ml  d^ 
Kai  Ol  vioi  taijta  Ttaq^  ifioü  iiav&dvovaiVy  S  e^eattv  evloTe^  d  niw  TtqkXoü 
dQax/dfjg  ix  Tfjg  dgx'i^'^Q^S  n;quxiiivoLg  SoiKfdrovg  KaTayeXdi^,  iäv  jtQoa- 
noifjrai  kavroi^  elvaiy  äXXtag  re  nat  oikwg  ikoTta  Svra.  Und  in  einer 
Anmerkung  zu  ölet  Kati^yoqBiv  heirst  es:  „Im  vorausgehenden  Satz  wird 


434  Neue  Philologische  Bundschau  Nr.  19. 

von  Meletos  dem  Sokrates  eine  Ansicht  beigelegt,  welche  dem  Anaxagoras 
angehört.  Wie  kann  das  rhetorisch  ausgenutzt  werden?  Doch  nur  so, 
dafs  dieses  Vorgehen  des  Meletos  als  eine  absichtliche  Täuschung  hin- 
gestellt wird,  welche  von  der  Voraussetzung  ausgeht,  dafs  die  Zuhörer  die 
Lehren  des  Anaxagoras  nicht  kennen.  Diesen  einfachen  natürlichen  Ge- 
danken gewinnen  wir  nicht  aus  den  fiberlieferten  Worten.  Denn  statt  des^^ 
(zu?)  „erwartenden  2(OKQdTovg  (du  glaubst  den  Sokrates  anzuklagen  und 
rechnest  dabei  auf  die  Unwissenheit  der  Zuhörer)  lesen  wir  l^va^ayÖQov. 
Mit  Beibehaltung  dieses  Wortes  könnte  ein  annehmbarer  Sinn  nur  ge- 
wonnen werden,  wenn  es  statt  ol«t  yuxTriyoQeiv  hiefse  y,a^r^yoQeXg  (du  klagst 
den  Anaxagoras  an  und  rechnest  dabei  auf  die  Unwissenheit  der  Zuhörer). 
Auch  der  Versuch,  durch  die  Schreibung  von  1^  ovrw  statt  yuxi  oikcj  das 
^Ava^ayöqov  zu  retten,  führt  nicht  zum  Ziel;  denn  auch  in  diesem  Fall 
erwartet  man  xarijyo^afe;  auch  würde  der  Begriff  „Sokrates",  den  das 
zweite  Glied  verlangt  (klagst  du  den  Anaxagoras  oder  den  Sokrates  an?), 
in  störender  Weise  indirekt  eingeführt  sein.  ^Ava^aydqov  ist  sonach 
unecht;  ifiof)  ergänzt  sich  leicht  aus  dem  Zusammenhang." 

Schon  in  seinen  „Studien  zur  Gesch.  d.  Piaton.  Textes"  (1874)  sagt 
Schanz  auf  S.  35:  „Ein  wahrhaft  absurdes  Glossem  ist  'Alva^aydqov;  es 
ist  in  der  Tat  unbegreiflich,  wie  man  das  Wort  so  lange  ungestört  im 
Texte  belassen  konnte.  Baiter  ist  meines  Wissens  der  erste,  welcher  An- 
stofs  an  dem  Worte  nahm  und  vielmehr  S(oyiQ(kovg  verlangte.  Nein,  es 
ist  nichts  zu  ändern,  sondern  zu  streichen.  KavriyoQsiv  kann  hier  das 
Objekt  entbehren."  So  hat  Schanz  auch  schon  in  seiner  kritischen  Aus- 
gabe von  1875  ^Ava^ayÖQOv  eingeklammert  und  Bertram  hat  es  in  seinen 
drei  Ausgaben  von  1882,  1888  und  1893  ganz  weggelassen.  Einen  kleinen 
Unterschied  weisen  hinsichtlich  der  Interpunktion  die  Schanzische  Aus- 
gabe von  1875  und  die  Bertramschen  gegen  die  Schanzischen  von  1893 
auf;  sie  haben  hinter  Uycav  ein  Fragezeichen.  Die  von  Schanz  in 
seinem  deutschen  Kommentar  erwähnte  Schreibung  ij  ofkio  beruht  auf 
einem  Vorschlage,  den,  freilich  ohne  jede  nähere  Begründung,  H.  Sauppe 
in  seiner  Bezension  der  Schanzischen  „Studien"  (Jen.  L.-Z.  1875,  S.  13) 
gemacht  hat;  ihm  sind  Petersen  (1896)  und  Rosiger  (1902)  gefolgt,  wäh- 
rend Kral  (1885),  Christ  (1894)  und  v.  Bamberg  (1897)  mit  Beibehaltung 
des  handschriftlichen  %ai  und  gleichzeitiger  Aufnahme  des  Sauppeschen  ij 
in  ihre  Texte  ein  ^  xat  ofko)  („oder  gar")  gesetzt  haben.  Dagegen  sind 
Wohlrab  (in  der  Ausgabe  mit  lateinischem  Kommentar  von  1877  und  in 


Neae  Philologische  Bundschau  Nr.  19.  435 

seinen  Textausgaben,  deren  letzte  von  1902  ist),  Schmelzer  (1883),  Burnet 
(1899)  und  Gron-TJhle  (zuletzt  1902)  der  ganzen  handschriftlichen  Über- 
lieferung treu  geblieben  und  weichen  nur,  wie  das  auch,  und  fast  ganz 
ohne  Einflufs  auf  den  Sinn,  bei  den  anderen  Ausgaben  der  Fall  ist,  in 
der  Interpunktion  (Komma  oder  Fragezeichen  oder  Eolon  hinter  &  q)iXe 
MiXr^cB  und  Fragezeichen  oder  Punkt  hinter  X6y(av)  voneinander  oder  von 
Schanz  ab. 

Was  mag  nun  wohl  Piaton  in  Wahrheit  geschrieben  haben?  Zu- 
nächst steht  meines  Erachtens  fest,  dafs  von  o^m  yia%aq>qovBig  an  der 
überlieferte  Text  nicht  zu  dem  geringsten  Zweifel  Anlafs  gibt  und  dafs 
die  Worte  vä  lAva^äyöqov  ßißXia  Tod  Klal^ofieyiov  auf  einen  Gegensatz 
und  damit  auf  die  ünechtheit  des  ersten  It^va^ayÖQOv  hinweisen,  gegen 
dessen  Setzung  an  jener  ersten  Stelle  auch  der  Umstand  spricht,  dafs  man 
doch  dort,  wenn  der  Name  des  Anaxagoras  genannt  wäre,  auch  die  Hin- 
zufQgung  der  Herkunftsbezeichnung  erwarten  müfste.  So  wird  man  also 
den  von  Baiter  angeregten  Zweifel  teilen  müssen;  leider  habe  ich  nicht 
feststellen  können,  wann  und  wo  er  ihn  ausgesprochen  und  wie  er  ihn 
und  seinen  Vorschlag,  2ürKQ(kovg  für  ^Ava^aydqov  einzusetzen ,  begründet 
hat.  Aber  dafür  kann  man  sich  ja  die  Argumentation  von  Schanz,  soweit 
sie  sich  gegen  die  Echtheit  des  ^Ava^aydqov  richtet,  zu  eigen  machen; 
nur  möchte  ich  das  nicht  gelten  lassen,  dafs  mit  einem  ^Ava^aydqov 
xaTayoQeig  (statt  oul  ytatriyoQeiv)  geholfen  wäre,  weil  dabei  immer  der  er- 
wähnte auffällige  umstand  der  Hinzufügung  der  Herkunftsbezeichnung  bei 
dem  zweiten  'Ava^ayöqov  bestehen  bliebe.  Auch  der  Versuch  von  Sauppe, 
die  Stelle  durch  die  Ersetzung  des  xal  durch  ein  i)  zu  heilen,  wird 
man  mit  Schanz  zurückweisen  müssen  und  sich  auch  hier  wieder  seiner 
Begründung  anschliefsen  können;  nur  bestreite  ich  auch  in  diesem  Falle, 
und  zwar  aus  demselben  Grunde,  wie  soeben,  die  Möglichkeit  eines  '^va|a- 
yoQOv  yuxvriyoQeig  J)  oikto  htL 

Also  i^va^ayÖQOv  ist  jedenfalls  als  unecht  zu  betrachten.  Aber  mufs 
nicht  etwas  anderes  dafür  eingesetzt  werden?  Der  mit  <^€d  yuxratpQovelg 
beginnende  Satz  weist,  wie  ich  vorhin  gesagt  habe,  auf  einen  Gegensatz 
hin,  und  dieser  kann  nun  persönlicher  oder  sachlicher  Art  sein.  Ist  er 
persönlicher  Art,  so  wird  an  der  ersten  Stelle  bei  dem  oXet  narriyoQeiv 
eine  Person  erwähnt,  die  zu  dem  gleich  darauf  genannten  Anaxagoras  in 
einem  Gegensatze  steht,  und  das  kann  nach  dem  ganzen  Zusammenhange 
(auch  das  spätere  Tcag'  if^oü  bezeugt  es)  nur  Sokrates  sein.     Nun  meint 


436  Nene  Philologische  Bnndschau  Nr.  19. 

SchaDZ  freilich,  if^oß  ergänze  sich  leicht  aus  dem  Zusammenhange,  aber 
man  muls  doch  wohl  Baiter  Becht  geben,  wenn  er  ausdrücklich  ein  JSoi- 
yLQOTovg  einsetzt.  För  die  Möglichkeit  einer  Verwechslung  der  beiden 
Namen  bei  der  Abschrift  lassen  sich  ja  mancherlei  Ursachen  anfahren: 
ein  Blick  auf  den  in  nächster  Nähe  folgenden  Namen  kann  sie  veranlafst 
haben  oder  der  Abschreiber  hat  eine  vermeintlich  falsche  Lesart  absicht- 
lich und  bewufst  geändert  oder  der  Name  ist  zuerst  unabsichtlich  aus- 
gelassen und  später  aus  Versehen  oder  Mifsverständnis  fälsch  ergänzt 
worden  u.  dgl.  m.  Durch  die  Einsetzung  von  lioycQdrovg  wird  auch  der 
Ausdruck  voller,  und  der  ganze  Satz  gewinnt  namentlich  für  den  weniger 
geschulten  Leser  eine  gröfsere  Verständlichkeit  Deshalb  habe  ich  es  für 
richtig  gehalten,  in  der  von  mir  besorgteen  vierten  Auflage  der  Bertram- 
schen Ausgabe  (1898)  ScjyLQdrovg  drucken  zu  lassen,  und  diese  Schreibung 
auch  in  der  demnächst  erscheinenden  fünften  Auflage  beibehalten.  Ebenso 
habe  ich,  um  den  Ausdruck  als  deutlicher  und  bestimmter  ausgeprägt  und 
den  dem  Meletos  gemachten  Vorwurf  als  schärfer  und  unbedingter  er- 
scheinen zu  lassen,  im  Anschlufs  an  die  beiden  Schanzischen  Ausgaben 
von  1893  hinter  Idycjv  statt  des  Fragezeichens  einen  Punkt  gesetzt. 

Aber  darf  man  nun  glauben,  dais  damit  der  Schaden  endgültig  ge- 
heilt und  jeder  Möglichkeit  einer  Anzweifelung  für  immer  vorgebeugt  sei? 
Keineswegs;  die  Lesart  SwyLQdrovg  hat  ja  auch  keine  weitere  Aufnahme 
gefunden,  und  in  der  Tat  spricht  auch  etwas  gegen  sie.  Es  klingt  doch 
etwas  wunderlich,  wenn  Sokrates  sagt:  Du  meinst  den  Sokrates  anzu- 
klagen und  rechnest  dabei  auf  die  Unwissenheit  der  Zuhörer;  Meletos 
meint  das  nicht,  sondern  klagt  den  Sokrates  tatsächlich  an.  Aber  es  ist 
nicht  der  geringste  Grund  vorhanden,  an  der  Richtigkeit  des  om  zu 
zweifeln,  und  die  Schwäche  der  Überlieferung  kann  nur,  wie  vorhin  be- 
merkt ist,  darin  liegen,  dafs  nicht  der  richtige  Gegensatz  zu  dem  tä 
l^va^ayÖQOv  ßcßXia  -^tL  vorhanden  ist.  Ist  nun  mit  der  Einsetzung  des 
persönlichen  Gegensatzes  2cjyiQ<iTovg  noch  nicht  die  sichere  Abhilfe  gewonnen 
und  sind  Wendungen,  wie  ^£ig  ä&acyu  /dov  oder  '^^«(J-rijrcJg  f^ov,  paläo- 
graphisch  unwahrscheinlich,  so  mu&  man  sich  nach  einem  Ausdruck  um- 
sehen, in  welchem  ein  sachlicher  Gegensatz  enthalten  ist,  ein  Gegensatz, 
in  dem  der  Unterschied  zwischen  dem  wirklichen  Zutreffen  der  Anklage 
auf  Anaxagoras  und  dem  Meinen  des  Meletos,  zwischen  der  Unwiderleg- 
barkeit der  gegen  Anaxagoras  zu  richtenden  Anklage  und  der  Widerlegbar- 
keit  der   gegen   Sokrates   gerichteten  zur  Geltung  gelangt.    Das  yuxTti- 


Nene  Philologische  Bundschan  Nr.  19.  437 

yoQeiv  niufs  in  dem  verloren  gegangenen  Worte  als  ein  sicher  zum  Ziele 
führendes,  ein  auf  guten  Glauben  rechnendes,  ein  unwiderlegbares  charak- 
terisiert gewesen  sein.  Ein  dem  eben  dargelegten  verwandter  Gedanken- 
gang hat  vor  Jahren  E.  J.  Liebhold  zu  dem  Vorschlage  veranlafst  (Fleck- 
eisens Jahrbb.,  137.  Jahrg.  1888,  S.  756/7),  an  unserer  Stelle  IdfU'  e$ 
ändqov  Karriyogeig  zu  schreiben;  das  hinter  ^Ava^aydqov  stehende  oiu 
soll  als  Duplikat  des  nachfolgenden  in  den  Text  geraten  sein  und  das  i^ 
dTtÖQOv  wird  durch  die  Übertragung,  welche  Stallbaum  fQr  das  i^  dfcögatv  in 
den  Gesetzen  II,  p.  699  B  gegeben  hat  („post  desperatam  plane  rerum  suarum 
condicionero  et  fortunam'^i  erklärt  Aber  gegen  diesen  Vorschlag  spricht 
in  erster  Reihe  die  Änderung  des  ohi  yuxrriyoQeiv  in  TLorriyoQeig;  sodann 
entfernen  sich  die  Schriftzfige  des  [^11^  i^  dTtdqov  von  denen  des  ^Ava^a- 
yÖQov,  dessen  Entstehung  in  diesem  Falle  doch  nur  durch  ein  Verlesen 
erklärt  werden  kann,  allzusehr;  endlich  wird  der  Gegensatz  zwischen  der 
vermeintlichen  Beichaffenheit  der  Anklage  und  ihrem  wirklichen  frivolen, 
auf  die  Unwissenheit  der  ZuhOrer  rechnenden  Charakter  nicht  deutlich 
genug  ausgedrückt.  Alle  Bedenken  Men  dagegen  fort,  wenn  man  sich 
^Av^eUyKTiog  oXei  yuxrriyoQeiv  geschrieben  denkt;  damit  ist  ein  Wort 
eingesetzt,  dessen  Sinn  („unwiderlegbar'^)  die  vorhin  gestellten  Anforde- 
rungen erfüllt  und  bei  dem  das  Fehlen  eines  Personenobjekts  nichts  Auf- 
fälliges hat.  In  demselben  Sinne  ist  äye^iXeyyuvog  auch  in  Xenophons 
Kynegetikos  13,  7  gebraucht  und  das  Adverbium  dv^eUyyLTtog  "kommt  in 
Xenophons  Oikonomikos  10,  8  in  der  Verbindung  ävs^eXiyrtag  i^aTtarßv 
mit  dem  Sinne  eines  „uneDtdeckbaren,  unfehlbaren,  unwiderlegbaren*' 
Betrügens  vor.  Danach  würde  also  unsere  Stelle  in  deutscher  Über- 
tragung lauten:  Eine  unwiderlegbare  Anklage  meinst  du  zu  erheben  und 
denkst  so  gering  von  diesen  hier  und  hältst  sie  für  so  unbewandert  in 
der  Literatur,  dafs  sie  nicht  wüfsten,  dafs  die  Bücher  des  Elazomeniers 
Anaxagoras  von  diesen  Darlegungen  voll  sind.  Und  natürlich  lernen  auch 
die  jungen  Leute  von  mir  diese  Dinge  usw. 

233)  E.  S.  Shuckburghi  The  Antigone  of  Sophodes  with  a 
commentary,  abridged  from  the  large  edition  of  B.  C.  Jebb. 
Cambridge,  üniversity  Press  (London,  J.  Giay  &  Sons),  1902. 
XL  u.  252  S.  8.  geb.  4  sh. 

Als  ein  Beweis  von  der  Bedeutung  der  Sophoklesausgabe  des  eng- 
lischen Gelehrten  Jebb  ist  es  zu  betrachten,  dafs  Shuckburgh  einen  Auszug 


438  Neue  Philologieche  Rundschau  Nr.  19. 

der  Antigoneansgabe  Von  Jebb  veranstaltet  hat,  nm  die  Ergebnisse  der 
Forschung  Jebbs  weiteren  Kreisen  zngäoglich  zu  machen.  Die  Ausgabe 
von  Sh.  ist  bestimmt  „zum  Gebrauch  von  höheren  Klassen  in  Schulen 
und  für  üniversitätsstudenten''. 

In  der  Vorrede  erklärt  Sh.,  dafs  er  nur  in  sehr  wenig  Fällen  ein 
oder  zwei  Worte  oder  eine  Bemerkung  hinzugefBgt  habe.  Demgemäfs 
besitzt  das  Buch  keinen  selbständigen  wissenschaftlichen  Wert  und  weist 
weder  Neues  noch  Verbesserungen  gegenüber  der  Originalausgabe  von 
Jebb  auf. 

In  England  vermag  das  Buch  den  praktischen  Zweck,  in  weiteren 
Kreisen  ein  tieferes  Verständnis  des  Sophokleischen  Dramas  an  Hand  der 
kundigen  Führung  Jebbs  zu  erschliefsen,  recht  wohl  zu  erfüllen  infolge  der 
geschickten  Auswahl  des  Verf.  Er  hat  von  der  grofsen  Ausgabe  von  Jebb 
alles  beibehalten,  was  allgemeineres  Interesse  beansprucht  —  z.  B.  sind 
die  trefflichen  einleitenden  Kapitel  zum  gröfseren  Teil  beibehalten  — 
dagegen  alles  ausgeschieden,  was  nur  für  die  gelehrte  Forschung  Wert 
hat,  insbesondere  alle  Kontroversen  und  gelehrten  Auseinandersetzungen; 
in  der  Textgestaltung  ist  Sh.  durchweg  Jebb  gefolgt.  Die  Umsicht  des 
Verf.  in  der  Auswahl  zeigt  sich  z.  B.  darin,  dafs  er  zwar  die  fortlaufende 
Übersetzung  in  der  grofsen  Ausgabe  von  Jebb  weggelassen,  aber  sie 
manchmal,  wo  sie  zugleich  der  Erklärung  dient,  z.  B.  V.  1 — 6,  V.  106  f. 
in  den  Kommentar  hineingeflochten  hat. 

Deutsche  Gelehrte,  die  sich  mit  Sophoklesstudien  befassen,  müssen 
natürlich  auf  die  Originalausgabe  von  Jebb  zurückgehen.  Immerhin  bietet 
aber  der  von  Sh.  veranstaltete  gute  Auszug  die  Textrezension  von  Jebb 
und  das  Wichtigste  aus  dessen  trefflichem  Kommentar,  mithin  einen  passen- 
den Ersatz  da,  wo  von  der  grofsen  Ausgabe  von  Jebb  wegen  des  hohen 
Anschaffungspreises  Abstand  genommen  werden  mufs. 

München.  W.  Heiadl. 


234)  Alfredus  Eappelmacher,  Studia  luvenaliana.  (Disser- 
tationes  Philologae  Vindobonenses.  VII,  3).  Vindobonae  et  Lip- 
siae,  sumptus  fecit  F.  Deuticke,  1903.     41  S.  8.  Ji  2.—. 

Soviel  neuerdings  für  Kritik  und  Erklärung  Juvenals  erreicht  ist: 
über  das  Leben  des  Satirikers  läfst  sich  auch  heute  noch  nicht  viel  Ge- 
wisses  sagen.    Was  seinen  Bildungsgang  betrifft,   so   bezeugt   er  selbst 


Neue  PhilologiBche  Bondschau  Nr.  19.  439 

I,  15  sqq.  et  nos  ergo  manam  feralae  snbduximas,  et  dos  consiliuni  de- 
dimus  Sallae,  privatus  ut  altum  dormiret,  d.  h.  auch  er  habe  die  Schale 
des  Grammatikers  und  des  Rhetors  durchgemacht,  und  die  sogen.  Bio- 
graphie des  Probas  berichtet:  ad  mediam  fere  aetatem  declamavit.  Zudem 
verraten  die  Satiren  selbst  auf  jeder  Seite  den  Bhetorenschüler  in  ihrem 
Pathos  und  der  rhetorischen  Darstelluigsweise.  Daran  also,  dafs  Juvenal 
Bhetor  war,  zweifelt  niemand;  aber  die  Schule  anlangend,  zu  der  er  ge- 
hörte, sind  widersprechende  Ansichten  geäufsert  worden.  Einerseits  sagt 
Marx,  Inoerti  auctoris  de  ratione  dicendi  ad  C.  Herennium  libri  IV,  148 : 
clarissimum  autem  odii  contra  Graecos  testimonium  exstat  in  luvenalis 
rhetoris  Latini  saturis  III,  58  sqq.,  und  er  rechnet  somit  Juvenal  zu  den 
sogen.  Latini  rhetores,  der  antigriechischen,  nationalrömischen  Schule,  aus 
der  die  Rhetorik  an  Herennius  hervorgegangen  war.  Dagegen  meint 
Friedländer  in  seiner  Ausgabe  p.  16,  Juvenal  sei  ein  Schüler  Quintilians 
gewesen,  der  zu  den  Griechen  und  der  griechischen  Literatur  eine  grund- 
sätzlich freundliche  Stellung  hatte.  Diesen  Widerstreit  zu  entscheiden 
unternimmt  Eappelmacher  in  der  oben  genannten  Schrift. 

Im  I.  Kap.  weist  er  nach,  dafs  der  für  die  Latini  rhetores  charakte- 
ristische Hafs  gegen  alles  Griechische  bei  Juvenal  nicht  vorhanden  ist 
(p.  8  sqq.) ,  dafs  er  vielmehr  die  griechischen  Schriftsteller  vielfach  mit 
Anerkennung  nennt  (p.  11  sq.)  und  auch  im  Gebrauche  griechischer 
Lehnwörter  weit  über  das  von  der  Not  gebotene  Mafs  hinausgeht 
(p.  12  sqq.).  Endlich  p.  15  weist  er  noch  darauf  hin,  dafs  Juvenal  auch 
politisch  anders  steht  als  die  Latini  rhetores,  insofern  er  die  Gracchen 
tadelt  (II,  24),  während  sie  von  dem  auctor  ad  Her.  lY,  55,  68  gepriesen 
werden. 

Im  IL  Kap.  (p.  16 sq.),  zeigt  E.  dann,  dafs  diese  Haltung  Juvenals 
gegenüber  den  Griechen  genau  der  Quintilians  entspricht,  der  gegen  die 
Einseitigkeit  der  Latini  rhetores  polemisiert. 

Das  Resultat  der  beiden  ersten  Abschnitte  ist,  dafs  Juvenal  ebenso- 
wenig wie  Quintilian  ein  rhetor  Latinus  genannt  werden  kann. 

Es  bleibt  nun  die  Frage  übrig,  ob  Juvenal  ein  Schüler  Quintilians 
im  engeren  Sinne  zu  nennen  ist,  wie  Friedländer  behauptet.  Da  ihm  die 
von  diesem  geltend  gemachten  Gründe  chronologischer  Art  nicht  zu  ge- 
nügen scheinen,  so  sucht  E.  aus  den  Satiren  selbst  zu  erweisen,  dafs 
wenigstens  mit  Wahrscheinlichkeit  Juvenal  als  Zuhörer  Quintilians  zu 
denken   ist.    In   sechs  Abschnitten  legt  er  eine   weitgehende  Überein- 


440  Nene  Philologische  Bundsehaü  Nr.  19. 

Stimmung  beider  dar.  Zanächst  stellt  er  (p.  20  sqq.)  eine  Reihe  von 
rhetorisclien  Termini  bei  Juvenal  fest,  die,  von  Qaintilian  oft  gebraucht, 
bei  anderen  Bhetoren  zum  Teil  gar  nicht  vorkommen.  Dieser  Abschnitt 
scheint  uns  der  wichtigste  zu  sein.  Ferner  macht  er  (p.  25  sq.)  auf  die 
Stellen  in  der  siebenten  Satire  aufmerksam,  die  sich  auf  grammatische 
und  rhetorische  Schulen  und  Lehrer  beziehen,  und  stellt  ihnen  solche  aus 
Quintilians  Inst  orat.  gegenüber,  die  dieselben  Punkte  berühren.  Drittens 
zeigt  er  (p.  26  sqq.),  dafs  beide  über  dieselben  Persönlichkeiten  gleich 
arteilen,  dafs  insbesondere  Cicero  von  beiden  sehr  hoch  gestellt  wird, 
während  manche  rhetores  Lat.  entschiedene  Feinde  Giceros  sind.  Auch 
die  Übereinstimmung  im  Urteil  über  Zeitgenossen  hebt  er  hervor.  Da- 
nach stellt  er  p.  30  sq.  die  Ansicht  auf,  dafs  die  Anordnung  des  Stoffes 
in  sat.  VII  von  Quintilian  beeinflufst  sei,  insofern  dort  poetae,  historici' 
oratores  (causidici)  behandelt  werden  in  derselben  Beihenfolge,  wie  Quin- 
tilian X,  I  die  Muster  zur  Nachahmung  vorführt.  Fünftens  werden 
p.  31  sq.  im  besonderen  die  Muster  in  der  Satire  behandelt,  Lucil,  Horaz, 
Persius,  die  von  Quintilian  X,  1, 93  sq.  besprochen  werden.  Sat.  I  sei  nach 
Lucil  angelegt  (p.  31 — 35),  und  viele  Verse  Juvenals  seien  Nachahmungen 
Lucilischer  (p.  36).  Dafs  Horaz  dem  Juvenal  bekannt  und  von  ihm  be- 
nutzt sei,  bewiesen  zahhreiche  Verse  (p.  37  sq.)  Benutzung  von  Persius, 
Satiren  bezweifelt  E.  (p.  38 sq.);  Quintilians  Lob  (X,  1.  94)  beruhe  auf 
persönlicher  Bekanntschaft  mit  Persius,  sei  aber  unverdient.  Endlich 
sucht  E.  zu  zeigen,  dafs  Juvenals  Satiren  gewisse  Vorzüge  aufweisen,  die 
auf  Befolgung  von  Vorschriften  Quintilians  zurückgingen  (p.  39  sq.),  be- 
sonders Anschaulichkeit  und  mafsvoUe  Anwendung  von  Sentenzen. 

Nicht  alles,  was  E.  vorbringt,  ist  beweisend.  Die  aus  der  siebenten 
Satire  ausgehobenen  Stellen,  die  Urteile  über  Persönlichkeiten  der  Vorzeit 
und  der  Gegenwart,  das  Studium  des  Lucil  und  Horaz:  alles  das  kann 
auf  Quintilian  zurückgehen,  mufs  es  aber  nicht.  Die  Abhängigkeit  sodann 
der  Anordnung  in  Sat.  VII  von  Qaintilian  ist  überhaupt  nicht  glaublich. 
Anderes  kann  Juvenal  lediglich  aus  dem  Studium  der  Inst.  Or.  haben,  z.  B. 
seine  Wertschätzung  Giceros  und  die  Befolgung  gewisser  Lehren,  wie  sie 
p.  39  sq.  mehr  angedeutet  als  ausgeführt  ist.  Für  persönliche  Schüler- 
schaft Juvenals  ist  damit  noch  nichts  gewonnen.  Erst  wenn  ein  oder 
der  andere  Punkt  in  der  Übereinstimmung  beider  sich  findet,  wo  die 
Abhängigkeit  Juvenals  nur  aus  persönlicher  Einwirkung  zu  erklären  ist, 
dann  tritt  alles  oben  Angeführte  unterstützend  hinzu. 


Nene  Philologische  Bnndschau  Nr.  19.  441 

Tatsächlich  scheint  uns  nun  ein  solcher  Punkt  vorhanden  zu  sein  und 
zwar  in  der  p.  20  sqq.  ausgeführten  Abhängigkeit  Juvenals  von  Quintilian 
in  bezug  auf  einige  Besonderheiten  rhetorischer  Terminologie. 

Wenn  Juvenal  VI,  449  das  Wort  enthymema  gebraucht,  welches 
Quintilian  V,  10.  1  im  bewufsten  Gegensatze  zu  seinen  Zeitgenossen  aus- 
drücklich der  lat.  Bezeichnung  contrarium  vorzieht,  so  tut  er  das  doch 
sicherlich  nicht,  weil  er  einmal  die  betreffende  Stelle  in  der  Inst.  Or 
gelesen  hat,  sondern  weil  ihm  der  Terminus  durch  die  Gewohnheit  der 
Schule  in  Fleisch  und  Blut  übergegangen  ist.  Wenn  er  ferner  VI,  280 
color  im  Sinne  von  excusatio  setzt  und  dabei  Quintilian  anredet:  „die, 
die  aliquem  sodes  hie,  Quintiliane,  colorem^S  so  weist  diese  Apostrophe 
auf  ein  zwischen  dem  Bhetor  und  dem  Dichter  bestehendes  persönliches 
Verhältnis  hin.  —  Ganz  dasselbe  persönliche  Verhältnis  zu  Quintilian 
zeigt  sich  auch  in  der  Parteinahme  Juvenals  gegen  den  Bhetor  A.  Cor- 
nelius Gelsus,  die  E.  nicht  erwähnt.  Gegen  dieses  Rhetors  ars  polemisiert 
Quintilian  sehr  oft,  und  auch  wo  er  ihm  zustimmt ,  geschieht  es  mit  Kälte 
und  Zurückhaltung  (Teufel^,  280,  2).  Juvenal  nun  teilt  dem  Gelsus  keine 
erhebende  Bolle  zu,  wenn  er  VI,  244  sq.  ihm  von  prozefssüchtigen  Weibern 
Einleitung  und  Hauptpunkte  der  Gerichtsrede  diktieren  läfst. 

Diese  Einzelheiten  aus  den  Satiren  bekunden  ein  so  persönliches 
Interesse  an  Quintilians  Besonderheiten,  dafs  es  aus  dem  blofsen  Studium 
seines  Werkes  nicht  zu  erklären  ist,  sondern  nur  aus  dem  Verhältnis  des 
überzeugten  Schülers  zu  seinem  Lehrer,  den  er  oft  über  diese  Dinge  hatte 
reden  hören,  oder  mit  dem  er  selbst  darüber  disputiert  hatte. 

K.  hat  in  seiner  fleifsigen  Arbeit,  die  sich  auch  gut  liest,  für  die 
Ansicht,  dafs  Juvenal  nicht  blofs  im  weiteren  Sinne  Quintilians  Schüler 
sei,  zwar  nicht  den  strikten  Beweis  führen  können,  wohl  aber  einen  so 
hohen  Grad  der  Abhängigkeit  Juvenals  von  seinem  Lehrer  erwiesen,  dafs 
man  an  der  Tatsache  nicht  mehr  zu  zweifeln  braucht,  dafs  Juvenal  den 
Bhetor  selbst  gehört  hat. 

Waren  i.  MecU.  H.  Polstorff. 

235)  W.  H.  D.  Bouse,   Oreek  votive   offerings.    An  Essay  in 

the  history  of  Greek  religion.    Cambridge,  at  the  University  press 
(London,  J.  C.  Clay  &  Sons),  1902.    XVI  u.  463  S.  8.   geb.  15  sh. 
Ein  willkommenes  Buch!    Der  Gegenstand   ist   seit   langem   nicht 
mehr  im  Zusammenhang  behandelt  worden,  und  nach  der  fast  unüberseh- 


442  Nene  PhilologiMhe  Bundflohaii  Nr.  19. 

baren  Fülle  neaen  Materials,  welche  die  Funde  der  letzten  Jahrzehnte 
gebracht  haben,  wobei  immer  und  immer  wieder  einzelne  Seiten  dieses 
Gegenstandes  zur  Behandlung  und  Erörterung  kamen,  mufs  man  sich 
billig  wundem,  dafs  nicht  schon  früher  eine  Zusammenfiassung  des  jetzt 
erreichbaren  Standes  unserer  Kenntnis  von  Art  und  Wesen  des  Weih- 
geschenks versucht  worden  ist.  Wohl  hat  es  nicht  an  Versuchen  der  Be* 
handlung  einzelner  Gruppen  gefehlt,  allein  eine  zusammenfassende  Behand- 
lung ist  doch  nachgerade  ein  unabweisliches  Bedürfnis  geworden  und  das 
vorliegende  Werk  Rons  es  kommt  diesem  Werk  in  erwünschter  Weise  zu 
Hilfe.  Nach  einer  kurzen  Bestimmung  des  Begriffs  Weihgeschenk  werden 
die  verschiedenen  Anlässe  zu  solchen  in  einer  Keihe  von  Kapiteln  be- 
handelt, zuerst  solche  an  die  Toten,  an  die  Heroen  und  die  chthonischen 
Gottheiten,  dann  Zehnten  und  Erstlinge,  ferner  Krieg,  Spiele  und  Wett- 
kämpfe, Krankheit  und  Unglück,  häusliches  Leben,  Ehrendenkmäler,  Feste 
und  Zeremonieen,  Sühnungen,  Weihung  besonderer  Schätze  und  Kostbar- 
keiten. Drei  weitere  Kapitel  sind  den  Weiheformeln  und  der  Art  der 
Übergabe  der  Geschenke  gewidmet  und  ein  ausführliches  Schlufskapitel 
gibt  eine  übersichtliche  Zusammenstellung  des  Ergebnisses  aus  den  Einzel- 
untersucbung^.  Eine  sehr  wertvolle  Beigabe  sind  die  nicht  weniger  als 
70  Seiten  umfassenden  Indices,  in  denen  eine  Übersicht  der  Weihegaben 
gegeben  ist,  die  in  verschiedenen  Heiligtümern  in  Athen,  Eleusis,  De- 
los,  in  Amphiaraion ,  im  Kabirion,  in  Platää,  Samos  u.  a.  m.  gefunden 
wurden,  sowie  von  solchen,  die  in  der  Anthologie  begegnen.  Ein  grie- 
chischer und  englischer  Generalindex  machen  den  Beschlufs  und  erhöhen 
wesentlich  die  Benutzbarkeit  des  Buches,  das  sich,  so  hoffen  wir,  bald 
auch  in  Deutschland  den  verdienten  Beifall  erwerben  wird. 

Calw.  P.  WelBS&oker. 


236)  E.  Kemmer,  Die  polare  Ausdrucksweise  in  der  grie- 
chischen Literatur.  Würzburg,  A.  Stuber,  1903.  YIII  u. 
263  S.  8.  Ji  6.  -. 

Die  vorliegende  Studie  bildet  das  15.  Heft  der  „Beiträge  zur  histo- 
rischen Syntax  der  griechischen  Sprache,  die  Prof.  M.  v.  Schanz  in  Würz- 
burg herausgibt,  und  ist  vom  Herausgeber  dieser  Beiträge  direkt  angeregt. 
Unter  polarer  Ausdrucksweise  versteht  schon  v.  Schanz  den  bei  griechischen 
Schriftstellern  besonders  häufigen  Gebrauch  von  Gegensatzverbindungen,  in 
denen  ein  einfacher  allgemeiner  Begriff  sich  gleichsam  nach  seinen  beiden 


Nene  PhOologisehe  Bandsehan  Nr.  19.  443 

Polen  differenziert,  also  Fälle  wie  v^rag  te  nal  ^fiaq  für  „ ununter- 
brochen ^^  Die  Untersuchung  erstreckt  sich  so  ziemlich  aber  die  ganze 
voraristotelische  Literatur,  zieht  also  ein  sehr  umfangreiches  Material 
gebundener  und  ungebundener  Form  in  den  Kreis  der  Betrachtung.  Im 
ersten,  kleineren  Teil  der  Arbeit  werden  die  psychologischen  Grundlagen 
dieser  sprachlichen  Erscheinung  untersucht,  und  im  zweiten  „speziellen  Teil 'S 
der  nahezu  200  Seiten  umfafst,  wird  das  ganze  hierher  gehörige  sprachliche 
Material  der  griechischen  Literatur  vor  Aristoteles  mitgeteilt,  und  zwar 
nicht  nach  den  in  der  psychologischen  Untersuchung  gefundenen  unter- 
scheidenden Merkmalen  der  einzelnen  Arten  polarer  Ausdrucksweise  ge- 
ordnet, sondern  nach  den  grammatischen  Eategorieen  nominaler,  adverbialer 
und  verbaler  Begriffe,  die  die  Form  polarer  Oegensatzverbindungen  an- 
genommen haben.  Diese  Verschiedenheit  des  Einteilungsgrundes  im 
theoretisch -psychologischen  Teil  und  in  der  Ordnung  der  zahlreichen 
Einzelfälle  ist  darin  begründet,  dafs  es  bei  sehr  vielen  Einzelfällen  un- 
entschieden bleiben  mufs,  unter  welche  Rubrik  sie  ihrer  psychischen  Ent- 
stehungsart nach  gehören. 

In  der  psychologischen  Theorie  geht  K.  mit  Becht  davon  aus,  dafs 
es  sich  bei  diesen  Oegensatzverbindungen  um  eine  Eigentümlichkeit  des 
menschlichen  Sprechens  und  Denkens  überhaupt  handelt,  weil  die  gleiche 
sprachliche  Erscheinung  sich  wohl  in  allen  Sprachen  findet,  im  Griechi- 
schen nur  besonders  stark  entwickelt  ist.  Da  es  sich  bei  der  ganzen  Frage 
nur  um  Assoziation  und  Reproduktion  handeln  kann,  so  untersucht  E. 
zuerst  die  Bedeutung  der  Vorstellungsassoziationen  für  den  Verlauf  unseres 
Denkens  und  dann  den  Einflufs  der  vielseitigen  latenten  Konstellationen 
unserer  Vorstellungen  auf  die  Reproduktion.  Hiemach  findet  er  vier  Ent- 
stehungsarten der  fraglichen  Gegensatzverbindungen.  Zunächst  sind  es  die 
Assoziationen  begrifflicher  Gegensatzvorstellungen,  die  von  der  Er- 
fahrung uns  entgegengebracht  werden,  und  die  zu  den  festesten  Asso- 
ziationen in  unserem  Vorstellungsvorrat  gehören  und  deshalb  sehr  leicht 
reproduziert  werden  (ovr*  ihfÖQ^  ovre  ywalyux,  ovz  äyad^tß  ovte  yiceyUp, 
aoq>otg  yLäa6q>oig,  ycXivet  yiävdyei  Ttdhv  etc.).  In  zweiter  Reihe  kann  es 
gich  handeln  um  Assoziationen  zwischen  einzelnen  Vorstellungen  und  ganzen 
Gegensatzverbindungen.  Der  positive  Nachweis  für  diese  Art  von  Asso- 
ziation ist  in  solchen  Fällen  nicht  leicht.  Aber  hier  tritt  nicht  selten  die 
Eigentümlichkeit  ein,  dafs  die  Gegensatzverbindung  etwas  Inkommensurables, 
Fremdartiges  mit  sich  bringt,  das  also  für  die  Zwecke  des  Gedanken- 


444  Nene  Philologische  Bnndschaa  Nr.  19. 

ansdruckes  mindestens  nicht  erforderlich  war.  So  im  Prolog  der  Antigone 
liofva  IStv  ^  ^qxxTtrovaa,  wo  die  Vorstellung  des  Ändems,  Bessems  der 
Sachlage  sich  mit  der  gewählten  Gegensatzverbindung  assoziiert.  Femer 
wird  die  Vorstellung  der  Oegensatzyerbindung  selbst  mit  den  Vorstellungen 
der  Zwecke  des  Ausdrucks  assoziiert,  denen  sie  dienen  soll.  Hierher  gehören 
die  Oegensatzverbindungen  als  Ausdrucksmittel  für  den  Begriff  der  Vielheit 
(ileö&ßQOL  ycal  dofjXoi,  TtQeaßikeQOi  ycal  vewzeqoi,  o%  x  ovre^  di  %  äTtdvreg 
u.  a.).  Endlich  ist  es  das  bewufste  rhetorische  Streben  nach  parallelen 
Konstruktionen,  also  ein  rein  formales  Moment,  das  Beproduktion  und 
Produktion  von  Oegensatzverbindungen  verursacht,  dies  natürlich  besonders 
im  Eunststil  der  Redner.  Hier  fiberwiegt  nicht  selten  der  formale  Ge- 
sichtspunkt das  Bedürfnis  des  Gedankenausdrucks,  und  die  Gegensatz- 
verbindungen haben  etwas  Gesuchtes  und  Erzwungenes. 

E.  hat  somit  den  Fachgenossen  nicht  nur  die  Ergebnisse  jahrelangen 
unverdrossenen  Sammelfleifses  vorgelegt,  sondern  auch  seinen  Gegenstand 
im  tiefsten  Wesen  erfafst  und  in  sorgfältiger  Erörterung  aller  Möglich- 
keiten zum  Verständnis  gebracht.  Leider  fehlt  dem  Buch  jedes  Begister 
über  den  Inhalt.  Orientierung  und  Überblick  über  das  Ganze  des  Ge- 
dankengangs sind  somit  unnötig  erschwert.  Dem  Verzeichnis  der  Berich- 
tigungen möchten  wir  noch  hinzufügen,  dafs  es  S.  32,  Z.  10  v.  u.  nunmehr 
heifsen  mufs,  statt  nur  mehr,  und  S.  33,  Z.  6  v.  o.  bezeichnete  statt 
verzeichnete.  Der  Ausdruck  „aufnahmsfähige  Form^'  S.  37  ist  schwer 
verständlich,  weil  man  nicht  gleich  wissen  kann,  ob  eine  Form  gemeint 
ist,  die  etwas  aufzunehmen  fähig  ist,  oder  eine  Form,  die  fähig  ist  auf- 
genommen zu  werden.  Leicht  liest  sich  der  Stil  des  Verf.  überhaupt 
nicht.  Bei  der  Erwähnung  von  schwarz  und  weifs  (S.  24)  mufste,  zumal 
für  das  Griechische,  darauf  hingewiesen  werden,  dafs  es  sich  hier  ur- 
sprünglich nicht  um  konträre  Farbenbegriffe  handelt,  sondern  nur  um 
die  Beziehungsbegriffe  hell  und  dunkel. 

Lörrach.  J.  Keller. 

237)  J.  Willems,  Le  Sönat  Bomain  en  Tan  65  aprös  Jösus- 

Christ.     Publik  d'apr^s  les  notes  de  P.  Willems  (Extrait  du 

Musöe  Beige,  tomes  IV — VI).    Louvain,  Charles  Peeters,  1902. 

140  S.    8. 

Aus  dem,  wie  es  scheint,  ziemlich  reichen  literarischen  Nachlafs  von 

P.  Willems,  dessen  bekanntes  Werk  „Le  S4nat  de  la  Bäpublique  Bomaine'' 


Nene  Philologische  Rundschau  Nr.  19.  445 

vor  25  Jahren  erschien,  hat  der  Sohn  des  Verstorbenen  der  Öffentlichkeit 
ein  Bruchstack  übergeben,  das  Produkt  langjähriger  geduldiger  Arbeit,  die 
noch  der  Unterstützung  der  Prosopographia  imp.  Rom.  entbehrte.  Erst 
nachträglich  sind  die  beiden  vorliegenden  Verzeichnisse  mit  den  Angaben 
jenes  Sammelwerkes  verglichen  und  die  daraus  sich  ergebenden  mitunter 
recht  umfangreichen  Zusätze  und  Berichtigungen  in  eckigen  Klammern 
beigefügt  worden.  Dabei  gibt  es  bisweilen  unnütze  Wiederholungen;  so 
wird  Petronius  Arbiter  bezeichnet  als  „L'auteur  du  Satyricon"  (sie),  und  nach 
der  ann.  16,18  entlehnten  Charakteristik  des  Mannes  folgt  die  der  Prosopogr. 
entnommene  Bemerkung:  „II  öcrivit  des  satires  et  quelques  poömes".  — 
Die  erste  Liste  umfafst  182  Namen  solcher  Personen,  von  denen  auf  grund 
inschriftlicher  und  literarischer  Dokumente  feststeht  oder  doch  sich  be- 
stimmt annehmen  läfst,  dafs  sie  65  v.  Chr.  (dem  Jahr  der  Pisonischen 
Verschwörung!)  dem  Senate  angehört  haben.  Durch  Hinzufügung  der 
Buchstaben  a  und  b  ist  die  gröfsere  oder  geringere  Sicherheit  der  Be- 
rechnung angedeutet,  die  teilweise  nur  durch  Feststellung  der  von  der 
betr.  Persönlichkeit  vor  oder  nach  dem  Jahre  65  bekleideten,  den  Senatoren- 
rang voraussetzenden  oder  bedingenden  Ämter  zu  ermöglichen  ist.  Wie 
in  der  Prosopographie  sind  alle  Nachrichten,  die  wir  von  den  verschiedenen 
Personen  haben,  unter  deren  Namen  zusammengestellt.  Von  den  182  Namen 
dieses  Verzeichnisses  kommen  nicht  weniger  als  126  bei  Tacitus  vor, 
ein  Beweis  dafür,  wie  diesem  Autor  der  Senat  als  das  Herz  des  Reiches, 
sein  Verhältnis  zum  Prinzeps  als  Brennpunkt  des  gesamten  öffentlichen 
Lebens  und  der  Hauptstadt  erschien.  Eine  zweite  Liste  bringt,  von 
wenigen  kopflosen  Inschriften  abgesehen,  203  Namen  einerseits  aller  Sena- 
toren aus  der  Begierungszeit  des  Nero,  Vespasian  und  Titus,  über  die 
sonstige,  bestimmte  Angaben  fehlen,  anderseits  die  vor  dem  Jahre  65 
irgendwo  erwähnten  höheren  Beamten,  von  denen  nicht  bekannt,  doch  in 
der  Regel  zu  vermuten  ist,  dafs  sie  zur  Zeit  der  Pisonischen  Verschwörung 
noch  am  Leben  waren,  z.  B.  Quästoren  seit  dem  Jahre  30,  Tribunen  und 
Ädilen  seit  32  u.  s.  w. 

Bei  Feststellung  von  gleichnamigen  Persönlichkeiten  nimmt  W.  häufig 
Veranlassung,  den  in  der  Prosopogr.,  bei  Nipperdey-Andresen  und  sonstwo 
niedergelegten  Ansichten  anderer  Gelehrten  zu  widersprechen,  beispiels- 
weise in  den  Artikeln  der  ersten  Liste  N.  29  u.  31  L.  Caesennius  (Cae- 
sonius)  Paetus,  36  L.  Galp.  Piso,  52  Ser.  Sulp.  Scipio  Salvidienus  Orfitus, 
82  Helvidius  Priscus,  153  Suetonius  Paulinus  (beachtenswert). 


438  Nene  Philologisehe  Ründschaa  Nr.  19. 

der  Antigoneansgabe  von  Jebb  veranstaltet  hat,  um  die  Ergebnisse  der 
Forschung  Jebbs  weiteren  Kreisen  zugänglich  zu  machen.  Die  Ausgabe 
von  Sh.  ist  bestimmt  „zum  Gebrauch  von  höheren  Klassen  in  Schulen 
und  für  üniversitätsstudenten''. 

In  der  Vorrede  erklärt  Sh.,  dafs  er  nur  in  sehr  wenig  Fällen  ein 
oder  zwei  Worte  oder  eine  Bemerkung  hinzugefügt  habe.  Demgemäfs 
besitzt  das  Buch  keinen  selbständigen  wissenschaftlichen  Wert  und  weist 
weder  Neues  noch  Verbesserungen  gegenüber  der  Originalausgabe  von 
Jebb  auf. 

In  England  vermag  das  Buch  den  praktischen  Zweck,  in  weiteren 
Kreisen  ein  tieferes  Verständnis  des  Sophokleischen  Dramas  an  Hand  der 
kundigen  Führung  Jebbs  zu  erschliefsen,  recht  wohl  zu  erfüllen  infolge  der 
geschickten  Auswahl  des  Verf.  Er  hat  von  der  grofsen  Ausgabe  von  Jebb 
alles  beibehalten,  was  allgemeineres  Interesse  beansprucht  —  z.  B.  sind 
die  trefflichen  einleitenden  Kapitel  zum  gröfseren  Teil  beibehalten  — 
dagegen  alles  ausgeschieden,  was  nur  für  die  gelehrte  Forschung  Wert 
hat,  insbesondere  alle  Kontroversen  und  gelehrten  Auseinandersetzungen; 
in  der  Textgestaltung  ist  Sh.  durchweg  Jebb  gefolgt.  Die  Umsicht  des 
Verf.  in  der  Auswahl  zeigt  sich  z.  B.  darin,  dafs  er  zwar  die  fortlaufende 
Übersetzung  in  der  grofsen  Ausgabe  von  Jebb  weggelassen,  aber  sie 
manchmal,  wo  sie  zugleich  der  Erklärung  dient,  z.  B.  V.  1 — 6,  V.  106  f. 
in  den  Kommentar  hineingeflochten  hat. 

Deutsche  Oelehrte,  die  sich  mit  Sophoklesstudien  befassen,  müssen 
natürlich  auf  die  Originalausgabe  von  Jebb  zurückgehen.  Immerhin  bietet 
aber  der  von  Sh.  veranstaltete  gute  Auszug  die  Textrezension  von  Jebb 
und  das  Wichtigste  aus  dessen  trefflichem  Kommentar,  mithin  einen  passen- 
den Ersatz  da,  wo  von  der  grofsen  Ausgabe  von  Jebb  wegen  des  hohen 
Anschaffungspreises  Abstand  genommen  werden  mufs. 

München.  W.  BeiniU. 


234)  Alfredus  Kappelmacher,   Studia  luvenaliana.     (Disser- 
tationes  Philologae  Vindobonenses.    VII,  3).     Vindobonae  et  Lip- 
siae,  sumptus  fecit  F.  Deuticke,  1903.    41  S.  8.         Jd  2.  — . 
Soviel  neuerdings  für  Kritik  und  Erklärung  Juvenals  erreicht  ist: 
über  das  Leben  des  Satirikers  läfst  sich  auch  heute  noch  nicht  viel  Ge- 
wisses  sagen.    Was  seinen  Bildungsgang  betrifft,   so   bezeugt   er  selbst 


Nene  Philologische  Bondschaa  Nr.  19.  439 

I,  15  sqq.  et  nos  ergo  manum  ferulae  subduximus,  et  nos  consilium  de- 
dimus  Sallae,  privatus  ut  altum  dormiret,  d.  h.  auch  er  habe  die  Schule 
des  Grammatikers  und  des  Rhetors  durchgemacht,  und  die  sogen.  Bio- 
graphie des  Probus  berichtet:  ad  mediam  fere  aetatem  declamavit.  Zudem 
verraten  die  Satiren  selbst  auf  jeder  Seite  den  Bhetorenschüler  in  ihrem 
Pathos  und  der  rhetorischen  Darstelluigsweise.  Daran  also,  dafs  Juvenal 
Bhetor  war,  zweifelt  niemand;  aber  die  Schule  anlangend,  zu  der  er  ge- 
hörte, sind  widersprechende  Ansichten  geäufsert  worden.  Einerseits  sagt 
Marx,  Incerti  auctoris  de  ratione  dicendi  ad  G.  Herennium  libri  IV,  148: 
clarissimum  autem  odii  contra  Graecos  testimoiüum  exstat  in  luvenalis 
rhetoris  Latini  saturis  III,  58  sqq.,  und  er  rechnet  somit  Juvenal  zu  den 
sogen.  Latini  rhetores,  der  antigriechischen,  nationalrömischen  Schule,  aus 
der  die  Rhetorik  an  Herennius  hervorgegangen  war.  Dagegen  meint 
Friedländer  in  seiner  Ausgabe  p.  16,  Juvenal  sei  ein  Schüler  Quintilians 
gewesen,  der  zu  den  Griechen  und  der  griechischen  Literatur  eine  grund- 
sätzlich freundliche  Stellung  hatte.  Diesen  Widerstreit  zu  entscheiden 
unternimmt  Kappelmacher  in  der  oben  genannten  Schrift. 

Im  I.  Kap.  weist  er  nach,  dafs  der  für  die  Latini  rhetores  charakte- 
ristische Hafs  gegen  alles  Griechische  bei  Juvenal  nicht  vorbanden  ist 
(p.  8  sqq.) ,  dafs  er  vielmehr  die  griechischen  Schriftsteller  vielfach  mit 
Anerkennung  nennt  (p.  11  sq.)  und  auch  im  Gebrauche  griechischer 
Lehnwörter  weit  über  das  von  der  Not  gebotene  Mafs  hinausgeht 
(p.  12  sqq.).  Endlich  p.  15  weist  er  noch  darauf  hin,  dafs  Juvenal  auch 
politisch  anders  steht  als  die  Latini  rhetores,  insofern  er  die  Gracchen 
tadelt  (II,  24),  während  sie  von  dem  auctor  ad  Her.  lY,  55,  68  gepriesen 
werden. 

Im  IL  Kap.  (p.  16 sq.),  zeigt  K.  dann,  dafs  diese  Haltung  Juvenals 
gegenüber  den  Griechen  genau  der  Quintilians  entspricht,  der  g^en  die 
Einseitigkeit  der  Latini  rhetores  polemisiert. 

Das  Resultat  der  beiden  ersten  Abschnitte  ist,  dafs  Juvenal  ebenso- 
wenig wie  Quintilian  ein  rhetor  Latinus  genannt  werden  kann. 

Es  bleibt  nun  die  Frage  übrig,  ob  Juvenal  ein  Schüler  Quintilians 
im  engeren  Sinne  zu  nennen  ist,  wie  Friedländer  behauptet.  Da  ihm  die 
von  diesem  geltend  gemachten  Gründe  chronologischer  Art  nicht  zu  ge- 
nügen scheinen,  so  sucht  E.  aus  den  Satiren  selbst  zu  erweisen,  dafs 
wenigstens  mit  Wahrscheinlichkeit  Juvenal  als  Zuhörer  Quintilians  zu 
denken   ist.    In  sechs  Abschnitten   legt  er  eine  weitgehende  Überein- 


440  Nene  Philologische  Bündschan  Nr.  19. 

stunmimg  beider  dar.  Zunächst  stellt  er  (p.  20  sqq.)  eine  Beihe  von 
rhetorischen  Termini  bei  Jovenal  fest,  die,  von  Qaintilian  oft  gebraucht, 
bei  anderen  Bbetoren  zam  Teil  gar  nicht  vorkommen.  Dieser  Abschnitt 
scheint  uns  der  wichtigste  zu  sein.  Ferner  macht  er  (p.  25  sq.)  auf  die 
Stellen  in  der  siebenten  Satire  aufmerksam,  die  sich  auf  grammatische 
und  rhetorische  Schulen  und  Lehrer  beziehen,  und  stellt  ihnen  solche  aus 
Quintilians  Inst  orat.  gegenüber,  die  dieselben  Punkte  berühren.  Drittens 
zeigt  er  (p.  26  sqq.),  dafs  beide  über  dieselben  Persönlichkeiten  gleich 
arteilen,  dafs  insbesondere  Cicero  von  beiden  sehr  hoch  gestellt  wird, 
während  manche  rhetores  Lat.  entschiedene  Feinde  Ciceros  sind.  Auch 
die  Übereinstimmung  im  urteil  über  Zeitgenossen  hebt  er  hervor.  Da- 
nach stellt  er  p.  30  sq.  die  Ansicht  auf,  dafs  die  Anordnung  des  Stoffes 
in  sat.  YII  von  Quintilian  beeinflufst  sei,  insofern  dort  poetae,  historici' 
oratores  (causidici)  behandelt  werden  in  derselben  Reihenfolge,  wie  Quin- 
tilian X,  I  die  Muster  zur  Nachahmung  vorführt.  Fünftens  werden 
p.  31  sq.  im  besonderen  die  Muster  in  der  Satire  behandelt,  LucU,  Horaz, 
Persius,  die  von  Quintilian  X,  1,  93  sq.  besprochen  werden.  Sat.  I  sei  nach 
Lucil  angelegt  (p.  31 — 35),  und  viele  Verse  Juvenals  seien  Nachahmungen 
Lucilischer  (p.  36).  Dafs  Horaz  dem  Juvenal  bekannt  und  von  ihm  be- 
nutzt sei ,  bewiesen  zahlreiche  Verse  (p.  37  sq.)  Benutzung  von  Persius, 
Satiren  bezweifelt  E.  (p.  38 sq.);  Quintilians  Lob  (X,  1.  94)  beruhe  auf 
persönlicher  Bekanntschaft  mit  Persius,  sei  aber  unverdient.  Endlich 
sucht  K.  zu  zeigen,  dafs  Juvenals  Satiren  gewisse  Vorzüge  aufweisen,  die 
auf  Befolgung  von  Vorschriften  Quintilians  zurückgingen  (p.  39  sq.),  be- 
sonders Anschaulichkeit  und  mafsvoUe  Anwendung  von  Sentenzen. 

Nicht  alles,  was  K.  vorbringt,  ist  beweisend.  Die  aus  der  siebenten 
Satire  angehobenen  Stellen,  die  urteile  über  Persönlichkeiten  der  Vorzeit 
und  der  Gegenwart,  das  Studium  des  Lucil  und  Horaz:  alles  das  kann 
auf  Quintilian  zurückgehen,  mufs  es  aber  nicht.  Die  Abhängigkeit  sodann 
der  Anordnung  in  Sat.  VII  von  Quintilian  ist  überhaupt  nicht  glaublich. 
Anderes  kann  Juvenal  lediglich  aus  dem  Studium  der  Inst.  Or.  haben,  z.  B. 
seine  Wertschätzung  Ciceros  und  die  Befolgung  gewisser  Lehren,  wie  sie 
p.  39  sq.  mehr  angedeutet  als  ausgeführt  ist.  Für  persönliche  Schüler- 
schaft Juvenals  ist  damit  noch  nichts  gewonnen.  Erst  wenn  ein  oder 
der  andere  Punkt  in  der  Obereinstimmung  beider  sich  findet,  wo  die 
Abhängigkeit  Juvenals  nur  aus  persönlicher  Einwirkung  zu  erklären  ist, 
dann  tritt  alles  oben  Angeführte  unterstützend  hinzu. 


Nene  Philologische  Bandschau  Nr.  19.  441 

Tatsächlich  scheint  ans  nun  ein  solcher  Punkt  vorhanden  zu  sein  und 
zwar  in  der  p.  20  sqq.  ausgeführten  Abhängigkeit  Juvenals  von  Quintilian 
in  bezug  auf  einige  Besonderheiten  rhetorischer  Terminologie. 

Wenn  Juvenal  VI,  449  das  Wort  enthymema  gebraucht,  welches 
Quintilian  Y,  10.  1  im  bewufsten  Gegensätze  zu  seinen  Zeitgenossen  aus- 
drücklich der  lat.  Bezeichnung  contrarium  vorzieht,  so  tut  er  das  doch 
sicherlich  nicht,  weil  er  einmal  die  betreffende  Stelle  in  der  Inst.  Or 
gelesen  hat,  sondern  weil  ihm  der  Terminus  durch  die  Gewohnheit  der 
Schule  in  Fleisch  und  Blut  übergegangen  ist.  Wenn  er  ferner  VI,  280 
color  im  Sinne  von  excusatio  setzt  und  dabei  Quintilian  anredet:  „die, 
die  aliquem  sodes  hie,  Quintiliane,  colorem",  so  weist  diese  Apostrophe 
auf  ein  zwischen  dem  Bhetor  und  dem  Dichter  bestehendes  persönliches 
Verhältnis  hin.  —  Ganz  dasselbe  persönliche  Verhältnis  zu  Quintilian 
zeigt  sich  auch  in  der  Parteinahme  Juvenals  gegen  den  Bhetor  A.  Cor- 
nelius Celsus,  die  E.  nicht  erwähnt.  Gegen  dieses  Bhetors  ars  polemisiert 
Quintilian  sehr  oft,  und  auch  wo  er  ihm  zustimmt,  geschieht  es  mit  Kälte 
und  Zurückhaltung  (TeuffeP,  280,  2).  Juvenal  nun  teilt  dem  Celsus  keine 
erhebende  Bolle  zu,  wenn  er  VI,  244  sq.  ihm  von  prozefssüchtigen  Weibern 
Einleitung  und  Hauptpunkte  der  Gerichtsrede  diktieren  läfst. 

Diese  Einzelheiten  aus  den  Satiren  bekunden  ein  so  persönliches 
Interesse  an  Quintilians  Besonderheiten,  dafs  es  aus  dem  blofsen  Studium 
seines  Werkes  nicht  zu  erklären  ist,  sondern  nur  aus  dem  Verhältnis  des 
überzeugten  Schülers  zu  seinem  Lehrer,  den  er  oft  über  diese  Dinge  hatte 
reden  hören,  oder  mit  dem  er  selbst  darüber  disputiert  hatte. 

K.  hat  in  seiner  fleifsigen  Arbeit,  die  sich  auch  gut  liest,  für  die 
Ansicht,  dafs  Juvenal  nicht  blofs  im  weiteren  Sinne  Quintilians  Schüler 
sei,  zwar  nicht  den  strikten  Beweis  führen  können,  wohl  aber  einen  so 
hohen  Grad  der  Abhängigkeit  Juvenals  von  seinem  Lehrer  erwiesen,  dafs 
man  an  der  Tatsache  nicht  mehr  zu  zweifeln  braucht,  dafs  Juvenal  den 
Bhetor  selbst  gehört  hat. 

Waren  i.  MecU.  B.  Polstorff. 

235)  W.  H.  D.  Bouse,   Greek  votive   offerings.    An  Essay  in 
the  history  of  Greek  religion.    Cambridge,  at  the  üniversity  press 
(London,  J.  C.  Clay  &  Sons),  1902.    XVI  u.  463  S.  8.   geb.  16  sh. 
Ein  willkommenes  Buch!    Der  Gegenstand   ist   seit   langem   nicht 

mehr  im  Zusammenhang  behandelt  worden,  und  nach  der  fast  unüberseh- 


4^ Nene  Phildogiiche  Bondadum  Nr.  19. 

baren  Fälle  neaen  Materials,  welche  die  Funde  der  letzten  Jahrzehnte 
gebracht  haben,  wobei  immer  nnd  immer  wieder  einzelne  Seiten  dieses 
Gegenstandes  zur  Behandlang  und  Erörterung  kamen,  mub  man  sich 
billig  wundem,  dals  nicht  schon  früher  eine  Zusammenfiissung  des  jetzt 
erreichbaren  Standes  unserer  Kenntnis  Yon  Art  und  Wesen  des  Weih- 
geschenks versucht  worden  ist.  Wohl  hat  es  nicht  an  Versuchen  der  Be- 
handlung einzelner  Gruppen  gefehlt,  allein  eine  zusammenfiiasende  Behand- 
lung ist  doch  nachgerade  ein  unabweisliches  Bedürfnis  geworden  und  das 
vorliegende  Werk  Bouses  kommt  diesem  Werk  in  erwünschter  Weise  zu 
Hilfe.  Nach  einer  kurzai  Bestimmung  des  Begriffii  Weihgeschenk  werden 
die  verschiedenen  Änlfisse  zu  solchen  in  einer  Beihe  von  Kapiteln  be- 
handelt, zuerst  solche  an  die  Toten,  an  die  Heroen  und  die  chthonisch^ 
Gottheiten,  dann  Zehnten  und  EraUinge,  femer  Krieg,  Spiele  und  Wett- 
kämpfe, Krankheit  und  Unglück,  h&ualiches  Leben,  Ehrendenkmäler,  Feste 
und  Zeremonieen,  Sühnungen,  Weihung  besonderer  Schätze  und  Kostbar- 
keiten. Drei  weitere  Kapitel  sind  den  Weiheformeln  und  der  Art  der 
Übei^gabe  der  Geschenke  gewidmet  und  ein  ausfuhrliches  Schluiskapitel 
gibt  eine  übeisichtliche  Zusammenstellung  des  Eigebnisses  aus  den  Einzel- 
untersuchungra.  Eine  sehr  wertvolle  Beigabe  sind  die  nicht  weniger  als 
70  Seiten  umfassenden  Indices,  in  denen  eine  Übersicht  der  Weihegaben 
g^;eben  ist,  die  in  verschiedenen  Heiligtümern  in  Athen,  Eleusis,  De- 
lo8,  in  Amphiaraion,  im  Kabirion,  in  Phitää,  Samos  u.  a.  m.  gefunden 
wurden,  sowie  von  solchen,  die  in  der  Anthologie  b^egnen.  Ein  grie- 
chischer und  englischer  Generalindex  machon  den  Beschluß  und  erhöhen 
wesentlich  die  Benutzbarkeit  des  Buches,  das  sich,  so  hoffen  wir,  bald 
auch  in  DeutscUand  den  verdienten  BeiMl  erwerben  wird. 
Calw.  P.  UV« 


S.  Kemmer,  Die  polare  Ansdracksweise  in  der  grie- 
chischen Idteratiir.  Würaburg,  A.  Stuber,  1903.  Vlli  u. 
263  S.  8.  ^6.  — . 

Die  vorli^nde  Studie  bildet  das  15.  Heft  der  „Beitrag  zur  histo- 
rischen Syntax  der  griechischen  Sprache,  die  Prof.  IL  v.  Schanz  in  Wüiz- 
buig  heraniagibt,  und  ist  vom  Heraui^eber  dieser  Beiträge  direkt  angeregt. 
Unter  polarer  Auadrucksweise  versteht  schon  v.  Schanz  den  bei  griechischen 
Schriftstellem  besonders  häufigen  Gebrauch  von  Gegensativerbindungen,  in 
denen  ein  ein&cber  allgemeiner  B^riff  sich  gleichsam  nach  seinen  beiden 


Nene  PhUologisehe  Bondschaa  Nr.  19.  443 

Polen  differenziert,  also  Fälle  wie  v^rag  te  nal  ^fiaq  für  „ ununter- 
brochen'^  Die  Untersuchung  erstreckt  sich  so  ziemlich  fiber  die  ganze 
voraristotelische  Literatur,  zieht  also  ein  sehr  umfangreiches  Material 
gebundener  und  ungebundener  Form  in  den  Kreis  der  Betrachtung.  Im 
ersten,  kleineren  Teil  der  Arbeit  werden  die  psychologischen  Grundlagen 
dieser  sprachlichen  Erscheinung  untersucht,  und  im  zweiten  „speziellen  Teil 'S 
der  nahezu  200  Seiten  umfafst,  wird  das  ganze  hierher  gehörige  sprachliche 
Material  der  griechischen  Literatur  vor  Aristoteles  mitgeteilt,  und  zwar 
nicht  nach  den  in  der  psychologischen  Untersuchung  gefundenen  unter- 
scheidenden Merkmalen  der  einzelnen  Arten  polarer  Ausdrucksweise  ge- 
ordnet, sondern  nach  den  grammatischen  Eategorieen  nominaler,  adverbialer 
und  verbaler  Begriffe,  die  die  Form  polarer  Oegensatzverbindungen  an- 
genommen haben.  Diese  Verschiedenheit  des  Einteilungsgrundes  im 
theoretisch -psychologischen  Teil  und  in  der  Ordnung  der  zahlreichen 
Einzelfälle  ist  darin  begründet,  dafs  es  bei  sehr  vielen  Einzelfällen  un- 
entschieden bleiben  mufs,  unter  welche  Rubrik  sie  ihrer  psychischen  Ent- 
stehungsart nach  gehören. 

In  der  psychologischen  Theorie  geht  K.  mit  Recht  davon  aus,  dafs 
es  sich  bei  diesen  Gegensatzverbindungen  um  eine  Eigentümlichkeit  des 
menschlichen  Sprechens  und  Denkens  überhaupt  handelt,  weil  die  gleiche 
sprachliche  Erscheinung  sich  wohl  in  allen  Sprachen  findet,  im  Griechi- 
schen nur  besonders  stark  entwickelt  ist.  Da  es  sich  bei  der  ganzen  Frage 
nur  um  Assoziation  und  Reproduktion  handeln  kann,  so  untersucht  E. 
zuerst  die  Bedeutung  der  Vorstellungsassoziationen  für  den  Verlauf  unseres 
Denkens  und  dann  den  Einflufs  der  vielseitigen  latenten  Konstellationen 
unserer  Vorstellungen  auf  die  Reproduktion.  Hiemach  findet  er  vier  Ent- 
stehungsarten der  fraglichen  Gegensatzverbindungen.  Zunächst  sind  es  die 
Assoziationen  begrifflicher  Gegensatzvorstellungen,  die  von  der  Er- 
fahrung uns  entgegengebracht  werden,  und  die  zu  den  festesten  Asso- 
ziationen in  unserem  Vorstellungsvorrat  gehören  und  deshalb  sehr  leicht 
reproduziert  werden  {ovr  üvdq'  ovtb  ywalyca,  ovz  äyad^tß  ovre  ycayUp, 
aoqmg  'Kaa6q>oigy  yXIvu  ytdvayu  Ttdhv  etc.).  In  zweiter  Reihe  kann  es 
gich  handeln  um  Assoziationen  zwischen  einzelnen  Vorstellungen  und  ganzen 
Gegensatzverbindungen.  Der  positive  Nachweis  für  diese  Art  von  Asso- 
ziation ist  in  solchen  Fällen  nicht  leicht.  Aber  hier  tritt  nicht  selten  die 
Eigentümlichkeit  ein,  dafs  die  Gegensatzverbindung  etwas  Inkommensurables, 
Fremdartiges  mit  sich  bringt,  das  also  für  die  Zwecke  des  Gedanken- 


444  Nene  Philologische  Bandschan  Nr.  19. 

ansdruckes  mindestens  nicht  erforderlich  war.  So  im  Prolog  der  Antigene 
X60VO  2ry  Vj  ^qxxTtrovaa,  wo  die  Vorstellang  des  Ändems,  Besserns  der 
Sachlage  sich  mit  der  gewählten  Gegensatzverbindung  assoziiert.  Femer 
wird  die  Vorstellung  der  Oegensatzverbindung  selbst  mit  den  Vorstellungen 
der  Zwecke  des  Ausdrucks  assoziiert,  denen  sie  dienen  soll.  Hierher  gehören 
die  Oegensatzverbindungen  als  Ausdrucksmittel  für  den  Begriff  der  Vielheit 
(ileö&EQOi  xai  öodloi,  TtQeaß^eQOi  aal  vetireQOi,  0%  x  oWeg  ol'  %  dnövreg 
u.  a.).  Endlich  ist  es  das  bewufste  rhetorische  Streben  nach  parallelen 
Konstruktionen,  also  ein  rein  formales  Moment,  das  Beproduktion  und 
Produktion  von  Oegensatzverbindungen  verursacht,  dies  natürlich  besonders 
im  Eunststil  der  Bedner.  Hier  fiberwiegt  nicht  selten  der  formale  Ge- 
sichtspunkt das  Bedürfnis  des  Gedankenausdrucks,  und  die  Gegensatz- 
verbindungen haben  etwas  Gesuchtes  und  Erzwungenes. 

E.  hat  somit  den  Fachgenossen  nicht  nur  die  Ergebnisse  jahrelangen 
unverdrossenen  Sammelfleifses  vorgelegt,  sondern  auch  seinen  Gegenstand 
im  tiefsten  Wesen  erfafst  und  in  sorgfältiger  Erörterung  aller  Möglich- 
keiten zum  Verständnis  gebracht.  Leider  fehlt  dem  Buch  jedes  Begister 
über  den  Inhalt.  Orientierung  und  Oberblick  über  das  Ganze  des  Ge- 
dankengangs sind  somit  unnötig  erschwert.  Dem  Verzeichnis  der  Berich- 
tigungen möchten  wir  noch  hinzufügen,  dafs  es  S.  32,  Z.  10  v.  u.  nunmehr 
heifsen  mufs,  statt  nur  mehr,  und  S.  33,  Z.  6  v.  0.  bezeichnete  statt 
verzeichnete.  Der  Ausdruck  „aufnahmsfähige  Form^'  S.  37  ist  schwer 
verständlich,  weil  man  nicht  gleich  wissen  kann,  ob  eine  Form  gemeint 
ist,  die  etwas  aufzunehmen  fähig  ist,  oder  eine  Form,  die  fähig  ist  auf- 
genommen zu  werden.  Leicht  liest  sich  der  Stil  des  Verf.  überhaupt 
nicht.  Bei  der  Erwähnung  von  schwarz  und  weifs  (S.  24)  mufste,  zumal 
für  das  Griechische,  darauf  hingewiesen  werden,  dafs  es  sich  hier  ur- 
sprünglich nicht  um  konträre  Farbenbegriffe  handelt,  sondern  nur  um 
die  Beziehungsbegriffe  hell  und  dunkel. 

Lörrach.  J.  Keller. 

237)  J.  Willems,  Le  Sönat  Bomain  en  Tan  65  aprös  Jesus- 
Christ.     Publiß  d'aprfes  les  notes  de  P.  Willems  (Extrait  du 
Mus6e  Beige,  tomes  IV — VI).    Louvain,  Charles  Peeters,  1902. 
140  S.    8. 
Aus  dem,  wie  es  scheint,  ziemlich  reichen  literarischen  Nachlafs  von 

P.  Willems,  dessen  bekanntes  Werk  „Le  Senat  de  la  Röpublique  Romaine" 


Nene  Philologische  Rundschau  Nr.  19.  445 

vor  25  Jahren  erschien,  hat  der  Sohn  des  Verstorbenen  der  Öffentlichkeit 
ein  Bruchstack  übergeben,  das  Produkt  langjähriger  geduldiger  Arbeit,  die 
noch  der  Unterstützung  der  Prosopographia  imp.  Rom.  entbehrte.  Erst 
nachträglich  sind  die  beiden  vorliegenden  Verzeichnisse  mit  den  Angaben 
jenes  Sammelwerkes  verglichen  und  die  daraus  sich  ergebenden  mitunter 
recht  umfangreichen  Zusätze  und  Berichtigungen  in  eckigen  Klammern 
beigefügt  worden.  Dabei  gibt  es  bisweilen  unnütze  Wiederholungen;  so 
wird  Petronius  Arbiter  bezeichnet  als  „L'auteur  du  Satyricon"  (sie),  und  nach 
der  ann.  16,18  entlehnten  Charakteristik  des  Mannes  folgt  die  der  Prosopogr. 
entnommene  Bemerkung:  „11  öcrivit  des  satires  et  quelques  poömes".  — 
Die  erste  Liste  umfafst  182  Namen  solcher  Personen,  von  denen  auf  grund 
inscbriftlicher  und  literarischer  Dokumente  feststeht  oder  doch  sich  be- 
stimmt annehmen  läfst,  dafs  sie  65  v.  Chr.  (dem  Jahr  der  Pisonischen 
Verschwörung!)  dem  Senate  angehört  haben.  Durch  Hinzufügung  der 
Buchstaben  a  und  b  ist  die  gröfsere  oder  geringere  Sicherheit  der  Be- 
rechnung angedeutet,  die  teilweise  nur  durch  Feststellung  der  von  der 
betr.  Persönlichkeit  vor  oder  nach  dem  Jahre  65  bekleideten,  den  Senatoren- 
rang voraussetzenden  oder  bedingenden  Ämter  zu  ermöglichen  ist.  Wie 
in  der  Prosopographie  sind  alle  Nachrichten,  die  wir  von  den  verschiedenen 
Personen  haben,  unter  deren  Namen  zusammengestellt.  Von  den  182  Namen 
dieses  Verzeichnisses  kommen  nicht  weniger  als  126  bei  Tacitus  vor, 
ein  Beweis  dafür,  wie  diesem  Autor  der  Senat  als  das  Herz  des  Reiches, 
sein  Verhältnis  zum  Prinzeps  als  Brennpunkt  des  gesamten  öffentlichen 
Lebens  und  der  Hauptstadt  erschien.  Eine  zweite  Liste  bringt,  von 
wenigen  kopflosen  Inschriften  abgesehen,  203  Namen  einerseits  aller  Sena- 
toren aus  der  Regierungszeit  des  Nero,  Vespasian  und  Titus,  über  die 
sonstige,  bestimmte  Angaben  fehlen,  anderseits  die  vor  dem  Jahre  65 
irgendwo  erwähnten  höheren  Beamten,  von  denen  nicht  bekannt,  doch  in 
der  Begel  zu  vermuten  ist,  dafs  sie  zur  Zeit  der  Pisonischen  Verschwörung 
noch  am  Leben  waren,  z.  B.  Quästoren  seit  dem  Jahre  30,  Tribunen  und 
Ädilen  seit  32  u.  s.  w. 

Bei  Feststellung  von  gleichnamigen  Persönlichkeiten  nimmt  W.  häufig 
Veranlassung,  den  in  der  Prosopogr.,  bei  Nipperdey-Andresen  und  sonstwo 
niedergelegten  Ansichten  anderer  Gelehrten  zu  widersprechen,  beispiels- 
weise in  den  Artikeln  der  ersten  Liste  N.  29  u.  31  L.  Caesennius  (Cae- 
sonius)  Paetus,  36  L.  Calp.  Piso,  52  Ser.  Sulp.  Scipio  Salvidienus  Orfitus, 
82  Helvidius  Priscus,  153  Suetonius  Paulinus  (beachtenswert). 


436  Nene  Philologische  BundBchan  Nr.  19. 

Scbaoz  freilich,  igioO  ergänze  sich  leicht  aus  dem  Zusammenhange,  aber 
man  mufs  doch  wohl  Baiter  Recht  geben,  wenn  er  ausdrücklich  ein  Sco- 
%QdTovg  einsetzt.  Für  die  Möglichkeit  einer  Verwechslung  der  beiden 
Namen  bei  der  Abschrift  lassen  sich  ja  mancherlei  Ursachen  anführen: 
ein  Blick  auf  den  in  nächster  Nähe  folgenden  Namen  kann  sie  veranlafst 
haben  oder  der  Abschreiber  hat  eine  vermeintlich  falsche  Lesart  absicht- 
lich und  bewufst  geändert  oder  der  Name  ist  zuerst  unabsichtlich  aus- 
gelassen und  später  aus  Versehen  oder  Mifsverständnis  falsch  ergänzt 
worden  u.  dgl.  m.  Durch  die  Einsetzung  von  JSoix^crrovg  wird  auch  der 
Ausdruck  voller,  und  der  ganze  Satz  gewinnt  namentlich  für  den  weniger 
geschulten  Leser  eine  gröfsere  Verständlichkeit.  Deshalb  habe  ich  es  für 
richtig  gehalten,  in  der  von  mir  besorgteen  vierten  Auflage  der  Bertram- 
schen Ausgabe  (1898)  Sfoyf^fdrovg  drucken  zu  lassen,  und  diese  Schreibung 
auch  in  der  demnächst  erscheinenden  fünften  Auflage  beibehalten.  Ebenso 
habe  ich,  um  den  Ausdruck  als  deutlicher  und  bestimmter  ausgeprägt  und 
den  dem  Meletos  gemachten  Vorwurf  als  schärfer  und  unbedingter  er- 
scheinen zu  lassen,  im  Anschlufs  an  die  beiden  Schanzischen  Ausgaben 
von  1893  hinter  löycov  statt  des  Fragezeichens  einen  Punkt  gesetzt. 

Aber  darf  man  nun  glauben,  dafs  damit  der  Schaden  endgültig  ge- 
heilt und  jeder  Möglichkeit  einer  Anzweifelung  für  immer  vorgebeugt  sei? 
Keineswegs;  die  Lesart  ScoyiQdtovg  hat  ja  auch  keine  weitere  Aufnahme 
gefunden,  und  in  der  Tat  spricht  auch  etwas  gegen  sie.  Es  klingt  doch 
etwas  wunderlich,  wenn  Sokrates  sagt:  Du  meinst  den  Sokrates  anzu- 
klagen und  rechnest  dabei  auf  die  Unwissenheit  der  Zuhörer;  Meletos 
meint  das  nicht,  sondern  klagt  den  Sokrates  tatsächlich  an.  Aber  es  ist 
nicht  der  geringste  Orund  vorhanden ,  an  der  Bichtigkeit  des  oui ,  zu 
zweifeln,  und  die  Schwäche  der  Überlieferung  kann  nur,  wie  vorhin  be- 
merkt ist,  darin  liegen,  dafs  nicht  der  richtige  Gegensatz  zu  dem  rä 
l^va^ayÖQOv  ßißXia  xrA.  vorhanden  ist.  Ist  nun  mit  der  Einsetzung  des 
persönlichen  Gegensatzes  Scjycqdtovg  noch  nicht  die  sichere  Abhilfe  gewonnen 
und  sind  Wendungen,  wie  ^£ig  äd-iov  fiov  oder  Itid^eÖTT^TÖg  fiov,  paläo- 
graphisch  unwahrscheinlich,  so  mufs  man  sich  nach  einem  Ausdruck  um- 
sehen, in  welchem  ein  sachlicher  Gegensatz  enthalten  ist,  ein  Gegensatz, 
in  dem  der  Unterschied  zwischen  dem  wirklichen  Zutreffen  der  Anklage 
auf  Anaxagoras  und  dem  Meinen  des  Meletos,  zwischen  der  Unwiderleg- 
barkeit der  gegen  Anaxagoras  zu  richtenden  Anklage  und  der  Widerlegbar- 
keit  der   gegen   Sokrates   gerichteten  zur  Geltung  gelangt.     Das  xari]- 


Nene  Philologische  RnndBohan  Nr.  19.  437 

yoQeiv  niafs  in  dem  verloren  gegangenen  Worte  als  ein  sicher  zum  Ziele 
fahrendes,  ein  auf  guten  Olauben  rechnendes,  ein  unwiderlegbares  charak- 
terisiert gewesen  sein.  Ein  dem  eben  dargelegten  verwandter  (Gedanken- 
gang hat  Yor  Jahren  K.  J.  Liebhold  zu  dem  Vorschlage  veranlaCst  (Fleck- 
eisens Jahrbb.,  137.  Jahrg.  1888,  S.  756/7),  an  unserer  Stelle  UU'  i^ 
ärcdqov  TcaTrjyoQeig  zu  schreiben;  das  hinter  ^Ava^aydQOv  stehende  oXu 
soll  als  Duplikat  des  nachfolgenden  in  den  Text  geraten  sein  und  das  i| 
äTtÖQov  wird  durch  die  Übertragung,  welche  Stallbaum  ffir  das  $  indqün^  in 
den  Gesetzen  II,  p.  699  B  gegeben  hat  („post  desperatam  plane  rerum  suarum 
condicionero  et  fortunam'^),  erklärt  Aber  gegen  diesen  Vorschlag  spricht 
in  erster  Beihe  die  Änderung  des  oXbl  yunrjyoQeiv  in  yLarrffOQeig'y  sodann 
entfernen  sich  die  Schriftzfige  des  l^li^  e^  äfcdqov  von  denen  des  '^vcr|a- 
yÖQOVf  dessen  Entstehung  in  diesem  Falle  doch  nur  durch  ein  Verlesen 
erklärt  werden  kann,  allzusehr;  endlich  wird  der  (Gegensatz  zwischen  der 
vermeintlichen  Beichaffenheit  der  Anklage  und  ihrem  wirklichen  frivolen, 
auf  die  Unwissenheit  der  Zuhörer  rechnenden  Charakter  nicht  deutlich 
genug  ausgedrückt.  Alle  Bedenken  fallen  dagegen  fort,  wenn  man  sich 
^Ave^eXeyntiog  oXei  TutvqyoQeiv  geschrieben  denkt;  damit  ist  ein  Wort 
eingesetzt,  dessen  Sinn  („ unwiderlegbar '')  die  vorhin  gestellten  Anforde- 
rungen erfüllt  und  bei  dem  das  Fehlen  eines  Personenobjekts  nichts  Auf- 
fälliges hat.  In  demselben  Sinne  ist  dv€^iXeyx,Tog  auch  in  Xenophons 
Kynegetikos  13,  7  gebraucht  und  das  Adverbium  äye^eliyyLt(og  kommt  in 
Xenophons  Oikonomikos  10,  8  in  der  Verbindung  äv^eUyrwg  i^oTtaräv 
mit  dem  Sinne  eines  „unentdeckbaren,  unfehlbaren,  unwiderlegbaren^' 
Betrügens  vor.  Danach  würde  also  unsere  Stelle  in  deutscher  Über- 
tragung lauten:  Eine  unwiderlegbare  Anklage  meinst  du  zu  erheben  und 
denkst  so  gering  von  diesen  hier  und  hältst  sie  fQr  so  unbewandert  in 
der  Literatur,  dafs  sie  nicht  wüfsten,  dafs  die  Bücher  des  Klazomeniers 
Anaxagoras  von  diesen  Darlegungen  voll  sind,  und  natürlich  lernen  auch 
die  jungen  Leute  von  mir  diese  Dinge  usw. 

233)  E.  S.  Shuckbui^hi  The  Antigone  of  Sophodes  with  a 
commentary,  abridged  from  the  large  edition  of  B.  C«  Jebb. 
Cambridge,  University  Press  (London,  J.  Clay  &  Sons),  1902. 
XL  U.  252  S.  8.  geb.  4  ßh. 

Als  ein  Beweis  von  der  Bedeutung  der  Sophoklesausgabe  des  eng- 
lischen Gelehrten  Jebb  ist  es  zu  betrachten,  dafs  Shuckburgh  einen  Auszug 


438  Nene  Philologische  Rundschau  Nr.  19. 

der  Antigoneansgabe  von  Jebb  veranstaltet  bat,  um  die  Ergebnisse  der 
Forschung  Jebbs  weiteren  Kreisen  zugänglich  zu  machen.  Die  Ausgabe 
von  Sh.  ist  bestimmt  „zum  Oebrauch  von  höheren  Klassen  in  Schulen 
und  für  üniversitätsstudenten ''. 

In  der  Vorrede  erklärt  Sh.,  dafs  er  nur  in  sehr  wenig  Fällen  ein 
oder  zwei  Worte  oder  eine  Bemerkung  hinzugefügt  habe.  Demgemäfs 
besitzt  das  Buch  keinen  selbständigen  wissenschaftlichen  Wert  und  weist 
weder  Neues  noch  Verbesserungen  gegenüber  der  Originalausgabe  von 
Jebb  auf. 

In  England  vermag  das  Buch  den  praktischen  Zweck,  in  weiteren 
Kreisen  ein  tieferes  Verständnis  des  Sophokleischen  Dramas  an  Hand  der 
kundigen  Führung  Jebbs  zu  ersehliefsen,  recht  wohl  zu  erfüllen  infolge  der 
geschickten  Auswahl  des  Verf.  Er  hat  von  der  grofsen  Ausgabe  von  Jebb 
alles  beibehalten,  was  allgemeineres  Interesse  beansprucht  —  z.  B.  sind 
die  trefflichen  einleitenden  Kapitel  zum  grOfseren  Teil  beibehalten  — 
dagegen  alles  ausgeschieden,  was  nur  für  die  gelehrte  Forschung  Wert 
hat,  insbesondere  alle  Kontroversen  und  gelehrten  Auseinandersetzungen; 
in  der  Textgestaltung  ist  Sh.  durchweg  Jebb  gefolgt.  Die  Umsicht  des 
Verf.  in  der  Auswahl  zeigt  sich  z.  B.  darin,  dafs  er  zwar  die  fortlaufende 
Übersetzung  in  der  grofsen  Ausgabe  von  Jebb  weggelassen,  aber  sie 
manchmal,  wo  sie  zugleich  der  Erklärung  dient,  z.  B.  V.  1 — 6,  V.  106  f. 
in  den  Kommentar  hineingeflochten  hat. 

Deutsche  Oelehrte,  die  sich  mit  Sophoklesstudien  befassen,  müssen 
natürlich  auf  die  Originalausgabe  von  Jebb  zurückgehen.  Immerhin  bietet 
aber  der  von  Sh.  veranstaltete  gute  Auszug  die  Textrezension  von  Jebb 
und  das  Wichtigste  aus  dessen  trefflichem  Kommentar,  mithin  einen  passen- 
den Ersatz  da,  wo  von  der  grofsen  Ausgabe  von  Jebb  wegen  des  hohen 
Anschaffungspreises  Abstand  genommen  werden  mufs. 

München.  VIT.  BeiniU. 


234)  Alfredus  Kappelmacher,  Studia  luvenaliana.  (Disser- 
tationes  Philologae  Vindobonenses.  VII,  3).  Vindobonae  et  Lip- 
siae,  sumptus  fecit  F.  Deuticke,  1903.     41  S.  8.  ^  2.—. 

Soviel  neuerdings  für  Kritik  und  Erklärung  Juvenals  erreicht  ist: 
über  das  Leben  des  Satirikers  läfst  sich  auch  heute  noch  nicht  viel  Ge- 
wisses  sagen.    Was  seinen  Bildungsgang  betrifft,   so   bezeugt   er  selbst 


Neue  Philologische  Bundsohaa  Nr.  19.  439 

I,  15  sqq.  et  dos  ergo  manum  feralae  sabduximus,  et  nos  consilinm  de- 
dimus  Sallae,  privatus  ut  altum  dormiret,  d.  h.  auch  er  habe  die  Schule 
des  Grammatikers  und  des  Rhetors  durchgemacht,  und  die  sogen.  Bio- 
graphie des  Frobus  berichtet :  ad  mediam  fere  aetatem  declamavit.  Zudem 
verraten  die  Satiren  selbst  auf  jeder  Seite  den  Bhetorenschüler  in  ihrem 
Pathos  und  der  rhetorischen  Darstelluigsweise.  Daran  also,  dafs  Juvenal 
Bhetor  war,  zweifelt  niemand;  aber  die  Schule  anlangend,  zu  der  er  ge- 
hörte, sind  widersprechende  Ansichten  geäufsert  worden.  Einerseits  sagt 
Marx,  Incerti  auctoris  de  ratione  dicendi  ad  C.  Herennium  libri  IV,  148: 
clarissimum  autem  odii  contra  Graecos  testimonium  exstat  in  luvenalis 
rheforis  Latini  saturis  III,  58  sqq.,  und  er  rechnet  somit  Juvenal  zu  den 
sogen.  Latini  rhetores,  der  antigriechischen,  nationalrömischen  Schule,  aus 
der  die  Bhetorik  an  Herennius  hervorgegangen  war.  Dagegen  meint 
Friedländer  in  seiner  Ausgabe  p.  16,  Juvenal  sei  ein  Schäler  Quintilians 
gewesen,  der  zu  den  Griechen  und  der  griechischen  Literatur  eine  grund- 
sätzlich freundliche  Stellung  hatte.  Diesen  Widerstreit  zu  entscheiden 
unternimmt  Eappelmacher  in  der  oben  genannten  Schrift. 

Im  I.  Eap.  weist  er  nach,  dafs  der  für  die  Latini  rhetores  charakte- 
ristische Hafs  gegen  alles  Griechische  bei  Juvenal  nicht  vorhanden  ist 
(p.  8  sqq.) ,  dafs  er  vielmehr  die  griechischen  Schriftsteller  vielfach  mit 
Anerkennung  nennt  (p.  11  sq.)  und  auch  im  Gebrauche  griechischer 
Lehnwörter  weit  über  das  von  der  Not  gebotene  Mafs  hinausgeht 
(p.  12  sqq.).  Endlich  p.  15  weist  er  noch  darauf  hin,  dafs  Juvenal  auch 
politisch  anders  steht  als  die  Latini  rhetores,  insofern  er  die  Gracchen 
tadelt  (II,  24),  während  sie  von  dem  auctor  ad  Her.  lY,  55,  68  gepriesen 
werden. 

Im  IL  Kap.  (p.  16 sq.),  zeigt  E.  dann,  dafs  diese  Haltung  Juvenals 
gegenüber  den  Griechen  genau  der  Quintilians  entspricht,  der  gegen  die 
Einseitigkeit  der  Latini  rhetores  polemisiert. 

Das  Besultat  der  beiden  ersten  Abschnitte  ist,  dafs  Juvenal  ebenso- 
wenig wie  Quintilian  ein  rhetor  Latinus  genannt  werden  kann. 

Es  bleibt  nun  die  Frage  übrig,  ob  Juvenal  ein  Schüler  Quintilians 
im  engeren  Sinne  zu  nennen  ist,  wie  Friedländer  behauptet.  Da  ihm  die 
von  diesem  geltend  gemachten  Gründe  chronologischer  Art  nicht  zu  ge- 
nügen scheinen,  so  sucht  E.  aus  den  Satiren  selbst  zu  erweisen,  dafs 
wenigstens  mit  Wahrscheinlichkeit  Juvenal  als  Zuhörer  Quintilians  zu 
denken   ist.    In  sechs  Abschnitten  legt  er   eine   weitgehende  Überein- 


440  Nene  Philologische  Bondschaa  Nr.  19. 

Stimmung  beider  dar.  Zunächst  stellt  er  (p.  20  sqq.)  eine  Reihe  von 
rhetorischen  Termini  bei  Juvenal  fest,  die,  von  Quintilian  oft  gebraucht, 
bei  anderen  Bhetoren  zum  Teil  gar  nicht  vorkommen.  Dieser  Abschnitt 
scheint  uns  der  wichtigste  zu  sein.  Ferner  macht  er  (p.  25  sq.)  auf  die 
Stellen  in  der  siebenten  Satire  aufmerksam,  die  sich  auf  grammatische 
und  rhetorische  Schulen  und  Lehrer  beziehen,  und  stellt  ihnen  solche  aus 
Quintilians  Inst  orat.  gegenüber,  die  dieselben  Punkte  berühren.  Drittens 
zeigt  er  (p.  26  sqq.),  dafs  beide  über  dieselben  Persönlichkeiten  gleich 
arteilen,  dafs  insbesondere  Cicero  von  beiden  sehr  hoch  gestellt  wird, 
während  manche  rhetores  Lat.  entschiedene  Feinde  Giceros  sind.  Auch 
die  Übereinstimmung  im  Urteil  über  Zeitgenossen  hebt  er  hervor.  Da- 
nach stellt  er  p.  30  sq.  die  Ansicht  auf,  dafs  die  Anordnung  des  Stoffes 
in  sat.  Vn  von  Quintilian  beeinflufst  sei,  insofern  dort  poetae,  historici' 
oratores  (causidici)  behandelt  werden  in  derselben  Beihenfolge,  wie  Quin- 
tilian X,  I  die  Muster  zur  Nachahmung  vorführt.  Fünftens  werden 
p.  31  sq.  im  besonderen  die  Muster  in  der  Satire  behandelt,  Lucil,  Horaz, 
Persius,  die  von  Quintilian  X,  1, 93  sq.  besprochen  werden.  Sat.  I  sei  nach 
Lucil  angelegt  (p.  31 — 35),  und  viele  Verse  Juvenals  seien  Nachahmungen 
Lucilischer  (p.  36).  Dafs  Horaz  dem  Juvenal  bekannt  und  von  ihm  be- 
nutzt sei ,  bewiesen  zahlreiche  Verse  (p.  37  sq.)  Benutzung  von  Persius, 
Satiren  bezweifelt  E.  (p.  38 sq.);  Quintilians  Lob  (X,  1.  94)  beruhe  auf 
persönlicher  Bekanntschaft  mit  Persius,  sei  aber  unverdient.  Endlich 
sucht  E.  zu  zeigen,  dafs  Juvenals  Satiren  gewisse  Vorzüge  aufweisen,  die 
auf  Befolgung  von  Vorschriften  Quintilians  zurückgingen  (p.  39  sq.),  be- 
sonders Anschaulichkeit  und  mafsvolle  Anwendung  von  Sentenzen. 

Nicht  alles,  was  E.  vorbringt,  ist  beweisend.  Die  aus  der  siebenten 
Satire  ausgehobenen  Stellen,  die  Urteile  über  Persönlichkeiten  der  Vorzeit 
und  der  Gegenwart,  das  Studium  des  Lucil  und  Horaz:  alles  das  kann 
auf  Quintilian  zurückgehen,  mufs  es  aber  nicht.  Die  Abhängigkeit  sodann 
der  Anordnung  in  Sat.  VII  von  Quintilian  ist  überhaupt  nicht  glaublich. 
Anderes  kann  Juvenal  lediglich  aus  dem  Studium  der  Inst.  Or.  haben,  z.  B. 
seine  Wertschätzung  Giceros  und  die  Befolgung  gewisser  Lehren,  wie  sie 
p.  39  sq.  mehr  angedeutet  als  ausgeführt  ist.  Für  persönliche  Schüler- 
schafb  Juvenals  ist  damit  noch  nichts  gewonnen.  Erst  wenn  ein  oder 
der  andere  Punkt  in  der  Übereinstimmung  beider  sich  findet,  wo  die 
Abhängigkeit  Juvenals  nur  aus  persönlicher  Einwirkung  zu  erklären  ist, 
dann  tritt  alles  oben  Angeführte  unterstützend  hinzu. 


Nene  Philologische  Bandschau  Nr.  19.  441 

Tatsächlich  scheint  ans  nun  ein  solcher  Punkt  vorhanden  zu  sein  und 
zwar  in  der  p.  20  sqq.  ausgeführten  Abhängigkeit  Juvenals  von  Quintilian 
in  bezug  auf  einige  Besonderheiten  rhetorischer  Terminologie. 

Wenn  Juvenal  YI,  449  das  Wort  enthymema  gebraucht,  welches 
Quintilian  Y,  10.  1  im  bewufsten  Gegensatze  zu  seinen  Zeitgenossen  aus- 
drücklich der  lat.  Bezeichnung  contrarium  vorzieht,  so  tut  er  das  doch 
sicherlich  nicht,  weil  er  einmal  die  betreffende  Stelle  in  der  Inst.  Or 
gelesen  hat,  sondern  weil  ihm  der  Terminus  durch  die  Gewohnheit  der 
Schule  in  Fleisch  und  Blut  übergegangen  ist.  Wenn  er  ferner  YI,  280 
color  im  Sinne  von  excusatio  setzt  und  dabei  Quintilian  anredet:  „die, 
die  aliquem  sodes  hie,  Quintiliane,  colorem'S  so  weist  diese  Apostrophe 
auf  ein  zwischen  dem  Bhetor  und  dem  Dichter  bestehendes  persönliches 
Yerhältnis  hin.  —  Ganz  dasselbe  persönliche  Yerhältnis  zu  Quintilian 
zeigt  sich  auch  in  der  Parteinahme  Juvenals  gegen  den  Bhetor  A.  Cor- 
nelius Gelsus,  die  E.  nicht  erwähnt.  Gegen  dieses  Rhetors  ars  polemisiert 
Quintilian  sehr  oft,  und  auch  wo  er  ihm  zustimmt,  geschieht  es  mit  Kälte 
und  Zurückhaltung  (TeuffeP,  280,  2).  Juvenal  nun  teilt  dem  Gelsus  keine 
erhebende  Bolle  zu,  wenn  er  YI,  244  sq.  ihm  von  prozefssüchtigen  Weibern 
Einleitung  und  Hauptpunkte  der  Gerichtsrede  diktieren  läfst. 

Diese  Einzelheiten  aus  den  Satiren  bekunden  ein  so  persönliches 
Interesse  an  Quintilians  Besonderheiten,  dafs  es  aus  dem  blofsen  Studium 
seines  Werkes  nicht  zu  erklären  ist,  sondern  nur  aus  dem  Yerhältnis  des 
überzeugten  Schülers  zu  seinem  Lehrer,  den  er  oft  über  diese  Dinge  hatte 
reden  hören,  oder  mit  dem  er  selbst  darüber  disputiert  hatte. 

E.  hat  in  seiner  fleifsigen  Arbeit,  die  sich  auch  gut  liest,  für  die 
Ansicht,  dafs  Juvenal  nicht  blofs  im  weiteren  Sinne  Quintilians  Schüler 
sei,  zwar  nicht  den  strikten  Beweis  führen  können,  wohl  aber  einen  so 
hohen  Grad  der  Abhängigkeit  Juvenals  von  seinem  Lehrer  erwiesen,  dals 
man  an  der  Tatsache  nicht  mehr  zu  zweifeln  braucht,  dafs  Juvenal  den 
Bhetor  selbst  gehört  hat. 

Waren  i.  Meckl.  H.  Polstorff. 

235)  W.  H.  D.  Bouse,  Greek  votive  offerings.    An  Essay  in 

the  history  of  Greek  religion.    Cambridge,  at  the  University  press 
(London,  J.  C.  Clay  &  Sons),  1902.    XYI  u.  463  S.  8.   geb.  16  sh. 
Ein  willkommenes  Buch!    Der  Gegenstand   ist   seit   langem   nicht 
mehr  im  Zusammenhang  behandelt  worden,  und  nach  der  fast  unüberseh- 


442  Nene  Philologische  Bnndsohaa  Nr.  19. 

baren  Fülle  neuen  Materials,  welche  die  Funde  der  letzten  Jahrzehnte 
gebracht  haben,  wobei  immer  und  immer  wieder  einzelne  Seiten  dieses 
Gegenstandes  zur  Behandlung  und  Erörterung  kamen,  mufs  man  sieb 
billig  wundem,  dafs  nicht  schon  früher  eine  Zusammenfassung  des  jetzt 
erreichbaren  Standes  unserer  Kenntnis  von  Art  und  Wesen  des  Weih- 
geschenks versucht  worden  ist.  Wohl  hat  es  nicht  an  Versuchen  der  Be- 
handlung einzelner  Gruppen  gefehlt,  allein  eine  zusammenfassende  Behand- 
lung ist  doch  nachgerade  ein  unabweisliches  Bedürfnis  geworden  und  das 
vorliegende  Werk  Bouses  kommt  diesem  Werk  in  erwünschter  Weise  zu 
Hilfe.  Nach  einer  kurzen  Bestimmung  des  Begriffs  Weihgeschenk  werden 
die  verschiedenen  Anlässe  zu  solchen  in  einer  Beihe  von  Kapiteln  be- 
handelt, zuerst  solche  an  die  Toten,  an  die  Heroen  und  die  chthonischen 
Gottheiten,  dann  Zehnten  und  Erstlinge,  ferner  Krieg,  Spiele  und  Wett- 
kämpfe, Krankheit  und  Unglück,  häusliches  Leben,  Ehrendenkmäler,  Feste 
und  Zeremonieen,  Sühnungen,  Weihung  besonderer  Schätze  und  Kostbar- 
keiten. Drei  weitere  Kapitel  sind  den  Weiheformeln  und  der  Art  der 
tTbergabe  der  Geschenke  gewidmet  und  ein  ausführliches  Schlufskapitel 
gibt  eine  übersichtliche  Zusammenstellung  des  Ergebnisses  aus  den  Einzel- 
untersuchungen. Eine  sehr  wertvolle  Beigabe  sind  die  nicht  weniger  als 
70  Seiten  umfassenden  Indices,  in  denen  eine  Übersicht  der  Weihegaben 
gegeben  ist,  die  in  verschiedenen  Heiligtümern  in  Athen,  Eleusis,  De- 
los,  in  Amphiaraion,  im  Kabirion,  in  Platää,  Samos  u.  a.  m.  gefunden 
wurden,  sowie  von  solchen,  die  in  der  Anthologie  begegnen.  Ein  grie- 
chischer und  englischer  Generalindex  machen  den  Beschlufs  und  erhöhen 
wesentlich  die  Benutzbarkeit  des  Buches,  das  sich,  so  hoffen  wir,  bald 
auch  in  Deutschland  den  verdienten  Beifall  erwerben  wird. 

Calw.  P.  Weissäoker. 


236)  E.  Kemmer,  Die  polare  Ausdraeksweise  in  der  grie- 
chischen Literatur.  Würzburg,  A.  Stuber,  1903.  VIII  u. 
263  S.  8.  Ji  6.  -. 

Die  vorliegende  Studie  bildet  das  15.  Heft  der  „Beiträge  zur  histo- 
rischen Syntax  der  griechischen  Sprache,  die  Prof.  M.  v.  Schanz  in  Würz- 
burg herausgibt,  und  ist  vom  Herausgeber  dieser  Beiträge  direkt  angeregt. 
Unter  polarer  Ausdrucksweise  versteht  schon  v.  Schanz  den  bei  griechischen 
Schriftstellern  besonders  häufigen  Gebrauch  von  Gegensatzverbindungen,  in 
denen  ein  einfacher  allgemeiner  Begriff  sich  gleichsam  nach  seinen  beiden 


Nene  Philologische  Bundschan  Nr.  19.  448 

Polen  differenziert,  also  Fälle  wie  v^rag  te  xat  ^fiaq  für  „ ununter- 
brochen *\  Die  Untersuchung  erstreckt  sich  so  ziemlich  fiber  die  ganze 
Yoraristotelische  Literatur,  zieht  also  ein  sehr  umfangreiches  Material 
gebundener  und  ungebundener  Form  in  den  Kreis  der  Betrachtung.  Im 
ersten,  kleineren  Teil  der  Arbeit  werden  die  psychologischen  Grundlagen 
dieser  sprachlichen  Erscheinung  untersucht,  und  im  zweiten  „speziellen  Teil", 
der  nahezu  200  Seiten  umfafst,  wird  das  ganze  hierher  gehörige  sprachliche 
Material  der  griechischen  Literatur  vor  Aristoteles  mitgeteilt,  und  zwar 
nicht  nach  den  in  der  psychologischen  Untersuchung  gefundenen  unter- 
scheidenden Merkmalen  der  einzelnen  Arten  polarer  Ausdrucksweise  ge- 
ordnet, sondern  nach  den  grammatischen  Eategorieen  nominaler,  adverbialer 
und  verbaler  Begriffe,  die  die  Form  polarer  Gegensatzverbindungen  an- 
genommen haben.  Diese  Yerschiedenheit  des  Einteilungsgrundes  im 
theoretisch -psychologischen  Teil  und  in  der  Ordnung  der  zahlreichen 
EinzelflLlle  ist  darin  begründet,  dafs  es  bei  sehr  vielen  Einzelfällen  un- 
entschieden bleiben  mufs,  unter  welche  Rubrik  sie  ihrer  psychischen  Ent- 
stehungsart  nach  gehören. 

In  der  psychologischen  Theorie  geht  K.  mit  Becht  davon  aus,  dafs 
es  sich  bei  diesen  Gegensatzverbindungen  um  eine  Eigentümlichkeit  des 
menschlichen  Sprechens  und  Denkens  überhaupt  handelt,  weil  die  gleiche 
sprachliche  Erscheinung  sich  wohl  in  allen  Sprachen  findet,  im  Griechi- 
schen nur  besonders  stark  entwickelt  ist.  Da  es  sich  bei  der  ganzen  Frage 
nur  um  Assoziation  und  Beproduktion  handeln  kann,  so  untersucht  E. 
zuerst  die  Bedeutung  der  Vorstellungsassoziationen  für  den  Verlauf  unseres 
Denkens  und  dann  den  Einflufs  der  vielseitigen  latenten  Konstellationen 
unserer  Vorstellungen  auf  die  Beproduktion.  Hiemach  findet  er  vier  Ent- 
stehungsarten der  fraglichen  Gegensatzverbindungen.  Zunächst  sind  es  die 
Assoziationen  begrifflicher  Gegensatzvorstellungen,  die  von  der  Er- 
fahrung uns  entgegengebracht  werden,  und  die  zu  den  festesten  Asso- 
ziationen in  unserem  Vorstellungsvorrat  gehören  und  deshalb  sehr  leicht 
reproduziert  werden  (oiV*  üvöq^  ovre  ywdi^ay  cnrc  äyad^tp  ovre  xax^), 
aoq>oig  •Käa6q>oigy  yiXivei  YdvdyBi  nihv  etc.).  In  zweiter  Beihe  kann  es 
sich  handeln  am  Assoziationen  zwischen  einzelnen  Vorstellungen  und  ganzen 
Gegensatzverbindungen.  Der  positive  Nachweis  für  diese  Art  von  Asso- 
ziation ist  in  solchen  Fällen  nicht  leicht.  Aber  hier  tritt  nicht  selten  die 
Eigentümlichkeit  ein,  dafs  die  Gegensatzverbindung  etwas  Inkommensurables, 
Fremdartiges  mit  sich  bringt,  das  also  für  die  Zwecke  des  Gedanken- 


444  Neue  Philologische  RundBchau  Nr.  19. 

ansdruckes  mindestens  nicht  erforderlich  war.  So  im  Prolog  der  Antigene 
liova  Sv  Vj  ^qxxTtrovaay  wo  die  Vorstellung  des  Änderns,  Besserns  der 
Sachlage  sich  mit  der  gewählten  Gegensatzverbindung  assoziiert.  Femer 
wird  die  Vorstellung  der  Gegensatzverbindung  selbst  mit  den  Vorstellungen 
der  Zwecke  des  Ausdrucks  assoziiert,  denen  sie  dienen  soll.  Hierher  gehören 
die  Gegensatzverbindungen  als  Ausdrucksmittel  für  den  Begriff  der  Vielheit 
{ileöd-eQOi  ycat  dof^loiy  TtqeaßikeQOL  xai  vedrceqoiy  o%  %  ovreg  o%  %  aTcdvreg 
u.  a.).  Endlich  ist  es  das  bewufste  rhetorische  Streben  nach  parallelen 
Konstruktionen,  also  ein  rein  formales  Moment,  das  Beproduktion  und 
Produktion  von  Gegensatzverbindungen  verursacht,  dies  natürlich  besonders 
im  Eunststil  der  Bedner.  Hier  fiberwiegt  nicht  selten  der  formale  Ge- 
sichtspunkt das  Bedürfnis  des  Gedankenausdrucks,  und  die  Gegensatz- 
verbindungen haben  etwas  Gesuchtes  und  Erzwungenes. 

E.  hat  somit  den  Fachgenossen  nicht  nur  die  Ergebnisse  jahrelangen 
unverdrossenen  Sammelfleifses  vorgelegt,  sondern  auch  seinen  Gegenstand 
im  tiefsten  Wesen  erfafst  und  in  sorgfältiger  Erörterung  aller  Möglich- 
keiten zum  Verständnis  gebracht.  Leider  fehlt  dem  Buch  jedes  Register 
über  den  Inhalt.  Orientierung  und  Überblick  über  das  Ganze  des  Ge- 
dankengangs sind  somit  unnötig  erschwert.  Dem  Verzeichnis  der  Berich- 
tigungen möchten  wir  noch  hinzufügen,  dafs  es  S.  32,  Z.  10  v.  u.  nunmehr 
heifsen  mufs,  statt  nur  mehr,  und  S.  33,  Z.  6  v.  o.  bezeichnete  statt 
verzeichnete.  Der  Ausdruck  „aufnahmsfähige  Form"  S.  37  ist  schwer 
verständlich,  weil  man  nicht  gleich  wissen  kann,  ob  eine  Form  gemeint 
ist,  die  etwas  aufzunehmen  fähig  ist,  oder  eine  Form,  die  fähig  ist  auf- 
genommen zu  werden.  Leicht  liest  sich  der  Stil  des  Verf.  überhaupt 
nicht.  Bei  der  Erwähnung  von  schwarz  und  weifs  (S.  24)  mufste,  zumal 
für  das  Griechische,  darauf  hingewiesen  werden,  dafs  es  sich  hier  ur- 
sprünglich nicht  um  konträre  Farbenbegriffe  handelt,  sondern  nur  um 
die  Beziehungsbegriffe  hell  und  dunkel. 

Lörrach.  J-  Keller. 

237)  J.  WillemSi  Le  Sönat  Romain  en  Tan  65  aprös  Jösus- 

Christ.     Publiö  d'aprfes  les  notes  de  P.  Willems  (Extrait  du 

Mus6e  Beige,  tomes  IV — VI).    Louvain,  Charles  Peeters,  1902. 

140  S.    8. 

Aus  dem,  wie  es  scheint,  ziemlich  reichen  literarischen  Nachlafs  von 

P.  Willems,  dessen  bekanntes  Werk  „Le  Senat  de  la  Böpublique  Bomaine" 


\ 


Nene  Philologische  Rnndschan  Nr.  19.  446 

vor  25  Jahren  erschien,  hat  der  Sohn  des  Verstorbenen  der  Öffentlichkeit 
ein  Bruchstück  fibergeben,  das  Produkt  langjähriger  geduldiger  Arbeit,  die 
noch  der  Unterstfitzung  der  Frosopographia  imp.  Born,  entbehrte.  Erst 
nachträglich  sind  die  beiden  vorliegenden  Verzeichnisse  mit  den  Angaben 
jenes  Sammelwerkes  verglichen  und  die  daraus  sich  ergebenden  mitunter 
recht  umfangreichen  Zusätze  und  Berichtigungen  in  eckigen  Klammern 
beigefBgt  worden.  Dabei  gibt  es  bisweilen  unnütze  Wiederholungen;  so 
wird  Petronius  Arbiter  bezeichnet  als  „L'auteur  du  Satyricon"  (sie),  und  nach 
der  ann.  16,18  entlehnten  Charakteristik  des  Mannes  folgt  die  der  Frosopogr. 
entnommene  Bemerkung:  „II  6crivit  des  satires  et  quelques  poämes'S  — 
Die  erste  Liste  umfafst  182  Namen  solcher  Fersonen,  von  denen  auf  grund 
inschriftlicher  und  literarischer  Dokumente  feststeht  oder  doch  sich  be- 
stimmt annehmen  läfst,  dafs  sie  65  v.  Chr.  (dem  Jahr  der  Fisonischen 
Verschwörung!)  dem  Senate  angehört  haben.  Durch  Hinzufugung  der 
Buchstaben  a  und  b  ist  die  gröfsere  oder  geringere  Sicherheit  der  Be- 
rechnung angedeutet,  die  teilweise  nur  durch  Feststellung  der  von  der 
betr.  Fersönlichkeit  vor  oder  nach  dem  Jahre  65  bekleideten,  den  Senatoren- 
rang voraussetzenden  oder  bedingenden  Ämter  zu  ermöglichen  ist.  Wie 
in  der  Frosopographie  sind  alle  Nachrichten,  die  wir  von  den  verschiedenen 
Fersonen  haben,  unter  deren  Namen  zusammengestellt.  Von  den  182  Namen 
dieses  Verzeichnisses  kommen  nicht  weniger  als  126  bei  Tacitus  vor, 
ein  Beweis  dafür,  wie  diesem  Autor  der  Senat  als  das  Herz  des  Reiches, 
sein  Verhältnis  zum  Frinzeps  als  Brennpunkt  des  gesamten  öffentlichen 
Lebens  und  der  Hauptstadt  erschien.  Eine  zweite  Liste  bringt,  von 
wenigen  kopflosen  Inschriften  abgesehen,  203  Namen  einerseits  aller  Sena- 
toren aus  der  Begierungszeit  des  Nero,  Vespasian  und  Titus,  über  die 
sonstige,  bestimmte  Angaben  fehlen,  anderseits  die  vor  dem  Jahre  65 
irgendwo  erwähnten  höheren  Beamten,  von  denen  nicht  bekannt,  doch  in 
der  Begel  zu  vermuten  ist,  dafs  sie  zur  Zeit  der  Fisonischen  Verschwörung 
noch  am  Leben  waren,  z.  B.  Quästoren  seit  dem  Jahre  30,  Tribunen  und 
Ädilen  seit  32  u.  s.  w. 

Bei  Feststellung  von  gleichnamigen  Fersönlichkeiten  nimmt  W.  häufig 
Veranlassung,  den  in  der  Frosopogr.,  bei  Nipperdey-Andresen  und  sonstwo 
niedergelegten  Ansichten  anderer  Gelehrten  zu  widersprechen,  beispiels- 
weise in  den  Artikeln  der  ersten  Liste  N.  29  u.  31  L.  Gaesennius  (Gae- 
sonius)  Faetus,  36  L.  Calp.  Fiso,  52  Ser.  Sulp.  Scipio  Salvidienus  Orfitus, 
82  Helvidius  Friscus,  153  Suetonius  Faulinus  (beachtenswert). 


446  Neae  Philologische  Bnndscban  Nr.  19. 

Die  beiden  Listen  ermöglichen  uns  fibrigens,  worauf  der  Herausgeber 
in  seinen  „ Cionclnsions''  hinweist,  einen  interessanten  Einblick  in  den 
Ursprung  der  im  Jahre  65  dem  Senate  angehörenden  Familien,  sie  geben 
uns  mancherlei  Aufschlufs  über  die  damalige  Bedeutung  dieser  Körper- 
schaft; namentlich  tritt  uns  das  allmähliche,  aber  unaufhaltsame  Aussterben 
der  altrömischen  Aristokratie  greifbar  vors  Auge,  wenn  wir  den  Bestand 
der  patrizischen  Familien  wie  der  plebejischen  Nobilität  zu  Neros  Zeit 
mit  demjenigen  früherer  Epochen  vergleichen.  Nun  hat  P.  Bibbeck  in 
einer  Dissertation  (1899)  den  Bestand  des  Senates  an  den  verhängnisvollen 
Iden  des  Jahres  44  v.  Chr.  zu  registrieren  gesucht.  Damals  waren,  soweit 
wir  sehen,  11  patrizische  Gentes  durch  29  Individuen  im  Bäte  vertreten. 
Ungefähr  ein  Jahrhundert  später  (65  n.  Chr.)  gehören  ihm,  adoptierte  nicht 
gerechnet,  nur  noch  9—13  altadelige  Personen  an.  Nachkommen  von 
fünf  patrizischen  Gentes:  gens  Cornelia,  Sulpicia,  Yaleria,  Fabia,  Furia.  Die 
beiden  letzten  Namen  werden  wenigstens  noch  von  je  einem  Mitglied 
hoher  Priesterkollegien  geführt.  Nicht  viel  besser  steht  es  um  die  plebe- 
jische Nobilität,  auch  die  aus  dem  letzten  Jahrhundert  der  Bepublik;  von 
ihr  gehören  im  Jahre  65  etwa  35  Personen,  aus  27  verschiedenen  Familien, 
zum  Senat.  Mit  erdrückender  Wucht  ragt  dieser  kleinen  Gruppe  gegen- 
über die  Masse  der  „Parvenüs'^  auf;  ein  Teil  aus  dem  Bitterstande, 
manche  den  Provinzen,  vornehmlich  Gallien  und  Spanien,  entstammt,  nicht 
selten  Leute  von  anrüchiger  Vergangenheit,  unsauberem  Erwerb,  Söhne 
von  Freigelassenen,  ehemalige  Centurionen  u.  a.  m.,  durch  kaiserliche  Gunst 
zu  Beichtum  und  Glanz  gehoben,  einige  selbst  den  Thron  zu  besteigen 
bestimmt. 

Keiner  Epoche  der  römischen  Kaiserzeit  sind  so  eingehende  Dar- 
stellungen zuteil  geworden,  wie  dem  Ende  der  Begierungszeit  Neros,  dem  Fall 
des  julisch-klaudischen  Hauses.  Nächst  der  Pisonischen  Verschwörung  und 
ihren  blutigen  Folgen  brachten  die  Kämpfe  des  Vierkaiserjahres  überaus 
zahlreiche  Persönlichkeiten  auf  die  Bühne,  deren  Porträts  uns  vielfach 
in  untilgbaren  Farben  überliefert  sind:  starke,  unter  dem  Druck  des  Des- 
potismus entartete  Talente,  viele  hochbegabte  Bedner,  die  ihre  Eloquenz 
zu  anderer  Verderben  gebrauchten,  stoische  Philosophen  der  Opposition, 
Dichter  jeden  Genres,  Geschichtschreiber,  endlich  eine  beträchtliche  An- 
zahl verdienter  Offiziere,  politisch  unzuverlässig,  stets  zu  Abenteuern,  zu 
Abfall  und  Verrat  geneigt.  Freilich,  gefahrlos  war  weder  Verschwörung 
noch  Opposition,  auch  dafür  liefert  unsere  Übersicht  den  Beweis:  nicht 


'; 


Nene  Philologische  Bundfichan  Nr.  19.  447 

weniger  als  60  von  den  paar  hundert  Männern  senatorischen  Banges  fanden 
im  Jahre  65  oder  kurz  nachher  ein  gewaltsames  Ende,  sei  es  durch 
Henkershand,  sei  es  durch  Selbstmord  „auf  Befehl'*! 

Am  Schlufs  gibt  W.  eine  Übersicht  der  Senatoren  nach  den  ver- 
schiedenen Bangstufen,  wobei  in  zweifelhaften  Fällen  die  för  die  Ämter- 
laufbahn im  kaiserlichen  Bom  herkömmlichen  Intervalle  in  Ansatz  kommen. 

Das  Verzeichnis  der  vom  Herausgeber  selbst  bemerkten  Druckversehen  ist 
leider  unvollständig;  es  fehlt  auch  nicht  an  unrichtigen  Zitaten  und  sonstigen 
Verstöfsen.  Zu  verbessern  ist  in  der  ersten  Liste:  N.  3  Accademia, 
N.  10  Paetus,  15  PoUitta,  22  Palingenesia,  24  zweimal  Tettius,  ebd.  Pro- 
sopographie  und  A.  1255  (st.  1525),  33  Pamphylie,  34  Orestilla,  ebd. 
assiste  54  ann.  XI  (st.  XVI)  6;  59  Prenzlau,  97  ann.  XVI  (st.  XV)  7. 
8.  9;  104  Paulinus,  157  dell'  istituto. 

Frankfurt  a.  M.  Eduard  Wolff. 

238)  Albert  Müller,  Jugendfürsorge  in  der  römischen  Kaiser- 
zeit  Hannover  u.  Berlin,  Carl  Meyer  (Qustav  Prior),  1903. 
28  S.  8.  Ji  -.  75. 

Unter  gewissenhafter  Benutzung  der  Quellen,  in  erster  Linie  des  in- 
schriftlichen Materials,  handelt  Verf.  im  Eahmen  eines  Vortrags  über  die 
von  den  Kaisern  Nero  und  Trajan  begründete  Einderalimentation ,  ins- 
besondere über  Einrichtung  und  Verwaltung  dieser  humanen  Stiftung. 

Von  der  frumentatio  der  Stadt  Bom  ausgehend,  berichtet  er  im  ein- 
zelnen über  Zahl  und  Alter  der  Benefiziaten,  über  den  Betrag  der  Unter- 
stützungen, die  Form  des  Beleihungsgeschäfts,  die  Taxen  der  verpfändeten 
Grundstücke,  den  Zinsfufs  sowie  über  die  verschiedenen  Instanzen  der  Ver- 
waltung, bei  der  die  Anstellung  eines  Beamtenheeres  sorgfältig  vermieden 
wurde.  Im  Anscblufs  an  die  kaiserliche  Alimentation,  welcher  der  seit 
Ende  des  2.  Jahrh.  hereinbrechende  Staatsbankerott  den  Untergang  be- 
reitete, bespricht  Verf.  sodann  eine  gröfsere  Anzahl  privater  Alimentations- 
stiftungen,  wie  solche  in  Bom  und  in  den  Provinzen  sich  fanden,  und  fafst 
schliefslich  sein  Urteil  dahin  zusammen,  dafs  der  Zweck  der  Alimentation 
(Vermehrung  der  Bevölkerung  und  Hebung  der  Wehrkraft  Italiens)  weder 
durch  die  kaiserlichen  noch  durch  die  privaten  Bestrebungen  erreicht 
worden  sei. 

Angesichts  des  regen  Interesses,  welches  in  unseren  Tagen  wirtschaft- 
lichen Fragen  von  selten  der  Gebildeten  entgegengebracht  wird,   ist  es 


448  Neue  Philologische  RnndBohaii  Nr.  19. 

zweifelsohne  eine  dankbare  Aufgabe,  eine  derartige  humanitäre  Einrich- 
tung der  römischen  Kaiserzeit,  die  mit  gegenwärtigen  Veranstaltungen 
einigermafsen  in  Parallele  gestellt  werden  kann,  zu  behandeln.  Diese 
Aufgabe  hat  Verf.  in  durchaus  ansprechender  Weise  gelöst,  sodafs  sein 
Schriftchen  allen  Freunden  der  Altertumswissenschaft  bestens  empfohlen 
werden  kann. 

Wernigerode  a.  H.  Max  Hodermann. 

239)  Adolphe  Zünd-Burgaet|  Möthode  pratiqae,  physiologiqae 

et    comparöe    de    Fronondation    fran9aise.      Marburg, 

N.  G.  EUwerts  Verlag  (Genöve,   H.  Kündig),    1902.    76  S.   8. 

(lUustrations  18  pl.)  Ji  2.40. 

Das  Büchlein  besteht   aus  fünf  Vorträgen   oder  Le9ons   und   einer 

kurzen  Vorrede. 

Aus  der  Vorrede  erfahren  wir,  dafs  der  Verf.  bei  seinen  Ausführungen 
die  vergleichende  Methode  anzuwenden  gedenkt :  an  der  Hand  einer  gründ- 
lichen Kenntnis  der  Lautwerte  der  Muttersprache  des  Schülers  will  er 
mit  vollem  Becht  die  artikulatorischen  Unterschiede  des  französischen 
Lautsystems  von  denen  der  fremden  Sprachen  feststellen  und  hierdurch 
den  Lernenden  leichter  zu  einer  lautreinen  Aussprache  des  Französischen 
führen.  Leider  hält  er  im  Laufe  seiner  Arbeit  nicht  alles,  was  er  hier 
verspricht  In  der  englischen  Phonetik  ist  der  Verf.  sicher  zu  Hause; 
seinen  die  einzelnen  Abstände  zwischen  französischen  und  englischen  Lauten 
betreffenden  Auseinandersetzungen  kann  ein  gewisser  Wert  nicht  ab- 
gesprochen werden.  Dagegen  sind,  abgesehen  von  einigen  Winken  und 
allgemein  bekannten  Mitteln,  die  er  zur  Bekämpfung  mancher  bei  Deut- 
schen häufiger  vorkommenden  Aussprachefehler  vorbringt,  seine  Hinweise 
auf  deutsche  und  slavische  Lautsysteme  allzu  elementar,  oft  sogar  nichts- 
sagend, nutz-  und  wertlos ').  Hier  tritt  die  geringe  Kenntnis  des  Verf. 
auf  dem  Gebiete  der  deutschen  und  slavischen  Phonetik  an  den  Tag. 
Sonst  sind  die  in  den  Text  eingestreuten  Wiedergaben  des  künstlichen 
Gaumens,  welche  die  Abstände  zwischen  einzelnen  französischen  und  eng- 
lischen Artikulatiousstellen  genau  darstellen,  nicht  zu  unterschätzen. 


1)  Es  ist  eine  ständige,  auf  jeder  Seite  wiederkehrende  Phrase:  „Les  etrangers 
en  g^n^ral  et  cenx  de  langues  germaniqnes  et  slaves  en  particulier  prononcent  soavent 
mal  tel  et  tel  son  . . ." 


"i 


Nene  Philologische  BnndBchaii  Nr.  19.  449 

Vor  allem  ist  hervorzuheben,  dafs  der  Verf.  nur  die  einfachsten 
ArtiknlatioDsweisen  und  Artikulationsstellen  in  den  Bereich  seiner  Arbeit 
zieht,  dagegen  die  Quantität,  Betonung,  Intonation  und  alle  sonstigen, 
feineren  Nuancen  der  Sprache  aufser  acht  läfst 

Das  Transkriptionssystem  ist  das  der  Revue  des  Paiais  galUhromans, 
welches  bekanntlich  Mängel  aufweist  und  dem  das  System  des  MaUre 
phonetigue  jedenfalls  vorzuziehen  ist.  Hierbei  ist  der  Umstand  als  ein 
Fehler  der  Methode  zu  betrachten,  dafs  der  Verf.  von  allem  Anfang  an 
phonetische  Ausdrücke  gebraucht,  die  der  Anfänger,  für  den  das  Buch  ja 
bestimmt  ist,  nicht  verstehen  kann.  Notgedrungen  mufs  der  Lernende  in 
anderen  Büchern  Belehrung  suchen. 

In  den  Lektionen  bringt  der  Verf.  ziemlich  getreu  Ergebnisse  der 
Forschungen  seines  hochverdienten  Lehrers,  des  Abb^  ßousselot,  vor,  dem 
man  nicht  in  allem  zustimmen  kann.  Die  Annahme  von  mittlerem  a,  o, 
u,  e,  ö,  i,  ü,  von  gemischtem  ö  {joli,  solide)  ist  beim  Unterrichte  in 
deutschen  Landen  zumeist  wertlos,  ja  sogar  irreführend:  der  Deutsche, 
welcher  den  an  sich  kaum  vernehmbaren  Unterschied  zwischen  geschlosse- 
nem (resp.  offenem)  und  mittlerem  Vokal  hervorzubringen  versucht,  ver- 
fällt zumeist  in  einen  groben  Fehler,  indem  er  statt  des  französischen 
Lautes  seinen  eigenen,  ganz  offenen  oder  geschlossenen  Vokal  ausspricht. 
Ebenso  verfehlt  ist  es  in  Anbetracht  der  vikarierenden  Tätigkeit  der 
einzelnen  Teile  des  Sprachorgans,  eine  Artikulation  auf  dem  ganz  un- 
wesentlichen Eieferwinkel  basieren  zu  wollen  ^).  Ich  selbst  bin  imstande, 
mit  dem  Eieferabstandedes  e  alle  französischen  Laute  rein  hervorzubringen. 
Dafs  dieser  Einwand  berechtigt  ist,  beweist  der  Umstand,  dafs  in  dem 
Buche  des  Verf.  einzelne  unbetonte  Vokale,  die  nach  einem  von  ihm 
aufgestellten  Prinzipe  mittel  sein  sollten,  bald  als  offen,  bald  als  ge- 
schlossen auftauchen:  so  ist  das  erste  eu  in  heureux  mittel,  in  heurter, 
pUurer  offen,  usw.  *). 

Was  die  einzelnen  Lektionen  anbelangt,  so  erfahren  wir  Folgendes: 

In  der  ersten  Lektion  lernen  wir  das  geschlossene,  das  offene  und 
das  mittlere  a,  das  o.,  g.,  m.  und  gemischte  {mixie)  o,  das  g.  und  m.  u, 
die  nasalierten  Vokale  ä  und  o,  die  den  Vokalen  am  nächsten  stehenden 


1)  Was  soll  der  Schfiler  z.  6.  mit  der  für  das  a  moyen  vorgebrachten  Belehrung: 
„la  bonche  est  modärement  onverte"  anfangen? 

2)  Gregen  die  Ansf&hrnngen  Bonsselots  in  seinen  Prtmonciaiums  parisiennes,  wo 
mit  vollem  Recht  die  Einflüsse  der  sogen,  harmonie  voccUique  hervorgehoben  werden. 


450  Neue  Philologisohe  Bundschan  Nr.  19. 

Eonsonaoten  m,  n,  l,  l  mouiUe  und  r  kennen.  —  In  diesem  Abschnitt 
hebt  der  Verf.  mit  vollem  Becht  das  affektierte  velare  a  der  Pariser, 
welches  heutzutage  stark  an  o  streift,  dann  die  Länge  des  anlautenden 
n,  m  und  l,  hervor.  Dagegen  falsch  und  sogar  irreführend  sind  seine 
Behauptungen,  bei  velarem  a  werde  die  Mundöffnung  etwas  gerundet  und 
bei  dem  stark  palatalisierten  o  mixte  in  joli,  pcii,  solide,  soleü  führe  die 
Zunge,  dem  velaren  o-Laute  gegenüber,  eine  gewisse  Bewegung  „nach 
rückwärts"  aus  ^).  —  Schier  unbegreiflich  ist  es  aber,  dafs  ein  sonst 
feiner  Beobachter  wie  Z.-B.  in  seiner  Sucht  nach  Verallgemeinerung  so 
weit  geht,  zu  behaupten,  die  tonlosen  o-Laute  in  chevamher  und  sUüse 
seien  als  mittlere  Lautgattungen  gleichwertig'). 

In  der  zweiten  Lektion  werden  die  Beibelaute  f,  v,  s,  z,  3,  i  erörtert, 
das  Wesen  der  Artikulationen  der  echt  französischen  Zischlaute  einer  gründ- 
lichen Prüfung  unterzogen  und  deren  Artikulationsstellen  mittels  gediegener 
Abbildungen  des  Sprachorgans  zur  Anschauung  gebracht. 

In  der  dritten  Lektion  wird  die  Bildung  des  offenen,  geschlossenen 
und  mittleren  e  und  ö,  des  g.  und  m.  i  und  ü,  des  nasalen  e  und  or  und 
des  halbkonsonantischen  i-Lautes  in  pied  etc.  behandelt.  Hier  läfst  der  Verf. 
selbst  in  tonloser  Silbe  ein  offenes  e  und  ö  {perdu,  heurter)  gelten  %  hält 
das  kurze  betonte  e  für  weniger  offen  als  das  lange  betonte  e  (chef-acheve) 
und  stellt  eine  doppelte  Art  von  nasalem  e  auf,  welches  als  nasaliertes  d  oder  e 
erscheinen  kann,  —  lauter  Ansichten,  denen  ich  recht  gerne  beipflichte. 
Falsch  dagegen  sind  die  Annahmen,  das  mittlere  e  und  ö  verwandle  sich 
unter  dem  Tone  in  den  entsprechenden  geschlossenen  Laut  %  und  das  mittlere 
ö  in  deuxieme  etc.  sei  mit  dem  sogen,  e  mtiet  in  rep(is,  der  Auslaut 
in  vas^y  mit  dem  halbkonsonantischen  j  in  gentiUe  gleichwertig  (!)^). 

In  der  vierten  Lektion  gelangen  die  Explosive  p,  b,  t,  d,  Je,  g,  n, 
Tgs,  ge  zur  Besprechung:  Sorgfältig  ist  hier  besonders  die  Artikulations- 
stärke der  französischen  Yerschlufslaute  im  Vergleich  zu  den  entsprechen- 
den deutschen  und  englischen  Lauten  behandelt.    Mit  vollem  Becht  be- 


1)  Das  Gegenteil  ist  der  Fall :  beim  pariserischen  o  in  joU,  poli  etc.  rfickt  der 
Hinterteil  der  Zirnge  ziemlich  stark  in  die  palatalen  Regionen  vor. 

2)  unter  dem  Einflüsse  von  sötte  hat  soUise  ein  mehr  oifenes ,  chevaucher  unter 
dem  von  cJievaux  ein  mehr  geschlossenes  o, 

3)  Statt  des  zu  erwartenden  mittleren  Lautes. 

4)  Das  Gegenteil  ist  meist  der  Fall:  User-Use,  je  le  donne  —  donne-le  {le  be- 
tont und  offen). 

5)  Der  Verf.  spricht  somit  und  transkribiert:  vdt^  statt  vazi. 


\ 


Nene  PhilologiBche  BondBchan  Nr.  19.  451 

trachtet  der  Verf.  als  echt  französisch  nur  das  mouillierte  n,  d.  h.  das 
palatale,  am  harten  Gaumen  gebildete,  dem  italienischen  und  spanischen 
Laute  ähnliche  ^  ohne  j-Yorschlag  oder  Nachschlag  und  stellt  alle  anderen 
Gattungen  als  Entartungen  hin. 

Die  fünfte  und  letzte  Lektion  ist  den  Diphthongen  oi  (roi),  ui  {huit), 
oui  (in  der  gleichlautenden  Bejahung),  oin  (hin),  dem  schon  behandelten 
halbkonsonantischen  i  vor  Vokal  {tiede)  und  dem  mouilliei*ten  l,  den 
Triphthongen  ay  {moyen),  uy  {appuyer),  ay,  ey  (payer,  grasseyer),  schliefs- 
lich  dem  Auslaut  Kons.  +  le  oder  re  {table,  sahre)  gewidmet.  — 
Mit  den  Ausfahrungen  des  Verf.  in  diesem  Teile  wird  man  am  wenigsten 
einverstanden  sein.  Seine  Auffassung  der  französischen  Doppellaute  ist  eine 
verfehlte;  doch  erlaubt  mir  der  Baum  nicht,  auf  diese  Frage  näher  einzu- 
gehen. Ich  beschränke  mich  darauf,  zu  bemerken,  dafs  die  Pariser  keinen 
Unterschied  zwischen  le  reveil  und  je  reveiUe  machen  und  beide  Laut- 
gruppen als  revej  aussprechen,  dafs  folglich  die  Meinung  des  Verf.,  wo- 
nach im  ersteren  Worte  im  Auslaut  ein  kurzes  i,  im  letzteren  das  halb- 
konsonantische j  zu  hören  wäre  {revei  und  revej)^  als  irrig  abzuweisen  ist. 
Ebensowenig  wird  man  der  Ansicht  des  Verf.  beipflichten  können,  der 
S.  ziv  behauptet,  das  auslautende  e  in  table,  frere  und  lampe  sei  gleich- 
wertig und  werde  sehr  schwach  ausgesprochen.  Im  Pariser  Französisch 
hängt  die  Lautbarkeit  dieses  e  von  dem  vorhergehenden  Konsonant  ab: 
hinter  stimmlosen  lautet  das  e  überhaupt  nicht. 

Wer  möchte  schliefslich  glauben,  dafs  Z.-B.,  einer  der  besten  Schüler 
Bousselots,  in  Wörtern  wie  houiUe,  bouiUir,  sauüler  den  Diphthong  oui 
{ui)  sieht  und  sie  als  uiy^  buiyir,  suiye,  nach  meiner  Transkription  tvij, 
bwijir,  swye,  statt  uj,  bußr,  suje,  ausgesprochen  haben  will? 

Dem  Büchlein  ist  ein  Sonderheftchen  beigefügt,  welches  den  ewigen 
Medianschnitt  des  Kopfes,  Abbildungen  des  Kehlkopfes,  der  Stimmbänder, 
der  Mundhöhle  und  zahlreiche  photographische  Wiedergaben  der  den  ein- 
zelnen Vokalen  eigenen  „äufseren*'  Mund-,  oder  besser  gesagt,  Lippen- 
stellungen enthält.  Diese  mit  Ernst  vorgetragenen  Spielereien  können 
natürlich  auf  Wissenschaftlichkeit  keinen  Anspruch  erheben,  auch  prak- 
tischen Zwecken  werden  sie  kaum  dienlich  sein  können. 

In  jedem  Falle  wird  die  kleine  Ausgabe  der  Vietorschen  Phonetik 
den  Deutschen  unvergleichlich  bessere  Dienste  leisten  als  das  vorliegende 
Buch  Zünd-Burguets. 

Prag.  O.  RoUb. 


452  Nene  Philologische  Rundschaa  Nr.  19. 

240)  W.  Bübenkampi  1200  der  gebräuchlichsten  französi- 
schen Sprichwörter  nebst  Verdeatschung  und  Erklärung.  Zu- 
gleich ein  Wegweiser  durch  den  französischen  und  deutschen 
Sprich  Wörterschatz.    Zürich,  Cäsar  Schmidt,  1903.    II  u.  192  S.  8. 

Ji  2.40. 

B.  hat  seine  Arbeit  mit  ungenfigenden  Mitteln  unternommen,  denn 
Quitard,  M^nger,  Mery  und  Martel  sind  keine  ausreichenden  Fund- 
gruben für  die  „gebräuchlichsten  französischen  Sprichwörter''.  Da  wäre 
vor  allem  zu  benutzen  gewesen  Le  Boux  de  Lincy,  Le  livre  des  proverbes 
fran9ais,  1842 \  1859*,  aufserdem  beispielsweise:  Gahier,  Chr.,  Quelque 
six  mille  prov.,  Paris,  1856;  Desciseaux,  Becueil  des  prov.  fr.,  Paris,  1854, 
Duplessis,  M.  G.,  La  Pleur  des  prov.  fr.,  Paris,  1851;  Pleuriot,  Recueilde 
prov.  fr.,  Breslau,  1885;  Le  Gai  (Hilaire),  Petite  encyclop^die  des  prov* 
fr.,  Passard,  1860;  Loubens,  Les  prov.  et  locutions  de  la  langue  fr.,  Paris, 
1889  \  1890*;  Souch6,  Proverbes,  Niort,  1881.  Auch  bezüglich  der  deut- 
schen Sprichwörtersammlungen  hat  sich  B.  nicht  gehörig  umgesehen; 
Simrock  und  Binder  bieten  denn  doch  zu  wenig;  den  umfangreichen, 
unhandlichen  Wander  will  ich  zwar  nicht  empfehlen ,  aber  da  wären  gut 
zu  benutzen  gewesen  Braun,  J.  M.,  6000  deutsche  Sprichwörter  und  Bedens- 
arten,  Stuttgart,  1840;  Der  Deutschen  Sprichwörter  und  Spruchreden,  Leip- 
zig, 1876 ;  Eiselein,  J.,  Sprichwörter  und  Sinnreden  des  deutschen  Volkes, 
Donaueschingen,  1838,  Freiburg,  1840;  Körte,  W.,  Die  Sprichwörter  und 
sprichwörtlichen  Bedensarten  der  Deutschen,  Leipzig,  1861*;  Sailer,  J.  M., 
Die  Weisheit  auf  der  Gasse,  1848;  Wächter,  0.,  Altes  Gold  in  deutschen 
Sprichwörtern,  Stuttgart,  1885;  Derselbe,  Sprichwörter  und  Sinnsprüche 
der  Deutschen,  Gütersloh,  1888;  Wunderlich,  G.,  Deutsche  Sprichwörter, 
4.-6.  Aufl.,  1891—1894.  So  aber  ist  B.s  Gepäck  sehr  klein  und  der 
Untertitel  „Wegweiser  durch  den  französischen  und  deutschen  Sprichwörter- 
schatz'' recht  anmafsend;  denn  ein  Wegweiser  sollte  vor  allem  den  Weg 
selbst  kennen.  Im  folgenden  gebe  ich  aus  einer  kleinen  Sammlung  f^- 
zözischer  Sprichwörter,  die  ich  mir  beim  Lesen  angelegt,  gebräuchliche 
französische  Sprichwörter,  die  B.  nicht  hat:  Ghaque  conscrit  a  un  bäton 
de  mar^chal  de  France  dans  sa  giberne.  On  n*est  pas  proph^te  dans  son 
pays.  L*union  &it  la  force.  La  väritä  finit  toujours  par  percer.  On  n*a 
Jamals  tout  vu.  Ge  sont  les  tonneaux  vides  qui  chantent  le  mieux.  Pour 
vivre  heureux  il  faut  cacher  sa  vie.  Le  bon  vin  röjouit  le  coBur  de  l'homme. 
Ce  qui  doit  arriver,  arrivera.    Ce  que  femme  veut,  Dieu  le  veut.    Le  vin 


Neue  Philologische  Bnndschan  Nr.  19.  453 

6tant  tir^,  il  faut  le  boire.  üne  heure  de  sommeil  avant  minuit  vaut 
mieux  qae  deux  apr^  G*est  au  postscriptum  que  se  trouvent  souvent  les 
choses  les  plus  importantes.  Le  succ^s  justifie  tout.  Lorrain,  traitre  ä 
son  roi  et  ä  Dieo  mSme.  Les  antipathies  sont  r^ciproques.  Tout  auimal 
est  triste  apr^s  la  volupt^.  D'autres  temps,  d'autres  soins.  Les  voleurs 
sentent  de  loin  Targent  des  voyageurs.  II  ne  faut  pas  mettre  dans  une 
cave  UQ  ivrogne  qui  a  renonc^  au  vin.  üne  bonne  action  trouve  toujoura 
sa  r^compense.  L'amour  est  aveugle.  L'exactitude  est  la  politesse  des  rois. 
Le  style  c'est  Thomme.  Le  pavillon  couvre  la  marchandise.  Dans  le  royaume 
des  aveugles  les  boi^nes  sont  rois.  Entre  plusieurs  maux,  il  faut  chercher 
le  moindre.  Le  vin  est  le  lait  des  vieillards.  Donnant,  donnant.  Les 
hommes  les  plus  laids  ont  les  plus  jolies  femmes.  11  n'y  a  que  les 
enfants  et  les  fous  pour  dire  la  v^rit^.  Qui  s'aime  s'attire.  Quand  on 
touche  au  beurre,  il  en  reste  toujours  aux  doigts.  On  ne  rase  bien  les 
autres  que  quand  on  sait  se  raser  soi  mSme.  Le  jeu  n*en  vaut  pas  la 
chandelle.  Livre  pr§t^  livre  perdu.  Quand  on  est  mort,  c'est  pour  long- 
temps.  C'est  un  coBur  d'artichaut,  une  feuille  pour  tout  le  monde.  On 
n'obtient  rien  par  la  vlolence.  Deux  femmes  fönt  un  march^,  trois 
femmes  fönt  une  foire.  ün  bon  coq  n'est  jamais  gras.  Ein  gutes  Vorbild 
ffir  Bübenkamp  wären  gewesen:  John  Barten,  A  Select  GoUection  of 
English  and  Oerman  Froyerbs  (8239  Sprichwörter)  Hamburg,  Elofs,  1896. 
VIII  u.  323  S.  8.     geb.  Ji  8.—. 

Die  Übersetzungen  und  Erklärungen  sind  im  allgemeinen  gut  und 
fleifsig  gemacht,  doch  ist  z.  B.  die  Erklärung  zu  S.  121,  24  falsch. 

Lndwigshafen  a.  Bh.  G.  M.  KAftior. 

241)  Oeoi^  Stier,    Little  English  Talks.     Ein  Hilfsmittel  zur 

Erlernung  der  englischen  Umgangssprache.  Für  die  höheren  Knaben- 

und   Mädchenschulen.     Göthen,  Otto   Schulze,    1903.     VUI   u. 

114  S.  kl.  8. 

Dieses  kleine  Buch,  fflr  Schulen  berechnet,  die  nur  wenig  Zeit  auf 

systematische   Sprechübungen   verwenden    können,    ist  gewifs   ein  recht 

brauchbares  und  zuverlässiges  Mittel  für  die  Einführung  in  die  englische 

Unterhaltung.    Der  Inhalt  ist  trotz  des  geringen  ümfanges  aufserordent- 

lich  reichhaltig.    Travelling,  Family,  House,  Fire,  Lighting,  Meals,  Visits, 

Human  body,  Health  and  illnes,  Holidays,  Going  to  bed  and  Qetting  up, 

Teilet,  Linen,  Qentlemen's  teilet,  Lady's  dress,  Town  (London),  Education, 


454  Nene  Philologische  Bondschaa  Nr.  19. 

Languages,  Letter,  Theatre,  Wheather,  Time,  Clock,  Photography  sind  die 
Kapitel  des  Werkchens  benannt,  die  übrigens,  bis  auf  zwei  (Age  und 
Photography)  nicht,  wie  der  Titel  vermuten  läfst,  Gespräche  sind,  sondern 
nach  Erons  Vorgang  nur  den  Stoff  zu  Gesprächen  in  schildernden  und 
erklärenden,  kurzen,  leicht  fibersichtlichen  Abschnitten  liefern.  Das  an- 
gehängte Wörterbuch  gibt  nur  in  wenigen  Fällen  die  Aussprache,  dagegen 
wird  mit  Becht  oft  die  Betonung  bezeichnet,  zuweilen  freilich  unnötiger- 
weise: Uppers,  pölish,  bläcMng.  Es  ist  zu  erwarten,  dafs  sich  das  Büch- 
lein, dem  auch  eine  sehr  handliche  Form  eigen  ist,  viele  Freunde  er- 
werben wird. 

Hildburghäusen.  K.  Pusoh. 

242)  Behaghel,  Der  Gebrauch  der  Zeitformen  im  konjimk- 
tivischen  Nebensatz  des  Deutschen.     (Mit  Bemerkungen 
zur  lateinischen  Zeitfolge  und  zur  griechischen  Modusverschiebung.) 
Paderborn,  Schöningh,  1899.    216  S.  8. 
Durch  die  Schuld  des  Bef.  hat  sich  die  Anzeige  der  Behagheischen 
Schrift  über  Gebühr   verzögert.     Sie   wird   unterdessen   wohl    in   allen 
Kreisen,  die  sich  mit  syntaktischen  Fragen  beschäftigen,  bekannt  geworden 
sein ;  sollte  sie  aber  jemand,  der  dafür  —  gleichgültig  auf  welchem  indo- 
germ.  Sprachgebiet  —  Interesse  zeigt,  noch  nicht  kennen,  so  ist  ihr  Stu- 
dium nur  dringend  zu  empfehlen.    Nicht  weil  alle  ihre  Ergebnisse  neu 
oder  überraschend  sind  (manche  bleiben  sogar  recht  zweifelhaft),  sondern 
weil  ein  Meister  der  syntaktischen  Forschung  das  grofse   und  oft  spröde 
Material  mit  einer  Umsicht  erörtert,  die  alles  Lob  verdient. 

Nach  einem  lehrreichen  Überblick  über  den  Stand  und  die  Aufgaben 
der  syntaktischen  Forschung  der  Gegenwart  bestimmt  Behaghel  seine 
Aufgabe:  er  will  untersuchen,  inwieweit  im  Deutschen  (ähnlich  der  von 
ihm  anerkannten  lat.  Gonsecutio  temporum)  eine  mechanische  Begelung  der 
Konjunktive  des  Nebensatzes  nach  dem  Tempus  des  Hauptsatzes  bestanden 
hat,  auf  welche  Weise  sie  zu  erklären  ist,  welches  Schicksal  sie  dann  im 
Leben  der  deutschen  Sprache  gehabt  hat.  B.  findet,  dafs  es  in  den 
früheren  Perioden  der  deutschen  Sprache  (von  zwei  allerdings  wichtigen 
Ausnahmen  abgesehen)  eine  solche  Begelung  gab:  nach  präsentischem 
Hauptsatz  stand  Eonj.  Präs.,  nach  präteritalem  Eonj.  Prät.  Diese  Begel 
verschwindet  allmählich  seit  dem  Ausgang  des  Mittelalters,  die  heutigen 
Mundarten  wissen  nichts  mehr  von  ihr,  auf  nieder-,  mitteldeutschem  und 


'i 


Neue  Philologische  Rnndschan  Nr.  19.  465 

fränkischem  Boden  herrscht  der  Eonj.  Prät.,  auf  allem.-schwfib.  der  Eonj. 
Präs.,  das  bayr.-österr.  ist  gespalten.  In  der  Schriftsprache  liegen  die 
Dinge  nicht  so  einfach;  seit  dem  Ausgang  des  18.  Jahrh.  wird  in  der 
indirekten  Rede  der  Eonj.  Präs.  bevorzugt,  das  Prät.  tritt  im  Plural,  oft 
auch  in  der  1.  und  2.  Pers.  Sing,  ein,  weil  in  diesen  Formen  der  Eonj. 
Präs.  sich  vom  Ind.  nicht  unterschied.  (Ausnahme  das  Verb,  sein.)  Diese 
Regel,  die  B.  schon  vor  20  Jahren  aufstellte,  bestätigt  sich  ihm  auch 
jetzt  wieder  auf  grund  seines  viel  reicheren  Materials;  allerdings  folgen 
ihr  nicht  alle  Schriftsteller  streng,  die  Mundart  macht  sich  oft  geltend, 
und  daneben  tritt  auch  die  Neigung  hervor,  den  Eonj.  Prät.  da  anzuwenden, 
wo  man  das  Unrichtige  einer  Aussage  andeuten  will.  B.  folgt  der  Aus- 
bildung dieser  Regel  in  der  neuhochdeutschen  Zeit  bei  den  Schriftstellern 
und  auch  in  den  Zeugnissen  der  Grammatiker,  die  freilich  (von  wenigen 
abgesehen)  den  Stand  der  Dinge  bis  in  die  neueste  Zeit  meist  verkannt  haben. 

Nach  der  Darlegung  der  Tatsachen,  die  nur  selten,  z.  B.  S.  71/72, 
Zweifel  rege  werden  läfst,  versucht  B.  S.  166ff.  mit  viel  Scharfsinn  und 
grofser  Gelehrsamkeit  ihre  Erklärung.  Er  leitet  die  Personenverschiebung 
aus  der  ^berichtenden  Form'  ab,  den  Eonjunktiv  erklärt  er  aus  dem  Po- 
tential: 81  =  er  ist  wohl,  wäri  =  er  war  wohl  oder  mochte  er  doch 
sein,  obgleich  er  zugeben  mufs,  dafs  der  Eonj.  Prät.  im  älteren  deutschen 
stets  irreal  und  nicht  potential  gebraucht  wird.  Es  ist  hier  nicht  der 
Ort,  die  verschiedenen  Hypothesen  B.s  genauer  zu  analysieren,  noch  den 
Widerspruch  dagegen  ausführlicher  zu  begründen.  Ref.  fühlt  bei  den 
Auseinandersetzungen  B.s  keinen  festen  Boden  unter  den  Füfsen,  er 
hätte  eine  genauere  Untersuchung  darüber  gewünscht,  nach  welchen  Verben 
im  got.,  im  ahd.  (Otfried  ist  kein  klassischer  Zeuge),  alts.  und  ags.  der 
Indikativ,  nach  welchen  der  Eonjunktiv  steht,  und  unter  welchen  Be- 
dingungen bei  manchen  der  eine  oder  der  andere  Modus  stehen  kann. 
Wahrscheinlich  hat  B.  sie  angestellt,  sollte  auch  sie  keinen  anderen  Aus- 
gangspunkt als  den  Potential  für  die  Erklärung  bieten? 

Zum  Schlufs  sucht  B.  die  Gründe  auf,  die  zur  Auflösung  des  alt- 
germ.  Grundgesetzes  geführt  haben,  er  findet  sie  in  dem  Auftreten  des 
Präs.  bist,  und  (wahrscheinlich)  in  der  Verdrängung  des  Prät.  durch  das 
umschriebene  Perfekt  in  einem  grofsen  Teil  des  deutschen  Sprachgebiets. 
Darin  wird  man  B.  wieder  zustimmen  dürfen.  Auch  in  der  weiteren 
Vermutung,  dafs  der  Eonj.  Präs.  der  Schriftsprache  vom  allem.-schwäb. 
aus  sich  Bahn  gebrochen  hat.  C.  D. 


456  Nene  FliilologiBche  Rnndschaa  Nr.  19. 

Entgegnimg. 

Die  Besprechung  der  „Systematischen  Zosammenstellang  des 
französischen  grammatischen  Merkstoffes  der  Realschule'' 
Berlin,  F.  A.  Herbig.  1903,  in  Nr.  16  der  N.  Phil.  Rundschau  1903,  S.  379, 
ergibt  ein  so  unklares  und  verschobenes  Bild  von  Zweck  und  Anlage  des 
Schriftchens,  dafs  sie  zu  einigen  aufklärenden  Bemerkungen  zwingt. 

Das  Wesen  der  Arbeit,  wie  es  in  der  Einleitung  (S  3 — 6)  begründet 
ist,  besteht  in  der  Beschränkung  auf  das  Wichtigste,  den  „Merkstoff'',  und 
in  der  logischen,  übersichtlichen  Gruppierung.  Ob  nun  dies  Zusammendrängen 
auf  etwa  ein  Viertel  des  üblichen  ümfanges  richtig  und  praktisch  ist,  ob  die 
Darstellung  klar  und  durchsichtig  ist;  von  diesen  wesentlichen  Merkmalen 
erwähnt  die  Besprechung  nichts.  Ebensowenig  deutet  sie  das  Neue  in  der 
Arbeit  auch  nur  entfernt  an:  die  antithetische  Zusammenstellung  charakte- 
ristischer Musterbeispiele,  die  Ableitung  der  Komparation  und  der  Pro- 
nomina aus  Sätzen,  die  Gruppierung  der  unregelmäfsigen  Verben,  die  Be- 
gründung des  Gebrauchs  von  avoir  und  dtre,  von  bien  und  la  plupart  des, 
von  c'est-qui,  die  Fassung  der  Gesetze  über  den  Subjonctif  nach  sprach-psjcho- 
logischen  Grundsätzen,  die  Ableitung  des  einräumenden  Gebrauchs  der  Für- 
wörter aus  dem  fragenden  u.  y.  a. 

Mit  Unrecht  bemängelt  die  Besprechung  das  Fehlen  der  Vergleichungs- 
sätze und  der  Negationen.  Jene  finden  sich  auf  S.  28 — 29,  und  das  Weg- 
lassen der  letzteren  ist  genügend  durch  die  Einleitung  S.  3  u.  4  begründet. 

Ems.  Dr.  A.  Gllle. 

Vakanzen. 

Danzig,  Victoriaschule,  Obl.  N.  Spr.  Magistrat  Essen  (Bahr),  G.  (kath.).  Oberl. 
Klass.  Phil.  u.  Deutsch.  Dir.  Dr.  Biese.  Essen  (Bubr),  HMS.  Obl.  Math.  u.  Nat. 
Dir.  Dr.  Fröchtliog.  Gelsenkirchen,  BS.  Obl.  Deutsch.,  Gesch.  od.  N.  Spr.  Bürgerm. 
Machens.  Gronan  1.  W.,  Zwei  Obl.  1)  N.  Spr. ;  2)  Gesch.  u.  Deutsch.  Dr.  Gottschalk. 
HannoTer,  HMS.  Obl.  Ueogr.  u.  Nat.  Magistrat.  HannoTer,  ORS.  Zwei  Obl.  Deutsch, 
Gesch.  bezw.  Math.  Phys.  Dir.  Dr.  Hemme.  Myslowitz,  G.  Obl.  Deatsch,  Gesch., 
alte  Spr.  Dir.  Dr.  Anst.  Seesen,  Jacobsen- Schale:  Obl.  Latein,  Deutsch,  Gesch. 
Dir.  Dr.  Philippsen.  Unna,  RS.  (mit  Bef.  Klassen).  Zwei  Obl.  1)  Gesch.,  Deutsch, 
Latein;  2)  Math.  u.  Nat.    Direktion. 

In  Angnst  T^enmanns  Verlag,  Fr.  Lncas  in  Leipzig 

erschien  soeben  die  dritte,  umgearbeitete  Auflage  von: 

Materialien 

ziim  Übersetzen  aus  dem 

Deutschen  ins  Französische. 

Für  Oberklassen  höherer  Lehranstalten. 
Von 

J.  B.  Peters. 

Dritte,  umgearbeitete  Auflage.    Geheftet  Mk.  1.50;  gebunden  Mk.  1.80. 

Für  die  Redaktion  TerantwortUch  Dr.  E.  LHdwIg  in  Bramta. 
Praok  «nd  YerUg  Ton  Js'riedrioh  Andreai  Perfhei,  A.ktiengeatllMhaft,  Ooiha. 


Gtotha,  3.  Oktober.  Xr.  20,  Jahj^ang  1903. 

Neue 

PhilologischeRundschau 

Herausgegeben  Yon 

Dr.  C.  Wagener  und  Dr.  £.  Ludwig 

in  Bremen. 


Encheint  alle  14  Tage.  —  Preis  für  den  Jahrgang  8  Mark. 

Bestellnngen  nehmen  alle  Bachhandlnngen,  sowie  die  Postanstalten  des  In-  und  Aaslandes  an. 

Insertionsgebtthr  fOr  die  einmal  gespaltene  Petitzeile  80  Pfg. 

Inlialt:  Rezensionen:  243)  E.  Linde,  Piatons  Phädon  (Hans Petersen)  p.  457.  — 
244)  C.  Bardt,  Römische  Komödien  (H.  Klammer)  p.  458)  —  245)  Studies  in 
Classical  Philology  (Ph.  Weber)  p.  463.  —  246)  Marcel  Renault,  Les 
Philosophes.  i^picure, (P.)  p.  470.  —  247)  Anna  Brunnemann,  Marcel  Hubert 
et  Rofsmann,  L'Echo  litt^raire  (Bahrs)  p.  471.  —  248)  Victor  Delahaye, 
Dictionnaire  de  la  Prononciation  moderne  (G.  Rolin)  p.  472.  —  249)  Walter 
W.  Skeat,  The  Lay  of  Havelok  the  Dane  (H.  Jantzen)  p.  473.  —  250)  E.  Roos, 
Nathaniel  Hawthorne,  Wonder  Book  for  Boys  and  Girls  (Joh.  Jent)  p.  475.  — 
251)  Gust.  Goedel,  Etymologisches  Wörterbuch  der  deutschen  Seemannssprache 
(P.  P.)  p.  475.  —  252)  W.  L.  Rieger,  Ziffern-Grammatik  p.  477.  —  Anzeigen. 

243)  Karl  Linde,  Flatons  Phädon.  Für  den  Schulgebrauch  er- 
klärt.   Gotha,  Friedrich  Andreas  Perthes,  1902.    VI  n.  118  S.  8. 

M  1. 20. 

Eine  vollständige  Schulausgabe  des  Phädon  kommt  erwünscht:  wird 
es  auch  nicht  immer  möglich  sein,  den  ganzen  Dialog  zu  bewältigen,  so 
ist  der  Lehrer  doch  nicht  mehr  auf  den  Anfang  und  den  Schlufs  des 
Werkes  angewiesen  und  kann  selbst  ausscheiden,  was  er  fibergehen  zu 
können  glaubt. 

Der  Text,  dem  die  Ausgabe  von  Schanz  zugrunde  gelegt  ist,  zeigt 
eine  sorgfältige  und  selbständige  Benutzung  neuerer  Forschungen.  An 
einzelnen  Stellen  hat  der  Herausgeber,  wenn  auch  nicht  immer  mit  Glück, 
durch  eigene  Vermutung  eine  Heilung  versucht.  Bichtig  scheint  mir 
99  D  aTteiQT^ycri  aus  a/re/^ijxa  geändert  zu  sein  (das  davor  eingefügte 
eMlvg  ist  wohl  nicht  notwendig),  auch  88  A  tvUov  ezi  xtf  (statt  x(^) 
keyovTi  ri  und  112  E  n%qi  (trp^  y^>  xi$x^  sind  Änderungen,  die  Be- 
achtung verdienen. 

Als  Schulausgabe  verfolgt  das  Buch  den  Zweck,  dem  Schüler  ein 
vorläufiges  Verständnis  bei  der  Vorbereitung  zu  ermöglichen.  Er  be- 
schränkt sich  aber  nicht  darauf,  ihm  dieses  durch  Übersetzung  von  ein- 


458  Nene  Philologische  Bnodschaa  Nr.  20. 

zelnen  Wörtern  und  ganzen  Sätzen  (zum  Teil  in  paraphrasierender  Weise) 
und  durch  Eonstruktionshilfen  zu  erleichtern,  sondern  gibt  auch  eine  Reihe 
von  sachlichen  Erläuterungen,  von  denen  ich  die  einen  und  anderen  lieber 
der  Besprechung  im  Unterrichte  zugewiesen  sehen  möchte.  Vor  allem 
aber  bestrebt  sich  der  Herausgeber,  den  SchQler  in  den  Gedankeninhalt 
und  -Zusammenhang  einzuführen.  Zu  diesem  Zwecke  ist  dem  Texte  eine 
fibersichtliche,  klare  und  knappe  Einführung  in  die  Komposition  des  Dia- 
loges und  in  denjenigen  Teil  der  platonischen  Lehre  vorausgeschickt, 
dessen  Kenntnis  für  das  Verständnis  notwendig  ist;  ferner  enthält  der 
Kommentar  eine  fortlaufende  Disposition  und  Inhaltsangabe  nicht  nur  der 
gröfseren  Abschnitte,  sondern  auch  der  einzelnen  Kapitel.  Vielleicht  wird 
der  Verf.  hier  manchem  Lehrer  des  Guten  zuviel  getan  haben,  auch  in 
der  Erklärung  wird  er  nicht  überall  Zustimmung  finden,  aber  im  ganzen 
ist  die  mit  sichtlicher  Liebe  und  lebhaftem  Interesse  angefertigte  Ausgabe 
brauchbar  und  empfehlenswert. 

Flensburg.  Hans  Petorsen. 

244)  C.  Bardt,  Bömische  Komödien.    Deutsch  von  C.  B.    Berlin, 
Weidmann,  1903.    XXXII  u.  240  S.  8.  Ji  5.  ~. 

In  den  Schlufsbetrachtungen  einer  neueren  Geschichte  der  Kunst  des 
19.  Jahrh.  wird  die  Ansicht  ausgesprochen,  dafs  der  schlimmste  Bohr- 
wurm im  Kernholz  der  deutschen  Kultur  zurzeit  der  klassische  Philologe 
sei.  Der  gleichen  Anschauung  begegnen  wir  in  einer  vielgelesenen  Kunst- 
zeitschrift. Dort  macht  ein  geistreicher  Herr  den  witzigen  Vorschlag, 
zur  Förderung  der  Bildung  alle  klassischen  Philologen  in  einem  Walde 
zusammenzuschleppen  und  dem  Feuertode  zu  überliefern.  Beide  Urteile 
gehen  ohne  Zweifel  aus  der  ErMrung  hervor;  denn  sicherlich  gibt  es 
auch  heute  noch  verbohrte  Philologen,  die  weiter  nichts  kennen  oder 
kennen  wollen  als  ihr  geliebtes  Pergament.  Vielleicht  aber  sind's  gar 
nur  Erlebnisse  von  der  Schulbank  her,  die  vor  30  —  40  Jahren  gedrückt 
wurde.  Indes  nur  Kurzsichtigkeit  kann  in  solchen  seelenlosen  Vertretern 
einen  ganzen  Stand  zur  Rechenschaft  ziehen.  Diejenigen  klassischen  Philo- 
logen, die  mit  vollem  Herzen  au  ihren  Idealen  hängen,  die  mit  wissen- 
schaftlicher Gründlichkeit  die  ganze  Welt  des  Altertums  zu  umspannen 
suchen,  gerade  diese  stehen  heutzutage,  das  darf  man  unbedingt  behaupten, 
mit  beiden  Füfsen  auf  dem  Boden  der  Gegenwart.  Nur  glauben  sie  dem 
wahren  Interesse  der  Mitwelt  am  besten  zu  dienen,  wenn  sie  einer  leider 


":i 


Nene  Philologigche  Bondschaa  Nr.  20.  459 

an  wahren  Idealen  armen  Zeit  die  Errungenschaften  einer  grofsen  Eultur- 
epoche  zu  erhalten  suchen.  Sie  glauben  Dämlich,  man  könne  nicht  ohne 
weiteres,  wie  jene  Heifsspome  gerne  möchten,  die  Brücken,  die  in  die 
Veigangenheit  znrfickfQhren,  hinter  sich  abbrechen  und  eine  neue  Kultur 
mit  Ungestüm  über  Nacht  aus  der  Erde  stampfen.  Für  sie  gibt  es  ein 
Gesetz  organischer  Entwickelung  nicht  nur  in  der  Natur,  sondern  auch 
in  der  Geisteswelt.  Sie  wissen,  dafö  die  Wurzeln  unserer  Kultur  sich 
durch  das  Mittelalter  hindurch  bis  ins  Altertum  hinein  verfolgen  lassen 
und  dafs  sie  dort  tief  in  den  Boden  jenes  Hellas  hineingreifen,  aus  dem 
Homer  und  Äschjlus,  Sophokles  und  Euripides,  Phidias  und  Plato  hervor- 
gegangen sind.  Deren  Vermächtnisse  möchten  sie  der  Gegenwart  erhalten, 
vor  allen  denen,  deren  Herz  grofs  genug  ist,  um  das  Beste  aller  Zeiten 
in  sich  aufzunehmen.  Diesem  Zwecke  dienen  auch  diejenigen  Männer, 
die  uns  die  Literaturschätze  vergangener  Zeiten  in  modernem  Gewände 
darbieten.  Der  berufenen  Übersetzer  gibt  es  allerdings  von  Luthers  Zeiten 
an  bis  heute  nur  sehr  wenige.  Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  die  Gründe 
f&r  die  Schwierigkeit,  wir  möchten  beinah  sagen  für  die  Unmöglichkeit 
der  Aufgabe  auseinanderzusetzen.  Nur  soviel  sei  gesagt:  der  wahre  Dol- 
metscher mufs  nicht  nur  ein  vollkommener  Sprach-,  Literatur-  und  Kultur- 
kenner zweier  Perioden,  sondern  auch  Sprachkünstler  sein.  Das  versteht 
sich  ganz  von  selbst,  wenn  es  sich  um  die  Umwandlung  von  Dichtern 
handelt.  Nur  wer  nach  Luthers  Wort  dem  Volk  auf  das  Maul  zu  sehen 
versteht  und  wer  in  dem  Stil  unserer  Klassiker  gründlich  Beseheid  weifs, 
darf  sich  an  die  Arbeit  wagen,  d.  h.  mit  anderen  Worten:  der  Herzens- 
und Menschenkenner,  der  Mann  von  Geist  und  Geschmack,  nur  wer  selber 
den  Hauch  der  Muse  ein  wenig  verspürt  hat. 

In  diesem  Sinne  nennen  wir  trotz  einzelner  Einwendungen  Wilamo- 
witz*  Übersetzungen  der  griechischen  Tragiker  eine  wirkliche  Bereicherung 
unserer  Literatur.  Der  griechischen  Komödie  hat  sich  jetzt  Karl  Bardt 
angenommen:  denn  so  müssen  wir  sagen,  wenn  es  auch  der  Schatz 
und  die  Zwillinge  des  Plautus,  das  Mädchen  von  Andros  und 
die  Brüder  des  Terenz  sind,  die  er  uns  in  einer  neuen,  eigenartigen 
Wiedergabe  bietet. 

Wir  kennen  Bardt  als  Interpreten  des  Altertums  schon  von  seiner 
Umwandlung  der  Sermonen  des  Horaz  her.  Mit  diesem  Buche  hat  er  seine 
Berufung  als  Übersetzer  bereits  dargetan.  Mit  seinen  Römischen  Ko- 
mödien hat  er  ein  noch  schwierigeres  Gebiet  betreten. 


460  Keae  Fhüdogisdie  Bundaehan  Nr.  20. 

Für   die  VerdeatschüDg   der  beiden    römischen  K<»mker   sind    die 
gleichen   Grundsätze    wie    fnr   Horaz   maf^ebend  gewesen.    Nicht   aof 
eine  wortgetreue  Wiedergabe   kommt   es   dem  Verf.  an,  anch  mit   den 
Versmatsen    der    Urschrift    will    er    nicht    wetteifern;    denn    er   weifs, 
dafs  jene  dem  wirklichen  Verständnis  hinderlich  ist  and  diese  der  mo- 
dernen Empfindung  geradezu  widersprechen.    Er  Yermeidet  also,  durch  die 
fruchtlosen  Bemühungen  so  vieler  Vorgänger  gewarnt,  den  gleichen  W^ 
und  kommt  auf  einem  Umwege  dem  Ziele  um  so  näher.   Bleiben  doch  in 
den  geschilderten  Sitten-  und  Zeitverhältnissen  noch  genug  Schwierigkeit«! 
übrig,    den   glatten  Weg   zum  Herzen  des  modernen  Lesers  zu  find^. 
Schon  die  Welt  der  griechischen  Tragiker  ist  eine  andere  ab  die  unarige, 
aber  die  allgemein  menschlichen  Fragen  überwiegen;  ein  grofses  Schicksal 
und  der  ernste  Anblick  der  Notwendigkeit  dürfen  immer  auf  die  Teil- 
nahme des  Zuschauers  rechnen.  Anders  aber  ist  die  Welt,  in  die  die  neuere 
attische  Komödie  hineinfuhrt    Nicht  nur  die  mythische  Zeit  der  Heroen, 
auch  die  geschichtliche  eines  Eleon  und  Sokrates,  die  einem  Aristophanes 
die  Gegenstände  lieferte,  ist  vorüber.     Wir  stehen  ganz  in  der  bürger- 
lichen Eleinwelt.    Verschmitzte  oder  treuherzige  Sklaven,  fröhlich  lieder- 
liche oder  altklug  tugendsame  Jünglinge,  polternde  oder  gutmütige  Alte, 
liebenswürdige  Damen  der  Halbwelt  oder  verführte  Bürgermädchen,  ge- 
fräMge  Schmarotzer  und  eifersüchtige  Eheweiber,  Hebammen  und  Quack- 
salber, das  sind  so  etwa  die  Gestalten,  die  vor  uns  auftreten.  Wir  kenn^ 
sie  ungefähr  von  den  Fourberies  de  Scapin,  den  beiden  Grafen  Elingsberg 
und  der  Kameliendame  her.  Was  uns  diese  Leute  der  griechischen  Deca- 
dence,  in  der  sich  die  Ehrbarkeit  und  das  Laster  freundnachbarlich  die 
Hand  reichen,  viel  Bedeutsames  und  Herzergreifendes  zu  erzählen  hätten, 
das  läfst  sich  nicht  so  leicht  sagen.    Aber  darauf  kommt  es  auch  nidit 
an.    Sie  sollen  uns  in  lebendigen,  ungezwungen  wechselnden  Bildern  ihre 
Zeit  schildern  und  hin  und  wieder  wohl  auch  einmal  ein  Problem  vor- 
fahren, wie  etwa  das  der  Erziehung  in  den  Brüdern.  Im  ganzen  and  sie 
zufrieden,  wenn  sie  uns  mit  dem  leichten  Spiele  des  Lebens  eine  Weile  unter- 
halten haben.  Die  damaligen  Griechen  waren  nicht  anspruchsvoll,  die  Bömer 
noch  weniger,  und  unser  Publikum  verlangt  vom  Lustspiel  und  der  Posse 
ungefähr   ebensowenig.    Alt-Heidelberg  lockt  ihm   mit   rührender  Hart- 
näckigkeit die  Tränen  der  Freude  und   des  Kummers  aus   den  Augen. 
Allein  jenes  heitere  Gaukelspiel,  jene  drastischen  Szenen  des  täglichen 
Daseins  sind  mit  dem  Altertum  nicht  verschwunden.    Die  Entwickelungs- 


Neue  Philologische  Rundschan  Nr.  20.  461 

reihe  ist  nicht  abgebrochen.  Jene  Situationen  haben  sieh  in  die  Komödie 
der  Neuzeit  hineingeflüchtet,  und  wer  die  Geschichte  des  Lustspiels  ver- 
folgt, wird  die  Ableger  bei  Shakespeare,  Moli^re,  Holberg,  Lessing  und 
Kleist  wiederfinden.  Auf  die  verschiedenen  Entwickelungsstufen  der  atti- 
schen Komödie,  auf  die  Wiedergeburt  und  Umbildung  der  Kunst  des 
Poseidippos,  Philemon  und  Menandros  bei  den  Bömem  und  das  Weiter- 
leben dieser  Reproduktionen  in  späteren  Zeiten  weist  die  lehrreiche  Ein- 
leitung hin,  im  besonderen  auf  die  Komödie  der  Irrungen,  die  sich 
nicht  erst  bei  dem  grofsen  englischen  Dichter  findet.  Dieses  Vorwort  sei 
ganz  besonders  jenen  eifrigen  Verfechtern  der  Gegenwartskunst  ans  Herz 
gelegt.  Vielleicht  lernen  sie  daran,  dafs  schneidige  Parteiprogramme  allein 
nicht  ausreichen,  dafs  man  besser  daran  tut,  wie  Bardt  mit  historischem 
Sinn  an  deutlichen  Beispielen  die  Entwickelungs&den  aufzuweisen  und  im 
öbrigen  mit  Geduld  die  grofsen  Geister  abzuwarten,  die  aus  sich  heraus 
ihrer  Zeit  etwas  Neues  in  neuer  Form  zu  sagen  haben.  Inzwischen  bleibe 
das  Verdienst  der  trefflichen  Vermittler,  wie  Bardt  einer  ist,  anerkannt. 

Wie  aber  wird  der  Übersetzer  seiner  Hauptaufgabe  gerecht?  Die 
Fr^e  nach  der  dichterischen  Form,  ob  Beim,  ob  fester  Strophenbau,  ob 
freier  Rhythmus,  ob  gar  Alliteration  das  Sichtige  sei,  beschäftigt  heute 
wieder  ähnlich  wie  in  Goethes  Jugendzeit  die  Gemüter.  Auch  der  Über- 
setzer mufs  mit  ihr  ins  Beine  kommen.  Wie  auf  so  vielen  Gebieten,  so 
leben  wir  auch  auf  diesem  in  einer  lebhaft  erregten  Übergangszeit.  Wer 
wie  Wilamowitz  kurzweg  erklärt,  der  Beim  habe  sich  ausgeleiert,  ander- 
seits aber,  und  zwar  mit  Becht,  das  moderne  Ohr  mit  den  meisten  For- 
men der  antiken  Metrik  glaubt  verschonen  zu  müssen,  der  mufs  sorgföltig 
nach  Ersatz  in  dem  weiten  Umfang  unserer  Literatur  Umschau  halten.  Die 
grundsätzliche  Ablehnung  dürfte  jedoch  erst  dann  gerechtfertigt  erschei- 
nen, wenn  eine  sichere  neue  Form  endgültig  gewonnen  ist  Dafs  Wilamowitz 
mit  den  freien  Bhythmen  in  den  Chorpartieen  seiner  Tragödien  unbedingt 
das  Bichtige  getroffen  habe,  erscheint  zweifelhaft.  Manches  schmeichelt 
sich  dem  Ohre  sofort  ein,  und  so  ist's  in  der  Ordnung;  oft  aber  tastet 
der  moderne  Leser,  zumal  der  unphilologische,  unsicher  umher,  und  er 
kommt  über  die  Empfindung,  Prosa  vor  sich  zu  haben,  nicht  hinweg. 

Bardt  lehnt  den  Beim  nicht  ab.  In  den  Sermonen  des  Horaz  wen- 
dete er,  entsprechend  dem  strengen  Kunstcharakter  seiner  Vorlage,  regel- 
recht gebaute  fanffüfsige  Jamben  an  und  verband  je  zwei  Zeilen  zu 
männlich  oder  weiblich  ausklingenden  Beimpaaren.    Den  Beim  behält  er 


462  Nene  Philologische  Rnndschan  Nr.  20. 

auch  in  den  Komödien  bei.  Wie  aber  war  der  Widerspruch  zwischen 
der  bestimmten  Eunstform  des  Beims  und  der  ungekünstelten  Darstel- 
lung des  schlichten  bürgerlichen  Lebens  der  griechischen  Komödie  zu 
heben?  Da  greift  Bardt  zu  der  Form,  die  er  ausnahmsweise  schon 
im  Horaz  bei  der  Übertragung  der  Reise  nach  Brundisium  benutzt  hat. 
Auch  hier  haben  wir  ja  ein  Stück  täglichen  Lebens  vor  uns,  und  dar- 
gestellt ist  es  in  paarweis  männlich  oder  weiblich  gereimten  sogenannten 
Knittelversen  von  vier  Hebungen  mit  einer  oder  zwei  oder  auch  keiner 
Senkung  vor  der  Hebung.  Damit  hat  Bardt  einen  aufserordentlich  glück- 
lichen Griff  getan.  Er  hat  damit  zugleich  den  Weg  beschritten,  auf  dem 
sich  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  künftig  die  Poesie  überhaupt  mehr 
bewegen  wird.  Diese  Form  verbindet  mit  einem  bestimmten  Gefage  zu- 
gleich eine  grofse  Freiheit  und  Beweglichkeit.  Das  zeigt  sich  deutlich 
in  ihrer  Behandlung  durch  Bardt.  Leicht  und  spielend  wickelt  sich  der 
Dialog  ab  wie  in  Goethes  und  Hans  Sachs*  volkstümlicher  Poesie,  aber 
ohne  die  traurige  Eintönigkeit  des  letzteren.  Jede  Stimmung  kommt  zu 
ihrem  Sechte,  der  Ernst,  der  Scherz,  die  Sührung,  der  Zorn,  die  Ver- 
schmitztheit und  der  hohe  theatralische  Schwung,  letzterer  z.  B.  vorzüg- 
lich in  dem  geheuchelten  Wahnsinn  des  Menächmus.  Nirgends  ist  Druck 
und  Zwang  fühlbar,  sondern  überall  herrscht  frisches  Leben.  Diese 
Leichtigkeit  aber,  das  fühlt  man  heraus,  ist  das  Ergebnis  anhaltender, 
sorgfältiger  Arbeit. 

Der  Beim  selbst  ist  mit  Sicherheit  und  Geschick  gehandhabt.  Die 
wenigen  Ausnahmen  brauchen  wir  hier  dem  Verf.  nicht  vorzuhalten.  Er 
wird  sie  selber  finden  und  bei  einem  hoffentlich  bald  erfolgenden  Neudruck 
statt  der  paar  Beime,  die  schief  oder  überhaupt  keine  Beime  sind,  bessere 
liefern.  Wir  wollen  lieber  mit  einem  Lobe  schliefsen,  unbekümmert  darum, 
ob  dieses  Lob  in  den  Augen  des  einen  oder  andern  strengen  Philologen  nicht 
ein  Tadel  ist.  Der  Verf.  begnügt  sich  nicht  mit  derjenigen  Modernisie- 
rung und  ümdichtung,  die  in  der  Anwendung  der  Sprache  des  heutigen 
Tages  schon  an  und  für  sich  liegt.  Er  tut  ruhig  nach  dem  ersten  Schritt 
auch  den  zweiten  und  bringt  geflissentlich  Ausdrücke  und  Anschauungen, 
durch  die  das  antike  Leben  geradezu  in  die  Sphäre  des  heutigen  gerückt 
wird.  Er  läfst  Leviten  lesen  und  Hexensabbat  halten,  ein  Leichenbitter- 
gesicht  aufsetzen  und  Maulaffen  feil  halten,  er  bringt  ein  Pereat  aus  und 
sagt  ja  und  Amen  dazu,  er  bekräftigt  mit  Top!  Potz  Element!  und  Bra- 
vissimo!   Wir  hören,  dafs  das  Geld  perdu  ist  und  einer  gar  sich  mit 


Nene  Philologische  RnndBchaa  Nr.  20.  463 

einer  Dirne  zu  einem  pas  de  deux  yereinen  soll.    Und  dergleichen  mehr. 

Mit  solcher  Übersetzungsweise  sind  wir  völlig  einverstanden  und  wfinschen, 

dafs  Bardt  uns  bald  noch  einige  ähnliche  Proben  seiner  Kunst  spenden  mOge. 

Elberfeld. 


245)  Stndies  in  Glassical  Fhilology,  edited  byacommittee  repre- 
senting  the  departments  of  Greek,  Latin,  archaeology,  and  com- 
parative  philology.  Preprint  from  volume  III.  Epideictic 
Literature  by  Theodore  Chalon  Bnrgeflä.  Chicago,  The 
üniversity  of  Chicago  Press,  1902  (Leipzig,  Otto  Harrassowitz). 
172  S.  (89—261).  8. 
B.  C.  Jebb,  der  durch  sein  Buch  „Homer,  eine  Einleitung  in  die 
Ilias  und  in  die  Odyssee^'  rühmlichst  bekannte  Professor  der  griechischen 
Sprache  an  der  Universität  C!ambridge,  sagt  irgendwo,  Isokrates  habe  einen 
Prosastil  der  griechischen  Literatur  begründet,  welcher  allein  für  den  all- 
gemeinen Gebrauch  Muster  geworden  sei.  Der  Verf.  vorliegender  Ab- 
handlung, zu  welcher  der  Chicagoer  üniversitätsprofessor  Paul  Shorey  den 
Anstofs  gegeben  hat,  geht  noch  ein  paar  Schritte  weiter,  indem  er  erst- 
lich aus  den  beiden  Prämissen,  dafs  Cicero  einerseits  den  Isokrates  sich 
zum  Vorbild  genonunen,  anderseits  auf  die  moderne  Prosa  von  ganz  un- 
mittelbarem Einflufs  gewesen  sei,  zu  der  Schlufsfolgerung  gelangt,  der 
Prosastil  der  Gegenwart  sei  von  „dem  epideiktischen  Beden  Isokrates* 
mächtig  beeinflufst,  dann  aber  noch  weiter  im  einzelnen  nachweist,  wie 
sich  dessen  Einflufs  nicht  blofs  auf  die  Form ,  sondern  auch  auf  die  The- 
men, und  nicht  blofs  auf  die  Bedekunst,  sondern  auf  die  Literatur  über- 
haupt weithin  geltend  macht.  Denn  neben  den  Sophisten  hat  gerade 
Isokrates  die  Grenzen  der  epideiktischen  Bedekunst,  deren  theoretische 
Beschränkung  auf  Lob  und  Tadel  schon  die  Praxis  des  Gorgias  durch- 
brochen hatte,  wesentlich  erweitert,  so  dafs  bereits  in  den  frühesten  Zeiten 
die  in  das  Gebiet  epideiktischer  Bedekunst  ressortierenden  Themen  recht 
mannigfaltige  waren.  Diese  alle  stehen  ihrerseits  wieder  mit  den  übrigen 
Literaturzweigen,  insbesondere  mit  Poesie,  Geschichte  und  Philosophie  in 
weitverzweigten  Wechselbeziehungen.  Die  Perspektive,  die  sich  infolge- 
dessen betreffs  des  ümfangs  des  auf  Grund  seines  Inhalts  der  epideiktischen 
Literatur  zuzuweisenden  Materials  eröffnet,  ist  soweit,  dafs  man  auf  dem 
Baum  von  172  Seiten  eine  erschöpfende  Behandlung  nicht  erwarten  kann. 


464  Neue  Philologische  Biudschau  Nr.  20. 

Gerade  die  interessantesten  Partieen  lassen  durch  ihre  skizzenhafte  Aua- 
ffihntng  weiteren  Arbeiten  zwecks  vollständiger  Hebung  des  Materials  noch 
weiten  Spielraum.  Doch  sehen  wir  uns  zunächst  den  Gang,  den  die 
Schrift  einschlägt,  etwas  näher  an. 

Warum  Burgefs  zur  Überschrift  unter  den  drei  bei  den  griechischen 
Bhetoren  gleichgebräuchlichen  Bezeichnungen  „epideiktisch^S  „panegyrisch^^ 
und  „enkomiastisch^^  gerade  den  an  erster  Stelle  genannten  bevorzugt  hat, 
erfohren  wir  zwar  nirgends  ausdrücklich,  doch  dfirfte  der  mit  Isokrates 
im  besonderen  sich  beschäftigende  Teil  den  Schlfissel  zum  Verständnis 
sowie  zur  Gutheifsung  der  von  ihm  beliebten  Wahl  bieten. 

Ausgehend  von  dem  nicht  nur  bei  dem  Worte  iTtidsixtiyoög,  sondern 
auch  bei  zahlreichen  anderen  rhetorischen  Eunstausdrficken  für  verschiedene 
Zeiten,  ja  sogar  für  dieselbe  Zeit  nachweisbaren  Bedeutungswechsel  fafst 
Burgefs  den  Begriff  „epideiktisch^^  nicht  in  jener  Beschränkung,  in  welcher 
dessen  Anwendung  entsprechend  der  bekannten  in  der  aristotelischen 
Bhetorik  auf  Grund  des  Verhältnisses  der  Hörer  zum  Bedner  getroffenen 
Dreiteilung  der  Bedegattungen  üblich  ist.  Die  technisch  diesen  Namen 
tragenden  Beden  erscheinen  daher  nur  als  minimale  Bruchstücke  in  seiner 
grofsen  Sammlung  epideiktischer  Literatur,  deren  Grenzlinien  nach  oben 
durch  die  mit  einer  gewissen  praktischen  Anwendung,  also  dem  beratenden 
Elemente  vermischte  Verherrlichung  eines  Gegenstandes,  eine  Mischung, 
welche  die  epideiktische  Bede  bei  Isokrates  und  seinen  unmittelbaren 
Nachfolgern  charakterisiert,  nach  unten  durch  die  ein  blofses  jeu  d'esprit 
darstellende  Behandlung  eines  paradoxen  Themas  gebildet  werden.  Zwischen 
diesen  beiden  Extremen  liegt  noch  eine  gewaltige  Masse  epideiktischer 
Literatur  mit  sehr  gemischten  Motiven  und  äufserst  mannigfaltigen  Be- 
handlungsarten, bestimmten  Zwecken  dienende  Gelegenheitsreden,  wie  sie 
Lage  und  Umstände  des  gewöhnlichen  Lebens  in  jedem  Zeitalter  fort- 
während hervorrufen.  Gerade  diese  Art  war  bei  den  Griechen  sehr  aus- 
gebildet und  repräsentiert,  obgleich  die  Beden  selbst  in  vielen  Fällen  von 
keinem  bleibenden  Werte  sind,  eine  reiche  Sanomlung  herrlicher  Literatur. 
Der  weite  Spielraum,  den  sie  gewährt,  schliefst  in  gleicher  Weise  den 
poetischen  Stil  des  Himerius,  die  philosophische  Tendenz  des  Themistius 
und  Dio  Ghrysostomus,  die  mehr  rein  rhetorische  Form  des  Ghoricius  wie 
die  besonnene  Behandlung  politischer  Themen  bei  Isokrates  in  sich.  Sie 
umfafst  neben  Beden  mit  dem  ephemeren  Hauptzweck,  ein  Auditorium  zu 
blenden,  oder  einem  Fürsten  zu  schmeicheln,  auch  solche,   welche  mit 


n 


Nene  Philologische  Bandschau  Nr.  20.  465 


diesen  Interessen  des  Augenblicks  einen  bleibenden  Wert  vereinen  und  sich 
dem  Ideal  des  Isokrates  nähern. 

Gewissermafsen  als  begründende  Ergänzung  dieser  allgemeinen  Aus- 
führungen bringt  der  nächste  Abschnitt  eine  Untersuchung  Qber  den  Ge- 
brauch e^iSeincwfii  und  seiner  Sippe  {sTtidei^ig,  iTtidec^Ti^ög)  bei  Iso- 
krates und  über  die  Auffassung  der  Redekunst  seitens  dieses  epideiktischen 
Redners  par  excellence,  dessen  mehr  beiläufige  Benennungen  der  einzelnen 
Redegattungen  der  von  Aristoteles  dauernd  festgelegten  Terminologie  den 
Weg  geebnet  hat. 

Nunmehr  folgt  ein  allgemeiner  Überblick  über  die  epideiktische  Lite- 
ratur. Isokrates  selbst  war  beeinfluTst  von  Gorgias,  „dem  Begründer  der 
Kunstprosa".  Beide  sind  vorbildlich  für  die  spätere  Literatur  dieser  Art, 
welche  in  Anbetracht  des  ümstandes,  dafs  die  Anfänge  der  Redekunst  als 
eines  anerkannten  Zweiges  der  griechischen  Literatur  nicht  weit  über  die 
Mitte  des  5.  Jahrh.  zurückreichen,  einen  raschen  und  mächtigen  Ent- 
wickelungsgang  genommen  hat.  Die  Leichenrede,  der  Panegyrikus,  das 
Enkomion  und  andere  Haupttypen  epideiktischer  Rede  wurzeln  in  dieser 
frühesten  Periode.  Und  wie  dieser  Teil  der  Redekunst  sehr  bald  einen 
hervorragenden  Platz  in  der  Entwickelung  der  Prosaliteratur  einnahm,  so 
wufste  er  ihn  auch,  oft  tonangebend,  während  der  ganzen  Periode,  in  welcher 
griechische  Literatur  erzeugt  wurde,  also  mit  Einrechnung  der  kirchlichen 
Beredsamkeit  bis  zum  Untergänge  Ostroms  etwa  18  Jahrhunderte,  zu  be- 
haupten. Drei  Perioden  ragen  im  Vergleich  zu  anderen  Jahrhunderten 
besonders  hervor:  das  4.  Jahrh.  v.  Chr.,  dem  noch  das  angehende  fünfte 
zuzuzählen  ist,  repräsentiert  durch  Namen  wie  Gorgias,  Hippias,  Isokrates, 
Aleidamas,  Polykrates;  das  4.  Jahrh.  n.  Chr.  mit  durchgängig  epideikti- 
schem  Geist  und  Wesen  und  reicher  Produktion,  vertreten  durch  Redner 
wie  Libanius,  Themistius,  Himerius,  Ghoricius;  das  2.  Jahrh.  n.  Chr.  mit 
stattlicher  Literatur  und  Rednern  wie  Aristides,  Dio  Chrysostomus  und 
Polemon. 

Das  nunmehr  folgende  Kapitel  gibt  unter  der  Überschrift  „Theorie" 
einen  Einblick  in  die  hauptsächlichsten  rhetorischen  Behandlungssysteme 
dieses  Teils  der  Redekunst  und  verweilt  mit  besonderer  Ausführlichkeit 
bei  denen  des  Menander  und  des  Dionysius  von  Halikarnafs.  Die  Haupt- 
merkmale einer  jeden  der  von  Menander  anerkannten  23  Arten  epideik- 
tischer Rede  werden  vorgeführt  und  vom  Verf.  durch  jene  drei  aus  der 
Zahl  der  sechs  von  Dionysius  behandelten  Arten,  welche  bei  Menander 


466  Nene  Philologische  Rnndscban  Nr.  20. 

fehlen,  ergänzt  und  als  Nr.  27  noch  des  letzteren  nackte  Bezugnahme  auf 
Ttaqädo^a  iyyuifiia  angeschlossen. 

Drei  von  diesen  Arten,  welche  zur  Erhellung  des  Umfangs  epideik- 
tischer  Literatur  vortrefflich  geeignet  erscheinen,  werden  eben  wegen  dieser 
besonderen  Bedeutung  einer  eingehenden  Betrachtung  in  eigenen  Kapiteln 
gewürdigt,  denen  sich  ein  ebenso  ausführliches  über  die  Jtaqado^a  iy^ÄWfiia 
anschliefst.  Es  sind  dies  1)  der  ßaaihyidg  Uyog  als  eine  spezielle  Ent- 
wickelung  des  kpubfiiov  einer  Person,  wobei  zunächst  das  Wesen  des 
zuerst  in  der  Poesie  erscheinenden  iyyuofÄiov  behandelt  wird,  als  dessen 
ältestes  Beispiel  das  von  Simonides  zu  Ehren  der  bei  den  Thenuopylen 
Gefallenen  verfafste  zu  gelten  hat.  Die  ältesten  prosaischen  Enkomia 
waren  mythischer  Natur.  Als  Charakterlobpreisung  erscheint  es  zum  ersten 
Male  im  Euagoras  des  Isokrates.  Der  Keim  zum  ßaaiXiyidg  Xöyog  mag 
in  poetischen  Lobpreisungen  auf  Zebg  ßaaileijg  und  andere  Gottheiten  bei 
Homer,  den  homerischen  Hymnen,  Pindar  und  den  Dramatikern  gefanden 
werden;  ja  auf  Grund  der  von  Croiset  formulierten  Hauptelemente  einer 
pindarischen  Ode  (s.  S.  129  extr.)  können  manche  Lieder  des  lyrischen 
Altmeisters  ßaaihyioi  hiyoi  genannt  werden.  Musterreden  sind  Aristi- 
des  IX  und  Julian  I,  der  ßaaikiycdg  orator  par  excellence  ist  Tbemistius ; 
2)  der  yeve&lioKdg  Idyog,  die  Geburtstagsrede;  3)  der  kTtixacpiog  Xiyog^ 
über  den  im  Vergleich  zu  den  beiden  vorhergehenden  bereits  eine  ansehn- 
liche Literatur  vorhanden  ist.  Auch  diese  beiden  Abschnitte  enthalten 
eine  Fülle  von  Exkursen  der  mannigfachsten  Art,  über  die  Geburtstagfeier 
bei  den  Alten  ebenso  wie  über  die  moderne  Sitte,  Gelehrten  zu  ihrem 
Geburtstage  wissenschaftliche  Abhandlungen  zu  widmen,  und  Hinweise 
auf  poetische  yeve&lLayiol  kSyoc  bei  Vergil  (die  vierte  Ekloge  als  solcher 
nachgewiesen  von  Marx),  Horaz,  TibuU,  Properz,  Martial  und  Statins,  aber 
auch  griechische  in  der  Anthol.  Pal.  (der  älteste  von  Crinagoras).  Ferner 
werden  die  zönoi,  die  Ttgoolfiia,  die  Gemeinplätze  (Unzulänglichkeit  der 
rednerischen  Kraft,  Mangel  an  Yorbereitungszeit,  Bezugnahme  auf  das  von 
anderen  Bednem  Gesagte  oder  auf  das  fQr  die  öffentliche  Leichenfeier  der 
im  Kriege  Gefallenen  gegebene  Gesetz)  aufgeführt  und  die  Lieblingsthemen 
(Amazonen,  Eumolpus,  Krieg  der  Sieben,  die  Herakliden,  die  Perserkriege 
nach  acht,  die  Schlacht  bei  Salamis  nach  sechs,  die  späteren  Kriege  nach 
fanf  Gesichtspunkten,  dazu  sechs  weitere  Ergänzungen,  ferner  die  Autoch- 
thonie  der  Athener),  aufserdem  etwa  zwanzig  epitheta  ornantia  für  Athen 
und  die  geläufigsten  Antithesen  aufgezählt  und  ihre  Verwendung  jedesmal 


Neue  Philologische  Bandschan  Nr.  20.  467 

mit  den  betreffenden  Literaturangaben  belegt.  Das  naqado^ov  iyyuofiu)v 
ist  eigentlich  mehr  ein  teils  der  Eomik,  teils  der  Sophistik  eigenes  Wort- 
spiel. Es  beruht  auf  demselben  Prinzip  wie  der  Euphemismus.  Typische 
Beispiele  sind  des  Aleidamas  Preis  des  Todes  und  (wie  angenommen  wird, 
ebendesselben)  Lob  der  Armut.  Des  Lukian  Mviag  epubfiiov  und  des 
Synesius  (DaXayiqaq  iyyu&fiiov  werden  ihrem  Inhalte  nach  angegeben,  letz- 
teres allerdings  nach  Smiths  religionsbiographischem  Lexikon,  woraus  sich 
wohl  die  Angabe  mit  englischem  Titel  (Encomium  of  Balness)  erklärt. 
Dann  folgen  die  bekanntesten  Namen  epideiktischer  Kompositionen  dieser  Art. 

Der  folgende  Abschnitt  betitelt  sich  „Epideiktische  Literatur  und 
Poesie  ^S  Der  epideiktischen  Bedekunst  eigen  war  ein  starker  Zug  für 
Erhaltung  oder  wiederbelebende  Nachahmung  dichterischer  Eigenschaften. 
Das  Wort  Strabos  von  den  ersten  Logographen  „Xijaavreg  tö  fiitgov, 
rälXa  de  g)vXä^avT€g  rä  Tton^fiaxa  läfst  sich  sicherlich  in  ganz  analoger 
Weise  auch  auf  die  wahrscheinlich  älteste  Form  der  epideiktischen  Bede- 
kunst anwenden.  Der  €7tir<ig)iog  hiyog  hat  wohl  in  Poesieen,  wie  der 
Linusgesang,  die  Klage  der  Hekuba,  der  Andromache  oder  der  Helena  um 
Hektor  und  der  Briseis  um  Patroklus,  und  den  d-Qfjvoi  der  in  der  Mitte 
liegenden  Periode  seine  unmittelbaren  Vorläufer  und  unterscheidet  sich 
seiner  Natur  nach  nicht  von  der  fÄOV(fidla,  wie  denn  auch  Menander  die 
Klagen  im  Homer  (Aovfpdlai  nennt.  Hand  in  Hand  damit  geht  ein  Exkurs 
über  €7tid^aldfÄiov,  dessen  Sängerin  par  excellence  Sappho  ist,  und  yafÄiTidg 
hiyog  (bei  Dionys  von  Halikarnafs  =  ya^i/jXiog  bei  Menander)  und  die 
bezüglichen  rdTioi. 

Im  Anschlufs  hieran  handelt  der  nächste  Abschnitt  nach  einer  kurzen 
Einleitung,  in  der  nachgewiesen  werden  soll,  dafs  manche  epideiktische 
Bedner  mehr  natürliches  Dichtertalent  besafsen  als  manche  Dichter  (vgl. 
Christs  Urteil  über  Himerius),  unter  Beibringung  ungemein  vieler  Beleg- 
stellen von  der  Anwendung  einzig  der  Dichtkunst  als  eigentümlich  zu- 
geschriebener Ausdrücke,  wie  üfipog,  fioikja,  ^ovacxi^  iQyd^ea&aty  fiilri 
rct  MovGöv  To^eöeiv,  ifduv  und  seine  Komposita,  TcaXivipdiav  (foav  usw., 
sowie  des  Gebrauchs  poetischer  rrf/roi,  wie  Eose,  Hyazinthe,  Narzisse, 
Lorbeer,  Hain,  Flufs,  Zikade,  Schwalbe,  Schwan,  Nachtigall,  Flöte,  Lenz, 
Aphrodite,  Adonis,  Sonne,  Sterne  u.  dgl.,  in  der  epideiktischen  Prosa. 

Die  beiden  vorletzten  Kapitel  erörtern  das  epideiktische  Element  in 
der  Geschichte  und  in  der  Philosophie  unter  Einzelvorfühmng  der  Vertreter 
beider  Gebiete.    Bei   ersterer  beruht  seine  Anwendung  nicht  nur  in  den 


468  Neue  Philologische  Bondschau  Nr.  20. 

allgemeinen  Streben  nach  Schmuck  und  Zierlichkeit,  sondern  auch  auf  der 
Ausnutzung  speziell  epideiktischer  tötcol  und  Kunstgriffe;  die  Ausnahme 
des  Polybius  betätigt  nur  die  Regel;  er  bildet  einen  „negativen  Beweis '^ 
Nicht  blofs  in  den  Redeeinlagen  verschiedensten  Charakters,  sondern  auch 
in  der  eigentlichen  Domäne  der  Geschichte  kommt  es  zur  Geltung,  be- 
sonders in  der  Schilderung  von  Schlachten,  Gegenden,  Städten,  Häfen  und 
sonstiger  Schönbeschreibung  (e^q^gaaig),  z.  B.  der  Fauna  eines  Landes.  Am 
ausführlichsten  werden  die  Feldherrenreden  behandelt,  für  welche  zwölf 
gebräuchliche  zdnoi.  mit  vielfachen  Literaturbelegen  angegeben  werden. 

In  der  Philosophie  ist,  sieht  man  von  den  Sophisten  ab,  das  epi- 
deiktische  Element  in  vorsokratischer  Zeit  aus  verschiedenen  näher  be- 
zeichneten Gründen  nur  spärlich  vertreten.  Dagegen  bietet  Piatos  schmucker 
Stil  in  Verbindung  mit  dem  ihm  eigenen  geflissentlichen  Bestreben  zu 
gefallen  ein  sehr  anschauliches  Beispiel  für  dessen  Verwendung  im  wei- 
testen Sinne.  Auch  bei  Aristoteles  tritt  dasselbe  über  Vermuten  stark 
hervor.  (Schon  Cicero  nennt  die  Redekunst  das  Kind  der  Akadenoie.) 
Die  Erweiterung  des  philosophischen  Begriffs  zu  einem  alle  wissenschaft- 
lichen Kenntnisse  umfassenden  durch  Aristoteles  und  vollends  die  Er- 
hebung der  Philosophie  zur  Wissenschaft  aller  göttlichen  und  menschlichen 
Dinge  durch  Chrysippus  bereichern  sie  mit  immer  neuen  philosophisch- 
rhetorischen Themen  (vgl.  die  Fülle  an  Literatur  S.  247).  Ihr  so  er- 
weiterter Wirkungskreis  zeitigte  auch  ihren  moralisierenden  Charakter. 
Ihre  neuen  Beziehungen  auf  die  Volksmassen,  ihre  Anmafsung  der  Kon- 
trolle über  allgemeine  Erziehung  und  speziell  religiöse  Belehrung,  die 
Anwendung  der  Ethik  aufs  praktische  Leben  und  insbesondere  die  Be- 
ziehungen zur  Rhetorik  führten  zu  einem  Überwiegen  des  epideiktischen 
Geistes  in  der  Philosophie,  das  allerdings  dem  Grade  nach  von  den  ver- 
schiedenen Zeiträumen  sowie  dem  individuellen  Charakter  modifiziert  wird. 
Neben  diesen  Erörterungen  her  laufen  ausführliche  Exkurse  über  iTto- 
fivij flava,  Dialog  und  dtargißi^  (die  Erzählung  von  Herakles  am  Scheide- 
wege und  der  Kampf  der  Sprecher  des  Rechts  und  Unrechts  in  den  Wolken 
des  Aristophanes  haben  ihr  typisches  Vorbild  in  der  allegorischen  Einleitung 
des  parmenidischen  Gedichts  Ttegl  qyvüLog)^  über  die  Einführungsformeln 
für  die  Worte  der  Gegner  (aXldj  q>rioij  q>airi  rig  äv,  q>at&f  äp,  qr/jaovaiy 
Tidij;  vidi;  u.  dgl.)  sowie  über  die  christliche  exhortatio. 

Diesen  Abschnitten,   deren   Erörterungen  noch    durch   fortwährende 
Heranziehung  mittelalterlicher  und  moderner  (hier  freilich   vorzugsweise 


Nfue  Philologiflche  Rnndscban  Nr.  20. 


englischer!)  Literatur  illustriert  werden,  folgt  das  SchluCskapitel  mit  dem 
Verzeichnis  von  169  hervorragenderen  epideiktischen  Schriftstellern  mit 
Angabe  der  Zeit  und  Nomenklatur  der  einschlägigen  Werke.  Darunter 
begegnen  wir  freilich  einigen  irgend  einer  einzelnen  Leistung  halber  ein- 
bezogenen Namen,  die  wir  auf  Qrund  der  sie  hauptsächlich  charakteri- 
sierenden literarischen  Produktion  anderswo  einzurangieren  pflegen.  Be- 
zfiglich  der  reichhaltigen  epideiktischen  Literatur  der  Byzantiner  wird  auf 
Erumbachers  Literaturgeschichte  verwiesen. 

Diese  kurzen  Andeutungen  des  Inhalts  dürften  erkennen  lassen,  dafs 
es  Burgefs  mit  dieser  Veröffentlichung  gelungen  ist,  nicht  nur  einen  zur 
Orientierung  in  dem  weiten  Gebiete  epideiktischer  Literatur  wohl  geeig- 
neten Überblick  zu  gewähren,  sondern  auch  für  manche  Entwickelungs- 
formen  derselben  interessante  Gesichtspunkte  von  keineswegs  zu  unter- 
schätzender Erheblichkeit  neu  hinzuzugewinnen.  Freilich  teilen  diese  letz- 
teren, indem  sie  nur  zum  Teil  eine  intensivere  Beleuchtung  erhalten, 
meist  nur  flüchtig  berührt  werden,  jene  Ungleichheit  der  Behandlung,  die 
ich  betreffs  der  Hauptteile  gleich  eingangs  angedeutet  habe.  Soweit  sich 
dieses  oberflächliche  Hinweggleiten  über  einzelne  Erscheinungen  nicht 
auf  das  Vorhandensein  von  Monographieen  zurückführen  läfst,  beruht  die 
getroffene  Auswahl  wohl  nur  auf  Willkür.  Am  meisten  befremdet  auf 
den  ersten  Blick  die  Unterlassung  einer  gesonderten  Vorführung  der  So- 
phisten und  der  TtQoyvf^vdaf^ava.  Indes  darf  hier  zweierlei  nicht  übersehen 
werden,  einmal,  dafs  gerade  über  die  sogen,  zweite  Sophistik  sehr  zahlreiche 
Untersuchungen  neueren  Datums  vorliegen,  dann  aber  auch,  dafs  natürlich 
die  wichtigsten  Namen  bald  in  diesem  bald  in  jenem  der  allemal  die  fort- 
schreitenden Bewegungen  in  der  Geschichte  der  epideiktischen  Literatur 
im  Auge  behaltenden  Kapitel  vorkommen,  wie  ja  auch  die  TCQoyvf^vdofiaTa 
an  mindestens  einem  halben  Dutzend  Stellen  Erwähnung  finden.  Die 
Erörterungen  selbst  stützen  sich  durchgängig  auf  die  mafsgebenden  Quellen 
oder  doch  als  zuverlässig  anerkannte  Autoritäten.  Unter  billiger  Berück- 
sichtigung all  dieser  Umstände  kann  die  Schrift  ihrem  Inhalte  nach  zu 
belehrender  Lektüre  im  allgemeinen  und  als  Fundgrube  dankenswerter 
Fingerzeige  bei  diesbezüglichen  Untersuchungen  im  besonderen  der  Auf- 
merksamkeit der  Fachgenossen  angelegentlich  empfohlen  werden.  In  for- 
meller Hinsicht  allerdings  dürfen  einzelne  Mängel  nicht  unbeanstandet 
bleiben.  Läfst  schon  die  S.  90  gegebene  partitio  einen  alle  Kapitel  in 
logisch    fortschreitender    Gedankenentwickelung   aufreihenden   Faden  ver- 


470  Nene  Philologische  Bundschan  Nr.  20. 

missen,  so  wird  auch  die  Klarheit  in  den  einzelnen  Kapiteln  selbst  er- 
heblich dadurch  beeinträchtigt,  dafs  vieles,  was  entschieden  in  den  Kontext 
der  Ausfuhrungen  gehört,  in  die  allzustark  fiberwuchernden  Anmerkungen 
verwiesen  ist,  desgleichen  durch  häufige  Wiederholungen  und  Verweisungen 
neben  der  an  sich  schon  etwas  weitschweifigen  Diktion.  Dadurch  und 
infolge  der  fortwährenden  Entlehnungen  aus  einer  Mehrzahl  von  Autoren 
war  der  Verf.  trotz  seiner  gewifs  souveränen  Beherrschung  des  Stoffes  den 
Anforderungen  stilistischer  Feile  und  Abrundung  nicht  mehr  vollkommen 
gewachsen.  Den  Unterabteilungen  der  einzelnen  Kapitel  fehlen  oft  die 
vermittelnden  Stichwörter;  ebenso  sucht  man  meist  vergebens  nach  orien- 
tierenden Leitsätzen  oder  zusammenfassenden  SchluTsergebnissen.  Übrigens 
gibt  der  Verf,  indem  er  diese  Aufgabe  dem  Leser  überläfst,  letzteren 
wenigstens  in  dem  trefflichen  Index  das  Werkzeug  an  die  Hand,  dessen 
er  bedarf,  um  sich  aus  dem  gelieferten  Material  ein  Urteil  zu   zimmern. 

Aufser  den  vier  vom  Verf.  selbst  richtig  gestellten  Druckfehlern  sind 
mir,  selbst  wenn  legitimization  (S.  229,  Z.  18)  ein  berechtigter  Ameri- 
kanismus  sein  sollte,  was  ich  füglich  bezweifle,  deren  noch  weitere  45 
aufgestofsen ,  von  denen  die  falsche  Bildung  für  ädiycog  (S.  208,  Z.  29) 
auf  Rechnung  des  Verf.  zu  setzen  ist,  während  die  Richtigstellung  des 
Zitats  aus  Cicero  (S.  202,  Z.  27),  wo  es  heifsen  mufs  51,  im  Interesse 
des  Lesers  liegt  und  der  vom  Kobold  im  Setzerkasten  anglisierte  John 
Ghrysostomus  (S.  240,  Z.  22)  der  Kuriosität  halber  angefahrt  sein  möge. 
Warum  aber  soll  Charmadas  (S.  217)  richtiger  Charmides  heifsen? 

München.  Ph.  Weber. 

246)  Les  Fhilosophes.     £picure,  par  Marcel  fienanlt.     Paris, 
Paul  Delaplane,  o.  J.     134  S.  8.  geh.  90  cent. 

Die  vorliegende  Monographie  über  Epikur  ist  nach  denselben  Qrnnd- 
Sätzen  gearbeitet  wie  das  von  uns  in  der  N.  Ph.  R.  1902,  S.  207  f. 
besprochene  Heft  über  Descartes.  Nach  einer  allgemein  orientierenden 
Einleitung  über  das  Leben  und  die  Lehre  des  Philosophen  (S.  5 — 20) 
folgt  eine  eingehendere  Entwickelung  seines  Systems  in  drei  grofsen  Ka- 
piteln: Physique  (S.  21—76),  Canonique  (S.  77—94)  und  Morale 
(S.  95—131).  Den  Schlufs  bildet  eine  kurze  bibliographische  Übersicht. 
Benault  behandelt  seinen  Stoff  in  übersichtlicher  und  leicht  verständlicher 
Weise  und  in  einem  sehr  gefälligen  Stile.  Soweit  Deutschland  in  Frage 
kommt,  sei  sein  Büchlein,  sowie  überhaupt  die  ganze  Delaplanesche  Samm- 


'i 


Nene  PhilologiBche  Bandschau  Nr.  20.  471 

lang  „Les  Fhilosophes^S  namentlich  neuphilologischen  Studenten  empfohlen, 
welche  mit  der  Vorbereitung  für  die  philosophischen  Prüfungen  fortlaufende 
Übung  im  Französischen  verbinden  möchten.  P. 


247)  Anna  Bnmnemann,  Marcel  Höbert  et  Rofsmanni 
Ll&cho  littöraire,  Journal  bi-mensuel,  destin6  ä  T^tude  de 
la  langue  fran9aise.    Heilbronn  a.  N.,  Eugen  Salzer,  1903.    8. 

jährlich  Ji  4.—. 

Von  dieser  Zeitschrift  liegen  uns  augenblicklich  die  sechs  ersten 
Nummern  des  23.  Jahrganges  vor.  Sie  will  bekanntlich  denen,  die  sich 
in  der  französischen  Sprache  fortbilden  und  sich  mit  ihrem  Qeiste  wie 
überhaupt  mit  dem  Volksgeiste  näher  bekannt  machen  möchten,  ein  Hilfs- 
mittel sein.  Zu  diesem  Zwecke  bringt  sie  ausgewählte  Stücke  aus  nam- 
haften neueren  Schriftstellern,  und  zwar  teils  Episoden  aus  Romanen  und 
Erzählungen,  teils  Erörterungen  wissenschaftlicher,  kulturgeschichtlicher 
und  geschichtlicher  Fragen,  teils  Artikel  von  mehr  aktueller  Bedeutung. 
Daneben  wird  ein  fortlaufendes  Bomanfeuilleton  geboten,  welches  ebenso 
wie  die  übrigen  Abschnitte  als  Lektüre  auch  jugendlicher  Leser  wohl  ge- 
eignet ist,  und  endlich  Belehrungen  literarischer,  sprachgeschichtlicher  und 
grammatischer  Art.  Diesen  letzteren  reihen  sich  auch  Übersestzungsauf- 
gaben  an,  denen  in  der  nächsten  Nummer  der  entsprechende  fremdsprach- 
liche Text  folgt,  und  gelegentlich  auch  ein  Dialog  aus  dem  alltäglichen 
Leben  als  Muster  für  die  Eonversation. 

Etwas  schwierig  mag  die  Beurteilung  gewisser  literaturgeschichtlichen 
Gröfsen  in  derartigen,  hauptsächlich  doch  für  die  erwachsene  Jugend  be- 
stimmten Bevuen  sein.  Wenn  einmal  Leute  wie  Zola  im  Primaunterrichte 
eingehender  besprochen  werden,  so  trage  ich  kein  Bedenken  in  ernster 
Weise  und  unter  gebührender  Anerkennung  aller  Verdienste  die  Schüler 
auf  das  was  bei  ihnen  nicht  zu  billigen  ist,  aufmerksam  zu  machen.  Aber 
nur  das  Gute  hervorzuheben  und,  wie  es  bei  Zola  in  dieser  Zeitschrift  ge- 
schieht, die  Mängel  und  Makel  ganz  totzuschweigen,  das  kann  ich  nicht 
für  richtig  halten.  Man  hätte  vielleicht  besser  getan,  auf  die  bio- 
graphische Skizze  dann  ganz  zu  verzichten. 

Es  sei  noch  erwähnt,  dafs  die  unbekannteren  unter  den  in  den  Texten 
vorkommenden  Wörter  unten  auf  der  Seite  kurz  in  deutscher  Übersetzung 
angegeben  sind.  Diese  Einrichtung  wird  den  Gebrauch  der  Zeitschrift, 
die  man  als  eins  der  zur  Weiterbildung  in  der  französischen  Sprache  recht 


472  Nene  Philologische  Bandachan  Nr.  20. 

wohl  verwendbaren  Hilfsmittel  beaseichnen  darf,  fQr  weniger  Qeübte  wesent- 
Ueh  erleichtem. 

Dessau.  


248)  Victor  Delahaye,  Dictionnaire  de  la  Frononciation 
moderne.  Seul  ouvrage  portatif  donnant  la  prononciation  figuree 
de  tous  les  mots  de  la  langae  fran9aise.  Paris,  Librairie  Gh.  De- 
lagrave,  o.  J.  708  S.  kl.  8.  geb. 
Dieses  Werk  macht  anf  Wissenschaftlichkeit  gar  keinen  Anspruch. 
Wie  der  Titel  des  Buches  und  die  kurze  Vorrede  besagt,  soll  es  vor  allem 
handlich  sein,  die  phonetische  Wiedergabe  aller  Wörter  der  französischen 
Sprache  enthalten  und,  was  den  Preis  betrifft,  allen  Taschen  zugänglich 
sein.  Handlichkeit  und  Billigkeit  sind  wirklich  da,  doch  sind  dies  auch 
die  einzigen  Vorzüge  des  Buches.  Was  den  Wortschatz  anbelangt,  so  ist 
hier  eine  änfserst  empfindliche  Lücke  zu  verzeichnen:  die  Eigennamen, 
deren  Ausspracheweise  bekanntlich  zumeist  den  Fremden  Schwierigkeiten 
zu  bereiten  pflegen,  fanden  in  dem  Buche  keine  Aufnahme.  Was  den 
phonetischen  Teil  des  Vokabulars  betrifft,  wird  dasselbe  denjenigen,  welche 
auf  feinere  Nuancen  der  einzelnen  Laute  nicht  eingehen,  sondern  es  bei 
einer  blofsen  Scheidung  zwischen  offenem  und  geschlossenem  ö  {jetme- 
jeu),  offenem  und  geschlossenem  e  {chef-che^),  offenem  und  geschlosse- 
nem 0  (satte -sot)  bewenden  lassen  wollen,  ein  ziemlich  verläfslicher 
Führer  sein.  —  Für  die  Schule  eignet  sich  das  Wörterbuch  Delahayes 
in  keinem  Falle:  hier  müssen  die  Laute  sowohl  qualitativ  als  quanti- 
tativ ^)  streng  geschieden  werden ;  der  Unterschied  zwischen  den  a-Lauten 
in  esclave  und  femme  darf  nicht  mehr  als  ein  blofs  quantitativer  dahin- 
gestellt werden.  Noch  weniger  ist  es  angezeigt,  die  in  der  Phonetik 
als  umgestürztes  9  bekannte,  unbetonte  ö-Nuance  mit  dem  betonten  offenen 
ö  (fleur)  zusammenzuwerfen,  und  durch  das  ganze  Buch  diesen  letzteren 
Laut  dem  akustisch  kaum  vernehmbaren,  auslautenden,  sogen,  e  muet  zu 
verleihen  (z.  B.  J%eure  —  ?^^0-  Diese  Mängel  drücken  den  Wert  des 
Buches  bedeutend  herab.  Ein  weiterer  Irrtum  ist  es,  der  Schrift  die  Aus- 
sprache anpassen  zu  wollen:  in  der  guten  Gesellschaft  in  Paris,  deren 
Aussprache  Delahaye  mit  vollem  Rechte  als  die  mustergültige  betrachtet. 


1)  Eigentümlich  bezeichnet  Delahaye  die  Quantität  nur  bei  der  Endang  eur  und  zwar 
mit  (e.),  ohne  das  Zeichen  vorher  erklärt  zu  haben. 


Nene  Fhilologisehe  BnndBohaa  Nr.  20.  473 

wird  niemand  im  Auslaut  der  Lautgrappen  k  dStaü  nnd  il  detaiUe  einen 
phonetischen  Unterschied  machen;  in  beiden  Fällen  ist  dädy  zu  ver- 
zeichnen, während  D.  für  das  erstere  dädy,  ffir  das  letztere  detdye  annimmt  ^). 

Das  phonetische  Transskriptionssystem  ist  äuTserst  primitiv,  entfernt 
sich  kanm  von  der  offiziellen  Schreibweise  nnd  wird  eben  dadurch  zumeist 
wertlos  und  in  manchen  Fällen  sogar  irreführend.  Wie  kann  ein  nur 
halbwegs  brauchbares  Wörterbuch  die  Nasalität  der  Vokale  noch  immer 
mit  dem  nasalen  Eonäonanten  n  bezeichnen  oder  die  geschlossene 
Qualität  des  o  mit  einem  Strich  über  dem  Lautbilde  (0)  ausdrücken  usw.? 

Die  Anlage  des  Buches  entspricht  etwa  der  des  kleinen  Larousse^), 
aber  ohne  Bilder:  auf  das  Schlagwort  folgt  in  Klammern  die  phonetische 
Transskription,  hierauf  eine  kurze  Definition  des  Wortes,  wie  etwa 

menieur,  euse  (man-te.r,  teuze)  s.  m.  et  f.    Celui,  celle  qui  ment 
habituellement. 

Das  Buch  wird  der  Schule  keine  besonderen  Führerdienste  leisten. 
Jedenfalls  wird  man  mit  Recht  dem  handlicheren  und  billigeren  Not- 
wörterbuch  der  französischen  und  deutschen  Sprache  von 
G^saire  Villatte  den  verdienten  Vorzug  geben  dürfen. 

Prag.  O.  Belfai. 

249)  Rev.  Walter  W.  Skeat,  The  Lay  of  Havelok  the  Dane. 

Be-edited  from  Ms.  Land  Mise.  108  in  the  Bodleian  Libraiy, 

Oxford.    Oxford,  At  the  Clarendon  Press,  1902.    LX  u.  171  S.  8. 

4  B.  6  d. 
Diese  neue  Havelok-Ausgabe  der  Clarendon  Press  ist  wieder  einmal 
eine  ganz  ausgezeichnete  Leistung,  deren  Studium  und  Besprechung  dem 
Beurteiler  helle  Freude  macht.  Jedem  Studenten  darf  sie  als  vorzügliches 
Hilfsmittel  für  die  Einführung  ins  Mittelenglische  empfohlen,  jedem 
Herausgeber  als  nachahmenswertes  Muster  hingestellt  werden.  Es  liegt 
sehr  nahe,  Skeats  Ausgabe  mit  der  1901  erschienenen  von  Holthausen  zu 
vergleichen  (s.  darüber  diese  Zeitschr.  1901,  S.  187).  So  wenig  wir  uns 
der  Erkenntnis  der  verschiedenen  Grundsätze  nnd  Zwecke,  die  für  die  Aus- 
gestaltung der  beiden  Ausgaben  mafsgebend  waren,  verschUefsen  und  so 
sehr  wir  die  Vorzüge  der  Arbeit  des  deutschen  Gelehrten  anerkennen  — 
als  Gesamtleistung  hat  hier  der  altbewährte  Meister  unter  den  englischen 

1)  Echt  pariserisch:  detay  Subsi,  ditay  Verb  {a  palat.,  a  velar). 

2)  Pierre  Laronsse,  DicHannaire  eomplet  ülustri.    Tarn,  Librairie  Laronsse* 


474  Nene  Philologische  Bundschau  Nr.  20. 

Anglisten  zweifellos  das  Wertvollere  geboten.  Holthausens  Havelok  soll 
in  erster  Reihe  bei  Seminarübongen  gebraucht  werden  und  legt  das  Haupt- 
gewicht auf  die  Textgestaltung.  Innerhalb  dieser  selbstgewoUten  Be- 
schränkung ist  das  Buch  sehr  gut,  aber  Skeat  bietet  mehr,  eine  allseitige 
Betrachtung.  Bei  der  Wiedergabe  des  Textes  zwar,  für  den  fibrigens 
selbstverständlich  Holthausens  wichtige  Ergebnisse  mit  gebfihrender  An- 
erkennung verwendet  werden,  verzichtet  ej  auf  ein  äufseres,  für  den  An- 
fänger freilich  sehr  schätzenswertes  Mittel,  dessen  sich  Holthausen  mit 
Vorteil  bedient  hatte,  durch  Längen-  und  Unterscheidungszeichen  das 
Lesen  zu  erleichtern;  er  druckt  in  der  gewöhnlichen  Weise.  Bezüglich 
der  Wortformen  stellt  er  die  allgemein  übliche  me.  Schreibweise  her,  gibt 
aber  natürlich  über  jede,  auch  die  kleinste  Abweichung  sorgfältige  Auskunft 
in  den  Fufsnoten.  Die  erklärenden  Anmerkungen  (S.  103 — 126)  sind  sehr 
viel  reichhaltiger  als  die  Holthausens,  und  einen  ganz  besonderen  Wert, 
namentlich  für  den  Gebrauch  von  Studenten,  legen  wir  auf  das  vorzüglich 
gearbeitete  vollständige  Wörterbuch  (S.  127 — 168),  dem  noch  ein 
Verzeichnis  der  Eigennamen  folgt.  Das  Schönste  an  der  Ausgabe  aber 
ist  die  glänzende  Einleitung ,  die  alle  in  Betracht  kommenden  Fragen  mit 
meisterhaftem  Geschick  zu  erörtern  weifs,  ohne  dabei  in  Weitschweifigkeit 
zu  ver&Uen.  Sie  handelt  zuerst  über  die  früheren  Ausgaben,  gibt  eine 
eingehende  und  sorgfältige  Beschreibung  der  Handschrift  und  verweilt 
ausführlich  bei  ihrer  Orthographie,  deren  Seltsamkeiten  geistvoll  und  un- 
gezwungen durch  den  überzeugend  erbrachten  Nachweis  erklärt  werden, 
dafs  der  Schreiber  ein  geborener  Normanne  war  und  die  englischen  Worte 
eben  einfach  nach  anglo  -  französischer  Manier  sprach  und  schrieb.  Es 
folgen  dann  Angaben  über  grammatische,  dialektische  und  metrische  Ver- 
hältnisse ;  diesen  wendet  Skeat  wieder  seine  besondere  Aufmerksamkeit  zu 
und  stellt  dabei  ein  allerdings  nicht  ganz  einfaches  Schema  von  16  Vers- 
typen auf.  Den  zweiten  Hauptteil  bildet  eine  musterhaft  klare,  wenn 
auch  knappe  Übersicht  über  den  Stoff,  seine  verschiedenen  Bearbeitungen, 
deren  Beziehungen  zueinander  und  seine  sonstige  Geschichte.  Dann  werden 
noch  die  örtlichen  Überlieferungen  und  das  grolse  Siegel  von  Qrimsby 
besprochen,  und  eine  gediegene  Bibliographie  bildet  den  Abschluls.  Als 
Abbildungen  sind  zwei  Tafeln  mit  dem  Grimsbyer  Siegel  und  einer  Seite 
der  Handschrift  beigegeben.  —  Mit  dem  Ausdruck  herzlichen  Dankes 
schliefsen  wir  diese  kurze  Anzeige  des  trefflichen  Buches. 

Breslau.  H.  JantzoB. 


's 


Nene  Philologische  BnndBchan  Nr.  20.  475 

250)  E.  RooB,  Nathaniel  Hawthome,  Wonder  Book  for  Boys 

and  Girls.     (Student  Tauchnitz  Editions.)    Leipzig,  Tancbnitz, 
1900.     Xn  u.  107  S.  8.  Ji  -.80. 

ÄDinerkiiDgeii  und  Wörterbnch  dazn  56  S.     Ji  --.  40. 

Die  klassischen  Mythen  von  Perseus,  Midas,  Epimetheos  and  Pandora, 
Herkules,  Philemon  und  Baucis  bilden  den  Gegenstand  dieses  hübsch  aus- 
gestatteten BQchleins,  dem  eine  Biographie  Hawtbomes  nach  Henry  James 
als  Einleitung  dient.  Dem  Wörterbuch  geben  Anmerkungen  sachlicher 
and  grammatischer  Art  voraus,  aber  ohne  jegliche  bei  griechischen  Namen 
doch  so  notwendige  Beihilfe  zur  Aussprache  und  Akzentuierung. 

Wenn  die  Herausgeberin  meint,  diese  Mythen  würden  von  den  Kin- 
dern gern  gelesen,  so  stimme  ich  bei,  sofern  es  sich  um  acht-  bis  zehnjährige 
Mädchen  handelt.  In  unseren  höheren  Schulen  aber  kommen  die  Zöglinge 
zum  Unterricht  im  Englischen  erst  in  einem  Alter,  wo,  wie  ich  fürchte, 
der  Sinn  für  solche  Märchen  bereits  geschwunden  ist  Deshalb  glaube 
ich  nicht,  dafs  man  oft  nach  diesem  „Wunderbuch ^^  als  Schullektüre 
greifen  wird. 

Wünborg.  Johaanes  Joat. 

251)  Ghistav  Ooedel,  EtymologischeB  Wörterbnch  der  dentF 

sehen  Seemannsspraehe.    Kiel  u.  Leipzig,  Lipsius  &  Tischer, 

1902.     520  S.  8.  geh.  .4J  7.  ~ ;  geb.  .4^  8.-. 

Goedels  Etymologisches  Wörterbuch  ist  eine  höchst  verdienstliche  Arbeit, 
die  einem  wirklichen  Bedürfnis  abhilft.  Das  Buch  wird  zunächst  sehr 
dankbar  von  denjenigen  höher  gebildeten  Seeleuten  begrüfst  werden,  welche 
sich  für  die  Herkunft  ihrer  oft  so  seltsamen  Fachausdrücke  interessieren; 
nicht  minder  willkommen  wird  es  vielen  „Landratten**  sein,  denen  die 
jedem  Worte  beigefügten  sachlichen  Erklärungen  manche  unklare  Stelle 
in  Marineberichten  und  Seeromanen  aufhellen  können;  ganz  besonderen 
Dank  aber  wird  dem  Verf.  natürlich  die  germanistische  Wissenschaft 
zollen,  namentlich  wegen  der  zahlreichen  Belege  aus  seemännischen  Ur- 
kunden und  Fachschriften,  welche  er  in  seinem  Buche  zusammengebracht  hat 
Zu  einer  eingehenden  Würdigung  des  mit  grofsem  Fleiise  und  im 
allgemeinen  mit  tüchtiger  Sachkenntnis  gearbeiteten  Werkes  ist  hier  nicht 
der  Baum.  Wir  stimmen  in  dieser  und  jener  Einzelheit  nicht  mit  Goedel 
überein.  So  möchten  wir  z.  B.  altnord.  hröf  nicht  mit  altnord.  rtefr 
(S.  391)  zusammenbringen.  —   Qala  kommt  wohl  kaum  aus  dem  Ära- 


476  Nene  Philolo^sche  Rundschau  Nr.  20. 

bischen  (S.  168;  vgl.  Körting,  Lateinisch -fiomanisches  Wörterbuch ^ 
Nr.  4197).  —  Die  Bedeutnngsentwickelung  von  a&andEonniran  wird  aus 
dem  auf  S.  1  f.  Gesagten  nicht  recht  klar;  eine  bessere  und  kürzere  Dar- 
stellung hätte  der  Verf.  nach  Körting,  Nr.  1210,  geben  können.  —  Das 
echtdeutsche  Wort  Dübel  (S.  115;  auch  Döbel  oder  Dabei,  in  Mittel- 
deutschland Diä)d  ausgesprochen)  ist  keinesfalls  aus  dem  Englischen  ent- 
lehnt, vgl.  Kluge,  Etymol.  Wörterb.  unter  „Döbel".  —  Kuff  (S.  273) 
kann  einfach  deshalb  nicht  vom  lat.  cupa  kommen,  weil  im  Niederdeut- 
schen das  p  hätte  erhalten  bleiben  mfissen,  wie  im  bremischen  „Küper" 
(hoUd.  huiper,  engl,  coqper)  =  hd.  Küfer;  die  Frage  der  Herkunft  des 
Wortes  hätte  wohl  eine  eingehendere  Behandlung  verdient.  —  In  amir- 
äl-bähr  (S.  11)  darf  man  das  al  nicht  als  „Genitivpartikel"  bezeichnen; 
es  ist  nur  der  kasuslose  Artikel:  das  Genitivverhältnis  wird  durch  die 
Nachstellung  des  Wortes  bahr  bezeichnet.  (Der  Artikel  „Admiral" 
enthält  übrigens  viel  Interessantes;  zur  Ergänzung  vgl.  wieder  Körting 
Nr.  602).  —  Nicht  recht  einleuchten  will  uns  auch  in  einigen  Punkten 
die  Auseinandersetzung  über  Messe  (S.  330  ff.).  Der  Verf.  erlaubt  sich 
hier  eine  Anzahl  Gleichungen,  die  zum  mindesten  als  sehr  kühn  be- 
zeichnet werden  müssen.  —  Schäkel  (Kettenring,  Kettenring  S.  403)  hängt 
wohl  mit  Schaken  (engl.  shaJoe,  wovon  shacMe)  zusammen  (vgl.  Skeat. 
Etymol.  Dict.),  keinesfalls  aber  mit  Schacher  „Räuber".  —  Wake  (offene 
Stelle  im  Eise  (S.  503)  ist  nicht  mit  weich  zusammenzustellen,  siehe  SkecU 
unter  wake  (2)  und  weak,  —  Der  Fisch  torpedo  (S.  486)  führt  seinen 
Namen  nicht  von  seiner  plumpen  Gestalt,  sondern  von  der  Lähmung  und 
Erstarrung,  die  er  durch  seine  Berührung  erzeugt  (Georges,  Lat.  Lexik, 
sub  verbo).  —  Die  auf  S.  78  ff.  gegebene  Ableitung  des  Wortes  Brabank 
enthält  wieder  einige  sehr  bedenkliche  Gleichungen,  denen  wir  wenigstens 
nicht  beipflichten  möchten.  —  Dafs  G.  überhaupt  in  lautgeschichtlichen 
Fragen  mitunter  etwas  eigene  Wege  geht,  möge  folgende  Stelle  beweisen, 
die  wir,  weil  sie  kennzeichnend  ist,  ausführlich  wiedergeben  wollen.  „Die 
Dirk",  heifst  es  auf  S.  108,  „sei  es  als  Piek&U,  sei  es  als  Baumdirk, 
dient  zum  Aufkoppen,  man  aieht  also  etwas  damit  in  die  Höhe.  Es  mag 
daher  der  Begriff  , ziehen*  in  Betracht  kommen,  der  in  dem  niederdeutsch- 
niederländischen Zeitwort  trecken  steckt;  es  hiefs  dieses  im  Gotischen 
trikan.  Davon  konnte  leicht  ein  Substantiv  trik  gebildet  werden.  Da 
aber  das  vorgermanische  Thema  zu  trikan  darg  ist,  so  mag  trik  auch  drick 
gesprochen  worden  sein;  drick  aber  konnte  leicht,  schon  in  Erinnerung  an 


> 


Neue  PhilologiBche  Bnndschan  Nr.  20.  477 

darg,  aber  anch  sonst  durch  Metatbesis  leicht  zu  dirk  werden,  so  daTs  die 
Dirk  also  ein  Ziehding  wäre/^  —  Doch  soll  unsere  negative  Kritik  nicht 
zu  sehr  die  wirklich  sehr  anerkennenswerten  positiven  Verdienste  des  Verf.  in 
den  Schatten  stellen.  Sein  Buch  bringt  im  ganzen  soviel  Wertvolles  und 
Neues,  dafs  es  jedenfalls  als  eine  sehr  dankenswerte  Bereicheruug  der 
etymologischen  Literatur  bezeichnet  werden  mufs.  Bei  der  nächsten  Auf- 
lage könnte  vielleicht  eine  alphabetische,  die  Titel  genau  angebende  Liste 
der  benutzten  Literatur  hinzugefQgt  werden,  und  die  einförmige  Seiten- 
überschrift, „Etymologisches  Wörterbuch**  würde  zur  Erleichterung  des 
Nachschlagens  am  besten  durch  Stichwörter  ersetzt.  F.  P. 


252)  W.  L.  Sieger,  Ziffem-Orammatik,  welche  mit  Hilfe  der 
Wörterbücher  ein  mechanisches  Übersetzen  aus  einer  Sprache  in 
alle  anderen  ermöglicht.  Graz,  Verlagsbuchhandlung  „Styria^S 
1903.     XII  u.  196  S.  8.  geh.  Jt  4.  -. 

Mit  Hilfe  eines  Ziffern-  und  Satzzeichensystems,  über  das  wir  uns 
hier  nicht  des  näheren  verbreiten  können,  bestimmt  der  Verf.  die  Satz- 
teile, Wortkategorien,  Numeri,  Kasus,  Aktionsarten,  Zeitstufen,  Modi  usw. 
der  inneren  Sprachform,  welche  der  Gleichmäfsigkeit  des  menschlichen 
Denkens  wegen  in  allen  einigermafsen  entwickelten  Sprachen  auf  die  eine 
oder  die  andere  Weise  und  mit  verschiedenem  Umfange  der  Differenziie- 
rung  zum  Ausdruck  kommt.  Beim  Übersetzen  wird  jeder  Satz  gleichsam 
umgebrochen,  d.  h.  diejenigen  Wörter,  welche  eine  konkrete  oder  abstrakte 
Substanz,  eine  Eigenschaft,  einen  Zustand  oder  eine  Tätigkeit  bezeichnen, 
zum  Teil  auch  die  Adverbien  und  Konjunktionen,  werden  einfach  in  der 
Form  niedergeschrieben,  in  welcher  sie  in  den  Wörterbüchern  angegeben 
sind:  die  Verbindung  der  Wörter  zum  Satze  wird  durch  die  Beisetzung 
von  Ziffern  vollzogen.    Der  Satz 

Ich  komme  morgen  früh  nach  London 
wird  z.  B.  folgendermafsen  umgebrochen: 

1  kommen  london  51  morgen  56  früh  56 
Dabei  bezeichnet  die  1  vor  kommen  die  1.  Person,  das  Fehlen  einer 
weiteren  Ziffer  den  Singular  und  das  Präsens,  die  51  bei  london  gibt 
an,  dafs  das  Wort  auf  die  Frage  wohinein?  antwortet,  und  die  56  bei 
morgen  und  früh,  dafs  diese  Adverbien  auf  die  Frage  wann?  stehen. 
Der  so  umgebrochene  Satz  wird   dann   unter   Aufsuchen   der   einzelnen 


476 


Neue  Philologisohe  Bnndsoban  Nr.  20. 


(in  the  morning)  56 
matin  56 
rano  56 


del       moricciuolo 


sopra    moricduolo  5 


über 


über 


niedrige  Mauer  5 
die  niedrige  Mauer. 


Wörter  im  Lexikon  mit  Beibehaltung  der  Nummern  ganz  mechanisch  in 
eine  beliebige  Fremdsprache  fibersetzt,  z.  B.: 
engl:     1  (to  come)    london  51     (to-morrow)  56 
fram.:  1  venir  londres  51     demain  56 

poln.\    1  przybyd        londyn  51    jutro  56 
So  lautet  der  italienische  Satz 

Lanciö    un'    occhiata    al  di  sopra 
umgebrochen: 

03  lanciare    —0    occhiata  4.006 
deutsch: 

03  werfen      —0     blick  4.006 
und  in  idiomatisches  Deutsch  fibertragen: 

er  warf  einen  blick 
Die  0  vor  3  bezeichnet  die  Mitvergangenheit,  die  3  selbst  die 
3.  Person  Singularis  (die  3.  Plur.  wäre  =  30);  —0  =  Artikel  ein 
(0  allein  wäre  „der,  die,  das",  „1^^  wäre  das  Zahlwort  „ein");  4  =  Ac- 
cusativ  Singularis  (40  wäre  Acc.  Plur.),  usw. 

Der  Verf.  hat  seine  Idee  in  äufserst  sinnreicher  Weise  durchgeführt 
und  an  zahlreichen  komplizierten  Beispielen  gezeigt,  in  wie  weitem  Umfange 
die  Methode  sich  anwenden  läfst.  Linguistisch  geschulten  Köpfen  wird 
ein  Versuch,  nach  der  Zifferngrammatik  zu  arbeiten,  jedenfalls  nicht  un- 
interessant sein.  Ob  die  Sache  aber  im  geschäftlichen  Verkehr,  fllr  wel- 
chen Bieger  seine  Methode  in  erster  Linie  bestimmt  hat,  praktische  Ver- 
wendung finden  kann,  ist  eine  andere  Frage.  Man  darf  einerseits  nicht 
vergessen,  dafs  das  Umbrechen  der  Sätze  nach  Biegers  Vorschriften  doch 
einen  ziemlich  ausgebildeten  philologischen  Takt  voraussetzt,  den  man  sich 
nur  durch  das  Studium  einer  gewissen  Zahl  fremder  Sprachen,  kaum  durch 
eine  rein  abstrakte  Theorie  ohne  konkrete  Grundlagen  erwerben  kann, 
und  dafs  andererseits  die  Vieldeutigkeit  mancher  Wörter  diejenigen,  welche 
ohne  nähere  Kenntnis  der  Sprache,  in  die  sie  übersetzen  wollen,  ganz 
mechanisch  nach  dem  Lexikon  arbeiten,  zu  Irrtümern  verleiten  kann,  gegen 
welche  das  bekannte  „gargon:  Knabe,  Bube,  Junge,  Junggeselle,  Hage- 
stolz, Geselle,  Diener,  Knecht,  Laufbursche  —  Kellner!!**  noch  wenig 
besagen  will,  und  die  im  kaufmännischen  Leben  unter  Umständen  geradezu 
verhängnisvoll  werden  können. 

Die  einzige  Lösung  der  Spraehenfrage  im  internationalen  Verkehr  ist 
nach  unserer  Ansicht  die  allgemeine  Einigung  fiber  die  Erhebung  eines 


'S 


Neue  Philologische  Bnndschau  Nr.  20.  479 

bestimmten  Idioms  zur  Weltsprache.  Nachdem  das  Volapflk  nnd  ver- 
schiedene andere  Kunstsprachen  kläglich  gescheitert  sind,  wird  man  sich 
wohl  oder  übel  für  eine  der  auf  natürlichem  Wege  entstandenen  Eultur- 
sprachen  entscheiden  müssen,  und  zwar  kann  unter  den  jetzigen  Zeit- 
verhältnissen eigentlich  nur  das  Englische  in  Betracht  kommen:  das- 
selbe Ist  bereits  über  den  ganzen  Erdball  verbreitet,  es  ist  in  seinen 
Elementen  leicht  erlernbar,  besitzt  in  seiner  Fähigkeit  zur  gröfsten  Kürze 
im  Ausdruck  eine  namentlich  für  den  telegraphischen  Verkehr  sehr  schätzens- 
werte Eigenschaft  und  bietet  dem,  der  zu  eingehenderer  Lektüre  Zeit  und 
Lust  hat,  in  seiner  gewaltigen  Literatur  eine  Fülle  idealer  Anregungen, 
die  ihm  jede  zunächst  für  praktische  Zwecke  aufgewandte  Mühe  hundertfach 
belohnen.  Einen  solchen  allgemeinen  Bildungswert  besitzt  jedenfalls  kein 
noch  so  geistreich  ersonnenes  sprachliches  Kunstsystem. 

Beiläufig  werde  hier  noch  an  eine  in  ganz  anderer  Absicht  als  in  der 
Ziffemgrammatik  unternommene  Algebraisierung  sprachlicher  Gebilde  er- 
innert, welche  im  vorigen  Jahrgang  dieser  Zeitschrift  auf  S.  70  ff.  besprochen 
worden  ist.  Über  Leibnizens  hier  ebenfalls  zu  nennenden  Entwurf 
einer  „allgemeinen  Charakteristik^^  und  die  partielle  Ausführung  der- 
selben in  Tredes  „Vorschlägen  zu  einer  notwendigen  Sprachlehre^*  ver- 
gleiche man  tTberweg-Heinze  und  die  dort  angeführte  Schrift  von 
Trendelenburg  in  histor.  Beitr.  z.  Philosophie  III,  Iff. 

Bieger  vrill  übrigens  zu  dem  vorliegenden  Teile  der  Zifferngrammatik 
noch  ein  Supplement  veröffentlichen,  das  sich  hauptsächlich  auf  die  Schrei- 
bung von  Eigennamen  beziehen  soll. 

Verlag  ron  Friedrich  Andreas  Perthes,  Aktiengesellschaft,  Gotha. 

Hilfsbüclileizi  für  den  lateinischezi  Unterriclit. 

Zusammengestellt  von 
Professor  Dr.  R.  Schnee. 

[Erster  Teil:  Fh.rasexisajsiaQl-va.xig. 
Eingerichtet  zur  Aufnahme  von  weiteren  im  Unterrichte  gewonnenen  Aus- 
drücken und  Redensarten. 
Für  Quinta  bis  Prima. 
Preis:  Jü  1.—. 

Zweiter  Teil:  S'bilis'bisch.e  Zlegelxi. 

Für  Sekunda  und  Prima. 

Preis:  Jt  —.80. 

Zu  beziehen  durch  alle  Buchhandlungen. 


480  Nene  Philologiflche  RimdachAii  Nr.  20. 

Yerlag  ron  Friedrieh  Andreas  Perthes,  Aktlengesellsdiaft,  C^otha. 

Übungsstücke 

Bum 

Übersetzen  aus  dem  Deutschen  ins  Lateinische 

im  AuBchlofs  an  die  Lektüre  ffir  die  Oberstufe  des  Gymnasiams: 

1.  Heft:  Haehtmann,  G.,  ÜbangsstQcke  im  AnBchlurs  an  Ciceros  vierte 

Bede  gegen  Verres.  Preis  Jt  0.80. 

2.  Heft:  Enaut,  C,  Übungsstücke  im  Anschlnfs  an  die  beiden  ersten 

Bücher  von  Tacitus'  Annalen.  Preis  J(  0.80. 

3.  Heft:  Strenge^  J.,  Übnngsstflcke  im  Anschlufs  an  Ciceros  Bede  für 

Archias.  Preis  J(  0.50. 

4.  Heft:  Strenge,  J.,  Übangsstücke  im  Anschlufs  an  Ciceros  Bede  für 

Murena.  Preis  Jt  0.70. 

5.  Heft:  Ahlhelm,  A.,  Übungsstücke  im  Anschlufs  an  Ciceros  Briefe. 

Preis  Jt  0.80. 

6.  Heft:  Waekermann,    0.,    Übungsstücke   im  Anschlufs   an  Sallusts 

Jugurthinischen  Krieg.  Preis  Jt  0,80. 

7.  Heft:  Haehtmann,  €.,  Übungsstücke  im  Anschlufs  an  Ciceros  Beden 

gegen  L.  Sergius  Catilina.  Preis  Ji  0.80. 

8.  Heft:  Lehmann,  J.,   Übungsstücke  im  Anschlufs  an  Ciceros  Bede 

über  das  Imperium  des  Cn.  Pompeius.  Preis  Ji  0.50. 

9.  Heft:  Klelnschmlt ,   M.,    Übungsstücke    im   Anschlufs    an    Livius* 

21.  Buch.  Preis  Jt  0.80. 

DeutscMateinisGlies  Übungsbuch  für  duarta 

im  Anschlufs  an  die  Lektüre  des 

Ooirzi.ellTa.8  ^arex>c>8. 

Von 

Netzker  und  Bademann. 

Preis  Ji  2.- 


Sie  Anschauungsmefhode 
in  der  Alferfumswissenschaff. 

Von 

Z.  Sittl. 

Preis  Jt  —.60. 

Zu  beziehen  durch  alle  Buchhandlungen. 


Fftr  di*  aedAkUon  Tenatwortliek  Dr.  E.  Laiwlg  in  Bromti. 
Drmek  «nd  VarUg  toa  Friedrich  Andrtu  PerfchM,  l.ktitngef«Ua«haft,  Ootk*w 

Hierzu  als  Beilage:  Prospekt  des  Verlages  von  Hermann  C^enlus  in 

HaUe,  betr. :  Qesenios-Regel  Engüsobe  Sprachlehre,  o.  a.  Verlagswerke. 


Gotha,  17.  Oktober.  Vi.  21,  Jahigang  1003. 

Neue 

PhilologischeRundschau 

HerausgegebeD  yon 

Dr.  C.  Wagener  und  Dr.  E.  Ludwig 

in  Breraen. 

Erscheint  alle  U  Tage.  —  Preis  fflr  den  Jahrgang  8  Mark. 

Bestellungen  nehmen  alle  Buchhandlungen,  sowie  die  Postanstalten  des  In-  und  Auslandes  an. 

Insertionsgebfihr  fDr  die  einmal  gespaltene  Petitzeile  80  Pfg. 

Inhalt:  Bezensionen:  253)  Ernst  Nachmanson,  Laute  und  Formen  der 
Magnetischen  Inschriften  (Fr.  Stolz)  p.  481.  —  254)  Herrn.  Beich,  Der 
Mimus  (W.)  p.  483.  —  255)  A.  Spengel,  Zur  Geschichte  des  Kaisers  Tiberius 
(Ed.  WolflE)  p.  487.  —  256)  Alf  Tor  p,  Etrusldsche  Beitrage  (H.  Schaefer)  p.  491.  — 
257)  H.V.  Hilp recht,  Die  Ausgrabungen  im  6^1 -Tempel  zu  Nippur  (B.  Hansen) 
p.  493.  —  258)  H.  Gunkel,  Israel  und  Babylonien  (B.  Hansen)  p.  494.  — 
259)  Ludw.  Klinger,  Victor  Duruy:  Bägne  de  Louis  XIV  (K.  Holtermann) 
p.  495.  —  260)  G.  Stier,  Causeries  Fran^aises  (K.  Engelke)  p.  496.  — 
261)  G.  H.  Sander,  Das  Moment  der  letzten  Spannung  in  der  englischen 
Tragödie  bis  zu  Shakespeare  (Drees)  p.  497.  —  262)  Johns  Hopkins  üniversity 
Oirculars  (n)  p.  498.  —  263)  E.  A.  Toreau  de  Marney,  First  Step  to  English 
Conversation  (E.  Hansen)  p.  5(X).  —  264)  W.  H.  Crump,  English  as  it  is 
spoken  (Fr.  Blume)  p.  501.  —  265)  Fr  an  Filologiska  Föreningen  i  Lund 
(B.  Eöttgers)  p.  501.  —  Anzeigen. 

253)  Ernst  Nachmanson,  Laute  und  Formen  der  Magne- 
tischen Inschriften.  Upsala  1903  (Leipzig,  0.  Harrassowitz). 
XVI  u.  199  S.  8. 
Es  sei  gestattet,  diese  Besprechung  an  eine  Äufserong  von  Wilamowitz 
in  den  Gott.  gel.  Anz.  vom  Jahre  1900,  S.  566,  anzuknüpfen,  welche  sich 
in  einer  ausführlichen  Anzeige  des  Buches  von  Otto  Kern,  Die  In- 
schriften von  Magnesia  am  Mäander  (Berlin,  1900)  findet.  „Ein  ganz 
einziges  Interesse  wird  nur  die  Sammlung  von  Briefen  und  Psephismen 
der  verschiedenen  Orte  erwecken,  die  der  Aufforderung  der  Magneten 
nachkommen ,  den  Kult  und  die  Spiele  ihrer  Göttin  ^)  sozusagen  als  pan- 
hellenisch und  ihr  Gebiet  als  unverletzlich  anzuerkennen."  Der  Verf. 
unseres  Buches  hat  jedoch  nicht  diese  von  den  Magneten  aufgezeichneten 
fremden  Inschriften  in  erster  Linie  im  Auge,  sondern  vielmehr  die  mag- 
netischen Inschriften  im  eigentlichen  Sinne  des  Wortes,  um  an  ihrer  Hand 
zu  zeigen,  in  welcher  Weise  sich  die  Laute  und  Formen  des  magnetischen 

1)  Artemis  Leukophrys  oder  Leukophryene  (Leukophryne). 


482  Neue  Philologische  Bnndschan  Kr.  21. 

Dialektes  im  Laufe  von  etwa  acht  Jahrhunderten  entwickelt  haben.  Denn 
auf  einen  so  langen  Zeitraum  erstrecken  sich  unsere  Inschriften,  von  denen 
die  ältesten,  allerdings  nur  vier  an  der  Zahl,  in  das  vierte  vorchristliche, 
die  beiden  jüngsten  datierbaren  in  das  vierte  nachchristliche  Jahrhundert 
gehören.  Neben  den  von  den  Magneten  selbst  aufgestellten  Inschriften  in 
ihrer  eigenen  Mundart  können  auch  die  früher  erwähnten  fremden  dialektisch 
abgefafsten  Inschriften,  weil  sie  von  magnetischen  Steinmetzen  aufgezeichnet 
sind,  in  beschränktem  Mafse  zur  Aufhellung  der  magnetischen  Sprach- 
geschichte dienen,  während  die  in  der  xoti^  abge&fsten  fremden  Inschriften 
sehr  reiches  Material  zur  Vergleichung  bieten.  Doch  hat  sich  der  Verf. 
nicht  damit  begnügt,  nur  diese  Inschriften  zum  Vergleiche  mit  der  mag- 
netischen Mundart  heranzuziehen,  sondern  auch  andere  gemeingriechische 
(gelegentlich  auch  dialektische)  Inschriften,  insbesondere  aus  Eleinasien 
zur  Vergleichung  herangezogen.  Dadurch  ist  ein  höchst  dankenswerter 
Beitrag  zur  griechischen  Sprachgeschichte,  insbesondere  und  hauptsächlich 
zur  Geschichte  der  *xoty^'  zustande  gekommen,  der  eine  sehr  willkom- 
mene Ergänzung  der  auf  dieses  Gebiet  sich  bezielienden  Arbeiten  von 
Dieterich,  Schweizer,  Tbumb  u.  a.  bildet.  Mit  Ausnahme  nämlich  zweier 
der  ältesten  Inschriften,  welche  man  als  rein  ionisch  charakterisieren  darf, 
sind  alle  in  der  Gemeinsprache,  welche  bekanntermafsen  den  einheimischen 
Dialekt  auf  ionischem  Sprachgebiete  am  frühesten  verdrängt  hat,  abgefafst, 
wenn  auch  in  einigen  Dekreten  des  3.  Jahrh.  diese  Gemeinsprache  noch  mit 
einzelnen  lonismen  durchsetzt  ist.  Wenn  ich  oben  bemerkt  habe,  dafs  unsere 
Arbeit  insbesondere  und  hauptsächlich  als  ein  wertvoller  Beitrag  zur  grie- 
chischen ^Yjoivfi  betrachtet  werden  müsse,  so  gilt  dies,  wie  auch  schon 
durch  meine  oben  stehende  Bemerkung  angedeutet  ist,  vornehmlich  in 
dem  Sinne,  dafs  der  Verfasser  dieser  Spezialuntersuchung  der  magnetischen 
Inschriftensprache  bei  der  eingehenden  und  höchst  sorgfältigen  Behandlung 
der  einzelnen  Laute  und  Formen  auch  die  Sprache  der  übrigen  in  der 
^%OLYf{  abgefafsten  Inschriften,  in  erster  Linie  die  der  pergamenischen, 
deren  Grammatik  bekanntlich  E.  Schweizer  geschrieben  hat,  zu  beständigem 
Vergleiche  heranzieht.  Im  übrigen  ist  dem  Verf.  stets  streng  vor  Augen 
gehaltener  Hauptzweck,  in  erschöpfender  Weise  speziell  die  nach  den  In- 
schriften sich  ergebende  Entwickelung  der  Sprache  der  Magneten  dar- 
zustellen, und  dem  entspricht  auch  die  am  Schlüsse  stehende  Zusammen- 
fassung, in  welcher  in  zwei  Kapiteln  der  lehrreiche  Versuch  gemacht  ist 
darzustellen,  „einmal  wie  sich  das  Ionische  in  Magnesia  koinisierte  und 


Nene  Philologische  Bnndschau  Nr.  21.  483 

sodann  wie  sich  die  so  entstandene  yLOtv/j  weiter  entwickelt  hat^^  Aus 
den  lichtvollen  Auseinandersetzungen  des  Verf.  begnüge  ich  mich  be- 
sonders hervorzuheben,  dafs  „eine  spezifisch  attische  Form  in  Magnesia  nicht 
durchgedrungen*'  ist  (S.  174),  was  besonders  im  Gegensatze  zur  Sprache 
der  königlichen  pergamenischen  Eanzlei,  die  spezielle  Attizismen  aufweist, 
hervorgehoben  werden  soll.  Allerdings  macht  sich  auch  in  der  Sprache 
der  magnetischen  Inschriften  der  Einfiufs  der  attizistischen  Reaktion  der 
Eaiserzeit,  vor  allem  des  2.  Jahrb.,  bemerkbar. 

Da  bekanntermafsen  über  die  Entstehung  der  griechischen  xoti^ 
Meinungsverschiedenheiten  herrschen,  die  ich  als  bekannt  voraussetzen 
darf,  dürfte  es  angezeigt  erscheinen,  ausdrücklich  hervorzuheben,  dafs  der 
Verfasser  unserer  Schrift,  der  sich  mit  Absicht  auf  die  Darstellung  der 
Sprache  der  magnetischen  Inschriften  eingeschränkt  hat,  S.  175  bemerkt: 
„Wie  nun  im  grofsen  und  ganzen  bei  der  Ausbildung  der  yuovm/i  der  Anteil 
der  übrigen  Dialekte  im  Vergleich  mit  demjenigen  des  attischen  und 
des  ionischen  nicht  gerade  hoch  anzuschlagen  ist,  kommt  ein  solcher  auch 
für  Magnesia  hier  nicht  viel  in  Betracht/* 

Am  Schlüsse  dieses  orientierenden  Referates  sei  ausdrücklich  darauf 
hingewiesen,  dafs  die  vorliegende  Arbeit  in  jeder  Hinsicht  als  eine  vor- 
zügliche Leistung  bezeichnet  werden  mufs. 

Innsbruck.  Fr.  Stolz. 

254)  Hermann  Reich,  Der  Mimus.     Ein  litterar -entwickelungs- 
geschichtlicher  Versuch.    I  1:   Theorie    des   Mimus.    I  2: 
Entwickelung  des  Mimus.    2  Bände.    Berlin,  Weidmann, 
1903.     XII  u.  900  S.  8. 
Von  dem  reichen  Inhalte  dieses  grofs  angelegten  Werkes,  das  von 
erstaunlichem  Fleifs  und  umfassender  Belesenheit  zeugt,  im  engen  Bahmen 
einer  Anzeige  ein  vollständiges  Bild  zu  geben,  ist  ganz  unmöglich.    Not- 
gedrungen müssen  wir  uns  daher  auf  ein  paar  Andeutungen  beschränken, 
die  die  Leser  dieser  Zeitschrift,  soweit  sie  Interesse  für  derartige  Fragen 
haben,  veranlassen  sollen,  sich  selbst  mit  dem  Buche  zu  beschäftigen;  wir 
sind  überzeugt,  keiner  wird  es  ohne  Bereicherung  an  Kenntnissen  und 
Anregungen  aus  der  Hand  legen. 

„Die  ganze  klassische  Literaturgeschichte  erscheint  heute  eigentlich 
als  eine  Geschichte  des  literarischen  Idealismus.  Aas  diesem  Meere  des 
Idealismus   erheben    sich    eine   Anzahl  Trümmer    realistischer   Art  vne 


4M  Nene  Pbilolofrische  Bondsohati  Nr.  21. 

Brachstficke  eines  untergesunkenen  Kontinents.  Sie  sind  die  letzten 
Zeugen  einer  verschollenen  grofsen  realistischen  Literatur.'^  Als  die 
eigentliche  Grundlage  der  antiken  realistischen  Poesie  erscheint  der  Mimus; 
seinen  Ursprung,  sein  Wesen  und  seine  Geschichte  zu  erforschen  ist  daher 
die  erste  Aufgabe  ffir  den,  der  dem  literarischen  Realismus  im  klas- 
sischen Altertum  nachgehen,  ihn  ergründen  und  als  ein  Ganzes  erfassen  will. 

Dürftig  ist  im  ganzen  die  Überlieferung  über  den  Mimus,  wenn  man 
eine  kleine  Epoche  ins  Auge  fafst,  aber  gewaltig  schwillt  die  Flut  der 
Nachrichten  an,  wenn  man  alle  die  Zeugnisse  zusammenstellt,  die  im 
Verlauf  zweier  Jahrtausende  griechische,  römische  und  byzantinische  Au- 
toren, Heiden  und  Christen,  Schriftsteller  jedes  Standes  und  Berufes  lie- 
fern, nicht  zu  vergessen  die  Akten  und  Inschriften  und  die  bunte  Fülle 
bildlicher  Darstellungen  in  jeder  Gestalt. 

Und  wenn  der  Mimus  auch  eine  reiche  Entwickelung  durchgemacht, 
sich  den  verschiedenen  Zeiten,  Ländern,  Völkern  und  Sitten  angepafst  hat, 
im  Kerne  seines  Wesens  ist  er  sich  doch  gleich  geblieben;  es  ist  nach 
der  theophrastischen  Definition  die  fjilfxriaig  ßiov,  die  in  typischer  Gestalt 
ein  getreues  Spiegelbild  des  menschlichen  Lebens  mit  all  seinen  Fehlern, 
Schwächen  und  Schattenseiten  bietet,  die  keine  Scheu  vor  dem  Höchsten 
und  keinen  Ekel  vor  dem  Niedrigsten  und  Gemeinsten  kennt,  sondern 
alles  und  jedes  in  ihren  Bereich  zieht  und  der  Verspottung  preisgibt,  zur 
Belustigung,  aber  auch  zur  Erhebung  des  Volkes  aus  den  Nöten  und 
Plagen  des  irdischen  Daseins. 

Dadurch  nun,  dafs  der  Mimus  sich  allerzeiten  und  allerorten  im 
gründe  gleich  geblieben  ist,  mag  er  auch  Namen  und  Form  gewechselt 
haben,  dadurch  wird  es  möglich,  die  zerstreuten  Nachrichten  aus  weit 
getrennten  Jahrhunderten  in  Zusammenhang  zu  bringen,  sie  wieder  auf- 
zureihen als  Glieder  einer  langen  Kette  und  den  Faden  der  Entwickelung 
vom  grauen  Altertume  bis  auf  die  Gegenwart  zu  verfolgen. 

In  den  niedrigsten  Schichten  des  Volkes  ward  der  Mimus  geboren; 
aus  den  mimischen  Tänzen  der  Fruchtbarkeitsdämonen  ging  die  drama- 
tische Volkspoesie  der  Griechen  hervor.  Vom  Lande,  seiner  Heimat,  drang 
der  Mimus  in  die  Städte;  je  mehr  die  Massen  an  Macht  und  Bedeutung 
gewinnen,  desto  mehr  tritt  er  in  den  Vordergrund,  steigt  aus  der  Tiefe 
des  Volkes  empor  in  die  Begionen,  da  bisher  die  idealistische  Poesie  allein 
geherrscht,  drängt  diese  Schritt  für  Schritt  bis  zum  endlichen  Siege  zu- 
rück und  übersteht  alle  Wandlungen  der  Zeiten. 


'i 


Nene  Philologische  Bandschan  Nr.  21.  485 

Im  5.  Jabrh.  y.  Chr.  taucht  der  Mimns  auf,  als  Sophron  ihn  in  die 
Literatur  einführte;  in  seiner  volksmäfsigen  Form  mufs  er  viel  Slter  sein. 
In  althellenischer  Zeit  erscheint  der  Mimus  in  zwei  Formen,  als  Mimo- 
logie  oder  Prosamimus,  und  als  Mimodie  oder  gesungener,  lyrischer  Mimus, 
mit  Unterarten,  als  da  sind  Magodie  und  Simodie,  Hilarodie  und  Lysiodie, 
und  Mittelformen,  wie  Ginädologie  und  lonicologie,  die  halb  gesprochen 
und  halb  gesungen  wurden.  Aus  der  Verschmelzung  der  beiden  Gattungen 
des  mimischen  Pägnions  entstand  im  alexandrinischen  Zeitalter  die  mimische 
Hypothese,  das  mimische  Theaterstflck.  Sie  verbreitet  sich  über  den 
griechischen  Orient,  verdrängt  die  Menanderkomödie  von  der  Bfihne  und 
gelangt  mit  der  Ausbreitung  der  römischen  Herrschaft  im  Osten  in  die 
Hauptstadt  des  Bömerreiches.  Dort  sind  Laberius  und  Publilius  Syrus 
die  Klassiker  des  lateinischen  Mimus,  Philistion  der  des  griechischen. 
Im  Westen  wie  im  Osten  behauptete  der  Mimus  das  Feld,  trotzte  dem 
feindlichen  Angriff  des  Christentums  und  der  Dialektik  seiner  Kirchen- 
väter. Mit  dem  Untergange  des  weströmischen  Beiches  sanken  auch  die 
Theater  daselbst  in  Schutt  und  Staub  und  die  mimischen  Schauspiele  fanden 
ihr  Ende;  nicht  aber  der  Mimus  selbst.  „Die  Mimen  besannen  sich  auf 
ihren  alten  Ursprung.  Sie  waren  ja  von  vornherein  nur  d'avfxatortowi 
und  yehmoTtoLoi  gewesen.  Da  wurden  sie  dann  wieder,  was  sie  waren, 
Jongleure  und  Spafsmacher  und  übten  nebenbei  die  uralte  mimische 
Kunst ...  So  retteten  sie  den  Mimus  durch  das  barbarische  Mittelalter 
in  die  neue  Zeit,  wo  sie  aus  Jongleuren  wieder  Mimen  wurden. ^^  Im 
griechischen  Osten  dagegen  blieb  die  alte  mimische  Kunst  in  Blüte;  auf 
der  Bühne  der  Byzantiner  herrschte  der  Mimus  unumschränkt  weiter,  bis 
auch  hier  die  fremden  Eroberer  eine  Wandlung  schufen.  Freilich  dem 
Mimus  bereiteten  sie  kein  Ende;  der  lebte  nach  wie  vor,  nur  lernte  er 
türkisch  sprechen  und  aus  dem  ixiixoq  yeXoiwv  wurde  der  Karagöz,  wie 
bis  auf  den  heutigen  Tag  die  Hauptfigur  des  türkischen  Puppenspiels 
heifst.  Denn  nicht  nur  auf  der  grofsen  Bühne  hatte  der  Mimus  die 
Byzantiner  ergötzt,  sondern  auch  auf  dem  Puppentheater  und  der  türkische 
Hajaldschy  konnte  daran  direkt  anknüpfen. 

Wie  Karagöz  das  türkische  Ebenbild  des  byzantinischen  Mimus  ist, 
so  Pulcinella  das  italienische.  Einst  war  der  althellenische  phlyakische 
Mimus  von  Hellas  nach  Italien  gegangen  und  zur  Atellane  geworden. 
Jahrhunderte  später  hatte  die  alexandrinische  mimische  Hypothese  ihren 
Einzug  in  Bom  gehalten.   Nun  wanderte  nach  der  Eroberung  von  Byzanz 


486  Nene  Philologische  Bnndschan  Nr.  21. 

der  Mimus  zum  dritten  Male  Dach  Italien  und  wurde  nach  Aufnahme  der 
durchs  Mittelalter  erhaltenen  Beste  des  alten  lateinischen  Mimus  zur 
Gommedia  dell'  arte;  Venedig  wurde  der  Ausgangspunkt  der  Verbreitung 
durch  die  ganze  Halbinsel. 

„Der  Mimus  ist  der  Urquell  des  mittelalterlichen  europäischen  Dra- 
mas wie  des  gesamten  orientalischen  Schauspiels  geworden.  Aus  dem 
Mimus  heraus  hat  sich  selbst  das  indische  Mysterium  entwickelt,  wie  er 
auch  noch  im  mittelalterlichen  europäischen  Mysterium  nachwirkt."  Die 
Benaissance  brachte  die  Wiedergeburt  von  Tragödie  und  Komödie,  das 
klassische  Drama  verdrängte  den  Mimus  wieder  von  der  Bühne,  „aber  in 
Shakespeare  vereinigen  sich  beide  Ströme  der  Überlieferung,  der  klassizistische 
wie  der  volksmäfsige,  biologisch-humoristische.  So  ward  das  grofse,  sogen, 
romantische  Drama  geboren.  In  ihm  ist  der  Einflufs  des  Mimus  über- 
wiegend. Auch  das  indische  Drama  ist  ja  nicht  klassisch,  sondern  roman- 
tisch und  in  seinen  Anfängen  eine  Metamorphose  des  Mimus." 

„  Es  gibt  keine  dramatische  Poesie  in  der  Welt  aufserhalb  des  helle- 
nischen Einflusses.  Es  gibt  also  keine  verschiedenen  Schöpfungszentren 
in  der  dramatischen  Poesie,  es  gibt  nur  ein  einziges  und  das  liegt  in 
Hellas."  Zu  dieser  Erkenntnis  fuhrt  uns  das  Studium  der  Entwickelungs- 
geschichte  des  Mimus. 

Mit  dieser  Skizze  ist  der  Inhalt  des  Werkes  nur  zum  kleinen  Teil 
angedeutet,  aber  wir  müssen  abbrechen,  um  den  zugemessenen  Baum 
nicht  zu  überschreiten,  so  sehr  auch  manche  Abschnitte,  wie  z.  B.  der 
über  die  mimische  Theorie  des  Aristoteles  und  der  Feripatetiker,  zu  näherem 
Eingehen  verlocken.  Einer  Empfehlung  bedarf  das  Werk  nicht;  es  spricht 
für  sich  selbst.  Möge  der  zweite  Teil  nicht  allzulange  auf  sich  warten 
lassen  ^. 

Br.  W- 


1)  Ein  Versehen  findet  sich  S.  50:  ,,Donat  meint,  der  Mimus  heüÜst  bei  den  La- 
teinern Planipedia  wegen  der  Plattheit  seines  Sujets  und  der  Qemeinheit  seiner  Dar- 
steller; er  gefalle  allein  Wüstlingen  und  Verbrechern."  Der  erste  Teil  dieser  Be- 
merkungen bezieht  sich  auf  die  Einleitung  zmn  Terenzkouunentare  des  Aelius  Dona- 
tus,  der  zweite  auf  den  Vergilkommentar  des  jüngeren  Tiberius  Claudius  Donatus. 
Der  letztere  ist  demnach  auch  S.  69  gemeint,  während  es  sich  S.  763  wieder  um 
Aelius  D.  handelt. 


i 


Nene  Philologiftche  Rnndschan  Nr.  21.  487 


255)    A.   Spengel,    Zur   Oeschichte    des    Kaiflers    Tiberiiu 

(aus  den  Sitzungsberichten  der  Egl.  Bayer.  Akad.  der  Wissensch., 
1903,  Heft  I).  München,  Verlag  der  Akademie  (G.  Franz) 
1903.     63  S.  8. 

Spengel  ist  der  Meinung,  dafs  die  alten  Historiker,  vor  allen  aber 
Tacitus,  von  Tiberius  ein  Zerrbild  fiberliefert,  dafs  die  Geschichtschreibung 
überhaupt,  voo  einzelnen  Werken  abgesehen,  an  der  Ehre  des  „  von  Natur 
edelmütigen  und  gutherzigen'*  (!)  Kaisers  einen  Justizmord  begangen  habe; 
doch  beabsichtigt  er  keine  Apologie  des  verleumdeten  Herrschers,  sondern 
will  nur  einzelne  Ereignisse  aus  seiner  Begierungszeit  nach  ihrem  ge- 
schichtlichen Wert  untersuchen  und  soviel  als  möglich  feststellen.  Er 
behandelt  das  Thema  gewissermafsen  ab  integro,  auf  Grund  unmittelbarer 
selbständiger  Quellenlektüre,  um  sich  nicht  durch  Rücksichtnahme  auf  die 
überreiche  neuere  Literatur  in  seinem  Urteil  beirren  oder  hemmen  zu 
lassen.  Deshalb  wäre  es  unangebracht,  den  Verf.  überall  daran  zu  er- 
innern, wo  bereits  Männer,  wie  Sievers,  Merivale,  Stahr  und  andere  ähn- 
liche Ansichten  ausgesprochen  und  begründet  haben.  Kurz  nach  Sievers' 
Arbeiten  erschien  (1855)  die  Abhandlung  von  Leonhard  Spengel  (Über 
das  erste  Buch  der  Annalen  des  Tacitus),  mit  dem  der  Sohn,  wie  er  nach- 
träglich feststellen  konnte,  in  der  Auffassung  der  Feldzüge  des  Germanikus 
mehrfach  zusammengetroffen  ist. 

Die  von  Sp.  erörterten  Episoden,  recht  eigentlich  „dunkle''  Funkte 
in  der  römischen  Eaisergeschichte,  sind  folgende:  Die  Ermordung  des 
Agrippa  Fostumus;  Germanikus,  und  zwar:  der  Aufstand  der  Legionen 
am  Bhein,  Germ,  im  Orient  und  sein  Tod;  die  Verschwörung  des  Seianus; 
der  Tod  des  jüngeren  Drusus. 

Zu  welchen  Resultaten  nun  gelangt  der  Verf.?  —  Agrippa  Fostumus 
ist  weder  auf  Befehl  noch  mit  Wissen  des  Tiberius  ermordet  (oder  hin- 
gerichtet) worden.  Die  Tat  kann  von  Augustus  oder  von  Livia  aus- 
gegangen sein,  möglich  auch,  dafs  Sallastius  auf  eigene  Faust  gehandelt 
hat.  Für  die  Unschuld  des  Tiberius  zeuge  u.  a.  dessen  Antwort  auf  die 
Meldung  des  Centurionen  von  der  vollzogenen  Hinrichtung.  „Spricht  so 
(neque  imperasse  sese  sqq.)  einer,  der  sich  schuldig  weifs?'^  meint  Sp., 
als  ob  er  nie  davon  gelesen,  dafs  die  Verleugnung  solcher  Mordgehilfen 
seitens  ihrer  Auftraggeber  oder  Anstifter  geschichtliche  Kegel  ist. 

Der  Aufstand  der  germanischen  Legionen  war  nicht  gegen  Tiberius 
gerichtet;  nicht  einen  anderen  Kaiser,  sondern  einen  neuen  Feldherrn 


488  Nene  Philologische  Bondsohaa  Nr.  21. 

(Vell.  II  125)  und  bessere  BehaDdlung  verlangten  die  Soldaten.  Es  sei 
ein  grobes  Mifsverständnis  der  alten  Geschichtscbreiber,  dars  sie  annehmen, 
Tiberius  habe  den  Oermanikus  als  Nebenbuhler  gefurchtet.  —  Betreffs 
dieses  Punktes  möchte  ich  doch  Sp.  auf  die  feine  Auseinandersetzung 
Bankes  (Weltgesch.  III  47  f.)  verweisen,  der  darüber  anders  denkt. 

Die  Berichte  des  Tacitus  über  die  Feldzüge  des  Oermanikus  leiden  an 
innerer  ünwahrscheinlichkeit.  „Einzelne  Episoden  tragen  den  Stempel 
der  Erfindung  an  sich."  Das  geht  auf  die  bekannten  dramatischen  Schil- 
derungen, durch  welche  die  Kriegsberichte  aus  dem  „wilden  Westen"  für 
den  römischen  Leser  oder  Hörer  ihren  besonderen  Beiz  erhielten  und  an 
denen  allerdings  des  Autors  ausmalende  und  kombinierende  Phantasie 
nicht  geringeren  Anteil  hat  als  die  Übungen  der  Bhetorenschule  und  Be- 
miniszenzen  aus  der  Dichterlektüre.  An  der  Szene  „Armin  und  Flavus" 
haben  schon  viele  Anstofs  genommen  und  sie  durch  die  scharfe  Magister- 
brille auf  ihre  äufsere  Möglichkeit  oder  Wahrscheinlichkeit  hin  geprüft. 
Sp.  entrüstet  sich  gar  moralisch  gegen  die  „ungereimte  Deklamation". 
„Wir  Deutschen  müssen  uns  dagegen  verwahren,  dafs  Arminius  vor  dem 
heiligen  Kampfe  für  das  Vaterland  solches  Possenspiel  getrieben  habe."  — 
Eine  sonderbare  Anschauung!  —  Über  die  gröfsere  oder  geringere  Glaub- 
würdigkeit anderer  Schilderungen:  der  nächtlichen  Durchwanderung  des 
Lagers  (Ann.  II  13),  des  Traumgesichts  des  Oermanikus  (II  14)  u.  a.  m. 
lohnt  sich  nicht  zu  streiten.  Auch  an  dem  Augurium  der  acht  Adler  ^) 
glaubt  der  Verf.  seinen  Witz  üben  zu  sollen.  Dafs  diese  ungeselligen  Baub- 
vögel  —  vielleicht  waren  es  nur  Baben  —  hier  gegen  alle  Begeln  der 
Naturgeschichte  sich  in  acht  Exemplaren  zusammengefunden  haben  sollen, 
ist  allerdings  stark;  Hist.  I  62  läfst  Tacitus,  damals  in  seinen  Behaup- 
tungen noch  vorsichtiger,  in  der  Tat  nur  einen  Adler  erscheinen,  der 
„velut  dux  viae"  dem  Heere  vorausfliegt.  —  Aber  seine  Berichte  über 
die  Bömerkriege  im  fernen  Germanien  sind  nun  einmal  besonders  reich 


1)  Spengel  spricht  irrtümlich  wiederholt  von  zwölf  Adlern  und  yon  zwölf  Legionen 
Warum  ihn  wohl  nicht  einer  der  „Akademischen"  Hörer  des  Vortrages  wenigstens 
nachträglich  anf  diesen  kleinen  Lapsus  aufmerksam  gemacht  und  so  dessen  Festlegung 
durch  den  Druck  verhindert  hat?  —  Dafs  übrigens  hier  von  einem  augurium,  nicht 
einem  prodigium  die  Bede  ist,  hätte  der  Redner  doch  auch  beachten  sollen.  Von 
seiner  Interpretationskunst  ein  Beispiel:  Ann.  U  8  erratnmque  in  eo  quod  non  snb- 
vexit  ...  „Es  war  ein  Fehler,  dafs  er  (nur  bis  zur  Mündung  der  Ems  und)  nicht 
weiter  auf  dem  Meere  nach  Osten  fuhr,  da  die  Soldaten  nach  den  östlichen 
Ländern  ziehen  sollten.''     Was  nicht  alles  in  dem  Worte  subrezit  stecken  solll 


'li 


Nene  Philologische  Rnndschan  Nr.  21.  489 


an  solchen  „nnglanblichen'*  Begebenheiten.  Dafs  Sp.  sich  nicht  an  den 
„Klippen*^  gestofsen  hat,  die  Tacitus  (Ann.  U  24)  an  der  Ghaukenküste 
aufragen  iSXst,  nimmt  mich  wunder.  Und  ist  nicht  auch  der  Eap.  18 
erwähnte  Zug,  dafs  die  Germanen,  ihres  Erfolges  sicher,  Ketten  ffir  die 
zu  fesselnden  Gefangenen  mitgebracht  hätten,  ein  oft  wiederkehrendes 
historisch-rhetorisches  Motiv?  Nach  dieser  Bichtung  hin  liefse  sich  das 
Sundenregister  noch  erheblich  verlängern,  —  wenn  wir  uns  auf  den 
höchst  einseitigen  Standpunkt  Spengels  stellen  wollten. 

An  eine  Vergiftung  des  Germanikus,  durch  wen  auch  immer, 
glaubt  der  Verf.  nicht  und  bringt  für  seine  Ansicht  einige  annehmbare 
Grunde  vor;  töricht  aber  ist  die  Behauptung  (S.  44):  „Tacitus  unter- 
schlägt zwei  der  wichtigsten  Momente,  erstens,  dafs  die  Krankheit  eine 
langwierige  war,  was  den  Gedanken  an  einen  Giftmord  ohnehin  nicht 
leicht  aufkommen  läfst  (als  ob  es  keine  langsam  wirkenden  Gifte  gäbe!), 
zweitens,  dafs  die  Krankheitserscheinungen  (nach  Plin.  11,  187)  andere 
waren.''  Sogar  das  sei  „unmöglich,  dafs  sich  Germanikus  selbst  für  ver- 
giftet hielt".  Seine  Reden  (Ann.  11  71  f.)  seien  im  Widerspruch  mit 
den  Tatsachen  erfunden.  Aber,  wie  Sp.  selbst  (S.  55)  bemerkt,  „die 
Zeit  krankte  an  Vergiftungswahn";  warum  soU  denn  gerade  Tacitus  „die 
Gelegenheit  zum  Tadel  oder  Verdächtigen  an  den  Haaren  herbeigezogen 
haben?" 

Eine  „Verschwörung"  des  Sejanus  hat  es  nach  Sp.,  trotz  Jo- 
sephus,  Jüd.  Alt.  18,  181  und  Suet.  Tib.  65,  überhaupt  nicht  gegeben. 
Denn  der  ausführliche  Bericht  des  Dio  (58,  10)  enthalte  kein  Wort  von 
einer  Verschwörung;  auch  Juvenal  Sat.  10,  56  spreche  nur  davon,  dafs 
Sejan  in  Ungnade  gefallen  sei.  Entscheidend  aber  seien  die  bei  Sueton 
(Tib.  66)  aus  der  Selbstbiographie  des  Tiberius  angeführten  Worte:  Seia- 
num  se  punisse,  quod  comperisset  furere  ad  versus  liberos  Germanici  filii 
sui;  also  keine  Verschwörung  gegen  ihn,  den  Kaiser  selbst!  Auch  das 
aufopfernde  Verhalten  Sejans,  als  er  in  der  Grotte  bei  Neapel  den  Kaiser 
mit  seinem  Leibe  gegen  herabstürzende  Steine  schützte,  beweist,  dafs  er 
„kein  Verräter  war".  Gefehlt  habe  er  aus  Eitelkeit,  dafs  er  z.  B.  dul- 
dete, dafs  ihm  allenthalben  Standbilder  errichtet  und  trotz  dem  kaiser- 
lichen Verbot  vor  diesen  Opfer  dargebracht  wurden;  er  liefs  sein  Brust- 
bild an  den  Legionsadlern  anbringen,  „jedenfalls  ohne  Wissen  und  Willen 
des  Kaisers".  Freilich  „Sejanus  hatte  nur  insofern  Einflufs,  als  ein  grofser 
Teil    der  Senatoren    und  Beamten    ihn   bei   wichtigen   Dingen   um  Bat 


490  Neue  Philologisobe  Rondschaa  Nr.  21. 

fragte,  bei  der  Abstimmung  sich  nach  seinen  Wünschen  richtete  und  bei 
gerichtlichen  Verhandlungen  verurteilte  und  freisprach,  wie  er 
es  wollte ^^  und  doch  „darf  man  sich  die  Macht  des  Sejanus  nicht 
übertrieben  vorstellen''  (S.  52);  denn  „es  fehlte  auch  nicht  an  Geg- 
nern. ...  Als  Kaiser  hätten  ihn  die  altadeligen  Familien  nie  geduldet: 
sie  hätten  sich  wie  ein  Manu  (wirklich?)  erhoben  gegen  den  Provinzialen, 
den  Tusker,  dessen  Vater  nur  römischer  Bitter  gewesen  war , .  .'*, 

Die  angeführten  Sätze  ans  Spengels  widerspruchsvoller  Argumeutierung 
werden  wohl  hinreichen,  um  deren  Beweiskraft  ermessen  zu  können.  — 
Dafs  desTiberius  Sohn  Drusus  nicht  vergiftet  worden,  weder  von  dem  eigenen 
Vater  noch  von  seiner  Frau  Livilla  (wie  sie  bei  Sueton  und  Dio  heifst; 
Tacitus  nennt  sie,  was  Sp.  übersieht,  überall  Livia),  darin  können  wir 
dem  Verf.  gern  beistimmen.  —  Auch  mit  der  Schlufsbetrachtung  über 
die  Lektüre  des  Tacitus  in  der  Schule  werden  die  meisten  ein- 
verstanden sein,  dafs  nämlich  an  solchen  Stellen,  wo  ein  nachdenkender 
Primaner  in  die  Lage  kommen  kann,  an  dem  Autor  oder  aber  an  seinem 
Interpreten  irre  zu  werden,  volle  Offenheit  geboten  ist ;  amicus  Tacitus  — 
magis  amica  veritas!  Nur  weiche  ich  in  der  Auffassung  einer  derjenigen 
Stellen,  an  denen  Sp.  abfällige  Kritik  geübt  wissen  will,  völlig  von  ihm 
ab.  Ann.  I  75  berichtet  Tacitus  von  des  Tiberius  Teilnahme  an  Gerichts- 
verhandlungen und  bezeichnet  als  unmittelbare  Wirkung  der  kaiserlichen 
Assistenz:  multaque  eo  coram  ad  versus  ambitum  et  potentium  preces 
constituta,  fährt  aber  fort:  sed  dum  veritati  consulitur,  libertas  corrum- 
pebatur  (man  beachte  das  Tempus!).  Diese  Bemerkung  hat  dem  Autor 
viel  Tadel  eingetragen,  und  doch  ist  sie  vollkommen  berechtigt.  Die  Ein- 
mischung des  absoluten  Monarchen  in  Sachen  der  Themis  kann  mitunter 
—  berühmte  Beispiele  zeigen's  —  dem  common  sense  und  der  „  Billig- 
keit'^ (das  bedeutet  hier  veritas;  vgl.  Ann.  III  16,  14)  Geltung  ver- 
schaffen, wenn  ihr  von  juristischen  Scholastikern  Gewalt  angetan  wird; 
auf  die  Dauer  aber  hiefse  es  den  Teufel  durch  Beelzebub  austreiben; 
denn  durch  stetige  Bücksichtnahme  auf  den  Willen  des  Machthabers,  selbst 
des  intelligentesten  und  besten,  mufs  die  Selbständigkeit  und  das  Ansehen 
der  Justiz  unfehlbar  in  die  Brüche  gehen.  In  der  Begel  also,  mehr 
hat  auch  Tacitus  nicht  sagen  wollen,  kann  das  willkürliche  Eingreifen 
des  Despotismus  in  das  Gerichtsverfahren  für  das  Gemeinwohl  nicht  von 
Segen  sein. 

Frankfurt  a.  M.  —  Homburg  v.  d.  H.  Eduard  Wolff. 


Nene  Philologische  Bnndwhaa  Nr.  21.  491 

256)  Alf  Torp,    EtroBkisohe   Beiträge.     Erstes  Heft.    Leipzig, 
Joh.  Ambr.  Barth,  1902.    VIII  u.  110  S.  8.  Ji  6.-. 

Zweites  Heft,  daselbst  1903.    VIII  u.  144  S.  8.  Ji  7.60. 

Nach  der  Begründung  der  wissenschaftlichen  Etruskologie  dnrch 
Deecke  im  Jahre  1875  wnrde,  mit  Aasnahme  einiger  italienischen  Ge- 
lehrten, bei  den  Forschern  als  einzig  richtige  Methode  die  „kombinierende*^ 
betrachtet,  die  ohne  vorgefafste  Meinungen  über  die  Verwandtschaft  des 
Etruskischen  dieses  lediglich  aus  sich  selbst  zu  deuten  suchte.  Als  dann 
1882  auch  Deecke  das  Etruskische  für  eine  italische  Sprache  erklärte, 
hielten  Pauli  und  seine  Anhänger,  zu  denen  auch  Bef.  sich  rechnet,  un- 
unentwegt an  dem  früheren  Verfahren  fest,  mufsten  sich  aber  gestehen,  dafs 
nach  der  sicheren  Deutung  einer  Reihe  von  einzelnen  Wörtern  und  Formeln 
das  Verständnis  der  gröfseren  zusammenhängenden  Texte,  besonders  auch 
der  Agramer  Mumienbioden,  von  dem  Auffinden  einer  gröfseren  Bilinguis 
abhänge.  Das  Warten  auf  eine  solche  wirkte  leider  hemmend  auf  die 
Fortführung  der  Einzeluntersuchungen,  und  Pauli  widmete  bis  zu  seinem 
1901  erfolgten  Tode  seine  ganze  Arbeitskraft  dem  grofsen  etruskischen 
Inschriftenwerk,  das  er  zur  Hälfte  vollendete,  während  auf  der  anderen 
Seite  Deecke,  Bugge  und  Lattes  durch  Vergleich  des  Etruskischen  mit  den 
italischen  Sprachen,  Bugge  weiterhin  auch  durch  Heranziehung  des  Ar- 
menischen, Zeit  und  Mühe  verschwendeten. 

Es  ist  dankbar  anzuerkennen,  dafs  der  Verf.  der  zur  Besprechung 
vorliegenden  Hefte  durch  seine  Arbeit  der  rationellen  etruskischen  Formen- 
und  Wortdeutung  neue  Anregung  gegeben  hat.  Er  verfahrt  dabei  überall 
streng  „kombinierend 'S  ohne  sich  durch  gelegentlicli  auftretende  schein- 
bare Beziehungen  zu  anderen  Sprachen  beirren  zu  lassen.  Das  erste  Heft 
behandelt  vorwiegend  Fragen  der  etruskischen  Flexion,  doch  kommen 
naturgemäfs  diese  Untersuchungen  zugleich  auch  der  Wortdeutung  zu  gute. 

In  dem  Abschnitt  über  die  Verbalflexion  wird  mit  Abweisung  von 
Paulis  Lokativtheorie  das  turu  in  der  Form  turuce  (=  dedit)  als  Partizip 
gefafst.  Die  häufige  Form  ma  wird  als  „est"  gedeutet.  Die  Grundform 
müfste  ama  lauten,  dazu  amce  „erat"  als  Präteritum.  In  der  Formel 
ipa  ama  ist  ipa  Kelativpronomen.  Andere  Präsensformen  auf  a  sieht  der 
Verf.  in  sta  (weihen),  far^ana  (tragen,  darbringen),  escuna  und  d^apna 
(gewähren),  itrtUa  und  sacnisa  (weihen),  acnanasa  (hinterlassen).  — 
Neben  den  Präteritis  auf  ce  gibt  es  auch  solche  auf  e:  ame,  iure,  leine, 
line  (exstruxit),   alice,    cexase,  fardnaxe  (dedit),  ^i/w^e.  —  Imperative, 


492  Neue  Philologische  Kundschan  Nr.  21. 

findet  Torp  in  den  Formen  aSd-,  ra&,  harc,  trin.  —  mexlum  soll  „Volk" 
ipur  „Land"  bedeuten,  lupu  nicht  „starb",  sondern  „ging  hinweg".  — 
Neben  der  richtigen  Übersetzung  von  avüs  „annoruna"  (S.  96),  sollte  die 
falsche  Auffassung  dieser  Form  als  eines  temporalen  Qenitivs  (S.  54.  55.  86) 
vermieden  sein.  —  Für  die  Zahlwörter  sucht  der  Verf.  die  Folge  d^,  zdl, 
d,  sa,  max,  hud-  (=  1 — 6)  zu  erweisen.  Aus  dem  Abschnitt  fiber  die 
Nominalflexion  sei  auf  die  vermeintlichen  Pluralformen  auf  r  {d^ansur, 
caper,  cepa/r)  hingewiesen;  der  Nom.  pl.  auf  tra  ist  höchst  zweifelhaft. 

Im  zweiten  Hefte  unternimmt  Torp  das  Wagnis,  zusammenhängende 
Stellen  aus  den  grofsen  Inschriften  zu  deuten,  und  zwar  aus  dem  Agramer 
Text  und  dem  Cippus  Perusinus,  während  er  im  Anhang  noch  die  Inschrift 
vom  Monte  Pitti  und  die  Schaleninschrift  von  Narce  behandelt.  Für  die 
Agramer  Inschrift  gewinnt  er  als  Anhaltspunkte  drei  Wörter,  deren  Be- 
deutung er  zu  sichern  sucht:  vinum  (=Wein),  vacl  (=  Spruch)  und  die 
Verbalform  nun&end^  (=  sagen).  In  dem  ganzen  Text  sieht  er  Opfer- 
vorschriften. Die  Aufschrift  des  Cippus  Perusinus  scheint  ihm,  was  auch 
sonst  schon  angenommen  wurde,  eine  Vertragsurkunde  zwischen  den  Fa- 
milien Velthina  und  Afuna  zu  sein.  Die  Deutung  des  im  Anfang  stehen- 
den estta  als  eines  Qenitivs  zu  es  =  ego  ist  sprachlich  und  sachlich  nicht 
haltbar. 

Dafs  wir  uns  bei  solchen  Versuchen,  wie  das  zweite  Heft  sie  bietet, 
auf  sehr  schwankendem  Boden  befinden,  hat  der  Verf.  selbst  genügend 
betont.  So  läfst  sich  denn  der  Gesamteindruck  dahin  zusammenfassen, 
dafs  einzelnes  anspricht,  das  meiste  aber  durchaus  zweifelhaft  bleibt.  Auch 
die  vom  Verf.  als  Ergebnisse  gebotenen  Übersetzungen  einzelner  Stellen 
sind  wenig  vertrauenerweckend.  So  sollen  vier  Zeilen  des  Agramer  Textes 
bedeuten  (S.  83):  „Stelle  die  Opfergabe  wie  das  matam  (?),  wenn  der 
verordnete  (?)  c^en  cnticn&  das  di-nund^en  gemurmelt  hat  (?):  ,gut, 
heilig  ist  die  Opfergabe,  die  Opfergabe  und  (?)  das  hand^,  die  Opfergabe, 
cetucn,  die  Opfergabe  ad^mitn,''' —  Aus  der  Cippus -Inschrift  (S.  103): 
„(von  den)  nap ?  {masu  srancd?)  am  Orte  der  Behälter  der  Ver- 
storbenen besitzt  Velthina,  freundlich,  bei  der  Halbierung  (?  d.i.  „indem 

eine  freundschaftliche  Halbierung  stattgefunden  hat"?)  die  sechs ? 

nop".  —  Sollten  sich  wirklich  die  Etrusker  so  absonderlich  ausgedrückt 
haben? 

Wenn  aber  somit  auch  die  Ergebnisse  dieses  zweiten  Heftes  durchaus 
unsicher  sind  und  auch  von  dem  im  ersten  Teile  Gebotenen  vieles  zweifei- 


"S 


Neue  Philologische  Btmdschati  Nr.  21.  493 

haft  bleibt,  so  ist  es  doch  dem  Verf.  als  Verdienst  anzurecbnen,  daTs  er 
der  methodischen  Etroskologie  durch  seine  scharfsinnigen,  klaren  und 
sachlichen  Untersuchungen  einen  neuen  Anstofs  gegeben  hat.  Freilich  ist 
zugleich  auch  diese  Arbeit,  entgegen  der  Ansicht  des  Verf.,  ein  neuer 
Beweis  dafür,  dafs  wir  zu  sicheren  Ergebnissen  in  der  Deutung  des 
Etruskischen  ohne  eine  ausreichende  Bilinguis  schwerlich  gelangen  werden. 
Hannover.  B.  Sohaefer. 

257)  H.  y.  Hilprechty  Die  Aui%:rabiingen  im  B61- Tempel 
zu  Nippnr.  Leipzig,  J.  C.  Hinrichs,  1903.  76  S.  8.  56  Ab- 
bildungen und  eine  Karte.  Jk  2.  —  ;  kart.  Ji  2  50. 

Der  Verf.  berichtet  in  diesem  Vortrage  über  die  von  der  Universität 
von  Pennsylvanien  veranstalteten  Ausgrabungen  in  den  sfidöstlich  von  Ba- 
bylon gelegenen  grofsartigen  Buinen  von  Nippur.  Nach  einer  talmudischen 
Tradition  lag  dort  das  biblische  Chaina  im  Lande  Sinear,  eine  der  Hauptstädte 
im  Beiche  Nimrods.  Hilprechts  Ausgrabungen  haben  bewiesen,  dafs  wir 
es  mit  einer  sehr  alten  Siedelung  zu  tun  haben,  deren  Bifite  noch  erheb- 
lich fiber  das  Alter  Babels  hinausgeht;  auf  den  alten  Siedelungen  ent- 
standen später  neue,  und  Hilprecht  unterscheidet  nach  den  Funden  die 
älteste,  prähistorisch-sumerische  Periode  von  unbekannten  An^gen  bis 
etwa  4000  v.  Chr.,  die  semitisch -babylonische  Periode  von  etwa  4000 
bis  300  V.  Chr.  und  die  nach  babylonische,  die  griechische,  arsazidische, 
sassanidische  und  arabische  bis  etwa  1000  n.  Chr.;  seitdem  ist  der  Platz 
unbesiedelt.  Die  älteren  Bauperioden  mit  ihrer  Schuttschicht  bildeten, 
ähnlich  wie  in  Troja,  Susa,  Born,  den  Baugrund  für  die  nächstfolgende. 
Aufser  den  Bauwerken,  dem  Bel-Tempel  mit  dem  gewaltigen  Etagenturm, 
ist  für  die  Forschung  von  aufserordentlicher  Bedeutung  die  gewaltige 
Masse  von  Steintafeln  mit  Keilinschrift;  23000  Täfelchen  aus  der  Zeit 
vor  Hammurabi  &nden  sich  wohlgeborgen  in  den  Kellern  des  Tempels, 
aufserdem  28000  geschäftliche  Urkunden  aus  dem  2.  und  1.  Jahrtausend 
und  2000  Keilschrifttafeln  aus  dem  5.  und  4.  Jahrtausend.  Ich  kann 
hier  nicht  auf  Einzelheiten  eingehen,  empfehle  aber  den  Vortrag  aufs 
wärmste,  da  es  auch  Pflicht  der  klassischen  Philologen  ist,  sich  mit  den 
hervorragenden  Ergebnissen  der  Assyriologie  bekannt  zu  machen. 

Oldesloe.  R.  HaaBon. 


494  Nene  Philolo^sche  Bnndschaii  Nr.  21. 

258)  Hennann  Ounkel,  Israel  und  Babylonien.  Der  Einflurs 
Babyloniens  auf  die  israelitische  Religion.  Göttingen,  Vanden- 
hoeck  and  Ruprecht,  1903.    48  S.  8.  Jf  1.20. 

Eine  sehr  fesselnde  Schrift  über  die  Babel-Bibel-Frage.  Der  Verf. 
sucht  die  Sensation  zu  erklären,  die  durch  die  bekannten  Vorträge  hervor- 
gerufen worden  ist,  da  doch  in  denselben  für  die,  welche  den  Fortschritten 
der  Wissenschaft  einigermafsen  gefolgt  sind,  kaum  etwas  Neues  geboten 
wird.  Die  Qrofsmacht  der  Presse  und  alle,  die  aus  ihr  ihre  geistige  Nah- 
rung entnehmen,  haben  von  der  im  Stillen  gewaltig  aufsteigenden  Assyrio- 
logie  eben  kaum  eine  Ahnung  gehabt;  auch  in  der  evangelischen  Kirche 
herrschte  „eine  bejammernswerte  Entfremdung  von  der  evangelischen 
Wissenschaft  ^\  Daneben  hat  aber,  wie  der  Ver&sser  noch  hätte  betonen 
können,  das  Schlagwort  „Babel  und  BibeP^  viel  gewirkt,  auf  geschickte 
Schlagwörter  reagiert  ja  das  grofse  Publikum  am  meisten.  —  Weiterhin 
behandelt  der  Verf.  den  Einflufs  Babyloniens  auf  die  Kultur  Israels  im 
allgemeinen  und  auf  die  Religion  insbesondere.  Er  stimmt  Delitzsch 
durchaus  bei  in  allem,  was  durch  die  Entzifferung  der  Keilschriften,  „eine 
der  glänzendsten  Taten  des  menschlichen  Geistes",  an  sicheren  Ergebnissen 
gewonnen  ist,  und  rühmt  es  als  ein  nicht  geringes  Verdienst  von  Delitzsch, 
dafs  er  mutig  genug  gewesen  ist,  das  Resultat  der  wissenschaftlichen 
Forschang  vor  jener  vornehmen  Versammlung  auszusprechen  und  sich  dabei 
zu  der  modernen  Pentateuchkritik  mit  aller  Offenheit  zu  bekennen;  er 
wünscht,  dafs  die  biblischen  Geschichten  von  der  Schöpfung,  von  der 
Sündflut,  von  den  Urvätern  als  „Gedichte"  bezeichnet  werden;  dagegen 
erhebt  er  gegen  manche  Aufstellungen  Delitzschs  Einbruch :  er  weist  ihm 
mehrere  Irrtümer  in  der  Behandlung  alttestamentlicher  Theologie  nach, 
tadelt  nicht  ohne  Grund,  dafs  auch  unsichere  Hypothesen  als  erwiesen 
dargestellt  sind  und  hebt  vor  allem  hervor,  dafs  Delitzsch  die  Fortschritte, 
die  Israel  in  der  Gottesauffassung  gemacht  hat,  wie  sie  sich  schon  in  der 
Umbildung  der  Mythen  von  der  Schöpfung  und  der  Sündflut  zeigen,  nicht 
betont,  sondern  für  die  Babylonier  zn  sehr  Partei  nimmt. 

G.s  Bedauern,  dafs  die  Kirche  die  theologische  Wissenschaft  und  ihre 
gesicherten  Resultate  so  lange  ignoriert  hat,  ist  nur  zu  begründet,  auch 
die  Furcht,  dafs  dadurch  das  Mifstrauen  gegen  die  Kirche  steigt;  Delitzschs 
Verdienst,  ein  dauerndes  Interesse  der  Gebildeten  für  die  gi'ofsartigen  Ent- 
deckungen auf  dem  Gebiete  Babels  geweckt  zu  haben,  erkennt  er  dankbar  an. 

Oldesloe.  R.  Baasen. 


j 


Neae  Philologische  Bnndscban  Nr.  21.  495 

259)  Ludwig  Elinger,  Victor  Duruy:  £igne  de  Louis  XIV. 

Aus  „Histoire  de  France".    Für  den  Schulgebrauch  bearbeitet. 

Mit  einer  Karte,  einer  Skizze  und  einer  genealogischen  Tabelle. 

Gotha,    Friedrich   Andreas   Perthes,    Aktiengesellschaft,   1903. 

Perthes'  Schulausgaben  englischer  und  französischer  Schriftsteller 

Nr.  44.  VIII  u.  150  S.  8.  ^  1.80. 

Der  vorliegende  Band  umfafst  die  Zeit  von  1661—1715  und  soll 
den  ersten  Teil  eines  Auszuges  aus  Duruys  Geschichtswerk  bilden.  Die 
Auswahl  dieses  Werkes  ffir  die  Elassenlektüre  ist  recht  glücklich.  Denn 
nach  jetzt  wohl  ziemlich  allgemeiner  Ansicht  mufs  die  historische  Elassen- 
lektüre vornehmlich  diejenigen  Zeitabschnitte  berücksichtigen,  in  denen 
die  Geschichte  Frankreichs  die  Geschicke  unseres  Vaterlandes  besonders 
stark  beeinflufst  hat.  Welche  Zeit  könnte  da,  neben  der  Zeit  der  Be- 
volution  und  des  ersten  Kaiserreiches,  eher  in  Betracht  gez(^en  werden, 
als  das  Zeitalters  Ludwigs  XIV.?  und  gerade  Duruy  mit  seiner  klaren 
und  dmchsichtigen  Sprache  und  Darstellung  dürfte  sich  in  erster  Linie 
zur  Klassenlektüre  eignen.  Mit  Becht  hat  der  Herausg.  der  äufseren 
Geschichte  einen  viel  breiteren  Baum  überlassen  als  der  inneren,  da  jene 
ja  für  unsere  Schüler  weit  interessanter  und  fafslicher  ist  als  die  oft  recht 
verwickelten  inneren  Einrichtungen  des  damaligen  Frankreichs.  Vielleicht 
hätte  die  Darstellung  der  letzteren  aus  dem  angegebenen  Grunde  noch  mehr 
gekürtzt  werden  können. 

Die  Anmerkungen ,  die  mit  Becht  fast  ausschliefslich  sachliche  Er- 
läuterungen enthalten,  sind  durchweg  kurz  und  bündig  gehalten,  jedoch 
für  ihren  Zweck  völlig  ausreichend.  Einige  Erläuterungen  scheinen  mir 
indessen  überflüssig  zu  sein.  Man  darf  doch  von  einem  Schüler  der  oberen 
Klassen  —  denn  nur  auf  diesen  kann  das  Buch  gelesen  werden  —  voraus- 
setzen, dafs  er  das  Wichtigste  über  Karl  V.  und  Mazarin  kennt.  Auch 
die  Bemerkungen  über  F6n6Ion,  die  ungefähr  dreiviertel  Seite  einnehmen, 
dürften  zu  weitgehend  sein.  Etwas  sonderbar  mutet  die  Bemerkung 
42,13  an  zuToll-Huys:  „Voltaire,  dessen  Siöcle  de  Louis  XIV,  chap.  X, 
die  folgende  Stelle  entnommen  ist,  erklärt  das  Wort  mit  „la  maison  du 
p^ge^^  Es  lag  doch  viel  näher,  hier  einfach  die  hochdeutsche  Form 
„ Zollhaus ^^  für  ToU-Huys  zur  Erklärung  einzusetzen,  wenn  überhaupt 
eine  Erklärung  notwendig  war.  —  Wenig  gefördert  scheint  mir  das  Ver- 
ständnis der  Schüler  durch  die  folgende  Bemerkung  zu  89,  25  zu  sein: 
„la  maison  militaire  bildet  neben  der  maison  civile  die  sogen,  maison  du 


496  Neae  Philologische  Bandschan  Nr.  21. 

roi,  deren  Verhältnisse  im  17.  und  18.  Jahrh.  geregelt  wurden. "^  —  Ab- 
gesehen Yon  diesen  geringfügigen  Ausstellungen  aber  kann  man  sich  im 
ganzen  mit  dem  Kommentar  einverstanden  erklären.  Eine  sehr  vrill- 
kommene  Zugabe  zu  Elingers  Bearbeitung  sind  die  gut  ausgeführte  Karte 
von  Frankreich,  die  Skizze  von  Paris  und  Umgebung,  sowie  die  genea- 
logische Tabelle  der  Nachkommenschaft  Philipps  m.  von  Spanien. 

Somit  kann  man  der  auch  äufserlich  vortrefflich  ausgestatteten  Aus- 
gabe eine  recht  weite  Verbreitung  wünschen. 

Münster  i.  W.  K.  Boltermaiui. 


260)  G.  Stieri  CauserieB  Fran9ai8e8.  3.  Auflage.  Cöthen,  Otto 
Schulze,  1903.  XV  u.  306  S.  8. 
Dem  Urteile  über  dieses  Buch  mufs  notwendig  die  Frage  vorausgehen, 
för  wen  es  bestimmt  ist.  Der  Verf.  nennt  es  ein  Hilfsmittel  för  höhere 
Lehranstalten,  Fortbildungsschulen,  Pensionate  sowie  zum  Selbststudium. 
Die  ersten  mufs  ich  ausschliefsen.  Ich  möchte  wissen,  wo  die  Schule 
die  Zeit  hernehmen  sollte,  um  ein  236  Seiten  langes,  mit  technischen 
und  anderen  Einzelheiten  vollgepfropftes  Buch  zu  bewältigen.  Für  die 
Schule  sind  überflüssig  die  Abhandlungen  über  Photographie  (S.  232—236), 
Wettrennen  (S.  156.  157);  viel  zu  ausführlich  S.  57—66  (was  man  in 
einem  Pariser  Speisehause  alles  ifst),  die  Kosten  einer  französischen  Be- 
stattung (S.  87),  telephonische  Gebräuche  (S.  135),  die  fraozösischen 
Schulen  (S.  160—186)  u.  a.  m.  Anderseits  fehlt  mancherlei  im  Klassen- 
unterricht Unentbehrliches,  z.  B.  die  Einrichtung  des  Klassenzimmers; 
Dorf,  Wald  und  Feld,  wovon  einiges  sich  unter  «Wetter»  und  «Jahres- 
zeiten» findet,  kommen  durchaus  nicht  zu  ihrem  Recht.  Das  ganze  Buch 
ist  zu  sehr  auf  die  Stadt,  auf  Paris,  zugeschnitten,  dessen  Bild  auch  dem 
Kapitel  «Stadt»  zugrunde  gelegt  ist.  Dem  Besucher  der  französischen 
Hauptstadt  kann  das  Werk  sehr  gute  Dienste  leisten,  vor  allem  den 
Studierenden  und  den  Lehrern,  die  sich  in  den  Realien  unterrichten  wollen. 
Mit  anerkennenswerter  Gründlichkeit  hat  der  Verf.  seine  Causeries  auf  den 
neuesten  Standpunkt  gebracht.  In  allen  sozialen  und  kulturellen  Fragen: 
Familie,  Verlobung,  Hochzeit,  Taufe;  Essen;  Besuch;  höhere  Schulen; 
Telephon  usw.  bringt  St.  die  letzte  Mode;  wobei  man  sich  allerdings  des 
Gedankens  nicht  erwehren  kann,  dafs  vieles  davon  bald  nicht  mehr  «dernier 
cri»  sein  wird. 


> 


Neue  Pbilologischa  Bimdschan  Nr.  21.  497 

Die  Darstellung  ist  recht  frisch  und  lebendig;  der  Druck  fibersicht- 
lieh  und  ziemlich  fehlerfrei.  Mir  ist  nur  aufgefallen:  nous  ne  sommes 
pas  de  contrebandiers  (S.  9),  plait  (S.  54),  la  serein  (S.  216),  r^servoire 
(S.  254),  Eaffeetromme  (S.  255).  S.  251  fehlen  die  Vokabeln  tringle 
und  anneau.  Nach  der  den  Satz  beginnenden  adverbialen  Bestimmung 
vermiM  man  häufig  das  Komma. 

Plensburg.  K.  BBgelke. 

261)  O.  H.   Sander,    Das  Moment   der   letzten   Spannm^ 

in  der  englischen  Tragödie  bis  zu  Shakespeare.  Berlin,  Mayer  & 
Müller,  1902.     67  S.  8.  Jf  1.60. 

Seit  G.  Freytag  seine  Technik  des  Dramas  geschrieben  hat,  ist  damit 
ein  Hilfsmittel  geboten,  welches  besonders  im  Schulunterricht,  und  hier 
in  oft  sehr  mechanischer  Weise,  gern  benutzt  wird.  Die  Dramen  mfissen 
es  sich  gefallen  lassen,  sich  in  das  Frey tagsche  Schema  einzufügen,  und 
alle  Einzelpunkte  des  Schemas  werden  an  jedem  Drama  in  manchmal 
höchst  gezwungener  Weise  herausgeklügelt.  So  auch  das  Moment  der 
letzten  Spannung,  welches,  wenn  wirklich  vorhanden,  unzweifelhaft  von 
grofser  dramatischer  Wirksamkeit  ist,  nicht  selten  aber  bei  unbefangener 
Beobachtung  als  nicht  vorhanden  erkannt  wird. 

Der  Verf.  der  vorliegenden  Arbeit,  wahrscheinlich  einer  Dissertation, 
hat  sich  der  Mühe  unterzogen,  das  vorshakespearesche  englische  Drama 
auf  diesen  Punkt  hin  zu  untersuchen;  er  hat  in  den  Bereich  seiner  For- 
schung auch  das  antike  Drama,  diej[ griechischen  Tragiker  und  Seneca 
gezogen,  ebenso  das  lateinische  Drama  Englands  im  16.  und  17.  Jahrh. 

Daran  schliefst  sich  das  vorshakespearesche  englische  Drama;  natur- 
gemäfs  nimmt  Marlowe  das  Hauptinteresse  in  Anspruch.  Der  Verf.  kommt 
zu  dem  Ergebnis,  dafs  in  den  meisten  der  behandelten  Tragödien  ein 
eigentliches  Moment  der  letzten  Spannung  nicht  vorhanden  sei,  wohl  aber 
ein  retardierendes  Moment  vor  der  Katastrophe.  Über  das  Thema,  welches 
er  sich  vorgenommen,  geht  der  Verf.  noch  hinaus,  indem  er  auf  den 
letzten  zwanzig  Seiten  auch  die  wichtigsten  Shakespeareschen  Dramen 
behandelt.  Die  Arbeit  hat  eine  höchst  umfassende  Lektüre  notwendig 
gemacht,  ist  daher  für  den  Verf.  sehr  nutzbringend  gewesen,  doch  auch 
die  Wissenschaft  hat  Vorteil  davon,  wenn  es  auch  nur  ein  sehr  enges 
Thema  der  dramatischen  Technik  ist,  welches  der  Verf.  behandelt  hat. 
Die  Richtigkeit  der  Ergebnisse  zu  kontrollieren,  wäre  für  den  Bezensenten 


498  Neue  Philologische  Bnndschati  Nr.  21. 

die  Lektüre  aller  Dramen,  die  besprochen  sind,  nötig.    Die  Angabe  der 
„  Quellen  ^^  fflr  jedes  Drama  ist  für  das  Thema  überflüssig. 

Wernigerode.  Drees. 

262)  Johns  Hopkins  üniversity  CSrcnlars.   Vol.  XXn.  Nr.  163. 
Baltimore,  Jane  1903.    52  S.  4.  geh.  10  Cents. 

Das  vorliegende  Heft  der  J.  H.  ü.  G.  enthält  unter  dem  Titel  „Notes 
from  the  Oriental  Seminary'^  zunächst  eine  Reihe  von  Aufsätzen  aus 
der  Feder  Paul  Haupt's,  nämlich  1)  Bible  and  Babel,  eine  Be- 
sprechung der  beiden  Delitzsch'schen  Vorträge,  die  in  dem  Satze  gipfelt: 
„There  is  hardly  anything  new  in  Delitzsch's  lectures  on  Babel  and 
Bible;  only  the  German  Emperor*s  keen  interest  in  these  investigations 
is  something  novel.^^  Die  Stellungnahme  des  Kaisers  in  der  Frage  wird 
dementsprechend  auch  ziemlich  genau  erörtert.  —  Der  zweite  Aufsatz 
„Archseology  and  Miueralogy'^  bespricht  die  Wichtigkeit  der  Mineralogie 
als  Hilfswissenschaft  für  die  Altertumskunde,  mit  besonderer  Bezugnahme 
auf  Salomo's  Fundorte  fQr  Gold  und  Edelsteine.  —  Zu  dritt  folgt  eine 
teitkritische  Untersuchung  über  David's  Klagelied  auf  Saul  und 
Jonathan  (2Sam.  1,  17 — 27),  und  nach  einem  kurzen  Hinweis  auf 
Drugulin*s  Marksteine  (Leipzig  1902)  schliefst  H.  die  Beihe  seiner 
Arbeiten  mit  der  Besprechung  einiger  Philippinischer  Probleme. — 
Im  übrigen  enthält  das  Heft  noch  folgende  Aufsätze:  TheLaws  of 
Hammurabi  and  the  Mosaic  Code  und  Cuneiform  Medicine 
von  Chr.  Johnston;  Notes  on  the  Siloam  Insription,  Sanskrit 
Loanwords  in  Tagälog,  Analogies  between  Semitic  and  Ta- 
gälog,  Babylonian  and  Atharvan  Magic  von  Fr.  B.  Blake; 
The  Souneborn  Gollection  of  Jewish  Ceremonial  Objects 
und  Some  Hebraisms  in  the  New  Testament  von  W.  Bosenau. 
Femer  von  G.  T.  Foote:  The  Diphthong  ai  in  Hebrew  und  Some 
ünwarranted  Innovations  in  the  Text  of  the  Hebrew  Bible. 
Foote  wendet  sich  in  dem  ersten  dieser  Aufsätze  mit  Becht  gegen  die 
Unsitte  vieler  Hebraisten,  i  und  *«  nicht  als  Halbvokale,  sondern  als  Spi- 
ranten auszusprechen,  eine  Unsitte,  die  namentlich  bei  den  Diphthongen  ai 
(z.B.  in"»n,  Wj*»,?,  Sig'^ttiö)  und  au  {z.B.  in  ig,  Jibi?,  ■)ak";i,  Tnnn,  nyjbti) 
zu  einer  ganz  falschen  Auffassung  des  Sachverhaltes  verleitet.  Im  An- 
schlufs  hieran  weifst  er  nach ,  dafs  man  auch  n*^ a  und  &*«»  als  hait  und 
maim  auszusprechen  hat,  während   die  Sache  sich  bei  den  analogen  Tir 


Nene  Philologische  BimdBohan  Kr.  21.  499 

und  ni»  wegen  der  Länge  des  a  ein  wenig  anders  verhält.  Auch  die  sehr 
verbreitete  mifsbräuchliche  Aussprache  von  Formen  wie  'i!3'i''^5,  t3?15»  ''^.''.5 
und  ähnlichen  (man  vergleiche  auch  yiN-irr^n  Genes.  1,  24,  aus  *Äaj;afe*-) 
mit  ajje  statt  ai  wird  von  ihm  mit  Recht  ad  absurdum  geführt.  Wir 
möchten  hier  beiläufig  daran  erinnern,  dafs  das  häufige  Fehler  des 
Verdoppelungsdagesch  in  b,  u,  \  sich  ebenso  erklärt,  wie  die  beständige 
Weglassung  desselben  im  \  Denn  wie  z.  B.  die  indogermanischen  Ablauts- 
reihen zeigen,  bildet  tautosyllabisches  l,  r,  m,  n  mit  vorausgehendem  Vokal 
ebensogut  einen  Diphthong  wie  tautosyllabisches  i  oder  w.  Das  ^  kommt 
im  Hebräischen  natürlich  hier  nicht  in  Betracht,  da  n  ja  überhaupt  fast 
nie  dagessiert  wird.  Es  wäre  recht  wünschenswert,  dafs  die  Verfasser 
hebräischer  Schulgrammatiken  im  ganzen  etwas  mehr  von  allgemeiner 
Sprachwissenschaft  verständen;  es  würde  dann  manche  veraltete  und  un- 
klare Darstellung  lautlicher  Vorgänge  aus  den  Büchern  verschwinden  und 
damit  den  Lernenden  mancher  ganz  unnötige  Stein  aus  dem  Wege  ge- 
räumt werden.  Unglaublicher  wird  namentlich  in  den  Segeln  über  die 
Beghadhkephath-Buchstaben  geleistet:  statt  der  so  sehr  einfachen  Erklärung, 
dafs  vorausgehender  Mundöffiiungslaut  (Vokal  oder  lautbares  Schwa)  einen 
folgenden  Verschlufslaut  halb  öflfhet  und  so  zu  einem  Engen-  oder  Beibe- 
laut  (Fricativa  oder  Spirans  [nicht  „Aspirata''!])  macht,  findet  man  ge- 
wöhnlich ein  Netz  von  unklaren  Angaben,  in  dem  der  Anfanger  sich 
hoffnungslos  verstricken  mufs.  —  Die  letzten  Aufsätze  des  Heftes  sind  die 
folgenden:  The  Transliteration  of  Egyptian  und  Egyptian 
Stone  Implements  von  J.  T.  Dennis;  A  Modern  Guneiform 
Congratulatory  Message  von  W.  G.  Seiple  (Bericht  über  drei  originelle 
assyrische  Oratulationsinschriften  auf  Tontafeln  für  den  deutschen  Verleger 
Bost  [Firma  J.  G.  Hinrichs  in  Leipzig]  und  für  Prof.  Gilman  und 
Prof.  Gildersleeve  in  Baltimore);  Eecent  Papyrus  Finds  in 
Egypt,  Tagälog  Poetry  und  The  Tagälog  Numerais  von  W.  G. 
Seiple;  Phonetic  Differences  between  the  Eastern  and  Wes- 
tern Dialects  of  Syriac,  Origin  and  Development  of  the 
Arabic  Dialects,  Mourning  Bites  and  Gustoms  in  Early 
Arabia  von  G.  Oussani;  The  Words  sdraA  and  nt^man  in  Isaiah 
XXVIII,  25  von  W.  B.  McPherson  und  The  Goronation  of  Ari- 
sto bulus  (Psalm  2)  von  A.  Em  her. —  Den  Schlufs  des  Ganzen  bildet 
eine  Liste  der  orientwissenschaftlichen  Aufsätze,  welche  in  den  Johns 
Hopkins  University  Girculars  von  1879 — 1903  erschienen  sind,  und  ein 


500  Nene  Philologiiohe  Bandsohan  Nr.  21. 

Bericht  fiber  die  Tätigkeit  des  Orientalischen  Seminars  während  des  üni- 
versitätsjahres  1902/3. 

Das  neueste  Heft  ist,  wie  man  sieht,  sehr  reichhaltig,  und  manche 
der  darin  behandelten  Stoffe  sind  nicht  nur  für  Fachorientalisten  von 
Interesse.  n. 

263)  E.  A.  Toreau  de  Mamey,  Fint  Step  to  English  Con- 
versatioiL  Sprechübungen  für  Anfilnger  im  Anschlufs  an  die 
Vorfälle  des  Tages,  erläutert  durch  idec^praphische  Zeichen. 
Leipzig,  Haberland,  1903.     32  S.  8.  geh.  Ji  i.— . 

Der  First  Step  to  English  Conversation  soll  gemacht  werden  mit 
Hilfe  von  nicht  ganz  150  Fragen  und  Antworten,  die  zum  gröfsten  Teil 
das  Tagewerk  eines  englischen  Schülers  vom  Erwachen  an  behandeln  und  auf 
Turnen  und  Spiel  besonders  fiücksicht  nehmen.  Diesen  Fragen  und  Ant- 
worten ist  jedesmal  eine  phonetische  Umschrift  und  eine  Übersetzung  bei- 
gefügt. Das  Neue  an  dem  Büchlein  bilden  die  jeder  Frage  vorangestellten 
ideographischen  Zeichen,  die  mit  wenigen  Strichen  eine  menschliche  Figur 
andeuten,  die  eine  der  betreffenden  Frage  zugrunde  liegende  Handlung 
ausführt.  Diese  Zeichnungen  sind  flott,  teilweise  mit  Humor  aus- 
geführt, so  dafs  man  sich  sogar  an  die  besten  humoristischen  Strichzeich- 
nungen der  „Fliegenden  Blätter**  erinnert  fühlt.  Doch  dürfte  es  oft  recht 
schwer  fallen,  den  Inhalt  der  Frage  nur  aus  dem  ideographischen  Zeichen 
zu  erraten.  Manche  Fragen  sind  inhaltlos  (Do  you  open  the  door?  — 
Tes,  and  my  mother  shuts  it),  andere  für  die  nächsten  Bedürfnisse  prak- 
tischer Eonversation  unnötig  (Do  you  circle  the  horizontal  bar?  •—  Do 
you  do  exercises  at  the  rings?  Tes,  Sir,  I  do  exercises  at  the  rings.  — 
Solcher  Stumpfsinn  gehört  wirklich  nicht  in  höhere  Schulen !)  Die  deutsche 
Übersetzung  ist  oft  steif,  auch  das  Englische  klingt  oft  nicht  recht  idio- 
matisch (Drink  it  whiM  it  is  bot).  Daher  glaube  ich  nicht,  dafs  „nach 
eingehendem  Studium  dieses  Büchleins  jede  mäfsig  begabte  Person  imstande 
sein  wird,  eine  Eonversation  in  der  fremden  Sprache  zu  führen  **,  wie  der 
Verf.  in  der  Vorrede  meint,  oder  dafs  man  gar  dadurch  „die  englische 
Eonversation  leicht  und  spielend  erlernen"  könne,  wie  das  von  der  Ver- 
lagshandlung beigelegte,  vollständig  druckfertige  „Schema  zu  einer  Be- 
sprechung" behauptet.  Als  Hilfsmittel  für  die  in  den  neuen  Lehrplänen 
besonders  geforderten  Sprechübungen  über  die  Vorgänge  des  täglichen 
Lebens  brauchen  wir  praktisch  ausgewählte  und  klar  geordnete  Wörter- 


Neue  Philologische  Rundwhaa  Nr.  21.  501 

Sammlungen  mäfsigen  ümfanges,  aber  nicht  derartige  Zusammenstellungen 
von  zum  Teil  inhaltlosen  Fragen  und  Antworten,  die  die  freie  Tätigkeit 
von  Lehrer  und  Schäler  nur  hemmen  und  zu  gedankenlosem  Hersagen 
und  Plappern  verführen.  Ich  kann  daher  das  Büchlein  für  den  Gebrauch 
in  höheren  Schulen  nicht  empfehlen. 

Flensburg.  Ernst  Hansen. 

264)  W.  H.  Cromp,  English  as  it  is  spoken.    I3th  Edition- 

Eevised  and  brought  up-to-date  by  T.  W.  Boughton-Wilby.   Berlin, 
F.  Dümmler,  1903.     VI  u.  124  S.  8.  geb.  Jü  1.80. 

Eine  Bestätigung  des  im  Jahrg.  1900,  S.  165  der  „N.  Phil.  B."  von 
mir  über  das  vorliegende  Bach  gefällten  günstigen  Urteils  ist  es  wohl, 
dafs  bereits  nach  drei  Jahren  eine  neue,  die  dreizehnte  Auflage  nötig  ge- 
worden ist.  Die  in  jener  Besprechung  erwähnten  kleinen  Versehen  sind 
bis  auf  die  unenglische  Silbentrennung  wai-ting  und  remin-ding  (S.  28) 
(statt  wait-ing  und  remind-ing)  berichtigt  worden.  Sonst  stimmt  die 
dreizehnte  Auflage  mit  der  vorhergehenden  genau  überein.  Das  Büchlein 
sei  nochmals  zum  praktischen  Studium  der  englischen  Umgangssprache 
bestens  empfohlen. 

Wilmersdorf-Berlin.  Pr.  Blnme. 

265)  Fran  Filologiska  Föreningen  i  Lund.     Sprakliga  upp- 

satser  II.   Lund,  J.  G.  Moellers  Universitätsbuchhandlung,  1902. 
35;  20;  8;  12;  32;  6;  11;  32  S.  8. 
Den  Romanisten  interessieren  in  diesem  Sammelhefte  drei  Aufsätze: 

1.  Hilma   Borelius,  Etüde   sur  l'emploi  des  pronoms 
personnels  sujets  en  ancien  fran9ais. 

2.  E.  Walberg,  Etüde  sur  la  langue  du  ms.  ancien  fonds 
royal  3466  de  la  biblioth^ue  royale  de  Gopenhague. 

3.  Ftederik  Wulff,  Trois  sonnets  de  Pötrarque  selon 
le  ms.  sur  papier,  Vat.  3196  (et  une  rectification). 

1.  In  dem  ersten  Aufsatze  kritisiert  die  Verf.  zuerst  die  1882  er- 
schienene, das  gleiche  Thema  behandelnde  Dissertation  von  P.  Nissen, 
deren  Ergebnisse  kurz  angeführt  werden,  in  der  indefs  die  einschlägigen 
Verhältnisse  der  untergeordneten  Sätze  kaum  berührt  werden.  Die  Verf. 
betont  dafs  ihre  von  anderen  Gesichtspunkten  ausgehende  Arbeit  weder  die 
Einzelheiten  von  Nissens  Abhandlung  berichtigen  noch  vervollständigen  solle. 


502  Nene  Philologiaehe  Rnndsehaa  Nr.  21. 

Nach  einigen  Angaben  Aber  die  Setzung  oder  Nichtsetzung  des  Pr.  suj. 
in  Hauptsätzen  bei  Ghrestien  de  Troyes  geht  Verf.  zur  Besprechung  der  Er- 
scheinung in  Nebensätzen  Aber  und  stellt  die  Regel  auf,  dafs  das  Pr.  suj. 
nicht  verwandt  wird,  wenn  zwischen  einleitender  Partikel  und  Verbum 
ein  anderer  Satzteil  steht  (ausgenommen  die  IV.  pers.  atones  [au  cos 
regime]  sowie  en,  y,  ne)^  dafs  es  im  anderen  Falle  gesetzt  wird.  Diese 
Begel  wird  durch  zahlreiche  Beispiele  als  richtig  bewiesen.  Dafs  übrigens 
Ausnahmen  nicht  fehlen,  zeigt  Bol.  1848,  nach  0:  8%  est  blecä  ne  quit 
que  anme  i  remaigne  u.  a.  In  den  Fällen,  wo  auf  das  Bindewort  (im 
weiten  Sinne)  ein  pr.  pers.  atone  oder  en,  y,  ne  folgen,  bleibt  die  Ver- 
wendung des  Pr.  suj.  während  eines  beträchtlichen  Zeitraumes  ziemlich 
unbestimmt,  was  ebenfalls  durch  Beispiele  belegt  wird.  Sodann  folgt  die 
Betrachtung  derjenigen  Fälle,  wo  in  den  untergeordneten  Sätzen  dem 
Verb  nur  ein  tonloses  Personalpronomen  oder  die  Negation  ne  vorangeht. 
In  diesem  Falle  bleibt  die  Setzung  oder  Nichtsetzung  des  Subjektspronomens 
lange  unbestimmt.  Bei  den  Beispielen,  die  hier  gegeben  werden,  ist  wie 
auch  schon  bei  den  vorher  und  bei  Nissen  angefahrten  nicht  zu  übersehen, 
dafs  Untersuchungen  dieser  Art  durch  metrische  Beispiele  allein  keine  sichere 
Grundlage  erhalten,  da  über  die  Setzung  oder  Nichtsetzung  der  betreffenden 
V^örtchen  sehr  oft  metrische  Gründe  entschieden  haben  werden.  Allerdings 
läfst  sich  eine  allgemeine  Tendenz  in  der  von  der  Verf.  angegebenen  Bichtung 
beweisen.  Diese  Tendenz  bringt  es  natürlich  dann  mit  sich,  dafs  unter 
denselben  Vorbedingungen  allmählich  auch  das  Pron.  impers.  sujet  sich 
mehr  und  mehr  einbürgert,  zunächst  hauptsächlich  vor  es^  -j- Adj.  Auch  hier 
spricht  Verf.  hauptsächlich  von  den  untergeordneten  Sätzen  und  stellt  u.  a. 
fest,  dafs  bei  denen  der  zweiten  Art  in  Ghrestien  de  Troyes  durchweg  das 
unpersönliche  Fürwort  gesetzt  ist.  Auch  in  Aucassin  und  Nicolete  scheint 
die  von  der  Verf.  aufgestellte  Begel  beobachtet.  Ebenso  wird  sie  bestätigt 
durch  die  Beispiele  in  der  bekannten  Arbeit  von  Horning,  ohne  dafs  dieser 
allerdings  die  Wichtigkeit  der  ViTortstellung  für  diese  Frage  in  Betracht 
gezogen  hat. 

Es  wäre  zu  wünschen,  dafs  die  weitere  Eatwickelung  dieser  Tendenz 
unter  ähnlichen  Gesichtspunkten  auch  für  das  Mittelfranzösische  unter- 
sucht würde. 

2.  Der  Verf.  der  zweiten  Abhandlung  hat  vor  zwei  Jahren  eine 
kritische  Ausgabe  des  Bestiaire  von  Philippe  de  Thaun  veröffentlicht. 
Neben   den   zwei   anglonormannischen  Handschriften,   die  darin  benutzt 


Nene  Philologische  Bandschan  Nr.  21.  503 

worden  sind,  ist  auch  die  Eopenbagener  Handschrift  zu  Bäte  gezogen, 
welche  den  Text  in  einer  sorgfältigen  Umarbeitung  in  einem  anderen 
Dialekt  enthält,  und  zwar,  wie  der  Herausgeber  in  dem  Vorworte  zu 
seinem  kritischen  Texte  gezeigt  hat,  in  franzischem  Dialekt.  Genügten 
zu  diesem  Beweise  einige  charakteristische  Züge,  so  unterzieht  Walberg 
in  seiner  neuen  Arbeit  die  Sprache  des  Textes  einer  genauen  Untersuchung, 
nicht  nur,  um  seine  Behauptung  nachhaltiger  zu  beweisen,  sondern  um 
als  Ort  der  Abfassung  der  Handschrift  Paris  festzustellen  und  auch  ihr 
Alter  zu  bestimmen.  Da  franzische  Texte  und  besonders  solche  aus 
Paris  in  älterer  Zeit  rar  sind,  so  ist  die  Arbeit  nicht  ohne  Interesse  und 
Nutzen  für  die  Kenntnis  des  Dialektes.  Abgesehen  von  den  Vorarbeiten 
Metzkes  und  Böhrs  hat  Verf.  die  als  franzisch  bezw.  pariserisch  nach- 
weisbaren Texte  von  Bustebeuf,  den  Bosenroman,  Quiot  de  Provins,  die 
Chronik  Qodefroys  von  Paris  und  einige  Male  Villen  zu  Bäte  gezogen. 
Die  sorgfältige  lautliche  Untersuchung  ebenso  wie  einige  fleiivische  Eigen- 
tümlichkeiten bestätigen  die  in  der  Einleitung  aufgestellten  Behauptungen. 
Verf.  zeigt  nämlich  am  Schlufs,  dafs  gewisse  Lauterscheinungen  gegen 
den  Westen,  Norden  und  Osten  sprechen,  dafs  aufser  den  gemein-franzi- 
schen solche  vorkommen,  die  in  Paris  besonders  häufig  waren,  neben  anderen, 
die,  obwohl  den  Texten  des  Zentrums  nicht  fremd,  doch  von  anderen  Dia- 
lekten herrühren.  Alles  das  erklärt  sich  am  einfachsten,  wenn  man  an- 
nimmt, dafs  die  Handschrift  in  Paris  selbst  geschrieben  ist.  Sie  enthält 
vorn  die  freilich  erst  später  eingetragene  Notiz  Ex  lib.  Sti  Martini  a  Campis; 
ein  Kloster  dieses  Namens  bestand  in  Paris  und  die  Gebäude  enthalten  jetzt 
das  Kunstgewerbemuseum.  Also  auch  diese  Notiz  macht  Paris  als  Ort 
der  Abfassung  wahrscheinlich.  Die  Sprache  der  Handschrift  läfst  auf  die 
zweite  Hälfte  des  XHI.  Jahrhunderts  als  Zeit  der  Abfassung  schliefsen. 

Von  den  vielen  interessanten  Einzelheiten  der  Arbeit  zu  sprechen,  ist 
hier  nicht  der  Ort.  Doch  sei  auf  den  kurzen  Exkurs  über  eslovoir  auf- 
merksam gemacht,  in  welchem  Walburg  sich  gegen  Toblers  Etymologie 
est  opus  wendet  und  auf  stüpere  zurückgreift.  Soviel  ich  weifs,  ist  dies 
neuerdings  auch  Toblers  Ansicht,  doch  kann  ich  augenblicklich  nicht  fest- 
stellen, ob  diese  Änderung  auf  Walbergs  Arbeit  zurückzuführen  ist,  oder 
ob  Tobler  unabhängig  davon  seine  Meinung  in  derselben  Bichtung  ge- 
ändert hat. 

3.  Die  dritte  Arbeit  enthält  eine  aufserordentlich  feinsinnige  und 
gelehrte  Studie  über  die  Sonnette:   Almo  soll    Quella  fronde:   Si  come 


504  Nene.Fhilologuohe  Btindsohan  Nr.  21. 

eterna  vita;  Stiamo,  Amor,  a  veder  la  gloria  nostra.  Der  philologische 
Scharfsinn,  die  ausgedehnte  Belesenheit  und  der  feine  künstlerische  Sinn 
Frederik  WvISb  vereinigen  sich  mit  einer  genauen  Kenntnis  der  örtlich- 
keiten um  Vancluse  herum,  um  den  Emendationen  einen  sehr  hohen  Qrad 
von  Wahrscheinlichkeit  zu  verleihen.  Die  Studie  kann  allen  Verehrern 
Petrarcas  nur  angelegentlichst  empfohlen  werden.  Übrigens  ist  sie  Pio 
Bajna  gewidmet. 

Berlin.  B.  R5ttger8. 

Yerlag  Ton  Friedrich  Andreas  Perthes,  Aktiengesellschaft,  &otha. 

Übungsstücke 

zum 

Übersetzen  aus  dem  Deutschen  ins  Lateinische 

im  AnBchlnfs  an  die  Lektüre  für  die  Oberstufe  des  Gymnasiams : 

1.  Heft:  Hachtmann,  C,  Übungsstücke  im  Anschlufs  an  Giceros  vierte 

Bede  gegen  Yerres.  Preis  kart.  Ji  0.80. 

2.  Heft:  Enaut,  C,  Übungsstücke  im  Anschlufs  an  die  beiden  ersten 

Bücher  von  Tacitus'  Annalen.  Preis  kart.  Jf  0.80. 

3.  Heft:  Strenge,  J«,  Übungsstücke  im  Anschlufs  an  Giceros  Bede  für 

Archias.  Preis  kart.  Ji  0.50. 

4.  Heft:  Strenge,  J.,  Übungsstücke  im  Anschlufs  an  Giceros  Bede  für 

Murena,  Preis  kart.  JH  0.70. 

5.  Heft:  Ahlheim,  A.,  Übungsstücke  im  Anschlufs  an  Giceros  Briefe. 

Preis  kart.  JH  0.80. 

6.  Heft:  Wackermann,    0.,   Übungsstücke   im  Anschlufs   an  Sallusts 

Jugurthinischen  Krieg.  Preis  kart.  JH  0.80. 

7.  Heft:  Haehtmann,  C,  Übungsstücke  im  Anschlufs  an  Giceros  Beden 

gegen  L,  Sergius  Gatilina.  Preis  kart.  Jt  0.80. 

8.  Heft:  Lehmann,  J.,    Übungsstücke  im  Anschlufs  an  Giceros  Bede 

über  das  Imperium  des  Gn.  Pompeius.  Preis  kart.  Jü  0.50. 

9.  Heft:  Elelnsehmit,   M«,    Übungsstücke    im   Anschlufs    an    Livius' 

21.  Buch.  Preis  kart  Ji  0.80. 

Die  Anschauungsmeihode 
in  der  Alf ertumswissenschafi. 

Von 

H.  Si-b-bl. 

Preis  JH  —.60. 

Zn  beziehen  durch  alle  Bnehhandlnngen.  *mi 


Für  die  Bed&kÜon  yeruitwortlich  Dr.  E.  Ladwlg  in  L 
Dnok  ud  Verlag  Ton  Friedriok  AndrMM  PertkM,  AktiMigMeUsokaft,  Gotk», 


f  ■•■•  ■ 


Ctotha,  31.  Oktober.  Nr.  22,  Jahrgang  1903. 

Neue 

PhilologischeRundschau 

Herausgegeben  von 

Dr.  0.  Wagener  und  Dr.  E.  Ludwig 

in  Bremen. 

Erscheint  alle  H  Tage.  —  Preis  ftir  den  Jahrgang  8  Hark. 

Bttstellangen  nehmen  alle  Bachhandlangen,  sowie  die  Postanstalten  des  In-  und  Aaslandes  an. 

Insertionsgehtthr  ftlr  die  einmal  gespaltene  Petitzeile  80  Pfg. 

Inhalt:  Bezensionen:  266)  GeyzaNemethy,  Persii  satirae  (Josef  Sorn)  p.  505. — 
267)  Ed.  Grofs,  Beiträge  zur  Erkläning  alter  Schriftstiller  (0.  Dingeldein) 
p  508.  —  268)  Edgar  J.  Goodspeed.  Greek  Papyri  from  the  Cairo  Museum 
(0.  Schultheis)  p.509.  —  269)  Ed.  Meyer,  Geschichte  des  Altertums  (H.  Swohoda) 
p.  514.  — -  270)  E.  Bruhn,  Hilfsbuch  für  den  griechischen  Unterricht  (F.  Adami) 
p.  518.  —  271)  Brandt,  Jonas,  Loeber,  Übungsbuch  zum  Übersetzen  aus 
dem  Deutschen  ins  Lateinische,  I  u.  III  Teil  (E.  Köhler)  p.  520.  —  272)  E  d.  Buc  het- 
mann,  Jean  de  Retrous  Antigene  und  ihre  Quellen  (A.  L.  Stiefel)  p.  520.  — 
273)  Ernst  Wasserzieher,  L'Orphelin.  Par  Urbain  Olivier  (W.  Buhle) 
p.  522.  —  274)  L'Annee  linguistique  p.  523.  —  275/276)  E.  Lavisse,  Histoire 
de  France.  Tome  I.  IL  (J.  Jung)  p.  523.  —  277)  M.  Seh  warze,  Kanon  französischer 
Sprechübungen  über  Gegenstände  und  Vorgänge  des  täglichen  Lebens  (K.  Engelke) 
p.  525.  —  278)  Ida  Baumann,  Die  Sprache  der  Urkunden  aus  Yorkshire  im 
15.  Jahrhundert  (-tz-)  p.  526.  —  279)  Th.  Jaeger,  The  literary  Echo  (Bahrs) 
p.  527.  —  Vakanzen.  —  Anzeigen. 

266)   Oeyza  Nömethy,   A.  Persii  Flacci   satirae.     Edidit,  ad- 
notationibus  exegeticis  et  indice  verborum  iüstrnxit.  Budapestini. 
Sumptibus  Academiae  litterarum  Hungaricae.  MCMIII.    392  S,  8. 
Pretium  8  cor. 
Eine  kritisch-exegetische  Ausgabe  der  Satiren  des  Persins  sollte  doch 
mehr  enthalten,   als  das  vorliegende  Buch  uns  bietet.    Vor  allem  kann 
ein  einfacher  Abdruck  der  Vita  des  Persins  (S.  13 — 15)  ohne  eine  ein- 
gehende kritische  Prüfung  derselben  gar  nicht  befriedigen.    Hierbei  hätte 
sich  Verf.  leicht  durch  Teuffels  Studien  und  Charakteristiken.    Leipzig, 
1871  =  Metrische  Übersetzung.    Stuttgart,  1899  oder  der  Hermannschen 
Ausgabe.    Leipzig,    1879   (Praef.  S.  4—7)   eingehend   und   erschöpfend 
belehren  lassen  können.    Ebenso  wird  eine  genaue  und  klare  Charakteri- 
sierung der  ethisierenden  Satire  des  Persius  im  Gegensatze  zu  der  des 
Horaz   oder   der   naturalistischen  des  Juvenal  wobl  mit  Becht  verlangt 
werden  können.    Eine  Darlegung  und  Erklärung  der  Lehre  der  Stoa,  ins- 
besondere der  Ethik  derselben,  die  doch  für  das  Verständnis  der  Satiren 


506  Neae  Philologische  Bnndscbau  Nr.  22. 


des  Persius  schlechterdings  unentbehrlich  ist,  sollte  in  einer  den  wissen- 
schaftlichen Zwecken  dienenden  Ausgabe  nicht  fehlen.  Des  Persius  Stel- 
lung zu  dem  sich  damals  immer  mehr  ausbreitenden  Ghristentume,  seine 
Beziehungen  zu  Seneca  und  zu  anderen  seiner  Zeitgenossen,  eine  ge- 
drängte Übersicht  über  die  Sprache  des  Persius,  diese  und  ähnliche  Er- 
örterungen hätten  in  einer  Einleitung  dringend  einer  klaren  und  er- 
schöpfenden Auseinandersetzung  bedurft.  Desgleichen  hätten  die  zahl- 
reichen für  die  Textesgestaltung  des  Persius  nicht  zu  entititenden  Scholien 
voll  berücksichtigt  und  vollständig  abgedruckt  werden  sollen.  Der  Con- 
spectus  criticus  (S.  5 — 10)  ist  überaus  dürftig  ausgefallen  und  bringt  nur 
einige  Varianten  des  Büchelerschen  Textes,  ohne  dafs  Verf.  auf  die  so 
wichtige  Frage  über  die  Bedeutung  und  den  Wert  der  beiden  Monte- 
pessulani  (A  und  C  bei  Bücheier),  über  den  Vaticanus  (B  bei  Bücheier) 
auch  nur  einiges  gesagt  hätte.  Es  befremdet,  dafs  Verf.  den  erschöpfenden 
und  vortreflFlichen  Bericht  Priedländers  in  Bursians  Jahresberichte,  Jahr- 
gang 1893,  2.  Abt.,  S.  166 — 173,  mit  keinem  Worte  erwähnt,  noch 
weniger  benutzt  hat,  obwohl  daselbst  manche  Belehrung  zu  finden  ist. 
Die  in  den  Conspectus  criticus  eingestreuten  Änderungen  in  der  Zuweisung 
der  Verse  dem  Interlokutor  und  dem  Dichter  können,  weil  auf  sub- 
jektiven Mutmafsungen  beruhend,  weder  gebilligt  noch  verworfen 
werden.  In  dem  nun  folgenden  Texte  (S.  19 — 43)  ist  der  Akk.  plur.  auf 
is,  wie  er  nach  Neue,  Lat.  Formenlehre  I,  S.  258,  in  der  Kaiserzeit  vor- 
herrschend zu  sein  schien,  richtig  in  den  Text  gesetzt  1,  113  anguis.  — 

2,  2  labentis.  —  2,  45  Penatis.  —  2,  56  aedis.  —  2,  34  urentis.  —  3,  64 
poscentis.  —  3,  65  montis.  —  4,  36  marcentis.  —  5,  15  pallentis.  — 
5,  123  tris.  —  6,  24  tenuis  und  5,  187  iaflantis.  Richtig  ist  prol.  4 
Heliconidasque.  —  prol.  12  refulserit  —  1,  4  Pulydamas.  —  1,  8  ac 
si.  —  1,  17  leges  (a  C  legens).  —  1,  29  pro  nihilo  pendes  (nach  C).  — 
1,  14  quod.  —  3,  13  sed  st.  quod.  —  3,  60  in  quod.  —  3,  68  qua.  — 
5,  17  dicis.  Der  Indikativ  in  den  indirekten  Fragesätzen  findet  sich  bei 
Persius  auch  2,  60.  —  3,  60.  —  3,  32  u.  ö.  —  hocol.  sumis  5,  124.  sentis 
ist  eine  spätere  Erklärung  zu  sumis.  —  at  5,  159  —  chlamydas  6,  47; 
vgl.  Cappadocas  6,  77.  —  dest  6,  64.  Dagegen  ist  zu  lesen  prol.  8 
XCUQ8.  —  prol.  9  picamque,  wegen  des  im  V.  8  vorkommenden  Singulars 
psittaco.  —  1,  57  protenso  st.  propenso  —  1,  66  dirigat  st.  derigat;  so  auch 

3,  60  dirigis  st.  derigis.  —  1, 74  quem  st.  cum.  -—  1,  81  und  3,  94  istuc  st. 
istud.  —  2,  61  lese  ich  in  terris  trotz  Laktanz,  der  nach   dem  Sprach- 


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^^^,.^GS-BUCHHA^O^^^^ 


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ED.  HOLZEL 


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GEGRÜNDET  ^^^^  'M  JAHRE  1844. 

WIEN,  IV/i,  LUISENQASSE  5. 


.l^Äii. 


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19 


-T'SS-r- 


In  meinem  Verlage  sind  soeben  erschienen: 


CONVERSATIONAL   BOOKS 

about 

THE  PICTURES  OF  HOELZEL 
by 

L.  PITCAIRN  and  M.  BENNEGGER. 


Book 


1 

spring 

II 

Summer 

III 

Autumn 

IV 

Winter 

V 

The  Farm-Yard 

VI 

The  Mountain 

VII 

The  Forest 

VIII 

The  Town 

IX 

London 

mit  dem   dazugehörigen  Bilde    der 

verkleinerten       Handausgabe      von 

Hölzeis  Wandbildern,  Preis  je  60  h 

=  50  Pf. 


Die  überaus  grosse  Verbreitung,  welche  die  in  meinem  Verlage  er- 
schienenen „Convervations  franpaises  sur  les  tableaux  d'Ed.  Hoelzel  par  Lucien 
Gönin  et  Joseph  Schamanek"  gefunden  haben,  wie  auch  wiederholte  Anregung 
seitens  vieler  massgebender  Persönlichkeiten  aus  neuphiiologischen  Kreisen 
legten  es  mir  nahe,  ein  ähnliches  Werk  auch  in  englischer  Sprache  zur  Aus- 
gabe zu  bringen  und  auf  diese  Weise  vielseitig  geäusserten  Wünschen  zu 
entsprechen. 

Diese  "Conversational  Bocks"  werden  überall  willkommen  sein,  wo 
englisch  gelehrt  wird,  und  mache  ich  daher  nicht  nur  die  Herren  Lehrer,  welche 
an  den  Mittelschulen  Englisch  vortragen,  sondern  auch  die  vielen  Privat-Sprach- 
lehrer  und  -Lehrerinnen  sowie  Mädchenpensionate  darauf  ergebenst  aufmerksam* 

Von  den  "Conversational  Bocks  by  L.  Pitcairn  and  M.  Bennegger"  stelle 
ich  den  sich  hiefür  interessierenden  P.  T.  Lehrern  und  Lehrerinnen  mit  Ver- 
gnügen ein  Probeheftchen  zur  Verfügung.  Die  darin  beobachtete  Methode  ist 
aus  jedem  der  einzelnen  Heftchen  zu  ersehen.  Jede  Buchhandlung  ist  in  der 
l-&g6>  geneigte  Ansichts-Bestellungen  auszuführen,  während  ich  bitte,  wegen 
Probeheftchen   meiner  "Conversational  Bocks"  mit  mir  direkt  in  Verbindung  zu 

treten. 

Hochachtungsvoll  und  ergebenst 


ED.  HÖLZEL. 


Nene  Philologische  Hnndschau  Nr.  22.  507 

gebrauche  seiner  Zeit,  wo  der  wo?  und  wohin? -Kasus  nicht  strenge 
geschieden  wurde,  die  Persiusstelle  zitiert  hat.  1,  23  lese  ich  carminibus, 
im  ironischen  Sinne  (J.  van  Wageningen  versiculis).  —  1,  97  ziehe  ich 
nach  aC  praegrandi  dem  von  Porphyrie  zitierten  vegrandi  vor,  aus  dem- 
selben Grunde,  wie  oben  in  der  Stelle  2,  61  in  terris.  —  2,  37  ist  der 
Sing,  optet  gegen  G,  wo  der  Plural  steht,  zu  halten,  weil  Pers.  auch 
sonst  bei  zwei  Subjekten  den  Singular  verwendet,  so  1,  92  —  3, 116  — 
4,  5  —  6,  70  u.  0.  —  2,  62  hos  st  hoc.  —  3,  16  at  cur  st  a,  cur, 
der  G^ensatz  wird  dadurch  markanter  hervorgehoben.  —  3,  46  ist  dicere 
=  recitare  zu  belassen.  —  3,  93  ist  das  in  A  und  B  flberlieferte  rogabit 
in  G  in  rogavit  geändert  worden.  Paläographisch  ist  eine  solche  Änderung 
erklärlich ;  gerade  so,  wie  5,  90  vetavit  von  Heinrich  in  vetabit  geändert 
wurde.  Doch  lese  ich  an  letzterer  Stelle  vetarit,  da  doch  in  den  Hand- 
schriften eher  eine  Verwechslung  des  v  in  r  als  des  v  in  b  möglich  ist.  — 
4,  3  ist  zu  lesen:  Quo  fretus?  die  o  magni  pupille  Pericli,  wegen  der 
Vorliebe  des  Persius  zur  Interjektion  o.  Vgl.  1,  44  quisquis  es,  o  modo 
quem  ex  adverso  dicere  feci.  —  5,  21  haben  die  Handschriften  secreti 
(Bücheier  secrete),  nach  dem  Sprachgebrauche  des  Persius  ganz  richtig. 
Vgl.  5,  61  seri . . .  ingemuere,  sp  noch  1, 132  —  3,  69  —  6,  20.  —  Ebenso 
ist  in  4,  37  tu  cum  st.  tunc  cum  zu  lesen,  wegen  der  Vorliebe  der  Persius 
zu  dem  unbestimmten  „Du 'S  Auch  die  Mehrzahl  der  Handschriften  bietet 
diese  Lesart.  —  Die  Stelle  6,  150  ...  peragant  avido  sudore  deunces?  und 
6,  68  unge  st  ungue,  6,  79  depinge  st.  depunge  entsprechen  mehr  der 
satirischen  Absichtlichkeit  des  Dichters  als  die  Lesarten  des  Verfassers. 

Den  Hauptwert  des  Buches  bildet  der  wohlgeordnete  und  wohldurch- 
dachte Kommentar  (S.  48—351).  Nur  einige  Bemerkungen  mögen  folgen: 
Auf  S.  48  hätte  die  Frage  beantwortet  werden  sollen,  ob  die  14  Gholiamben 
als  Prolog  zu  allen  Satiren  oder  nur  zur  ersten  Satire,  oder  endlich,  ob 
sie  als  Epilog  zu  allen  Satiren,  wie  Bücheier  will,  anzusehen  seien.  Sie 
gehören  ohne  Zweifel  integrierend  zur  ersten  Satire,  weil  ja  Persius 
anfangs  nach  Lucilius  als  Muster  seine  Satire  gedichtet  hatte  ^  der  eben- 
falls verschiedener  Versmafse  sich  bediente.  Später  kam  Persius,  Horaz  als 
Muster  folgend,  davon  ab  und  verwendete  in  seinen  Satiren,  die  ja  nur  als 
Gelegenheitsgedichte  anzusehen  sind,  den  heroischen  Hexameter.  Zudem 
war  dem  Dichter  eine  zu  kurze  Lebensdauer  beschieden  gewesen,  als  dafs 
er  nach  einem  bestimmten  Plane  eine  ganze  Gedichtsammlung  angelegt 
hätte.  —  Ebenso  war  hier  eine  Auseinandersetzung   über   die  personae 


508  Neue  Philologische  Bondschan  Nr.  22. 

Persianae  beizufügen.  Bei  der  zweiten,  dritten  und  fünften  Satire  war 
das  kulturhistorische  Moment  besonders  hervorzuheben,  wobei  Friedländers 
Sittengeschichte  zu  Bäte  zu  ziehen  war.    S.  214  war  hinzuzufügen,  dafs 

4,  13  Theta  (0)  nicht  gerade  das  Todesurteil,  d^avoTogy  sondern  all- 
gemein das  Zeichen  der  Verurteilung  bedeutet  ^).  Desgleichen  bedeuten 
die  rami  der  littera  Samia(r)ganz  allgemein  das  Zeichen  des  Guten  und 
des  Bösen  im  menschlichen  Leben.  Das  war  S.  180  f.  zu  vermerken. 
Der  Index  (S.  335 — 390)  war  in  den  Index  nominum  und  den  Index 
latinitatis  Persianae  zu  teilen.  Allerdings  werden  ab  und  zu  in  dem 
Kommentar  Bemerkungen  über  die  sprachlichen  Eigenheiten  des  Persius 
eingestreut,  sie  entbehren  jedoch  der  Übersichtlichkeit.  Das  Latein  des 
Yerf.  ist  ein  durchaus  korrektes  und  mustergültiges ;  nur  hätte  ich  S.  67 
se  ortos  ferebant  besser  se  ortos  prciedicabanty  und  ibid.  . . .  ut  effeminatos 
eins  temporis  mores  notet  richtiger  eins  temporis  mores  descrihat,  ferner 

5.  214  tabellis  littera  Q  signatis  besser  insignitis  und  endlich  S.  239  com- 
paratio  abhabitando  desumpta  lieber  blofs  simpta  geschrieben.  S.  349 
Iftse  ich  lieber  in  sinu  condere  solebant  st.  ponere  solebant.  Ungenau 
ist  S.  138  u.  139  in  aedis  im  Kommentar  geschrieben,  obwohl  im 
Texte  in  aedis  steht  Alles  in  allem:  N^methy*s  Buch  ist,  die  anfQhrten 
Mängel  abgerechnet,  wegen  des  gediegenen  und  vortreflTlichen  Kommentars 
als  ein  sehr  willkommener  Beitrag  zu  einer  wissenschaftlichen  Persius- 
ausgabe  freudigst  zu  begrüfsen.  Möge  uns  letztere  doch  recht  bald  be- 
schieden sein! 

Laibach.  Josef  Sorn. 

267)  Eduard  Orofs,  Beiträge  zur  Erklärung  alter  Schrift- 
steller vornehmlich  durch  Hinweise  auf  die  deutsche  Literatur. 
Programm  des  Neuen  Gymnasiums  zu  Nürnberg.  Nürnberg  1902. 
72  S.  8. 
Der  in  den  Klassikern  und  in  der  neueren  Literatur  gleich  gut  be- 
wanderte Verf.  bietet  hier  eine  umfangreiche  Sammlung  von  Zitaten  aus 
neueren  Autoren,  die  als  Parallelen  zu  Stellen  aus  antiken  Schriftwerken 
zu  dienen  geeignet  sind.    Vielfach  sind  sie  nur  angeführt,  um  die  oft 
frappante  Übereinstimmung  in  Inhalt  und  Ausdruck,  zuweilen  auch  um 
den  kontrastierenden  Qedanken  zu  veranschaulichen.    Nicht  selten  aber  er- 


1)  Im  Egyetemes  Philologiai  Közlony.  XXVII.    1903.    Heft  1  n.  2  hat  der  Verf. 
Bchon  die  richtige  Erklärung.    Vgl.  Berl.  Philol.  Wochenschrift  Nr.  28,  Spalte  780. 


Nene  Philologische  Bundschaa  Nr.  22.  509 

geben  sich  daraus  zugleich  nützliche  Winke  fQr  eine  sinn-  und  form- 
gerechte  Übersetzung,  und  zuweilen  findet  der  Yerf.  dabei  Gelegenheit, 
auf  die  sachliche  Erklärung  mit  treffenden  Bemerkungen  einzugehen;  so 
S.  63  f.  zu  Horat.  Sat.  I,  20,  24  f.  Verf.  zeigt  dabei  eine  erfreuliche 
Belesenheit;  zu  seiner  Sammlung  haben  Luther  und  Bismarck,  Prinz 
Heinrich  und  Dewet,  die  Bibel  und  das  Kommersbuch  beigesteuert,  auch 
Döllinger  und  König  Ludwig,  wie  überhaupt  bayrische  Autoren  eine  be- 
sondere Berücksichtigung  gefunden  haben.  Das  sehr  verdienstliche  Schrift- 
chen möge  namentlich  allen  Lehrern  der  alten  Sprachen  warm  emp- 
fohlen sein. 

Büdingen.  O.  Dlaseldeln. 


268)  Edgax  J.   Gtoodspeed,   Oreek  Papyri  from  the  Cairo 
MuBeum  together  with  Papyri  of  Roman  Egypt  from  American 
Collections  (Printed  from  volume  V.  of  „The  Decennial  Publi- 
cations"  of  the  University  of  Chicago).    Chicago,  The  University 
Chicago  Press,  1902.    72  S.  4. 
E.  J.  Ooodspeed,   in   der   Papyrusforschung  bekannt  duroh   die 
Herausgabe  von  zwei  Berliner  Urkunden  (BOü  810,  811),  durch  die  mir 
nicht  zugängliche  Zusammenstellung  der  „Saatkornquittuugen^*  in,,  The 
University  of  Chicago  Studios  in  Class.  Philol.*'  III  p.  1—66   und  als 
zukünftiger  Mitherausgeber  des  zweiten  Bandes  der  Tebtynis-Papyri,  ver-* 
öffentlicht  hier  zunächst  15  Papyri  des  Museums  von  Kairo,  die  er  dort  im 
Jahre  1899  abgeschrieben  hat,  dann  12  Papyri  aus  einer  von  Beverend 
J.  B.  Alexander  aus  Asiüt  angelegten,  nunmehr  im  Museum  des  West- 
minster  College  in  New  Wilmington  (Pennsylvania)  aufbewahrten  Samm- 
lung, die  er  als  y,  Alexander  Papyri^'  bezeichnet  und  schliefslich  3  Pa- 
pyri seiner  eigenen  Sammlung,  von  ihm  bezeichnet  b]b  „Chicago  Papyri''. 
Von  den  Cairo  Papyri  gehören  Nr.  III — IX  der  Ptolemäerzeit  an, 
I,  II  und  X  dem  2.,  XI— XV  dem  4.  Jahrh.  n.  Chr.    Zwei  derselben 
(III  und  VII)  stammen  aus  dem  Faijüm,   V,  VI  und  IX  aus  QebelSn, 
XIII  und  XV,  wahrscheinlich  aber  auch  XI,  XII  und  XIV,  aus  ESmunSn 
(Hermopolis);   von  den  übrigen  ist,  wie  so  oft,   die  Herkunft  nicht  be- 
kannt. 

An  der  Spitze  stehen  zwei  literarische  Fragmente,  eine  Papyrushand- 
schrift des  2.  Jahrh.  n.  Chr.  von  o,  216—253  mit  einem  Obelos,  zwei 


510  Nene  Philologische  Rnndschan  Nr.  22. 

diTtlai  und  einem  SchoIioD  ^),  und  ein  kurzes  Brachstück  medizinischen 
Inhalts  über  die  Verdaulichkeit  irgend  eines  Stoffes  {iShjy  —  Nr.  III, 
Brief  des  Ptolemaios  an  Achilleus,  ist  die  Einleitung  zu  einem  Traum- 
bericht: €dd]^€  [fio]L  v{jö]v  Tttqi  rod  ögäf^avog  dtaaaq)f}aal  aoi  Z.  4  f.) 
also  ist  der  Adressat  wohl  Traumdeuter.  —  Die  aus  Briefen  der  Ftolemäer- 
zeit  bekannte  Qrufsformel,  z.  B.  P.  Petr.  II  No.  XI,  1:  xaAög  Ttoeig  d 
sQQcoaac  ycal  tcc  Xomi  aoc  y/xvä  yvüfiriv  iativy  iggtüf^ed-a  de  y,ai  ^fieig 
(ähnlich  ebendas.  No.  XIII,  6  p.  37),  die  an  das  lateinische  SVBEEV 
erinnert,  steht  hier  in  Nr.  lY  in  der  Form:  ei  eggtocai  xot  TÜXXa  aoi 
TLcträ  Idyov  laniv  evq  Sv  tbg  aigpiJiAe&a,  -Mxi  avroi  d'  iytaivof^ev.  — 
Nr.  V  ist  als  „Bestechungsversuch"  erkannt  und  erklärt  von  U.  Wilcken, 
Archiv  II,  578  f.  —  In  Nr.  VIII,  einem  Darlehenskontrakt  vom  Jahre 
111  V.  Chr.  ist  zu  beachten  n^igarig  t&v  TtQoayQaqxav  (Z.  3).  —  In 
Nr.  IX  aus  dem  1.  Jahrh.  v.  Chr.  verpflichtet  sich  Pates,  Sohn  des 
Panebchonis,  als  Zins  für  eine  von  ihm  gepachtete  Insel  45  Artaben 
Weizen  und  10  Vögel  ^oqvid^ag  c  Z.  8)  zu  entrichten:  also  Naturai- 
rente. —  In  Nr.  XII  vom  Jahre  340  n.  Chr.  bezeugen  Gol.  I  die  Beamten 
einer  Gemeinde  gegenüber  Aurelios  Asklepiades,  Praepositus  des  15.  Pagus 
des  Nomos  Hermopolites,  eidlich  die  Bichtigkeit  des  Col.  II—IV  folgenden 
Verzeichnisses  von  Steuerzahlern,  zu  deren  Namen  ihre  Leistungen  in 
Artaben  (Weizen)  zugesetzt  sind.  —  Nr.  XIII  (Cairo  Museum  10260)  ist 
ein  vorzuglich  erhaltener  Eaufkontrakt  des  Aurelius  Silvanus  von  341 
n.  Chr.  Die  mit  den  Worten  von  Z.  1 :  6(4oloy<Si  TteTtganivai  Tcat  yuxta- 
yeyQag)riy£vai  aoi  xord  ri^de  rijv  diaaipf  iyyQoi\(p\rjv  äaqxileiav  und 
durch  Z.  14  f.  bezeugte  doppelte  Ausfertigung  der  Urkunde  wird  bestätigt 
durch  das  Vorhandensein  des  Duplikates  (Ciairo  Museum  10259).  Aus- 
gefertigt ist  die  Urkunde  vom  awaXXayfiaToyQ(dq)og)^  dessen  Funktionen 
uns  immer  deutlicher  werden.  In  der  ausgeschriebenen  Stelle  wird  übrigens 
nach  dem  Sprachgebrauch  dieser  Zeit  eyygalcpjov  äatpaleiav  zu  schreiben 
sein,  wie  XV,  5,  trotzdem  an  letzterer  Stelle  das  Duplikat  P.  Cair.  10270 
Tiarei^Qaqyifiv  hat.  —  Bin  sehr  interessantes  Stück  ist  Nr.  XIV  vom  Jahre 
343  n.  Chr.,  wahrscheinlich  aus  Eimungn,  die  letzten  20  Zeilen  eines 
„contract   of  surety^'   für  den  Transport  von  Eorn  wahrscheinlich  von 


1)  V.  229  wird  ^fowtov  doch  wohl  Druckfehler  sein,  oder  dann  fehlt  wie  bei 
vMovTOiv  XII,  1, 11  eine  nähere  Angabe  über  die  Überlieferung,  während  zu  dfjLvvtofifv 
XIV,  19  bemerkt  ist  1.  6/jivvofi€v.  Aufgefallen  sind  mir  eine  Anzahl  von  Akzentfehlem, 
wie  XV,  7  h^ovn  st.  ivdpTi,  XXVn,  9  üxoXov^Gig,  XXIX,  3  &vyaTiiQ,  6  /uijti}^  u,  a. 


i 


Neue  Philologische  Bnndschaa  Nr.  22.  511 

Hermopolis  nach  Neapolis.  Diejenigen,  die  den  Transport  übernommen 
haben,  liefern  das  Getreide  unter  Vorweisang  eines  Verzeichnisses  des 
gelieferten  Getreides  ab  und  müssen  für  die  Ablieferung  eine  Empfangs- 
bescheinigung zurückbringen.  —  Nr.  XV  ist  eine  Klageschrift  der  Witwe 
Aurelia  betr.  Besitzstörung,  gerichtet  an  die  riparii  des  Nomos  Hermo- 
polites.  Zu  dieser  in  ganz  erbärmlichem  Griechisch  abgefafsten  Klage- 
schrift vom  Jahre  362  (P.  Cair.  10269)  ist  ebenfalls  der  Doppel  erhalten 
(No.  10270),  der  ziemlich  viele,  wenn  auch  inhaltlich  nicht  wesentliche 
Abweichungen  enthält,  die  Goodspeed  S.  22  verzeichnet.  Als  Name  des 
zweiten  Konsuls  vom  Jahre  362,  Nevitta,  soll  Z.  1  Bäovixtav  stehen, 
und  in  der  Tat  setzt  Goodspeed  in  der  Übersetzung  „Evittau^'  und  im 
Index  p.  74:  „Mamertinus  and  Euvittau,  Consuls."  Kaum  richtig  ist 
Z.  3  0\i\ßi.6\g\  vielleicht  (D\a\ßio\v^  In  Z.  14  übersetzt  Goodspeed 
xa^  hAxara  mit  „ particularly " ;  es  heifst  aber  doch  wohl  „immer"  = 
•Mx^  huküTriv  ^(iigav.  Z.  16  ist  zu  lesen  rö  dvMiv  (nicht  owdiv)  = 
orödtoPy  „Eselchen".  Z.  24  ergänze  ich  tgölrtwc  /uij^m]  und  fasse  ^Tti- 
X*[ijy]  nicht  als  ini^d^v  von  sTtaytOy  da  die  Schreibung  ij  für  e  beim 
Itacismus  unwahrscheinlich  ist,  sondern  als  rjndx^  ^^^  irtetycoy  „ich 
wurde  gedrängt". 

Von  den  Alexander  Papyri,  Nr.  XVI— XXVII,  sind  acht  Saat- 
kornquittungen des  2.  Jahrh.  n.  Chr.  aus  Karanis  (Köm  üäim),  vervoll- 
ständigen also  die  oben  erwähnte  Sammlung  Goodspeeds.  Sie  gehören 
aufser  Nr.  XVII,  die  ins  Jahr  144/5  fällt,  alle  ins  22.  Jahr  des  An- 
toninus,  also  158/9  n.  Chr.  Das  wenige  Neue,  das  sie  bieten,  wie  die 
Nennung  der  82.  und  88.  Kleruchie,  den  ausgeschriebenen  Pluralis  x^ij- 
Qovxiav  (XVII,  2),  das  Fehlen  der  Angabe  der  Aruren  und  Artaben  in 
Nr.  XX,  verzeichnet  Goodspeed  gewissenhaft,  der  auch  S.  23  nach  Mit- 
teilungen Grenfeirs  einige  Korrekturen  an  seiner  früheren  Publikation 
anbringt.  Sonst  wäre  von  diesen  Alexander  Papyri  etwa  noch  zu  er- 
wähnen Nr.  XXV,  Bestätigung  über  die  Ableistung  der  Ttev^iieqia  x«- 
(juxTiovy  des  bekannten  Fünftagewerkes  bei  der  Ausbesserung  der  Dämme, 
hier  am  Wüstenkanal,  iv  ÖQivfj  {di(l)Qvxt%  ebenfalls  aus  Karanis  vom  Jahre 
161  n.  Chr. 

Von  den  drei  Papyri  aus  Goodspeed*s  eigener  Sammlung,  den  Chi- 
cago Papyri,  ist  das  merkwürdigste  Stück  Nr.  XXVIII,  ein  Fahr- 
schein für  eine  Person,  offenbar  für  eine  Fahrt  auf  dem  durch  Karanis 
führenden  Kanal.    Ein  ähnliches,  aber  weniger  gut  erhaltenes  und  darum 


512  Nene  PhilologiBche  BandBchan  Nr.  22. 

nicht  80  deutliches  Stfick  ist  P.  Amh.  II  p.  149  mitgeteilt.    Der  Chicago 
Fahrschein,  ein  StQck  Papyrus  von  6  X  ^  ^™i  lautet: 
ÜTolBfialog  [tp]  Ilavof^uwg 
erclfcXovg  änb  Kaqavidog 
^laidtoQOv  ^laidwQOv  'Kvß{eifvifjtov) 
laog  TcXi^Qrig 

Die  letzten  zwei  Worte,  die  Qoodspeed  übersetzt  „even  fuU",  sind 
noch  unerklärt,  namentlich  l'aog;  daran  aber,  dars  IninXovg  von  dem  die 
Befrachtung  fiberwachenden  Beamten  („supercargo'^  zu  verstehen  sei, 
darf  man  schon  wegen  Xaog  nh^^gy  das  sich  doch  wohl  auf  das  Fahrzeug 
bezieht,  nicht  denken. 

Nr.  XXIX  sind  Fragmente  aus  dem  Protokoll  Aber  einen  Prozefs 
betreffend  das  Testament  des  Soldaten  Amatius  Priscus  aus  der  Mitte  des 
2.  Jahrh.  n.  Chr.  (icvriyqafpov  iTtOfinifiaTiafiöv).  Der  Herausg.  hätte 
ganz  wohl  in  Col.  II/III  die  Interpunktion  setzen  können.  ^Pbeq)og  Gol. 
III,  4  ist  offenbar  der  Präfekt,  der  Becht  spricht  und  verffigt:  eAp  aoi 
d6^y  lAeadtrpf  ^f^elv  36g,  %va  ij  dvTidr/,og  äTtoxaTaav^af]  t^  awrffOQOV" 
fievij  TÖ  InfoafjyLov  fiegog]^  wie  ich  etwa  zu  ergänzen  vorschlagen  möchte. 

Das  umfangreichste  Stück  der  Publikation  ist  Nr.  XXX,  ein  Wirt- 
schaftsbuch aus  Earanis  (S.  30 — 73),  erhalten  auf  einer  Bolle  von 
über  2^  Meter  Länge.  Diese  Bolle  enthält  Eintragungen  vom  Oktober  191 
bis  April  192  n.  Chr.  und  bildet  eine  wichtige  Parallele  zu  dem  eben- 
fialls  umfangreichen,  über  100  Jahre  älteren  Haushaltungsbuch  des  Briti- 
schen Museums,  P.  Lond.  I,  131  B  (p.  169—188).  Der  Chici^o  Papyrus, 
der  in  manchen  Einzelheiten  noch  nicht  verstanden  ist,  auch  wohl  da 
und  dort  noch  genauer  gelesen  werden  mufs,  ist  besonders  deshalb  wichtig, 
weil  hier  nicht  blofs  die  Ausgaben  für  den  landwirtschaftlichen  Betrieb 
aufgeführt  sind,  wie  im  Londoner  Papyrus,  sondern  weil  in  den  47  Ko- 
lumnen über  1200  Einnahme-  und  Ausgabeposten  für  die  verschiedensten 
Zweige  eines  grofsen  Haushaltes  nebeneinander  stehen  und  zwar  so,  daCs 
die  Ausgabeposten  jeweiien  ein  wenig  nach  rechts  hinausgerückt  sind. 
Für  die  Datierung  und  manche  Einzelheit  durfte  sich  Qoodspeed  noch  der 
Hilfe  des  scharfsinnigen  Fritz  Krebs  erfreuen,  dessen  frühen  Hinschied 
man  neuerdings  als  schweren  Verlust  für  die  Wissenschaft  empfinden 
mufs.  Die  Einnahmen  rühren  her  vom  Verkaufe  von  Wein,  Gemüse,  öl, 
Datteln,  im  allgemeinen  aber  werden  sie,  ohne  Angabe  der  Spezies, 
bezeichnet  als  kommend  von  Hatres  oder  Dioskoros  oder  Eonchos  oder 


Nene  Philologische  Rimdsohan  Nr.  22.  513 


Arches,  von  denen  jeder  etwa  40  Zahlungen  geleistet  hat,  während  von 
Sotas  über  25  und  von  Gaius  etwa  ein  Dutzend  aufgeführt  werden.  Good- 
speed  S.  33  betrachtet  sie  gewifs  mitBecht  als  „agents  or  cöüedors  of 
the  wrikr*s  ^^  die  von  Zeit  zu  Zeit  ihre  BetrSge  an  den  Herrn  ablieferten. 
Aufserdem  sind  auch  erwähnt  Einnahmeposten  von  f^iadtazal,  Pächtern, 
und  mehrfach  solche*  von  fna-^unai  niqio%eq{fItviav\  Pächtern  von  Tauben- 
schlägen. Unter  den  Ausgabeposten  erscheinen  Zahlungen  an  Binder- 
und Schafhirten,  Esel-,  Kamel-  und  Ochsentreiber,  Weber,  Ziegeleiarbeit-er, 
Zimmerleute,  Gipser,  Bauleute,  Wachmannschaften,  an  den  Töpfer,  Eleider- 
reiniger,  Goldschmied,  Sattler,  Advokaten,  an  Banken,  Steuereinnehmer 
aller  Art,  dann  Zahlungen  durch  die  „  Agenten  ^^  an  Arbeiter,  die  bei  der 
Ölfabrikation  beschäftigt  sind,  und  an  andere  Arbeiter/  Die  Posten  betreffen 
Ausgaben  für  Vieh,  Esel,  Schweine,  Tauben,  Hühner,  Fische,  Wasser, 
Wein,  öl,  Fett,  Heu,  Grünfutter,  Sesamkuchen,  Weizen,  Gerste,  Wicke, 
Kalbfleisch  und  anderes  Fleisch,  Kapern,  Schwefel,  Salz,  Erbsen,  Gemüse, 
Weberfaden  und  zwar  Kettenfaden  (or^juaiy)  und  Einschlag&den  (x^xi;), 
Werg,  Kleidung,  Schuhe,  Säcke,  Flachs,  Löhne,  Geldwechseln  (?),  Arbeits- 
löhne, Beleuchtung,  für  die  Ernte,  und  zwar  sehen  wir  aus  Kol.  40,  wie 
zur  Zeit  der  Ernte  die  verschiedenartigsten  auf  dem  Gute  beschäftigten 
Handwerker  zur  Bewältigung  der  grofsen  Arbeit  herangezogen  wurden, 
ferner  für  Eamelmiete,  Frachten,  Heilmittel,  Pflaster,  Essen  und  mancherlei 
Steuern,  namentlich  zahlreiche  nicht  näher  zu  bestimmende  Zahlungen  an 
die  tBkCävai.  Wir  erhalten  hierbei  gelegentlich  interessante  Aufechlüsse  über 
Warenpreise:  ein  -^dpiiov  Wein  kostet  16  Drachmen,  eine  Artabe  Weizen 
18—20  Drachmen,  Wicken  18  Drachmen,  Gerste  etwas  über  10  Drach- 
men. Schade,  dafs  zu  den  Geldsummen  im  allgemeinen  das  Quantum 
nicht  zugesetzt  ist,  also  die  Berechnung  der  Preise  meistens  unmöglich 
ist.  Zu  einzelnen  Posten  und  Lesungen  wäre  auch  nach  dem,  was 
W.  Crönert,  Wochenschr.  f.  klass.  Phil.  1903,  Nr.  27,  S.  732—735,  be- 
merkt hat,  noch  dies  und  jenes  nachzutragen.  Mit  Bücksicht  auf  den 
verfugbaren  Baum  beschränke  ich  mich  auf  die  Bemerkung,  dafs  i{7teq) 
f4aXayfidt{(av)  C&jy{ovg)  Kol.  10,  6,  „für  ein  Paar  Pflaster"  zu  xpwf^iuv 
M^yj  £6  in  P.  Grenf.  II,  67,  14  zu  stellen  ist;  vgl.  Wilcken,  Ostr. 
I,  756  und  dazu  noch  P.  Oxy.  II,  267,  6  haniwv  x^voCüv  Ceöyovg  kvög 
und  Z.  18  TÖ  tOv  evwuuv  ^eCyog,  Kol.  14,  25  dürfte  vielleicht  etwa 
zu  ergänzen  sein  i{7tiQ)  yu)7tfjg  dv9'Q[(iyuitry]  oder  difd-glaiuditov]^  „für  das 
Verkleinern  von  Brennkohle".    Das  Hauptinteresse,   das  dieser  Papyrus 


5l4  Keue  Philologische  fiundschan  Kr.  22. 


bietet,  besteht,  wie  auch  diese  Skizzierung  seines  Inhaltes  zeigen  düifte, 
in  zahlreichen  Einzelheiten.  Er  gestattet  uns,  einen  Blick  zu  tun  in  die 
mannigfaltigen  Bedürfnisse  und  den  Warenumsatz  einer  grofsen  Gutswirt- 
schaft, verschafft  uns  aber  leider  kein  grofses  zusammenhängendes  Eultur- 
bild  in  klaren  Umrissen. 

Den  Schlufs  des  Bandes  bilden  sorgfältige  Indices,  in  denen  man 
etwa  einen  Ausdruck  ein  wenig  vollständiger  wfinschte,  z.  B.  eTzifiekrffijg 
oYvov  äpaq)eQOfji€vov  dg  Qrißatda  statt  des  blofsen  ircifÄeXriTijgf  oder  Tt^oa- 
6Ö0V  {yfl)  statt  ngdoodog,  und  öfioloyia,  ^  Ixdiy  xai  üvif%wqffysag  ed-ero 
statt  blofs  awxwqüv.  Zu  verbessern  ist  ev8iaq>6qr{tog  und  nachzutragen 
üirv  fcavri  11,  11  und  das  rätselhafte  7tXiaai;{)  30,  29,  23. 

Frauenfeld  (Schweiz).  Otto  SohoHhefli. 

269)  Eduard  Meyer,  Geschichte  des  Altertums.    Vierter  Band: 

Das  Perserreich  und  die  Griechen.    Drittes  Buch:  Athen 

(vom  Frieden  von  446  bis  zur  Kapitulation  Athens  im  Jahre, 

404  V.  Chr.).    Stuttgart  und  Berlin,   J.  G.  Cottas  Nachfolger 

1901.     X  u.  666  S.  8.  J$  12.-. 

Über  den  dritten  Band  von  M.s  hervorragendem  Werke  habe  ich  in 

dieser  Zeitschrift  (Jahrg.  1901,  S.  562  ff.)  berichtet;  nach  den  Intentionen 

des  Verf.  sollte  das  dritte  und   vierte  Buch   die   Fortsetzung  bis  zur 

Schhcht  von  Mantinea  in  einem  Band  enthalten.   Aber  auch  jetzt  zwang 

die  FfiUe  des  Stoffes  zu  einer  weiteren  Teilung  und  M.  mufste  sich  damit 

begnügen,  in  diesem  Bande  die  Geschichte  Athens  von  446  bis  404  zu 

behandeln.    Die  gelehrte  Welt  kann  damit  nur  einverstanden  sein,  denn, 

wie  der  vorliegende  Band  zeigt,  wäre  eine  Beschränkung  zum  Schaden  der 

Sache  gewesen. 

Der  vierte  Band  enthalt  zum  Unterschied  von  den  früheren  nur 
griechische  Geschichte  (daneben  wird,  soweit  es  notwendig  ist,  die  per- 
sische Geschichte  berfihrt);  dies  bedeutet  kein  Abweichen  von  dem 
universalhistorischen  Programm  des  Verf.,  denn  in  diesem  Zeitraum  fällt 
die  üniversalhistorie  tatsächlich  mit  der  Geschichte  der  Hellenen  zusammen. 
Dies  gilt  nicht  blofs  fSr  die  politischen  Ereignisse,  sondern  ebenso  und 
noch  mehr  für  die  Geschichte  der  Kultur;  der  Verf.  hat  daher  der  Kultur 
des  perikleischen  Zeitalters  und  den  geistigen  Strömungen  während  des 
peloponnesischen  Krieges  eine  eingehende  Darstellung  zuteil  werden  lassen. 
Um  das  Urteil  über  diese  Kapitel  (3.  4.  7)  gleich  vorwegzunehmen,  so 


Nene  Philologische  Randschaa  Nr.  22.  515 


sei  gesagt,  dafs  sie  glänzend  sind  und  den  Höhepunkt  dieses,  wie  die 
früheren  Teile  des  Werkes,  ebenso  dnrch  tiefeindringende  Forschnng  als  hohe 
und  weitsichtige  Auffassung  ausgezeichneten  Bandes  bilden.  Interessant 
ist  schon  der  Versuch,  die  Daten  der  Literaturgeschichte  zur  Beurteilung 
der  materiellen  und  geistigen  Leistungsfähigkeit  Athens  zu  yerwenden; 
das  Ergebnis  ist  fQr  die  Produktionskraft  des  attischen  Volkes  erstaunlich. 
Am  wichtigsten  erscheint  die  Formulierung  der  Probleme,  welche  zu  Anfang 
dieses  Zeitalters  die  griechische  Welt  bewegten:  einerseits  die  Unverbrfich- 
lichkeit  des  Sittengesetzes,  anderseits  die  Tatsache,  dafs  den  Gottlosen  keine 
Strafe  trifft;  einerseits  die  Verpflichtung  des  Gesetzes,  auf  der  anderen 
Seite  das  Recht  der  Persönlichkeit;  die  Existenz  der  Götter  und  die  Zu* 
yerlftssigkeit  der  Orakel,  dagegen  der  Zweifel  an  dem  göttlichen  Welt- 
regiment. Das  grofse  Verdienst  M.s  ist  es  nun  gezeigt  zu  haben,  dafs  die 
Weltanschauung  des  perikleischen  Zeitalters  durch  Herodot  und  Sophokles 
repifisentiert  wird  und  auf  welche  Weise  dieselbe  die  angedeuteten  Pro- 
bleme zu  löeen  suchte:  ihr  Grundzug  ist  bei  allem  Wirklichkeitssinn 
idealistisch  und  religiös,  die  Allmacht  der  Götter  und  ihr  Eingreifen  wird 
festgehalten,  ebenso  das  Sittengesetz.  Allein  die  Keime,  die  zur  Zersetzung 
dieser  einheitlichen  Weltanschauung  führten,  sind  schon  yorhandeu:  das 
Sittengesetz  tritt  in  Gegensatz  zu  dem  Götterglauben,  das  Becht  des  Indi- 
yidualismus  übt  Kritik  an  dem  Begriff  des  Gesetzes.  Der  entschiedenste 
Prophet  der  modernen  Ideen  ist  Euripides.  Der  grolse  Fortschritt,  den 
M.  angebahnt  hat,  besteht  darin,  nachgewiesen  zu  haben,  was  bisher  meist 
fibersehen  wurde,  dafs  die  aus  der  Zeit  der  Perserkriege  stammende  Kultur 
nicht  unmittelbar  durch  die  Sophistik  abgelöst  wurde;  er  hat  es  zum 
ersten  Male  unternommen,  den  geistigen  Gehalt  des  perikleischen  Zeitalters 
völlig  auszuschöpfen.  Diese  Betrachtungen  werden  im  Kap.  4  fort- 
gesetzt, in  dem  sich  riele  feine  und  treffende  Bemerkungen  über  den 
Fortschritt  der  Kunst  und  Über  die  Anfänge  der  exakten  Wissenschaften 
finden,  durch  die  Charakterisierung  der  Sophistik ;  ihr ,  speziell  Protagoras, 
haben  wir  die  theoretische  Begründung  des  Individualismus  zu  verdanken. 
In  durchweg  objektiver  Weise  werden  sowohl  die  Verdienste  als  aueb  die 
Ausartung  der  Sophistik  charakterisiert  (S.  268  ff.).  Im  Kap.  7  (,Die 
geistigen  Kämpfe  während  des  Krieges^)  führt  der  Verf.  diese  Unter- 
suchungen weiter;  er  schildert  den  Kampf  um  die  moderne,  durch 
die  Sophistik  vertretene  Bildung,  den  Widerstand,  den  sie  sowohl  bei  der 
demokratischen  als  der  konservativen  Partei  fand,  und  die  merkwürdige 


516  Nene  Philologische  Rundschau  Nr.  22. 

Erscheinung,  dars  trotz  alledem  beide  Partelen  durchaus  von  dem  mo* 
dernen  Geiste  infiziert  wurden.  Die  Oberwindung  der  in  ihren  letzten 
Ergebnissen  nihilistischen  Sophistik  ist  Sokrates  zu  verdanken,  den  M. 
eingehend  behandelt.  Sokrates'  unvergängliches  Verdienst  ist,  was  an 
der  Sophistik  lebensfähig  und  fruchtbar  war,  für  die  Zukunft  gerettet 
und  damit  eine  neue  Kultur  begründet  zu  haben,  durch  seine  Über- 
zeugung von  der  Eealität  der  Begriffe,  durch  die  Einführung  des  kate- 
gorischen Imperativs  und  die  Loslösung  der  Moral  von  der  Religion.  Die 
Negation  der  Sophistik  wird  durch  Sokrates'  Positivismus  überwunden.  Die 
echt  historische  Würdigung  von  Sokrates'  Bedeutung  (zusammenfassend 
S.  459  ff.)  ist  um  so  wertvoller,  als  vor  kurzer  Zeit  gerade  vom  modernen 
Standpunkt  aus  Beloch  über  Sokrates  den  Stab  gebrochen  und  ihn  als 
Vertreter  der  geistigen  Seaktion  hingestellt  hat. 

Es  braucht  nicht  versichert  zu  werden,  dafs  die  der  politischen  Oe- 
schichte  gewidmeten  Abschnitte  dieses  Bandes  an  Gehalt  nicht  zurück- 
stehen, ganz  abgesehen  davon,  dafs  es  schon  an  sich  interessant  ist,  das 
Urteil  eines  so  bedeutenden  Historikers  wie  E.  Meyer  über  eine  so  wich- 
tige Zeit  kennen  zu  lernen.  In  erster  Linie  gilt  dies  von  seiner  Charak- 
teristik des  Perikles,  der  in  den  letzten  Jahren  eine  so  verschiedene 
Beurteilung  erfahren  hat.  M.  urteilt,  gewifs  mit  Recht,  über  ihn  gunstig 
—  manchmal  vielleicht  zu  günstig,  wenigstens  was  P.s'  Finanzpolitik 
anlangt,  gegen  welche  Busolt  begründete  Bedenken  erhoben  hat;  er  weist 
darauf  hin,  wie  sich  Perikles  aus  einem  Demagogen  zum  Staatsmann  ent- 
wickelte und  seit  450  Athen  durchaus  in  staatsmännischem,  den  realen 
Verhältnissen  Rechnung  tragendem  Sinn  leitete,  und  wie  der  Kern  seines 
Wesens  ein  vornehmer  Idealismus  war,  der  wie  die  Stärke,  allerdings  auch 
die  Schwäche  seines  Wesens  bezeichnet.  Was  man  als  seine  historische 
Schuld  bezeichnen  darf,  ist  zweierlei:  dafs  Athen  an  der  Verfassung  zu- 
grunde ging,  welche  er  ihm  gegeben  hat;  und  dafs  er  sich  nicht  über 
den  engherzigen  Standpunkt  der  radikalen  Demokratie  bezüglich  des  Bürger- 
rechtes zu  erheben  vermochte.  Zutreffend  bezeichnet  M.  diese  Bürgerrechts- 
politik Athens  als  die  Hauptursache  des  Scheiterns  seiner  hegemonischen 
Pläne.  Gewissermafsen  einen  Beitrag  zur  Charakteristik  des  Perikles  bilden 
auch  M.s  Ausführungen  über  den  Ausbruch  des  pel<^onnesischen  Krieges; 
seine  Ansichten  darüber  waren  schon  aus  Band  II  seiner  Forschungen 
zur  alten  Geschichte  bekannt.  Meines  Erachtens  ist  dieses  schwierige 
Problem  jetzt  durch  M.  in  abschliefsender  Weise  aufgeklärt,  die  Ansicht 


Nene  Philologische  Rundschaa  Nr.  22.  517 

endgültig  widerlegt,  dars  Perikles  Athen  in  den  Krieg  hineingezogen  habe, 
nm  den  Anfechtungen  gegen  seine  Stellung  im  Innern  zu  entgehen,  das 
Dilemma,  in  welches  Athen  durch  den  Streit  zwischen  Eorinth  und  Eor- 
kyra  geriet,  dargelegt  und  die  unnachgiebige  Haltung,  welche  Perikles 
gegenüber  den  Forderungen  der  Peloponnesier  einnahm,  gerechtfertigt; 
die  Unnachgiebigkeit  der  Athener  wurde  durch  das  megnrische  Psepbisma 
markiert,  das  M.  überzeugend  in  den  Herbst  432,  nach  Potidaeas  Abfall, 
setzt.  Ich  sehe  in  diesen  Erörterungen  M.s  einen  bedeutsamen  und  ebenso 
wichtigen  Fortschritt  unserer  geschichtlichen  Erkenntnis,  wie  in  seiner  ein- 
gebend ebenfalls  im  zweiten  Baude  der  Forschungen  verteidigten  Ansicht, 
dafs  die  politische  Lage  des  Jahre  425,  die  durch  Eleon  verschuldete  Zurück- 
weisung des  spartanischen  Friedensanbotes  die  Peripetie  des  Krieges  für 
Athen  bedeutete,  und  in  der  Darlegung,  dafs  der  Nikias-Frieden  für  Athen 
grofse  Vorteile  darbot,  wenn  es  nur  verständen  hätte,  dieselbe  in  ver- 
ständiger Weise  auszunützen.  Für  die  folgende  Zeit  ist  in  erster  Linie 
M.s  Urteil  über  Alkibiades  von  Interesse.  Es  ist  entschieden  ungünstig 
und  der  diametrale  Gegensatz  zu  der  Verherrlichung  des  Alkibiades  durch 
E.  Gurtius;  M.  charakterisiert  ihn  als  echten  Jünger  der  Sophisten,  von 
schrankenlosem  Egoismus,  der  nur  von  dem  Streben  geleitet  war,  die 
Herrschaft  über  Athen  und  Hellas  zu  gewinnen.  Sein  Verhalten  in  der 
Zeit  nach  dem  Nikias-Frieden  und  sein  Streben,  den  Krieg  wieder  zu  ent- 
zünden, war  gegen  das  Interesse  seines  Heimatsstaates,  der  dringend  den 
Frieden  brauchte;  auch  der  sizilische  Zug,  den  Alkibiades  als  Mittel 
benützen  wollte,  um  seine  Alleinherrschaft  aufzurichten,  überstieg  die 
Kräfte  Athens.  Nikias*  Tätigkeit  in  Sizilien  schätzt  M.  meines  Erach- 
tens  zu  günstig  ein,  so  besonders  wenn  er  ihm  das  offensive  Vorgehen 
gegen  Syrakus  im  Jahre  414  zuschreibt.  Vortrefflich  ist  wiederum  die 
Schildemng  der  von  Athen  seit  dem  Jahre  414  verfolgten  allgemeinen 
Kriegspolitik  (S.  523 ff.);  M.  betont  mit  Recht,  dafs  die  Unterstützung 
des  Amorges  der  Hauptgrund  war,  dafs  Persien  seine  neutrale  Stellung 
aufgab  und  sich  Athens  Gegnern  zugesellte.  Doch  halte  ich  seine  An- 
sicht (S.  555),  dafs  die  Initiative  zum  Eintritt  in  den  Krieg  von  Persien 
ausging,  für  fraglich.  In  der  Darstellung  des  dekeleischen  Krieges  ist 
wieder  auf  die  Charakteristik  Lysanders  hinzuweisen,  der  hier  als 
Gegenbild  des  Alkibiades  auf  spartanischer  Seite  —  gleich  dem  er  voll- 
kommen egoistischer  Interessenpolitiker  war  —  aufgefafst  wird.  Das 
milde  Verhalten   Spartas  gegen  Athen    bei    dem   Friedensschlüsse    wird 


518  Nene  Philologische  Baodsohan  Nr.  22. 

gebOhrend  hervorgehoben  und  mit  Recht  aaf  ideale  Motive  zarfick- 
geführt. 

Ich  habe  mich  soviel  als  möglich  bemfiht,  die  grofsen  Züge  von  M.s 
Darsiellung  herauszoarbeiten ,  denn  auf  ihnen  beruht  in  erster  Linie  die 
Bereicherung  der  historischen  Anffossang,  welche  wir  ihm  verdanken.  Es 
ist  natürlich,  und  schon  zu  Anfang  von  mir  betont,  daTs  M.  auch  in  einer 
grofsen  Reihe  von  Einzelheiten,  die  kritischer  oder  zweifelhafter  Natur 
sind,  die  Forschung  erheblich  gefordert  hat,  z.  R  über  die  Zeit  des  pan- 
hellenischen Kongresses,  den  Perikles  plante,  dessen  Fahrt  in  den  Pontus, 
den  Umsturz  der  400  im  Jahre  411,  die  Chronologie  des  dekeleischen 
Krieges  und  der  Arginusensehlacbt  u.  a.  m.  Die  deutsche  Oeschichte- 
wissenhaft  hat  alle  Ursache,  auf  dieses  Werk  stolz  zu  sein. 

Prag.  Heiarloh  Swoboda. 

270)  E.  Bruhn,  HUfsbueh  ftkr  den  griechiBchen  ITntenicht 

nach  dem  Frankfurter  Lehrplao.  I.  Teil:  Übersetzungsstoff, 
X  und  231  S.;  II.  Teil:  Wortkunde  und  Deutsch  -  Griechisches 
Wörterverzeichnis,  88  und  56  S.  8.    Berlin,  Weidmann,  1903. 

Jk  4.40. 
Der  I.  Teil  enthält  den  Vorkurs,  Hauptkurs,  es  folgen  die  zugehörigen 
deutschen  Übungsstücke  und  freie  Aufgaben. 

Der  Vorkurs  hat  den  Zweck,  den  Unterricht  so  zu  fordern,  dafs 
am  Anfang  des  zweiten  Quartals  mit  der  Xenophonlektüre  begonnen  werden 
kann  (Vorw.  III);  er  bringt  in  20  Lektionen  das  Hauptsächlichste  aus  der 
Flexion  der  Substantiva,  Adjektiva,  Pronomina,  Verba  auf  ia  (L,  III.,  IV.  Kl.), 
aco,  €01,  aus  der  Syntax  die  Lehre  vom  Artikel,  vom  Oebrauch  des  Kon- 
junktivs und  Optativs,  von  den  irrealen  Bedingungssätzen.  Anordnung 
und  Verteilung  dieses  Pensums  wird  man  billigen  und  empfehlen  können ; 
vielleicht  sind  die  Pronomina,  so  wichtig  sie  sind,  doch  etwas  zu  stark 
betont.  Im  übrigen  setzt  dieser  Teil  all  die  Vorteile  des  Frankfurter 
Beformsystems  voraus:  der  freiere  Lehrplan  ermöglicht  durchweg  Einzel- 
Sätze;  die  lateinischen  Vorkenntnisse  ermöglichen  z.  B.,  den  Qebrauch  des 
Konjunktivs  und  Optativs  (XH,  XIV)  durch  Vergleich  mit  den  lateinischen 
Erscheinungen  zu  behandeln  und  in  den  Übungssätzen  „dem  Schüler  alte 
Bekannte  aus  dem  Wulfifschen  lateinischen  Lesebuche  in  ursprünglicher 
Gestalt  vorzufuhren"  (Vorw.  IV);  erhöhte  Stundenzahl  und  reifere  Schüler 
gestatten  rascheres  Vorgehen  und  gröfsere  Anforderungen  an  die  Arbeits- 


Nene  Philologische  Bandschan  Nr.  22.  519 

kraft;  und  diese,  nur  wenig  entlastet  z.B.  durch  den  Verzicht  auf  das  Er- 
lernen der  Ferfektformen,  wird  durch  die  Schwierigkeit  der  Übutigssätze 
und  besonders  was  die  Yokabelerlemung  betrifft,  aufs  straffste  angespannt: 
für  die  einzelne  Lektion  sind  durchschnittlich  50  Wörter  zu  lernen;  diese 
Anforderung  ist  durchfahrbar,  wenn  diese  ünterrichtsart  zum  ersten  Male 
mit  bevorzugten  Schülern  versucht  wird,  undurchführbar,  wenn  dieses 
System  weitere  Verbreitung  finden  sollte,  und  durch  die  notwendig  ein- 
tretende Überbfirdttng  geradezu  eine  Gefahr  ^)  ffir  den  griechischen  Unter- 
richt selbst 

Allgemeinere  Bedeutung  wird  man  dem  Hauptkurs  zuerkennen,  der 
in  16  Lektionen  im  Anschlufs  an  das  L  und  IL  Buch  der  Anabasis  das 
Pensum  des  Vorkurses  zusammenfafst  und  vervollständigt  und  aus  der  Syntax 
das  Wichtigste  bringt.  Dieser  Teil  wird  in  jedem  Unterricht  als  gute 
Grundlage  die  nenkönnen  aus  der  grammatischen  Vertiefung  der  beiden  ersten 
Bficher,  in  seiner  Anordnung  darin  neu  und  durchaus  zu  billigen,  dafs  die 
Lehre  vom  Infinitiv  und  Partizipium,  vom  einfachen  und  zusammengesetzten 
Satze  der  Easuslehre  vorangeht,  so  dafs  dem  Schüler  zuerst  das  geboten 
wird,  was  er  vor  allem  braucht,  um  ein  griechisches  Satzgefüge  richtig 
aufzufassen  (Vorw.  IV). 

Die  Paradestficke  der  freien  Aufgaben,  die  S.  215  Jamben  aus 
Eur.  Hipp.  (v.  1437—39)  retrovertieren  und  zum  Schlufs  Caes.  bell. 
Gall.  V,  27 — 38  —  ein  lateinisch  schon  nicht  leichtes  Stück  —  über- 
setzen lassen,  fallen  völlig  aus  dem  Bahmen,  in  welchem  das  Gymnasium 
sein  Ziel  im  griechischen  Unterricht  gesteckt  sieht 

Der  II.  Teil,  die  Wortkunde,  bringt  satzweise  geordnet  die  Wörter 
zu  den  einzelnen  Lektionen;  die  Präparation  zu  den  beiden  Büchern  des 
Xenophon  kann,  da  sie  den  Vorkurs  zur  Voraussetzung  hat,  als  allgemein 
anwendbare  Präparation  nicht  gelten.  Beigegeben  ist  diesem  Teile  ein 
herausnehmbares  Deutsch -(Lateinisch-)  Griechisches  Wörterverzeichnis  mit 
guten  Übersetzungen  auch  der  lateinischen  Ausdrücke. 

Druck  und  Ausstattung  beider  Teile  ist  mustergültig. 

Laubach  (Hessen).  F.  AdMni« 


1)  Eine  Ge&hr,  die  auch  fdr  die  Reformsohnlen  nach  Frankfurter  Lehrplan  nicht 
anbedenklich  zu  aein  scheint  nach  dem,  was  ans  dem  Berichte  C.  Liermanns:  Beform- 
schnlen  nach  Frankfurter  nnd  Altonaer  System  I  1903  hervorgeht.  Vgl.  dazu  den 
Aufsatz  P.  Cauers  in  N.  JB.  1903,  XII,  283  ff. 


Nene  Philologische  Rundschau  Nr.  22. 


irandti  Jonas  und  Loeber,  Übungsbuch  zum  Übersetzen 
aus  dem  Deutschen. ins  Lateinische.     I.  Teil:  Quarta 
von  Karl  Brandt,   III.  Teil:  Untersekunda  von  Klchard 
Jonas.    Leipzig,  G.  Freytag,  1903.    8.         Jeder  Teil  Ji  1.60. 
>iese  beiden  Übungsbücher  sind  den  Forderungen  der  preufsischen 
läne  von    1901    entsprechend   ausgearbeitet    Sie  gleichen  sich  im 
.ren  und  in  der  Anlage;  zu  den  einzelnen  Stücken  sind  am  Ende  des 
les  die  nötigen  Vokabeln  gegeben,  während  im  Texte  des  ersten  Teiles 
üge  Übersetzungshilfen  nicht  allzu  zahlreich  in  verständiger  Weise  bei- 
igt sind,  im  dritten  Teile  aber  immer  mehr  zurücktreten  und  schliefs- 
1  fast  gar  nicht  mehr  sich   finden.     Am   Schlufs   beider  Teile  sind 
3h   einige   für  die  Stufen  passende  Synonyma  und   kurze    stilistische 
3geln   beigegeben.     Sind   schon   im   ersten   Teile   die   meisten   Stücke 
isammenhängende  Erzählungen  über  hervorragende  Persönlichkeiten  der 
.riechischen  und  römischen  Geschichte,  in  denen  der  allgemeine  Sprach- 
schatz der  Klasse  verarbeitet  ist,  so  sind  in  dem  dritten  Teile  Einzelsätze 
gar  nicht  mehr  enthalten,  vielmehr  sind  die  Beden  Ciceros  für  Sex.  Boscias 
—  diese  Bede  möchte  ich  allerdings  in  II  B  nicht  lesen  — ,   und  gegen 
Catilina,   sowie  Liv.  I  und  II  in  angemessener  Weise  bearbeitet,   ohne 
indessen  zu  blolsen  Metaphrasen  herabzusinken.    Ein  grofser  Teil  dieser 
Stücke   läfst  sich  auch  für  Klassenarbeiten  in  II  A  verwerten.    —   Ich 
glaube  die  beiden  Übungsbücher  durchaus  empfehlen  zu  können. 

Bflckeburg.  E.  KShler. 

272)  Edmund  Buchetmann,  Jean  de  Botrous  Antigene  und 
ihre  Cluellen.    Ein  Beitrag  zur  Geschichte  des  antiken  Ein- 
flusses auf  die    französische   Tragödie   des   XVII.  Jahrhunderts. 
(Münchener  Beiträge  zur  romanischen  und  englischen  Philologie, 
XXII.  Heft)    Erlangen  und  Leipzig,  Deichert,  1901.    XII  und 
268  S.  8. 
Botrou,  nach  Pierre  Corneille  unstreitig  der  bedeutendste  französische 
Dramatiker  in  der  ersten  Hälfte  des  17.  Jahrb.,  ist  in  den  letzten  Jahr- 
zehnten, nach  langer  Vernachlässigung,  Gegenstand  eifriger  Studien  ge- 
worden, die  vornehmlich  sich  mit  seinen  Quellen  beschäftigten.    Es  steht 
jetzt  fest,  dafs  die  Amadis-  und  andere  Bomane,  das  italienische  Hirten- 
spiel und  die  Ginquecentistenkomödie,  das  spanische  Drama,  das  Jesuiten- 
theater und  das  klassische  Drama  der  alten  Griechen  und  Bömer  seine 


Nene  Philologische  Bandsohan  Nr.  22.  621 

Quellen  und  Vorbilder  waren.  Ober  sein  Verhältnis  zu  den  Alten  er- 
fuhren wir  aber  bisher  nur  wenig.  Welchen  Anteil  Plautus  an  seinen 
Schöpfungen  hatte,  ist  nur  gelegentlich  untersucht  worden.  Ob  er  Terenz 
benutzte,  ist  noch  eine  offene  Frage.  Über  seine  Beziehungen  zuSeneca 
und  den  griechischen  Tragikern  will  nun  die  vorliegende  Arbeit 
wenigstens  ffir  ein  Stück  Aufkl&rung  bieten. 

Der  inzwischen  verstorbene  Verf.  hat  Botrous  1638  verfafste  Tragödie 
Antigene  mit  den  antiken  und  anderen  älteren  Stücken  gleichen  In- 
halts verglichen  und  den  Einfiufs  näher  zu  bestimmen  versucht,  welche 
diese  auf  die  Schöpfung  des  Dichters  von  Dreux  ausgeübt  haben.  Während 
die  Mehrzahl  der  Literarhistoriker  Botrous  Stück  als  eine  Konlamination 
aus  den  Phoenissae  des  Euripides,  der  Thebais  des  Seneca  und 
der  Antigone  des  Sophokles  bezeichneten  und  nur  einzelne  auch  der 
Thebais  des  Statins  sowie  der  Antigone  Qarniers  einen  Einfiufs 
darauf  zugestehen,  kommt  Buchetmann  zu  dem  Ergebnis,  dafs  Botrou 
Euripides  gar  nicht,  Sophokles  nicht  direkt,  sondern  nur  durch  Vermitte- 
lung  der  Antigone-Dramen  Oarniers  (gedr.  1580)  und  Luigi  Ala- 
mannis  (gedr.  1533)  und  der  Übersetzung  der  Sophokleischen  Anti- 
gone von  J.  A.  Balf  (gedr.  1572)  und  aufserdem  noch  Senecas  Thebais 
und  ziemlich  stark  das  gleichnamige  Epos  des  Statins  benutzt  habe. 

Wiewohl  Buchetmann  seine  Untersuchung  mit  gröfster  Sorgfalt  und 
Ausführlichkeit  geführt  hat,  so  kann  ich  mich  doch  nicht  ganz  mit  seinen 
Ergebnissen  einverstanden  erklären.  Verdienstvoll  und  wohl  unumstöfslich 
bleibt  sein  Nachweis,  dafs  zu  den  Quellen  Botrons  Statins,  Alamanni 
und  Baif  gehören  —  Garnier  und  Seneca  standen  als  solche  schon  früher 
fest  —  aber  ich  halte  es  noch  nicht  für  definitiv  feststehend,  dafs  der 
französische  Dichter  nicht  doch  Sophokles  und  Euripides  kannte.  Es  ist 
ja  richtig,  dafs  Botrou  vieles,  was  ihm  die  beiden  Tragiker  boten,  auch 
bei  den  soeben  genannten  Nachahmern  und  Übersetzern  finden  konnte,  aber 
einmal  schliefst  das  nicht  aus,  dafs  der  vielbelesene  sprachenkundige  Dichter 
auch  die  Alten  selber  las,  und  dann  betrachte  ich  nicht  alle  gegen  die 
direkte  Benutzung  dieser  ins  Feld  geführten  Argumente  Buchetmanns  und 
ebensowenig  alle  seine  für  Botrous  Abhängigkeit  von  den  modernen  Dichtern 
beigebrachten  Parallelen  als  beweiskräftig;  manchmal  dürfte  der  Verfasser 
auch  die  freischaffende  Tätigkeit  des  Dichters  etwas  unterschätzt  haben. 
Die  Frage,  ob  Botrou  Sophokles  und  Euripides  in  der  Ursprache  zu  lesen 
imstande  war,  kann  nur  durch  die  peinlichste  vergleichende  Betrachtung 


522  Nene  Philologische  Bundschaa  Nr.  22. 


der  beiden  den  Griechen  entlehnten  Trauerspiele  Antigene  und  Iphi- 
g 6 IX IQ  and  der  sonst  in  seinen  Dramen  zer^reuten  griechischen  Anleihen 
mit  den  Originalien  glücklich  gelöst  werden.  Es  bleibt  daher  zu  bedauern, 
dafs  Buchetmann  nicht  seine  Untersuchung  auch  auf  das  zweite  Stück  aus- 
dehnte. Der  grofse  Umfang  seiner  Arbeit  hätte  für  beide  Dramen  mehr 
als  gereicht.  Es  kann  nicht  geleugnet  werden,  dalis  der  Saum  für  das 
eine  allzu  reichlich  bemessen  ist  und  zu  dem  Werte  des  französischen 
Trauerspiels  in  keinem  Verhältnis  steht.  Doch  wie  dem  auch  sei,  die 
Arbeit  mufs  gleichwohl  als  eine  gewissenhafte,  auf  gründlichstem  Studium  der 
einschlägigen  Literatur  beruhende  und  durchaus  förderliche  bezeichnet  werden. 
München.  Arthur  Ludwig  Stiefel. 

273)  Ernst  Wasserzieher,  L'Orphelin.  Far  Urbain  OlMer.  Schul- 
ausgabe.   Leipzig,  Baimund  Gerhard,  1903. 
L  Teil:  Einleitung  und  Text,  163  S.  8.  geb.  Ji    1.60. 

II.  Teil:  Anmerkungen  und  Vokabular,  40  S.  8.  J^  —.40. 

Vorliegende  Ausgabe  ist  die  zwölfte  von  Gerhards  französischen  Schul- 
ausgaben und  zeichnet  sich  wie  die  vorangehende  elfte  durch  eine  Zeilen- 
weite und  Druckdichtigkeit  aus,  die  nach  Gohn,  Lehrbuch  der  Hygiene  des 
Auges,  angeordnet  wurden.  Die  Erzählung  ist  sprachlich  und  sachlich 
durchaus  geeignet  für  die  Mittelstufe  von  Knaben-  und  Mädchenschulen, 
da  sie  nach  beiden  Sichtungen  hin  keine  besonderen  Schwierigkeiten  bietet, 
abgesehen  von  einzelnen  Ausdrücken,  die  Schilderungen  des  Landlebens 
der  französischen  Schweiz  betreffen.  Die  Anmerkungen  sind  daher  auch 
nur  zwei  Seiten  im  Umfange  und  hätten  leicht  noch  mehr  gekürzt  werden 
können  durch  vollständiges  Vermeiden  von  blofsen  Vokabelangaben ;  dergl. 
gehört  ins  Wörterbuch;  wenn  man  nun  dort  die  Anmerkung  1, 11  chambre 
ä  boire  auch  als  Vokabel  wiederfindet,  so  mag  ja  gegen  diese  Wieder- 
holung nichts  einzuwenden  sein,  aber  es  ist  nicht  einzusehen,  warum  nicht 
auch  fenStre  ä  coulisse,  jour  douteux,  milaine  usw.  sich  nicht  im  Wörter- 
buch befinden,  sondern  nur  in  den  Anmerkungen;  aber,  wie  gesagt,  dergl. 
gehört  ins  Wörterbuch,  die  Anmerkungen  könnten  aber  dafür  manches 
andere  enthalten.  Jedenfalls  ist  es  anzuerkennen,  wenn  der  Herausgeber 
auch  diesen  Schriftsteller,  der  bisher  meines  Wissens  in  keiner  Schul- 
ausgabe vertreten  war,  durch  eine  seiner  besten  Erzählungen  und  in  billiger 
Ausgabe  dem  Untenichte  zugängig  gemacht  hat. 

Wilmersdorf.  W.  Buhle. 


^ 


Neue  Philologische  Bandschau  Nr.  22.  523 


274)  L'Ann6e  linguistiqae  publice  sous  les  auspices  de  la  Soci^te 
de  Philologie.  Tome  I.  1901  —  1902.  Paris,  C.  Klincksieck, 
1902.     VI.  u.  301  S.  8.  geh.  6  fr. 

Der  vorliegende  Jahresbericht  macht  keinen  Anspruch  auf  Voll* 
ständigkeit,  da  in  ihm  nicht  alle  Gebiete  der  allgemeinen  Sprachwissen- 
schaft vertreten  sind.  Er  umfafst  aufser  einer  Einleitung  des  Grafen 
von  Gharencey,  dem  die  Gesamtredaktion  zugefallen  ist,  folgende  Ab- 
schnitte: Langues  latines  und  Langues  celtiques  von  J.  Vendry^s; 
Langues  romanes  von  A.  Dauzat;  Langues  germaniques  von  Bob. 
Gauthiot;  Langues  ethiopiennes  von  1.  Guidi;  Bevue  des  6tudes 
basques  von  J.  Vinson;  Langues  de  TExtrSme-Grient  von  Al- 
bert Thomas;  eine  bibliographische  Übersicht  über  die  malaio-poly- 
nesischen  Sprachen  von  Aristide  Marre;  eine  Liste  der  auf  Grön- 
land bezüglichen  Arbeiten  von  S.  Bink,  und  endlich  noch  einen  ge- 
schichtlichen Überblick  über  die  Entwickelung  des  Druckes  von  Büchern 
für  Blinde,  aus  der  Feder  von  E.  Guilbeau,  Lehrer  an  der  Institution 
nationale  des  jeunes  aveugles  de  Paris. 

Die  einzelnen  Berichte  sind  mit  tüchtiger  Sachkenntnis  abgefafst  und 
haben  dazu  den  Vorzug,  sich  der  gefälligen  Darstellung  wegen  angenehm 
zu  lesen.  Falls  das  Unternehmen  Anklang  findet,  sollen  dieser  ersten 
Ann6e  linguistique  weitere  Bände  folgen,  bei  welchen  man  dann  nach 
Möglichkeit  gröfsere  Vollständigkeit  erstreben  will.  Wir  wünschen  der 
nützlichen  Arbeit  den  besten  Erfolg. 


275)  Emest  Lavisse,    Histoire   de  France  depuis  les  origines 

jusqu'ä  la  Bevolution  etc.    Tome  deuxi^me  I:   Le  Ghristia- 

nisme,  les  Barbares.    Merovingiens  et  Garolingiens 

par  C.  Bayet,  ancien  professeur  ä  Tüniversit^  de  Lyon,  C.  Pflster, 

Maitre  de  Conferences  ä  Vl^oh  normale  superieure,  A*  Klein- 

clausz,  professeur  ä  Tüniversitä  de  Dijon.    Paris,  Librarie  Ha- 

chette  et  Gie.,  1903.    444  S.  8. 

Dieser  Band   des   grofsen  Sammelwerkes  zeigt  in   bemerkenswerter 

Weise  das  Zusammenwirken  französischer  und  deutscher  Gelehrsamkeit  für 

die  dargestellte  Periode.    Man  findet  Mommsen  und  Hirschfeld  in 

der  ersten  Partie  zitiert  und  von  den  „Antiquissimi  Auetores  ^'  Gebrauch 

gemacht,  Maafsen  und  Krusch  sind  in  der  Behandlung  der  Merowinger 

Sickel,   Dümmler  und  Mühlbacher  in  jener  der  Karolinger  als 


524  Nene  Philologische  Bnndschan  Nr.  22. 

führende  Gewährsmänner  namhaft  gemacht.  Für  die  Genesis  der  fran- 
zösischen Institutionen  gilt  den  Verfassern  Fustel  deCoalangesalsder 
mafsgebende  Autor;  aber  man  findet  auf  die  abweichenden  Ansichten  von 
Waitz,  Roth,  Sohm,  Heinrich  Brunner  stetig  Rücksicht  genom- 
men. Nur  Julius  Fi ck er  fehlt  auffallenderweise,  obwohl  dessen  „Erben- 
folge der  ostgermanischen  Rechte^'  für  die  Organisation  der  Familie  bei 
den  Frauken  ebensowenig  zu  umgehen  war  wie  für  das  Staatsrecht  der 
Karolingischen  Zeit  Einleitung  und  Text  der  „Forschungen  zur  Beichs- 
und  Rechtsgeschichte  Italiens  *^  Auch  die  Auseinandersetzung  Fickers 
über  die  Heimat  der  lex  Ribuaria  im  fünften  Ergänzungsbande  der  „Mit- 
teilungen des  Instituts  für  österreichische  Geschichtsforschung'*  durfte  nicht 
ignoriert  werden.  Im  übrigen  macht  gerade  die  fleifsige  Verzeichnung 
der  französischen  Spezialliteratur  (einschliefslich  der  belgischen)  wie  das 
ganze  Werk  so  auch  diesen  Band  wertvoll.  Von  der  Darstellung  ist  zu 
rühmen,  dafs  zwischen  den  politischen  und  den  kulturhistorischen  Kapiteln 
das  richtige  Verhältnis  herrscht.  Wir  empfehlen  an  diesem  Orte  das 
Werk  neuerdings  unseren  französischen  Seminaren  zur  Anschaffung. 
Prag.  J.  Jmff. 

276)  E.  Lavisse,  Histoire  de  France  depuis  les  origines  jusqu'  äla 
Revolution.     Publice  avec  la  coUaboration  de  MM.  Bayet  etc. 
Tome  Premier:   Tableau  de  la  g^ographie  de  la  France, 
par  P.  Vidal  de  la  Blache,  professeur  ä  Tuniversitä  de  Paris. 
Paris,  librairie  Hachette  et  Cie.,  1903.     395  S.   8. 
Während  in  Italien  wissenschaftlich  strebsame  Offiziere  neuerdings 
mit  Vorliebe  zu  Th.  Fischers  Werk  greifen,   um  die  geographischen 
Grundbedingungen    der  Geschichte  ihrer  Heimat  zu  studieren,  erweisen 
sich  die  Franzosen  in  diesem  Zweige  der  Wissenschaft  selbst  als  Meister. 
Wir  erhalten  hier  als  Einleitung  zur  Geschichte  von  Frankreich  eine  vor- 
trefflich gearbeitete  Landeskunde  basiert  auf  geologischer  Grundlage,  von 
der  aus  die  historische  Entwickelung  der  einzelnen  Provinzialgebiete  und 
die   Gruppierung  ihrer   Bewohner   erläutert   wird,    unter   Beigabe   einer 
gröfseren  Karte:  France  et  Europe  centrale,  carte  pour  servir  ä  Thistoire 
de  Toccupation  du  sol,  sowie  zahlreicher  Kärtchen  und  Groquis.    Dabei 
wird  einleitungsweise  auch  auf  die  benachbarten  Küstenstriche  und  Kon- 
tinentallandschaften manches  Licht  geworfen,  die  Bedeutung  des  Salzes, 
des  Zinns,  des  Eisens,  des  Goldes  für  die  Entwickelung  der  ältesten  Ver- 


j 


Nene  PhüologiBche  ftondsobaa  Nr.  22.  525 


kehrswege,  desgleichen  die  Wichtigkeit  der  Loefsformätion  nach  v.  Bicht- 
hofen  für  den  Getreidebau  hervorgehoben,  bei  der  Schilderung  des  Pariser 
Beckens  an  die  analoge  Arbeit  von  K  Suefs  über  den  Boden  von  Wien 
erinnert  u.  s.  w.    Der  Band  gliedert  sich  in  folgender  Weise. 

Teil  1:  Personnalit^  g^ographique  de  le  France  (die  geo- 
logische Struktur  des  Landes,  seine  Beeinflussung  vom  mittelländischen 
Meere  her,  wo  die  Bhone  flulsaufwärts  befahren,  Massalia  gegründet  wurde, 
die  iberischen  Einflüsse,  desgleichen  die  kontinentalen,  die  Wanderung  der 
Pflanzen  und  Haustiere,  die  Verschiedenheiten  von  Boden  und  Klima). 
Teil  2:  D^scription  regionale,  nach  den  natürlichen  oder  historischen 
Abgrenzungen.  Im  Norden :  Ardenne  et  Flandre  (Charakteristik  der  „Bel- 
gica'O«  1^  Bassin  parisien  (ostwärts  die  Champagne,  westwärts  die  Nor- 
mandie  eingeschlossen,  südwärts  bis  zur  Loire  hin),  la  r^gione  Bh^nane 
(Vogesen,  Lothringen,  Elsafs).  Zwischen  Alpen  und  Ozean:  le  sillon  de 
la  Saöne  et  du  Bhöne  (das  Bhonethal,  Burgund,  Lugudunum  oder  Lyon 
und  Umgebung,  die  französischen  Alpen  mit  Hannibals  Weg!),  le  Massif 
central  (von  Lyon  bis  Limoges,  die  Auvergne  einschliefsend).  Drittens 
der  Westen  (Poitou,  Bretagne).  Viertens  der  Süden  (die  von  einem  alten 
historischen  Völkerwege  durchzogene  „Provincia*'  oder  Provence,  sowie  die 
Ebene  von  Languedoc,  das  subpyrenäische  Gebiet  und  das  am  Ozean  an- 
schliefsende).  Ein  Schlufswort  behandelt  la  Centralisation  et  la  vie  d'autre- 
fois,  darin  das  System  der  Verkehrswege  zu  verschiedenen  Zeiten,  so  unter 
den  Bömern  (nach  dem  Itin.  Antonini  und  der  tab.  Peutinger.),  im 
18.  Jahrb.  (nach  der  Organisation  Colberts)  und  seither. 

Prag.  J.  Jung. 

277)  M.  Schwarze,  Kanon  französischer  Sprechtlhungen  üher 
Oegenstände   und  Vorgänge    des   täglichen  Lehens. 

Wittenberg,  P.  Wunschmann,  1903.  V  und  42  S.  8. 
Das  ffir  Gymnasien  bestimmte  Bfichlein  hat  vor  allem  den  Vorzug 
weiser  Mafshaltung,  wie  sie  allerdings  bei  der  geringen  Stundenzahl  des 
Französischen  an  diesen  Anstalten  geboten  ist.  Die  Zwiegespräche  und 
Beschreibungen  enthalten  —  mit  Ausnahme  (S.  40.  41)  der  Speisekarte  — 
nur  das  Notwendigste  zu  SprechGbungen  Ober  Gegenstände  und  Vorgänge 
des  täglichen  Lebens.  Der  Verf.  ist  mit  Becht  der  Ansicht,  dafs  uner- 
bittliche Selbstbeschränkung  die  Grundbedingung  des  Erfolges^  bildet  und 
in  diesem  Falle  die  Hälfte  mehr  ist  als  das  Ganze.    Schwarze  gibt  sich  in 


Nene  Philologische  Bandsohaii  Nr.  22. 


orwort  überhaupt  als  einen  Gemäfslgten  zu  erkennen,  der  weder 

3rsprache  aus  der  französischen  Stunde  verbannt  noch  das  Hinüber- 

erurteilt  und  endlich  die  Konversation  nur  als  Dienerin  für  die 

1  Aufgaben  des  Unterrichtes  gelten  lassen  will. 

I  aber  nicht  eine  Wörtersammlnng  bessere  Dienste  leistete?    Dann 

ie  vom  Verf.  zugegebene  „Erstarrung^'  des  Stoffes  vermieden ;  dann 

iie  von  ihm  fQr  die  erste  Zeit  geforderte  Zusammenstellung  des 

ials  durch  die  Schüler  —   eine  bedenkliche  Sache  für  Anfänger  — 

üssig;  dann  wird  auch  am  ehesten  die  Klippe  der  Trivialität  um- 

t,  wenn  nur  der  die  Sprache  beherrschende  Lehrer  den  Wortschatz 

dbendigen  Bildern  verwendet. 

Immerhin  bildet  dieser  Kanon  für  den  Unterrichtenden  einen  brauch- 
dn  Anhalt.     Die  Sprache   ist   einwandfrei.     Statt  Directeur  für  den 
iter  des  Gymnasiums  sähe  ich  lieber  proviseur,  da  doch  sonst  die  ent- 
rechenden französischen  Bezeichnungen  richtig  gebraucht  sind.    Paletot 
.  11)  im  Sinne  von  Jackett  (mit  runden  Ecken)  mufs  ich  trotz  der 
anzösischen  Gewährsmänner  als  allgemein  gültig  anfechten;  S.  11  wäre 
,u  anneau  de  mariage  das  häufigere  alliance  zu  setzen;  cuill&re  (S.  17) 
statt  cuiller  selten.    Beruht  die  Auslassung  von  pas  in  pourvu  que  nous 
ne  soyons  trop  exigeants  (S.  22)  auf  einer  zum  mindesten  ungewöhnlichen 
Analogie  zu  ä  moins  que-ne? 

Flensburg.  K.  Engelke. 

278)  Ida  Baumann,  Die  Sprache  der  Urkunden  aus  York- 
shire  im  15.  Jahrhundert.  (=  Anglistische  Forschungen, 
herausgegeben  von  Dr.  Johannes  Hoops,  Heft  11.)  Heidel- 
berg, Carl  Winters  üniversitätsbuchhandluug,  1902.     108  S.  8. 

Ji  2.80. 
Eine  trockene,  rein  grammatische  Abhandlung,  deren  Gegenstand 
erschöpfend  der  Titel  angibt.  Eine  genaue  Nachprüfung  bedeutete  eine 
nochmalige  Anfertigung  der  ganzen  Arbeit,  die  vom  Bef.  kaum  erwartet 
werden  kann,  zumal  sie  auch  wegen  mangelnden  Materials  aufserordentlich 
schwierig  wäre.  Die  besprochenen  Urkunden  stammen  fast  ausschließlich 
aus  dem  15.  Jahrh.  Die  Darstellung  ihrer  Lautverhältnisse  erfolgt  nach 
dem  üblichen  Schema;  nebenbei  —  in  der  Tat  halten  wir  das  für  die 
Hauptsache  —  sind  die  poetischen  Denkmäler  der  Vergangenheit  und  die 
heutigen  Mundarten  von  Torkshire  zum  Vergleich  herangezogen.  Auch 
die  Flexionsverhältnisse  werden  in  Kürze  besprochen.    Die  Arbeit  besteht 


Nene  Philologische  Bandschau  Nr.  22.  527 

fast  nur  aus  Belegstellen  zu  den  ganz  knapp  charakterisierten  grammati- 
schen Tatsachen,  und  es  ist  zu  bedauern,  dafs  sich  nirgends  ein  paar  zu- 
sammenfassende Worte  finden.  Ihren  Wert  hat  sie  als  Vorstudie  und 
Materialsammlung  für  den  künftigen  Historiker  der  englischen  Sprache. 
Der  auf  sie  verwendete  Fleifs  ist  anzuerkennen.  -tz-. 


279)  Th.  Jaeger,  The  literary  Echo,  a  fortnightly  paper,  intended 
for  the  study  of  the  English  language  and  literature.  Heilbronn  a.  N., 
Eugen  Salzer,  1903.    8.  jährlich  ..^  4. —. 

Die  Zeitschrift,  die  trotz  ihres  verhältnismäfsig  kurzen  Bestehens  sich 
bereits  viele  Freunde  erworben  hat,  wird  im  wesentlichen  nach  denselben 
Grundsätzen  geleitet  und  verfolgt  denselben  Zweck  wie  ihre  ältere  fran- 
zösische Kollegin.  In  den  uns  vorliegenden  ersten  sechs  Nummern  des 
sechsten  Jahrganges  haben  besonders  Rudyard  Kipling  und  Mark  Twain 
das  Wort.  Als  Beispiel  der  Erzählungskunst  des  ersteren  ist  der  Tauchnitz 
Edition  The  tomb  of  my  ancestors  entnommmen.  Nr.  1  und  2  enthalten 
auch  ziemlich  ausführliche  Notizen  über  den  in  Deutschland  zu  einer  ge- 
wissen traurigen  Berühmtheit  gelangten  Dichter.  Leider  ist  der  diese 
literarische  Würdigung  enthaltende  Artikel  bereits  vor  der  Veröffentlichung 
des  bekannten  Oedichtes  The  Rowers  im  Druck  gewesen,  sonst  würde, 
wie  der  Herausg.  in  einer  Nachschrift  ausdrücklich  bemerkt,  das  Urteil 
einige  Änderungen  erfahren  haben.  Als  eine  sehr  praktische  Beigabe 
erscheint  uns  die  Reproduktion  einer  Photographie  von  Rudyard  Kipling. 
Wir  wissen  nicht,  inwieweit  der  Ausdruck  des  Bildes  dem  des  Originals 
entspricht,  aber  die  Leser  des  Literary  Echo  werden  sich  nun  nicht  mehr 
über  das  Qedicht  wundern. 

Was  Mark  Twains  Abhandlung  über  The  awful  German  language 
betrifft,  so  ist  sie  ja  allerdings  eine  gute  Probe  von  der  eigentümlichen 
Schreibweise  dieses  Humoristen.  Aber  mancher  deutsche  Leser  wird  sich 
mit  dem  derben  und  geistreich  sein  sollenden  Geplauder,  in  welchem  der 
Verfasser  unsere  Sprache  verhöhnt,  und  überhaupt  mit  dem  amerikanischen 
Humor  nicht  recht  befreunden  können. 

Eine  sehr  willkommene  Gabe  ist  dagegen  neben  manchen  anderen 
nützlichen  mehr  oder  weniger  umfangreichen  Stücken  The  literary  Echo's 
Journey  to  London,  ein  längerer  Artikel,  der  eine  hübsche  Beschreibung 
der  englischen  Hauptstadt  enthält  und  auch  mit  einigen  gut  gelungenen 
Photographien  ausgestattet  ist.    So  zweifeln  wir  denn  nicht,  dafs  auch 


Nene  Philologische  Eondschaa  Kr.  22. 


The  literary  Echo  unter  der  Hand  seines  rührigen  und  sehr  sach-  und  sprach* 
kundigen  Herausg.  seinen  Freundeskreis  stetig  vergrOfsem  und  vielen  Lieb* 
habern  der  englisohen  Sprache  eine  nutzbringende  Lektfire  sein  wird. 
Dessau.  Bahrs. 


Vakanzen. 
Aschersleben,  G.  u.  BS.  Obl.   N.  Spr.    Magistrat. 
Barmen,  RO.  Obl.  Elass.  Phil.    Dir.  Michaelis. 
Benthen,  OB.   Obl.   l)Math.;  2)  Gesch.  u.  Deutsch.    Magistrat. 
Bochum,  OB.   Obl.   Math.  u.  Nat.    Bürgermeister  Oraff. 
Bromherg,  BO.   Obl.    Deutsch  u.  Gesch. 
Düsseldorf,  OB.   Obl.   Gesch.    Oberbürgermeister. 
Frankfurt  a.  M.,  Mustersch.   Obl.    Lat.  u.  Deutsch.    Kuratorium. 

—  Klingersch.   Obl.   Chemie  u.  Physik.     Kuratorium. 

Frankfurt  a.  0«,  BG.   Obl.   Lat.  u.  Deutsch.    Magistrat. 
Hagen  1.  W.,  G.  u.  BG.   ObL   Math.    Kuratorium. 
Hamm,  BS.   Obl.   Gesch.    Dr.  Blencke. 
Harbnr^,  BG.    Direktor.    Magistrat. 
Kiel,  OB.   Obl.   Math.   Magistrat. 
Königsberg  1.  P.,  BG.  Obl.   N.  Spr.     Magistrat. 
Krefeld,  OB.   Obl.  Deutsch  u.  Gesch.,  resp.  Franz.  u.  Engl. 
Lauenhurg  1.  P.,  Prg.   Obl.    Klass.  Phil.    Dir.  Sommerfeldt. 
Lübeck,  BG.  u.  BS.   Obl.   N.  Spr.    Dir.  Dr.  Müller. 

—      Staatliches  Seminar.  Obl.  Bei,  Deutsch  u.  Gesch.  Oberschulbehörde. 
Batingen,  Prg.   Obl.   Klass.  Phil.    Dr.  Petry. 
Remscheid,  HM.   Obl.    Deutsch  u.  Gesch.    Kuratorium. 
Bfittenscheld,  Prg.  Obl.    l)  N.  Spr.;  2)  Klass.  Phil.    Kuratorium. 
Siegen,  BG.   Obl.    1)  Chemie;  2)  Ev.  Bei.    Kuratorium. 
Steele,  G.   Obl.   Gesch.  u.  Deutsch.    Dir.  Wirtz. 
Steglitz,  OB.   Obl.   1)  N.  Spr.   2)  Math.    Kuratorium. 
Stettin,  HM.   Obl.   Bei.  u.  Deutsch.    Magistrat. 
Velbert,  Bprg.  Obl.   N.  Spr.    Oberi.  Hinrichs. 
Wanne,  Bprg.   Drei  Obl.    Amtmann  Winter. 
Zeitz,  BG.   Obl.    l)  Math.;  2)  N.  Spr.    Magistrat. 

In  August  Neumann's  Verlag,  ¥r.  Lueas,  in  Leipzig 

erschien  soeben  und  ist  in  allen  Buchhandlungen  zu  haben: 

Die  Gediohte 

des 

Christophoros  Mitylenaios. 

Herausgegeben 
von 

Eduard  Kurtz. 

38]  80.    XXV  u.  112  S.    Preis  Ji  3,20. 

Für  die  Bedaktlon  verantwortlich  Dr.  E.  Ladwif  in  Bremtfl. 
Druck  nnd  Verlag  Ton  Friedrich  Andreas  Perthes«  AktiengeseUsehafl,  Gotha. 

Hierzu  als  Beilage:  Prospekt  der  Yerlagsbachhandlang  Ed.  Hl^lzel,  Wien,  betr. 
GoHversational  Books  abont  the  pictores  of  HoBlzel. 


Ootha,  14.  November.  Nr.  23,  Jahrgang  1903. 

Neue 

PhilologischeRundschau 

Herausgegeben  von 

Dr.  O.  Wagener  und  Dr.  E.  Ludwig 

in  Bremen. 

^  

Encheint  alle  14  Tage.  —  Preis  ftlr  den  Jahrgang  8  Mark. 

Bestellungen  nehmen  alle  Bnchhandlnngen,  sowie  die  Postanstalten  des  In-  nnd  Auslandes  an. 

InsertionsgebUhr  für  die  einmal  gespaltene  Petitzeile  BO  Pfg. 

Inhat:  Bezensionen:  280)  H.  Magnus,  Studien  zur  Überlieferung  und  Kritik  der 
Metamorphosen  Ovids  (G.Schüler)  p.529.  —  281)  R.  Dienel,  Beiträge  .zur  Text- 
kritik des  Taciteischen  Reduerdialogs  (Ed.  Wolff)  p.  530.  —  282)  H.  de  la  Ville 
de  Mirmont,  Ciceron  (L.  Reinhardt)  p.  533.  —  283)  R.  Pöhlmann,  Ge- 
schichte des  antiken  Kommunismus  und  Sozialismus  (0.  SchultheDs)  p.  533.  — 
284)  E.  Maass,  Die  Tagesgötter  in  Rom  und  in  den  Provinzen  (0.  Wackermann) 
p  538  —  285)  J.  Vendryes,  Rccherches  sur  Thistdire  et  les  effets  de  Fintensite 
initiale  en  latin  (W.)  p.  542.  —  286)  K.  Lehrs,  Kleine  Schriften  (E.  Eberhard) 
p.  546.  —  287)  D.  Karl  Budde,  Das  Alte  Testament  und  die  Ausgrabungen 
(G.  Fr.)  p.  549.  —  288)  Heinrich  v.  Grein,  Amis  und  Amiles  (B.  Röttgers) 
p.  550.  —  289)  JohnFiske,  Essays  Historical  and  Literaiy  (Wilkens)  p.  550.  — 
Vakanzen.  —  Anzeigen. 

280)  Hugo  Magnus  I   Studien  zur  Überlieferung  und  Kritik 
der  Metamorphosen  Ovids.     VI.   Noch   einmal  Mar- 
danus  und  Neapolitanus.     Progr.  des  Sophien-Gymnasiums 
za  Berlin.    1902.     66  S.  4. 
Alle  Ovidforscher  werden  es  mit  grofser  Freude  begrfifsen,  dafs  Magnus 
seinen  grundlegenden  Arbeiten  fiber  die  Textgeschichte  der  Metamorphosen 
nun  auch  eine  höchst  sorgfältige  Kollation  der  beiden  besten  Codices  M 
und  N  hat  folgen  lassen.    „Man  mag  diesen  Aufsatzes  sagt  er  am  Ein-  . 
gange  seiner  Erörterungen,  „als  Probe  einer  neuen  kritischen  Ausgabe 
der  Metamorphosen  betrachten,  die  an  Stelle  der  längst  veralteten  und 
überholten  Eornschen  treten  soll.  . . .  Unter  allen  Umständen  schafft  er 
die  erstaunliche  und  &st  beschämende  Tatsache  aus  der  Welt,  dafs  es 
bisher  keine  Stelle  gab,  wo  auch  nur  die  wicht^ten  Lesarten  der  beiden 
führenden  und  mafsgebenden  Handschriften  fibersichtlich  zusammengestellt 
waren."    In  einem  zweiten  Abschnitte  beschreibt  der  Verf.  kurz  diese 
beiden  Handschriften,  bestimmt  ihr  Verhältnis  zueinander  und  stellt  Ver- 
mutungen über  die  Beschaffenheit  ihres  Originales  (0)  an.    Auf  Grund 


580  Nene  Philologische  Bandschaa  Nr.  23. 

des  Konsensus  von  M  and  N,  in  denen  der  Verf.  „wirklich  Brüder  sieht, 
nngeßlhr  zur  selben  Zeit  (in  der  ersten  Hälfte  des  11.  Jahrh.)  und  viel- 
leicht in  derselben  Umgebung  geborenes  wird  die  Rekonstruktion  von  0 
in  der  vorliegenden  Arbeit  versucht.  Ein  dritter  Abschnitt  berichtet 
über  die  bisherigen  Kollationen  von  M  und  N  und  ihre  Verwertung  für 
die  Gestaltung  des  Textes.  Der  vierte  Abschnitt  enthält  einige  Vor- 
bemerkungen über  den  richtigen  Gebrauch  der  dargebotenen  Kollationen. 
Verzeichnet  sind  alle  Abweichungen  vom  Texte  der  Schulausgabe  des  Verf., 
doch  lassen  die  Angaben  im  allgemeinen  auch  die  Benutzung  der  neueren 
Texte  von  Korn,  Biese  (2.  Aufl.),  Zingerle  und  Ehwald  zu.  Von  S.  6  an 
folgt  die  Zusammenstellung  der  wesentlichsten  Lesarten  von  M  und  N. 
Da  der  Verf.  im  November  1900  und  Februar  1901  beide  Handschriften 
persönlich  eingehend  geprüft  hat,  so  dürfen  wir  nach  seinen  bisherigen 
Leistungen  als  sicher  annehmen,  dafs  seine  Angaben  „denjenigen  Grad 
von  Genauigkeit  und  Zuverlässigkeit  haben,  der  in  derlei  Dingen  über- 
haupt zu  erreichen  ist''.  Somit  haben  wir  nunmehr  für  die  Textgestaltung 
des  gröfsten  Teiles  der  Metarmorphosen  eine  möglichst  sichere  Grundlage, 
auf  der  rüstig  weiter  gearbeitet  werden  kann.  Hoffentlich  läfst  der  rührige 
Verf.  nun  auch  bald  die  zweite  Auflage  des  dritten  Bändchens  seiner 
Schulausgabe  und  im  Zusammenhange  damit  seineu  kritischen  und  exe- 
getischen Kommentar  folgen. 

Wilhelmshaven. G.  Schüler. 

281)  Richard  Dienel,  Beiträge  zur  Textkritik  des  Taciteischen 
Bednerdialogs.     Jahresbericht  des  K.  K.  Staatsgymnasiums. 
Mähr.-Trübau,  1903.     10  S.  8. 
In  wie  hohem  Mafse  das  Studium  Quintilians  (neben  dem  Giceros) 
für  die  Kritik  des  Dialogus  de  or.,  nach  sprachlicher  wie  formaler  Seite 
hin,  erspriefsUch  sein  kann,  bedarf  kaum  der  Begründung.    Auch  zu  dem 
vorliegenden  Aufsatz  hat  die  Lektüre  der  Institutio  Anregung  gegeben, 
und  in  dankenswerter  Weise  ist  D.  bemüht,  seine  Lesefrüchte  zu  weit* 
gehender  Verteidigung  der  handschr.  Tradition  des  Dialogs  zu  verwerten. 
1,  14  diversas  vel  easdem  werde  mit  Unrecht  beanstandet.   Die  Prämissen 
in  der  Streitfrage  seien  bei  Aper  (16—23)  und  bei  Messalla  (25—26)  die- 
selben, verschieden  aber  die  Folgerungen,  und  „jeder  nach  seinem  Stand- 
punkt hat  auch  die  Argumente  des  Gegners  in  seinem  Sinne  verwertet". 
Man  vergleiche  übrigens  Quint.  V  10,  77  quod  utrumque  exemplum  tale 


^ 


Nene  PhilologiBche  Bandscbaa  Nr.  23.  631 

est,  ut  idem  in  diversum,  si  retro  agas,  valeat;  1X4, 44.  nam  frequentius 
utar  iisdeiD  diversarum  quoque  rerum  exemplis.  Die  Ähnlichkeit  liegt  hier 
doch  wohl  mehr  im  Äufserlichen.  —  Ffir  Spengels  Konjektur  5,  13  ipsum 
solnm  apud  eium  argoam  lasse  sich,  meint  D.,  Qu.  V  6,  4  und  14,  28 
geltend  mächen,  ffir  Andresens  La  apud  se  coarguam  allenfalls  Qu.  IV  1, 19 
und  XII  1,  22.  —  Zu  6,  17  adfectum  . . .  induerit  hat  bereits  John  auf 
Qu.  VI  2,  36  hingewiesen:  quorum  vnßM&re  personas  quid  attinet,  nisi 
affectus  assumimus?  Unter  Anlehnung  an  diesen  Passus  mag  wohl  auf 
dem  Wege  des  Zeugma,  wie  D.  annimmt,  die  pointierte  Redensart  ad- 
fectum induere  entstanden  sein.  —  7,  10  scheint  ihm  der  notwendige 
Gegensatz  zwischen  „eigenkräftiger  Entstehung  und  aufsenweltlicher  Be- 
einflussung^' nicht  vollständig  durchgeführt;  er  vermutet  eine  Lücke  und 
schlägt  vor  etwa  so  zu  lesen:  quod  si  <^non  innatum  nobis  sit  deorumve 
munere  insitum,)  non  ab  alio  oritur,  nee  c.  datur  nee  c.  gr.  venit.  Dienel 
denkt  dabei  an  Äufserungen  ähnlichen  Sinnes  bei  Cicero  de  or.  I  114, 
115, 126, 198,  202;  II  38;  de  fin.  II  78;  IV  4;  Tusc.  I  54  nam  e  prin- 
cipio  oriuntur  omnia,  ipsum  autem  mJla  ex  re  alia  nasci  potest  ...  nee 
ipsum  a&  alio  renascetur.  Gerade  diese  letzte  Stelle  übrigens  (sowie  de 
fin.  II  78)  legt  den  Gedanken  näher,  D.  7,  10  mit  Tilgung  von  si  zu 
lesen,  wie  schon  Michaelis  wollte:  habere  quod  non  in  alio  oritur  nee  c. 
datur  nee  c.  gr.  venit  (die  Richtigkeit  des  „si"  bezweifelte  auch  Andresen). 
Die  beiden  durch  nec-nec  verbundenen  Satzglieder  dienen  zur  genaueren 
Umschreibung  und  Erläuterung  des  vorangehenden  quod-oritur.  Vgl. 
12,  3  und  31,  3  non  ut  declamarent  nee  ut  fictis  nee  ullo  modo  ad  veri- 
tatem  accedentibus  controversiis  linguam  modo  et  vocem  exercerent. 

Dieneis  Vorschlag,  11,  16  zu  lesen:  nam  statum  mri  dvisque  ad 
securitatem  (vgl.  Cic.  de  or.  I  255  talis  et  viri  et  civis  u.  ö.),  mag  ernst- 
licher Beachtung  empfohlen  werden,  zumal  die  von  Lipsius  herrührende 
La  hucusque  ac  tatsächlich  nur  als  Notbehelf  gelten  kann.  Wenn  er 
dagegen  empfiehlt,  12,  14—19  die  Worte  „inter  nos  —  ApoUinem"  vor 
„nee  Ullis  —  reges"  zu  stellen,  so  scheint  mir  das  aus  einer  Verkennung 
des  Zusammenhangs  hervorzugehen.  Dafs  im  übrigen  auch  diese  Stelle 
Beziehungen  zu  Quintilian  (I  10,  9  f.)  aufweist,  war  selbstverständlich 
nicht  unbekannt.  —  Die  gewöhnliche  Auffassung  von  13,  14  ii  quibus 
praestant  indignantur  findet  eine  gute  Stütze  an  Qu.  VII  4,  22  f.  liberor 
Utas  a  quo  profecfa  sU,  refert . . .  Item  in  quam  rem  dederit  et  quo 
tempore  et  quo  animo,  id  est,  num  in  aliquam  spem  suam  sq.  —  Sehr 


582  Nene  PhUologische  Banclscliaa  Nr.  23. 

eiogehend  behandelt  D.  die  kontroverse  Stelle  17, 10—17  Statue  —  colli- 
gnntnr,  um  darzutnn,  warum  am  überlieferten  Text,  novem  inbegriffen, 
festzuhalten  sei.  Hier  kann  ich  ihm  nicht  weiter  folgen  als  die  treffende 
Auslegung  des  W.  statio  im  gegebenen  Znsammenhange  reicht  Die 
Grundanschauung  ist  hier  selbstverständlich  die  für  Yespasian  vornehmlich 
passende  militärische.  (Vgl.  Hist.  U  5—7;  74—81.)  Der  Kaiser  bezieht 
alljährlich  am  Gedenktag  seiner  Berufung  von  neuem  die  „Beichswacht^^ 
Sexta  iam  statio  bezeichnet  somit  den  Beginn  des  sechsten  Jahres,  also 
fünf  vollendete  Begierungsjahre.  Das  fiktive  Datum  des  Dialogs  wäre 
also  der  1.  Juli  74  oder  ein  nicht  gar  zu  lange  darauf  folgender  Tag 
(s.  John,  Einl.  3  f.).  Mit  dieser  Annahme  läfst  sich  Apers  Berechnung 
zwanglos  vereinigen,  selbst  wenn  wir  uns  entschliefsen  sollten,  die  Zahl 
novem  beizubehalten  und  weiterhin  zu  lesen:  quibus  divtis  Itdius,  mox  divus 
Augustus  sq.  D.  möchte  nämlich  bis  zur  Schlacht  von  Munda  (17.  März  45), 
die  Cäsars  Alleinherrschaft  entschied,  zurückgehen,  auf  die  Zeit,  wo  bereits 
„von  Ciceros  politischem  interitus  geredet  werden  kann''.  Ein  solche 
Deutung  ist  aber  mit  dem  gesamten  Wortlaut  unserer  Stelle  schlechterdings 
unvereinbar.  —  29,  4  empfiehlt  sich  Ecksteins  Konjektur  enoribus  et  vüüs 
durch  Vergleichung  mit  Qu.  I  1,  8 — 10  nee  minus  error  eorum  nocet 
moribus  . . .  quibusdam  eum  vUiis  imbuU,  —  31,  31  Stoicorum  civem 
(so  Döderlein)  entspricht  nach  D.s  Ansicht  dem  Zusammenhang  am  besten, 
indem  die  Qualifikation  der  Stoiker  als  Staatsbürger  dadurch  ironisiert 
werde.  Von  den  verglichenen  Stellen  Quintilians  pafst  eigentlich  nur 
XII  2,  6  f.  -~  Zur  teilweisen  Ausfüllung  der  Lücke  im  Text  nach  35,  23 
cum  ad  veros  iudices  ventum,  schlägt  D.  einstweilen  vor  (Qu.  XII  6,  5) 
omnia  suis  exercitationibus  similia  desiderant.  At  illic  et  iudex  tacet . . . 
minime  sciunt.  •—  Mit  diesen  Hinweisen  auf  Dieneis  neueste,  hoffentlich 
nicht  letzte,  Beiträge  mag  es  für  heute  genug  sein.  Der  Gelehrte  hat 
sich  um  die  Erklärung  des  Dialogus  schon  sehr  verdient  gemacht,  und 
seine  feinen  Beobachtungen  bewegen  sich  in  einer  für  Textkritik  und 
Interpretation  überhaupt  empfehlenswerten  aussichtsreichen  Bichtung. 
Frankfurt  a.  M.  —  Hombarg  v.  d.  H.  Eduard  Wolff. 


^ 


Nene  Philologisohe  Bnndsobaa  Nr.  23.  588 

282)  H.  de  la  Ville  de  Minnont»  CicöroiL    Extraits  et  analyses 

des  principaux  discours.  Texte  latin  pr^cMä  d*nne  introdaction 
et  accompagn^  de  notes.  Paris,  Garnier  fr^res,  1901.  VII  n. 
539  S.  8. 

Die  Einleitung  gibt  auf  80  Seiten  eine  schlichte  Darstellung  des 
Lebens  des  Bedners  an  der  Hand  der  Beden.  Dabei  ist  der  Verf.  an 
einer  Stelle  der  Versuchung  unterlegen  auch  da  von  Beden  zu  sprechen, 
wo  unsere  Überlieferung  uns  nicht  dazu  berechtigt.  Auch  das  Jahr  der 
Quästur,  meint  er  S.  11  unter  Berufung  auf  Plutarch  Cicero  XII  (gemeint 
ist  VI),  sei  fQr  seine  rednerischen  Triumphe  nicht  ganz  verloren  gewesen, 
während.Plutarch  in  Wirklichkeit  nur  von  einer  FQrsprache  f&r  einige  vor- 
nehme Jünglinge  beim  Propraetor  handelt.  Ebenso  unberechtigt  wird 
Q.  Gaecilius  Niger,  der  dem  Cicero  die  Anklage  gegen  Verres  streitig 
machte,  mit  Berufung  auf  Plutarch.  Cic.  XVI  als  Jude  bezeichnet  Seltsam 
ist  der  Gedanke,  dafs  Antonius  nach  der  Ermordung  Cäsars  sich  mit 
Enthusiasmus  der  von  Cicero  vorgeschlagenen  Amnestie  und  Versöhnung 
angeschlossen  habe  (S.  70). 

Der  Einleitung  folgen  Abschnitte  aus  allen  erhaltenen  Beden  mit 
Ausnahme  der  pro  Tullio.  Es  sind  durchgehende  interessante,  durch  In- 
halt und  Form  anziehende  Stficke  gewählt,  die  in  ihrer  Gesamtheit  die 
Person  des  Bedners  von  allen  Seiten  beleuchten  und  zugleich  in  die  Zeit, 
in  der  er  lebte,  geschickt  einfahren.  Der  Text  beruht  auf  der  Ausgabe 
von  C.  F.  W.  Malier,  die  erklärenden  Anmerkungen,  hauptsächlich  ge- 
schichtlichen oder  juristischen  Inhalts,  beanspruchen  eine  wissenschaftliche 
Bedeutung  nicht;  wie  weit  sie  den  Bedfirfnissen  der  classes  d'Humanit^s 
et  de  Bh^torique,  fär  die  das  Buch  bestimmt  ist,  entsprechen,  vermag 
Bef.  nicht  zu  beurteilen. 

Wohlan.  Leepold  Reinhardt. 

283)  Bobert  Föhlmamii  Oeschichte  des  antiken  Kommunis- 

mus und  Sozialismus.  Zweiter  Band.  München  1901,  C.  H. 
Becksche  Verlagsbuchhandlung  (Oskar  Beck).    XII  u.  617  S.  8. 

Jf  12.  — . 
Am  Schlufs  des  ersten  Bandes  seines  monumentalen  Werkes,  das  ich 
in  dieser  Bundschau  1896,  Nr.  4,  S.  56  —  60    eingehend  charakterisiert 
habe,  hatPShlmann  den  die  nationalen  Schranken  durchbrechenden  Ideal- 
staat Zenons  dargestellt  ist.    Der  zweite  Band  f&hrt  die  Darstellung  der 


534  Nene  Philologische  Bondschaa  Nr.  23. 

kommanistiscben  Staatsgestaltang  ia  der  Theorie  und  Literatur  der  Oriechen 
zu  Ende  und  schildert  „die  soziale  Utopie  im  Gewände  der 
Dichtung^^  in  den  Unterabschnitten  „das  Wunschland  in  Fabel  und 
Komödie*^  und  „der  Staatsroman ^^  In  letzterem  Abschnitt  werden  uns 
vorgeführt:  1)  die  Atlantis  des  Flato,  2)  Theopomps  „meropisches  Land*' 
und  Hekatäos'  „kimmerische  Stadt 'S  3)  die  „heilige  Chronik''  des  Eu- 
hemeros,  4)  der  Sonnenstaat  des  Jambulos;  alles  hübsche  Einzelbilder, 
wobei  das  Neue  selbstverständlich  nicht  im  Stoff,  sondern  in  der  Art  der 
Betrachtung  liegt.  Nicht  völlig  befriedigt  hat  mich  der  letzte  Abschnitt 
über  den  Sonnenstaat  des  Jambulos.  Wenn  ich  auch  dem  Verf.  gern  das 
Recht  einräume,  in  diesem  Zusammenhange  auf  die  Behandlung  der  literar- 
historischen Fragen  zu  verzichten,  so  hätte  er  doch  wohl  die  chrono- 
logischen Fragen  weder  hier  noch  bei  den  anderen  Utopien  völlig  über- 
gehen dürfen,  so  wenig  auch  solche  Untersuchungen  gesicherte  Resultate 
versprechen.  Die  Angaben,  die  man  sich  nunmehr  aus  seiner  Darstellung 
zusammensuchen  mufs,  sind  doch  gar  zu  vag.  Aufser  Bohde  würde  Be- 
rücksichtigung verdienen,  was  hierüber  Wo Ide mar  Richter,  Jambulos, 
Beils^e  zum  Osterprogramm  des  Gymnasiums  Schaff  hausen  (1888)  S.  8  f. 
gesagt  hat.  Auch  fehlt,  abgesehen  von  einer  kurzen  Andeutung  S.  89, 
jede  Bemerkung  darüber,  in  welch  erbärmlichem,  ungeordnetem  Auszug 
uns  Diodor  die  phantastische  Idealschilderung  des  Jambulos  überliefert  hat 
(s.  Richter,  S.  10 f.).  Für  solche,  wie  mir  scheint,  nicht  überflüssige 
Auseinandersetzungen  hätte  sich  wohl  Raum  gewinnen  lassen  durch  Be- 
schneidung einzelner  fast  zu  breiten  Ausführungen.  Es  hätte  auch  wohl 
die  Frage  berührt  zu  werden  verdient,  inwiefern  platonische,  kynische  und 
stoische  Ideen  von  Jambulos  verwertet  sind.  Dafs  gerade  kynische  und 
stoische  Anschauungen  seinen  Ausführungen  nicht  zugrunde  zu  liegen 
brauchen,  da  die  als  solche  in  Anspruch  genommenen  Ideen  damals  sozu- 
sagen in  der  Lufb  lagen,  scheint  mir  gegen  Rohde,  dem  hier  Pöhlmann 
ohne  weiteres  gefolgt  ist,  Richter,  S.  67  ff.,  mit  Glück  nachgewiesen  zu 
haben.  Aber  auch  sonst  habe  ich  den  Eindruck,  dafs  von  Jambulos 
manches  naiver  ersonnen  und  dargestellt  sei,  als  es  von  Pöhlmann  nach- 
empfunden ist.  Er  läfst  sich  vielleicht  hier  doch  ein  wenig  zu  sehr  von 
dem  Gedanken  leiten  nachzuweisen,  dafs  der  moderne  sozialistische  Uto- 
pismus  seine  Vorbilder  —  vorsichtiger  würde  man  sagen,  seine  Vor- 
gänger —  nicht  erst  in  Monis*  „Utopia",  sondern  schon  in  der  sozialisti- 
schen Dichtung  der  Griechen  gehabt  habe.    Trotz  dieser  Einwände  gebe 


Neue  Philologisch«  BandBchaa  Nr.  23.  535 

ich  gerne  zu,  dafs,  nachdem  Bohde  und  Richter  ihre  Aufmerksamkeit  fast 
ausschliefslich  den  literarischen  Fragen  oder  teratologischen  Einzelheiten 
zugewandt  hatten,  Pöhlmann  zum  ersten  Male  die  sozialgeschichtliche  Be- 
deutung der  Utopie  des  Jambnlos  klar  und  scharf  dargestellt  hat. 

Auf  diesen  theoretischen  Teil  folgt,  einigermafsen  zu  unserer  Über- 
raschung, eine  Entwicklungsgeschichte  der  sozialen  Demo- 
kratie, die  weitaus  den  Hauptteil  des  vorliegenden  Bandes  bildet  (S.  94 
bis  441).  Ich  hätte,  offen  gestanden,  diesen  Abschnitt  überhaupt  nicht 
mehr  erwartet.  Besser  wäre  er  meines  Erachtens  am  Platze  gewesen  als 
historische  Grundlage  vor  der  Darstellung  der  individualistischen  Zersetzung 
der  Gesellschaft  und  der  Organisationspläne  zum  Aufbau  einer  neuen  Staats- 
und Gesellschaftsordnung,  also  nach  Kap.  I  des  ersten  Bandes.  Wenn  ich 
aber  von  diesem  ja  nur  äußerlichen  Mangel  absehe,  so  stehe  ich  nicht  an, 
auch  diesem  Hauptteil  des  zweiten  Bandes  all  die  guten  Eigenschaften 
nacbzurfihmen ,  wie  dem  ersten  Bande.  Damit  möchte  ich  nicht  gesagt 
haben,  dafs  ich  nun  alle  und  jede  Einzelauffassung  Pöhlmanns  teile,  wenn 
ich  auch  gern  zugebe,  dafs  er  mit  seinem  umfassenden  Wissen  in  der 
Untersuchung  fiberall  behutsam  zu  Werke  geht.  Wichtiger  scheint  mir, 
dafs  der  allgemeine  Gesichtspunkt,  von  dem  aus  die  Entwicklung  der 
sozialen  Demokratie  bei  den  Griechen  von  den  Anfängen  bis  zu  ihrer  Ent- 
artung untersucht  wird,  unanfechtbar  ist,  so  dafs  diese  umfassende  Dar- 
stellung der  sozialen  Frage  im  griechischen  Altertum  volle  Anerkennung 
verdient.  Pöhlmann  sucht,  wie  ich  schon  bei  Besprechung  des  ersten 
Bandes  betont  habe,  einen  möglichst  objektiven  Mafsstab  fär  die  Be- 
urteilung der  sozialen  Entwicklung  zu  gewinnen,  soweit  auf  solchem 
Gebiet  überhaupt  von  Objektivität  gesprochen  werden  kann.  Seine  Grund- 
anschauungen stehen  im  Gegensatz  einerseits  zu  jenem  bürgerlichen  Doktri- 
narismus, der  alle  staatlichen  Umwälzungen  als  rein  politische  Erscheinungen 
auffassen  will,  den  Einflufs  der  sozialen  Grundlagen  leugnet  und  sich 
ängstlich  ablehnend  verhält  gegen  die  moderne  Richtung,  die  das  Alter- 
tum durch  die  Betrachtung  des  modernen  Lebens  zu  begreifen  sucht, 
anderseits  aber  auch  zu  dem  extremen  Standpunkt  der  modernen  sozialisti- 
schen „Geschichtschreibung 'S  die  alles  Geschehen  nur  fils  Folge  sozialer 
Zustände  betrachtet  und  es  in  ihrem  doktrinären  Radikalismus  schroff 
ablehnt,  aus  den  relativ  ein&chen  Zuständen  des  Altertums  Lehren  für 
die  verwickeiteren  sozialen  Probleme  der  Gegenwart  zu  ziehen.  Da  Pöhl- 
mann seine  Aufgabe  vorurteilsfrei,  mit  wahrhaft  historischem  Sinn  löst. 


536  Nene  Philologische  Rnndschaa  Nr.  23. 

SO  gewinnt  der  Leser  aus  seinem  Buche  nicht  blofs  reiche  Belehrung, 
sondern,  was  mehr  heifsen  will,  auch  reiche  innerliche  Förderung.  Sein 
Buch  hat  einen  nicht  geringen  erziehlichen  Wert.  Es  übt  auf  den  mo- 
dernen Staatsbürger,  wenn  er  sich  nicht  einseitig  in  die  ungeschichtliche 
Auffassung  einer  extremen  Richtung  verrannt  hat,  eine  läuternde  Wirkung 
aus,  so  dafs  auch  von  diesem  Gesichtspunkte  aus  das  Studium  des  Werkes 
nicht  warm  genug  empfohlen  werden  kann. 

Bei  aller  Anerkennung  der  tief  eindringenden  Forschung  glaube 
ich  aber  nicht  verschweigen  zu  dfirfen,  dafs  die  Darstellung  in  diesem 
Abschnitte  gelegentlich  zu  sehr  in  die  Breite  geht  Es  hätte  doch  be- 
rfieksichtigt  werden  dfirfen,  dafs  ja  das  Wenigste  von  dem,  was  hier  vor- 
gebracht wird,  wirklich  neu  ist;  neu  ist  —  und  das  ist  ja  immer  noch 
viel  —  die  konsequente  Betrachtung  der  Einzelerscheinungen  unter  einem 
einheitlichen  Gesichtspunkt.  Doch  wir  begreifen  es,  dafs  es  dem  Verf. 
ein  Bedürfnis  war,  Probleme,  mit  denen  er  sich  schon  seit  Jahren  ein- 
gehend beschäftigt  hatte  und  über  die  er  eine  ganze  Anzahl  von  Einzel- 
studien bereits  früher  veröffentlicht  hatte,  einmal  in  gröfserem  Zusammen- 
hange und  dann  auch  ohne  wesentliche  Kürzungen  zusammenfassend  dar- 
zustellen. Daher  bieten  dem,  der  Pöhlmanns  gesammelte  Aufsätze  „Aus 
Altertum  und  Gegenwart*',  die  ich  in  dieser  Bundschau  1897,  Nr.  23, 
S.  360  ff.,  besprochen  habe,  kennt,  mehrere  längere  Abschnitte  des  vor- 
li^enden  Bandes  Wiederholungen  oder  Aufarbeitungen  jener  früheren 
Studien.  Doch  wird  auch  dieser  Leser  gern  diese  Betrachtungen,  nachdem 
sie  unter  einen  höheren,  allgemeinen  Gesichtspunkt  gerückt  sind,  noch 
einmal  geniefsen.  Versteht  es  doch  Pöhlmann  meisterlich,  in  anziehender 
Darstellung  lebensvolle  Bilder  der  einzelnen  Entwicklungsphasen  zu 
zeichnen. 

Nachdem  die  Darstellung  der  griechischen  Verhältnisse  unter  der 
Hand,  wie  der  Verf.  selbst  gesteht,  eine  von  ihm  selbst  nicht  erwartete 
Ausdehnung  gewonnen  hatte,  ist  die  Entwicklung  der  sozialen 
Zustände  Borns  im  zweiten  Buche  auf  verhältnismäfsig  kleinem  Baume 
dargestellt  (S.  443 — 617).  Nun  ist  ja  freilich  zuzugeben,  dafs  die  Natur 
unserer  Quellen  derart  ist,  dafs  eine  wirkliche  Geschichte  der  sozialen 
Bewegung  in  Bom  zu  schreiben  schlechterdings  unmöglich  ist  (S.  475). 
Auch  hat  Pöhlmann  den  allgemeinen  Charakter  der  Entwicklung  mit 
bewundernswertem  Scharfsinn  und  durch  psychologisch  feine  Analyse  der 
mehr   zufälligen  Notizen  der  Quellen  meisterhaft  gezeichnet.    Trotzdem 


^ 


Neue  Philologische  Bondschaa  Nr.  23.  537 

scheint  mir  dieses  zweite  Buch  in  Anbetracht  der  Bedeutung  des  Problems 
schon  äufserlich  in  keinem  richtigen  Verhältnis  zu  den  Abschnitten  Ober 
die  Entwicklung  der  sozialen  Frage  bei  den  Griechen  zu  stehen.  Vielleicht 
wäre  diese  ganze  Partie  besser  einem  folgenden  Bande  vorbehalten  worden. 
Ein  eigentlicher  Abschlufs  ist  ja  damit  doch  nicht  erreicht,  weil  eine 
vollständige  Darstellung  gebieterisch  die  Hereinbeziehung  des  Christentums 
erfordert  hätte,  wie  sie  öbrigens  der  Verf.  selber  nach  dem  Vorwort  zum 
ersten  Bande  beabsichtigt  hatte.  Wir  haben  freilich  kein  Becht,  vom 
Verf.  mehr  zu  verlangen,  als  er  uns  vorläufig  bieten  wollte,  wünschen 
aber  sehr,  dafs  es  ihm  nicht  an  Lust  und  Zeit  fehlen  möge,  auch  diesen 
Schlufsabschnitt,  auf  den  er  selber  im  vorliegenden  Bande  S.  333,  Anm.  2 
und  S.  617  als  künftige  Aufgaben  hinweist,  als  Krönung  des  Werkes 
uns  bald  zu  schenken. 

Ich  bedaure  sehr,  dafs  mir  der  verfügbare  Baum  nicht  gestattet,  den 
Gang  der  Darstellung  Pöhlmanns  auch  nur  in  grofsen  Zügen  vorzuführen 
und  die  Leser  auf  die  zahlreichen,  scharf  herausgearbeiteten  Einzelbilder 
hinzuweisen  und  dabei  mein  Urteil  über  das  Buch  im  einzelnen  zu  be- 
gründen. Ich  darf  aber  um  so  eher  darauf  verzichten,  als  das  Werk  als 
ganzes  gelesen,  studiert  und  nachempfunden  zu  werden  verdient.  Solche, 
die  nicht  das  Ganze  lesen  können,  seien  nachdrücklichst  auf  zwei  gröfsere 
Abschnitte  hingewiesen,  1)  auf  das  Bild,  das  Pöhlmann  im  sechsten  Ab- 
schnitt (S.  265  ff.)  vom  demokratischen  Staatssozialismus  und 
dem  Umschlag  in  den  radikalen  revolutionären  Sozialismus 
entwirft,  wobei  scharfe,  aber  vollständig  berechtigte  Worte  gegen  die 
unselige  Gleichmacherei  der  Massendemokratie,  vor  der  der  Adel  der  Bil- 
dung und  Gesittung  mehr  und  mehr  das  Feld  räumen  mufs,  fallen,  2)  auf 
den  siebenten  Abschnitt  (S.  340 f.),  der  den  allgemeinen  Verlauf 
der  sozialen  Revolution  schildert  und  im  Gegensatz  zu  der  vom 
doktrinären  Sozialismus  immer  und  immer  wieder  behaupteten  Leistungs- 
fähigkeit und  Zeugungskraft  der  sozialen  Revolution  in  wahrhaft  ab- 
schreckender Weise  ihre  absolute  Unfruchtbarkeit  an  der  Hand  der  ge- 
schichtlichen Tatsachen  schlagend  beweist. 

Wer  aber  diesen  ganzen  Band  so  eingehend  studiert,  wie  er  es  ver- 
dient —  die  Aufgabe  ist  entsprechend  der  Schwierigkeit  der  Probleme 
nicht  klein  und  nicht  immer  leicht  —  scheidet  von  ihm  mit  dem  Gefühl« 
ein  wirklich  bedeutendes  Werk  in  sich  aufgenommen  zu  haben,  dem  er 
mannigfache  Anregung  und  Förderung  verdanke.    Denn  der  Verf.  ist  ein 


538  Neue  Philologische  Rundschau  Nr.  23. 


Gelehrter,  der  mit  dem  ganzen  Büstzeug  moderner  wirtscbafts-  und  sozial- 
geschichtlicher Forschung  ausgerüstet  an  seine  Aufgabe  herangetreten  ist 
und  daher  weifs,  wie  er  die  Quellen  befragen  will.  Allerdings  mufs  ich 
gestehen,  dafs  er  nach  meinem  Gefühl  in  diesem  zweiten  Baude  gelegent- 
lich etwas  zu  weit  geht,  wenn  er  glaubt  beim  Versagen  der  Quellen 
durch  eine  Analyse  der  sozialökonomischen  und  politischen  Zustände  die 
Ideen  des  antiken  Sozialismus*  ergründen  zu  können  und  wenn  er  sich 
mitunter,  wie  bei  den  Ausführungen  über  das  Verhältnis  von  Arbeitgeber 
und  Arbeitnehmer  (S.  220—223),  etwas  breit  über  moderne  soziale  Theo- 
rien ausläfst.  Allerdings  tut  er  das  nie  zwecklos,  sondern  mit  der  oflfen- 
baren  Absicht,  hierdurch  auch  im  Leser  den  Sinn  für  die  Auffassung  der 
sozialen  Probleme  des  Altertums  zu  schärfen.  Durch  solch  vergleichende 
Analysen  sucht  er  eine  möglichst  genaue  Vorstellung  von  den  Entwick- 
lungsreihen zu  gewinnen,  als  „  deren  notwendiges  Ergebnis  die  Entstehung 
solcher  Ideen  zu  begreifen  ist",  wie  er  S.  109  sich  ausdrückt.  Hier  scheint 
mir  eine  Warnung  ana  Platze.  Eduard  Meyer,  gegen  den  hier  bei- 
läufig polemisiert  wird,  hat  meines  Erachtens  schlagend  gezeigt,  dafs  die 
historischen  Ereignisse  nicht  auf  solchen  blofsen  massenpsychologischan 
Ideen  beruhen,  und  dafs  zumeist  der  ganze  Gang  der  Entwicklung,  wenn 
man  diese  in  ihren  Motiven  und  letzten  Ursachen  verfolgt,  viel  kompli- 
zierter ist,  als  eine  Darstellung  zugeben  will,  die  auf  ausschliefslich  wirt- 
schaftlichen Anschauungen  oder  gar  sogen.  „Gesetzen"  beruht. 

Kleinere  Einwendungen,  wie  sie  bei  dem  weitschichtigen  Stoflfe  un- 
vermeidlich sind,  halte  ich  zurück,  wünsche  aber  auch,  dafs  einige  prin- 
zipielle Einwände,  die  ich  erhob,  den  Eindruck  nicht  abschwächen  sollen, 
dafs  das  Buch  Pöhlmanns  ein  bedeutendes,  grofszügiges  Werk  ist. 

Prauenfeld  (Schweiz).  Otto  SohnltheAi. 

284)  Ernst  Maass,  Die  Tagesgötter  in  Rom  und  in  den  Pro- 
vinzen. Aus  der  Kultur  des  Niederganges  der  antiken  Welt. 
Mit  30  Abbildungen.  Berlin,  Weidmannscbe  Buchhandlung,  1902. 
VIII  und  311  S.  8.  Jt  10.-. 

Das  Werk  geht  darauf  aus,  die  in  den  verschiedensten  Gegenden  des 
Bömerreiches  vorhandenen  Denkmäler,  die  die  Qötter  der  sieben  Wochen- 
tage zeigen  oder  ihnen  bestimmt  gewesen  sind,  aufzusuchen,  festzustellen 
und  zu  deuten,  und  unter  Heranziehung  einer  fast  überreichen  Fülle  von 
literarischem,  historischem,  inschriftlichem  und  archäologischem  Material, 


^ 


Neue  Piiilologische  Bondscban  Nr.  23.  539 


das  Verf.  oft  an  Stellen  za  finden  weifs,  wo  man  es  nicht  erwartete  oder 
bisher  nicht  gesucht  hatte,  gelangt  es  zu  wichtigen  Ergebnissen.  Der 
Weg,  den  Verf.  bei  seinen  Untersuchungen  nimmt,  ist  öfters  etwas  lang 
und  umständlich,  aber  er  geht  möglichst  sicher ;  und  da  hierbei  eine  aufser- 
ordentliche  Menge  von  Quellen,  oft  recht  versteckte,  vereinzelte,  beziehungslos 
scheinende,  herangezogen  werden,  da  keine  Besprechung  der  einschlägigen 
Materie,  sei  es  aus  dem  Altertum,  aus  der  Zeit  des  Humanismus  oder  der 
Neuzeit  unbeachtet  gelassen  wird,  da  im  Verlaufe  der  Untersuchung  eine 
Menge  Einzelfragen,  die  bisher  strittig  waren,  mit  erledigt  werden,  so 
bringt  das  Buch  nach  den  verschiedensten  Richtungen  Belehrung  und  An- 
regung; und  dieser  Erkenntnis  und  diesem  Genüsse  wird  sich  auch  der 
nicht  verschliefsen ,  der  vielleicht  mit  den  Hauptergebnissen  nicht  immer 
sich  im  Einverständnis  befindet. 

Das  Buch  beginnt  mit  der  Feststellung  der  örtlichkeit  und  des 
Äufseren  des  im  Mittelalter  den  wechselvollsten  Schicksalen  unterworfenen 
Septizonium  des  Septimius  Severus,  das  noch  Sittl  (Archäologie  der  Kunst 
S.  384)  kurzweg  als  „den  gröfsten  Wasserturm  der  Erde"  bezeichnet. 
Bei  Untersuchung  der  Bedeutung  des  Bauwerkes  weist  Verf.  die  ver- 
schiedenen Hypothesen  über  seine  Bestimmung  zurück,  namentlich  den 
Versuch,  es  aus  Commodian  Instr.  I,  7  („de  septizonio  et  stellis'')  als 
„Planetengürtelhaus"  zu  erklären.  Auch  die  Deutung  des  Septizonium 
als  Nymphaeum  wird  als  verfehlt  nachgewiesen.  Hierzu  stellt  Verf.  über 
die  Bedeutung  dieses  Wortes  und  den  Zweck  der  Nymphäen  eine  ein- 
gehende Untersuchung  an  und  zeigt  uns  in  einer  Beihe  von  Beispielen 
—  im  römischen  Afrika,  im  Orient,  auf  griechischem  Boden,  in  der  Um- 
gebung des  kaiserlichen  Roms  —  Nymphäen  der  verschiedensten  Aus- 
führung: alle  zum  Schmuck  und  zum  Kultus  bestimmten  Wasseranlagen 
des  griechisch-römischen  Altertums  erhielten  diesen  Namen,  und  allmäh- 
lich wurden  diese  Gebäude  zu  öffentlichen  Gesellschaftsräumen.  Auch  ein 
solches  Nymphaeum  ist  das  Septizonium  nicht  gewesen.  Es  war  der 
severische  Septizoniumbau  ein  hallenartig  angelegter  Unterbau,  bestimmt, 
etwas  sehr  Bedeutendes,  weithin  über  die  via  Appia  Sichtbares  zu  tragen. 
Was  dieses  war,  sucht  Verf.  durch  eine  nun  folgende  eingehende  sprach- 
geschichtliche Untersuchung  zu  erweisen,  in  der  er  zu  dem  Schlüsse  kommt, 
dafs  für  den  Severusbau  die  Schreibung  Septizodium  das  ursprüngliche,  für 
die  Etymologie  allein  zu  verwendende  Wort,  Septizonium  eine  volksetymo- 
logische oder  durch  falsche  Schulgelehrsamkeit  entstandene  Variante  sei. 


540  Nene  Philologische  Bondschau  Nr.  28. 

Verfasser  kommt  zn  der  Schlursfolgerung  (S.  138):  „Septizodium,  ver- 
anstaltet in  das  Eonkurrenzwort  septizoniam,  bedeutet,  uogewifs  seit  wann, 
oaohweislich  die  sieben  Planeten  and  zwar  iu  ihrer  Funktion  als  Tagea- 
götter^*;  schon  Plato  und  Aristoteles  anerkennen  die  Planeten  als  ^loidia.  — 
Es  ist  keine  Frage:  die  Gleichung  Septizoniam  =  Septizodium  ist  in  d^ 
Beweisführung  der  springende  Punkt;  aber  Verf.  vermag  sie  annehmbar 
zu  machen.  Seit  Septimius  Severus,  dem  Afrikaner,  dringt  mystisches 
Wesen,  Vorliebe  für  Astrologie  und  Fatalismus  mehr  und  mehr  in  die 
religiösen  Anschauungen  ein:  die  severiscben  Schicksalsgottheiten,  die 
Götter  der  sieben  Wochentage  werden  an  dem  grofsartigen  Septizodium 
angebracht,  das  ausersehen  war  zur  Fassade  des  Eaiserpalastes,  der  fortan 
nach  Süden ^  nach  der  viaAppia,  in  die  Ferne  schauen  sollte;  von  den 
Planetengöttem  wollten  die  Severe  ihren  Palast  gehütet  wissen  wie  von 
Palastwächtem.  Und  nicht  blofs  hier,  sondern  überhaupt  „pflegten  die 
Planeten  gruppenweise  nicht  als  solche,  sondern  als  die  Tagesgötter  in  der 
Praxis  des  Lebens  durch  Monumente  verewigt  zu  werden''. 

Verf.  geht  über  zu  den  „Tagesgöttern  in  Thermen  und  Zirkus''.  In 
zahlreichen  Einzelanlagen  in  den  Provinzen  lassen  sich  die  sieben  „Dies" 
als  Götterbilder  nachweisen;  durch  die  sieben  Vokale  a  bis  o)  wurden  die 
Planeten  bezeichnet.  Die  Tagesgötter  wurden  als  solche  in  den  römischen 
Thermen  und  Zirkus  (zum  Teil  erweislich  seit  Trojan)  gern  bildlich  dar- 
gestellt und  verehrt,  um  die  dort  verkehrende  Bevölkerung  wirksam  unter 
ihren  magischen  Schutz  zu  stellen. 

Am  auffallendsten  zeigen  sich  die  Tagesgötter  an  den  gallisch-rheini- 
schen Siegessäulen,  den  gewöhnlich  Giganten-  oder  Jupitersäulen  (früher 
auch  Bagaudeosäulen)  genannten  Monumenten,  deren  bis  jetzt  50  gut  be- 
kannt sind.  Bei  dieser  Gelegenheit  bringt  Verf.  eine  dankenswerte,  wenn 
auch  nicht  unbedingt  in  diesem  Zusammenhange  notwendige  Besprechung 
über  die  Gigantensäulen  überhaupt,  denen  er  nicht  eine  mythologische  oder 
allgemein  symbolische,  sondern  eine  historische  Deutung  gibt«  Als  eine 
der  beachtenswertesten  dieser  Säulen  erkennt  er  die  kürzlich  in  der  Nähe 
des  Limeskastelles  Marköbel  innerhalb  einer  ländlichen  Niederlassung  ge- 
fundene, deren  Beste  gegenwärtig  im  Museum  des  Hanauer  Geschichts- 
vereins geborgen  sind.  Die  S.  177  abgebildetien  acht  Köpfe  fafst  Verf. 
als  die  Abbilder  der  sieben  Wochengötter  und  'des  genius  loci  auf.  In- 
dessen ist  das  nicht  ganz  zutreffend;  denn  nachträglich  (d.  h.  nach  der 
von  Maals  an  Ort  und  Stelle  vorgenommenen  Untersuchung)  hat  sich  heraus- 


Nene  Phüologiscbe  Bnodschan  Nr.  23.  541 


gestellt,  dafs  der  eine  der  acht  Köpfe  (es  ist  Nr.  5  der  dort  abgebildeten) 
nicht  an  den  Zwischensockel,  wo  die  Wochengötterbilder  nnterzubringen 
sind,,  gehört,  sondern  genan  in  eine  Lücke  des  Kapitals  pafst,  welches  die 
Beitergruppe  selbst  trägt.  Daher  ist  jener  Sockel  wirklich  ein  Sieben- 
götterstein. Ganz  deutlich  zeigt  sich  auch  noch  an  einem  der  ausladenden 
Volutenknäufe  ein  Kopf,  so  dafs,  wenn  wir  uns  das  Kapital  vervollständigt 
vorstellen,  an  diesem  acht  Köpfe  sich  befunden  haben  müssen,  eine  Er- 
scheinung, die  freilich  noch  der  Erklärung  harrt  ^). 

Wenn  die  Frage  über  Entstehung  und  Bedeutung  der  Gigantenreiter 
auch  von  Maass  nicht  endgiltig  entschieden  wird,  so  vermag  er  doch  manches 
Neue  hinzuzufügen.  Eine  geistvolle  Vermutung  sucht  er  zu  begründen: 
dafs  nämlich  der  gallische  Gigantenreiter  in  Athen  (Paus.  I,  2,  4),  der 
auch  von  Stark  und  Loeschcke  als  Vorbild  unserer  Gruppe  angesprochen 
wird,  den  Germanikus  darstellt,  der  den  Germanengiganten  mit  der  Lanze 
durchbohrt,  ein  Bildwerk,  gewidmet,  als  Germanikus  bei  seinem  Besuche 
im  Jahre  18  n.  Chr.  von  den  Hellenen  allerorten,  von  den  Athenern  mit 
überschwenglicher  Begeisterung  aufgenommen  und  geehrt  wurde.  Bleibt 
dies  auch  nur  Vermutung,  wenngleich  eine  in  dem  Gedankengange,  den 
Verf.  nimmt,  naheliegende,  so  steht  doch  fest,  dafs,  wie  in  aller  Kunsir- 
fertigkeit,  auch  für  diese  Gruppe  die  Griechen  Vorbilder  gegeben  haben.  Als 
Vermittlerin  ist  Massilia  anzunehmen.  Echtrömischea  Element  dabei  ist 
der  oft  erscheinende  Ortsgenius;  auch  er  entspricht  aber  der  Stadttyche  der 
Griechen.  Und  auch  zu  dem  im  palatinischen  Planetenhause  thronenden 
Septimius  Sevems  findet  sich  eine  treffende  Parallele  in  Konunagene 
(aus  der  sullanischen  Epoche),  wo  der  König  Antiochus  sich  ein  leQo- 
d'iaiov,  das  zugleich  sein  Grab  werden  sollte,  in  der  angegebenen  Weise 
baute. 

Zur  Zeit  Neros  und  Domitians  war  in  Kleinasien  die  Planetenwoche 
schon  fest.  Ein  merkwürdiges  apollinisches  Orakal  aus  spätgriechischer 
Zeit  findet  Verf.  bei  Easebius  Praep.  ev.  V,  14,  Isqq.,  ein  Bruckstück 
aus  Porphyrius*  „Orakelphilosophie 'S  das  —  vorausgesetzt,  dafs  Maass* 
allerdings  ansprechende  Änderung  nal  ^Piav  in  %'A(jypf  das  richtige  trifft  — 


1)  übrigens  wird  Fandbericht  und  eingehende  Beschreibnnfr  der  Hanauer  Giganten- 
reitersaule  in  kurzem  voraussichtlich  in  der  Westdeutschen  Zeitschrift  zu  lesen  sein. 
Bei  dieser  Gelegenheit  mag  erwähnt  werden,  dafs  sich  inzwischen  ebenfalls  in  der  Nähe 
Hanaus  ein  Viergotterstein  gefunden  hat,  der  in  die  Kirchenmauer  zu  Wachenbuchen 
eingemauert  war. 


542  Nene  Philologische  BimdBchan  Nr.  23. 


zeigt,  dars  der  griechische  Apollo  die  Verehrnng  der  Planeten  an  ihren 
Tagen,  d.  h.  die  Einföhrung  der  siebentägigen  Planetenwoche  angeordnet  hat. 

Die  nationslosen  Tagesgötter  —  so  argumentiert  Verf.  weifer,  um 
seine  Annahme  von  der  Entstehung  der  Woche  zu  begründen  —  schoben 
sich  zuerst  neben,  dann  vor  die  Nationalgötter,  um  sie  allmählich  ganz 
zu  verdrängen.  Am  Ende  sind  sie  von  allen  Oötzen  allein  übrig  geblieben 
und  in  das  Christentum  eingeschmolzen  worden;  die  Mythographen  der 
Eaiserzeit  und  die  christlichen  Apologeten  haben  hierzu  am  meisten  bei- 
getragen. Verf.  verfolgt  den  Weg,  den  die  allmähliche  Einbürgerung  der 
Tagesgötter  und  der  Planeten woche  genommen  hat,  bis  über  das  Mittel- 
alter hinaus  in  Yolksänschauung,  Poesie  und  bildender  Kunst 

Ein  Abschnitt  über  die  Bestimmung  des  Pantheons,  in  dem  die  An- 
nahme, es  könne  ein  Planetentempel  gewesen  sein,  gründlich  und  über- 
zeugend widerlegt  wird,  schliefst  das  inhaltreiche  Buch.  Die  hier  mit- 
geteilten Gedanken  lassen  wohl  erkennen,  dafs  des  Verf.  Schlufsfolgerungen 
nicht  überall  stichhaltig  sind;  trotzdem  macht  das  Werk  im  ganzen  wie 
im  einzelnen  mit  Becht  Anspruch  auf  die  vollste  Beachtung  der  Forscher; 
im  ganzen,  weil  es  wichtige  Erscheinungen  der  antiken  Kultur  in  gründ- 
licher Weise  und  im  Zusammenhange  behandelt  und  in  zum  Teil  ganz 
neuer  Beleuchtung  zeigt;  im  einzelnen,  weil  manche  archäologische  Merk- 
würdigkeit neue  Erklärung  erfährt,  manche  bisher  unbeachtet  gebliebene 
Einzelheit  Bedeutung  erhält,  auch  manche  zweifelhafte  oder  mifsverstandene 
Stelle  der  Schriftsteller  kritisch  beleuchtet  oder  ansprechend  erklärt  wird. 

Hanau.  0.  Waokormann. 

285)  X  Vendryes,  Becherches  sur  ThiBtoire  et  les  effets  de 
rintenBitö   initiale    en    latin.    Paris,  Klincksieck,   1902. 

XIV  U.  343  S.  gr.  8.  8  frcs. 

Von  den  beiden  Teilen  dieses  Buches  ist  der  erste  von  allgemeinerem 
Interesse,  weshalb  über  ihn  ausführlicher  berichtet  werden  soll.  Er  han- 
delt vom  lateinischen  Akzent.  Mit  dem  letzteren  Wort  bezeichnet  man 
gemeinhin  zweierlei  Dinge,  ohne  sie  immer  recht  auseinanderzuhalten: 
einmal  die  Tonstärke  (intensite)  einer  Silbe  und  sodann  ihre  Tonhöhe 
(hauteur).  Aufserdem  ist  die  Silbe  Träger  eines  dritten  veränderlichen 
Elementes,  der  Quantität.  Nach  dieser  Feststellung  prüft  V.  die  Zeugnisse 
über  die  Art  des  lateinischen  Akzentes  und  unterscheidet  dabei  dreierlei: 
1)  die  romanischen  Sprachen,   2)  die  lateinische  Grammatikerlehre  und 


Neae  Philologische  Bundschau  Nr.  23.  643 


3)  die  lateinische  Phonetik.  Die  romanischen  Sprachen  föhren  auf  die 
Tonstärke  hin  (vgl.  Schwächung  und  Schwund  tonschwacher  oder  un- 
betonter Silben  im  Woiiinnem  und  am  Wortende);  dieser  (exspiratorische) 
Akzent  unterliegt  dem  Dreisilbengesetz,  steht  also  in  Beziehung  zur  Quantität 
der  Silben  und  hat  ferner  in  gewissen  romanischen  Sprachen  und  unter  ge- 
wissen Bedingungen  einen  Nebenakzent  auf  der  ersten  Wortsilbe.  Es  ist  doch 
wohl  anzunehmen,  dafs  diese  Art  der  Akzentuierung  von  der  lateinischen 
Sprache  auf  die  romanischen  übergegangen  ist.  Befragen  wir  nun  die 
lateinischen  Grammatiker,  so  kommen  wir  zu  einem  ganz  anderen  Er- 
gebnis. Varro  und  seine  gelehrten  Zeitgenossen  (z.  B.  Nigidius)  vertreten 
eine  Akzentlehre,  die  aus  dem  Griechischen  stammt  und  von  ihnen  ohne 
weiteres  auf  die  lateinische  Sprache  angewendet  wird.  Der  griechische 
Akzent  ist  aber  musikalisch,  d.  h.  er  beruht  auf  der  Tonhöhe,  nicht  auf 
der  Tonstärke;  also  mufs  zu  Varros  Zeiten  auch  die  lateinische  Sprache 
einem  Akzent  der  Tonhöhe  unterlegen  haben.  Dies  wird  von  Cicero 
an  verschiedenen  Orten  bestätigt,  und  Vitruv  sowie  Quintilian  liefern 
weitere  Zeugnisse  für  diese  Tatsache.  Die  varronische  Lehre  ist  für  die 
Folgezeit  mafsgebend  geworden ;  die  späteren  Grammatiker  schliefsen  sich  fast 
durchweg  der  varronischen  Auf&ssung  an  (so  z.  B.  Martianus  Capella  und 
Priscian).  Jedoch  zeigt  sich  gelegentlich  auch  eine  Abweichung,  wie  bei 
Diomedes,  Servius  und  Pompeius;  deren  Ausführungen  über  den  Akzent 
beziehen  sich  nicht  auf  Tonhöhe,  sondern  auf  Tonstärke.  (Übrigens 
erscheinen  diese  beiden  Gruppen  von  Grammatikern  auch  in  einer  ver- 
schiedenen Auffassung  des  Zirkumflexes).  Nach  V.  erklärt  sich  diese  Er- 
scheinung dadurch,  dafs  in  dem  Zeitraum,  der  zwischen  Varro  und  den 
späteren  Grammatikern  liegt,  der  Charakter  des  lateinischen  Akzentes  sich 
änderte,  dafs  an  die  Stelle  der  Tonhöhe  die  Tonstärke  trat  und  dafs  ein 
grofser  Teil  der  Grammatiker,  unbekümmert  um  diesen  Wandel,  einfach 
gedankenlos  die  varronische  Lehre  nachbetete,  während  einige  den  ver- 
änderten Verhältnissen  Bechnung  tragen  und  den  Akzent  als  das  definier- 
ten, was  er  zu  ihrer  Zeit  wirklich  war.  Was  endlich  die  lateinische 
Phonetik  betrifft,  so  nötigt  sie  zur  Annahme  einer  starken  Betonung  der 
Anfangssilbe,  worüber  V.  im  Kap.  III  und  IV  handelt.  Diese  Betonungsart 
gehört  der  vorliterarischeu  Periode  des  Lateins  an;  seit  Livius  Andro- 
nicus  ist  die  lateinische  Poesie  quantitierend,  d.  h.  ihr  Rhythmus  beruht 
auf  dem  Wechsel  und  der  Anordnung  langer  und  kurzer  Silben,  und  dies 
gilt,   wie  die  Lehren  der  Rhetoren  zeigen,  von  der  lateinischen  Sprache 


bU  Neae  Philologische  Bnndgchau  Nr.  23. 

nach  Livius  Andronicas  überhaupt.  Hierbei  gebt  V.  nfther  auf  die  Metrik 
des  Piautas  uud  Terenz  sowie  auf  die  des  Vergil  und  seiner  Nachfolger 
ein  und  bemerkt  u.  a.,  dafs  das  allmähliche  Schwinden  der  Alliteration  eine 
Folge  gewesen  sei  von  dem  Schwinden  der  Betonung  auf  der  Anfangasilbe. 
In  Kap.  y  farst  V.  seine  Ansichten  über  die  Geschichte  des  lateinischen 
Akzents  folgendermafsen  zusammen:  Die  erste  Periode  beginnt  etwa  mit 
der  Loslösung  des  Latein  vom  Italischen.  Aus  dem  Altitalischen  war,  als 
Erbschaft  aus  dem  Indogermanischen,  der  Sprache  ein  Akzent  der  Tonhöhe 
eigen,  der  jedoch  ohne  jeden  Einflufs  auf  die  Entwicklung  der  lateini- 
schen Phonetik  blieb.  Die  lautlichen  Veränderungen,  die  die  lateinische 
Sprache  durchgemacht  hat,  wurden  vielmehr  herbeigeführt  durch  die  Ton- 
stärke der  ersten  Wortsilbe,  die  auf  den  Einflufs  einer  nicht  indogermani- 
schen Sprache  zurückzuführen  sein  dürfte  (cdn  entsprechender,  aber  selb- 
ständiger Vorgang  wird  für  das  Keltische  und  Germanische  angenommen). 
Während  die  Tonhöhe  sich  mit  dem  der  lateinischen  Sprache  aus  der 
indogermaniseben  Zeit  eigentümlichen  Prinzip  der  Quantität  sehr  wohl 
verträgt  (s.  das  Griechische),  ist  dies  bei  der  Tonstärke  nicht  der  Fall, 
vielmehr  entstand  ein  Widerstreit  beider  Prinzipien,  iu  dem  die  Quantität 
Sieger  blieb.  Die  Anfangsbetonung  tritt  mehr  und  mehr  zurück  und  ist 
beim  Eintritt  der  lateinischen  Sprache  in  die  Literatur  schon  fast  gänz- 
lich geschwunden.  Mit  diesem  Zeitpunkt,  d.  h.  etwa  dem  2.  vorchrist- 
lichen Jahrb.,  beginnt  die  zweite  Periode,  die  ungefähr  bis  zum  Jahre 
400  n.  Chr.  reicht.  Während  derselben  ist  die  lateinische  Sprache  quanti- 
tierend  und  hat  eine  Akzeotuierung  nach  der  Tonhöhe,  entspricht  also 
völlig  der  griechischen.  Die  Tonhöhe  bat  keinen  Einflufs  auf  die  Shyth- 
mik,  die  lediglich  vom  Gesetz  der  Quantität  beherrscht  wird,  einen  Wort- 
akzent durch  Tonstärke  gibt  es  in  dieser  ganzen  Zeit  nicht.  Allmählich 
jedoch  nimmt  das  Gefühl  für  die  Quantität  ab  und  aus  der  Tonhöhe  ent- 
wickelt sich  nach  und  nach  eine  Tonstärke;  die  durch  diese  hervor* 
gehobenen  Silben  werden  als  Längen,  die  anderen  als  Kurzen  behsmdelt 
Der  übermächtige  Einflufs  Vergils  auf  die  Dichter  der  Folgezeit  läXst 
den  Entwickelungsprozefs  in  der  Dichtung  lange  nicht  zur  Erscheinung 
gekngen,  bis  er  sich  bei  Commodian  deutlich  temerklich  macht  und  in 
Augustins  Psalmus  contra  partem  Donati  (um  393)  ganz  zum  Durchbruch 
gelangt.  Hier  wird  der  Rhythmus  nicht  mehr  durch  die  Quantität  be- 
stimmt, sondern  durch  den  auf  Tonstärke  beruhenden  Wortakzent,  der 
sich  nach  und  nach  gefestigt  hat  und  für  die  Entwickelung  der  romani- 


Neue  Philologische  Bandsehati  Nr.  23.  545 

sehen  Sprachen  aus  dem  Latein  von  grofser  Bedeutung  geworden  ist;  die 
romanische  Dichtung  ist  akzentuierend,  nicht  quantitierend.  Von  Augustin 
an  rechnet  V.  die  dritte  Periode  seiner  lateinischen  Akzentgeschichte. 

Der  zweite,  umfangreichere  Teil  des  Buches  handelt  über  ^Mets  de 
rintensit^  initiale';  er  führt  tief  hinein  in  sprachwissenschaftliche  Einzel- 
heiten und  bei-ührt  eine  Menge  Fragen,  die  nur  irgendwie  mit  dem  Thema 
zusammenhängen,  so  dafs  es  unmöglich  ist,  hier  näher  darauf  einzugehen. 
Die  Hauptüberschriften  der  einzelnen  Abschnitte  mögen  den  Inhalt  an- 
deuten :  Le  redoublement  consonantique,  Bapports  de  Tintensit^  initiale  et 
de  la  quantitä,  Traitement  des  voyelles  longues  int^ieures  und  Tr.  des 
Yoyelles  braves  int^rieures,  Syncope  et  absorption,  D^veloppement  de  neu- 
velles  sonantes,  L'apophonie  latine.  Das  Ergebnis  lautet:  die  Mntensit^ 
initiale^  ist  von  der  gröfsten  Bedeutung  gewesen  für  die  Entwickelung  der 
lateinischen  Sprache,  namentlich  in  der  Hinsicht,  dafs  sie  manche  indo- 
germanischen Merkmale  derselben  beseitigt  und  ihr  so  ihren  eigenartigen 
Charakter  aufgeprägt  hat;  doch  hat  die  Wirkung  jener  Akzentkraft  auch 
bestimmte  Grenzen  gehabt,  lange  Vokale  innerer  Silben  gar  nicht  und 
kurze  nur  in  beschränktem  Mafse  beeinflufst,  und  ist  beständig  auf  den 
Widerstand  des  Quantitätsprinzips  gestofsen,  dem  sie  schliefslich  auch 
unterlegen  ist. 

Ein  Anhang  gilt  dem  Problem  des  Satumius.  V.  beabsichtigt  nicht 
es  zu  lösen,  er  hebt  nur  hervor,  dafs  auf  grund  seiner  Untersuchungen 
der  saturnische  Versbau  auf  einem  doppelten  Prinzip  beruhen  müsse,  dem 
der 'quantit^'  und  dem  der  'intensit^  initiale',  die  beide  im  Satnmier  eine 
Art  Kompromifs  eingegangen  seien,  so  dafs  dieser  Vers  weder  rein  quanti- 
tierend noch  rein  akzentuierend,  sondern  beides  zugleich  sei. 

Gewifs  ist  nicht  alles,  was  V.  vorträgt,  neu,  und  über  manche  Einzel- 
heit, besonders  im  zweiten  Teile,  mag  sich  streiten  lassen,  das  liegt  in 
der  Natur  der  Sache;  indessen  ist  es  das  unbestreitbare  Verdienst  des 
Verf.,  die  Geschichte  des  lateinischen  Akzentes  im  grofsen  Zusammen- 
hange behandelt  und  Ergebnisse  gefördert  zu  haben,  denen  man  die  Be- 
rechtigung kaum  wird  versagen  können.  Wir  haben  nur  noch  hinzuzufügen, 
dafs  das  Buch  von  gründlicher  Gelehrsamkeit  zeugt  und  klar  und  anziehend 
geschrieben  ist. 

Br.  W. 


546  Neae  Philologische  Bandschan  Nr.  23. 

286)  Karl  LehrB»  Kleine  Sehriften.  Herausgegeben  von  Arthur 
Ludwich.  Königsberg  i.  Pr.,  Hartnngsche  Verlagsdrackerei,  1902. 
VII  u.  582  S.  gr.  8.  Ji  12.  -. 

Als  am  9.  Juni  1878  Lehrs  seine  Augen  geschlossen  hatte,  beabsich- 
tigte der  Herausg.  dem  Meister  ein  ehrendes  Denkmal  durch  Herausgabe 
seiner  kleinen  Schriften  zu  setzen.  Aber  Schwierigkeiten  verschiedener 
Art  verhinderten  damals  die  Ausführung  des  Planes.  Auch  spätere  Be- 
mühungen schlugen  fehl.  Als  jedoch  am  14  Januar  1902  die  hundert- 
jährige Wiederkehr  des  Geburtstages  des  grofsen  Philologen  in  Königsberg 
festlich  begangen  wurde,  da  regte  man  den  Oedanken  von  neuem  an,  und 
diesmal  fand  er  bei  den  alten  Schülern  und  Freunden  Widerhall.  So 
gelang  es  alle  Schwierigkeiten  zu  überwinden  und  die  Sammlung  der 
kleinen  Schriften  zustande  zu  bringen.  Es  erfolgte  unmittelbar  danach 
eine  Aufforderung  zur  Subskription,  welche  so  günstig  ausfiel,  dafs  der 
Plan  verwirklicht  werden  konnte.  Schon  im  Herbst  desselben  Jahres  lag 
die  Sammlung  gedruckt  vor  uns.  Es  ist  ein  stattlicher  Band :  er  enthält 
115  Nummern,  meist  Anzeigen  von  neu  erschienenen  Büchern  oder  kürzere 
Abhandlungen,  in  den  verschiedensten  Zeitschriften  erschienen,  besonders 
in  den  Jahrbüchern  für  Philologie  und  Pädagogik,  im  Bheinischen  Museum, 
in  Zarnckes  literarischem  Zentralblatt  und  in  den  wissenschaftlichen  Monats- 
blättern. Die  Sammlung  beginnt  mit  Arbeiten,  die  sich  auf  Homer 
beziehen.  Bekanntlich  war  Lehrs  ein  eifriger  Verfechter  der  Einheit  der 
homerischen  Gedichte.  Sind  wir  auch  nicht  imstande,  uns  dieser  Ansicht 
anzuschliefsen ,  so  gewährt  es  doch  nicht  geringes  Interesse,  die  Gründe 
kennen  zu  lernen,  die  er  an  den  verstreutesten  Orten  zur  Begründung 
derselben  vorgebracht  hat.  Aufser  Besprechungen  von  Schriften  Kammers, 
Brugmans  und  anderer,  ferner  seiner  Habilitationsschrift  de  ironia  qua- 
tenus  in  historia  studiorum  Homericorum  cernitur  vom  Jahre  1831  (publi- 
ziert von  Friedlaender  in  einem  Königsberger  üniversitätsprogramm  1879) 
werden  uns  hier  zum  ersten  Male  Mitteilungen  aus  der  ersten  Vorlesung, 
die  Lehrs  an  der  Universität  über  die  Einleitung  zu  Homer  gehalten  hat, 
gemacht.  Benutzt  ist  dazu  ein  fragmentarischer  Entwurf  von  Lehrs'  eigener 
Hand,  versehen  mit  Zusätzen  aus  späterer  Zeit  und  ein  von  Prof.  Lentz 
nachgeschriebenes  Kollegienheft.  Mit  gi*ofsem  Interesse  lesen  wir  die  ein- 
zelnen Kapitel,  welche  über  die  VortrefFlichkeit  der  homerischen  Gedichte 
von  ihrer  religiösen  und  moralischen  Seite  handeln,  ferner  von  den  poeti- 
schen Tugenden  derselben,  von  der  verkehrten  Auffassungsweise,   von  der 


> 


Nene  Philologische  Bondschaa  Nr.  28.  547 

Entwickelang  der  Wolfischen  Ansicht  über  ihren  Ursprung,  von  den  Gegen- 
gründen  gegen  Wolfs  Ansicht,  von  der  Fortpflanzung  der  homerischen  Ge- 
dichte, von  der  philologischen  und  grammatischen  Erklärung  und  Kritik  Ho- 
mers, besonders  durch  die  Alexandriner.  Den  Schlufs  bildet  ein  Abrifs  home- 
rischer Ansichten  und  homerischen  Lebens.  Hieran  reihen  sich^wertvoUe 
Beiträge  zu  den  nachbomerischen  Epikern,  zu  Hesiod,  Oppian,  Manetho^  Quintus 
von  Smyrna,  Nonnus  und  Musäus.  Zu  den  Quaestiones  epicae  (erschienen 
1837)  gibt  der  Herausg.  aus  dem  Handexemplare  des  Meisters  eine  grofse 
Anzahl  von  Nachträgen  und  Verbesserungen.  Es  folgen  Beiträge  zu 
anderen  griechischen  Dichtern,  besonders  zu  Pindar  und  den  griechischen 
Tragikern,  zn  den  Scholien  des  Pindar  und  Sophokles,  sodann  zu  den 
Prosaikern,  Plato,  Aristoteles,  Herodot  u.  a.  Dafs  Lehrs  auch  anf  dem 
Gebiet  der  griechischen  Grammatik,  Synonymik,  Metrik  vortrefilich  zu 
Hause  war,  davon  geben  manche  Seiten  dieses  Buches  dem,  der  es  nicht 
so  schon  wüfste,  genügende  Belege.  Hierbei  wollen  wir  noch  besonders 
auf  seine  früheste  Arbeit  aus  dem  Jahre  1825  hinweisen,  „de  dativi  decli- 
nationis  primae  formis  epicis",  in  Seebodes  Archiv  för  Philologie  und 
Pädagogik  erschienen,  hier  mit  Zusätzen  und  Verbesserungen  aus  Lehrs' 
Handexemplar  wieder  abgedruckt.  In  weniger  reichem  Mafse  werden  die 
römischen  Autoren  bedacht,  am  meisten  natürlich  Horaz,  dessen  Schriften 
er  ja  selbst  im  Jahre  1869  herausgab.  Staunenswert  ist  die  Fülle  seines 
Wissens  auf  den  verschiedensten  Gebieten  des  klassischen  Altertums  ge- 
wesen; dalB  es  sich  aber  auch  anf  andere  Gebiete  erstreckte,  dafür  gibt 
das  vorliegende  Buch  Beweise.  Ich  hebe  nur  hervor  seine  schöne  Tischrede, 
die  er  an  Kants  Geburtstag  am  22.  April  1849  hielt  über  das  Thema: 
i,Die  Philosophie  und  Kant  gegenüber  dem  Jahre  1848''  und  die  Be- 
sprechung einer  tTbersetzung  von  Byrons  Eorsar. 

Wer  irgend  welches  Interesse  an  Lehrs  hat  —  ich  rede  nicht  blofs 
von  seinen  Schülern  und  seinen  persönlichen  Freunden;  aber  wenn 
er  nichts  als  seinen  Aristarch  geschrieben  hätte,  so  würde  dieses  monn- 
mentum  aere  perennius  ihm  immer  neue  Freunde  zuführen  — ,  dem  rufen 
vrir  die  Worte  zu  „tolle,  lege''  und  wissen  bestimmt,  dab  er  das  Buch 
nicht  unbefriedigt  aus  der  Hand  legen  wird.  Dazu  hat  der  Herausg. 
beigetragen,  der  im  Vorwort  erklärt,  dafs,  da  Lehrs  ein  Mann  von  fesseln- 
der Individualität  gewesen  sei,  der  es  verdiene  und  vertrage,  dafs  seine 
Nachlafspfleger  nicht  nur  die  lauteren  Goldkömer  von  ihm  pietätvoll  auf- 
höben, er  diesem  individuellen  Verhältnisse  habe  Bechnung  tragen  wollen 


548  Nene  PhilologiBche  Bnodsohan  Nr.  23. 

nicht  der  objektiven  Wissenschaft  allein.  Damm  sei  manches  in  das  Bnch 
gekommen,  was  Qberwiegend  persönliches  Interesse  habe,  aber  gerade  des- 
halb, wie  er  hoffe,  vielen  willkommen  sein  werde. 

Wie  wenig  Lehrs  mit  dem  philologischen  Universitätsnnterricht  in 
den  letzten  Jahren  seines  Lebens  nnd  den  Anfordernngen  beim  philo- 
logischen Staatsexamen  einverstanden  war,  erfahren  wir  ans  verschiedenen 
Stellen.  Zum  Beweis  fär  beides  fQhre  ich  nur  je  ein  Beispiel  an.  „Wenn 
man^^  —  so  schrieb  er  im  Jahre  1874  —  „einmal  unter  den  Philologie 
Studierenden  des  vierten  Studienjahres  eine  statistische  Erhebung  anstellen 
wollte,  wie  viele  unter  ihnen  eiae  gewisse  Anzahl  philologischer  Grund- 
und  Bildungs-  und  Musterbücher  aus  der  Gattung  derjenigea,  die  dieses 
selbst  unter  etwaiger  Modifikation  ihrer  Resultate  bleiben,  aus  eigener 
Beschäftigung  kennen,  z.  B.  Bentleys  Phalarisdissei*tationen,  Wolfs  Pro- 
legomena,  Hermanns  Orphica,  Lobecks  Aglaophamus,  so  würde  die  statistische 
Ziffer  sehr  gering  ausfallen.  Dies  liegt  nicht  allein  am  Mangel  an  Zeit, 
wiewohl  man  die  jungen  Männer  auch  in  dieser  Beziehung  in  eine  un- 
wissenschaftliche Enge  getrieben,  namentlich  durch  das  leidige  Examinations- 
wesen,  sondern  an  der  Bichtung.^^  Ich  furchte,  dafs  wenn  Lehrs  die 
neuen  Beformen  der  preufsischen  Gymnasien  mit  erlebt  und  den  Rück- 
gang der  Leistungen  im  Griechischen  und  Lateinischen  bei  den  Studierenden 
selbst  erfahren  hätte,  er  noch  ungünstiger  geurteilt  hätte.  Das  Titelblatt 
des  „Reglements  für  die  Prüfungen  der  Kandidaten  des  höheren  Schul- 
amts'* (Berlin  1867)  versah  er  mit  dreifachem  Motto:  ädfiratov  tcoXXcc 
rexytifxevov  Sv&gwTtov  Ttdvra  xaAd)^  noieiv  (Xen.  Cyr.  8,  2,  5) ,  7t6Xk 
^Ttiatato  sQycc,  xaxög  d'  '^Ttiatato  Ttdvra.  TtoXvf^a&iri  v6ov  ov  diddanei. 

Wir  werden  dem  Herausg.  völlig  beistimmen,  wenn  er  im  Vorwort 
erklärt,  er  habe  es  sich  grundsätzlich  versagt,  wenn  auch  das  Buch  manche 
Ansicht  vertrete,  über  welche  die  Wissenschaft  inzwischen  hinweggeschritten 
sei,  seine  anspruchslose  Rolle  als  Herausgeber  mit  einer  anspruchsvolleren 
zu  vertauschen.  Zugleich  aber  fühlen  wir  uns  gedrungen,  demselben 
unseren  herzlichsten  Dank  dafür  auszusprechen,  dafs  er  sich  der  mühevollen 
Arbeit,  die  kleinen  Schriften  zu  sammeln,  unterzogen  und  diese  mit  einer 
Sorgfalt  ausgeführt  hat,  wie  sie  alle  Arbeiten  Lud  wichs  auszeichnet.  Die 
Brauchbarkeit  des  Buches  ist  durch  ein  genaues  Sach-,  Wort-  und  Stellen- 
register  erhöht. 

Hinzugefügt  ist  in  einem  Anhang  ein  Verzeichnis  der  von  Lehrs 
hinterlassenen  Druckschriften  und  Manuskripte,  femer  ein  Verzeichnis  der 


Nene  Philologische  Bandschau  Nr.  23.  549 

von  ihm  an  der  Universität  gehaltenen  Vorlesungen  nnd  endlich  die  vor- 
treffliche Gedächtnisrede,  welche  der  Herausg.  bei  der  hundertjährigen 
Geburtstagsfeier  des  grofsen  Philologen  gehalten  hat. 

Die  Ausstattung  des  Buches  ist  vorzfiglich.  Beigegeben  ist  ein,  wie 
mir  von  Kundigen  versichert  worden  ist,  wohlgetroffenes  Bildnis  desVer- 
fiEU»ers. 

Magdeburg.  E.  Eberhard. 

287)  D.  Karl  Budde,  Das  Alte  Testament  und  die  Aus- 
grabungen. Gielsen,  J.  Bicker,  1903,  39  S.  8.  Ji  —.80. 
Der  bekannte  Marburger  Poracher  erhebt  hier  —  wie  stets  frei  von 
jeder  kirchlich -dogmatischen  BQcksicht  —  gewichtige  B/sdenken  gegen 
die  von  Fr.  Delitzsch  (in  „Babel  und  BibeP^  I)  und  Winckler  gefibte 
willkürreiche,  dehnbare  Methode,  mit  der  die  israelitische  Geschichte 
ganz  nach  den  Voraussetzungen  von  der  unumschränkten  geistig-kulturellen 
Vorherrschaft  Babyloniens  und  einem  daraus  abgeleiteten  mythologischen 
Schema  behandelt  wird.  Budde  gibt  dafür  Belege  aus  Wincklers  Ge- 
schichte Israels  und  der  neuen  (dritten)  Auflage  des  ursprünglich  (1872 
in  Giefsen,  jetzt  in  Berlin)  von  Eberhard  Schrader  besorgten  Werkes: 
„Die  Eeilinsehriften  und  das  Alte  Testament",  das  aber  jetzt  unter  den 
Händen  von  Heinrich  Zimmern  und  Hugo  Winckler  nicht  nur  eine  freudig 
zu  begrfifsende  Erweiterung  auf  die  Apokryphen,  Pseudepigraphen  und  das 
N.  T.,  sondern  auch  leider  eine  „Umwandlung  des  glossatorisch  angelegten 
Werkes  in  eine  systematische  Darstellung"  erfahren  hat,  wobei  alle  Lücken 
durch  phantasiereiche,  aber  oft  recht  unsichere,  gewagte  Eombinationskunst- 
stücke  ausgefüllt  sind.  Dabei  wird  oft  den  alttestamentlichen  Berichten  einer- 
seits Gewalt  angetan,  dem  mythologischen  Schema  aber  anderseits  eine  solche 
Dehnbarkeit  zugemutet,  dafs  gar  keine  festen  methodischen  Richtlinien  er- 
scheinen, wie  sie  doch  nötig  und  möglich  sind.  Das  Ergebnis,  zu  dem  die 
beachtenswerte  Schrift  führt,  die  sich  nicht  nur  auf  die  Frage  nach  der  Be- 
deutung der  babylonischen  Ausgrabungen  beschränkt,  lälst  sich  etwa  in 
drei  Sätzen  Buddes  wiedergeben:  1)  die  Israel  innewohnende  eigene  Kraft 
behält  die  Oberhand;  fehlen  auch  keineswegs  Einflüsse  von  aufsen  her,  so 
werden  diese  doch  in  organischem  Prozefs  innerlich  verarbeitet,  ohne  dafs 
ihnen  Israel  erliegt;  2)  gerade  in  der  Zeit,  in  der  Israel  zum  Volk  wurde 
und  sein  eigenartiges,  dauerndes  GeprJ^  empfing,  hat  es  sich  relativ 
selbständig,  unter  bei  weitem  überwiegend  übersehbaren  Einflössen  aus  der 


550  Nene  Philolof  ieohe  Bnndsohan  Nr.  23. 


Nfthe  entwickelt;  3)  so  unabsehbar  auch  das  babylonische  Scbrifttam  an- 
schwillt, der  geschlossenen  Beihe  der  Propheten  and  selbst  der  Geschichts- 
erzählnng  der  ältesten  Quellen  im  A.  T.  hat  es  nichts  Ebenbärtiges  an 
die  Seite  zu  setzen.  O.  Fr. 

288)  Heinrich  Grein,  Amis  und  Amiles.  Ein  altfranz5sisches  Helden- 

gedicht. In  deutsche  Verse  übertragen  von  H.  G«  Mit  einem 
Vorwort  von  Prof.  Dr.  Gustav  Körting.  Kiel,  Robert  Cordes, 
1902.    IV  und  92  S.  8.  JL  2.—. 

Das  Interesse  des  gebildeten  Publikums  an  altfranzösischer  Literatur 
nimmt  mit  jedem  Jahre  zu.  Die  trefflichen  Verdeutschungen  des  ver- 
storbenen Herz,  ferner  die  bei  Beclam  erschienenen  des  Bolandsliedes  und 
des  Idylls  von  Aucassin  und  Nicolete,  das  Qbrigens  von  selten  des  Dänen 
Enna  auch  als  Oper  komponiert  worden  ist,  haben  schön  einen  eifrigen 
Leserkreis  gefunden.  Auch  die  vorliegende  Übersetzung  des  Epos  der 
Freundestreue  verdient  einen  solchen«  Sie  ist  dem  Sinne  nach  getreu,  die 
Verse  sind  „gewandt  gebaut  und  lassen  sich  angenehm  lesen  ^^  Die 
Sage  war  im  Mittelalter  weltberfihmt  und  in  alle  damals  in  Betracht 
kommenden  Sprachen  übersetzt.  Alle  Freunde  der  älteren  Epik  seien 
daher  auf  diese  Übersetzung  aufmerksam  gemacht. 

Berlin.  B.  BUtgers. 

289)  John  Fiske,  Essays  Historical  and  literary.   Vol.  I  Scenes 

änd  Characters  in  American  History.    Vol.  II  In  Favourite  Fields. 
New- York,  The  Macmillan  Company;  London,  Macmillan  &  Co., 
1902.    n  und  422  S.  8.  —  I  und  316  S.  8.     geb.  zus.  17  sh. 
John  Fiske  war  Professor  am  Harvard  College  und  ein  Gelehrter  von 
vielseitigem  Wissen,  das  er  in  sich  zur  Einheit  zu  gestalten  bestrebt  war. 
Seine  zahlreichen  Werke  sind  besonders  geschichtlichen  und  philosophischen 
Inhalts  (Positivismus,  kosmische  Philosophie ,  Darwinismus,  Entwicklungs^ 
lehre  usw.),  aber  auch  auf  Literatur  und  Folklore  hat  er  sein  Arbeitsfeld 
ausgedehnt.    Auch  die  vorliegenden  Essays  zeichnen  sich  durch  Beich- 
haltigkeit  des  Inhaltes  aus,  doch  sind  die  historischen  nach  Umfang  und 
Bedeutung  die  wichtigsten  und  decken  den  Zeitraum  von  den  Kolonial- 
kriegen  mit  Frankreich   bis  zum  Vorabend  des  Sezessionskrieges.     Der 
Schwerpunkt  liegt  auf  den  Kämpfen  um  die  Verfassung  sowie  den  weiteren 
Ausbau  der  Union  und  um  die  Sklavenfrage.    Folgendes  sind  die  Titel. 


■^ 


Nene  Philologische  Rnndschan  Nr.  23.  551 


Vol.  I:  1)  Thomas  HutchinsoD,  Last  Qovemor  of  Massachusetts,  2)  Charles 
Lee,  Soldier  of  Fortune,  3)  A.  Hamilton  and  the  Föderalist  Party,  4)  Thomas 
Jefferson,  The  Conservative  Reformer,  5)  James  Madison,  The  Constructive 
Statesman,  6  und  7)  Andrew  Jackson,  8)  Harrison,  Tyler  and  the  Whig 
Coalition,  9)  Daniel  Webster.  Vol.  II:  Old  and  New  Ways  of  Treating 
History,  2)  John  Milton,  3)  The  Fall  of  New  France,  4)  Connecticut's 
Influence  on  the  Federal  Constitution,  5)  The  Deeper  Signification  of  the 
Boston  Tea  Party,  6)  Beminiscences  of  Huxley,  7)  Herbert  Spencer's  Service 
to  Beligion,  8)  John  Tyndall,  9)  Evolution  of  the  Present  Age,  10)  Koshchei 
the  Deathless. 

Diese  Essays  wurden  teils  in  Zeitschriften  veröffentlicht,  teils  für  die 
Encyclopaedia  of  American  Biography  geschrieben ;  andere  waren  Vorarbeiten 
für  eine  beabsichtigte  History  of  the  American  People,  und  wieder  andere 
wurden  als  Vorträge  in  den  verschiedensten  Städten  der  Union  gehalten. 
Sie  alle  liegen  nun  in  zwei  grofs  und  schön  gedruckten  Bänden  vor,  deren 
Herausgabe  Abby  Morgan  Fiske  nach  des  Verfassers  Tode  besorgt  hat. 

John  Fiskes  Stil  ist  vornehm  und  klar,  seine  Darstellung,  wiewohl 
von  Vaterlandsliebe  durchwärmt,  frei  von  engherziger  Prahlerei  und  Vor- 
eingenommenheit. So  tadelt  er  z.  B.  nicht  nur  das  durch  Jackson  ein- 
geführte spoils  System,  sondern  auch  mit  ebenso  scharfen  Worten  die 
Wählbarkeit  der  Richter  u.  a.  Mifsbräuche  der  Verwaltung.  Er  wendet 
sich  natürlich  zunächst  an  die  Gebildeten  seines  Volkes,  hat  aber  den  uns 
immerhin  ferner  liegenden  Stoff  vom  Unabhängigkeits-  bis  zum  Sezessions- 
kriege auch  für  Europäer  recht  anziehend  und  lesbar  zu  machen  verstanden. 
Dabei  fällt  auf  manche  Punkte  ein  ganz  anderes,  neues  Licht.  Vorzüglich 
weifs  Fiske  auch  die  Perioden  zu  charakterisieren ;  mit  weitem  Blick  und 
fiberzeugender  Klarheit  hebt  er  die  leitenden  grofsen  Gedanken  und  ihre 
Weiterentwickelung  hervor  und  sorgt  durch  spannende ,  charakteristisphe 
Details  dafür,  dafs  das  Interesse  des  Lesers  nicht  erlahmt.  Natürlich  sind 
nicht  alle  Essays  gleichwertig.  An  die  Spitze  möchte  ich  stellen :  Old  and 
New  Ways  of  Treating  History,  The  Fall  of  New  France,  The  Deeper 
Signification  of  the  Boston  Tea  Party,  Evolution  of  the  Present  Age.  Sehr 
interessant  sind  auch  die  Monographien  Ober  Jefferson,  Jackson,  den  Aben- 
teurer Charles  Lee  und  Hutchinson.  In  den  beiden  letzten  Essays  wird 
u.  a.  auch  die  Vorgeschichte  des  Unabhängigkeitskrieges  in  einigen  wich- 
tigen Punkten  berichtigt.  Auch  aktuelle  Fragen  erscheinen  in  Perspektive 
oder  werden  gestreift.    So  z.  B.  das  Gravitieren  der  Union  nach  Westen 


552  Nene  Philologische  Rondsehaa  Nr.  23. 

und  die  sich  daraus  fflr  sie  ei^g^ebenden  Aufgaben  und  deren  Bftckwirkungen 
auf  die  Weltlage.  Wer  sich  fflr  das  Werden  und  Wachsen  der  Union 
interessiert,  wird  die  Essays  nicht  nur  mit  Genufs  und  Nutzen  durchlesen, 
sondern  auch,  glaube  ich,  Lust  verspüren,  zu  geeigneter  Zeit  zur  Lektflre 
derselben  zurflckzukehren. 

Bremen.  WUkoas. 

Vakanzen. 
AUenstein,  BS.   Obl.   Deutsch  u.  Qesch.    Magistrat. 
Breslau,  ev.  BS.   Obl.   Math.  u.  Nat.    Magistrat. 
Bromberg,  BS.   Obl.    Deutsch  u.  Gesch. 
Charlottenburg,  HMS.  Obl.   Math.  u.  Phys.    Magistrat. 
Frankfurt  a.  M.,  Obl.   Klass.  Phil.    Kuratorium  d.  H.  Seh. 
Frankfurt  a.  0.,  BG.   Obl.   Deutsch  u.  Latein.     Magistrat. 
ftOrlltz,  G.   Obl.   Klass.  Phil.  u.  Deutsch.     Magistrat. 
Hagen  1.  W.,  OB.   Obl.   Nat.  u.  Math.    Direktor  Dr.  Bicken. 
Iserlohn,  BG.   Obl.   N.  Spr.    Kuratorium. 

Potsdam,  HMS.    l)  Obl.   Gesch.    2)  Obl.   Deutsch  u.  N.  Spr.    Magistrat. 
BUttenseheld,  Prg.  Obl.  1)  N.  Spr.;  2)  Klass.  Phil.  Bargermeister  Hild. 
Steglitz,  OB.   Obl.    1)N.  Spr.;  2)  Math.   BQrgermeister  Buhrow. 
Zeitz,  BS.   Obl.    l)N.  Spr.;  2)  Math.    Magistrat. 

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Inhalt:  Taeiteom  (Gnst.  Wörpel)  p.  553. 

Bezensionen:  290)  W.  Landström,  Cdamellae  opera,  FascicnloB  r^  rasticae 
librum  decimnm  continens  (0.  Weide)  p.  554.  —  291)  A.  Boiler,  Pr^s  des 
liiBtitutions  pnbliqnes  de  la  Qrtee  et  de  Bome  ande&nes  (0.  WackeraiaoB)  p..555.  -^ 
292)  F.  Enoke,  Gegenwärtiger  Stand  der  Forschungen  über  die  Bömerkriege  im 
nordwestlichen  Deutschland  (0.  Wackermann)  p.  556.  —  293)  P.  DabBC,  Be 
Suessiounm  civitate  (Ed.  Wolff)  p.  557.  —  294)  Fritz  Manthner,  Beiträge  zu 
einer  Kritik  der  Sprache  (J.  Keller)  p.  559.  —  295)  M.  Baldwin,  bictionAry 
of  Philosophy  and  Psychology  (F.  Pabst)  p.  565.  —  296/297  0.  Mllgge,  Ed. 
Bostand  als  Dramatiker;  Nik.  Scheid,  Ed.  Bostands  Entwickelungsgang  und 
seine  Beziehung  zur  deutschen  Literatur  (K.  Engelke)  p.  570.  -^  298)  Heinriidh 
P.  Junker,  Grnndrifs  der  Geschichte  der  franz.  Literatur  (C.  Friesland)  p.  571.  — 
299)  Th.  Knorr,  Praeterita,  Ansichten  und  Gedanken  aus  meinem  Leben  von 
John  Buskin  (F.  Wilkens)  p  573.  —  300)  W.  Yietor,  Einfftbrung  m  das  Stadimn 
der  englischen  Philologie  (H.  Schuüdt)  p.  575.  —  Vakanzen.  —  Anzeigen. 

Tadteum. 

Mire  se  torseruiit  viri  docti  in  enoäando  looo  dialogi  de  eratorilNis 
c.  27,  5,  quem  pleriqne  verum  quasi  serpeutem  yitasse  m  ciretttsie  vi- 
dentur.  Nee  mitum  id  quidem:  nam  graviflsima  fedt  daBuia  hsiee  Mar 
terni  orationis  particula«  cum  quae  scripti  libri  tenent  aut  appai/'ate  (A) 
vel  seinnetim  appara  te  (B)  vel  aparte  (D,  quoeum  cODsentit  V  f),  aut 
approperate  (H,  V  1)  distortum  sit  omnique  expers  ratione.  Nihilominus 
qualis  debeat  subesse  sententia  ne  Davus  quidem  incompertum  habet, 
quapropter  sat  esto  adscribere  Caroli  Peter  notam:  „Die  vm  Messala 
angekündigte  Yergleichung  der  einzelnen  modernen  Bedner  mit  den  alten 
Rednern  würde  selbstverständlich  gegen  die  ersteren  einen  sehr  schweren 
Tadel  enthalten  haben;  deswegen  kann  Maternus  sagen,  unöi  Messala  davon 
abzumahnen,  er  möge  ihrer  schonen/'  Sin  vero  nonnuUi  ex  ista,  quam 
aliquis  im  AetC  saptttcri{]irilt  «dtotatius^nla  äparie  sakteffl  esse  peten- 
dam  censent  loco  male  inqainato  et  snädeiit  redfntegrtoAniil  ai  pmroe  vel 


664 Nene  ffailologiflche  Bqndaohan  Nr.  24 

simile  quid,  vereor,  ne  non  ratione  ao  via  egerint,  quoniam  aparte  illud 
nihil  aliud  nisi  Itali  caiusdam  commentum  temere  adglutinatum  et  ne 
flocci  quidem  est  pendendnm  ad  genuinam  scripturam  restituendam.  Quod 
cum  ita  sity  campns  patere  videtnr  coniciendi;  at  vero  adeo  non  hac  equi- 
dem  ntar  licentia,  noynm  qnoddam  pridem  inventis  addens,  nt  e  finibus 
codicis  Ottoboniani  E,  cuius  egregiam  virtutem  auctoritatemque  spero  mox 
ampliore  me  esse  confirmatarnm  commentatione,  egrediendnm  negem  atque 
ex  eins  fide  totam  buius  loci  emendationem  pendere  omni  ansim  affirmare 
asseyeratione.  Namque  ita  einendandi  itinera  patefacit  Ottobonianus ,  qui 
pnsillnm  admodnm  et  procÜTum  admisit  errorem,  exhibens  aperte,  nt  nna 
r  litterula  expnnota  minntissima  mutatione  redigatur  locus  ad  sinceritatem 
neque  aliter  Tacitum  olim  scripsisse  arbitror  nisi  ape  ie  i.  e.  compesce 
te.  cf.  Paul,  ex  Feste  p.  22  17  (Mue.)  ape  apud  antiqtws  dicd>aiur  pro- 
hibe,  compesce.  Sponte  intelligetur  hoc  vocabulum  d^aiati^ytdv  (nam  Ma- 
ternus  summo  ferebatur  incensus  antiquornm  temporum  studio,  quae  ubivis 
splendidissimis  effert  praeconiis,  unde  eum  lubenter  adhibuisse  verba  ob- 
soleta  consentaneum  est)  et  Troiijrixdy  (nam  idem  felici  praeditus  ingenio 
poetico  haud  parum  frequenter  in  usum  vocat  quae  insolitam  prae  se 
ferunt  loqnendi  speciem)  prisco  usu  oblitterato  necessitate  quadam  pravae 
nescientibus  dedisse  interpretationi  materiam  et  a  librariis,  quorum  noti- 
tiam  tantilla  haec  tamque  inaudita  vox  subterf ngiebat ,  deformatum  et 
mutando  ablatum  esse  usque  ad  eum  finem,  ut  in  libris  fere  omnibus 
pertenue  tantummodo  agnosci  possit  sincerae  lectionis  vestigium.  Ottoboniani 
contra  amanuensis,  cum  de  scripturae  veritate  quaereiet,  in  iis  quae  in 
exemplari  aao  reperiebantur ,  quamvis  non  locun^  darent  probabili  expli- 
cationi,  acquiescere  malebat  quam  invita  Minerva  coniciendo  ineptire 
certisrimumque  soriptoris  consilium  praepostere  obscnrare. 

Kiliae.  OnstaTiis  Wtrpel. 


290)  Wilhehn  Lundström,  L.  Juni  Moderati  Columellae 
opera  quae  exstant.  Fasciculus  sextus  rei  msticae  librum 
decimum  continens.  GoUectio  scriptorum  veterum  Upsaliensis. 
üpsaliae  in  libraria  Lindequist  (Leipzig,  Harrassowitz),  190%. 
23  S.  8. 
Die  neue  kritische  Ausgabe  des  Golumella,  die  Lundström  seit  Jahren 

(vgl.  seine  Artikel  in  der  Zeitschrift  Eranos  im  Jahre  1896  f.)  sorgfiütig 


'^ 


Neofl  Philologiiche  Simdsehaa  Kr.  34.  666 

vorbereitet  und  mit  der  Veröffentlichung  des  über  dearboribos  im  Jahre  1897 
begonnen  hat,  ist  mit  dem  vorliegenden  Hefte  bis  zum  zehnten  Buche 
fortgeschritten.  Während  wir  bisher  ffir  diesen  landwirtschaftlichen  Schrift- 
steller (mit  Ausnahme  des  poetisch  geschriebenen  zehnten  Buches)  auf 
Ausgaben  des  18.  Jabrh.  (von  Victorius,  Oesner,  Schneider,  Bess)  angewiesen 
waren,  haben  wir  jetzt  einen  weit  zuverlässigeren  Text  erhalten,  der  sich 
hauptsächlich  auf  den  Peterburger  codex  Sangermanensis  und  auf  den 
Mailänder  codex  Ambrosianus  L  85  stQtzt,  -aber  auch  die  Lesarten  von 
zwanzig  minder  wicht^en  Handschr.  heranzieht,  die  in  den  Fufsnoten 
gewissenhaft  gebucht  werden.  Unter  diesen  Umständen  ist  es  begreiflich, 
dafs  Lundström  vielfach  von  den  frfiheren  Herausgebern  abweicht.  Z.  B. 
bietet  Gesner  (Mannheim  1781)  V.  7  putres  glebas,  L.  putris  glebae, 
jener  Y.  17  galbana,  dieser  carbasa;  ebenso  stehen  sich  einander  gegen- 
fiber  folgende  Lesarten:  V.  32  Ithyphalli  und  Priapi,  V.  83  didnctos  und 
diruptos,  V.  84  pigeat  fesso  praebere  novali  und  pudeat  fisso  praebere  novali, 
gar  nicht  zu  gedenken  kleinerer  Abweichungen  wie  V.  15  Achrados  neben 
Adiradis  und  V.  49  fontes  neben  fontis  usw.  Ohne  Grund  wird  der 
Nominativ  des  Singulars  einmal  (Y.  76)  saevus  und  ein  anderes  Mal 
(Y.  60)  saevos  geschrieben;  im  übrigen  sind  dieselben  Formen  konsequent 
in  gleicher  Weise  wiedei^gegeben.  Da  der  Text  sauber  und  lesbar  und 
obendrein  Druck  und  Papier  gut  sind,  so  kann  die  Ausgabe  als  ein  grolser 
Fortschritt  bezeichnet  werden. 
Eisenberg,  8.-A.  — ^ O.  Weite. 

291)  Abb6  A«  Boxler,  Pröds  des  InstitutioxiB  publiques  de 
la  Gröce  et  de  Borne  andennes.  Paris,  libndrie  Victor 
LecoSre,  1903.    XXVII  u.  422  S.  12.  fir.  3.60. 

Das  Buch,  das  in  erster  Linie  ffir  die  Schüler  der  oberen  Klassen  be- 
stimmt ist,  bietet  in  fibersichtlicher  und  im  ganzen  ausreichender  Weise  eine 
Darstellung  der  Staats-,  Rechts-,  Kriegs-  und  JKeligionsaltertümer  Griechen- 
lands (vorwiegend  Athens  und  Spartas)  und  Boms  (dieses  etwa  bis  zur 
Mitte  des  3.  nachchristl.  Jahrb.);  jedem  der  beiden  Hauptteile  ist  ein 
Abschnitt  über  Chronologie  und  Metrologie  yorausgeschickt.  Verf.  will 
seine  Leser  in  den  Stand  setzen,  die  geleseneren  Schriftsteller  leichter  zu 
verstehen,  soweit  Altertümer  in  Betracht  kommen,  und  wir  glauben,  dafs 
ihm  dies  bei  dem  von  ihm  innegehaltenen  Mals  zwischen  einem  Zuviel 
und  Zuwenig  gelingt;  die  Benutzung  des  Buches  wird  erleichtert  durch 


kte ICene  t^oiogUieh^  ftiinchiehAa  Kr.  2l 

eiflen  geima<»&  imd  vallständigen  Indet  der  griechiscbeii  und  dnen  eben- 
McbiBii  d^r  läteittiBcbeii  Wörter.  Aucb  nntefstfitzen  das  VeiBtändnis  zähl- 
tiiih^  Abbildungen,  sowie  je  ein  Plan  von  Atben,  der  Akropolis,  dem 
PitäUS  tand  dem  kiiiserlicben  Born.  Zitate  und  Qnellennacbweise  sind 
durchweg  Vermieden.  Einzelnen  Partieen  Wie  z.  B.  dem  griecbiscben 
theater  (toter  „Otdte  de  Dionysos '0  widmet  Verf.  eingebendere.  Dar- 
stellnlig.  Im  ganzen  erocbeinen  die  Angaben  als  zuverlässig  und  mit 
B^nnetabeit  ausgewfiblt,  Wenn  aucb  bie  und  da  eine  Ungenauigkeit  zu 
Verme^kl^n  ist,  z.  B»  wenn  8.  290  nur  von  veiillationes  =  Corps  des 
VexilhHi  gesprochen  wird,  ohne  dafs  der  wohl  häufigeren  Benennung  vexil- 
lüm  ErWfthnubg  geschieht^  oder  wenn  Sk  367  behauptet  Wird,  daCs  die 
Lectisternien  vorwiegend  der  kapitolinischen  Trias  dargebracht  seien.  — 
Zur  itdlgemeinen  Orientierung  wird  das  Buch  auch  Aber  die  Kreise  hinaus, 
Ar  die  es  zunächst  bestimmt  ist,  als  bequemes  Hilfsmittel  dienen  können. 
Hanau.  O.  WaUkeft-maalL 

292)  F.  knoke,  OögeüWärtiger  Stand  der  Fondhangeü  über 
die   Bömerkriege    im    nördwesfUchen   Deutschland. 

^it  einer  Tafel.    Berlin,  Weidmannsche  Buchhandlung,   1903. 

80  S.  gr.  8.  Ji  2. 40. 

Verf.  dtellt  in  dem  Buche  die  Hauptpunkte  zusammen,  in  denen  er 
sich  auf  dem  in  Frage  stehenden  Forschungsgebiete ,  das  er  selber  ja  seit 
langen  Jahren  selbständig  bearbeitet  hat,  mit  anderen  Forschem  im  Wider- 
spruch befindet,  und  sucht  diese  letzteren  zu  widerlegen.  So  setzt  er  sich 
mit  Delbrfiek  fiber  das  Schlachtfeld  im  Teutoburger  Walde  und  fiber  die 
Lage  von  Aliso  auseinander,  welch  letzteres  Delbrfiek  bekanntlich  nach 
Einten  (bei  Paderborn)  verlegt,  Enoke  na6b  den  überraschenden  Halterner 
Funden  eher  hier  in  Haltern  zu  suchen  geneigt  ist  (wenngleich  er  den 
Haltemelr  Forschern  keineswegs  flberall  beipflichtet);  sodann  mit  Dahm, 
der  in  seiner  Auffossung  von  der  örtlichkeit  der  Varusschlacht  sich  an 
Mommsen  anschliefst,  während  Knoke  vielmehr  die  Schlacht  vom  Jahre  15 
in  die  Gegend  von  Barenau  verlegt.  In  längerer  Ausffihrung  tritt  er 
Schuchhardt  und  besonders  Dahm  gegenüber  in  betreff  der  Lage  und  Be- 
stimikittng  der  pontes  long!,  dem  letzgenannten  Forscher,  der  als  erfahrener 
Militär  und  als  Forscher  mit  dem  Spaten  in  mahcher  Beziehung  ein  sich- 
tei^tändiges  Urteil  fär  sich  in  Anspruch  nehmen  kann  und  dessen  Yer- 
dienst  um  Entscheidung  mancher  Einzeifragen  vom  Y^rf.  anerkanbt  wird, 


"^ 


Nene  Phqologigoh»  Bnndaotey  Hr.  ji,. m 

der  aber  der  ÜberlieferUDg  der  Sebriftsteller  nieht  immer  gereebt  wirli 
iQ  der  BedtiTnmuog  der  Örtlicbkeiten  der  Feldsifige  vom  Jabre  16,  def 
Scblachtfelder  bei  Idistaviso  und  am  Angrivarierwall  Mit  Beoht  legt 
Terf.  Gewicht  auf  eine  entsprechende  Auffassung  Ton  der  Benntzuog  der 
deutscbea  Flüsse  seitens  der  Bömer. 

Ist  die  Darstellung  nacb  diesen  Andentungeu  aucb  vielfach  polemisob, 
so  kaun  der  unbefangene  —  wir  ipeinen  der  an  dem  Streit  der  Meiuungep 
unbeteiligte,  nur  für  die  Sacbe  selbst  sich  interessierende  —  Leser  ai|s  den 
Darlegungen  doch  ein  ungefähres  Bild  von  dem  gegen wftrtigen  Stande  der 
wisseqscbaftlicheQ  Forschung  gewinnen.  Freilich  bezieht  sich  Yerl.  bei 
seinen  Eni|;egnungon  häudg  auf  die  in  seinen  früheren  Schriften  gegebenen 
Begründungen,  und  diese  Schriften  hat  nicht  jeder  znx  Kacbprüfung  gleieb 
zur  Hand.  Auch  würde  er  seinen  Lesern  einen  Dienst  ervfieeen  habep,  weiiQ 
er  aufser  der  —  nur  einer  Eiuzelfrage  zur  Yeranscfaaulichui^  dieneqden  — 
Tafel  eine  Kartenskizze  mit  ISin^eichnung  der  im  Text  erw&bnteu  OrÜichr 
keiten  beigegeben  hfttte. 

Ein  etwa  15  Seiten  umfassender  „Anhang:  Herr  ^oepp  upd  meine 
Kritik  der  Ausgrabungen  bei  Haltern'^  tritt  fast  aus  dem  Bahmen  ßiuer 
wissepschaftlichen  Behandlung  der  Sache  heraus  auf  da9  Qebiet  d^  per*'* 
sönlicben  Foleipik,  zu  der  allerdings  Verf.  gedrängt  scheint;  uun  mfigen 
die  hart  angegriffeneu  Gegner,  Eoepp  qnd  Scbucbliardt,  dae  Wort  fiehmen. 

Hanau.  Q,  Wy|f||WB|mMlf 

293)  F.  Dubuc,  De  SueBttonum  eivitate.  Parisiis  apud  Alber- 
tum  Fontemoipg,  MCMIL  202  S,  8.  Mit  einer  Karte. 
Was  in  alter  und  neuer  Zeit  über  das  Suessioneugebiet  mit  seilten 
zwülf  Städten  geforscht  und  geschriebeq  worden  ist,  das  beabsichtigte  der 
Verf.  dieser  üniversitätsschrift,  wie  er  im  Vorwort  sagt,  „pauois  colligere*^ 
Eine  schwierige  Saehe.  Schon  das  vorgedruckte «  natürlich  nicbt  voll- 
ständige, Literatur-  und  Quellenverzeicbnis  kann  eine  Vorstellimg  vo|i 
dem  Material  geben,  das  hier  zu  verarbeiten  oder  wenigstens  zi)  berück- 
sichtigen ist.  unter  den  benutzten  französischen  Autoren  aus  neuerer  Zeit 
stehen  in  erster  Beihe  Deejardins,  Longnon,  Fleiiry,  Fnste)  dß  Gouhmges, 
P'Arbois  de  Jubainville;  neben  des  letztgenannten  ^^cberchea  ()890)  )iat 
namentlich  Holders  keltischer  Sprachschatz  für  die  im  ganzea  i^eck- 
mäfsig  verwerteten  etymologischen  Beobachtungen,  betreffend  Qrts-^  und 
Personennamen,  als  Grundlage  gedient.    Das  Buch  des  Engländers  Rice 


S58  Neae  Philologisohe  BnndBohan  Nr.  84. 

Holmes,  Oaesar's  oonquest  of  Ghiul,  scheint  D.  nicht  zu  kennen;  er  hätte 
darin  immerhin  nfitzliche  Hinweise ,  auch  anf  französische  Arbeiten,  die 
er  nicht  beachtet  hat,  finden  können.  Die  Streitfrage  Ober  die  Lage  des 
keltischen  Noviodunttm  an  der  Aisne  betrachtet  der  Verf.  als  erledigt;  ffir 
die  (vielfach  angezweifelte)  Zugehörigkeit  der  Oaae  Silvanectensis  (SenHs) 
and  Heltianns  oder  Heldensis  (Heanx)  zu  den  Snessionen  macht  er  aofser 
anderen  Grfinden  die  Konfiguration  des  Bodens  im  sfidwestlicben  Suessionen- 
gebiet  geltend,  die  durch  Wasserläufe  und,  ehedem  stärker  bewaldete, 
Berghöhen  gebildeten  Naturgrenzen  g^en  die  Parisier  und  Bellovaker. 
Bekanntlich  sind  die  altkeltischen  Oaubezirke  in  der  römischen  Zeit  und  noch 
Aber  Karl  den  Orolsen  hinaus  üst  unverändert  geblieben.  D.  nun  ver- 
sucht eine  Art  Chronik  und  Statistik  der  zwölf  Suessionengaue  nach  In- 
schriften und  Urkunden  verschiedener  Art  aufzustellen,  registriert  sämt- 
liche irgendwie  aus  den  einzelnen  Oauen  bezeugten  Orts-  und  Personen- 
namen, die  er  ihrem  vermutlichen  Ursprünge  nach  erklärt  und,  soweit 
möglich,  lokalisieri  Diese  Register  ffillen  den  Hauptteil  des  Baches 
(S.  34 — 157)  aus;  sie  werden  durch  eine  schön  ausgefShrte  Karte  illustriert, 
welche  die  ganze  Civitas  Suessionum  mit  allen  konstatierten  Ortschaften 
(die  gallischen  Namen  rot  gedruckt)  darstellt.  Das  Gebiet  des  mächtigen 
Stammes  erstreckte  sich  von  den  Ardennen  im  N.  bis  Aber  die  Marne, 
nach  W.  bis  zu  den  Höhen  jenseits  der  Oise  (Isara),  ostwärts  wurde  es 
von  den  Bemem  begrenzt  und  durch  die  Aisne  (Axona)  ost-westlich  in 
zwei  fiist  gleiche  Hälften  geteilt. 

Eine  fibersichtliche  Darstellung  des  Gegenstandes  hat  D.  nicht  erreicht, 
vielleicht  auch  nicht  bezweckt;  denn  was  er  in  den  Scfalufskapiteln  fiber 
die  politische,  administrative  und  kulturelle  Entwickelung  des  Suessionen- 
landes,  namentlich  auch  des  glänzenden  Vororts,  zusammenstellt  —  anter 
Heranziehung  keltischer  und  römischer  Inschriften,  Mfinzen,  Baureste  — 
ist  doch  nur  ein  Anlauf  zu  sachlich  geordneter  Schilderung  und  einer 
Belebung  der  stummen  Zeugen  aus  alter  Zeit.  Am  meisten,  doch  nicht 
viel  Neues  weifs  er  von  den  das  Land  durchziehenden  römischen  Strafsen 
zu  sagen. 

Die  sachlichen  Mängel  der  gelehrten  Arbeit  erhalten  leider  noch 
ein  bedenkliches  Belief  durch  die  manierierte,  nachlässige  und  oft 
unkorrekte  Sprachform.  Fast  scheint  es,  als  habe  das  Latein  der  durch- 
stöberten Urkunden  auf  des  Verf.  Stil  abgefSElrbt  und  seinen  Geschmack 
nachteilig  beeinflufst;  er  wfirde  sonst  wohl  nicht  gewisse  Partikeln   so 


•s 


Nene  Fhilologisohe  Bnndsohaa  Nr.  24.  559 

unleidlich  hänfen,  wie  antem  (S.  174  in  zehn  Zeilen  siebenmal!)  und  das 
unterschiedslos  för  et  gebrauchte  ewige  nee  non.  Vieles  mag  auf  Rech- 
nung der  ohnehin  massenhaften  Druckversehen  zu  setzen  sein,  aber  nicht 
auch:  cubitibus,  assibus  (fQr  asseribus),  alba  silex,  Iccius  portus,  de  erga 
mortuos  Gallorum  moribus  und  ähnliche  Barbareien.  —  Ich  weils  nicht, 
ob  die  üniversitas  Burdigalensis  verlangt,  dafs  derartige  Arbeiten  lateinisch 
geschrieben  werden ;  dann  aber  sollte  die  Fakultät  sich  auch  ein  klein  wenig 
um  den  Druck  bekfimmern.  Unter  die  vorliegende  Abhandlung  hat  zwar 
der  Dekan  seinen  Namen  und  die  Worte  gesetzt:  „Vidi  ac  i^erlegi'';  das 
Letzte  kann  ich  jedoch  unmöglich  glauben. 

Frankfurt  a.  M.  —  Homburg  v.  d.  H.  Bdttard  WolK 


294)  Fritz  Maufhner»  Beiträge  zu  einer  Kritik  der  Sprache. 

Dritter  Band:  Zur  Grammatik  und  Logik.    Stuttgart  und 
Berlin,  J.  G.  Cottas  Buchhandlung  Nachf.,  1902.    666  S.  8. 

Jf  12.  — . 
Nachdem  Mauthner  im  ersten  Bande  seiner  umfangreichen  Sprach- 
kritik das  Verhältnis  der  Sprache  zur  Psychologie  und  im  zweiten  4ie 
Entwickelung  der  Sprache  untersucht  hat,  widmet  er  diesen  dritten  und 
abschliefsenden  Band  der  Untersuchung  von  Grammatik  und  Logik:  Selbst- 
verständlich fehlt  auch  diesem  dritten  Band  die  systematische  Darstellung, 
die  das  Ziel  auf  dem  kfirzesten  W^  zu  erreichen  und  sich  vor  Wieder- 
holungen möglichst  zu  böten  sucht,  es  fehlt  ihm  die  strenge  und  selbst- 
verlengnende  Sachlichkeit  der  AusfShrung;  dafDr  entschädigt  der  Yerf. 
seine  Leser  auch  in  diesem  Bande  durch  eine  Ffille  geistreicher  und 
witziger  Einfälle  aller  Art,  durch  fiberraschende  Bilder  und  Vergleiche, 
durch  interessante  Episoden  und  Streiflichter  auf  abseits  liegende  Gebiete, 
durch  alle  Yorzfige  eines  geistvoll  feuilletonistischen  Stils,  ohne  doch  trotz 
aller  lachenden  Skepsis  ganz  auf  den  Ton  vollen  Ernstes  zu  verzichten,  den 
das  deprimierende,  ja  vernichtende  Endreisultat  jedem  einflöfsen  mulB,  der 
sich  von  dem  resultierenden  fast  absoluten  Nihilismus  auf  dem  ganzen 
Gebiet  menschlicher  Erkenntnislehre  und  Wissenschaft  überzeugen  kann. 

Es  ist  kein  Zweifel,  dafs  die  Kritik  der  Sprache  eine  Hauptaufgabe 
der  Gegenwart  ist,  und  dab  sichere  Fortschritte  unseres  philosophischen 
Denkens  nur  möglich  sind,  wenn  fiber  Wesen  und  Bedeutung  der  Sprache 
volle  Klarheit  herrscht.  Kant  hat  sich  bekanntlich  der  Sprache  noch 
völlig  naiv  bedient.    Seine  Vernunftkritik  enthält  keinen  Ansatz  zu  einer 


NeoA  Fhiloiogiioh«  Rnsdadiaa  Nr.  94. 


Kffitlk  Mi  Spraohcif  so  selbstreratändliob  nötwendig  ans  hente  diese  Spraeh-* 
kritik  Ulf  EAenntnis  des  Wesens  unserer  Vemonft  erscheint.  Und  an 
einem  gewissen  Hangel  anf  diesem  Oebiete  leidet  anch  die  nachkantische 
Fbiksophie  bis  anf  den  heutigen  Tag.  Vidleicht  bietet  die  skeptische 
Art  der  Ifanthnerschen  Spraohkritik,  der  hier  verkfiadigte  „Selbstmoid 
4er  ^mehe  und  des  Denkens*^  fttr  die  zfinftige  Philosophie  den  Anlafs, 
(|er  Bedeutung  der  Sprache  für  das  Denken,  überhaupt  dem  ganaen  Ver- 
blttnis  Ton  Sprechen  und  Denken  mehr  Aufmerksamkeit  und  grfindlichere 
üntensuchung  zuzuwenden. 

Im  ersten  Drittel  des  vorliegenden  Bandes  behandelt  M.  die  Onon- 
mi^k.  Oninmiakik  und  Logik  sind  ihm  ünr  verschiedene  Seiten 
der  gleichen  Menschensprache.  Der  positive  Grundgedanke,  von 
dem  M*  in  3einejp  Kritik  der  Grammatik  und  später  auch  der  Logik  aus* 
gebt,  ist  der,  dal£|  eine  richtige  oder  ideale  Grammatik  mit  allen  ihren 
Kategorien  vnd  Bez^ehnngaformen  ein  blofses  Abbild  der  Wirklich- 
keitswelt sein  mfifste.  Er  bleibt  dabei  nur  dem  sensualistischen  Grund- 
satz Nihil  est  in  intelleetn,  quod  non  fuerit  in  sensu  getreu,  oder  vielmehr 
versteht  er  diesen  Satz  nicht  etwa  nur  vom  Uoisen  Material  unseres 
Denkens,  sondern  dehnt  ihn  auf  alle  Beziehungsarten  und  spezifisdien 
Denklbrmen  aus.  Und  statt  von  dem  Vorhandensein  z.  B.  der  Ne- 
fati<m,  der  Bedingung,  der  MfigUchkeit  usw.  in  unserem  Denken  darauf 
ZB  schliefsen,  dals  im  Intellekt  tatsSchlich  etwas  ist,  was  in  den  bloiaen 
ginnesanpfindnngen  niemals  war,  nimmt  er  in  einev  Art  von  Dogmatia- 
mns  seine  Positicm  in  jenem  auf  die  Spitze  getriebenen  sensoalistischen 
Satz  und  fibt  von  hier  aus  eine  rehitiv  billige  Kritik  zunächst  an  den 
giammatischea  Beziehungsfermen  und  Kategorien.  Während  er  also  sonst 
in  Legik,  Ästhetik  und  wohl  auch  in  Ethik  sieb  aufe  soh&rfete  gegen 
yaUsB  „Sollen^^  wendet;  stellt  er  hiw  fBr  die  Grammatik  ein  Ideal,  ein 
Sollen  auf,  das  freilich  keine  bestehende  Sprache  erfUlt,  nämlich  blobes 
Abbild  der  Wirklichkeit  zu  sein.  Sind  aber  nicht  auch  die  gewordenen 
gianipiatisehai  Formen  aller  Art  ein  Stflek  Wirklichkeitswelt?  Und  wie 
kämmt  tf.  bei  voller  Geltung  seines  Aue^fangspunktes  dazu,  in  der  Be- 
trachtung und  Beurteilung  dieser  Formen  mehr  oder  etwas  anderes 
geben  zu  wdlm,  als  ein  Uo&es  Abbild  der  Wirklichkeit?  Wenn  die 
Wahrheit  nichts  anderes  ist  als  ein  „gesundes  Gedächtnis ^S  wie  er  einmal 
sagt,  woh^r  dann  die  Vorstellung  von  einer  idealen  Grammatik  und  alle 
^die  Postnlate  an  eine  sdcheP    Woher  die  ganze  vemichtende  Kritik  an 


■s 


Ibae  ruiol^JlMte  tUmküUm  ITc. 


GaMHUtik  wdL^ikf  Bezekhnet  sr  4aA  mhm  4te  hlot^Ymelmimm 
Kwmr  TonMhiDgeD  ak^B  Ding  der  üuMgliohkfltt  «ernte  BeimftfcMiiit 
ei«el  EBiveAer  iat  M.8  ganae  1%eorie  tmi  Ucbeii  ÄkbM  te  WJrkKA«- 
keitoirdt  in  Sj^nohe  md  DMifeeii  «ai  biinM,  oder  mim  gMse  Entik  M 
GmniBal/ik  und  htipk  ist  eine  AbuTWg  mn  aUer  Shtar^  mm  Art  «h* 
floUdlkhen  WahnstniiB.  Denn  ScMe  mM  «t  Aimit  faeidantage 
liek  mehr  omcImii, 

Die  giBDHnübiflDhen  £atei;'ori«]i  sind  ikn  snaigelhaAB  nad 

Ikk  ?«lljc  iiBl^kM^he  ürfallQrodriDke.    Dtfs  «ie  in  te  «.WiiUkUMte- 

welt^^   nicht  vorhanden  sind,   sieht  er  schon  a  ptiiri  «te  «n  EnteriAm 

ihrer  FerfaUtbeit  aa.    Das  kimkvete  Adjektiir  c  S.  MteraoheHil  sich 

fsychelc^iflch  —  nai  ^lamit  ist  ein  nean*  Standpukt  Ot  «die  Kritft  flür 

OnuBBitftik  ei^geatinniea  —  ron  ikm  IwnkretaBn  SabstantiF  nur  i^wMi«* 

titativ^  d.  h.  difoh   die  Zahl  der  bezeichneten  Simiesei&drfifiba.    DiMlt 

seil  aUes  Oerede  ven  zwei  Ferschieden««!  EÜegoridn  in  AiljeUir  wd 

ßabataiitiv  kkfölUg  w^den.    Dafs  l>ei  der  Vidzidd  toi  SiMmsiadtackMa, 

die  das  Satetaati?  begifinden,  «ine  ii^eadwie  geartete  ZvtsmammgMng^ 

keit  kMiaaler  Natur  mitgedacht  ivird  mm  Unterschied  iMi  ^faeliai 

SjgeBflohaftsb^griff)  ist  dabei  allerdingB  afo«sehen.    Das  VisnehninlMB 

Adjektiyificher  uaA  ▼«rfcaler  Eategoriea  mki  ma  eker  Beiiie  MH 

Fftllen  anfgewieseu,  wie  duftig  nnd  Mbet  nsw.,  wahai  IpeUieh  leiiie  UbhNb 

fißvißaffig  ek  ^^  y^^^  ^iebt  aa  yerfmoieB  ist,  aimlidi  ein  Übat^ 

sfrifigea  aas  der  grammatisdien  Eafa^garie,  die  aUefai  ja  Aa^e  <aliekt,  iü 

den  Bedeatuiigsiahalt,  der  .selbsitiittrstaadlidi  in  aaehMraa  gwaiaaliadiaa 

Eatcjgerien  nftreten  bann.    Der  UnteisciMied  tmisitifer  aad  tatnasilffar 

Yerba  berahsfc  ib«  anf  nnge&aaer  P^ebok^.    Aach  aUe  nafeiolaliahap 

Yerba  hatten  stets  das  Ich  zum  anansgesprochenen  Ol^eHa,    Hack  tei 

beotigen  Staad  der  Wisseaschaft  dArfite  man  nicht  ^sagm  «Dar  Baam  ist 

grfta^  seadetm  ^Der  Banm  frflnit  aiich'^    Ob  «ob  aus  dem  beatigeti 

Stand  des  Natuverkeisaiena  nad  der  psycbekgiacken  Arkflnutais  kenans  eine 

absolute,  ni«ht  ,,zafilllige''  <}ranmatik  konstmierea  Uibb,  ivÜU  aas  zardfd- 

haft  «rscheiaen,  aber  unzweifelfaaft  kaaa  aaan  mit  Hilfe  aolcbar  aa&er- 

halb  liegenden  Mafestabe  kichttua  vernichteade  Eiritik  Obea.    Vietteidit 

aber  eatspr&che  es  «iaer  nech  geoaneren  Psychologie^  arcoia  «laa  saflfte, 

^Ich  grfine  dea  Baam^i,  denn  erst  das  psydiisehe  SM^ekt  aetat  die  bf^a- 

tbetiscbea  Atheochviiiguf  en  ia  die  iipeziAscbea  Earben  aai.    Aber  4ie 

Spracbe  ist  ja  nicht  nar  Ar  die  c^ren  Zefaniaasead  der  Wisseasfiteft  da, 


Ud  Kene  Philologiiche  Bnndgehan  Kr.  24. 

Bondern  fflr  die  Mfllionen  Ungebildeter,  die  mit  solchen  neuen  Sprach- 
schftpfongea  nichts  anzufangen  wflMen.  und  selbst  der  Gebildete  Icann 
nicht  aus  seiner  psychischen  Haut  fahren  und  wird  auf  Orund  des  IJr- 
'  phSnomens  aller  psychischen  Kausalität,  vermöge  dessen  wir  die  Ursachen 
unserer  Empfindungen  in  eine  vorausgesetzte  Aubenwelt  zu  projizieren 
gezwungen  sind,  die  fibliche  Wendung  ,,Der  Baum  ist  grfin^*  in  ihrer 
positiven  Berechtigung  auch  fernerhin  anerkennen,  um  so  mehr  als  die  vor- 
geschlagene transitive  Wendung  durch  den  Sprachgebrauch  mit  anderer 
Bedeutung  festgelegt  ist  in  Fällen  wie  „Die  Sonne  bräunt  mich'',  oder 
„Ich  schwärze  das  Olas^ 

Die  Geschlechtsbezeichnung  ist  ihm  nicht  nur  die  albernste 
Erfindung,  sondern  erinnert  ihn  bei  seiner  lebhaften  Phantasie  an  die 
obszftnen  Kritzeleien,  mit  denen  unnfitze  Buben  alle  Wände  beschmutzen. 
Dafs  er  durch  die  Gestaltung  der  Verbalformen  nicht  befriedigt  wird, 
ist  selbstverständlich.  Wir  brauchten  nach  seiner  Auffassung  mindestens 
neun  Zeitformen  statt  der  sechs  bestehenden,  die  so  viele  Unbestimmtheit 
in  sich  tragen.  Aber  da  H.  weils,  dafs  die  Sprache  die  Gegenstände 
ihrer  Hitteilung  immer  in  weitem  Umfang  als  bekannt  voraussetzt,  so 
mufs  er  zngeben,  dafs  die  Sprache  auch  mit  ihren  sechs  Zeitformen  aus- 
kommt, um  80  mehr  als  die  lebendige  Volkssprache  noch  mit  weniger 
Zeitformen  unmifsverständlich  ausreicht,  und  er  selbst  einmal  zugesteht, 
dafs  alle  postulierten  neun  Zeitformen  sich  durch  das  sogen.  Praesens  im 
Zusammenhang  der  Bede  ausdrficken  liefsen.  Hätte  er  diesen  Mafs- 
stab  des  Bedfirfnisses  auf  Grund  der  Gemeinsamkeit  fast  des  ganzen  Vor- 
stellungsmaterials bei  den  Sprechenden  festgehalten,  so  worden  manche 
Ausstellungen  an  der  Sprache  wegen  angeblicher  Unbestimmtheit  ihrer 
Mittel  weggefallen  sein. 

Sehr  sehte  sind  M.s  Ausfährungen  fiber  die  Zahl  und  das  Be ohne n. 
Zweifellos  richtig  ist  sein  Grundgedanke  dabei,  —  den  allerdings  schon 
Plato  in  seinem  Phaedo  ausfahrt,  —  dafs  die  Zahl  nur  im  Kopf  ist,  nicht 
in  der  Wirklichkeitswelt.  Allerdings  will  dieser  Grundgedanke  nicht  zu 
jener  alles  beherrschenden  Auffassung  vom  Denken  als  blofsem  Abbild 
stimmen.  Ob  die  Zahlbegriffe  nur  durch  das  Wort  in  den  menschlichen 
Kopf  hineingekommen  sind,  erscheint  uns  fraglich  angesichts  einer  Tat- 
sache, die  M.  selbst  anfahrt.  Wenn  der  Häuptling  irgend  eines  auf 
niedrigster  Stufe  stehenden  Stammes,  dem  die  Zahlwörter  noch  fehlen, 
vom  Nachbärstamm  17  Krieger  zur  Unterstfltzung  verlangt  und  zu  die- 


Nene  Philologiiohe  Bnndbohaa  Nr.  24.  668 

sem  Behuf  17   Steinchen   einsendet,    so   scheint  hier  doch  eine  Zahl- 
vorstellung  noch  ohne  Wort  zu  hestehen. 

Die  Syntax  steigert  nur  noch  als  Kombination  von  Wortformen 
nach  M.s  Meinung  die  Unbestimmtheit  des  sprachlichen  Ausdrucks 
und  erschüttert  so  erst  recht  den  Glauben  an  die  Eindeutigkeit  der 
Sprache.  Ein  ähnlicher  Gedanke  war  schon  im  ersten  Band,  dort  nur 
noch  schärfer,  ausgesprochen,  obwohl  gerade  im  Satz  und  im  weiteren 
syntaktischen  Zusammenhang  das  einzelne  Wort  in  seine  CBr  diesen  Zu- 
sammenhang notwendige  Bedeutung  eingerenkt  wird.  Übrigens  sagt  M. 
selbst  im  Gegensatz  zu  diesen  Behauptungen  ans  Anlafs  eines  Spezialfalls 
S.  124:  „Nicht  der  Gedanke  wird  durch  das  Wort  deutlich  gemacht, 
sondern  das  immer  schwankende  Wort  durch  den  mitunter  klaren  Ge- 
danken/' Da  aber  der  Gedanke  bei  M.  mit  dem  Satz  identisch  ist,  so 
besagt  diese  Behauptung  genau  das  Gegenteil  der  vorigen,  nämlich:  durch 
Kombination  von  Wortformen  oder  Syntax  wird  die  Bestimmtheit  des 
sprachlichen  Ausdrucks  gesteigert.  S.  187  wird  zugegeben,  dafs  die  Syntax 
ebenso  wie  die  grammatischen  Wortformen  „bei  der  bequemen  Anordnung 
der  Vorstellungsreihen  ein  wenig  mithilft'S  obwohl  S.  76  gesagt  war,  dafs 
die  Menschen  „ nackt ^'  denken,  d.  h.  ohne  Flexion,  und  obwohl  er  sich 
gelegentlich  sogar  zu  der  kühnen  Konzeption  versteigt,  dafs  in  Urzeiten 
vielleicht  einmal  die  heutige  Flexionsendung  das  Wesentliche  war,  das 
erst  durch  das  Hinzutreten  eines  Substantivs  näher  bestimmt  wurde.  Da  der 
Syntax  in  der  Wirklichkeitswelt  kein  Analogen  gegenübersteht,  so  verhält 
sie  sich  zu  dieser  wie  eine  tote  Arabeske  zur  Lebensfülle  der  Natur,  indes 
sie  doch  selbst  ein  natürlich  gewordenes  lebendiges  Erzeugnis  der  Natur 
ist,  verschieden  von  Volk  zu  Volk ,  wie  Blatt  und  Blüte  verschieden  von 
Baumart  zu  Baumart.  Für  die  eigentlichen  Zwecke  der  Sprache  ist  ihm 
die  Syntax  der  Parademarsch  im  Vergleich  zur  Felddienstübung  oder  zur 
kriegerischen  Aktion  eines  Heeres. 

Die  Logik  ist  ihm  gleichfalls  nur  eine  Seite  der  Menschensprache, 
also  die  aristotelische  Logik  nichts  als  eine  Betrachtung  der  griechischen 
Sprache  von  einer  interessanten  Seite  aus.  Aus  der  chinerischen  oder 
dravidischen  Sprache  hätte  Aristoteles  eine  andere  Logik  ableiten  müssen« 
Ähnlich  sagte  schon  M.  Müller  unklar  genug:  „Die  Logik  ist  als  eine 
Art  allgemeiner  Grammatik  aus  den  Grammatiken  der  Welt  abstrahiert.'* 
Für  M.  ist  die  Logik  nur  ein  Teil  der  Psychologie.  Ihre  normative  Be- 
deutung und  ihr  propädeutischer  Wert  für  alle  Wissenschaft  wird  ein&ch 


9M  Jbiiii  PUMlMinlN  MB^hMiuui  Hit  9i. 


AgMaO.  U  giM.  in  dir  Logik  ,,k«i&  SUIen«*.  AHb  DHikgwtn  mä 
davon  abgeleiteten  B^eln  und  Beirtimttangen  ia  der  Lebr»  Tom  Decken 
ireiDl|[fHck  aki  vttlig  wertlos,  inbh  nekt  ab  liniles  n^Bch- 
Aber  to  Auflgangspnakt  dabei  ist  vielfiusb  da»  sebon  erw&httte 
NetoW^  dklb  das  Deak«i  Abbild  der  WiiUiobkeit  sei,  die  WirkKehkeit 
aber  kein  Ja  Md  ken  Nein,  kikie  eesetoe,  keine  MSglichkeik  usir.  biete. 
,,080  IdeabpradM»  hat  kein  Niebt«^  So  wird  aUenlhaibeB  das  Denkiea  ab  im 
Widenpeocb  befltadHcb  mit  der  Wirklicfakaitswett  an^ewieeen,  md  dank 
j^t  dnui  die  Klchtigkeit  der  Logik  ab  beniesen.  Himmt  man  mA 
I,  d|ft  vmA  Bedatf  die  abaehake  Identittt  von  Sprecben  ind  Denken 
wiedev  bervorgebelurk  wird,  —  ebwobl  rinmal  das  CMandnia  anf- 
taaehl,  iais  iS»m  MeDkMlt  rnv  avi  Ckmnd  einer  beaondeMi  Defiaitkn  tob 
BienlMi  md  S^eeben  «afredri;  sa  ethalien  sei,  — -  se  ergeben  sieb  vm 
dbaen  Ptalkiomn  ans  ein»  gmae  Beibe:  von  AngnflmOgfiebkeüen  gBgem 
die  Lebien  Amt  Logik  in  allen  Mm»  Teibn;  aber  die^  game  naiifilnglicbo 
•MwipAing  der  Deskyeeekze  erbUt  so  in  bebem  IfaAe  den  CbanMer 
te  S^irangbaAen^  ünsyistematiscbm  und  SbbUleniden,  der  der  ganae»  Das- 
sMnniaweiia  11.8  obnehi»  anhaftet.  Dab  e»  siob  in  der  S|N»cbe  doeh 
meb  mi  Mobe»  bandeM,  nichi  mi  blofse»  AbbUd  der  Wirkliebkeit,  md 
dift  diese  Welt  der  Zeichen  wia  die  Seiobenwelt  der  Makhematik  ihre 
kannaaentMi  Beatribrngm  vatA  QesetM  hat,  und  dab  sebüaCstuib  dies 
ttensekliebe  Seaken  mcb  mr  ein  3eB  der  WirkUebkeitsmlk  ist  vit 
apeaÜDchen  ianeMi  Natwend^keiken,  die  wb  Gaaekae  nennw,  dha  aUes 
bkribt  nabeocbtet, 

IKe  Wertleeiglttitt  der  Legik  Ibigk  ihn  seton^  danmv  dafe  de»  Bag^ 
bnaer^  ei»  JMeSi  md  denn  DMleii  „fast  inmai'''  schon  eia  S^ofii  vseran- 
geht.  Die  Vagriff  e  enk8tehMi>  ihm  nicbi  aus  B^exien  ocbi  Abskislokion, 
abo  ddwb  dl»  Inaitieo  de»  Vergleiohensi^  sondem  sie  smd  die.  Akke  dsc 
Yeigleichung  selbst,  was  sowohl  bezfigliek  üirw  Ibtstdlnng  ab  in  Bio* 
eeriM  mf  ibren^  Gebnoeh'  nadt  der  Enkstehnq;  etwas  Sehwä»rig  vcnsilellbar 
leite  dMtai,  Sie  sittd  ibiiK  nur  BeqoensliGbkeibeni,^  eingefibte«  Gleiaa,  die 
aneb  anT  kgboiein  Oebia«  an«  allen  QfabeskinaDtiiieiten  biden.,.  an  danen; 
alte»  ^raehüebe  tamkt.  WerkioH  wtoes  si»  nm  dann,,  wenn  nd»^  B»- 
giMsb^alb  deaij  BbgriCbumlhAg'  absefofr  gemni  entspräche^,  iL  k.  wmiii  ea 
„dh»  Meneohen  geeeeimaaae  abstrabtei  Begriffe«  gab»*^.  €hsgm  dha  b»- 
kannle  bgbrtko  VeAaUawa» rm  gm f »n g  uaid  Inthati  dar  Begrub  wendet 
er  m  a.  ein,   dtfb  ai  Bt  m  deai  nrsprüngiieben  mhm  Planeten  oodb 


'S 


ücae  PbOoksMi«  RawMum  Hr.  24l 


knaderto  hinziijgekoBiHieii  seien,  und  <tftfs  tarots  dJmev  relativ  stärkeii  ¥er« 
mehnuig  dee  Untfacge»  der  lahalt  des  Begriffes  Plaael  niekt  im  mindesteA 
aUmi^  worden  sei  Der  Eiavand  geht  vott  der  seltsanaea«  Yoraassetsang 
aiusv  ab  mfifite  beim  ünsluig  des  B^ffs  die  ZabI  der  zugebOrigen  lud»* 
vidaea  fiastgestellt  seio^  Der  gleicke  Einwand  Ikfas  sick  ans  jeiran  i»* 
dnktlTen  Sekhifs,  Urteil  md  Begriff  ahleiten«.  Die  Definition  wird  als 
Uoise  Null  beaeidioet,  weil  sie  ränste  Tantologie  sä.  Der  einzige  Zweck 
nnd  Sinn  also,  den  die  Definition  ikrem  B^iff  nadi  laben  kaniK  lad 
mals,  wird  ibr  ^üm  Vorwurf  gemaebt.  und  doek  sj^cbt  M.  einmal  den 
Satz  ans,  es  sei  rfttlicb,  in  der  Wissenscbaft  keiM  Begriffe  anzisweBdcn, 
aber  deren  Definition  nickt  alle  Welt  einig  sei.  Wenn  aber  die  Definilioai 
ans  einen  B^iff  seinem  Inhalt  nach  zpm  Bewnfstsein  bringt,  so  ist  sie 
aaßb  M.  nur  eine  Art  Sprachstöraag  oder  Hemnamig  dea  bekagliohev 
Wertgebrauehs,  ebenso  wie  ihm  das  Bewnfstsein  seilst  eine  Stiteoag  oder 
Hiemmang  dea  unbewnfeten  Gedächtnisses  ist.  nnd  sieh  zn  dieaeaK  xuah 
bewtt&ten  Oedftcbtnis  vwb&lt  wie  Brnstschmerz  zu  rah^iem  Atmen  edei 
wie>  Bauebigrimmea  zar  normalen  Verdammg.  Wenn  so  fieilicb  da»  üüi- 
bewafste  and  die  Gedankenlosigkeit  das  Noraak  ist^  dann  ist  aUe  Logik 
ein  Ikfag  nnd  dfirfte  als  Entwiekelnngskiankkeit  im  geistigen  Lebea  dm 
Mensebbeit  hScbsten»  noek  in  der  Erinnerung  die  BoUe  einss  gifioUidi 
Abeiwaadanen  Standpanhtes  q^ielea.  Soüai^  fb^. 


2a9)  BiatioüMjF  <tf  PliikMphy  Mtd  Fayotelogy.    Written  bji 
Man;  Hands  aad  edited  bjr  JaiBiea  Mark  BiMwtak    In  a  Yoh 

lumeft.    New!  York,  The  MaemiUaa  Company.    Loadon,  Mao- 
millan  ft  Qo.    gr.  9. 

Yol.    L    IWn.    XXIY  a;  «44  S.  geb.  at  s.  mt 

Yd.  IL    19<M».       XYI  tt.  89ft  8;  geb.  m  k  adb 

IhEiS:  Yiesliegende  „Diotieaary  e£  PUloaopbj  and  Psyohology**  ist  iii 
aMoajfliirigw  Arbeit  voai  einer  greisen  Beihe  hemfiMier  Faehgeld^r 
aMer  der  leitnng  eiaes  intemationatea  BedaktioQsansasbQsses«  gsscbaffeiK 
worden.  Den  Yorsitz  und  die  letzte  entsoheideade  Stiauna  in  diesem» 
AuBsdiasse,  sowie  iherbttapt  den  LOwenant«!  aa  dnn  UateinabmMi,  bat 
i»  Yordieate  BxperimeatalpsjKholog  der  Unifversitti  Princetea^  in  Hew 
Jeisey,  Prefessor  James  Maok  Baldwia,  gekabi,  vch»  dessen  fafibereai 
Aidtoitfift  hier  dfe  ft^en(te^^  ia  firiaaenuig  gabmchli  seien:  Mmktßl  Deve-^ 


666  Nene  Philologische  Rnncbohau  Nr.  24. 

lopment  in  the  Child  and  Bace;  Handbook  of  Psychology:  Feeling  and 
Will;  Elements  of  Psychology;  and  Social  and  Ethical  Interpretations  in 
Mental  Development.  Die  Mitarbeiter,  von  denen  selbständige  Artikel 
herrfihren,  haben  ihre  Beiträge  darchgehends  mit  ihren  Initialen  gezeich- 
net; sie  gehören  naturgemäfs  vorwiegend  amerikanischen  nnd  englischen 
Universitäten  an;  in  dem  internationalen  Bedaktionsausschnrs  sind  aoTser- 
dem  noch  die  Universitäten  Paris,  Genf,  Wien,  Basel,  Utrecht,  Born  und 
Genua  durch  bekannte  Namen  vertreten. 

Die  Aufgabe  der  Dictionary  bezeichnet  der  Herausg.  als  eine  doppelte: 
„first,  that  of  doing  something  for  the  thinking  of  the  time  in  the  way 
of  definition,  statement,  and  terminology ;  and  second,  that  of  serving  the 
cause  of  education  in  the  subjects  treated.*'  Ein  besonderes  Gewicht 
wird  notwendigerweise  auf  die  Terminologie  gelegt.  Baldwin  und 
seine  Mitarbeiter  haben  sich  betreffs  derselben  folgende  Grundsätze  zur 
Bichtschnur  genommen :  „Our  task'S  sagen  sie,  „has  not  been  te  originate 
terms  or  to  make  meanings;  not  to  enlarge  our  vocabulary  or  to  suppress 
Synonyms.  We  are,  on  the  contrary,  undertaking  a  more  moderate  and, 
withal,  a  more  reasonable  task,  —  a  task  which,  as  regards  the  use  of 
terms,  is  twofold :  to  understand  the  meanings  which  our  terms  have,  and 
to  render  them  by  clear  defiuitions,  —  this  on  the  one  band:  and  to 
interpret  the  movements  of  thought  through  which  the  meanings  thus 
determined  have  arisen,  with  a  view  to  discovering  what  is  really  vital 
in  the  development  of  thought  and  term  in  one,  —  this  on  the  other 
hand.*^  Trotz  dieser  rein  objektiven  Stellungnahme  geben  sich  die  Ver- 
fasser doch  der  Hoffnung  bin,  dafs  ihre  Arbeit  vielleicht  dazu  beitragen 
wird,  in  der  wissenschaftlichen  Terminologie  manche  Einigungen  herbei- 
zuf&hren,  die  als  besonders  wflnschenswert  erscheinen  mögen.  Ihr  unter- 
nehmen wird  dadurch  besonders  nfitzlich,  dafs  neben  den  englischen  Aus- 
drficken  überall  nach  Möglichkeit  die  dafär  in  Deutschland,  Frankreich  und 
Italien  üblichen  Bezeichnungen  angeführt  werden.  An  manchen  Stellen 
begegnet  man  auch  anerkennenswerten  Versuchen  zur  Beform  einzelner 
zweifellos  unzutreffender  oder  ungeschickter  Ausdrücke.  Hoffentlich  finden 
diese  Bemühungen  den  verdienten  Anklang. 

Die  pädagogische  Seite  ihrer  Aufgabe  hat  den  Herausgebern  vor 
allem  gewisse  Beschränkungen  auferlegt.  Für  weitläufige  Diskussionen 
ist  in  einem  Würterbuche  im  allgemeinen  kein  Baum:  dasselbe  soll  viel- 
mehr die  Eigebnisse  der  bisherigen  Forschung  in  möglichst  klarer  For- 


Nene  Philologische  Bandschan  Nr.  24.  567 

mnlieniDg  darbieten.  Anderseits  hat  auch  mancherlei  herangezogen  werden 
mfissen,  was  weniger  in  das  eigentliche  Gebiet  der  Philosophiie  und  Psy* 
chologie  selbst  als  in  das  ihrer  Hilfswisienschaften  gehört.  Das  vorliegende 
Werk  soll,  genau  genommen,  weniger  ein  „Wörterbuch  der  Philosophie** 
als  ein  „Wörterbuch  für  Philosophen"  sein.  „What  we  care  to  make 
piain  *S  sagt  Baldwin,  „is  that  we  do  not  wish  to  be  considered  as  having 
prepared  a  work  in  snpport  of  any  academic  view  of  philosophy,  but  rather 
as  having  wished  to  present  materials  and  definitions  which  workers  in 
philosophy  and  science  generally  might  find  useful  and  reliable.** 

unter   „Philosophie"   verstehen  die  Herausgeber   „the   attempt  to 
reach  Statements,  in  whatever  form,  about  mind  and  nature,  about  the 
universe  of  things,  most  widely  conceived,  which  serve  to  Supplement  and 
unify  the  results  of  science  and  criticism ".  Entsprechend  der  ungeheuren 
Bedeutung,  welche  die  naturwissenschaftlichen  Disziplinen  fQr  die  moderne 
Philosophie  und  Psychologie  besitzen,  sind  diese  in  Baldwin*s  Dictionary 
mit  einer  Ausführlichkeit  berücksichtigt  worden,  durch  welche  sich  das 
Werk   von   allen   bisher    erschienenen  ähnlichen  Arbeiten  unterscheidet. 
In  welchem  Umfange  überhaupt  die  einzelnen  SpezialWissenschaften  heran- 
gezogen worden  sind,  zeigt  in  rohen  Umrissen  eine  auf  S.  xni  abgedruckte 
Kurve.    Mit  der  längsten  Ordinate  stehen  in  der  Mitte  die  Philosophie 
und  die  Psychologie  im  eigentlichsten  und  allgemeinsten  Sinne.     Dann 
folgen  links  mit  Nr.  2  Ethik  und  Anthropologie,  und  rechts  mit  2'  die 
Pathologie  des  Geistes   und   die  Nervenlehre,   femer  mit  Nr.  3  und  3' 
Ästhetik  und  Logik,  mit  4  und  4'  Beligionsphilosophie  und  Biologie,  mit 
5  und  5'  Soziologie  und  Staatswissenschaft,  mit  6  und  6'  Philologie  und 
Bechtswissenschaft  und  endlich  mit  7  und  7'  Erziehungslehre  und  Physik 
(Mathematik).    Eine  ziemlich  untergeordnete  Stellung  nimmt  in  Baldwin*s 
Werke  die  Biographie   ein.    Vielleicht  könnte   die   nächste  Auflage 
hier  einige  Erweiterungen  bringen.  Es  ist  ja  richtig,  dafs  das  betreffende 
Material  für  jeden  Fachmann  anderweitig  leicht  zugänglich  ist;  immerhin 
hätten,  da  andere  sehr  bekannte  Gröfsen  wie  Helm  holt  z,  Max  Müller 
und  Buskin   berücksichtigt   sind,   doch   auch  Männer   wie  Wilhelm 
Wundt,  Herbert  Spencer,  Ernst  Haeckel,  Thfiodule  Bibot, 
und  Alexander  Bain  einen  kleinen  biographischen  Artikel  verdient. 
Der  Bibliographie  ist  die  gröfste  Sorgfalt  gewidmet  worden,  und  zwar 
bieten  die  Artikel  der  beiden  vorliegenden  ersten  Bände  nur  das  Wesent- 
lichste,  während   der   dritte  Band   sehr  ausführliche  Literaturnachweise 


jrme  rfattologMM  RubImIim  Vr.  tt. 


bringen  soU.  Die  GeBamiemteilimg  des  Weilces  Ut  die  felgende:  7e* 
In  Hie  I:  Lial:  of  Oollaborators.  B£tor*e  Pre&oe.  Table  of  Cionterte. 
AbbreviatioBs:  1.  of  Terms,  2.  of  TiÜes  of  Joanals,  &c.  Test  —  A  te 
Lftirs.  —  Volume  II:  Fk«&faM7  Note.  Text  —  Le  to  Z.  AdAeDdi. 
Iiidices:  1.  Oreek  Terms,  2.  Latin  T.,  %.  Gemu»  T.,  4.  Vrendk  T., 
6.  ItaÜMi  T.  —  Volume  !II:  Prefiitory  Note.  General  Biblie* 
f  raphies.  1.  Oeneral.  2.  Kbliography  of  A.  History  of  Philosephj, 
B.  Sfatenmtie  Pbiloaoiifay,  C  Logic,  D.  Aestbetics,  B.  Philesephy  of  BeH* 
gion,  F.  j^ioa,  O.  Psycbology. ' —  Die  Länge  der  einzelnen  Artikel  ick 
■atuigemtfe  sehr  vemcfaieden;  eiiage,  namentlich  solche,  die  sioib  atff  sehr 
allgemeine  Stoifo,  ww  Cause  and  Effect,  Time,  Oriental  Philo- 
Bopfay>,  «nd  a«f  Qegenstlnde  aus  dem  Gebiete  der  phyBiologisehen  Psy* 
ebologie«  wie  Brain  und  Vision,  beziehen,  sind  za  fiirmlicben  Abhand- 
lungen berancfgewachsen.  Dem  Artikel  Brain  ist  auch  noch  ein  sriir 
dankenswertes  Otossar  der  Gdiimanatomie  beigefiQgt.  —  Wie  sidi  die 
einzelnen  Mitarbeiter  in  die  versdiiedenen  Gebiete  geteilt  laben,  können 
wir  Uer  nicht  näher  «useiiiaadersetEen.  Fftr  die  Leeer  dieser  Zeitsdififl 
wird  les  ?on  Interesse  sein,  da&  die  Ailäkel  ftber  philologische  Dinge 
von  Brof.  Benjamin  Ide  Wheeler  an  der  Universität  San  Francieoo 
herrfihren. 

Bei  der  ungeteilten  Anerkennung,  die  wir  dem  vortrefflichen  Werke  im 
ganzen  seilen  mflsseo,  ffihlen  wir  uns  eigentlich  nicht  berufen,  an  demseften 
im  eiazelnen  Kritik  zu  Oben.  Wir  möchten  aber  doch  gern  den  emen  Punkt 
der  Wortableitung  berfihren,  der  uns  persönlich  besonders  nahe  l^gL 
Wir  könnm  faieor  mit  den  von  der  Bedaktion  befolgten  Grundsätzen  nicht 
durchweg  übereinstimmen.  Man  hätte  unseres  Erachtens  an  manchen 
Stellen  etwas  genauer,  oder  smen  wir  pedantis^r,  yerfabren  nAssen. 
Bei  ae^  z.  B.  hätte  nicht  auf  adio,  sondern  auf  oo^ics  verwiesen  werden 
müssen,  bei  afjM  zunächst  nicht  auf  ad  +  faeere,  sondern  auf  affedm, 
bei  4irchiteatwre  nidit  auf  ^dq^v-^-  Tixyqj  sondern  auf  lal  a/rchiMbmu 
und  griech.  äqxizixuaVi  und  bei  asoetidsm  mufdte  vor  dem  seiner  Bil- 
dungswetee  nach  femerliegenden  Substantiv  UaiMffig  das  Adjektiv  ^kmi^iiftAg 
aagefBhrt  werden.  Es  würde  ffir  viele  Leser  auch  von  Inlteresse  sein, 
»eben  engl,  nesthesia  und  cmalgesia  die  schon  g^au  so  gebildeten  grae- 
«bischen  Formen  aia&i^ia  und  dvai/yiiala  zu  finden;  denn  wenn  man 
daiär  mci^t/ns  «nd  ä  +Jilyos  (angegeben  sieht,  kommt  man  mit  ziem- 
lieber  Notvsendigkeit  auf  den  Gedanken,  dafs  die  betreffenden  engllselien 


Nene  Philologlsolijfl  Bttndsobaa  Hr.  24. 


Formen  Nenbildangen  der  modernen  Wissenschaft  seien.  Als  anriohtig 
sind  nns  folgende  Etymologien  aufgefallen:  äble  kommt  nicht  Ton  a  +  ^ 
büis,  sondern  dnroh  altfiranzös.  able  ein&ch  von  habüis.  —  Das  Ton 
F.  Max  Müller  im  Gegensatz  zu  aäieism  ^^Gtotteslengnung'*  gebildete  Wort 
otiemsm  „Oötterlengirnng*^  geht  nicht  anf  lat.  a  -f  deus  znrfick.  Schon 
der  Znsammenhang  an  den  Stellen ,  wo  Max  MfiUer  das  Wort  braucht 
(man  vgl.  auch  das  dazugehörige  Adjektiv  auf  S.  129  der  deutschen  Aus- 
gabe des  Bandes  „  Anthropologische  Beligion*'  der  Oifford  Lectures),  zeigt 
deutlich,  dafs  er  dabei  an  das  altindische  äeva  gedacht  hat.  Er  konnte 
sich  auch  direkt  an  eine  sanskritische  Bildung  ddsoa  anlehnen,  welche 
nach  dem  grofsen  Petersburger  Wörterbuch  in  folgenden  Sedeutungen 
vorkommt:  1)  Adj.  a)  nicht  göttlich,  nicht  von  den  Göttern  kommend, 
b)  ungöttlich,  gottlos;  2)  Snbst.  Nich^ott.  —  cynosücism  geht  nicht  auf 
hi  a-^-gnoscere  zurfick,  sondern  auf  üyvmHnog^  bzw.  d-  privativum  -{- 
ywaa%v»j&q.  —  aim  (me.  eimen  aus  altfiranz.  aesmer)  setzt  nicht  lat  aeslu 
mare  sondern  *adaestimare  voraus;  vgl.  Skeat,  EtymoL  DicL  und  Kör- 
ting, Lateinisch -BomanisdiesWörterbuch*  Nr.  166.—  Bei  dem  Artikel 
Cabäla  ist  zunächst  gäbbäiah  verdruckt  for  qäbbälähf  und  dann  wird  das 
Yerbum  bäp.  nicht  klar  von  dem  Substantiv  nb^g  geschieden.—  Das  engl. 
dolus  stammt  doch  wohl  von  dem  lat.  dolus  ab,  und  nicht  von  dem  mit 
diesem  nur  urverwandten  griech.  ddlog.  —  Bei  dea-fmutism  wäre  es 
praktisch  gewesen,  die  ffir  einen  Nichtanglisten  ganz  wildfremd  und  un- 
verständlich aussehende  mittelenglische  Form  mewet,  welche  scblieMich 
weiter  nichts  ist  als  eine  besondere  Schreibung  des  aus  dem  Altfran- 
zösischen entlehnten  mu^  (s  ^matettus  fOr  tnuius),  etwas  näher  zu  er- 
klären. Da  fibrigens  altfranzöeisch  auch  mut  (=  mutus)  vorkommt,  braucht 
man  ne.  mcife  gar  nicht  von  muet,  mewet  herzuleiten.  TgL  Körting 
a.  a.  0.  Nr.  6427.  —  Für  creed  gilt  das  oben  über  act  usw.  Gesagte: 
das  Wort  hätte  nicht  allgemein  auf  credere,  sondern  auf  die  bestimmte 
1.  Person  Sing,  credo  zurfickgefflhrt  werden  mflssen,  mit  der  das  Glaubens- 
bekenntnis anälngt.  —  Eine  nähere  Erklärung  der  Bedeutungsentwicke- 
lung war,  wenn  die  Anffihrung  der  Etymol<^e  überhaupt  einen  Zwef)k 
haben  sollte,  bei  control  S.  229*  unbedingt  erforderlich.  Für  rotdkm 
ist  dort  fibrigens  rotuhm  einzusetzen,  vgl.  Körting  Nr.  2473,  wi 
Skeat  snb  verbo. 

So  liebe  sich  noch  dies  und  jenes  anführen.    Doch  wir  wollen  uns 
nicht  in  Kleinigkeiten  verlieren,  eondern  lieber  unsere  Besprechung  schlielsen. 


.  570  Neae  Philologiiehe  Bnndaohan  Nr.  24. 

indem  wir  dem  Heraoag.  und  seinen  Mitarbeitern  noch  einmal  unsere 
rfickhaltslose,  dankbare  Anerkennung  Ar  das  von  ihnen  in  mühevoller  Ar- 
beit geschaffene  höchst  verdienstliche  und  nutzbringende  Werk  aussprechen. 
Wir  zweifeln  nicht«  dafs  das  Studium  der  Philosophie  und  der  Psycho- 
logie durch  das  neue  Wörterbuch  die  vielseitigste  Anregung  und  Förde- 
rung erfahren  wird,  und  sind  fiberzeugt,  dafs  dieses  auch  aufserhalb  der 
eigentlichen  Fachkreise  dieser  beiden  Wissenschaften  in  der  gelehrten 
Welt  mit  Dank  b^frfifst  werden  wird.  —  Die  äufsere  Ausstattung  des  Buches 
kann  in  jeder  Hinsicht  als  mustergültig  bezeichnet  werden.  Der  Druck 
ist  grofs  und  deutlich,  und  die  einer  Beihe  von  Artikeln  beigefügten 
z.  T.  farbigen  Abbildungen  sind  sehr  fibersichtlich  und  lehrreich. 

Bremen.  F.  Pabst. 

296/297)  0.  Hü8;ge,  Edmond  Bostand  als  Dramatiker.  (Beilage 
zum  Jahresbericht  des  Gymn.  zu  Friedeberg  Nm.)  Friedebeig 
Nm.,  Eisermann,  1903.  18  S.  4. 
Nik«  Scheid,  Edmond  Bostands  Entwickelmigsgang  und 
seine  Begehung  zur  deutschen  Literatur,  (=  Frank- 
furter Zeitgem.  Brosch.  XXII,  10).  Hamm  i.  W.,  Breer  &  Thie- 
mann,  1903.    S.  311—341.  8.  Mf— .50. 

Diese  beiden  Arbeiten  vermehren  die  Bostandliteratur,  ohne  sie  be- 
deutend zu  bereichern.  Die  Verfasser  bringen  im  wesentlichen  nur  eine 
Inhaltsangabe  und  Würdigung  der  einzelnen  Bfihnenwerke,  statt  nun  auch 
von  höherer  Warte  eine  Gesamtcharakteristik  des  Dichters  und  seine  Ein- 
reihung in  die  französische  Literaturent Wickelung  zu  versuchen. 

Die  überschwengliche  Huldigung  Mfigges,  so  sehr  sie  seiner  idealen 
Gesinnung  Ehre  macht,  wird  auf  den  Namen  einer  tiefgehenden  Beurtei- 
lung kaum  Anspruch  machen  können. 

Auch  Scheide  Versuch,  einen  Entwickelungsgang  Bestands  darzustellen, 
scheint  mir  unvollkommen  gelungen.  Wenn  Cyrano  bis  jetzt  als  Höhepunkt 
seines  Schaffens  gelten  mufs,  so  hätte  der  allmähliche  Aufstieg  dahin,  das 
mannigfaltige  Anklingen  der  Ideen  in  den  Vorläufern  zu  überzeugenderem  Aus- 
druck kommen  sollen.  „Die  zauberische  Kraft  der  begeisternden  Idee^S 
das  ist  der  Grundton  auf  Bostands  Leier.  Sie  zeigt  ihre  Macht  in  der 
Princesse  lointaine  —  die  Bomanesques  sind  mehr  eine  Formenfibung  — 
als  reine  irdische  Liebe  (amour),  als  Nächstenliebe  (charit6)  und  religiöse 
Schwärmerei  in  der  Samaritaine,  im  Gyrano  als  ritterliche  Gesinnung  (panache). 


'S 


Nea0  Philologiache  Rnndsohan  Nr.  84.         671 


Den  Einflufs  0.  Ludwigs  anf  Bostand  nachzuweisen,  ist  Scb.  auch 
nicht  g^Ifickt.  Die  Ähnlichkeit  der  Bomanesqnes  mit  Hanns  Frei  ist 
fiberraschend,  aber  der  Gedanke  des  Lnstspiels  ist  zu  sehr  literarisches 
Oemeingnt,  um  die  Annahme  einer  unmittelbaren  Anregung  zu  recht- 
fertigen. Noch  kflhner  ist  die  Behauptung,  der  französische  Dichter  sei 
mit  seinem  biblischen  Stfick  bei  dem  Verf.  der  Makkabäer  in  die  Schule 
gegangen ;  sie  stfitzt  sich  eigentlich  nur  auf  die  Tatsache,  dafs  beide  Dra- 
matiker Stoffe  der  heiligen  Schrift  behandeln. 

Ich  habe  mich  gefreut,  dafs  M.  sowohl  wie  Seh.  den  Mut  haben  zu  erklären, 
dals  der  schöne  fQnfte  Akt  von  Gyrano  trotz  Erich  Schmidt  kein  „Notdach^*  ist. 
Plensburg.  K.  Eagelko. 

298)  Heinrich  F.  Junker,  Ornndrifs  der  Oeschichte  der 
firanzöfidBclien  Literatur  von  ihren  Anfängen  his  zur 
Gegenwart.  4.  vermehrte  und  verbesserte  Auflage.  Hfinster 
i.  W.,  SchSningh,  1902.  XX  u.  534  S.  gr.  8.  brt)Beh.ul4.80. 
Wer  15—20  Jahre  zurfickdenkt,  wird  sich  erinnern,  wie  wenig  ge- 
druckte Hilfsmittel  damals  dem  Studierenden  der  neueren  Sprachen  zur 
Vertilgung  standen,  trotzdem  er  ihrer  in  so  hohem  Mafse  bedarf.  Der  Alt- 
philologe bringt  die  fBr  sein  Studium  nötigen  sprachlichen  Kenntnisse  auf  die 
Universität  schon  mit,  dem  Neuphilologen  dagegen  ist  die  ältere  Phase  des 
Französischen  oder  Englischen  etwas  ganz  Neues,  das  er  in  schulmäfsiger 
Weise  erst  zu  erlernen  hat.  Die  Aneignung  dieses  seines  Handwerks- 
zeuges mufs  dem  Studenten  schon  deshalb  erleichtert  werden,  weil  er  nach 
zwölf-  und  mehrjähriger  Schulzeit  rein  sprachlichen  Dingen  mit  einer  ge- 
wissen, psychologisch  begreiflichen  Abspannung  entgegentritt.  So  liegt  die 
Gefohr  nahe,  dafs  er  bei  nicht  ganz  großer  Energie  sich  eine  wissen- 
schaftliche Bildung  mit  unsolider  Grundlage  erwirbt.  Dem  zu  steuern  ist 
ja  Pflicht  der  Universitätslehrer,  aber  nicht  wenigen  von  ihnen  fehlt  Trieb 
und  Geschick,  sich  in  solch  elementarer  Weise  mit  Anßlngem  zu  beschäf- 
tigen, und  aufserdem  reicht  die  Kraft  eines  Mannes  gar  nicht  ffir  so  viele 
Studenten  aus,  wie  sich  in  den  achtziger  Jahren  den  modernen  Sprachen 
widmeten  und  auch  heute  wieder  widmen.  Wenn  nun  auch  zugestanden 
werden  mufs,  dafs  die  Tätigkeit  der  Hochschullehrer  auf  diesem  päda- 
gogischen Gebiet  neuerdings  reger  geworden  ist,  so  mufs  es  doch  dankbar 
b^rfi&t  werden,  wenn  die  Dozenten  ^'^^  ^*'«ibildung,  welche  sie  ihren 
Studenten  in  Vorlesungen  und  Übr  ein,  seit  einer  Reihe  von 


578  Neae  Fhilolaglflolie  BimdBchaa  Nr.  24. 

Jahren  durch  gedruckte  Hilfsmittel  stützen  und  erg&nsen,  Kach- 
folgende Zusammenstellung  gibt  das  Wichtigste  dieser  Literatur  ffir  das 
Gebiet  der  romanischen,  bzw.  ftanzösischen  Philologie  wieder.    Ich  nenne: 

1)  Eoschwitz,    Anleitung    zum    Studium    der   französischen    Philologie. 

2)  Körting,  Handbuch  der  französischen  Philologie.  3)  Gröber,  Grundrifs 
der  romanischen  Philologie.  4)  Körting,  Lateinisch -romanisches  Wörter- 
buch. 6)  Godefiroy,  Lexique  de  Tancien  franfais  (einbändiger  Auszug  aus 
dem  grofsen  Werke).  6)Sachs-Yillatte,  Enzyklopädisches  französisch-deut- 
sches und  deutsch-französisches  Wörterbuch.  7)  Schwan -Behrens,  Gram- 
matik des  Altfhmzösischen.  8)  Voretzsch,  Einführung  in  ^  Studium  der 
altfiranzSaischen  Sprache  zum  Selbststudium  für  Anfänger.  9)  Junker, 
Grundrifs  der  Geschichte  der  französischen  Literatur.  Man  sieht  an  den 
Yerfassemamen,  dafs  wir  diese  Hilfsmittel  fast  ausschlie&Ucb  Gelehrten 
verdanken,  welche  die  romanische  Philologie  an  deutschep  ÜQiyersitäten  ver- 
treten. Aber  auch  Schulmänner  fehlen  erfreulicherweise  als  Autoren  nicht. 
So  bei  dem  Werke,  welchem  diese  Zeilen  gewidmet  sind.  Ich  weifs  noch, 
mit  welcher  Freude  die  erste  Auflage  des  „Junker^'  von  ups  Studenten 
begrfifst  wurde:  die  bis  dahin  vorhandenen  Allgemeindarstellungen  der 
französischen  Literaturgeschichte  genügten  nicht,  weil  sie  die  Jahrhunderte 
bis  zur  klassischen  Zeit  vernachlässigten;  auf  Kolleghefte  7urfio)[zugreifeo, 
war  auch  schwierig,  weil  man  in  seiner  Studienzeit  alle  Epochen  der  Lite- 
raturgeschichte doch  kaum  zu  Gehör  bekam.  Mit  dem  Erscheinen  des 
„Grundrisses^^  hatte  die  Unsicherheit  ein  Ende;  man  besafs  ein  Buch,  in  dem 
man  nachschlagen  und  Literatur  finden  und  nach  dem  man  auch  fürs  Examen 
arbeiten  konnte.  Die  zünftige  Kritik  begrüfste  Junkers  Arbeit  nicht  mit 
solchem  Enthusiasmus.  Es  war  ja  auch  zu  natürlich ,  dafs  diesem  ersten 
Versuch,  die  ganze  französische  Literaturgeschichte  wissenschaftlich  darzu- 
stellen, allerlei  Mängel  anhafteten.  Der  Verf.  hat  die  ihm  damals  von 
vielen  Seiten  gegebenen  Winke  redlich  befolgt,  so  dafs  schon  die  zweite 
Auflf^e  als  wirklich  „verbesserte^  bezeichnet  werden  konnte.  Wie  sehr 
sich  das  Buch  seither  in  wissenschaftlichen  und  studentischen  Kreisen 
eingebürgert  hat,  zeigt  die  Tatsache,  dafs  es  uns  jetzt  nach  dreizehnjähriger 
Existenz  in  vierter  Auflage  vorliegt.  Ist  der  „Grundrifs^*  in  seiner  Qeuen 
Gestalt  der  dritten  Auflage  gegenüber  wieder  um  gut  dreifsig  Seitep  ge- 
wachsen, so  bezeichnet  er  auch  qualitativ  einen  erkennbaren  Fortschritt 
Das  Buch  sorgt  sowohl  für  die  Bedürfnisse  des  lernenden  wie  für  die 
des  wissenschaftlich  tätigen  Fachgenossen  in  ganz  ausgezeichneter 


Ifene  Philologisefae  BnndschAa  Nr.  24.  678 

Wdse.  Deü  Dank,  den  der  Verf.  dieser  Zeilen  den  ersten  drei  Auflagen 
des  „Junker*^  schuldig  zu  sein  glaubt,  möchte  er  in  den  Wünsch  kleiden, 
dafs  die  Erkenntnis  von  der  ünentbehrlichkeit  des  trefflichen  Hilfsmittels  unter 
den  Jüngern  der  romanischen  Philologie  immer  mehr  um  sich  greifen  möge. 
Peine.  Carl  Friealaiid. 

299)  Thebdot  Knon*,  Fjraetetita,  Ansichten  und  Gedanken  ans 
meinem  Leben,  welche  des  Gedenkens  yielleiobt  wert  sind,  von 
Jolm  Kuskln.  Aus  dem  Englischen  fibersetzt  und  heraus- 
gegeben von  Th.  Eh.  I.  Band.  StraTsburg,  J.  H.  Ed.  HeitE, 
1903.     XIV  U.  297  S.  8.  ul  4.-. 

Nach  der  langen  Reihe  glänzend,  streitbar  und  leidenschaftlich  ge- 
schriebener Bücher  verfafste  Buskin  1885  als  letztes  grOlseres  Werk  eine 
allerdings  nicht  zu  buchstäblich  zu  nehmende  Geschichte  seines  Le- 
bens. ^Praeterita'  ist  ^the  most  charming  thing  that  he  ever  gave  to 
the  World'  und  ganz  verschieden  von  seinen  früheren  Schriften.  Es  ist 
ein  warmer  Sounenstrahl,  der  nach  einem  gewitterdurchtobten  Nachmit- 
ti^e  noch  einmal  die  Fluren  und  Höhen  beleuchtet  und  verklärt,  ehe  das 
Gestirn  zur  Rüste  geht.  Schlicht,  mit  rührender  Offenheit  und  liebens- 
würdigem Humor  charakterisiert  Ruskin  seine  Eltern  und  erzählt  von 
ihrem  neunjährigen  Brautstande.  Er  spricht  mit  wehmütig  dankbarer 
Erinnerung  von  seiner  guten  Oroydoner  Tante  und  ihren  Kindern,  sowie 
von  der  alten  treuen  Dienerin  Anna,  die  Won  ihrem  Mädchen-  bis 
zu  ihrem  Greisenalter  den  Willen  anderer  tat  und  deren  Bestem  diente, 
anstatt  auf  ihr  Wohl  bedacht  zu  sein ,  und  dabei  eine  besondere  Gabe 
hatte.  Unangenehmes  zu  sagen,  und  'eine  eingewurzelte,  republikanische 
Abneigung,  etwas,  was  ihr  geheifsen  war,  sofort  oder  zjor  rechten  Zeit  zu 
tun .  Wir  werfen  einen  Blick  in  die  eigenartige  Erziehungs-  und  Unter- 
richtsweise seiner  puritanischen  Mutter  und  bemitleiden  den  Knaben,  der 
auf  Herne  Hill  einsam,  ohne  knabenhaftes  Spiel,  ja  fea^  ohne  jeden  Ka- 
meraden heranwächst,  zwar  manche  guten  Eigenschaften  sich  praktisch 
aneignet,  aber  nie  lernt,  jemandem  zu  helfen  oder  für  etwas  zu  danken. 
An  seiner  Lieblingslektüre  und  den  ersten  literarischen  Versuchen  des 
staunenswert  frühreifen  Knaben  —  er  schrieb  deutlich  und  orthographisch 
richtig  mit  vier  Jahren  und  begann  mit  sieben  Jahren  zu  dichten  — 
erkennt  man  den  späteren  Helden-  und  Naturverehrer  sowie  den  Keim 
seines   mittelalterlich  -  romantischen  Dranges   nach   unmöglichen   Idealen. 


574  Neue  Phllologisehe  BuAdaeliaa  Nr.  24. 


Wie  ein  Idyll  ans  längst  entschwundener  schOner  Zeit  ersdieint  nns  seine 
beredte  Sohildemng  der  häufigen  Beisen  mit  Vater,  Mutter  und  Anna  in 
der  Postkutsche  durch  England,  Schottland  und  durch  Frankreich  nach 
den  Alpen.  Man  folgt  den  Beisenden  mit  Spannung  nach  Schaffhausen 
oder  Ober  den  Col  de  la  Faucille  und  sieht  das  Alpenpanorama  in  herr- 
licher Majestät,  von  der  scheidenden  Sonne  rosig  angehaucht,  sich  zackig  und 
scharf  am  Horizonte  emporheben.  Die  ersten  Jahre  seines  Ozforder  Auf- 
enthalts, den  er  mit  ergötzlicher  Ironie  erzählt,  und  in  den  auch  seine 
'Defence  of  Turner^  fällt,  schliefsen  den  vorliegenden  ersten  Band  des 
anziehenden  Buches.  Natürlich  ist  der  Inhalt  viel  reicher  und  deutungs- 
voller, als  man  nach  dieser  kurzen  Skizze  etwa  annehmen  möchte,  und, 
auch  nur  als  ünterhaltungdektflre  betrachtet,  höchst  ergreifend  und  ge- 
nufsreich,  so  dafs  eine  deutsche  Bearbeitung  mit  aufrichtigem  Danke  zu 
begrQIben  ist. 

Die  vorliegende  Übersetzung  liest  sich  leicht  und  flfissig  und  lä(st 
die  Arbeit  kaum  ahnen,  welche  dahinter  steckt  Denn  die  ^racbe  Bus- 
kius  ist  stellenweise  recht  schwierig  in  gutem  Deutsch  wiederzugeben 
und  erfordert  nicht  selten  grölsere  sprachliche,  literarische  und  sachliche 
Kenntnisse,  als  sie  Übersetzern  eigen  zu  sein  pflegen.  Knorr  hat  es  ferner 
als  seine  vornehmste  Aufgabe  bezeichnet,  die  naive  Unbefangenheit  des 
Originals  zu  wahren,  und  der  Versuch  mufs  eben&lls  als  geglückt  be- 
zeichnet werden.  Wenn  noan  den  deutschen  Text  mit  dem  Original  ver- 
gleicht, so  stöfst  man  zwar  auf  eine  Beihe  von  Unebenheiten  des  Aus- 
drucks und  Irrtümern  der  Obersetzung,  aber  als  Qanzes  betrachtet,  ist 
diese  wohl  geeignet,  den  bedeutenden  Mann  einem  weiteren  deutschen 
Publikum  näher  zu  bringen«  Dies  ist  ja  auch  das  Programm  der  Heitz- 
schen  Oedankenlesen  aus  Buskin,  und  da  ^Praeterita'  zu  seinen  beliebtesten 
Werken  gebort,  so  ist  die  Hoffnung  des  Herauggebers  gewifs  be- 
rechtigt, dafs  es  sich  auch  bei  uns  einen  grö&eren  Freundeskreis  erwerben 
werde,  als  irgend  eine  seiner  anderen  Schriften.  Mit  den  Kürzungen, 
welche  mit  Bücksicht  auf  deutsche  Leser  vorgenommen  sind,  ist  Bef.  im 
allgemeinen  einverstanden;  unangenehm  war  ihm  beim  Lesen  nur,  dafs 
der  Interpunktion  so  wenig  Aufmerksamkeit  geschenkt  worden  ist. 

Bremen.  F« 


Nene  Philologische  Bandschaa  Nr.  24.  575 

300)  Wilhelm  Vidtor,  EinfOhnrng  in  das  Studium  der  eng- 

liachen  Philologie  mit  Bficksicht  auf  die  Anfordernngen  der 

Praxis.    Mit  einem  Anhang:  Das  Englische  als  Fach  des 

Frauenstudiums.    Marburg,  Elwert,  1903.    XII  u.  120  S.  8. 

J^  2.50. 

Die  neue  Auflage  dieses  Buches,  das  seit  seinem  ersten  Erscheinen 
im  Jahre  1888  auf  fast  den  doppelten  umfang  angewachsen  ist,  wird  von 
allen  denen,  die  sich  mit  dem  Studium  der  englischen  Sprache  und  Lite- 
ratur beschäftigen,  freudig  begrüfst  werden. 

Plan  und  Ziel  der  Schrift  sind  unverändert  geblieben.  Sie  will  nach 
wie  vor  nicht  mehr  und  nicht  weniger  als  dem  Studierenden  eine  An- 
leitung für  den  Gang  und  die  Einrichtung  der  wissenschaftlichen  und 
praktischen  Fachstudien  geben  und  ihn  vor  Milsgriffen,  die  oft  mit  un- 
ersetzlichem Zeitverlust  verbunden  sind,  bewahren.  Dagegen  will  und 
kann  sie  weder  die  methodische  Führung  des  Dozenten  im  Kolleg  und 
Seminar,  noch  den  Bat,  der  nur  im  Verkehr  von  Person  zu  Person  sich 
ermessen  lälst,  fiberflQssig  machen,  wie  vom  Verf.  ausdrücklich  im  Vor- 
wort betont  wird. 

Das  Buch  wird  sich  jedem,  der  es  benutzt,  als  zuverlässiger  Führer 
erweisen.  Für  keinen  Zweig  der  englischen  Philologie,  von  den  Denk- 
mälern der  angelsächsischen  Zeit  bis  zu  den  modernen  Tageszeitungen, 
wird  man  es  vergebens  zu  Bäte  ziehen. 

Näher  auf  den  Inhalt  einzugehen,  kann  ich  mir  versagen,  da  wir  es 
mit  einem  in  Fachkreisen  bekannten  Werk  zu  tun  haben.  Ich  will  nur 
erwähnen,  dafs  die  Änderungen  gegenüber  der  zweiten  Auflage  sich  im 
wesentlichen  auf  zwei  Punkte  erstrecken.  Einmal  ist  die  neue  preufsische 
Prüfungsordnung  für  das  Lehramt  an  höheren  Schulen  vom  12.  September 
1898  zugrunde  gelegt  worden,  und  zweitens  hat  die  in  den  letzten  Jahren 
erschienene  Fachliteratur  gebührende  Berücksichtigung  gefunden. 

Möge  das  vortreflfliche  Buch  auch  in  der  neuen  Gestalt  zahlreiche 
Freunde  finden.  Für  den  neuphilologischen  Studenten  ist  es  unentbehrlich; 
aber  auch  jeder  Lehrer  des  Englischen  sollte  es  allein  schon  der  Literatur- 
angaben wegen  seiner  Bibliothek  einverleiben. 

Altona-Otiensen.  H.  Sohnldl. 


676  Nene  Fhilologiidift  Bnndaehau  Nr.  24 

Vakanzen. 
Charlottenbnrgy  HMS.   Obl.   Deutsch  n.  Qesch.    Magistrat 
Delmenhorst,  BS.  Obl.  N.  Spr.   Magistrat. 
Esehwege,  BS.  u.  Q.   Obl.   Math,  oder  klass.  Phil.    Dr.  Stendele. 
Easklrchen,  0.  Obl.   Math.    Dir.  Dr.  Doetsch. 
Frankflirt  a.  M.,  HMS.   Obl.  Deutsch,  Gesch.,  Bei.   Kuratorium. 
€tera,  HMS.   Dir.  (N.  Spr.)  Stadtrat 
Hameln,  0.   Obl.   N.  Spr.   Mi^strat. 

Itzehoe,  BG.  u.  BS.   l)  Obl.  Spr.  2)  Math.  u.  Nat   Dir.  Dr.  Halfmann. 
Jüterbog,  BS.  Obl.   Math.    Magistrat 

Kattowltz,  G.   Obl.    l)  Kl.  Phil.;  2)  Deutsch  u.  Frz.    Kuratorium. 
Lana;en8alza,  Bpg.   Obl.   Lat,  Frz.  u.  Deutsch.    Magistrat 
Münden,  G.   Obl.   N.  Spr.   Magistrat. 
Neunkirchen,  BG.  ObL   Math.   Kuratorium. 
Batingen,  Prg.   Obl.    Klass.  Phil.   Dir.  Dr.  Petry. 
Sehoeneherg,  HMS.  (BG.)  Obl.   Math.   Magistrat 
Siegen,  BG.   Obl.  f.  Chemie,  desgl.  f.  Bei.    Dir.  ütgenaunt. 
Solingen,  G.  u.  BS.   Obl.   Deutsch  u.  Frz.   Dir.  Dr.  Schwertzell. 
Steele,  G.    Obl.    Klass.  Phil,  (ev.);    Obl.    Gesch.  u.  Deutsch  (kath.). 

Dir.  Wirtz. 
Ylersen,  G.   Obl.   Gesch.  u.  Deutsch.    Bürgermeister. 
Zoppot,  Bpg.   Obl.    Deutsch,  Gesch.,  Frz.    Magistrat 


Yerlag  von  Gustav  Fischer  In  Jena. 

Soeben  erschien: 

Wissenschaft  und  Buchhandel. 


Denkschrift  der  Deutschen  Verlegerkammer 

unter  Mitwirkung 

ihres  derzeitigen  Vorsitzenden  Dr.  Gustav  Fischer  in  Jena 

bearbeitet  von 

Dr.  Karl  Triibner, 

Strafsburg  i.  E. 

Interessenten  steht,  soweit  der  dafür  bestimmte  Vorrat  reicht, 
die  Schrift  in  einem  Exemplar  unentgeltlich  zur  Verfugung. 
Bestellungen  beliebe  man  direkt  an  die  Verlagsbuchhandlung  von 
C^mfttaT  Fischer  in  Jena  gelangen  zu  lassen.  Weitere  Exemplare 
sind  zum  Preise  von  80  Pfg.  durch  jede  Buchhandlung  zu  beziehen. 


Fflr  die  Bedsktion  Terantwortlieli  Dr.  E.  Lldwl|  in  Bremtl. 
Drnek  und  YarUg  Ton  Friedrieh  AndreM  PatUim,  AktittigMelliehift,  Qotk*. 


Ctotha,  11  Dezember.  Hh.  25,  Jahrgang  1903. 

Neue 

PhilologischeRundschau 

HeraosgegebeD  von 

Dr.  C.  Wageher  und  Dr.  E.  Ludwig 

in  Bremen. 

Erscheint  alle  14  Tage.  -^  Preis  fttr  den  Jahrgang  8  Mark. 

Bestellungen  nehmen  alle  Buchhandlungen,  sowie  die  Postanstalten  des  In-  und  Aunlandes  an. 

Insertionsgebflhr  fOr  die  einmal  gespaltene  Petitzeile  80  Pfg. 

Inhalt:  Bezenslonen:  301)  C.  Robert,  Stadien  zur  Uias  (H  Klage)  p.  577.  — 
302)  Lad.  OkQcki,  Taciti  Germania  (Ed.  Wolff)  p.  579.  —  303)  Harvard 
Stadie8inCla88icalPfailo]ogy.yoLXiy(P.We88ner)p.581.  —  304)Fritz  Maathner, 
Beitrage  za  einer  Kritik  der  Sprache  (J.  Keller)  p.  585.  —  305)  Cartius- 
V.  Hartel-Weigel,  Griech.  Schalgrammatik  (ß)  p.  589.  —  306)  M.  Asmas, 
Coars  abr^g^  de  la  litteratore  fran^aise  depois  son  origine  josqa'a  nos  jonrs  (Carl 
Friesland)  p.  591.  —  370)  H.  Rogaive,  Französisch -deutsches  und  deutach- 
französisches  Taschenwörterbuch  (W.  Böhrs)  p.  592.  --  308)  J.  B.  Peters, 
Materialien  zum  Übersetzen  aus  dem  Deutschen  ins  Französische  (Fries)  p.  593.  — 

309)  Fr.  Th.  Vischer,  Shakespeare -Vorträge ,  5.  Band  (H.  Jantzen)  p.  594.  — 

310)  M.  Wolf,  Walter  Scotts  Kenilworth  (L.  Roesel)  p.  594.  —  311)  Norman 
Smith,  Studies  in  the  Gartesian  Philosophy  (P.)  p.  597.  —  312)  J.  J.  Sauer, 
Specimens  of  Commercial  Gorrespondence  (M.  Steffen)  p.  597.  —  313)  £.  Regel» 
Geseniufl-Regel.  Englische  Sprachlehre  (Bahrs)  p.  598.  —  314)  Alfred  Jeremias, 
Im  Kampfe  um  Babel  und  Bibel  p.  599.  —  Vakanzen.  —  Anzeigen. 

301)  Carl  Robert,  Stadien  zur  Uias.  Mit  Beiträgen  von  Fried- 
rieh  Beehtel.  Berlin,  Weidmannsche  Bachhandlang,  1901. 
591  S.  8.  ^  10  -. 

Die  verdiente  allgemeine  Beachtang,  die  dieses  Bach  gefanden  hat, 
tritt  dorchaos  nicht  in  den  meisten  Fällen  als  Znstimmang  auf,  sondern 
dehr  vielfach  als  entschiedener  Widersprach.  Dies  liegt  zam  grofsen  Teil 
in  der  Eigenart  dieser  Arbeit  begründet,  welche  ein  ganz  neaes  Eoiteriam 
fflr  die  LOsong  der  homerischen  Frage  einführen  will.  Der  Verf.  geht 
nämlich  einerseits  von  der  nicht  ganz  nenen  Beobachtang  aas,  dafs  die 
Bewaffnung  des  Helden  in  der  Uias  nicht  gleichmäfsig  in  allen  Teilen  des 
Epos  dieselbe,  sondern  in  einigen  Teilen  eine  altertümliche  ist  —  be- 
sonders hervorstechend  ist  dabei  der  Mangel  des  Panzers  and  die  Deckung 
durch  einen  groCsen  Schild  — ,  in  anderen  eine  jüngere  mit  Panzer  und 
kleinerem  Bundschild.  Mit  dieser  Beobachtung  verbindet  er  nun  eine 
zweite,  durch  Fritz  Bechtel  ihm  nachgewiesene,  nämlich  dafs  die  Stücke 
der  Dias;  welche  jene  altertümliche  Bewaffnung  zeigen,  zusammenfallen  mit 


578  Kene  PhilologiBohe  Raocbichaa  Kr.  25. 


denen,   die  sich   anschwer  nach  Ficks  Theorie  in   äoliscbe  Sprachform 
bringen  lassen,  während  die  Teile  der  Ilias,   welche  stark  mit  lonismen 
durchsetzt  sind,  auch   die  jüngere  Bewaffnungsart  haben.    Somit  glaubt 
der  Herr  Verf.  auf  diese  Weise  ein  zuverlässiges  Mittel  gefunden  zu  haben, 
diejenigen  Teile  der  Ilias,  welche  ursprünglich  die  Grundlage  des  jetzigen 
%os  gebildet  haben,  von  den  jüngeren  zu  sondern.    Er  hat  infolgedessen 
auf  den  ersten  73  Seiten  seines  Buches  eine  Untersuchung  über  den  unter- 
schied der  Bewaffnung  in  der  Ilias  und  die  Mittel,  diesen  Unterschied 
praktisch  an  den  einzelnen  Iliasstellen  festzustellen,  vorausgeschickt  unter 
der  Überschrift:  „Mykenische  und  ionische  Waffen.'^    Dann  läfst  er  bis 
S.  257  eine  Analyse  der  Ilias  folgen,  wobei  er  den  vorher  festgestellten 
Unterschied  der  Bewaffnung  als  Kriterium   für  das  Alter  der  einzelnen 
Stellen  benutzt,   natürlich  unter  fortwährender  Heranziehung  des  zweiten 
Mittels,  nämlich  der  Untersuchung  der  Stellen  auf  die  Möglichkeit  oder 
Unmöglichkeit,  in  äolische  Sprachform  umgewandelt  zu  werden.    Hier- 
durch gewinnt  er  nun  einen  ältesten  Stamm  der  Ilias,  die  er  als  Urilias 
bezeichnet.    Die  überzeugende  Probe  auf  dies  ganze  Exempel  soll   nun 
eine  Rekonstruktion  dieser  Urilias  bilden,  welche  von  S.  272  bis  349  vor- 
geführt wird  und  2146  Verse  zählt,  zwischen   denen   noch   an   einigen 
Stellen  gröfsere  oder  kleinere  Lücken  geblieben  sind,  wo  die  jetzige  Ge- 
stalt der  Dias  eine  Rekonstruktion  der  alten  Form  nicht  ermöglichte  oder 
nach  des  Verf.  Ansicht  überhaupt  der  ursprüngliche  Text  verschwunden 
und  durch  jüngere  Stücke  ersetzt  ist.    Daran   schliefst  sich   dann  eine 
Charakteristik  der  Urilias  hinsichtlich  ihrer  Darstellung  der  GOtter  und 
Helden;   dann  folgt  eine  Entwickelungsgeschichte  der  Ilias,  in  welcher 
eine  erste,  zweite,  dritte  und  vierte  Ilias  nachgewiesen  wird.    Den  Be- 
schlufs  macht  ein  Register. 

Liest  man  am  Eingange  des  Buches,  dafs  die  Stellen  mit  mykenischer 
Bewaffnung  auch  zugleich  die  sind,  welche  leicht  in  äolische  Sprachform 
gebracht  werden  kOnnen,  während  umgekehrt  die  mit  ionischer  Bewaff- 
nung auch  hartnäckig  der  Äolisierung  widerstreben,  so  ist  man  übenascht 
durch  die  Einfachheit  der  LOsung  des  homerischen  Rätsels,  die  hierdurch 
in  Aussicht  gestellt  wird.  Leider  enttäuscht  hier  wie  so  oft  die  rauhe 
Wirklichkeit.  Sobald  der  Herr  Verf.  nämlich  dazu  schreitet,  jene  all- 
gemein ausgesprochene  Beobachtung  im  einzelnen  anzuwenden,  so  lOst  sich 
dem  Leser  die  an&ngs  gehegte  Hoffnung  inuner  mehr  in  Luft  auf.  Es 
zeigt  sich   nämlich    sehr   bald,    dafs  Interpretationskfinste,  Änderungen 


■j 


IKfene  Philologische  Bundschaa  Nr.  25.  5?9 

der  Lesarten,  Beseitigung  von  lutei'polationen,  grofse  Umstellungen  und 
ähnliche  Mittel  nötig  sind,  um  die  „Urilias^^  des  Verf.  in  einigermafsen 
gutem  Zusammenhange  herzustellen. 

Was  ffir  ein  Durcheinanderwerfen  des  Textes  dazu  nötig  ist,  zeigt 
schon  eine  flfichtige  Betrachtung  des  von  Robert  gegebenen  Textes  der 
ürilias.  Vers  1—372  derselben  ist  aus  A  l — 610  (mit  Auslassungen), 
dann  folgt  ein  Stfick  von  JB,  im  ganzen  82  Verse,  aber  zusammengestoppelt 
aus  B  1—815,  dann  /l  422—469  mit  Auslassungen,  dann  ff  219— 273, 
dann  wieder  J  517 — 536,  dann  E  541 — 575  mit  mannigfachen  Aus- 
lassungen, dann  Z  5  —  529,  mit  Auslassungen,  dann  H  4  — 12,  dann 
^516 — 525,  dann  0 110—142  —  auch  mit  Auslassungen  — ,  dann  wieder 
^  526 — 533,  dann  A  84 — 574,  dann  /  80,  81,  83  — ,  davor  und  da- 
hinter eineLficke— ,  dann  0  489—554,  dann  H9— 62,  dann  /16— 22, 
dann  fi'69— 74,  dann  127—78,  dann  H  80— 108,  dann  2V^39— 44,  dann 
H  363—393,  dann  wieder  76  Verse  aus  N^  in  grofsen  Sprängen  zusammen- 
gesucht aus  170—837,  dann  wieder  B,  dann  JV,  dann  0,  dann  'N^  dann  0 
usw.  Dafs  eine  solche  Durcheinanderwerfung  des  ursprünglichen  Textes, 
wie  sie  diese  „Rekonstruktion^^  voraussetzt,  den  jetzigen  Zusammenhang 
des  Iliastextes  hervorgebracht  haben  soll,  ist  doch  wohl  unglaublich.  Es 
ist  offenbar  Robert  so  ergangen,  wie  schon  so  manchem,  dafs  eine  Be- 
obachtung, die  an  einigen  Einzelpunkten  gemacht  ist,  verallgemeinert 
wird,  und  wenn  sie  nun  im  einzelnen  systematisch  angewendet  werden 
soll,  so  viele  Hilfen  braucht,  dafs  sie  selber  keine  Hilfe  mehr  gewähren 
kann.  Trotzdem  möchte  Ref.  nicht  sagen,  dafs  aller  Scharfsinn  und  Qeist, 
der  auf  das  Werk  verwendet  ist,  geradezu  verloren  und  verschwendet  sei; 
das  angestrebte  Ziel,  mit  Hilfe  des  neuen  Kriteriums  Licht  in  die  home- 
rische Frage  zu  bringen,  ist  freilich  nicht  erreicht;  aber  im  einzelnen  findet 
sich  doch  so  viel  Interessantes,  dafs  die  Lektüre  des  Buches  reichlich  lohnt. 

Cöthen.  H.  Kluge. 

302)  Lad.  Okecki,  Fublii  Cornelii  Taciti  de  Oermania  libellu8. 

Leipzig,' Simmel  &  Co.,  1903.     II  u.  74  8.  8.  Ji  2.-. 

Angesichts  der  höchst  beklagenswerten  Tatsache,  dafs  die  studierende 
Jugend  aus  Mangel  an  geeigneter  Anleitung  bisher  gewöhnlich  genötigt 
ist,  den  „Wort-  und  Gedankensinn ^^  der  Oermania  „aufs  Qeratewohl  und 
ungefiLhr^^  zu  erraten,  fühlte  sich  Herr  Ok^cki  bewogen,  den  hilflosen 
Gymnasiasten   deutscher  Zunge    beizuspringen   und    ihnen    einen   FGhrer 


.  570  Nene  Fbilologiiehe  Bandschan  Kr.  24. 

indem  wir  dem  Henroag.  und  seinen  Mitarbeitern  noch  einmal  unsere 
rfickhaltslose,  dankbare  Anerkeonnng  fttr  das  von  ihnen  in  mfiheyoUer  Ar- 
beit geschaffene  höchst  verdienstliche  und  nutzbringende  Werk  aussprechen. 
Wir  zweifeln  nicht,  dafs  das  Studium  der  Philosophie  und  der  Psycho- 
logie durch  das  neue  Wörterbuch  die  vielseitigste  Anregung  und  Förde- 
rung erfahren  wird,  und  sind  überzeugt,  dafs  dieses  auch  aufserhalb  der 
eigentlichen  Fachkreise  dieser  beiden  Wissenschaften  in  der  gelehrten 
Welt  mit  Dank  begrfifst  werden  wird.  ~  Die  äufsere  Ausstattung  des  Buches 
kann  in  jeder  Hinsicht  als  mustergültig  bezeichnet  werden.  Der  Druck 
ist  grofs  und  deutlich,  und  die  einer  Reihe  von  Artikeln  beigefSgten 
z.  T.  fiurbigen  Abbildungen  sind  sehr  fibersichtlich  und  lehrreich. 

Bremen.  F.  Pabat. 

296/297)  0.  Müg^e,  Edmond  Bostand  als  Dramatiker.  (Beilage 
zum  Jahresbericht  des  Qymn.  zu  Friedeberg  Nm.)  Friedeberg 
Nrn.,  Eisermann,  1903.  18  S.  4. 
BTik.  Scheid,  Edmond  Bostands  Entwickelungsgang  und 
seine  Beiüehnng  zur  deutschen  Literatur.  (=  Frank- 
furter Zeitgem.  Brosch.  XXII,  10).  Hamm  i.  W.,  Breer  ftThie- 
mann,  1903.     S.  311— 341.  8.  .A— .50. 

Diese  beiden  Arbeiten  vermehren  die  Rostandliteratur,  ohne  sie  be- 
deutend zu  bereichem.  Die  Verfasser  bringen  im  wesentlichen  nur  eine 
Inhaltsangabe  undWördigung  der  einzelnen  Bühnenwerke,  statt  nun  auch 
Yon  höherer  Warte  eine  Gesamtcharakteristik  des  Dichters  und  seine  Ein- 
reihung in  die  französische  Literaturentwickelung  zu  versuchen. 

Die  fiberschwengliche  Huldigung  Mügges,  so  sehr  sie  seiner  idealen 
Gesinnung  Ehre  macht,  wird  auf  den  Namen  einer  tiefgehenden  Beurtei- 
lung kaum  Anspruch  machen  können. 

Auch  Scheids  Versuch,  einen  Entwickelungsgang  Bostands  darzustellen, 
scheint  mir  unvollkommen  gelungen.  Wenn  Gyrano  bis  jetzt  als  Höhepunkt 
seines  Schaffens  gelten  mufs,  so  hätte  der  allmähliche  Aufstieg  dahin,  das 
mannigfaltige  Anklingen  der  Ideen  in  den  Vorläufern  zu  überzeugenderem  Aus- 
druck kommen  sollen.  „Die  zauberische  Kraft  der  begeisternden  Idee 'S 
das  ist  der  Grundton  auf  Bostands  Leier.  Sie  zeigt  ihre  Macht  in  der 
Princesse  lointaine  —  die  Bomanesques  sind  mehr  eine  Formenübung  — 
als  reine  irdische  Liebe  (amour),  als  Nächstenliebe  (charit6)  und  religiöse 
Schwärmerei  in  der  Samaritaine,  im  Gyrano  als  ritterliche  Gesinnung  (panache). 


\ 


Neat  Philologische  Rnndschan  Nr.  34. 671 

Den  Einflnfs  0.  Ludwigs  auf  Bostand  nachzaweisen,  ist  Scb.  auch 
nicht  geglückt.  Die  Ähnlichkeit  der  Bomanesqnes  mit  Hanns  Frei  ist 
fiberraschend,  aber  der  Gedanke  des  Lustspiels  ist  zu  sehr  literarisches 
Oemeingnt,  um  die  Annahme  einer  unmittelbaren  Anregung  zu  recht- 
fertigen. Noch  kflhner  ist  die  Behauptung,  der  französische  Dichter  sei 
mit  seinem  biblischen  Stfick  bei  dem  Verf.  der  Makkabäer  in  die  Schule 
gegangen ;  sie  stützt  sich  eigentlich  nur  auf  die  Tatsache,  dafs  beide  Dra- 
matiker Stoffe  der  heiligen  Schrift  behandeln. 

Ich  habe  mich  gefreut,  dafs  M.  sowohl  wie  Seh.  den  Mut  haben  zu  erklären, 

dals  der  schöne  fQnfte  Akt  von  Cyrano  trotz  Erich  Schmidt  kein  „Notdach^^  ist 

Flensburg.  K 


298)  Heinrich  F.  Junker,  Gnmdrifs  der  Oeschiohte  der 
franzOnschen  Literator  von  ihren  Anfftngen  bis  zur 
Gegenwart.  4.  vermehrte  und  verbesserte  Auflage.  Münster 
i.  W.,  SchSningh,  1902.  XX  u.  534  S.  gr.  8.  broBeh.^4.80. 
Wer  15—20  Jahre  zurückdenkt,  wird  sich  erinnern,  wie  wenig  ge- 
druckte Hilfsmittel  damals  dem  Studierenden  der  neueren  Sprachen  zur 
Verfügung  standen,  trotzdem  er  ihrer  in  so  hohem  Mafse  bedarf.  Der  Alt- 
philologe bringt  die  fDr  sein  Studium  nötigen  sprachlichen  Kenntnisse  auf  die 
Universität  schon  mit,  dem  Neuphilologen  dagegen  ist  die  altere  Phase  des 
FranzSsischen  oder  Englischen  etwas  ganz  Neues,  das  er  in  schulmftfsiger 
Weise  erst  zu  erlernen  hat.  Die  Aneignung  dieses  seines  Handwerks- 
zeuges mufs  dem  Studenten  schon  deshalb  erleichtert  werden,  weil  er  nach 
zwölf-  und  mehrjähriger  Schulzeit  rein  sprachlichen  Dingen  mit  einer  ge- 
wissen, psychologisch  begreiflichen  Abspannung  entgegentritt  So  liegt  die 
GeMr  nahe,  dafs  er  bei  nicht  ganz  grofser  Energie  sich  eine  wissen- 
schaftliche Bildung  mit  unsolider  Grundlage  erwirbt.  Dem  zu  steuern  ist 
ja  Pflicht  der  Universitätslehrer,  aber  nicht  wenigen  von  ihnen  fehlt  Trieb 
und  Geschick,  sich  in  solch  elementarer  Weise  mit  Anfilngern  zu  beschäf- 
tigen, und  aufserdem  reicht  die  Erafk  eines  Mannes  gar  nicht  für  so  viele 
Studenten  aus,  wie  sich  in  den  achtziger  Jahren  den  modernen  Sprachen 
widmeten  und  auch  heute  wieder  widmen.  Wenn  nun  auch  zugestanden 
werden  muls,  dafs  die  Tätigkeit  der  Hochschullehrer  auf  diesem  päda- 
gogischen Gebiet  neuerdings  reger  geworden  ist,  so  mufs  es  doch  dankbar 
begrüfst  werden,  wenn  die  Dozenten  die  Ausbildung,  welche  sie  ihren 
Studenten  in  Vorlesungen  und  Übungen  übermittein,  seit  einer  Beihe  von 


578  Neae  FhUologlMlie  Bnndsohaa  Nr.  94. 


Jahren  duroh  gedruckte  Hilfsmittel  stützen  nnd  erg&nsen,  Kach- 
folgende ZnsammenstellQDg  gibt  das  Wichtigste  dieser  Literatur  fQr  daa 
Gebiet  der  romanischen,  bzw.  ftanzösischen  Philologie  wieder.    Ich  nenne: 

1)  Eoschwitz,   Anleitung    zum    Studium    der    französischen    Philologie, 

2)  Körting,  Handbuch  der  französischen  Philologie.  3)  Gröber,  Grundrifs 
der  romanischen  Philologie.  4)  Körting,  Lateinisch -romanisches  Wörter- 
buch. 6)  Godefiroy,  Lexique  de  l'ancien  fraufais  (einbändiger  Auszug  aus 
dem  grofsen  Werke).  6)Sachs-Yillatke,  Enzyklopädisches  französisch-deut- 
sches und  deutsch-französisches  Wörterbuch.  7)  Schwan -Behrens,  Gram- 
matik des  Altfhinzösischen.  8)  Yoretzsch,  Einführung  in  ^^  Studium  der 
altfiranzSaischen  Sprache  zum  Selbststudium  ffir  Anfänger.  9)  Junker, 
Grundrifs  der  Geschichte  der  französischen  Literatur.  Man  sieht  an  den 
Verfassemamen,  dafs  wir  diese  Hilfsmittel  fast  ai^sschliefslich  Gelehrten 
verdanken,  welche  die  romanische  Philologie  an  ^eutscheii  ÜQiversitäten  ver- 
treten. Aber  auch  Schulmänner  fehlen  erfreulicherweise  als  Autoren  nicht. 
So  bei  dem  Werke,  welchem  diese  Zeilen  gewidmet  sind.  Ich  weifs  noch, 
mit  welcher  Freude  die  erste  Auflage  des  „Junker^'  von  ups  Studenten 
begrfifst  wurde:  die  bis  dahin  vorhandenen  Allgemeindarstellqngen  der 
französischen  Literaturgeschichte  genfigten  nicht,  weil  sie  die  Jahrhunderte 
bis  zur  klassischen  Zeit  vernachlässigten;  auf  Kolleghefte  zurfiokzugreifen, 
war  auch  schwierig,  weil  man  in  seiner  Studienzeit  alle  Epochen  der  Lite- 
raturgeschichte doch  kaum  zu  Gehör  bekam.  Mit  dem  Erscheinen  des 
„Grundrisses^^  hatte  die  Unsicherheit  ein  Ende;  man  besafs  ein  Buch,  in  4em 
man  nachschlagen  und  Literatur  finden  und  nach  dem  man  auch  ffirs  Examen 
arbeiten  konnte.  Die  zfinftige  Kritik  begrflfste  Junkers  Arbeit  nicht  mit 
solchem  Enthusiasmus.  Es  war  ja  auch  zu  natürlich ,  dafs  diesem  ersten 
Versuch,  die  ganze  französische  Literaturgeschichte  wissenschaftlich  darzu- 
stellen, allerlei  Mängel  anhafteten.  Der  Verf.  hat  die  ihm  damals  von 
vielen  Seiten  gegebenen  Winke  redlich  befolgt,  so  dafs  schon  die  zweite 
Auflf^e  als  wirklich  „verbesserte^  bezeichnet  werden  konnte.  Wie  sehr 
sich  das  Buch  seither  in  wissenschaftlichen  und  studentischen  Kreisen 
eingebürgert  hat,  zeigt  die  Tatsache,  dafs  es  uns  jetzt  nach  dreizehnjähriger 
Existenz  in  vierter  Auflage  vorliegt.  Ist  der  „  Grundrifs  ^^  in  seiner  neu^n 
Gestalt  der  dritten  Auflage  gegenüber  wieder  um  gut  dreifsig  Seiten  ge- 
wachsen, so  bezeichnet  er  auch  qualitati?  einen  erkennbaren  Fortschritt 
Das  Buch  sorgt  sowohl  für  die  Bedürfnisse  des  lernenden  wie  für  die 
des  wissenschaftlich  tätigen  Fachgenossen  in  ganz  ausgezeichneter 


Ifene  Phllologisefae  BandschAa  Nr.  24.  678 

W^ise.  Den  Dank,  den  der  Verf.  dieser  Zeilen  den  ersten  drei  Auflagen 
des  ,,  Janker*^  sohnldig  zu  sein  glanbt,  möchte  er  in  den  Wünsch  kleiden, 
dab  die  Erkenntnis  von  der  Unentbehrlichkeit  des  trefflichen  Hil&mittels  unter 
den  Jüngern  der  romanischen  Philologie  immer  mehr  um  sich  greifen  möge. 
Feine.  Oarl  Frieolaad. 


Thebdot  Knott,  Firaetelita,  Ansichten  und  Gedanken  aus 
meinem  Leben,  welche  des  Gedenkens  Tielleicht  wert  sind,  von 
Jolm  Kuskin.  Aus  dem  Englischen  fibersetzt  und  heraus- 
gegeben Yon  Tlu  Kh.  I.  Band.  StraTsburg,  J.  H.  Ed.  Heite, 
1903.     XIV  u.  297  S.  8.  ul  4.-. 

Nach  der  langen  Reihe  glänzend,  streitbar  und  leidenschaftlich  ge- 
schriebener Bficher  yerfafste  Buskin  1885  als  letztes  grOlseres  Werk  eine 
allerdings  nicht  zu  buchstäblich  zu  nehmende  Geschichte  seines  Le- 
bens. 'Praeterita'  ist  'the  most  charming  thing  that  he  ever  gave  to 
the  World'  und  ganz  verschieden  von  seinen  Mheren  Schriften.  Es  ist 
ein  warmer  Sonnenstrahl,  der  nach  einem  gewitterdurchtobten  Nachmit- 
tage noch  einmal  die  Fluren  und  Höhen  beleuchtet  und  verklärt,  ehe  das 
Gestirn  zur  Rfiste  geht.  Schlicht,  mit  rfihrender  Offenheit  und  liebens- 
wfirdigem  Humor  charakterisiert  Buskin  seine  Eltern  und  erzählt  von 
ihrem  neunjährigen  Brautstande.  Er  spricht  mit  wehmutig  dankbarer 
Erinnerung  von  seiner  guten  Oroydoner  Tante  und  ihren  Kindern,  sowie 
von  der  alten  treuen  Dienerin  Anna,  die  Won  ihrem  Mädchen-  bis 
zu  ihrem  Greisenalter  den  Willen  anderer  tat  und  deren  Bestem  diente, 
anstatt  auf  ihr  Wohl  bedacht  zu  sein\  und  dabei  eine  besondere  Gabe 
hatte.  Unangenehmes  zu  sagen,  und  'eine  eingewurzelte,  r^ublikanische 
Abneigung,  etwas,  was  ihr  geheifsen  war,  sofort  oder  zjor  rechten  Zeit  zu 
tun'.  Wir  werfen  einen  Blick  in  die  eigenartige  Erziehung»-  und  Unter- 
richtsweise seiner  puritanischen  Mutter  und  bemitleiden  den  Knaben,  der 
auf  Herne  Hill  einsam,  ohne  knabenhaftes  Spiel,  ja  fast  ohne  jeden  Ka- 
meraden heranwächst,  zwar  manche  guten  Eigenschaften  sich  praktisch 
aneignet,  aber  nie  lernt,  jemandem  zu  helfen  oder  ffir  etwas  zu  danken. 
An  seiner  Lieblingslektfire  und  den  ersten  literarischen  Versuchen  des 
staunenswert  frühreifen  Knaben  —  er  schrieb  deutlich  und  orthographisch 
richtig  mit  vier  Jahren  und  begann  mit  sieben  Jahren  zu  dichten  — 
erkennt  man  den  späteren  Helden-  und  Naturverehrer  sowie  den  Keim 
seines   mittelalterlich  -  romantischen  Dranges   nach   unmöglichen   Idealen. 


574  Nene  PhHokgiadie  BuAdaeliaQ  Nr.  24. 


Wie  ein  Idyll  ans  längst  entschwnndener  schOner  Zeit  ersdieint  nns  seine 
beredte  Schilderung  der  häufigen  Beisen  mit  Vater,  Mutter  und  Anna  in 
der  Postkutsche  durch  England,  Schottland  und  durch  Frankreich  nach 
den  Alpen.  Man  folgt  den  Beisenden  mit  Spannung  nach  Schaffhausen 
oder  Ober  den  Col  de  la  Faucille  und  sieht  das  Alpenpanorama  in  herr- 
licher Majestät,  von  der  scheidenden  Sonne  rosig  angehaucht,  sich  zackig  und 
solmrf  am  Horizonte  emporheben.  Die  ersten  Jahre  seines  Oxforder  Auf- 
enthalts, den  er  mit  ergötzlicher  Ironie  erzählt,  und  in  den  auch  seine 
'Defenoe  of  Turner^  fällt,  schliefsen  den  vorliegenden  ersten  Band  des 
anziehenden  Buches.  Natürlich  ist  der  Inhalt  viel  reicher  und  deutungs- 
voUer,  als  man  nach  dieser  kurzen  Skizze  etwa  annehmen  möchte,  und, 
auch  nur  als  ünterhaltnngslektfire  betrachtet,  höchst  ergreifend  und  ge- 
nufisreich,  so  dafs  eine  deutsche  Bearbeitung  mit  aufrichtigem  Danke  zu 
begrQ&en  ist. 

Die  vorliegende  Übersetzung  liest  sich  leicht  und  flössig  und  lä&t 
die  Arbeit  kaum  ahnen,  welche  dahinter  steckt  Denn  die  Sprache  Bus- 
kins  ist  stellenweise  recht  schwierig  in  gutem  Deutsch  wiederzugeben 
und  erfordert  nicht  selten  grölsere  sprachliche,  literarische  und  sachliche 
Kenntnisse,  als  sie  Übersetzern  eigen  zu  sein  pflegen.  Enorr  hat  es  ferner 
als  seine  vornehmste  Au^be  bezeichnet,  die  naive  Unbefangenheit  des 
Originals  zu  wahren,  und  der  Versuch  mufs  eben&lls  als  geglöckt  be- 
zeichnet werden.  Wenn  man  den  deutschen  Text  mit  dem  Original  ver- 
gleicht, so  stöfst  man  zwar  auf  eine  Beibe  von  Unebenheiten  des  Aus- 
drucks und  Irrtflmem  der  Übersetzung,  aber  als  Ganzes  betrachtet,  ist 
diese  wohl  geeignet,  den  bedeutenden  Mann  einem  weiteren  deutschen 
Publikum  näher  zu  bringen.  Dies  ist  ja  auch  das  Programm  der  Heitz- 
schen  Oedankenlesen  aus  Buskin,  und  da  'Praeterita'  zu  seinen  beliebtesten 
Werken  gehört,  so  ist  die  Hoffnung  des  Herausgebers  gewifs  be- 
rechtigt, dafs  es  sich  auch  bei  uns  einen  grö&eren  Freundeskreis  erwerben 
werde,  als  irgend  eine  seiner  anderen  Schriften.  Mit  den  Efirzungen, 
welche  mit  Bficksicht  auf  deutsche  Leser  vorgenommen  sind,  ist  Bef.  im 
allgemeinen  einverstanden;  unangenehm  war  ihm  beim  Lesen  nur,  dafs 
der  Interpunktion  so  wenig  Aufmerksamkeit  geschenkt  woid^  ist. 

Bremen.  F.  WüIimm. 


Nene  Philologisehe  Bandecbaa  Nr.  24.  575 

300)  Wilhelm  Vidtor,  Einfflhrnng  in  das  Studium  der  eng- 

liBohen  Philologie  mit  Bficksicht  auf  die  Anfordemngen  der 

Praxis.    Mit  einem  Anhang:  Das  Englische  als  Fach  des 

Frauenstudiums.    Marburg,  Elwert,  1903.    XII  u.  120  S.  8. 

Ji  2.50. 

Die  neue  Auflage  dieses  Buches,  das  seit  seinem  ersten  Erscheinen 
im  Jahre  1888  auf  fast  den  doppelten  umfang  angewachsen  ist,  wird  von 
allen  denen,  die  sich  mit  dem  Studium  der  englischen  Sprache  und  Lite- 
ratur beschäftigen,  freudig  begrüfst  werden. 

Plan  und  Ziel  der  Schrift  sind  unverändert  geblieben.  Sie  will  nach 
wie  vor  nicht  mehr  und  nicht  weniger  als  dem  Studierenden  eine  An- 
leitung fSr  den  Qang  und  die  Einrichtung  der  wissenschaftlichen  und 
praktischen  Fachstudien  geben  und  ihn  vor  Mi&griffen,  die  oft  mit  un- 
ersetzlichem Zeitverlust  verbunden  sind,  bewahren.  Dagegen  will  und 
kann  sie  weder  die  methodische  Führung  des  Dozenten  im  Kolleg  und 
Seminar,  noch  den  Sat,  der  nur  im  Verkehr  von  Person  zu  Person  sich 
ermessen  lälst,  fiberflQssig  machen,  wie  vom  Verf.  ausdrficklich  im  Vor- 
wort betont  wird. 

Das  Buch  wird  sich  jedem,  der  es  benutzt,  als  zuverlässiger  Fflhrer 
erweisen.  Für  keinen  Zweig  der  englischen  Philologie,  von  den  Denk- 
mälern der  angelsächsischen  Zeit  bis  zu  den  modernen  Tageszeitungen, 
wird  man  es  vergebens  zu  Bäte  ziehen. 

Näher  auf  den  Inhalt  einzugehen,  kann  ich  mir  versagen,  da  wir  es 
mit  einem  in  Fachkreisen  bekannten  Werk  zu  tun  haben.  Ich  will  nur 
erwähnen,  dafs  die  Änderungen  gegenüber  der  zweiten  Auflage  sich  im 
wesentlichen  auf  zwei  Punkte  erstrecken.  Einmal  ist  die  neue  preufsische 
Prüfungsordnung  für  das  Lehramt  an  höheren  Schulen  vom  12.  September 
1898  zugrunde  gelegt  worden,  und  zweitens  hat  die  in  den  letzten  Jahren 
erschienene  Fachliteratur  gebührende  Berücksichtigung  gefunden. 

MOge  das  vortreflfliche  Buch  auch  in  der  neuen  Gestalt  zahlreiche 
Freunde  finden.  Für  den  neuphilologischen  Studenten  ist  es  unentbehrlich; 
aber  auch  jeder  Lehrer  des  Englischen  sollte  es  allein  schon  der  Literatur- 
angaben wegen  seiner  Bibliothek  einverleiben. 

Altona-Ottensen.  H.  Sehnldl. 


578  Keae  PhilologiBohe  Raodschaa  Kr.  25. 


denen,  die  sich  unschwer  nach  Ficks  Theorie  in  äolische  Sprachform 
bringen  lassen,  während  die  Teile  der  Ilias,  welche  stark  mit  lonismen 
durchsetzt  sind,  auch  die  jfingere  Bewaffnungsart  haben.  Somit  glaubt 
der  Herr  Verf.  auf  diese  Weise  ein  zuverlässiges  Mittel  gefunden  zu  haben, 
diejenigen  Teile  der  Ilias,  welche  ursprünglich  die  Grundlage  des  jetzigen 
%os  gebildet  haben,  von  den  jüngeren  zu  sondern.  Er  hat  infolgedessen 
auf  den  ersten  73  Seiten  seines  Buches  eine  Untersuchung  über  den  unter- 
schied der  Bewaffnung  in  der  Ilias  und  die  Mittel,  diesen  Unterschied 
praktisch  an  den  einzelnen  Iliasstellen  festzustellen,  vorausgeschickt  unter 
der  Überschrift:  „Mykenische  und  ionische  Waffen.'^  Dann  läfst  er  bis 
S.  257  eine  Analyse  der  Ilias  folgen,  wobei  er  den  vorher  festgestellten 
Unterschied  der  Bewaffnung  als  Kriterium  für  das  Alter  der  einzelnen 
Stellen  benutzt,  natürlich  unter  fortwährender  Heranziehung  des  zweiten 
Mittels,  nämlich  der  Untersuchung  der  Stellen  auf  die  Möglichkeit  oder 
Unmöglichkeit,  in  äolische  Sprachform  umgewandelt  zu  werden.  Hier- 
durch gewinnt  er  nun  einen  ältesten  Stamm  der  Ilias,  die  er  als  Urilias 
bezeichnet.  Die  überzeugende  Probe  auf  dies  ganze  Exempel  soll  nun 
eine  Rekonstruktion  dieser  Urilias  bilden,  welche  von  S.  272  bis  349  vor- 
geführt wird  und  2146  Verse  zählt,  zwischen  denen  noch  an  einigen 
Stellen  grOfsere  oder  kleinere  Lücken  geblieben  sind,  wo  die  jetzige  Ge- 
stalt der  Ilias  eine  Bekonstruktion  der  alten  Form  nicht  ermöglichte  oder 
nach  des  Verf.  Ansicht  überhaupt  der  ursprüngliche  Text  verschwunden 
und  durch  jüngere  Stücke  ersetzt  ist.  Daran  schliefst  sich  dann  eine 
Charakteristik  der  Urilias  hinsichtlich  ihrer  Darstellung  der  GOtter  und 
Helden;  dann  folgt  eine  Entwickelungsgeschichte  der  Ilias,  in  welcher 
eine  erste,  zweite,  dritte  und  vierte  Ilias  nachgewiesen  wird.  Den  Be- 
schlufs  macht  ein  Register. 

Liest  man  am  Eingange  des  Buches,  dafs  die  Stellen  mit  mykenischer 
Bewaffnung  auch  zugleich  die  sind,  welche  leicht  in  äolische  Sprachform 
gebracht  werden  kOnnen,  während  umgekehrt  die  mit  ionischer  Bewaff- 
nung auch  hartnäckig  der  Äolisierung  widerstreben,  so  ist  man  übenascht 
durch  die  Einfachheit  der  LOsung  des  homerischen  Rätsels,  die  hierdurch 
in  Aussicht  gestellt  wird.  Leider  enttäuscht  hier  wie  so  oft  die  rauhe 
Wirklichkeit.  Sobald  der  Herr  Verf.  nämlich  dazu  schreitet,  jene  all- 
gemein ausgesprochene  Beobachtung  im  einzelnen  anzuwenden,  so  lOst  sich 
dem  Leser  die  anfangs  gehegte  Hoffnung  immer  mehr  in  Luft  auf.  Es 
zeigt  sich   nämlich    sehr  bald,    dafs  Interpretationskfinste,  Änderungen 


■^ 


üfeiie  Philologische  Rondschaa  Kr.  25.  579 


der  Lesarten,  Beseitigung  von  lutei'polationen,  grofse  Umstellungen  und 
ähnliche  Mittel  nötig  sind^  um  die  „Drilias^^  des  Verf.  in  einigermafsen 
gutem  Zusammenhange  herzustellen. 

Was  ffir  ein  Durcheinanderwerfen  des  Textes  dazu  nötig  ist,  zeigt 
schon  eine  fluchtige  Betrachtung  des  von  Robert  gegebenen  Textes  der 
ürilias.  Vers  1—372  derselben  ist  aus  A  l — 610  (mit  Auslassungen), 
dann  folgt  ein  StQck  von  JB,  im  gauzen  82  Verse,  aber  zusammengestoppelt 
aus  B  1—815,  dann  J  422—469  mit  Auslassungen,  dann  ff  219— 273, 
dann  wieder  J  517 — 536,  dann  E  541 — 575  mit  mannigfachen  Aus- 
lassungen, dann  Z  5  —  529,  mit  Auslassungen,  dann  H  4—12,  dann 
^516—525,  dann  0 110—142  —  auch  mit  Auslassungen  — ,  dann  wieder 
JV  526 — 533,  dann  A  84 — 574,  dann  I  80,  81,  83  — ,  davor  und  da- 
hinter eine  Lücke  — ,  dann  0  489—554,  dann  S,  9—62,  dann  / 16—22, 
dann  S'69— 74,  dann  127—78,  dann  5*80—108,  dann  2^39—44,  dann 
S  363— 393,  dann  wieder  76  Verse  aus  ^,  in  grofsen  Sprängen  zusammen- 
gesucht aus  170—837,  dann  wieder  U^  dann  i^,  dann  O,  dann  N^  dann  O 
usw.  Dafs  eine  solche  Durcheinanderwerfung  des  ursprünglichen  Textes, 
wie  sie  diese  „Rekonstruktion^'  voraussetzt,  den  jetzigen  Zusammenhang 
des  Iliastextes  hervorgebracht  haben  soll,  ist  doch  wohl  unglaublich.  Es 
ist  offenbar  Bobert  so  ergangen,  wie  schon  so  manchem,  dafs  eine  Be- 
obachtung, die  an  einigen  Einzelpunkten  gemacht  ist,  verallgemeinert 
wird,  und  wenn  sie  nun  im  einzelnen  systematisch  angewendet  werden 
soll,  so  viele  Hilfen  braucht,  dafs  sie  selber  keine  Hilfe  mehr  gewähren 
kann.  Trotzdem  möchte  Bef.  nicht  sagen,  dafs  aller  Scharfsinn  und  Oeist, 
der  auf  das  Werk  verwendet  ist,  geradezu  verloren  und  verschwendet  sei; 
das  angestrebte  Ziel,  mit  Hilfe  des  neuen  Kriteriums  Licht  in  die  home- 
rische Frage  zu  bringen,  ist  freilich  nicht  erreicht;  aber  im  einzelnen  findet 
sich  doch  so  viel  Interessantes,  dafs  die  Lektüre  des  Buches  reichlich  lohnt. 

Cöthen.  B.  Kluge. 

302)  Lad.  Okecki,  Fublii  Cornelii  Taciti  de  Germania  libelluB. 

Leipzig,' Simmel  &  Co.,  1903.    II  u.  74  S.  8.  Ji  2.~. 

Angesichts  der  höchst  beklagenswerten  Tatsache,  dafs  die  studierende 
Jugend  aus  Mangel  an  geeigneter  Anleitung  bisher  gewöhnlich  genötigt 
ist,  den  „Wort-  und  Gedankensinn"  der  Germania  „aufs  Geratewohl  und 
ungefähr"  zu  erraten,  ffihlte  sich  Herr  Ok^cki  bewogen,  den  hilflosen 
Gymnasiasten   deutscher  Zunge    beizuspringen   und    ihnen    einen   Fahrer 


680  Kdue  Philologische  Bnndachaa  ^t.  35. 

durch  die  Dunkelheiten  jener  Schrift  zu  schenken.  Ich  hege  indessen 
einigen  Zweifel,  ob  unsere  Schale  den  Wert  der  dargebotenen  Oabe  voll  zu 
wfirdigen  und  das  Hilfsmittel  zu  verwenden  wissen  wird ;  denn  der  Kom- 
mentar bietet  neben  einigen  guten  Beobachtungen  doch  gar  zu  viel  Un- 
brauchbares und  Verfehltes.  —  Zutreffend  erklärt  0.  3,  1  primum  = 
praestantissimum,  wie  Sali.  dat.  3  otium  atque  divitiae,  qnae  prima  mor« 
tales  putant;  4  a.  E.  frigora  atque  inediam  unmittelbar  auf  adsuerunt 
zu  beziehen,  dem  dichterischen  Sprachgebrauch  gemäfs  (vgl.  Verg.  Aen. 
VI  833),  empfiehlt  sich,  auch  nach  Baumstarks  Ansicht,  der  stilistischen 
Abwechselung  wegen.  Gut  sind  die  Erläuterungen  von  19,  10  melius 
quidem  adhuc,  20,  6  separet  ingenuos  sq.,  29,  1  omnium  harnm,  37,  18 
quioque  simul,  38,  8  quod  saepe  accidit,  nicht  fibel  43,  4  die  Erklärung 
von  coarguit  Der  Kommentar  hebt  wiederholt  und  meistens  richtig  die 
offenen  oder  versteckten  Anspielungen  des  Tacitns  auf  römische  Zustände 
hervor.  Im  Widerspruch  mit  der  Absicht  des  Verf.,  den  Text  „möglichst 
kurz^'  zu  erläutern,  sind  einzelne  Anmerkungen  zu  flbermäftigem  Umfang 
gediehen,  z.  B.  die  zu  9  a.  E.  deorum  —  videntur.  Daneben  finden  sich 
genug  fiberflflssige  oder  solche  Notizen,  die  fSr  recht  geringe  Intelligenzen 
bestimmt  scheinen:  3,  2  ituri  in  proelia,  unmittelbar  vor  dem  Kampf, 
3, 3  Ulis  sc.  Germanis,  14, 1  virtute,  abL  relationis;  vinci  sc.  a  comitatu, 
37,  7  in  aliis  gentibus  entspricht  dem  folgenden  apud  Suebos,  43,  10 
plurimae,  sehr  viele  u.  a.  m. 

Ffir  manche  Ausl^ngsversuche  O.s  habe  ich  keine  andere  Bezeichnung 
als:  total  verunglfickt,  namentlich  2, 14  quidam  sc.  Germani,  4, 6  caemlei: 
blaue  Augen  dürften  sanfte  Augen  sein,  dies  ist  aber  mit  truces  schwer 
zu  vereinigen  (allerdings!).  Es  sind  wohl  also  hier  graue  Augen  gemeint, 
die  auch  truces  sein  können!  —  Warum  mit  der  lancea  (6,  2)  „nur 
eminus  gekämpft  werden  konnte  ^S  möchte  ich  wohl  wissen.  14  a.  E. 
persuaseris  „Apostrophe  an  den  Leser:  Du  fiberredest  nicht  einen  Ger- 
manen'^  Zu  17  a.  E.  nudae  bracchia  et  lacertos  (acc.  „graecus^^  nach 
altem  Schema)  bringt  0.  geradezu  Unsinn  vor;  19,  7  publicatae  sc.  a  ma- 
rito,  der  öffentlichen  Schau  durch  Entkleidung  ausgestellt;  39,  10  eoque, 
dem  Semnonenlande  zu,  inde,  vom  Semnonenlande,  ibi,  im  Semnonenlande. 
45,  26  sollen  occidentis  insulae  terraeque  für  den  Schriftsteller  das  von 
Vergil  beschriebene  Italien  und  die  umliegenden  Inseln  bedeuten,  weil  der 
Hinweis  an  Verg.  G.  11  116—176  erinnere.    Das  begreife,  wer  kann! 

Homburg  v.  d.  H. 


•> 


Neue  Philologigelie  Bandschau  Nr.  25.  581 

303)  Harvard  Studies  in  Classical  Fhilology.  Vol.  XIY. 
'Greenoagh  Memorial  Volume'.  Cambridge  Mass.  —  Leipzig, 
Harrassowitz,  1903.    175  S.  8.  geb.  Ji  6.50. 

Dieser  Band  ist  dem  Gedächtnis  des  1901  verstorbenen  Harvard- 
professor  James  Bradstreet  Oreenongh  gewidmet  und  mit  dessen  Bildnis 
geschmfickt;  er  enthält  an  erster  Stelle  einen  poetischen  Nachruf  in  latei- 
nischer Sprache  von  G(lement)  L.  S(mith)  und  eine  Biographie  des  Ver- 
storbenen aus  der  Feder  von  0.  L.  Eittredge,  der  in  warmen  Worten  die 
Persönlichkeit  des  um  die  Begrfindung  der  Harvard  Studies  hoch- 
verdienten Mannes  schildert,  seine  wissenschaftliche  und  sonstige  Wirk- 
samkeit beleuchtet  und  mit  einem  Verzeichnis  der  Arbeiten  Greenoughs 
schliefst.  Aus  ^dem  letzteren  sei  hervorgehoben  die  zuerst  1872  und  dann 
öfter  erschienene  ^ Latin  Grammar  for  Schools  and  Colleges,  founded  on 
Comparative  Grammar'  von  Allen  und  Greenough,  die  ja  auch  diesseits 
des  Atlantic  wohlbekannt  ist;  in  Verbindung  mit  Allen  hat  G.  auch  eine 
Anzahl  von  Ausgaben  lateinischer  Autoren  veranstaltet  (Cicero,  Sallust, 
Vergil,  Ovid,  Horaz,  Livius,  Cäsar);  endlich  ist  er  auch  dichterisch  tätig 
gewesen,  hat  eine  dramatische  Fantasie  'The  Queen  of  Hearts',  ein  kleines 
Lustspiel  'The  Blackb]rds^  eine  Operette  'Old  Eing  Cole'  u.  a.  m.  verfalst. 
Die  meisten  Bände  der  Harvard  Studies  enthalten  Beiträge  des  Gelehrten. 

Im  fibrigen  könnte  man  den  vorliegenden  Band  beinahe  auch  als 
'Terence  Volume'  bezeichnen,  denn  von  den  drei  Arbeiten,  die  er  enthält, 
beschäftigen  sich  zwei  mit  Terenz  und  von  diesen  nimmt  die  zweite 
wiederum  allein  120  Seiten  ein.  Sie  ist  betitelt  ^The  Rdaüon  of  the 
Seene-headings  to  the  Miniatures  in  Manuscripts  of  Terence  und  hat 
zum  Verfasser  John  Calvin  Watson. 

Über  das  Verhältnis  der  verschiedenen  Überlieferungszweige  der  Te- 
renzischen  Komödien  sind  wir  bis  jetzt  noch  nicht  ins  reine  gekommen, 
und  nach  und  nach  sind  die  mannigfaltigsten  Ansichten  darfiber  geäufsert 
worden.  Dafs  der  Bembinus  als  älteste  Handschr.  einen  besonderen  Wert 
hat,  das  wird  wohl  kaum  bezweifelt;  dagegen  herrscht  MeinungB- 
verschiedenheit  fiber  die  sogen.  Calliopius- Rezension  und  fiber  den  Ur- 
sprung und  Wert  der  beiden  Handdschr.-Familien  8  und  /,  zu  denen  noch 
eine  Mischklasse  hinzukommt.  Während  bei  uns  in  Deutschland  die. 
Meinung  vorherrscht,  dafs  8  im  ganzen  die  bessere  Überlieferung  dai^stellt, 
suchen  amerikanische  Gelehrte  den  Nachweis  zu  fBhren,  dafs  die  Familie 
y  Anspruch  auf  höhere  Wertschätzung  habe.  Hierher  gehören  die  Arbeiten 


582  Nene  Philologische  Bondschau  Nr.  25. 

von  E.  M.  Pease  (Transact.  of  the  Amer.  Phil.  Assoc.  1887,  30  ff.),  von 
H.  B.  Fairclough  (das.  1899,  1  ff.)  and  nun  auch  die  vorliegende  Ab- 
handluDg,  denn  Watsons  Untersuchung  läuft  darauf  hinaus,  daTs  die  Familie 
d  jünger  ist  als  der  Archetyp  der  Bilderhandschr.,  die  die  Familie  /  bilden. 

An  der  Spitze  der  einzelnen  Szenen  der  Terenzischen  Komödien  finden 
wir  Überschriften,  die  ein  Verzeichnis  der  in  der  betr.  Szene  auftretenden 
Personen  geben  und  sich  aus  zwei  Bestandteilen  zusammensetzen,  den 
Namen  und  der  Bollenbezeichnung.  Man  hat  schon  früher  bemerkt,  dafs 
in  einer  grofsen  Anzahl  dieser  Szenenunterschiiften  die  Namen  in  der 
Beihenfolge  erscheinen,  wie  ihre  Träger  in  den  Dialog  eingreifen,  femer 
dafs  häufig  die  Namen  zweier  Personen  gleichen  Charakters  vereinigt 
werden,  und  zwar  an  der  Stelle,  wo  die  erste  von  ihnen  nach  dem  vorher 
angegebenen  Prinzip  ihren  Platz  hat.  Es  fehlt  aber  bisher  an  einer  aus- 
reichenden und  vor  allem  sämtliche  Handschr.  berücksichtigenden  Erklärung 
der  Abweichungen  von  diesen  Begeln.  Nach  Watsons  Meinung  hat  man 
dieselbe  in  den  Illustrationen  der  Bilderhandschr.  zu  suchen.  Die  An- 
ordnung der  dargestellten  Personen  (die  redenden  stets  vollzählig)  hat  mit 
der  Einrichtung  der  Bühne  nicht  das  geringste  zu  tun;  es  ist  vielmehr  im 
wesentlichen  dieselbe,  die  wir  in  den  Szenenüberschriften  antreffen  and 
demnach  durch  die  für  die  letzteren  geltenden  Grundsätze  bestimmt. 
Daneben  aber  befolgte  der  Illustrator  noch  ein  anderes  Prinzip;  in  den 
hierfür  geeigneten  Szenen  suchte  er  einen  besonders  charakteristischen 
Punkt  der  Handlung  darzustellen,  und  es  ist,  namentlich  wo  in  einer 
Szene  mehr  als  zwei  Personen  auftreten,  nicht  schwer  den  Vers  oder  die 
Verse  zu  bestimmen,  die  der  Künstler  im  Auge  hatte. 

Dieses  Prinzip  läfst  die  Abweichungen  der  Figurenanordnung  von  dem 
'usual  Order'  leicht  verstehen,  während  anderseits  die  Abweichungen  der 
Szenenüberschriften  von  der  gewöhnlichen  Beihenfolge  unerklärlich  bleiben. 
Da  nun  offenbar  bei  der  weitgehenden  Übereinstimmung  zwischen  Minia- 
turen und  Überschriften  ein  Zusammenhang  zwischen  beiden  bestehen 
mufs,  so  ist  es  klar,  dafs  die  letzteren  von  den  ersteren  abhängig  sind.  Aller- 
dings gibt  es  zwischen  beiden  auch  öfter  Differenzen,  indessen  läfst  sich 
nachweisen  oder  doch  wahrscheinlich  machen,  dafs  auch  in  diesen  Fällen 
ursprünglich  Übereinstimmung  herrschte;  da  nun  die  Bilder  schwerlich 
eine  Änderung  erfahren  haben,  müssen  in  den  Überschriften  Umstellungen 
vorgenommen  worden  sein,  hervorgegangen  aus  dem  Bestreben  in  möglichst 
allen  Überschriften  den  *usual  Order'  herzustellen.  Beste  der  ursprünglichen 


^ 


Neue  Philologische  BundBchaii  Nr.  25.  583 


Anordnung  sind  hie  und  da  in  den  RoUenbezeichnangen  za  finden,  die 
eben&lls  von  den  Miniaturen  abhängig  sind.  Die  Abweichungen  finden 
sich  hauptsächlich  in  d,  doch  hatte  der  Archetyp  dieser  Familie  aller 
Wahrscheinlichkeit  nach  eine  mit  den  Bildern  übereinstimmende  Namen- 
ordnung. Daraus  folgt,  dafs  erstens  die  Szenenfiberschriften  sämtlicher 
Handschr.  gemeinsamen  Ursprungs  sind  und  dafs  der  Ursprung  der  Über- 
schriften in  den  Illustrationen  einer  alten  Bilderhandschrift  zu  suchen  ist 
Aus  diesem  Zusammenhang  ergibt  sich  des  weiteren,  dafs  ursprüng- 
lich die  Verteilung  der  Bilder  und  der  Überschriften  auf  den  Text  der 
Komödie  identisch  gewesen,  mithin  von  Haus  aus  die  Szeneneinteilung 
in  allen  Handschr.  dieselbe  gewesen  sein  mufs;  wo  sich  Abweichungen 
zeigen,  müssen  im  Laufe  der  Zeit  Änderungen  eingetreten  sein.  Hierbei 
handelt  es  sich  nicht  um  eine  geschlossene  Absonderung  einer  ganzen 
Familie,  vielmehr  variieren  die  einzelnen  Glieder  einer  solchen  unter- 
einander, in  d  16  mal,  dagegen  in  y  nur  2  mal.  Es  ist  also  nötig,  die 
Szeneneinteilung  der  Archetype  von  d  und  y  festzustellen,  und  dabei  ergibt 
sich,  dafs  die  Differenzen  erheblich  geringer  sind,  als  man  bei  einer  Ver- 
gleichung  der  einzelnen  Handschr.  anzunehmen  geneigt  ist.  Die  ursprüng- 
liche Einteilung  ist  am  besten  bewahrt  im  Bembinus  (wegen  seines 
Alters)  und  in  der  Familie  y  (weil  hier  die  Miniaturen  eine  Änderung 
sehr  erschwerten);  die  Differenzen  finden  sich  meist  im  letzten  Akt,  wo 
die  Abschreiber,  um  Baum  zu  sparen,  gelegentlich  ein  Bild  wegliefsen, 
namentlich  wenn  zwischen  zwei  Bildern  nur  wenig  Verse  standen.  Watson 
sucht  nun  noch  weiter  zurück  zu  der  älteren  eneichbaren  Szeneneinteilung 
zu  gelangen  und  verwendet  dabei  einmal  das  Zeugnis  des  Donatkommen- 
tars,  in  dem  sich  Spuren  einer  von  unseren  Handschr.  gelegentlich  ab- 
weichenden Szeneneinteilung  finden,  sodann  aber  macht  er  sich  die  Ex- 
planationes  praeambulae  des  von  Schlee  veröffentlichten  Terenzkommentars 
zu  nutze.  Wölfflin  hatte  bereits  bemerkt,  da&  diese  Einleitungen  ur- 
sprünglich einer  anderen  Anordnung  der  Komödien  folgen  als  der  Kom- 
mentar jetzt  aufweist,  und  Watson  erklärt,  dafs  die  Quelle  eine  alte 
Bilderhandschrift  war.  Da  nun  die  Einteilung  der  Szenen  aufs  engste  mit 
der  Illustration  des  Textes  zusammenhängt  und  Donat  bereits  die  Szenen- 
einteilung kannte,  so  müssen  die  Bilder  älter  sein  als  Donat;  da  femer 
bereits  der  Archetyp  von  d  Szeneneinteilung  und  Überschriften  hatte,  die 
letzteren  aber  ebenso  von  den  Miiniaturen  abhängig  sind  (wenngleich  sie 
nicht  von  dem  Künstler  selbst  herrühren,  sondern  von  einem  Späteren 


584  Nene  Philologische  Rundschftn  Nr.  35. 

beigeschrieben  worden  sind),  so  mfissen  diese  noeh  ftlter  sein  als  die 
Überschriften,  ffir  die  wir  durch  den  Archei^p  von  d^  der  wohl  ins 
3.  Jahrb.  gehört,  bis  znm  2.  Jahrb.  kommen,  so  daTs  der  Ursprung  der 
Bilder  vielleicht  im  1.  Jahrh.  zu  suchen  ist.  Aus  alledem  ergibt  sich, 
dafs  die  Familie  y  am  besten  die  Handschr.  repräsentiert,  die  der  Illu- 
strator benutzte,  und  dafs  ihr  Ursprung  somit  ziemlich  weit  hinauf- 
reicht. 

Übrigens  haben  die  Bilder  und  die  Oberschriften  in  y  nicht  die 
gleiche  Überlieferung  gehabt.  Nachdem  eine  Zeitlang  beide  vereint  waren, 
mfissen  einmal  die  Überschriften  weggelassen  worden  sein,  und  sind  dann 
später  aus  einem  dem  Bembinus  nahestehenden  Kodex  ergänzt  (S.  163  ff.). 
Bei  einer  anderen  Rezension  des  Terenztextes  wurden  die  Miniaturen  weg- 
gelassen, und  daraus  ging  die  Familie  d  hervor.  Welche  Stellung  der  Bem- 
binus in  dieser  Überlieferungsgeschichte  einnehmen  soll,  geht  aus  Watsons 
Darlegungen  nicht  klar  hervor;  er  könnte  entweder  ein  Abkömmling  jener 
alten  Bilderhandschr.  sein,  auf  die  y  zurückgeht,  nur  dafs  die  Bilder  wie 
im  Archetyp  von  d  weggelassen  wurden,  oder  aber  man  könnte  annehmen, 
dafs  in  einen  von  der  Bilderhandschr.  unabhängigen  Zweig  der  Über- 
lieferung die  Szeneneinteilung  und  -fiberschriften  fibertragen  wurden. 
Auch  sonst  lassen  die  Ausffihrungen  Watsons  noch  für  manchen  Zweifel 
Baum,  doch  ist  hier  eine  Lösung  nur  von  anderen  Ausgangspunkte  aus 
möglich.  Immerhin  hat  sich  der  Verf.  durch  seine  grfindlichen  Unter- 
suchungen ein  grofses  Verdienst  erworben  und  von  seinem  Standpunkte 
aus  einen  recht  wesentlichen  Beitrag  zur  Aufhellung  der  Textgeschichte 
des  Terenz  geliefert. 

In  gewissem  Zusammenhange  mit  Watsons  Arbeit  steht  die  vorauf* 
gehende  Abhandlung  von  Karl  E.  Westen,  betitelt  The  lüusbrated 
Terence  Mawuscripts,  nämlich  C  (Vatic),  P  (Paris.  7899),  F  (Ambros.) 
0  (Dnnelmensis).  Das  Verhältnis  dieser  vier  Handschr.  zueinander  wird 
festgestellt;  C  ist  der  beste  Repräsentant  der  gemeinschaftlichen,  wenn 
auch  nicht  direkten  Vorlage,  P  zeigt  besonders  lebendige  Bewegung  der 
einzelnen  Figuren;  in  i^  sind  die  Zeichnungen  wenig  sorgfältig  und  von 
geradezu  kindlicher  Ausführung,  während  0  eine,  allerdings  nicht  ursprfing- 
liche,  reichere  Ausgestaltung  der  Details  aufweist.  Nach  gut  beglaubigter 
Überlieferung  wurde  in  Giceros  Zeit  die  Maske  durch  Boscius  auf  die 
römische  Bfihne  gebracht;  das  hatte  .zur  Folge,  dafs  an  die  Stelle  des 
vüUus  nunmehr  der  gestus  trat,  dessen  Einzelheiten  Quintilian,  wenn  auch 


"^ 


Neue  t^bilologiscbe  tlnndscliau  Kr.  2Ö.  &86 

in  anderem  Zusammenhange,  eingehend  geschildert  hat.  Nun  zeigt  sich, 
wie  man  schon  früher  bemerkt  hat,  eine  auffällige  Übereinstimmung 
zwischen  Quintilians  Angaben  und  den  Bildern  der  Terenzhandschr.,  die 
ihrerseits  wieder  Ähnlichkeit  mit  den  entsprechenden  pompejanischen  Ge- 
mälden aufweisen.  Aus  alledem  folgert  Weston,  dafs  die  Illustrationen 
zu  Terenz  auf  eine  sehr  alte  Handschr.  zurückgehen  und  uns  vielleicht 
ein  Bild  geben  von  der  szenischen  Darstellung  zur  Zeit  des  Boscius;  auf 
jeden  Fall  gingen  die  Miniaturen  bis  auf  die  Zeit  Tor  Quintilian  zurück. 
Eine  besonders  wertvolle  Zugabe  bilden  die  Tafeln  am  Schlüsse  des  Bandes, 
welche  die  Illustrationen  zum  Phormio  nach  den  vier  oben  erwähnten 
Handschr.  enthalten. 

Die  dritte  Arbeit,  die  den  beiden  besprochenen  voraufgeht ^  bringt 
Observations  on  the  fourth  Eclogue  ofVirgü  von  W.W  ar  de  Fowler. 
Derselbe  bekämpft  die  von  Bamsay  (in  den  Procedings  of  the  Franco- 
Scottish  Society  1898)  und  von  Beinach  (in  der  Bevue  de  Thistoire  des 
Beligions,  Nov.  1900)  gegebenen  Auslegungen  des  Gedichtes;  er  meint, 
dafs  es  sich  in  den  letzten  vier  Versen  tatsächlich  um  die  Geburt  eines 
Kindes  von  Fleisch  und  Blut  handelt,  dafs  Vergil  das  Gedicht  schrieb  vor 
der  Geburt  des  Kindes,  das  Octavian  im  Jahre  40  von  Scribonia  erwartete, 
und  dafs  es  der  Dichter,  als  dem  Herrscher  kein  Sohn,  sondern  eine 
Tochter  geboren  wurde,  zurücklegte,  um  es  erst  mit  den  übrigen  Eclogen 
zu  veröfifentlichen.  Fowler  verteidigt  ferner  die  durch  Quintilian  überlieferte 
Lesart  qui  non  risere  parentes,  indem  er  unter  Hinweis  auf  CatuU  61,  216 
ridere  im  Sinne  von  arridere  nimmt  und  in  pa/rentes  das  Objekt  dazu 
erblickt,  wobei  er  sich  in  Übereinstimmung  befindet  mit  einer  Note  Sca- 
ligers  zu  GatuU ;  für  den  letzten  Vers  schliefst  er  sich  der  Erklärung  des 
Philargyrius  an  (bei  Hagen  Servius  III  2  p.  88 ;  auch  in  den  Schol.  Bern.), 
da&  Vergil  anspiele  auf  einen  Gebrauch  in  vornehmen  römischen  Familien, 
eine  Ansicht,  die  ebenfalls  schon  Scaliger  vertreten  hat. 

Bremerhaven.  P.  Wessner. 


304)  Fritz  Mauthner,  Beiträge  zu  einer  Kritik  der  Sprache 

Dritter  Band:   Zur  Grammatik  und  Logik.    Stuttgart  und 

Berlin,  J.  G.  Cottas  Buchhandlung  Nacht,  1902.  666  S.  8.  J6  12.-. 

(Schlufs.) 

Wenn  aber  die  Definition  schon  eine  Null  ist,  so  ist  nach  M.  das 

urteil  noch  weniger  als  Null,  denn  es  sagt  wenigstens  in  seiner  ein- 


i7eae  t^hilologische  ^nndschau  itr.  25. 


ftchsten  Form  nur  ein  Prädikat  aus,  w&hreDd  die  Definition  doch  mindestens 
swei  aussagt.  Das  Urteil  ist  nun  freilich  das  Urphänomen  des  Denkens. 
Aber  da  ancfa  jedes  Her  z.  B.  in  der  Erkennung  seiner  Nahrang  Urteile 
ftllt,  so  ist  das  Urteil  der  Menschen,  das  mit  dem  Satz  identisch  ist, 
eine  offensichtliche  Lnxusfdnlction.  Das  Urteil  hat  Oberhaupt  „auszuscheiden 
aus  der  logischen  Disziplin 'S  es  ist  „fremd  in  der  toten  Logik  ^*.  Es 
enth&It  niemals  etwas,  das  nicht  schon  im  Subjekt  enthalten  wäre.  Nach- 
dem so  die  Existenzberechtigung  schon  des  Urteils  in  der  Logik  an- 
gefochten ist,  bleibt  selbstverständlich  auch  vom  Schlufsyerfiihren  nichts 
Brauchbares  flbrig. 

Auch  die  allgemeinen  Denkgesetze  finden  bei  M.  keine  Gnade. 
Gegen  den  Satz  der  Identität  werden  allerlei  interessante  Beispiele  ins 
Feld  gef&hrt,  dafs  z.  B.  Brot  nicht  Brot,  Käse  nicht  Käse  sei,  wenn  etwa 
ein  Feinschmecker  von  schlechtem  Brot  sage,  das  sei  Oberhaupt  kein  Brot 
Somit  ist  Brot  zugleich  Brot  und  nicht  Brot!  Aber  bei  allen  den  witzigen 
und  saloppen  AusMen  gegen  dieses  Denkgesetz  wird  seine  Bedeutung  fOr 
die  in  Leben  und  Wissenschaft  so  oft  vorkommende  Quaternio  terminoram 
auch  nicht  mit  einem  Worte  in  Betracht  gezogen.  Das  normative  Ele- 
ment der  Logik  existiert  eben  fOr  M.  nicht.  Grofsen  Baum  nimmt  die 
Behandlung  des  Satzes  vom  zureichenden  Grunde  und  die  Unter- 
sudiung  der  Kausalität  Oberhaupt  ein.  In  der  metaphysisdien  Vmge 
des  Yerhättnisses  von  post  hoc  zu  propter  hoc  kommt  er  auf  eigentOm- 
Hchem  Wege  zur  Aufteilung  einer  Art  von  Identität  der  beiden  Auf- 
fassungen. FOr  einen  Gott,  sagt  er,  der  alles  Geschehen  im  ganzen  Weltall 
bis  ins  kleinste  gleichzeitig  wahrnehme,  bestände  kein  Unterschied  zwischen 
VHrkung  und  blofser  Zeitfolge  (propter  hoc  =  post  hoc).  Notwendig- 
keit bestände  zwar  auch  fOr  diese  allwissende  Betrachtungsweise  des  Welt- 
geschehens, aber  M.  wOfste  als  allwissendes  Wesen  nicht  zu  sagen,  ob  das 
Weltbild  im  zweiten  Augenblick  aus  dem  ersten  als  Zeitfolge  oder  als 
Wirkung  hervorginge.  Wir  dächten,  ein  wirklich  allwissendes  Wesen 
wufste  dies.  Aber  sei  dem  wie  ihm  wolle,  wir  beschränkten  Menschen 
kommtn  damit  Ober  den  Eansalitätsbegriff  doch  nicht  hinaus,  selbst  daim 
nicht,  wenn  wir  den  Begriff  der  Notwendigkeit  im  Bewufstsein  des  all- 
wissenden Wesens  von  dem  Eansalitätsbegriff  zu  trennen  vermochten. 
Überraschend  aber  ist,  wenn  M.  fortfthrt,  in  dieser  undurchbrechlicben 
Kette  der  Notwendigkeit  habe  weder  die  menschliche  Sprache»  noch  die 
Erscheinung  einer  logischen  Folge  irgend  welchen  Platz.    Es  ist  gewifs 


•i 


Neae  PhilologlidM  Bundschau  Kr.  95.  587 

richtig,  „die  phantastische  Allwissenheit,  die  alle  Dinge  sogleich  wAfsta^S 
hätte  unmöglich  daneben  noch  „Begriffe  oder  Worte  von  ihnen ^S  „also 
auch  Iceine  Klassifikation,  die  sogen.  Naturgesetze '^  Die  Allwissenheit 
braucht  freilich  fflr  ihren  Bedarf  keine  Worte,  aber  der  Mensch  mit 
allen  seinen  Bewegungen,  also  auch  mit  seinem  Sprechen  and  Denken 
geh5i*t  doch  auch  in  die  Allnotwendigkeit  hinein,  und  die  Allwissenheit  kennte 
somit  alle  Worte  der  Welt  samt  dem  Walten  des  Eausalitfttsbegriffes  im 
geistigen  Leben  des  Menschen.  Wir  aber  in  unserem  beschränkten  Erden- 
kreis vermögen  das  Allnotwendige  nur  in  den  kleinen  Notwendigkeiten 
zu  begreifen,  die  wir  Gesetze  nennen  und  kausal  verstehen,  und  die  uns 
u.  a.  zu  Ekssifikationen  und  Begriflbbildungen  führen.  Und  dabei  ist  es  ohne 
Belang,  ob  wir  die  Kausalität  als  Anschauui^form  der  menschlichen  Vernunft 
ansehen  oder  als  immanente  Eigenschaft  alles  Wirklichen;  und  jenseits 
dieser  Kausalität  ist  fSr  uns  Macht  oder  Phantastik  religiöser  oder  irreli- 
giöeer  Art. 

Darum  wird  auch  der  Erkenntnisgrund,  den  M.  konsequenter- 
weise  als  blofte  indirekte  Wahrnehmung  ansehen  und  aus  allem  Denken 
elinünieren  möchte,  —  denn  im  Intellekt  kann  ja  nichts  sein,  aulser  was 
in  der  Empfindung  ist  und  war  — ,  auch  fernerhin  noch  zu  Becht  bestehen 
bleiben  im  Denken  und  in  der  Lehre  vom  Denken,  und  die  Merkmale 
^alt  und  stinkend  ^^  beim  Käse  werden  uns  nicht  ohne  weiteres  t,  Syno- 
nyma ^^  sein,  sondern  wir  werden  aus  dem  Duft  auf  Alter  und  Qualität 
schliefsen  oder  eben  allerdings  indirekt  zu  diesen  Erkenntnissen  kommen. 
Diesen  Umweg  —  was  doch  wohl  der  Sinn  von  „indirekt"  ist  —  nennt 
die  Logik  bisher  eine  schliefsende  Tätigkeit  aus  Erkenntnisgrund.  Ist  der 
Umweg  schon  sehr  eingeübt,  dann  mag  man  von  indirekter  Wahrnehmung 
reden.  Die  Beispiele,  die  M«  gibt,  sind  meist  von  dieser  eingefibten  Art. 
Wenn  wir  aber  z.  B.  morgens  im  Freien  Eisbildung  beobachten  und  alle 
Thermometer  als  tie£Bten  Temperaturstand  der  Nacht  5  Gfrad  B  Aber 
Null  angeben,  so  werden  wir  auf  starke  lokalisierte  Verdunstnngskälte 
schliefsen  nnd  weiterhin  auf  starke  Strömung  trockener  Luft  während 
der  Nacht,  und  wir  haben  vielleicht,  wenn  uns  der  Znsamenhang  noch 
nicht  bekannt  war,  nns  hin  und  her  besonnen,  wie  Eis  im  Freien  sich 
bilden  könnte  bei  6  Qrad  Wärme.  Das  läßt  sieh  doch  wohl  nicht  als 
indirekte  Wahrnehmung  bezeichnen.  Und  die  Beispiele  fllr  Erkenntms- 
grande  dieser  Art  sind  in  der  Wissenschaft  Legion.  Ist  freilich  die  Er- 
schliefsung  solcher  Ursachen  eingeübt,  dann  wird  aus  der  ursprünglichen 


588  Neue  Philologische  Rnndschau  Nr.  25. 


logischen  Tätigkeit  eine  einfache  indirekte  Wahrnehmung.  Ähnlich  hat 
sich  die  Sache  sicher  auch  bei  der  Bildung  von  Klassifikationen  und  Be- 
griffen verhalten. 

unseren  Glauben  an  Naturgesetze  sucht  M.  in  ähnlich  phan- 
tastischer Weise  zu  erschüttern.  Wenn  wir  uns  einen  Geist  vorstellten, 
dem  Millionen  Jahre  wären  wie  ein  Tag,  so  sähe  dieser  Geist  die  Erde 
in  wenigen  Stunden  aus  dem  Feuerball  der  Sonne  hinausfliegen,  erkalten, 
Schimmel  —  d.  h.  Vegetation  und  Tierwelt  —  erzeugen,  dann  erstarren 
zu  Stein  und  Eis  und  Tod  und  wieder  in  die  mächtig  aufglQhende  Sonne 
zurückstürzen.  Einem  solchen  Geist  sei  die  ganze  Erde  nichts  mehr  als 
eine  Seifenblase,  nichts  weiter  als  die  „  Hypothese  eines  Übergangszustandes 
der  ürstoffe'S  Damit  wäre  natürlich  alles  auf  Erden,  auch  Tier  und 
Mensch,  „noch  weit  mehr  Hypothese^'.  Dies  aber  doch  wohl  nur,  wenn 
dieser  seltsame  Geist  nur  die  eine  Seifenblase  Erde  und  nicht  auch  alle 
anderen  Planeten  und  Sonnensysteme  des  Kosmos  in  ähnlicher  Zeit- 
verkürzung schauen  könnte.  Sonst  müfste  die  Hypothese  als  solche  weichen 
und  zwar  der  beobachteten  Notwendigkeit  oder  dem  erkannten 
bei  M.  so  scharf  bekämpften  Gesetz  des  Übergangs  der  ürstoffe.  Natür- 
lich wird  mit  solcher  Phantastik  die  Notwendigkeit  auch  aller  kleinsten 
Veränderungen  auf  Erden  nicht  eliminiert  und  ebensowenig  für  uns  die 
Notwendigkeit,  —  nicht  etwa  den  Dingen  Gesetze  ihrer  Bewegung  und 
Veränderung  vorzuschreiben,  sondern  zu  beobachten ,  nach  welchen  imma- 
nenten Notwendigkeiten  oder  Gesetzen  diese  Bewegungen  sich  vollziehen. 

Es  ist  hier  wohl  nicht  der  Ort,  auf  weitere  Einzelheiten  des  geist- 
reichen Buches  einzugehen.  Wer  Lust  hat,  an  einzelnen  Sätzen  des 
Buches  Kritik  zu  üben,  der  hat  reichliche  Gelegenheit.  Denn  der  Phan- 
tasiereichtum und  die  souveräne  Beherrschung  des  Wortes  reifsen  den  Verf. 
nicht  selten  zu  Übertreibungen  und  halbwahren  Sätzen  hin,  wo  die  sprachliche 
Pointe  der  Vater  des  Gedankens  war,  oder  wo  ein  gewisses  saloppes  Sich- 
gehenlassen auf  scharfen  Gedankenausdruck  überhaupt  verzichtet,  oder  wo 
er  einen  witzigen  Einfall,  wie  sie  ihm  in  Menge  zuströmen,  nicht  unter- 
drückt. Im  ganzen  darf  man  wohl  annehmen,  dafs  auch  nach  M.s  Ver- 
nichtung der  Grammatik  und  Logik  kein  Grammatiker  und  kein  Logiker 
seine  Disziplin  als  beseitigt  oder  auch  nur  als  noch  mehr  entwertet  an- 
sehen wird,  als  sie  es  bisher  schon  waren.  Aber  niemand  wird  ohne  die 
mannigfaltigste  Anregung  die  Bände  M.s  aus  der  Hand  legen.  Er  reizt 
und  treibt  durch  seine  so  sieghaft  sich  geberdende  Skeptik,  alle  Fragen 


^ 


Neue  PhilologifNBhe  Bandscban  Sr.  25.  589 

und  Probleme  wieder  und  wieder  zu  prQfen,  und  doch  wird  er  in  den 
Grundgedanken',  von  denen  er  anseht,  und  in  den  Hauptzielen,  denen  er 
zustrebt,  schwerlich  nachhaltigen  Beifall  finden.  Wenn  er  z.  B.,  das 
letzte  Ergebnis  seiner  Arbeit  andeutend,  sagt,  die  Philosophie  gelange  nur 
bis  zum  Atheismus,  erst  die  Sprachkritik  führe  die  völlige  Befreiung 
vom  Beligionsbegriff  überhaupt  herbei,  so  scheint  uns  dies  gerade  bei 
den  Ergebnissen  der  M.scheu  Sprachkritik  ein  gründlicher  Irrtum.  Seine 
Weltanschauung  müfste  konsequenterweise  zu  pessimistischem  Quietismus 
oder  zu  blofsem  Sinnengenufs  als  letztem  Ziel  des  Lebens  führen,  und 
Nationen  mit  seinen  Anschauungen  wären  völliger  Dekadenz  verfallen, 
sterbende  Nationen.  Dem  gesunden  Menschen  und  Volk  genfigt  eben  die 
blofse  Negation  nicht,  und  sei  sie  noch  so  geistreich  „ bewiesen '^  Sie 
werden  doch,  unbekümmert  um  den  Vorhalt  anthropomorphistischer  Denk- 
weise, nach  dem  Endzweck  des  ganzen  Treibens  fragen,  sie  werden  doch 
in  der  Entwickelung  des  Lebensprozesses  vom  Protisten  bis  zu  unserer 
Kultur  in  Wissenschaft  und  Kunst,  Religion  und  Ethik  nicht  ein  Spiel 
des  Zufalls  auf  dem  verlorenen  Posten  eines  einzigen  kleinen  Planeten 
sehen,  sondern  etwa  im  Sinne  B.  Euckens  ein  Hineinwachsen  des  Organi- 
schen in  immer  höhere  Daseinsformen,  und  werden  gerade  aus  dem  M.schen 
Jammertal  des  Daseins  heraus  erst  recht  im  Olauben  zu  erfassen  und  zu 
erleben  suchen,  was  das  blofse  Denken  nicht  zu  bieten  vermag.  Und  nur 
auf  dieser  Basis  werden  sie  die  Menschheit  auch  fernerhin  zu  höheren 
Daseinsformen  führen,  während  der  Glaube  an  Mauthner  nur  zu  Stillstand 
der  Entwickelung  und  zum  Untergang  zu  führen  vermöchte.  Die  ernsten 
Töne  der  Entsagung,  die  M.  kurz  vor  Schlufs  des  ganzen  Werkes  vorüber- 
gehend anschlägt,  kann  man  nach  allem  Vorausgehenden  kaum  mehr  als 
echt  empfinden,  man  glaubt  vielmehr  hinter  ihnen  ein  „leises  Kichern'^ 
zu  vernehmen,  wie  es  M.  selbst  zu  vernehmen  glaubt,  wenn  er  das  Wort 
Tugend  hört. 

Lörrach.  J.  Keller. 

305)  Ciirtiu8-v.  Harteli  Griechische  Schulgrammatik.  24.  Aufl. 

bearbeitet  von  Fl.  Weigel.    Wien,  F.  Tempsky,  1902.    IV  u. 

310  S.  8.  geb.  M  3. 10. 

Die  meisten  Herausgeber  von  griechischen  Schulgrammatiken  in  den 

letzten  Jahren  gingen  darauf  aus,  in  ihren  Bflchern  den  Schfilern  nur  den 

f&r  sie  notwendigen  Lernstoff  zu  bieten;  ja,  es  fehlte  sogar  nicht  an  sol- 


690  Nene  ^hikkgiMlia  SaadMluni  Nr.  85. 


chen,  die  hierin  entschieden  zu  weit  gingen.  Fl.  Weigel,  der  die  neue 
Auflage  der  Cortius-Hartelschen  Scholgrammatik  bearbeitete,  gdiGrt  mcät 
zu  diesen;  er  bescbrtlukt  sich  nicht  auf  den  Lernstoff,  sondern  fOgt  auch 
bei,  was  zu  dessen  Yerstftndnis  und  ErUftrung  nfttig  ist.  So  kommt  es, 
dafs  das  Buch  in  seiner  Bearbeitung  SIC  Seiten  bat,  während  die  von 
B.  Meister  besorgte  23.  Auflage  nur  266  Seiten  aufwies. 

Wer  die  griechischen  Formen  verstehen  will,  mu&  mit  den  Ergeb- 
nissen der  Sprachwissensdiaft  vertraut  sein,  und  deehalb  baute  Gurtius 
seine  Gnumnatik  auf  dieser  Grundlage  auf.  Der  neue  Heraufig.  hat  diesen 
Teil  der  Grammatik  einer  grfindlichen  Durchsieht  unterzogen  und  tuiA 
dem  jetzigen  Stand  der  Forschung  berichtigt  und  ergänzt  Dies  gilt  nidit 
nur  von  einzelnen  Erklärungen,  die  da  und  dort  eingestreut  sind,  sondern 
v<Mr  allem  von  der  Eisatzdehnung,  der  Stammabstnfung  und  der  damit  m 
Verbindung  stehenden  Vokalentwickelnng  aus  den  Liquida.  Allerdings 
hätte  der  Verf.  dabei  nicht  ibersehen  sollen,  dafs  der  Periode  der  Ersatz- 
dehnung  eine  solche  ohne  Ersatzdehnung  vorherging,  der  oalni^f»  is  usw. 
angehfiren.  Auch  erscheint  es  als  unhaltbar,  die  stacken  Stämme  als  die 
uTBprflngliohen  hinsustellen ,  aus  denen  sich  die  schwadien  entwickelten. 
Die  Item  T^aKoaT6g  zeigt  nicht  Unterlassung  der  EfBatzdehnung ,  wie 
der  Verf.  meint,  der  sie  auf  TQiaMn-tog  zurBckffthrt,  sondern  Vokal- 
entwickelnng aus  der  Idquida;  denn  Tfiayunnög  steht  infolge  der  Ein- 
wirkung der  Formen  auf  xavta  fflr  vniaycatJTdg  =  rfianuxt-vog,  vgl  bOoL 
ßinacTÖg  s=s  att  dnioatds. 

Neben  ier  wissenschaftlichen  Grundlage  hat  der  neue  Herauag.  audi 
der  Anordnung  in  der  Formenlehre  sowohl  als  in  der  Syntax  seine  Anf- 
merksamkeit  gewidmet.  Die  sogen,  att.  Deklination  ist  unter  die  ün- 
regelmäfsigkeiten  der  Deklination  eingereiht,  die  Bildung  des  Futurums 
ist  getrennt  von  der  des  Aorists  behandelt,  die  abweicheiide  Tempus- 
bildung  einiger  Verba  pura  ist  unter  die  ergänzenden  Bemerkungen  Aber 
die  Flexion  der  Verba  auf  to  verwiesen  und  ebenda  wird  auch  das  Fnt.  att. 
und  dor.  besprochen.  In  der  Syntax  ist  der  Abschnitt  fiber  die  Pronomina 
unmittelbar  hinter  die  Lehre  von  dem  Artikel,  die  Konsekutivsätze  sind 
gleich  nach  den  Kausalsätzen  und  die  Paragraphen  fiber  die  Modalpartikel 
Sv  und  die  Fragepartikeln  sind  in  das  Kapitel  von  den  Partikeln  gestellt 
worden.  Keine  Billigung  kann  es  finden,  daljs  die  Deklination  des  Kom- 
parativs ßiktliav  fidXviov  schon  in  §  57  gelehrt  wird,  während  die  Bildnng 
dieser  Kompai-ative  erst  in  §  60  folgt.    Möglich,  dafs  eich  der  Verf.  in 


"j 


Kira«  l^hiloIogiiolM  tNndaehMi  JSr.  9ft.  591 

einer  neuen  Anfkge  auch  noch  dazu  entecbliefet,  jede  Verbalklasee  (noa 
Goninracta,  contracta,  mnta,  Kquida)  besonders  fBr  sich  zu  befaandeb;  einen 
bedeutenden  Schritt  nach  dieser  Biobtong  hat  er  schon  gemacht,  und  TOin 
päAigogischen  Standpunkt  aus  wthrde  sieh  dies  sehr  empfehlen. 

Wie  in  der  Anlage,  so  zeigt  sich  auch  im  einzelnen  fiberall  die 
bessernde  Hand;  besonders  nimmt  man  diese  auch  in  den  Beispielen  zu 
den  Begeln  der  Syntax  wahr.  Um  so  auffiillender  ist  es,  dafs  als  Para- 
digma ffir  das  Verbum  wieder  ildw  erscheint,  das  B.  Meister  in  der 

23.  Auflage  dmrch  naiitAeiif  ersetzt  hat.  Manches  kann  auch  jetzt  noch 
yereinftcht  und  berichtigt  werden,  besonders  in  §  117,  der  ein  umfinip» 
reiches  Verbalverzeichnis  bringt  Die  Bemerkimg  in  §  182,  dafs  das 
Fut.  pass.  von  allen  diesen  Verben  nicht  gebräuchlich  sei,  ist  nur  dann 
zutrdTend,  wenn  noch  der  Zusatz  „in  der  klassischen  Sprache ^^  gemacht 
wird;  denn  im  Spätgriechisohen  findet  es  nch.  In  §160,2  ist  hlin:uv 
entbehrlich,  während  in  §  161  avlßv  fehlt;  in  §  164,  2  wäre  ein  Hin- 
weis auf  Bfidy,  crdy  iari  usw.  angebracht;  166,  3  sollte  das  poet  Jla/M- 
ßdpto  <re  vf}g  xu^  durch  Imftfldrta&ai  oder  imliMiiißAno^ai  aov  t^ 
X^iQ6g  ersetzt  sein ;  §  167  ist  das  seltene  und  auch  mit  dem  Akkus.  Tsrlrnndene 
iTngqfgoiNliv  zu  sireichen,  während  §  2S2  der  Genet.  des  substantivierten 
Infin.  zum  Ausdruck  des  Zweckes  nicht  hätte  gestrichen  werden  sollen. 

Im  ganzen  kann  man  die  neue  Bearbeitung  als  eine  wesentlich  ver- 
besserte aufs  beste  empfehlen.    Neben  ihr  gibt  es  aber  noch  eine  zweite 

24.  Auflage,  die  die  Jahreszahl  1903  trägt  und  infolge  engeren  Druckes 
und  oasnnigfacher  Efirzungen  nur  299  Seit^i  umfafst;  alle  in  dieset*  vor- 
genommenen Streichungen  und  sonstige  Änderungen,  wie  §  49,  2  die  Hin- 
zuflgnng  der  Worte  „durch  Ablaut",  sind  zu  billigen.  ß. 


306)  M.  AuHUS,  Coun   abrögi  de  la  littirature  franfaise 

depuis  Bon  origine  jnsqa'ä  noa  jours.     Ouvrage  r^dig^ 

d^apr^  Bougeanlt,  Paris,  Albert,  Demogeot    Treizi^me  Mitioo. 

Leipzig,  F.  A. Brockhaus,  1903.  X  u.  174S.  8.  ui  1.80;  fek  ^2.30. 

Wenn  Zahlen  wirklich  beweisen,  mftfste  eigentlidi  vorli^nder  Grund- 

rif^  der  französischen  Literaturgeschichte  etwas  ganz  Ausgezeichnetes  sein : 

hat  er  doch  schon  die  13.  Auflage  eriebt.    Da  es  sich  um  «n  Schulbuch 

hanJMt,  ist  natftrüch  ni<^t  blofs  ein  wissensehaftlii^r,  sondern  auch  ein 

pädagogisAer  Mafsstab  anzulegen,  und  man  versteht  deshalb,  wem  ein 

solcher  „Oours  abr^'^  wirklicfa  nur  das  Wesentliche  beritcksicht%t 


692  Kdne  Philologisohe  BandBohaTi  Kr.  25. 


und  vor  allem  das  ausscheidet,  was  jugendlichen  Lesern  und  Leserinnen 
aus  sittlichen  Gründen  vorenthalten  werden  mufs.  Nur  darf  bei  aller  Be- 
schränkung des  Stoffes  das  wissenschaftliche  Moment  nicht  aufser  acht 
gelassen  werden:  ein  „Abrifs*^  mufs  trotz  des  Fehlens  vieler  Einzelheiten 
immernoch  ein  richtiges  Oesamtbild  des  betreffenden  Gegenstandes  geben. 
Eine  Kollision  zwischen  pädi^ogischen  und  sachlichen  Bücksichten  dar 
also  auf  keinen  Fall  stattfinden.  Diese  Klippe  zu  vermeiden,  ist  dem  Ver- 
fasser (der  Verfasserin?)  nicht  gelungen.  Er  gibt  Bilder  aus  der  fran- 
zösischen Literatur,  aber  nicht  das,  was  er  im  Titel  verspricht.  Die  Dar- 
stellung der  altfranzösischen  Zeit  halte  ich  ffir  besonders  verzeichnet  und 
lückenhaft,  aber  auch  im  Mittelfranzösischen  fehlen  Namen  wie  Villen, 
Pathelin  und  d'Aubign^.  In  der  Behandlung  der  klassischen  Epoche  ver- 
misse ich  Gyrano  de  Bergerac  und  Perrault.  Aus  der  zweiten  Hälfte  des 
19.  Jahrh.  ist  manches  aus  Gründen  der  Sittlichkeit  fortgelassen.  Doch 
bin  ich  der  Ansicht,  dafs  Realismus  und  Naturalismus  auch  in  einer  Lite- 
raturgeschichte für  Schüler  und  Schülerinnen  höherer  Klassen  nicht  fehlen 
dürfen.  Eine  geschickte  Darstellung  dieser  bedeutungsvollen  Sichtungen  wird 
das  Seelenheil  der  jungen  Leser  nicht  gefährden.  Dafür  könnte  aus  dem 
19.  Jahrb.,  speziell  auf  den  S.  147 — 164  mancherlei  Oberflüssiges  fort- 
bleiben. Um  nun  aber  von  dem,  was  nicht  vorhanden  ist,  auch  auf 
das  zu  kommen,  was  den  Inhalt  des  Buches  tatsächlich  ausmacht,  so  er- 
kenne ich  an,  dafs  die  Darstellung  der  vom  Verf.  behandelten  Partien  der 
französischen  Literaturgeschichte  sich  recht  glatt  liest  und  in  sehr  ver- 
ständiger Weise  den  richtigen  Ton  zu  treffen  weifs.  In  dieser  Bichtung 
kann  ich  also  dem  Buch  durchaus  weitere  Verbreitung  wünschen.  Die 
oben  gekennzeichneten  Mängel  zu  beseitigen,  wird  unter  Zuhilfenahme 
der  vorzüglichen  neueren  Fachliteratur  auch  nicht  schwer  fallen. 

Peine.  Carl  Frlesla&d. 

307)  H.  Bogttive,  Französiscli-deutsclieB  und  deutsch-firan- 
zösisohes  Taschenwörterbucli.    Leipzig,  Otto  Holtzes  Nach- 
folger, 1903.    I.  Francais-allemand,  448  S.  8.    II.  Deutsch-fran- 
zösisch, 484  S.  8.  Zosammen  geb.  Ji  3.  75. 
In  handlicher  Form  bietet  hier  die  durch  ihre  zahlreichen  Wörter- 
bücher bekannte  Verlagsbuchhandlung  ein  französisch-deutsches  und  deutsch- 
französisches Wörterbuch,  das  infolge  eines  einfachen  Abkürzungssystems 
auf  engem  Baume  eine  Fülle  von  Wörtern  und  Bedeutungen  vereinigt. 


■^ 


Nene  Philologiaehe  BmdacluMi  Nr.  26. b&B 

Auch  die  wichtigsten  Wendungen  sind  mit  aufgencnmnen,  and  in  beson- 
deren Listen  sind  die  unregelmäTsigen  französischen  und  deutschen  Yerbal- 
formen  sowie  die  wichtigeren  Abweichungen  der  beiden  Sprachen  in 
Personennamen  und  geographischen  Namen  aufgefflhrt.  Auf  Aussprache- 
bezeichnung ist  dagegen  verzichtet.  Trotz  des  gedrängten  Druckes  ist 
der  Satz  klar  und  deutlich,  die  Ausstattung  ganz  auf  der  Höhe.  Zum 
Nachschlagen  bei  der  LektOre  von  Zeitungen  und  Bomanen  kann  das  auch 
im  Format  bequeme  Werk  gute  Dienste  leisten. 

Bremen.  W.  BShrt. 

308)  J.  B.  Feten,  XateriaUen  zum  Übenetien  ans  dem 
Deutsehen  ins  FraniöeiBohe.  Ffir  Oberklassen  höherer 
Lehranstalten.  3.  Auflage.  Leipzig,  August  Neumanns  Verlag 
(Fr.  Lncas),  1903.  VII  u.  128  S.  8. 
Ich  freue  mich,  die  dritte  Auflage  des  empfehlenswerten  Buches  hier 
anzeigen  zu  können.  Waren  die  „Mat^alien^^  ursprfinglich  in  erster  Linie 
fBr  Klassenarbeiten  bestimmt,  so  haben  sie  in  der  Praxis  doch  vorzugsweise 
als  Übersetzungsübungen  Verwendung  gefunden,  und  dem  hat  derJVerf. 
schon  in  der  zweiten  Auflage  Rechnung  getragen.  Die  jetzt^  vorliegende 
dritte  Auflage  enthält  70  Nummern  und  gibt  damit  eine  Beihe  von  ge- 
schichtlichen, literarhistorischen,  geographischen  uud  naturwissenschaftlichen 
Texten,  denen  sich  einige  allgemeinere  Themata,  eine  Inhaltsangabe  der 
Gonfessions  d'un  ouvrier  (Souvestre)  und  9  Briefe  anschliefsen.  Die  Stöcke 
sind  vorzflglich  gewählt  und  verarbeitet,  unter  jedem  Abschnitt  gibt  der 
Verf.  die  nötigen  Vokabeln  und  Ausdrücke  und  weist  auf  die  Synonyma 
hin,  die  bei  der  Übersetzung  in  Frage  kommen.  Es  war  mir  eine  rechte 
Freude,  mich  in  die  deutschen  Texte  zu  vertiefen  und  mir  dabei  die  Vor- 
teile zu  vergegenwärtigen,  die  unsere  Schüler  von  einer  gründlichen  Durch- 
arbeitung der  ihrem  Gesichtskreis  durchaus  angepafsten  Stücke  haben 
müssen.  Ich  begrfifse  das  Buch  aber  mit  ganz  besonderer  Genugtuung, 
weil  es  die  Schüler  zu  ernstem  Arbeiten  und  scharfem  Denken  zwingt 
und  durch  seine  Existenz  allein  schon  beweist,  dafs  Übersetzungen  in  die 
fremde  Sprache  glücklicherweise  noch  lange  kein  überwundener  Standpunkt 
sind.  Wenn  in  der  hoffentlich  recht  bald  notwendig  werdenden  vierten 
Auf  hge  an  einzelnen  wenigen  Stellen  der  Tempuswechsel  vermieden  wird, 
gibt  mir  das  Buch  zu  Ausstellungen  überhaupt  keinen  Anlafs  mehr. 
Nauen.  Frlea. 


594  Neae  Philologische  Rundschau  Nr.  25. 

309)   Friedrich    Theodor   Vischer,    Shakespeare -Vortrage. 

Ffinfter  Band:  Heinrich  VI.  Blchard  IIL  Heinrich  VIII. 
Stattgart  und  Berlin,  J.  G.  Cottasche  Buchhandlung  Nachfolger, 
1903.    Xn  u.  404  S.  8.  Ji  8.-^. 

Im  vorliegenden  Bande  wird  die  glänzende  Charakteristik  und  Er- 
klärung der  Eönigsdramen ,  die  im  vierten  Bande  begonnen  wurde  (siehe 
diese  Zeitschr.  1902,  S.  259 ff.)«  ebenso  vorzüglich  weiter  und  zu  Ende 
geführt.  Den  Höhepunkt  des  Buches,  zugleich  einen  der  hervorragendsten 
Abschnitte  der  ganzen  trefflichen  Beihe  bilden  die  Ausführungen  über 
Richard  IIL  Nach  einer  kurzen  Einleitung,  die  vor  allem  der  histori- 
schen und  literargeschichtlicben  Einordnung  des  Stückes  in  den  ganzen 
Zyklus  gewidmet  ist,  folgt  eine  vollständige  Übersetzung,  die  wieder  viel 
Eigenes  von  Yischer  enthält,  und  dann  kommen  die  Erläuterungen,  die 
ich  schlechthin  als  die  beste  der  mir  bekannten  Erklärungen  der  viel- 
umstrittenen Tragödie  bezeichnen  möchte.  Die  Feinheit  und  Schärfe  der 
psychologischen  Betrachtung  dieses  blutgierigsten  und  vollkommensten 
Bösewichts  ist  ganz  ausgezeichnet.  Ihr  gröfster  Vorzug  beruht  darin,  dab 
sie  uns  den  Mann  überhaupt  erklärlich  erscheinen  läfst,  dafs  sie  ihn  und 
seine  Laster  und  Verbrechen  historisch  und  seelisch  begründet;  sie  macht 
ihn  uns  so,  wie  er  ist,  in  höchstem  Grade  wahrscheinlich,  sie  erweist  ihn 
uns  als  eine  natürliche,  ja  notwendige  Gestalt  und  zwingt  uns,  ihm  eben 
deswegen  auch  noch  unser  Mitgefühl  angedeihen  zu  lassen,  weil  wir  ihn 
begreifen  können.  Wie  bei  der  Hamleterklärung  im  ersten  Bande  halte  ich 
es  auch  bei  diesem  Meisterstücke  nicht  für  angebracht,  Vischers  Gedanken- 
gängen und  Darlegungen  hier  in  Kürze  nachzugehen.  Dabei  würden  sie 
nur  verlieren,  sie  müssen  selbst  gelesen  werden.  —  Nicht  minder  an- 
ziehend und  treffend  wie  der  Hauptheld  sind  auch  die  Nebengestalten, 
seine  Opfer  und  seine  Kreaturen,  gezeichnet.  Man  lese  nur  etwa  die  Aus- 
führungen über  Bichards  Werbung  um  Anna  oder  über  seine  Seelenqualen 
vor  dem  Hereinbrechen  der  Katastrophe!  Am  Schlüsse  der  Einzel- 
erläuterung erhalten  wir  dann  noch  einen  eben  wegen  seiner  Kürze  wert- 
vollen zusammenfassenden  Bückblick  über  diese  „Tragödie  der  Angst,  der 
Klage  und  allgemeinen  Sichverfluchens^S  in  dem  auch  ihre  Mängel,  vor 
allem  ihre  Mafslosigkeit,  natürlich  nicht  verschwiegen  werden. 

Weniger  eingehend  als  dieses  Stück  ist  das  sachlich  ?rie  dichterisch 
viel  tiefer  stehende  Expositionsdrama  dazu,  die  drei  Teile  Heinrichs  VL, 
behandelt.  Schon  äufserlicb  ist  das  Verfahren  anders.  Vischer  zerlegt  das 


^ 


Neue  Philologische  Bandechaa  Nr.  25.  595 

ausgedehnte  Werk  immer  in  kurze  Abschnitte,  die  auch  nicht  vollständig  in 
der  Übei'setzung  vorgefahrt  werden,  und  knfipft  daran  anmittelbar  seine 
Erläuterungen  an.  Auch  hier  ist  sein  Geschick  und  die  Eigenart  seiner 
Behandlung  immer  bewundernswert,  aber  es  liegt  in  der  Natur  der  Sache, 
dafs  man  ihm  hier  nicht  ganz  so  gespannt  folgt  wie  bei  den  grofsen 
Meisterwerken  des  Dichters.  Wer  sich  aber  gründlich  in  das  Verständnis 
der  Königsdramen  und  insbesondere  Richards  III.  einfuhren  lassen  will, 
dem  kann  das  Studium  auch  dieses  Teiles  der  „Vorträge  ^^  nicht  dringend 
genug  empfohlen  werden. 

Ganz  kurz  (S.  349—373)  ist  dann  die  Besprechung  des  Schluä- 
stfickes  von  Shakespeares  gewaltigem  Geschichts-  und  Eulturbild,  von 
Heinrich  VIII.,  der  aber  auch,  allerdings  ohne  näheres  Eingehen  auf  die 
Verfasserfrage,  trefiend  charakterisiert  ist  Einige  der  poetisch  wirklich 
wertvollen  Stellen  sind  heraucgegriffen  und  noch  besonders  mit  kurzen 
Erläuterungen  versehen. 

Den  Schlufs  des  Bandes  bilden  noch  einige  Nachträge  zum  vierten 
Bande,  Anmerkungen  in  der  schon  von  frflher  bekannten  knappen  Art 
zum  ffinften  und  endlich  eine  genaue,  zahlenmäfsige  Übersicht  über  Vischers 
Anteil  an  den  Übersetzungen  im  vierten  und  fünften  Bande,  der  doch  noch 
erheblich  gröfser  ist  als  der  Herausg.  selbst  anfangs  vermutet  hatte.  — 
Mit  Spannung  sehen  wir  dem  Schlufsbande  des  trefflichen  Werkes  ent- 
gegen, der  die  BSmerdramen  und  ein  Gesamtinhaltsverzeichnis  bringen  soll. 

Breslau.  Herauum  Jantzen« 

310)  Hartin  Wolf,  Walter  Scotts  Eenflworth.     Eine  Unter- 
suchung  über  sein   Verhältnis  zur  Geschichte  und  zu   seinen 
Quellen.     (Diss.   Wfirzburg   1902.)     Leipzig,   G.  Fock,   1903. 
77  S.  8. 
Die  literarische  Verwendung  der  Amy-Bobsart-Legende  findet  sich  bis  in 
unsere  Tage.  Es  ist  ein  Verdienst  der  vorliegenden  Arbeit,  auf  das  Interesse, 
das  der  Stoff  verdient,  neuerdings  hingewiesen  zu  haben.    Dieses  Interesse 
ist  nicht  nur  ein  literarisches  oder  historisches,  sondern  ein  aUgemeines. 
Es  ist  jedoch  zu  loben ,  dafs  sich  der  Verf.  gerade  nur  auf  die  Scottsche 
Bearbeitung  beschränkt  bat;  seine  Darstellung  ist  dadurch  für  den  Literar- 
historiker und  den  Historiker  gleich  wertvoll  geworden.    Vor  allem  ist 
der  geführte  Nachweis   über  die  Art  des  Scottschen  Schaffens  für  die 
ästhetische  und  literarhistorische  Beurteilung  aller  Waverley  Novels  von 


696 Nwe  Phüdogiaclw  Rondacban  Nr.  25. 

aoTserordentlicheiii  Werte.  Es  liefe  sidi  dieser  Nachweis  zweifelsohne  an 
einem  einzigen  Romane  exakter  führen,  als  wenn  die  ganze  Beihe  der 
Waverley  Novels  oder  eine  Anzahl  von  ihnen  znr  Statniemng  des  Exempels 
herangezogen  worden  wären.  Das  Verdienst  der  Arbeit  wird  gehoben  dnrch 
eine  festgefügte,  (ibersichtliche  Darstellnng,  die  zwar  nicht  vers&nmt  auf 
abseits  liegende  Ziele  hinzuweisen,  sich  je  doch  nicht  anf  ablenkende 
Nebenwege  fahren  Iftfst 

Die  Tatsache,  dafs  Scott  gewohnt  war,  seine  firzfthlang  auf  Grund 
irgend  welcher  Berichte  aufzubauen,  ist  ja  keinesw^  etwas  Neues.  Inter- 
essant ist  es  nur,  an  dem  bestimmten  Beispiel  des  Eenilworth  zu  sehen, 
wie  weit  diese  Anlehnung  ging  und  wie  weit  der  Dichter  sich  Freiheiten 
erlaubte;  femer  ist  wichtig  der  neugeffihrte  Nachweis,  dafs  üngenanig- 
keiten  in  bezug  auf  historische  Daten  nicht  immer  Scott,  sondern  hSnfig 
seinen  ungenauen  Quellen  zuzuschreiben  sind.  Diese  üngenauigkeiten  be- 
treffen nicht  nur  Jahreszahlen,  sie  finden  sich  selbstverständlich  noch 
häufiger  bei  der  Konzeption  der  einzelnen  Gestalten. 

In  Eenilworth  stimmt,  wie  wir  erfahren,  nicht  eine  Jahreszahl;  nicht 
eine  der  Gestalten  ist  vollständig  und  enganschliefsend  auf  Grund  der 
Überlieferung  konzipiert. 

Es  ist  alles  umgestürzt  Immer  von  neuem  zu  bewundem  ist  dabei 
welch  grofsartige  Bekonstraktion  aus  den  Buinen  hervorgegangen  ist,  eine 
Bekonstraktion,  die  in  wunderbarster  Weise  den  Schein  des  Altertfimlichen 
erweckt.  Darin  liegt  ja  die  grofse  ästhetische  Kraft  der  Scottschen  Er- 
zählungen, die  sie  veralten  nicht  liefsen  bis  auf  den  heutigen  Tag.  Bei 
Kenilworth  kommt  noch  dazu  die  Macht  des  Stoffes,  der  so  allgemein 
menschlich,  allgemein  gfiltig,  ewig  neu  ist 

Solche  Kraft  wie  Scott,  Altes  neu  zu  bauen,  hat  keiner  vor  ihm, 
keiner  nach  ihm  gezeigt. 

Inzwischen  ist  aber  der  historische  Boman  durch  den  ästhetischen 
Bealismus  auf  ganz  andere  Wege  gefährt  worden.  Durch  Wolfe  Arbeit 
aber  wird  die  Frage  angeregt,  wo  der  gröfsere  ästhetische  Wert  liege,  beim 
historischen  Boman  Scottscher  Schule  oder  beim  realistisch -historischen 
Boman  neuen  Stils. 

Der  Arbeit  Wolfs  kann  somit  ein  doppeltes  Verdienst  zugewiesen  werden. 
Sie  ist  eine  gute  literarhistorische  Leistung  und  sie  gibt  Anregung  nach 
vielen  Seiten  hin.  Beides  hat  sie  mit  wenig  Diss.  gemein,  mit  vielen 
gemein  aber  hat  sie  den  Mangel  an  eigenem  Text    Es  hätte  nidit  ge- 


'> 


Mene  ttülologigche  ttündBchati  Nr.  26. 6»? 

schadet,  wenn  Zitate  fiber  Anthony  Fester,  Alasco  u.  a.  (S.  42  ff.)  gekfirat 
worden  wären  nnd  wenn  das  Schlnfsergebnis  etwas  mehr  eigenen  Text 
daffir  gezeigt  hätte.  Es  handelt  sich  ja  nicht  darum  durch  eine  Diss.  nach- 
zuweisen, dafs  der  Verf.  mehr  oder  minder  geschickt  zu  zitieren  versteht, 
sondern  darum,  dafs  er  ein  eigenes  Urteil,  ein  Resultat  aus  seinen  For- 
schungen bieten  kann. 

Dresden-Loschwitz.  L.  RoeieL 

31t)  Nonnan  Smith,  Studies  in  fhe  Cartesian  Fhilosophy. 

London,  Macmillan  &  Co.    New  Tork,  The  Macmillan  Company. 
1902.     XIY  U.  276  S.  8.  geb.  5  s.  net 

Die  vorliegenden  Studien  haben  den  Zweck,  nachzuweisen,  dala  Des- 
cartes,  der  für  die  Naturwissenschaften  im  grofsen  und  ganzen  schon  die 
Methoden  und  Ideale  der  modernen  Forschung  richtig  erfa&t  hat,  auf  dem 
Gebiete  der  Metaphysik  noch  fast  gänzlich  im  Banne  der  Schohstik  steht 
Norman  Smith  untersucht  zuerst  die  metaphysischen  Grundsätze  des  Philo- 
sophen, wie  sie  sich  aus  seinen  eigenen  Schriften  ergeben,  und  beschäftigt 
sich  sodann  mit  der  Frage,  wie  weit  dieselben  das  Denken  seiner  Nach- 
folger beeinflulBt  haben,  und  welche  Folgerungen  sich  fiberhaupt  aus  den- 
selben ergeben.  Die  Abhandlung  zerfällt  dementsprechend  in  folgende 
Abschnitte:  1.  The  Problem  of  Descartes.  2.  His  Method.  3.  His  Meta- 
phyeics.  4.  The  Cartesian  Principles  in  Spinoza  aind  Leibniz.  5.  The 
G.  P.  in  Locke.  6.  Hume*s  Griticism  of  the  G.  P.  7.  The  Transition 
to  Eant.  —  Leider  können  wir  hier  auf  die  tfichtige  und  interessante  Arbeit 
nicht  näher  eingehen;  wir  wollen  aber  nicht  versäumen,  das  Studium 
derselben  allen  denen,  die  sich  mit  Descartes  beschäftigen,  nahezulegen.     P. 


312)  J.  J.  Sauer,  SpecimenB  of  Commerdal  CorreBpondeiioe 

coUected  (by  J.  J.  S.).    Wien,   Alfred  Holder,   1903.    XI  u. 

396  p.  8.  Prioe,  stitched  4  k.  40  h.;  bound  5  k. 

Auf  etwa  370  S.  hat  der  Verf.  274  Briefe  zum  Abdruck  gebracht, 
welche  die  verschiedenen  Geschäftsfälle  behandeln  und  ihm  von  englischen 
sowie  festländischen  Firmen  zur  Verffigung  gestellt  worden  sind.  Nach 
Möglichkeit  hat  er  gesucht,  etwas  Zusammenhängendes  und  in  sich  Ab- 
geschlossenes zu  bieten.  Er  führt,  soweit  es  geht,  die  einzelnen  Ge- 
schäftsfiOle  durch.  Da  manche  Firmen  ihm  nur  die  von  ihnen  aus- 
gehenden Briefe  zur  Benutzung  fiberlaBsen  haben,  die  Gegenschreiben  ihrer 


Neae  Philologisehe  Randflchau  Nr.  26. 


Geschfiftsfreonde  aber  nicht  aus  der  Hand  geben  zu  dfirfen  glaubten,  so 
entstanden  Lücken,  die  darch  Übungen  mit  kurzen  Angaben  ansgefUlt 
sind.  Durch  den  Grundsatz,  die  Geschäftsfälle  möglichst  durchzufahren, 
ist  die  Anordnung  des  Stoffes  beeinflufst  und  weicht  von  der  meist  üblichen 
ab.  Vorweggenommen  ist  der  Abschnitt  über  die  Bezahlung  (Schecks, 
Wechsel  und  das  damit  verbundene  Bankgeschäft.)  Dann  kommen  die 
Aufträge  (Angebot,  Anfrage,  Bestellung),  ferner  Beschwerde-  und  Mahn- 
briefe, Erkundigungen  und  Auskunftserteilungen  sowie  Empfehlungs- 
schreiben und  Stellenbewerbungen.  Weitere  Kapitel  behandeln  den  Ver- 
sand, die  Seeversichenmg  und  das  Kommissionsgeschäft.  Daran  schliefsen 
sich  Briefe  über  Börsengeschäfte  und  einige  Rundschreiben.  Den  Schlufs 
bilden  ein  Verzeichnis  der  englischen  Mafse,  Gewichte  und  Münzen  sowie 
der  gebräuchlichsten  Abkürzungen  und  eine  Beihe  von  Geschäftsformularen. 
Die  Angaben  zu  den  Übungen  ?rie  auch  die  allgemeinen  Bemerkungen  zu 
Anfang  einiger  Kapitel  sind  englisch  abgefafst.  Für  solche  Handels- 
schulen, die  mehr  als  ein  Jahr  auf  die  englische  Handelskorrespondenz 
verwenden  können,  ?rird  sich  das  Buch  als  ein  recht  brauchbares  Hilfs- 
mittel beim  Unterricht  erweisen.  Für  sie  ist  auch  wohl  der  Lehrstoff  so 
reichlich  bemessen. 

Bochum.  Hl.  Steffen. 

313)  Ernst  Begel,  Oesemits-Begel.  Englische  Sprachlehre.  Aus- 
gabe B.  Oberstufe  für  Knabenschulen.  2.  Aufl.  Halle,  H.  Gesenius, 
1903.  Vm  u.  258  S.  8. 
Durch  die  neuen  Lehrpläne  von  1901  hat  sich  Begel  genötigt  gesehen, 
die  Oberstufe  B  seines  Lehrbuches  umzugestalten.  Zunächst  wurde  sie  in 
eine  Ausgabe  für  Knaben  und  eine  für  Mädchen  getrennt  und  die  Lese- 
und  Übungsstoffe  in  jedem  der  beiden  Bücher  ihrer  Bestimmung  ent- 
sprechend eingerichtet,  eine  Änderung,  die  gewifs  allseitig  als  zweck- 
mäfsig  begrüfst  werden  wird.  Als  ebenso  praktisch  wird  von  vielen  an- 
erkannt werden,  dafs  der  Verf.  der  Grammatik  insofern  wieder  zu  ihrem 
guten  Becht  verhelfen  hat,  als  er  sie  systematisch  und  nicht  mehr  wie 
früher  eklektisch  betreibt.  Auch  in  einem  anderen  Punkte  ist  er  zu 
älterer  Praxis  zurückgekehrt,  nämlich  zu  den  verpönten  Einzelsätzen.  Zu 
viel  davon  wäre  allerdings  auch  meiner  Ansicht  nach  vom  Übel,  aber 
ganz  zu  entbehren  sind  sie  nicht,  wenn  anders  man  rasch  zum  Ziele 
kommen  und  auf  die  Dauer  einüben  will.    Das  Material  an  deutschen 


Kene  PhilologiBche  Bundschan  Nr.  25.  599 

Einzelsätzen,  die  man  wobl  als  ein  notwendiges  Übel  bezeichnen  kann, 
scheint  freilich  etwas  grofs,  ist  aber  wohl  wegen  der  Bemanenten  auf 
zwei  Jahre  berechnet.  Die  Auswahl  der  Stoffe  fQr  die  Übnngsstficke  ist 
sehr  umsichtig  getroffen,  da  nicht  nur  die  englischen,  sondern  auch  die 
deutschen  Stücke  englische  Verhältnisse  betreffen. 

Dafs  der  Verf.  vier  Hölzelbilder  seinem  Lehrbuch  einverleibt  hat, 
mag  vielleicht  nicht  nach  aller  Geschmack  sein.  Doch  scheint  es,  dafs 
er  sie  in  mafsvoUer  Weise  verwendet  wissen  will,  und  die  Notwendigkeit, 
die  Bearbeitung  der  übrigen  Stoffe  nicht  zu  vernachlässigen,  sorgt  ja  schon 
für  eine  Vermeidung  des  Zuviel  nach  dieser  Seite  hin. 

In  Summa  halten  wir  diese  Neubearbeitung  des  Gesenius-Begel  für 
eine  sehr  glückliche  und  glauben,  daß  das  Lehrbuch  damit  seine  endgültige 
Gestalt  erhalten  hat. 

Dessau.  


314)  Alfred  Jeremias,  Im  Kampfe  um  Babel  und  BibeL 

Leipzig,  J.  C.  Hinrichs,  1903.    38  S.  8.  geh.  Ji  -.80. 

Die  vorliegende  Schrift  wendet  sich  hauptsächlich  gegen  eine  Beihe 
von  Lrtümern  und  schiefen  Auffassungen,  welche  sich  in  Eduard  Kö- 
nigs „Bibel  und  BabeP*  und  in  der  von  demselben  Gelehrten  veröffent- 
lichten Schrift  „Babyloniens  Kultur  und  die  Weltgeschichte^*  nachweisen 
lassen.  Jeremias  verteidigt  mit  guten  Gründen  die  neuerdings  namentlich 
von  Fr.  Delitzsch  und  H.  Winckler  vertretene  Ansicht,  dafs  die 
israelitische  Kultur  im  ausgedehntesten  Mafse  durch  die  babylonisch- 
assyrische beeinflufst  worden  sei.  Andererseits  teilt  er  durchaus  Königs 
positiv-kirchlichen  Standpunkt,  der  die  höhere  Gottesauffassnng  des  alten 
Testamentes  als  das  Ergebnis  einer  direkten  Offenbarung  ansieht.  Soweit 
dieser  Standpunkt  nicht  in  Frage  kommt,  urteilt  Jeremias,  der  eine  sehr 
gründliche  Kenntnis  des  babylonisch -assyrischen  Altertums  an  den  Tag 
legt,  mit  grofser  Klarheit  und  Objektivität.  Und  unter  den  augenblick- 
lichen Verhältnissen  ist  gerade  der  Umstand  mit  besonderer  Befriedigung 
zu  begrüfsen,  dafs  Königs  Polemik  aus  dem  Lager  der  positiven  Theo- 
logie eine  Entgegnung  gefunden  hat. 


600  Meu  ^bilologiMha  fioadidum  Kr.  26. 


^ 


Vakanzen. 

Bautzen,  Handelsschale.  ZweiObL  1)  Frz.  u.  Deutsch,  2)  Gesch.  n.  Deutsch. 

Stadtrat. 
Chemnitz«  BG.  L.,  N.  Spr.    Bfirgermeister  Oerher. 
Essen,  HMS.  u.  Ln.  S.   Obl.   Lat  u.  Frz.    Dir.  Dr.  Fröchtling. 
Flensburg,  OB.   Obl.   Deutsch  u.  Gesch.    Dir.  Dr.  Flebbe. 
Gr.  Llehterfelde,  OB.  Hilbl.  Bei.,  Deutsch  u.  Gesch.   Kuratorium. 
Heide,  BS.   Obl.   Deutsch,  Gesch.  u.  Frz.    Kuratorium. 
Itzehoe,  HMS.  Zwei  Obl.  1)  BeL  u.  Deutsch.,  2)  N.  Spr.    Dir.  Koehler. 

—      BS.  u.  BefEQ.   Zwei  Obl.   1)  Spr.,  2)  Nat.    Kuratorium. 
Lfibeek,  Katharineum.   Hilfsl.   Klass.  Phil.    Dir.  Schubring. 
Wittenberge,  BS.   Obl.  Bei.  u.  Deutsch.    Magistrat. 
Zoppot^  Vvg.  Obl.   Deutsch,  Gesch.  u.  Frz.    I^istrat. 

Yerlag  Yon  Friedrieh  Andreas  Perthes,  Aktiengeseilscliaft,  Gotha« 


HilfslDuclileixi  für  den  lateinisclieii  Unterriclii 

ZusammengeBteUt  Yon 

Professor  Dr.  R.  Schnee. 

SiTster  Teil:  PfaxaaexiaasainlvLXig. 
Eingerichtet  zur  Aufnahme  von  weiteren  im  Unterrichte  gewonnenen  Aus- 
drücken und  Redensarten. 
Für  Quinta  bis  Prima. 
Preia:  Ji  1.  — . 

Zweiter  Teil:  Stiliatiaolia  RacalrL. 

Für  Seknsda  and  Priva. 

Preia:  Jt  —.80. 


FIRST  STEPS 
IN  ENGLISH  CONVERSATION. 

For  use  in  sohools. 

Ein  Hilfsbuch 

far  den  Gtebranch  des  Ei^liaehen  als  Untemehite- 
nnd  Sohnlyerkehriaprache. 

Auf  Grand  der  neuen  LelurpUne  toh  1901 

bearbeitet  von 

Dr.  phil.  et  jur.  fJL.  Thatnin, 

Oberlehrer  des  Kadettenkorps. 
Preis:  Ji  0.80. 

1^^  Zu  1)ezieheii  durch  alle  Buchhandlungen. 


Vtx  di«  BadftkÜOB  Tenatwortlieh  Dr.  E.  Lliwlf  in  Brtatl. 
Dniek  «nd  Ynlaf  ▼<«  Fritdrieh  ÄMix—M  P«rtkM.  AktitiiffMtllMhall,  OoilM. 


f^: 


GENERAL  LIBRARY, 

UNIV.  OF  MICH. 

JAN  141904 


Gotha,  26.  Bezember.  1fr.  26,  Jahrgang  1903. 

Neue 

PhilologischeRundschau 

Herausgegeben  Yon 

Dr.  C.  Wagener  und  Dr.  E.  Ludwig 

in  Bremen. 

Erscheint  alle  14  Tage.  —  Preis  fflr  den  Jahrgang  8  Mark. 

Bestellungen  nehmen  alle  ßachhandlnngen,  sowie  die  Postanstalten  des  In-  und  Auslandes  an. 

Insertionsgebflhr  fDr  die  einmal  gespaltene  Petitzeile  30  Pfg. 

Inhalt:  Bezensionen:  315)  L.  T rette r,  Xenophontis  Apologia  Socratis  (M.  Wiesen- 
thal) p.  601.  —  316)  W.  W.  Goodwin,  Demosthenes  on  the  crown  p.  602.  — 
317)  C.  de  Boor,  Excerpta  de  legationibns  (J.  Sitzler)  p.  603.  —  318)  Edwin 
W.  Pay,  Plauti  Mostellaria  (W.)  p.  604.  —  319)  F.  Thtimen,  Ciceronis  oratio 
pro  Sulla  (0.  Wackermann)  p.  605.  —  320)  RoyC.  Plickinger,  The  meaning 
of  inl  t^s  axrivijs  in  writers  of  the  fonrth  Century  (K.  Weifemann)  p.  605.  — 
321)  Joh.  Ero  mayer,  Antike  Schlachtfelder  in  Griechenland  (Aem.  Pintschovius) 
p.  607.  —  322)  0.  Bardenhewer,  Geschichte  der  altkirchlichen  Literatur 
(Eb.  Nestle)  p.  613.  —  323)  W.  Freund- H.  Deit er,  Wie  studiert  man  klas- 
sische Philologie  (M.  Hodermann)  p.  615.  —  324)  Toreau  de  Marney,  Gram- 
maire  fran9aise  id^ographique  (H.  Schmidt)  p.  615.  —  325)  Fr.  Lotsch  et 
E.  de  Sauzö,  Journal  des  demoiselles  (Bahrs)  p.  616.  —  326)  Fred.  Harrison, 
John  Ruskin  (F.  Wilkens)  p.  618.  —  327)  M.  Trautmann,  Bonner  Beiträge 
zur  Anglistik  (-tz-)  p.  619.  —  328)  Otto,  German  CouTersation - Grammar, 
revised  by  Fr.  Lange  (-i-)  p.  621.  —  329)  A.  Paz  y  M^lia,  Taschenwörterbuch 
der  spanischen  und  deutschen  Sprache  (W.  R5brs)  p.  622.  ~  330)  K.  Mark- 
B  c  h  ef  f  el ,  Der  Internationale  Schülerbriefwechsel  (K.  Engelke)  p.  623.  —  Vakanzen.  — 
Anzeigen. 

315)  L.  Tretter^  XenophontiB  quae  fertur  Apologia  Socratis. 

Becensnit  adparatu  critico  et  verborum  iudice  instruxit  (L.  T.). 

Dissertatio  e  programmate  Gymnasii  Graeciensis  seorsum  expressa, 

1903,  „Sumptibus  Gymnasii".    XIV  u.  14  S.  8. 

Dem  Herausg.  ist  es  ergangen  wie  allen,  die  sich  bei  Xenophon  mit 

Fragen  der  höheren  Kritik  beschäftigen;  er  vermifste  für  die  „Apologie" 

die  Grundlage  einer  kritischen  Ausgabe  und  hat  sich  darum  selbst  an  die 

Arbeit  gemacht.    Ein  Hauptverdienst  dabei  gebührt  H.  Scbenkl,  der  für 

den  Herausg.  die  drei  Handschriften  eingesehen  hat,  deren  Beschaffenheit 

die  Einleitung  anschaulich  macht.   Das  Ergebnis,  dafs  cod.  Tat.  gr.  1335  (B) 

allein  zugrunde  gelegt  werden  darf,  ist  unanfechtbar.   Im  apparatus  criticus 

ist,  wie  bei  solchen  Einzelarbeiten  üblich,  etwas  reichlich  Charta  consu- 

sumiert,  der  index  ist  sorgfältig.    Die  Arbeit  ist  also  ein  willkommener 


Nene  PhilologiiolM  Bnndtoliaii  Kr.  26. 


^ 


Beitrag  zar  Neafestsetzung  des  XenopboDtextes,  die  unter  Diels  Ägide 
die  Italiener  bei  Weidmann  in  Angriff  genommen  haben. 

Barmen.  Max  Wlei eallud. 


316)  W.  W.  Goodwin,  DemoiiheneB  on  the  crown  with  cri- 
tical  and  explanatory  notes  and  historioal  Sketches  ana  essays.  Cam- 
bridge, the  üniversity  press.  London,  J.  G.  Glay  &  Sons,  1901. 
X  n.  368  S.  8.  geb.  12  sh.  6. 

Vorliegende  schön  ausgestattete  Ausgabe  bietet  in  Text  und  Kom- 
mentar ein  reiches  Material,  besonders  in  historischer  Beziehung,  indem 
der  Herausgeber  die  Periode  von  dem  Heranrücken  Philipps  von  Make- 
donien bis  zur  Schlacht  Ton  Ghäronea  ausführlich  behandelt,  damit  Leben, 
Politik  und  die  einschlSgigen  Beden  des  Demosthenes  verbindend.  Dann 
folgen  „ essays^':  1)  eine  Inhaltsangabe  der  verschiedenen  Teile  der  Bede 
mit  Bemerkungen  fiber  das  §  120  und  121  erwähnte  Gesetz,  2)  eine  Dar- 
legung über  die  ygag^ij  naQccvöfifay  mit  interessanten  Beziehungen  auf 
ähnliche  Verhältnisse  moderner  Staaten,  3)  fiber  den  Prozefs  gegen  Etesi- 
phon,  4)  über  Äschines'  und  Pbilokrates*  Verhalten  beim  Abschluls  des 
Friedens  vom  Jahre  346,  5)  fiber  den  Amphiktyonenbund,  6)  fiber  Hero 
den  Physiker  und  Hero  xalafih'qg  anläfslich  der  Stelle  cor.  §  129.  Zum 
Schlufs  folgt  eine  allgemeine  Darstellung  der  handschrifU.  Verbältnisse 
mit  den  stichometrischen  Angaben  aus  2  bezfiglich  der  Eranzrede  und 
der  dritten  Philippischen.  Was  den  Text  selbst  betrifft,  so  ist  dieser 
mit  sachgemäfsen  Erklärungen  begleitet,  auf  die  im  einzelnen  nicht  ein- 
gegangen werden  kann.  Mit  der  Angabe  von  Einzellesarten  jedoch  zwi- 
schen Text  und  Eommentar  ist  nicht  viel  gewonnen,  da  sowohl  eine 
Wfirdigung  als  auch  eine  nähere  Begrfindung  der  aufgenommenen  fehlt. 
Die  Ausgabe  kann  aber  aufs  beste  empfohlen  werden,  denn  sie  ruht 
durchaus  auf  wissenschaftlicher  Grundlage.  Der  Stichometrie  freilich  und 
den  rhythmischen  Beziehungen  und  Gesetzen,  auf  denen  die  stichometri- 
schen Zahlen  beruhen,  mfifste  in  Zukunft  mehr  Aufmerksamkeit  geschenkt 
werden;  sicher  bietet  ein  solch  glänzendes  Eunstprodukt  wie  die 
Eranzrede  der  Untersuchung  auf  rhetorisch -rhythmischem  Gebiete  noch 
viel  Stoff. 


Neue  Philologische  Bandschan  Kr.  26. 


317)  C.  de  Boor,  Ezcerpta  de  legationibns.    ParsI:  Excerpta 
de  legationibus  Bomanorum  ad  gentes.  XXI  u.  227  S.  8. 

Ji   8.-. 
Pars  U:  Excerpta  de  legationibus  gentium  ad  Bomanos. 
S.  229 — 559.  8.   Berolini,  apud  Weidmannes,  1903.   J6 12.—. 

Unter  den  auf  Veranlassung  des  Kaisers  Konstantin  VIL  Porphyro- 
gennetos  hergestellten  gro&en  Sammelwerken  nehmen  die  historischen  Ex- 
zerpte eine  hervorragende  Stelle  ein,  die  nach  bestimmten  Gesichtspunkten 
angefertigte  Auszöge  aus  früheren  Oeschichtschreibern  enthalten.  Einen 
Teil  dieser  bilden  die  Excerpta  de  legationibus,  in  denen  Geschichtschreiber 
von  Polybios  an  bis  in  die  byzantinische  Zeit  herab  vertreten  sind;  von 
Uteren  finden  sich  nur  Herodot  und  Thukydides,  jeder  mit  zwei  Stellen, 
aus  dem  ersteren  Y  13  und  IX  4,  aus  dem  letzteren  I  24  u.  27.  Die 
Exzerpte  zer&Uen  in  zwei  Abteilungen,  von  denen  die  erste  die  Gesandt- 
schaften der  BSmer  an  auswärtige  Nationen,  die  zweite  die  Gesandt- 
schaften auswärtiger  Nationen  an  die  Bömer  enthält.  Ihr  Hauptwert 
für  uns  besteht  darin,  dafs  sie  Bruchstücke  von  Schriftstellern  mitteilen, 
deren  Werke  nicht  auf  uns  gekommen  sind,  die  wir  also  nur  aus  diesen 
Exzerpten  kennen  lernen. 

Der  Ausgabe  schickt  der  Herausg.  eine  Praefatio  voraus,  in  der  vrir 
erfahren,  daCs  er  aufser  den  Exzerpten  de  legationibus  auch  noch  die 
de  insidiis  herausgeben  werde,  während  Th.  Büttner- Wobst  die  Exzerpte 
de  virtutibus  und  H.  Ph.  Boissevain  die  de  sententiis  zur  Herausgabe 
übernommen  haben.  Über  die  Handschr.  und  ihr  Verhältnis  zueinander 
hat  der  Herausg.  in  den  Verhandlungen  der  Berliner  Akademie  der  Wissen- 
schaften 1902,  S.  146  f.,  ausführlich  gehandelt;  daher  teilt  er  hier  nur 
soviel  darüber  mit,  als  zum  richtigen  Verständnis  der  Ausgabe  notwendig 
ist.  Aufserdem  stellt  er  noch  eine  besondere  Abhandlung  über  die  Sammel- 
werke des  Konstantinos  in  Aussicht.  Den  Schlufs  der  Praefatio  macht 
die  Aufzählung  der  früheren  Ausgaben  und  die  Angabe  und  die  Becht- 
fertigung  des  Verfahrens,  dais  er  bei  der  Bearbeitung  und  Herausgabe  der 
Exzerpte  eingehalten  hat. 

Der  Herausg.  hat  sich  als  Ziel  gesteckt,  den  Text  herzustellen,  den 
der  Exzerptor  bei  Anfertigung  des  Werkes  selbst  schrieb,  und  so  einen 
Einblick  in  die  von  ihm  dabei  benutzten  Handschr.  zu  geben.  Die  Ent- 
scheidung der  Frage,  wie  sich  der  in  den  Exzerpten  überlieferte  Text  zu 
dem  des  Schriftstellers  selbst  verhält,  überläfst  er  den  Herausgebern  des 


6Öi  Kene  t^ologiBolie  Aondtohan  Kr.  26. 

Schriftstellers,  denen  es  auch  obliegt ,  in  jedem  einzelnen  Falle  festzu* 
stellen,  was  der  Schriftsteller  geschrieben  hat  Demnach  beschränkt  er 
sich  darauf,  unr  offenbare  Fehler  and  Versehen  der  Abschreiber  zu  ver- 
bessern, den  Text  des  Exzerptors  selbst  aber  unverändert  zu  lassen.  Der 
Herausg.  hat  sein  Ziel  auch  vollständig  erreicht;  fiberall  liegt  jetzt  klar 
zutage,  was  in  den  Handschr.  steht,  und  darin  besteht  das  grofse  Ver- 
dienst der  neuen  Ausgabe,  die  von  jetzt  ab  die  .Grundlage  aller  weiteren 
Forschungen  auf  dem  Gebiete  dieser  Exzerpte  sein  wird. 

Tanberbischofsheim.  J.  Sitzler. 


318)  Edwin  W.  Fay,  T.  Macd  Flaut!  Hostellaria.  With 
indroduction  and  notes  (by  £•  F.).  Boston,  AUyn  and  Bacon, 
1902.     XLVII  u.  157  S.  8.  S  1. 

Der  genannte  Verlag  läfst  unter  der  Oberleitung  der  Professoren 
Bennet  und  Bolfe  eine  ^series  of  Latin  Texts  with  especial  reference  to 
the  requirements  of  university  work'  erscheinen;  zu  dieser  Sammlung 
gehört  auch  die  vorliegende  Ausgabe  der  Mostellaria.  Aus  ihrer  Bestim- 
mung ergibt  sich  ihre  Einrichtung.  Die  'lutroduction'  behandelt  über- 
sichtlich ^Plautus,  the  man  and  the  writer\  ^The  versification  of  Plautus' 
^The  dialect  of  Plautus';  es  folgt  auf  62  Seiten  der  Text  der  Komödie, 
dem  sich  90  Seiten  'Notes'  anschliefsen,  worauf  ein  knapper  Index,  der 
alles  Wichtige  aus  Einleitung  und  Anmerkungen  berficksichtigt,  den  Schlufs 
bildet  Der  Herausg.  hat,  wie  er  im  Vorwort  sagt,  die  kleine  Ausgabe 
von  Goetz-SchöU  als  Grundlage  benutzt,  sich  jedoch  ihr  gegenüber  seine 
Selbständigkeit  gewahrt,  indem  er  gelegentlich  gegen  jene  an  der  Über- 
lieferung festgehalten,  in  anderen  Fällen  die  Lesart  der  Handschr.  durch 
Konjekturen  ersetzt  hat.  Für  die  Erklärung  haben  ihm,  wie  er  selbst 
dankbar  hervorhebt,  die  Ausgaben  von  Sonnenschein,  Lorenz,  Ussing,  Scholl 
und  Leo  gute  Dienste  geleistet.  Jedoch  haben  wir  keineswegs  eine  blofse 
Kompilation  vor  uns;  vielmehr  bietet  F.  viel  eigenes,  wie  er  denn  u.  a. 
häufig  Parallelen  aus  der  englischen  Literatur  zur  Erläuterung  des  Textes 
heranzieht.  Die  Anmerkungen  bringen  dem  jungen  Studenten  reiche  Be- 
lehrung, allerdings  auch  soviel  Übersetzungshilfen,  wie  sie  selbst  unseren 
Schfilerkommentaren  fremd  sind.  Doch  das  ist  eine  Eigentümlichkeit 
dieser  englisch -amerikanischen  Ausgaben  überhaupt  und  wird  jedenfalls 
durch  die  dortigen  Uuterrichtsbedürfnisse  vollauf  gerechtfertigt  sein.  Jeden- 


^ 


Neue  Philologische  Randwhaa  Nr.  26.  605 


falls  macht  die  Aasgabe   innerlich  und  äufserlich  den  Eindruck  einer 
soliden  Arbeit. 

Br.  W. 

319)  H.  Tullii  Ciceronis  oratio  pro  F.  Comelio   Sulla.    Ffir 

den  Schulgebrauch  erklärt  von  F.  Thttmen.  Gotha,  Friedrich 
Andreas  Perthes,  Aktiengesellschaft,  1903.  II  u.  77  S.  8. 
(Auch  in  zwei  nach  Text  und  Kommentar  getrennten  Heften.) 

Ji  1.20. 
Die  Ausgabe  ist  nach  den  bekannten  und  bewährten  Grundsätzen  der 
„Bibliotheca  Gothana''  bearbeitet,  und  danach  ist  das  Bedürfnis  des  sich 
vorbereitenden  Schülers  leitender  Gesichtspunkt.  In  einer  fibersichtlichen 
Einleitung  wird  in  einer  für  das  Verständnis  der  Bede  ausreichenden  Weise 
Sullas  Person  und  politische  Stellung  und  dabei  der  wesentliche  Zweck 
der  Bede  besprochen.  Die  Anmerkungen  beziehen  sich,  soweit  sie  sprach- 
liche Dinge  betrefien,  weniger  auf  eigentlich  Grammatisches,  wenngleich 
dies  nicht  ausgeschlossen  ist,  als  vielmehr  auf  Periodenbau,  auf  Stilistisches 
und  Bhetorisches,  sowie  auf  Lexikalisches  und  Sprachgeschichtliches;  die 
grofse  Mehrzahl  der  Anmerkungen  aber  dient  dem  sachlichen  Inhalt 
und  bringt  deshalb  aufser  zahlreichen  geschichtlichen  Notizen  auch  viel 
Juristisches.  Die  nicht  seltenen  Übersetzungshilfen  zeigen  sowohl  ge- 
schmackvolle wie  scharfe  und  erschöpfende  Wiedergabe  von  Ausdrücken 
und  Wendungen.  Vornehmlich  will  die  Erklärung  aber  einem  vollkom- 
menen, auch  ins  einzelne  gehenden  Verständnis  des  Gedankenzusammen- 
hanges dienen;  zu  diesem  Zwecke  ist  nicht  nur  am  Schlüsse  der  Ein- 
leitung eine  kurze  Disposition  gegeben,  sondern  namentlich  wird  an  zahl- 
reichen einzelnen  Stellen  im  Verlaufe  der  Bede  auf  den  Gedankenaufbau 
aufmerksam  gemacht.  —  Der  Schüler,  der  sich  mit  ciceronianischem 
Sprachgebrauch  bekannt  machen  und  eine  der  wichtigeren  Beden  gründ- 
lich studieren  will,  wird  diese  Ausgabe  mit  Nutzen  gebrauchen. 

Hanau.  O.  Waokermann. 

320)  Boy  C.  FlickiBger,  The  meaning  of  eitl  x^g  axYjvi];  in 

writers  of  the  fonrth  Century.     Chicago,  the  university 

Chicago  press  1902.    16  S.  8. 
In  unserer  Zeit  tritt  man  Untersuchungen  über  die  Bedeutung  bestimmter 
Bühnenausdrücke  mit  Mifstrauen  entgegen;  haben  ja  doch  die  bisherigen 
zahlreichen  Abbandlangen,  welche  sich  mit  dergleichen  Fragen  befassen, 


606  Nene  Fbilologisehe  Bcrndflehan  Nr.  S6. 

kaum  ein  anbestrittenes  Ergebnis  gezeitigt  and  in  manchen  Punkten  noch 
gröfsere  Verwirrang  hervorgernfen.  Mit  Recht  erhebt  FI.  gegen  die  meisten 
seiner  Vorgänger  den  Vorwurf  einer  falschen  Methodik;  sie  deuteten  die 
ins  Auge  gefafsten  Beispiele  von  dem  Standpunkte  aus,  den  sie  zur 
Bühnenfrage  eingenommen,  reihten  sie  dann  in  Bubriken  ein  und  ordneten 
diese  wieder  nach  ihrer  vorgefafsten  Anschauung  und  —  die  Geschichte 
des  Bedeutungswechsels  eines  szenischen  Ausdruckes  sei  fertig.  Die  ent- 
gegengesetzte Methode  Fl.s,  voraussetzungslos  an  jedes  Beispiel  eines  be- 
stimmten Schriftstellers  heranzutreten  und  die  aus  dem  Zusammenhang 
hervorgehende  Bedeutung  ohne  Bficksicht  auf  andere  Fragen  festzustellen, 
bewährt  sich  in  der  vorliegenden  Abhandlung  aufs  trefflichste;  seine  un- 
befangene Untersuchung  der  vier  Stellen  bei  Aristoteles  (Poet.  XIII,  6; 
XVII,  1;  XXIV,  4;  XXIV,  8),  wo  der  Ausdruck  ini  Tfjg  cjxijv9s  vor- 
kommt, und  einer  fOnften  demosthenischen  Stelle  (or.  XIX,  337)  ergibt, 
dafs  diese  Schriftsteller  des  4.  Jahrb.  —  früher  kommt  der  Ausdruck 
nicht  vor  —  ihn  in  demselben  Sinne  verstanden  wie  wir  den  modernen 
„auf  der  Bfihne^S  d.  h.  im  Theater.  Diese  Stellen  sowie  die  aus  späterer 
Zeit  angeführten  (S.  12  u.  13),  wo  die  gleiche  Bedeutung  vorliegt,  haben 
also  bei  der  Frage,  ob  der  Spielplatz  der  Schauspieler  gegenüber  dem 
Standort  des  Chores  erhöht  war,  ganz  auszuscheiden.  Weniger  befriedigt 
F1.S  Versuch,  die  spätere  Gegenüberstellung  der  Ausdrücke  oi  im  bezw. 
äTtö  dviAilvfi  und  oi  inl  bezw.  ämcb  OKtp^  zu  erklären  (S.  14).  Der 
angekündigten  Untersuchung  über  das  griechische  Theater  zur  Zeit  Plu- 
tarchs  —  das  ist  doch  wohl  eine  Untersuchung  der  bei  Plutarch  so  zahl- 
reichen Stellen,  die  sich  auf  das  Theater  beziehen  —  sieht  der  Bef.  mit 
um  so  gröfserem  Interesse  entgegen,  als  er  selbst  schon  in  dieser  Zeit- 
schrift (Jahrg.  1899,  S.  304)  eine  Prüfung  der  einschläglichen  Stellen 
besonders  bei  diesem  Schriftsteller  als  notwendig  bezeichnete;  auch  jetzt 
noch  erscheint  ihm  ein  solches  Vorhaben  nicht  aussichtslos,  doch  möchte 
er  noch  einmal  zur  Vorsicht  mahnen  und  auf  die  Notwendigkeit  der  Vor- 
frage hinweisen,  ob  Plutarch  dem  Wortlaut  seiner  Quellen  zu  folgen 
pflegt  oder  nicht. 

Schweinfurt.  K.  Wolfiimaatt. 


*j 


Nene  Philologiielie  Bandscban  Nr.  26.  607 


32t)  Johannes  Eromayer,  Antike  Sehlaehtf eider  in  Orieehen- 
land«  Bausteine  zu  einer  antiken  Kriegsgeschichte.  I.  Band: 
Von  Epaminondas  bis  zum  Eingreifen  der  Bömer. 
Mit  sechs  lithographischen  Karten  und  vier  Tafeln  in  Lichtdruck. 
Berlin,  Weidmann,  1903.    X  u.  362  S  gr.  8.  JH  12.—. 

Der  erste  Band  von  „Eromayer,  Antike  Schlachtfelder  in  Griechen- 
land" knfipft  an  die  Schlachten  von  Mantinea  im  Jahre  362,  Ghäronea  338, 
an  die  von  Sellasia  und  die  von  Mantinea  207  an  und  beschäftigt  sich 
besonders  mit  den  Schlachtfeldern,  aber  auch  des  weiteren  mit  dem  Ver- 
laufe der  Schlachten  und  ihrem  kriegerischen  und  politischen  Hinter- 
grunde. In  einem  Schlufswort  stellt  K.  noch  die  theoretischen  Ergebnisse 
der  Einzeluntersuchungen  zusammen. 

In  der  mit  Begeisterung  ffir  die  Aufgabe  geschriebenen  Einleitung 
(S.  1—24)  macht  uns  Verf.  mit  den  Grundsätzen  bekannt,  die  ihn  bei  der 
Behandlung  des  Stoffes  geleitet  haben.  Die  wichtigsten  dieser  Grundsätze 
sind:  die  Schlacht  sei  nicht  vom  Kriege  und  auch  nicht  von  der  Politik 
zu  trennen,  und  zweitens:  die  „Sachkritik"  müfste  sich  auf  sorgMtigste 
Quellenkritik  stfitzen.  Mit  Delbrflck  geht  der  Verf.  hier,  wie  auch  in 
dem  Abschnitt  fiber  die  Schlacht  von  Sellasia  und  im  Schlufswort  ziem- 
lich scharf  ins  Gericht,  doch  hat  man  dabei  Überall  das  Gefühl,  dafs  sich 
seine  Polemik  nur  von  sachlichen  Motiven  leiten  läfsL  Auch  bei  der 
Feststellung  des  Schlachtfeldes  soll  die  Quellenkritik  die  Leuchte  sein, 
wie  diese  ihrerseits  wieder  durch  jene  Licht  empfingt.  Vorsicht  sei  hier 
geboten,  aber  „wer  sich  nicht  getraut,  hier  den  circulus  vitiosus  zu 
vermeiden,  der  lasse  die  Hand  von  diesen  Zauberkreisen"«  E.  erinnert 
an  Napoleon  IIL  und  Stoffel,  an  Grundy  und  andere,  die,  von  lokalen 
Forschungen  ausgehend,  die  Geschiebte  gefSrdert  haben.  Er  selbst  hat 
sich  der  Hilfe  kundiger  Offiziere  und  der  ünterstfitzung  des  Generalstabes 
der  deutschen  Armee  zu  erfreuen  gehabt 

Mit  der  Schlacht  bei  Mantinea  im  Jahre  362  beschäftigen  sich, 
nach  einem  Bückblick  auf  den  Feldzug,  der  zu  dieser  führte,  die  S.  26 
bis  123.  Dem  Urteil  des  Verf.  von  der  Einseitigkeit  des  Xenophontischen 
Berichtes  und  der  Möglichkeit  seiner  Ergänzung  in  vielen  und  entschei- 
denden Punkten  durch  Diodors  Darstellung  mOchte  ich  nicht  ganz  bei- 
stimmen« Xenophon  gibt  doch  alles  Wesentliche,  wenn  auch  ungleich 
ausführlich,  und  gegen  die  Glaubwürdigkeit  von  Diodor-Ephoros  spricht 
Polyb.  XU,  25  f.  4,  während  der  von  E.  angenommene  athenische  Augen- 


608  Neae  Philologische  Bnndichaii  Nr.  26. 

zeuge  weder  als  ein  glaubwürdiger  noch  Oberhaupt  erwiesen  ist.  Ver- 
möge der  genauen  Erforschung  des  bereits  von  Loring  und  Foug&res  richtig 
bezeichneten  Schlachtfeldes  aber  und  der  sorgfältigen  Berücksichtigung  der 
ganzen  einschlägigen  Materie  trägt  Verf.  vieles  zum  Verständnis  der  Aufstellung 
der  Verbündeten,  der  Heeresbewegungen  des  Epaminondas  vor  der  Schlacht 
und  des  Verlaufes  dieser  bei.  Auch  die  Aufstellungsänderungen  auf  dem 
rechten  Flügel  der  Verbündeten  unmittelbar  beim  Anmarsch  des  Epaminondas 
die  E.  (S.  70  u.  72)  annimmt,  sind  sehr  wahrscheinlich.  Desgleichen  gibt  uns 
E.  auf  Grund  ausführlicher  Berechnungen  die  ungefähre  Stärke  der  Heere  an, 
in  diesem  Punkte  die  Richtigkeit  der  Überlieferung  bei  Diodor  bestätigend. 
Dagegendürfbe  sich  Es  Versuch,  die  Schwierigkeit,  die  sich  mit  der  Datierung 
der  Schlacht  bei  den  Schriftstellern  verbindet,  zu  heben,  kaum  allgemeiner  Zu- 
stimmung erfreuen.  —  Im  ganzen  gewinnen  wir  ein  klares  Bild  der  Schlacht, 
wie  man  es  nach  den  Bemerkungen  von  Delbrück  (Gesch.  der  Eriegskunst  I, 
S.  135)  kaum  für  möglich  hätte  halten  können,  und  ein  helles  Streiflicht 
fällt  auf  Epaminondas*  Genie:  er  führte  nicht  nur  in  Strategie  und  Taktik 
die  Niederwerfungstheorie  als  erster  durch,  sondern  behandelte  auch  zuerst 
die  Heeresmassen  als  einen  lebendigen  Organismus  und  pafste  dessen  Be- 
wegungen dem  Gelände  an.  Im  allgemeinen  hat  seine  geniale  Art  der 
Eriegführung  für  immer  gewirkt;  im  einzelnen  blieb  sie  vorbildlich  bis 
zum  Ende  des  3.  Jahrh.  v.  Chr.,  so  auch  in  den  drei  anderen  von  E.  be- 
sprochenen Schlachten. 

Noch  deutlicher  erkennen  wir  aus  der  Behandlung  der  Schlacht 
von  Ghäronea  (S.  124 — 195)  die  grofse  Bedeutung  der  Erforschung  des 
Schlachtfeldes.  Diodors  und  Polyäns  Schilderungen  haben,  wenn  sie 
auch  wirklich,  wie  E.  (S.  10  u.  167  Anm.  3)  annimmt,  auf  militärisch 
gute  Quellen  zurückgehen,  doch  nur  einen  untergeordneten  Wert.  Be- 
züglich des  Feldzuges  und  seiner  Chronologie  sucht  Verf.  durch  ge- 
schickte Verwertung  und  Eombinierung  der  vereinzelten  Bemerkungen  bei 
den  Schrifstellem,  besonders  auch  in  gleichzeitigen  Beden,  die  für  die 
Chronologie  freilich  nicht  viel  bieten,  über  die  bisherigen  Besultate  hinaus- 
zukommen. Ein  Hauptpunkt  der  Chronologie  ist  aufser  dem  Datum  der 
Schlacht  die  Zeit  der  Besetzung  Elateas  durch  Philipp..  Die  Besetzung 
fällt  in  339,  aber  kaum,  wie  E.  (S.  172—176)  annimmt,  schon  in  An- 
fang September,  sondern  erst  in  den  Spätherbst;  von  den  beiden  für  die 
Schlacht  möglichen  Daten  (2.  August  oder  1.  September)  wählt  E.  den 
2.  August  338.    Über  die  militärischen  Bewegungen  beider  Heere   vor 


^ 


Nene  Philologische  Kundscliau  iTr.  26.  60d 

der  Schlacht  erhalten  wir  von  dem  der  Ortlichkeit  vollständig  kundigen 
Verf.  vorzügliche  Auskunft.  So  fiber  die  Stellung  Philipps  von  Elatea  bis 
Eytinion  und  die  Besetzung  der  Linie  von  Parapotamioi  bis  zum  Passe 
von  Graviä  seitens  der  Griechen,  die,  an  sich  eine  gute,  doch  von  den 
mannigfaltig  zusammengesetzten  und  meist  undisziplinierten  Truppen  der 
Verbündeten  —  E.  ist  hier  wohl  etwas  zu  optimistisch  —  kaum  gehalten 
werden  konnte.  Gleich  überzeugend  ist  die  Schilderung  der  Einnahme 
des  Passes  von  Oraviä  durch  Philipp  und  der  Aufstellung  der  Helleneu 
zur  Schlacht,  zu  der  sie  durch  die  politische  Lage  gedrängt  wurden.  Der 
Baum,  innerhalb  dessen  die  Schlacht  geschlagen  sein  mufs,  ist  auf  2  bis 
3  Dkm  eingeschränkt;  nach  des  Verf.  sehr  annehmbarer  Ansicht  standen 
die  Hellenen  vom  westlichsten  der  drei  in  der  Gegend  von  Ghäronea  nach 
Norden  in  die  Ebene  fliefsenden  Bäche  (Haimon  bei  Plut.  Demosth.  19) 
bis  zum  Westende  des  Akontiongebirges.  Dafs  Philipp  mit  seinem  Flügel 
zunächst  zurückging,  stimmt  gut  zur  Beschaffenheit  des  Geländes,  da  er 
dadurch  die  Athener  aus  einer  sehr  gedeckten  Stellung  in  eine  un- 
günstige lockte.  —  Für  ein  Urteil  über  die  Stärke  der  Streitkräfte 
kann  nach  meiner  Ansicht  Justin  kaum  in  Frage  kommen,  da  Pompeius 
Trogus  den  Sieg  Philipps  vermutlich  hat  vergröfsem  wollen;  Diodor  kann 
mit  seiner  Angabe  von  mehr  als  30000  Mann  zu  Fufs  und  2000  Reitern 
auf  Seiten  der  Makedonier  und  einer  geringeren  Macht  auf  der  anderen 
Seite  das  Richtige  bieten.  Die  mühevollen  und  sorgfältigen  Zusammen- 
stellungen E.s,  deren  Resultat  nur  durch  die  schwierige  Schätzung  der 
Truppenmacht  der  kleinen  hellenischen  Staaten,  auch  der  Böoter,  etwas 
beeinträchtigt  wird,  kommen  bei  einem  der  Lage  entsprechenden  Abzüge 
auf  der  hellenischen  Seite  ungeMr  auf  dasselbe  Resultat.  Im  ganzen 
führt  E.  durch  seine  sorgfältigen  Zusammenstellungen,  Untersuchungen 
und  Eombinationen,  durch  die  Berücksichtigung  der  politischen  Lage,  ins- 
besondere aber  mit  Hilfe  seiner  genauen  Eenntnis  des  Geländes  die  Lösung 
der  mit  dem  Verständnis  der  Schlacht  verknüpften  Probleme  erheblich 
weiter. 

In  der  Studie  über  die  Schlacht  von  Sellasia  (S.  196—277)  führt 
E.,  um  das  Verständnis  zu  f&rdern,  in  einem  einleitenden  Abschnitt  auch 
in  die  Anfänge  des  Erieges.  Von  den  Quellen,  die  über  die  Schlacht 
berichten,  gibt  er  mit  Recht  dem  Polybios  den  Vorzug.  Selbst  Delbrück, 
der  anfangs  behauptete,  dafs  des  Polybios  Darstellung  kriegsgeschichtlich 
nicht  zu  verwerten  sei,   gibt   im  zweiten  Bande  seiner  Geschichte  der 


61d  Keaa  Philotogiachi  ftunJachan  Hr.  26. ^ 

Eriegskonst  schon  zu,  daTs  ,,die  Schlicht  naninehr  in  gewissen  grobeo  Zfigen 
Yereiftodlich  '^  sei ;  yielleicht  kommt  Polybios  noch  ganz  zu  seinem  Becht. 
Denn  wir  mfissen  annehmen,  dals  er  selbst  das  Sohlachtgelände  genau 
gekannt  hat  und  seine  Darstellung,  wie  E.  (S.  272—276)  erweist,  auf 
dem  Originalbericht  eines  Augenzeugen  der  Schlacht,  und  zwar  eines 
Megalopolitaners  in  höherer  Stellung  und  aus  der  unmittelbaren  ümgebaug 
des  Philopömen  beruht.  Übrigens  zeigt  E.,  dafs  Plutarchs  Nachrichten 
in  ihren  besseren  Teilen,  so  im  PhilopSmen,  auf  des  Polybios  Biographie 
des  Feldherrn  zurfickgehen  und  nur,  was  er  im  Eleomenes  aus  Phylarch 
hat,  schon  an  sich  im  Werte  zurücksteht.  E.s  Eritik  der  Quellen,  wie 
auch  seine  Auaftthrungen  über  die  St&rke  der  beiden  Armeen,  seheint  mir 
in  jeder  Hinsicht  stichhaltig. 

Oanz  besondere  Verdienste  haben  sich  E.  und  seine  militärischen 
Mitarbeiter,  in  erster  Liaie  Hauptmann  Goppel,  von  dem  eine  sdbständige, 
vorz^liche  Aufnahme  des  Schlachtfeldes  (Earte  5)  herrührt,  um  die  Be- 
stimmung dieses  erworben.  Sie  haben  die  Gegend  genau  untersucht  und 
sich,  durch  die  Darstellung  des  Polybios  und  militärische  Gesichtspunkte 
geleitet,  für  das  mittlere  Eelephinatal,  wohin  schon  Bofs  die  Schlacht 
verlegte,  entschieden.  Da  die  nach  diesem  in  Betracht  kommende  Strecke 
von  3—4  km  weiter  eingeschränkt  wird  durch  E.s  Entdeckung  eines 
antiken  Wegea,  der  s(^n  2  km  südlich  von  der  Vereinigung  der  drei  von 
Norden  kommenden  Straisen  das  Eelephinatal  in  südwe^icher  Bichtung 
verläfst,  braucht  E.  nur  mit  diesen  beiden  Eilometern  des  Tales  zu  rechnen. 
Seine  Darstellung  der  Schlacht  (S.  223-*244)  macht  einen  tberzeugenden 
Eindruck. 

Dennoch  habe  ich  leise  Zweifel  daran,  dafs  E.  die  alte  Streitfrage 
endgültig  entschieden  hat.  Zwar  weist  er  in  der  Beilage  I  die  Einwürfe 
Delbrück»  (a.  a.  0.  I,  208  ff.  und  besonders  II,  11  ff.)  im  ganzen  über- 
zeugend zurück,  aber  es  bleiben  mir  gegen  seine  Ansetzung  des  Schlacht- 
feldes einige  Bedenken.  Ist  ea  nicht  auffallend,  dafs  Antigonos  anfangs 
für  sein  ganzes  Heer  den  Gorgylos  zum  7tq6ßXriixa  nimmt?  Soll  man 
der  Nachricht,  dafs  die  Makedonier  fünf  Stadien  zurückgedrängt  seien,  die 
zu  dem  von  E.  ai^enommenen  Schlachtfelde  nicht  pafst  (vgl.  E.  S.  244 
Anm.  2  u.  S.  272),  jeden  Glauben  absprechen?  Sie  stammt  aus  Phjlarch 
(Plut.  Eleom.  28),  tritt  aber  sehr  bestimmt  au£  Nicht  ganz  gelungea 
scheint  mir  auch  E.s  Bechtfertigung  des  Verhaltens  des  Eleomenes  nach 
der    Einnahme  des  Euas  durch  die  Feinde  (E.  S.  261  f. ;    vgL  S.  242 


^ 


ITene  Philologiscbd  BondBobaa  Nr.  26.  611 

nnd  Delbr.  I,  211).  Die  ErkläruDg  liegt  vielleicht  m  der  Schwäche  des 
Eleomenes  dem  Antigonos  gegenfiber,  aber  jedenfalls  verdient  die  Stellung 
auf  dem  Euas  flberhaupt  nicht  das  Lob,  das  ihr  E.  zollt  Es  war  der 
Schlflssel  der  ganzen  Aufstellung  der  Spartaner,  und  dieser  Schlüssel 
konnte  genommen  werden,  ohne  dafs  die  Hauptmacht  zur  Verwendung 
kam.  Entweder  ist  auch  des  Polybios  (II,  66, 11  f.)  urteil  von  der  Yor- 
züglichkeit  der  Position  der  Spartaner  unrichtig,  oder  er  hat  ein  anderes 
Terrain  im  Sinne  gehabt.  Schliefslich  ist  auch  wohl  Zweifel  angebracht, 
ob  der  Aufstieg  der  Feinde  auf  den  Euas,  wie  E.  ihn  annimmt,  überhaupt 
möglich  war.  —  Leakes  Ansicht,  dafs  das  Schlachtfeld  an  der  unteren 
Eelephina  zu  suchen  sei,  ist  von  E.  (S.  220 f.)  widerlegt;  für  die  Eie- 
pertsche  Ansetzung  desselben  am  Vereinigungspunkte  des  Baches  von  Yre- 
sthena  und  der  Eelephina  ist  nach  E.  (S.  219  Anm.  1)  nicht  jede  Mög- 
lichkeit ausgeschlossen.  Ich  glaube,  das  Schlachtfeld  ist  noch  nörd- 
licher, und  zwar  etwa  da,  wo  sich  der  von  rechts  kommende  und  mit 
dem  obersten  Laufe  der  Eelephina  ziemlich  parallel  fliefsende  Bach  mit 
ihr  vereinigt,  zu  suchen,  in  einer  Oegend,  die  E.  nicht  mehr  als  in  Be- 
tracht kommend  angesehen  hat.  Dafs  Antigonos  von  Argos  über  Tegea 
kam,  wufste  Eleomenes  nach  Plut.  Eleom.  26,  einer  Notiz,  die  doch 
wahrscheinlich  auf  Polybios  zurückgeht,  und  durch  die  schwierige  Elisura 
hat  er  nach  meiner  Ansicht  schwerlich  seinen  Anmarsch  erwartet,  sondern 
über  Earyai  ^) ;  aber  auch  für  jenen  Fall  konnte  er  von  der  von  mir  oben 
bezeichneten  Stellung  aus  leicht  mit  einem  Detachement  an  der  Elisura 
Fühlung  behalten.  Eleomenes  müfste  dann  zwischen  der  Eelephina  und 
dem  nördlichen  Ufer  des  Baches  von  Vresthena,  Eukleidas  unmittelbar 
gegenüber  am  westlichen  Ufer  der  Eelephina,  nach  Nordosten  durch  den 
oben  genannten,  in  die  Eelephina  fliefsenden  Bach  (=  Gorgylos)  gedeckt, 
gestanden  haben.  Diese  nördlichere  Ansetzung  von  Olymp  und  Euas 
scheint  mir  wenigstens  Polyb.  II,  66,  8  {an  airilg  Tfjg  siaddov)  und 
Y,  24,  9  f.  im  Zusammenhange  von  Eap.  22  an  zu  fordern.  Auch  scheint 
diese  ganze  Gegend  des  Pamon  bis  an  die  Eelephina  Olympos  geheifsen 
zu  haben  (vgl.  Bursian,  Geogr.  v.  Griechenland  II,  135),  und  vielleicht 
ist  die  Gebirgsmasse  auf  der  westlichen  Seite  dieses  Flusses  mit  dem  nord- 


1)  369  geben  die  von  Maniinea  naob  Süden  gegen  LakonkB  zifbenden  TtaebaBer 
Ober  Earyai  nach  SeHaeia  (Xenopb.  Hell  VI,  6,  23-27;  Diod  XV,  64,  1).  Über 
Saxyai  marichiert  auch  T.  Qainctiiu  Flamioiniui  ans  der  Ckgend  vonTtgea  nach  Sel- 
lasia  (LiY.  XXXIV,  26,  9;  28,  1). 


612  Nene  Fhilologiscbe  Bandseban  Kr.  26. 

östlich  davon  gelegenen  Orte  Ena  (vgl.  Borsian  a.  a.  0.,  S.  71  f.  nnd 
E.  Curtius  Pelop.  II,  383)  gleichnamig  gewesen.  Dagegen  dürfte  die  Berg- 
masse, die  K.,  wie  andere,  mit  dem  Euas  identifiziert,  der  Thornax 
bei  Paosan.  in,  10,  8  sein,  an  dessen  Namen  noch  hente  die  Bezeich- 
nung „Turla^^  für  Höhen  in  unmittelbarer  Nähe  derselben  Bergmasse 
anklingt.  Auch  kann  eine  lautliche  Erinnerung  an  den  Gorgylos  in  dem 
nur  zuerst  so  verschieden  scheinenden  Namen  des  heutigen  Ortes  Vourvoora 
(vgl.  die  Karte  von  Hellas  zu  Bädekers  Griechenland)  stecken,  bei  dem 
die  Quelle  des  Baches  liegt,  den  ich  als  den  Gorgylos  annehme;  es  gibt 
ja  neugriechische  Ortsnamen,  in  denen  die  labiale  Spirans  aus  der  guttu- 
ralen Media  entstanden  ist.  Ob  das  von  mir  bezeichnete  Terrain  in 
militärischer  Hinsicht  dem  Schlachtberichte  des  Polybios  entspricht,  müfste 
am  Orte  selbst  festgestellt  werden  ^). 

Über  die  Behandlung  der  Schlacht  bei  Mantinea  vom  Jahre  20  7 
(S.  278—314)  wenigstens  noch  einige  Worte.  Auch  hier  besteht  der  uns 
lückenhaft  und  schlecht  überlieferte  Bericht  des  Polybios  bei  sorgi&ltiger 
Berücksichtigung  der  politisch-militärischen  Lage  vollständig  vor  der  Kri- 
tik; ein  Widerspruch  ist  weder  in  ihm  selbst  noch  zwischen  ihm  und 
dem  aus  des  Polybios  Philopömen  stammenden  des  Plutarch,  der  aller- 
dings Flüchtigkeit  zeigt.  —  Die  Stellung  PhilopOmens  ist  durch  die  Beste 
des  Poseidon-Tempels  am  Fufse  des  Alesion  lokalisiert.  Der  Graben,  der 
im  Süden  stark  zwei  Drittel  des  achäischen  Heeres  deckte,  begann  im 
Westen  bei  der  Katavothre  von  Milia  und  endete,  wie  schon  Guischardt 
angenommen  hat,  im  Osten  7 — 800  Meter  von  dem  genannten  Tempel. 
Die  Brücke,  in  deren  Nähe  Philopömen  den  Machanidas  mit  eigener  Hand 
niedermachte,   ist  die   der  Strafse   nach   Pallantion.    —    Noch   manche 


1)  Auch  Sellasia  hat,  glaube  ich,  bedeutend  nördlicher  gelegen,  als  es  jetzt 
allgemein,  auch  von  E.  (S.  212  Anm.  1),  angesetzt  wird.  Xenophon  (HelL  H,  2,  13 
u.  19;  VI,  5,  27;  VII,  4,  12)  und  Polybios  (XVI,  37  —  nach  dieser  Stelle  war  es 
nordöstlich  von  Pellana  — )  müssen  es  sich  als  nördlicher  liegend  vorgestellt  haben, 
und  damit  stimmt,  was  wir  bei  Livius  (XXXIV,  28;  vgl.  XXVI,  9),  bei  Diodor  (XV, 
64,  1  u.  5)  und  bei  Polyän  (III,  11, 6  — !)  lesen.  Auch  die  Worte  bei  Paus.  III,  10, 7, 
die  nur  durch  Zusätze  in  der  lateinischen  Übersetzung  (vgl.  Ausg.  von  Schubarth  und 
Walz)  entstellt  sind,  passen  durchaus  dazu.  Liv.  XXXIV,  28  scheint  in  die  Gegend 
von  Arachova,  auf  das  linke  Ufer  der  Eelephina  und  vielleicht  ein  wenig  südlicher  zu 
weisen;  auch  die  Artemis  Sellasia  deutet  auf  die  Nähe  Sellasias  bei  Karyai,  wo  die 
Festtänze  der  spartanischen  Jungfrauen  stattfanden.  —  Die  Frage  verdient  meines 
Erachtens,  wie  die  nach  der  Lage  des  Olympos  und  Euas,  noch  einmal  genau  durch- 
forscht zu  werden. 


Nene  Fhilologisclie  Bundscban  Nr.  26.  613 

Einzelheiten  des  Schlachtverlanfes  werden  durch  E.  in  richtige  Beleuch- 
tung gerückt.  Die  Eatapelten  des  Machanidas  hatten  eigentlich  fQr  eine 
Belagerung  Mantineas  dienen  sollen.  Als  dessen  rechter  Flügel  zwischen 
dem  Graben  und  dem  Poseidon-Tempel  hindurchgebrochen  war,  liefs  Philo- 
pömen  die  am  weitesten  nach  Ituks  stehende  Abteilung  seines  linken 
Phalanxflügels  einfach  „Linksum''  machen  und  sich  im  Laufschritt  dorthin 
bewegen.  Dafs  Philopömen  darauf  nicht  dort  einen  Hauptaugriff  unter- 
nahm, kommt  daher  —  und  dies  meint  auch  Polybios  tatsächlich ->,  dafs 
die  spartanische  Phalanx  dem  Angriffe  des  Philopömen  zuvorkam.  Durch 
eine  Beihe  von  solchen  Klärungen  erhalten  wir  bei  E.  zum  ersten  Male 
ein  wirklich  lichtvolles  und  verständliches  Bild  des  ganzen  Verlaufes  dieser 
Schlacht  bei  Mantinea. 

Auch  das  Seh lufs wort,  auf  dessen  theoretische  Ergebnisse  ich  nicht 
mehr  eingehen  kann,  ist  sehr  lesenswert.  Mit  Recht  wird  in  ihm  u.  a.  auch  be- 
sonders der  enge  Zusammenhang  zwischen  Schlacht  und  Schlachtgelände  betont. 

Erwähnen  mufs  ich  noch  die  schöne  Ausstattung  des  gut  und  fesselnd 
geschriebenen  Buches,  dem  vorzügliche  Earten  und  Skizzen  sowie  hübsche 
Lichtdrucke  beigegeben  sind. 

Hadersleben.  Aem.  Piatsohowlas. 

)22)  Otto  Bardenhewer,  Oesohiohte  der  altkirohliohen  Lite- 
ratur. Zweiter  Band:  Vom  Ende  des  zweiten  Jahrhun- 
derts bis  zum  Beginn  des  vierten  Jahrhunderts. 
Freiburg  i.  Br.,  Herdersche  Verlagsbuchhandlung,  1903.  XVI  u. 
665  S.  8.  Ji  11.40;  geb.  Ji  U.-. 

Der  erste  Band  dieses  grofs  angelegten,  auf  sechs  Bände  berechneten 
Unternehmens  ist  in  Nr.  14  des  Jahrg.  1902  der  Bundschau  angezeigt 
und  empfohlen  worden.  Aus  Versehen  war  dort  gesagt,  dafs  der  zweite 
Band  bis  zum  Ende  des  4.  Jahrh.  reichen  solle;  in  Wirklichkeit  war 
auch  schon  in  der  Vorrede  des  ersten  Bandes,  wie  jetzt  auf  dem  Titel, 
nur  der  Beginn,  nicht  das  Ende  dieses  Jahrhunderts  genannt.  In  zwei 
Teilen  behandelt  der  Band  die  kirchliche  Literatur  des  3.  Jahrb.,  das 
als  ^das  Zeitalter  der  Entstehung  einer  theologischen  Wissenschaft'  be- 
zeichnet wird,  und  zwar  in  einem  ersten  Teil  die  Schriftsteller  des  Orients, 
im  zweiten  die  des  Okzidents.  Ein  Nachtrag  gilt  den  ältesten  Märtyrer- 
akten  von  der  Mitte  des  2.  Jahrh.  an,  und  ein  Anhang  den  jüdischen 
und  heidnischen  Schriften,   welche   von   den  Christen  übernommen  und 


614  Ken«  Phüoloi^he  Rniidsehaa  Nr.  26. 


überarbeitet  worden  sind.  Dieser  Anhang  (S.  90)  ist  etwas  kürzer  als  die 
übrige  Literatur  behandelt.  Für  die  selbständige  christliche  Literatur 
haben  wir  hier,  wie  ans  der  Anzeige  des  ersten  Bandes  wiederholt  werden 
darf,  einen  durchaus  zuverlässigen  Führer.  Selbst  auf  den  Gebieten,  auf 
denen  ich  genauer  zu  Hause  bin,  wüTste  ich  nur  weniges  nachzutragen. 
Clemens  von  Alexandria  ist  auf  50,  Origenes  auf  90  Seiten  behandelt 
Von  den  Lateinern  erhält  TertuUian  62,  Cyprian  70,  der  griechisch 
schreibende  B5mer  Hippolytus  60  Seiten.  An  Wiederholungen  fehlt  es 
allerdings  nicht  ganz,  namentlich  in  den  voraus-  oder  nachgeschickten 
allgemeinen  Überblicken,  vgl.  S.  365  u.  381,  327  mit  392  u.  455,  341 
u.  493,  396  u.  457.  Der  Druck  ist  sehr  korrekt.  Einzig  aufTallend  ist 
die  Schärfe  gegen  Harnack  in  Anmerkungen  wie  S.  362.  388.  Der 
katholische  Standpunkt  des  Verf.  verrät  sich,  abgesehen  von  dem  Titel, 
den  er  im  Vorwort  zu  rechtfertigen  sucht,  nur  leise,  z.  B.  in  der  Tat- 
äache,  dals  aus  Cyprian  wohl  das  im  Wortlaut  angeführt  wird,  was  er 
zum  Preise  von  Born  sagt,  während  von  den  ebenso  bezeichnenden  Worten 
gegen  Bom  kein  einziges  im  Original  zitiert  ist.  Unter  den  Literatur- 
angal^en  vermisse  ich  da  und  dort  die  Artikel  der  Protestantischen  Beal- 
enzyklop&die,  z.  B.  von  Bonwetsch  bei  Clemens  und  Hippolytus,  von  Preu- 
sehen  bei  Laktanz.  Die  Aufsätze  von  Harnack  zu  Theognost  und  Theonas 
waren  offenbar  noch  nicht  erschienen,  als  die  betreffenden  Bogen  gedruckt 
wurden,  ebenso  der  dritte  Band  der  Oxyrhynchus  Papyri  mit  dem  inter- 
essanten Bruchstück  aus  Julius  Africanus.  Von  dem  Beichtum  des  In- 
halts mögen  die  Paragraphenüberschriften  45 — 60  zeugen:  Pantänus,  Ele- 
mens,  Judas,  Origenes,  Demetrius  von  Alexandrien  und  Herakles  von 
Alexandrien,  Ambrosius  und  Tryphon,  Ammonius,  Dionysius  von  Alexan- 
drien,  Anatolius,  Theognostus,  Pierius,  Petrus  von  Alexandrien,  Pbileas 
von  Thmuis,  Hesychius,  Hierakas,  der  sogen.  Theonasbrief  und  der  Brief 
des  Presbyters  Psenosiris.  Dies  die  im  ersten  Kapitel  behandelten  Ale- 
xandriner; dann  kommen  die  Syro-Palästinenser  (§  60 — 70)  und  die  Klein- 
asiaten (§  71—74),  und  ähnlich  im  zweiten  Teil  bei  den  Schriftstellern 
des  Okzidents  zuerst  die  Afrikaner  (§  77—80),  dann  die  Bömer  (§  81-  84) 
und  die  übrigen  Okzideutalen  (§  85 — 88).  Als  kleine  Berichtigung  noch, 
dab  S.  149,  Anm.  4,  auf  eine  Schrift  von  Erusch  verwiesen  ist,  als 
%a.  a.  O.'S  die,  soweit  ich  gesehen,  mit  ihrem  vollen  Titel  erst  S.  193 
genannt  ist.     Möge  das  Werk  fröhlich  weiterschreiten. 

Manlbronn.  Bb.  NMtl#. 


' Nwie  Phaologjach»  BandselMWi  Nr.  26.  BIS 

323)  Wilhelm  Freund,  Wie  stadiert  man  klassiscfae  Philo- 

logie? Sechste,  vennehrte  und  rerbesserte  Auflage,  bearbeitet 
von  H.  Beiter.    Stuti^rt,  Wilhelm  Yiolet,  1903.    212  S.  8. 

Wie  Wilhelm  Freunds  Triennium  philologicum  von  den  Studierenden 
der  klassisdben  Philologie,  jQngeren  und  Siteren  Semestern,  als  Bepetitorium 
und  Bepertorium  geschätzt  wird,  so  erfreut  sich  auch  sein  Werkchen :  Wie 
studiert  man  klassische  Philologie?  seit  einer  langen  Reihe  yon  Jahren  im 
Kreise  derer,  die  sich  dieser  Wissenschaft  widmen,  der  gröfsten  Beliebtheit. 

Die  zur  Besprechung  vorliegende  sechste  Auflage  ist,  den  Erforder- 
nissen der  Neuzeit  entsprechend,  von  H.  Deiter  bearbeitet  Vergleicht 
man  sie  mit  frOheren  Auflagen,  so  mufs  man  anerkennen,  dafs  die  aus 
jenen  übernommenen  Partien  (zweites  Kapitel:  Name,  Begriff  und  um- 
fang der  klassischen  Philologie;  drittes  Kapitel:  Die  einzelnen  Disziplinen 
der  klassischen  Philologie;  fünftes  Kapitel:  Die  Meister  der  klasriscben 
Philologie  in  alter  und  neuer  Zeit;  sechstes  Kapitel:  Die  Bibliothek  des 
Studierenden  der  klassischen  Philologie)  in  vorteilbaftestor  Weise  gekfirzt 
bzw.  erweitert  und  berichtigt  worden  sind.  Neu  hinzugetreten  sind  das 
erste  Kapitel:  Die  Universität  und  ihre  Einrichtungen,  das  vierte  Kapitel: 
Das  Studium  der  klassischen  Philologie  nebst  Yerteilui^  der  Arbeit  auf 
acht  Semester;  wie  diese,  so  tragen  auch  die  beiden  letzten  Kapitel  (die 
Staatsprüfung  und  die  Promotion)  nicht  nur  der  wissenschaftlichen,  son- 
dern auch  der  praktischen  Seite  des  Studiums  Rechnung,  indem  sie  dem 
ai^h^den  Philologen  eine  Fülle  schätzenswerter,  auf  reiflicher  Er- 
wägung beruhender  Batschläge  an  die  Hand  geben.  Nicht  ohne  Interesse 
ist  auch,  von  den  übrigen  Zutaten  abgesehen,  die  im  Anhange  mitgeteilte 
Zusammenstellung  der  jetzigen  Lehrer  der  klassischen  Philologie  und  ihrer 
hauptsächlichsten  Vorlesungen  im  Sommersemester  1903. 

Da  die  vorliegende  Auflage  also  mit  vollem  Bechte  als  eine  ver- 
noehrte  und  verbesserte  bezeichnet  werden  darf,  sei  sie  allen,  die  ihre 
Schritte  dem  Studium  der  klassischen  Philologie  zulenken,  als  zuverlässiger, 
zeit-  und  sachgemäfser  Mentor  aufs  beste  empfohlen! 

Wernigerode  a.  H. Max  Hedermaim. 

324)  Toreau  de  Mamey,  Grammaire  &an9ai8e  idöographique. 

Französische    Grammatik    mit    suggerierenden    (ideographischen) 
Zeichen.  Leipzig«  £.  Haberland,  1903.  VII  u.  134  S.  8.  Ji  2.50. 
Der  Verf.  dieses  Buches  will  mit  Hilfe  der  Ideographie,  d.  L  einer 
Methode,  Begriffe  und  Oedanken  durdi  kurae  und  einfache  Zekhen  dar- 


616  Nene  Philologische  KnndBchan  Nr.  26. 

zustellen  und  dem  Gedächtnis  einzuprägen,  den  Lernenden  befähigen,  sich 
alle  Einzelheiten  der  französischen  Grammatik  schnell  und  sicher  anzu- 
eignen. Ein  ungeahnter  Erfolg  soll  der  Lohn  dieser  neuen  Lehrweise  sein. 
Ich  mufs  gestehen,  dafs  ich  nicht  einzusehen  vermag,  inwiefern  die 
aus  geraden  und  krummen  Linien  bestehenden  Diagramme  dazu  beitragen 
könnten,  die  Übermittelung  der  Formen  und  Gesetze  der  fremden  Sprache 
zu  erleichtern.    Insbesondere  scheint  mir  die  Einübung  der  Konjugation 
an  der  Hand  der  symbolischen  Zeichen  durchaus  nicht  vereinfacht    Denn 
eine  Vereinfachung  liegt  doch  nicht  darin,  wenn  z.  B.  verlangt  wird,  dafs 
21  unregelmäfsige   Imperfektformen   besonders  gelernt   werden.     Bisher 
leitete  man  dieses  Tempus  von  der  nous-Form  des  Präsens  ab,  und  es 
ergab   sich   dabei,   dafs   die  französische  Sprache  keine  einzige  unregel- 
mäfsige Imperfektform  hat.    An  anderer  Stelle  wird  der  Nutzen  der  Ver- 
allgemeinerung besonders  lebhaft  betont.    Es  wird  gesagt,  dafs  man  alle 
Verben  der  ersten  Konjugation  zu  handhaben  versteht,   sobald  man  ein 
Verb  dieser  Konjugation  gründlich  gelernt  hat.  Glaubt  denn  der  Verf.,  dafs 
das  bei  den  bisherigen  Methoden  anders  war?    Welchen  Zweck  hat  es, 
Infinitive  wie  ester,  quärir,  fiorir,  chaloir,  duire,  tistre  u.  a.  zu  verzeichnen  ? 
Wozu  ist  es  nötig,  die  Paradigmen  der  vier  Konjugationen  an  drei  ver- 
schiedenen Stellen  aufzufuhren  und  fragende,  verneinte  und  passive  Formen 
durch  ganze  Tempora  hindurch  zur  Anschauung  zu  bringen?    Die  Folge 
davon  ist,  dafs  die  Behandlung  des  Verbs  einen  unverhältnismäfsig  grofsen 
Raum  einnimmt,  drei  Viertel  des  ganzen  Buches.     Wird  sich  der  Schüler 
das  Geschlecht  der  Substantive  besser  merken,  wenn  man  ihm,  wie  es 
S.  102  geschieht,   25  weibliche  Endungen   mit   zahlreichen  Ausnahmen 
bietet?    Der  lautliche  Teil  ist  im  allgemeinen  korrekt,  doch  sollte  man 
nicht  französische  Laute,  z.  B.  p,  t  und  h  den  entsprechenden  deutschen 
Lauten   gleichsetzen.    Ebensowenig   ist   der  dumpfe  französische  e-Lant 
gleich  deutschem  e  in  Gabe.    Noch  auffälliger  ist  S.  15  die  Behauptung, 
dafs  die  Verbalendung  ai  wie  ä  ausgesprochen  wird. 

Der  Fleifs,  den  der  Verf.  auf  sein  Werk  verwandt  hat,  verdient  alles 
Lob ;  aber  die  Methode,  die  er  empfiehlt,  wird  schwerlich  Anhänger  finden. 
Altona-Ottensen. B.  Schmidt. 

325)  Fr.  Lotsch  et  E.  de  Sauzö,   Journal   des  demoiselles. 

Leipzig,  Bengersche  Buchhandlung,  1903.  8.      Jährlich  Ji  6.—. 
Dem  bei  Benger  erscheinenden  und  von  Imker  herausgegebenen  Fran- 
zösisch-englischen  Lern-    und  Übungsblatt   (English- Journal -Fran9ais), 


'^ 


Nene  PbilologlBcbe  Bnndsehan  Kr.  26.  617 

welches  hauptsächlich  ffir  die  männliche  Jugend  bestimmt  ist,  hat  sich 
neuerdings  in  gleichem  Verlage  als  Gegenstfick  für  die  weibliche  —  zu- 
nächst freilich  nur  fßr  die  französische  Sprache  —  oben  genannte  Zeit- 
schrift zugesellt. 

Die  bisher  vom  April  bis  September  erschienenen  elf  Nummern  lassen  er- 
kennen, dafs  es  den  Herausgebern  mit  ihrer  Absicht  den  jungen  Leserinnen 
ein  Mittel  zu  liefern  zur  Erhaltung  ihrer  sprachlichen  Kenntnisse  und  zur 
EinfQhrung  in  das  literarische  Leben  Frankreichs,  durchaus  ernst  ist. 
Der  Inhalt  setzt  sich  in  bunter  Abwechselung  aus  kleinen  Erzählungen, 
literarischen,  wissenschaftlichen  und  kulturgeschichtlichen  Mitteilungen,  Ge- 
dichten, Anekdoten,  Bätsein  u.  a.  zusammen,  und  fiberall  merkt  man,  dafs 
bei  der  Auswahl  mit  peinlicher  Sorgfalt  verfahren  wird  und  in  stetem 
Hinblick  auf  das  Ziel  den  Leserinnen  Anregendes  und  Belehrendes  in  an- 
genehmer Form  zu  bieten. 

Von  Artikeln  literaturgeschichtlichen  Inhalts  heben  wir  hervor  Y.  Hugo, 
prosateur,  worin  neben  einer  gerechten  Würdigung  des  Dichters  auch  hfibsche 
Episoden  aus  seinen  beiden  bedeutendsten  Bomanen  Notre  Dame  de  Paris 
und  Les  Miserables  geboten  werden,  ferner  Legouv^,  Tart  de  bien  lire,  Gaston 
Paris  und  Chansons  populaires.  Auch  eine  der  neuesten  Gestalten  auf 
dramatischem  Gebiete  wird  vorgeffihrt,  der  vielgefeierte  Verfasser  des  Cy- 
rano  de  Bergerac,  Edmond  Bestand,  und  in  der  letzten  Nummer  wird  auch 
mit  dem  Abdruck  eines  amfisanten  dramatischen  Schwanks  der  älteren 
Zeit,  der  bekannten  Farce  Patelin,  begonnen. 

Ober  Sitten  und  Gebräuche  handeln  u.  a.  die  Artikel  Mai,  les 
Bosi^res,  Feux  de  la  Saint-Jean,  üne  Strange  coutume.  Von  Erzählungen 
nenne  ich  Mateo  Falcone  von  Merim^e,  eine  korsische  Geschichte;  Jean 
Beboul,  eine  Probe  von  A.  Dumas*  Erzählungskunst,  aufserdem  ein  Stflck 
aus  Poum,  dem  reizenden  Werkchen  von  Paul  et  Victor  Margueritte,  den 
schon  berfihmt  gewordenen  Söhnen  des  im  Todesritt  von  Sedan  gefallenen 
tapferen  Beitergenerals.  Etwas  zu  rührselig  ist  nach  meinem  Geschmack 
L'Orgue  enchantä  von  Bouchez;  doch  mag  das  ja  für  manche  jugendliche 
Leserinnen  gerade  das  Bichtige  sein. 

Wir  können  nicht  umhin,  die  Verfasser  zu  diesem  AnfiE^ng  ihres 
Unternehmens  zu  beglückwünschen  und  glauben  ihnen  einen  guten  Erfolg 
davon  voraussagen  zu  dürfen. 

Dessau. 


618  Nene  FhiMogifolie  Bondiehaii  Kr.  26. 


326)  English  Men  of  Letten.  Frederio  HaniBOiii  John  Buakm. 
London,  Macmillan  &  Co.,  1902.  YIII  a.  216S.  8.  geb.  2  b. 
Die  früher  erschienenen  Biographien  Buskins  sind  entweder  sehr  nm- 
fangreich  oder  einseitig  and  Iflckenhaft  und  dämm  kritisch  nicht  zuver- 
lässig. Die  vorliegende  hat  nun  jenen  gegenüber  unleugbare  Vorzüge. 
Sie  ist  von  hoher  Warte  geschrieben,  das  Werk  eines  feinsinnigen,  weitherzi- 
gen Literaten,  eines  Meisters  der  englischen  Prosa,  und  bietet  auf  216  Seiten 
eine  vollständige  aber  zusammengedrängte,  eine  sympathische  aber  durch- 
aus unparteiische  Darstellung  des  Lebens  und  der  Werke  John  Buskins. 
Die  'English  Men  of  Letters"  Series*  hat  durch  die  vorliegende  Mono- 
graphie also  eine  wertvolle  Bereicherung  erfahren«  Harrisons  Darstellung 
beruht  auf  persönlichen  Erinnerungen  an  gemeinsames  Streben ,  auf  einer 
genauen  Kenntnis  der  vorhandenen  Literatur  und  vor  allem  auf.  einem 
vorurteilslosen  Studium  der  Ideen  Buskins.  Er  hat  es  verstanden,  die 
günstigen  und  ungünstigen  Einflüsse,  welche  auf  Buskin  von  Kindheit  an 
einwirkten  und  sein  späteres  Wesen  bestimmten,  so  einzuordnen,  dafs  dem 
Leser  das  schliefsliche  tragische  Geschick  nicht  nur  verständlich,  sondern 
folgerichtig  erscheint.  Buskins  Ideen  aber  hat  er  nicht  nur  nachgedacht, 
sondern  auch  prüfend  weitergedacht.  Und  hier  setzt  dann  seine  Kritik 
ein,  die  bei  allem  Wohlwollen  Buskins  Schwächen  nicht  übergeht  und 
seine  Schlufsfolgerungen  nicht  teilt  In  dieser  unparteiischen,  Punkt  für 
Punkt  geübten  Kritik  scheint  mir  der  Hauptwert  des  Buches  zu  liegen, 
während  ich  den  andern  in  der  kondensierten  Vollständigkeit  seines  In- 
halts finden  mOchte.  Alle  bedeutenderen  Werke  Buskins  sind  charakteri- 
siert, doch  ohne  lange  Exkurse  oder  Inhaltsangaben.  Nur  'Fors\  das  neben 
vielem  Unbrauchbaren  Buskins  typische  Gedanken  enthält,  ist  mehr  Baum 
gewidmet.  Jeder  menschlich  Fühlende  wird  nicht  ohne  Eiigriffenheit  die 
Kapitel  über  Buskins  persönliches  Leid,  seine  Enttäuschungen  und  selbst- 
quälerischen Gedanken  lesen.  Interessant  sind  die  Partien,  wo  Harrison 
die  Punkte  hervorhebt,  in  denen  sich  Buskin  mit  A.  Gomte  berührt,  ohne 
Sympathie  für  ihn  zu  haben  oder  ihn  auch  nur  zu  kennen.  Auf  die 
sozialen  Schriften  1^  Harrison  indes  mit  Becht  das  gröfsere  Gewicht 
und  nennt  Buskin  bezeichnend:  'a  pioneer  of  the  things  which  to-day  the 
best  spirits  of  our  time  yeam  to  see\  Buskins  Kunstphilosophie  mag 
hinter  uns  liegen  —  seine  Verdienste  um  neue  Ideale  kann  niemand 
schmälern  — ,  und  wenn  wir  auch  heute  vielerlei  von  seinen  sozialen 
Forderungen  erfüllt  sehen  —  in  Deutschland  z.  B.  Unfall-,  Alters-  und 


Nene  PhOoIogisohe  Bnndiebaa  Kr.  26.  619 


InyalidenversicheniDg — ,  so  murs  doch  unser  soziales  Gewissen  noch  eine 
bedeutende  Schärfung  erfahren.  Und  nach  dieser  Sichtung  hin  wird  auch 
das  vorliegende  Buch  wirken,  dessen  LektQre  ich  warm  empfehlen  kann. 
Denn  es  handelt  sich  schliefslich  um  die  Darstellung  des  Versuchs  eines 
bedeutenden  Mannes,  ernste  Eulturfragen  zu  lösen,  durch  einen  Mitkämpfer 
von  klarem  Blick  und  warmem  Herzen. 

Bremen.  P.  Wllkeas. 

327)  Bonner  Beitrftge  snir  Anglistik.  Herausgegeben  von  M.  Traut- 
mann.  Heft  VII:  Trautmann,  Finn  und  Hildebrand.  Zwei 
Beiträge  zur  Kenntnis  der  altgermaniscben  Heldendichtung. 
Heft  VIII:  E.  Krämer,  Die  altenglischen  Metren  des  Boetius. 
Herausgegeben  und  mit  vollständigem  Wörterbuch  versehen. 
Heft  XII:  Sammelheft.  Bonn,  P.  Hansteins  Verlag,  1903. 
1902.     131,  150,  182  S.  8.  JH  4.50-,  Jf  4.50;  Ji  5.-. 

Von  dieser  schönen  Bonner  Sanmüung,  deren  letzte  Heftgruppe 
(IX — XI)  wir  auf  S.  597  S.  im  Jahrg.  1902  dieser  Zeitschr.  kurz  besprochen 
haben,  zeichnet  sich  das  uns  nunmehr  vorliegende  XII.  Heft  durch  einen 
sehr  merkwfirdigen  Inhalt  aus.  Zwar  der  erste  Aufsatz  Finn  fällt  aus 
dem  Bahmen  des  Gewohnten  nur  dadurch  äu&erlich  heraus,  dals  Traut- 
mann die  altenglischen  Buchstaben,  so  wie  sie  in  den  Handschriften  ge- 
schrieben sind,  nachbilden  ]iefs  und  nun  in  dieser  historisch  getreuen,  uns 
zunächst  zwar  etwas  auffällig  erscheinenden,  aber  im  Grunde  doch  an- 
erkennenswerten Form  die  altenglischen  Vierte  abdruckt,  ein  Verfahren, 
das  zweifellos  f&r  die  Beurteilung  textkritischer  Fragen  viel  ffir  sich  hat. 
Inhaltlich  bietet  der  Aufsatz  eine  dankenswerte,  von  einigen  Fehlgriffen 
allerdings  nicht  freie,  aber  scharfsinnige  und  sachliche  kritische  Erläuterung  der 
beiden  bekannten  Finntexte,  Beowulf  V.  1069—1159  und  des  Finnbruch- 
stfickes.  Auf  diese  „Berichtigung  und  Erklärung^'  der  Texte  folgen  dann 
einige  Bemerkungen  fiber  die  uns  nur  recht  dfirftig  bekannte  Finnsage, 
darauf  ein  Abdruck  der  von  Trautmann  neu  hergestellten  Texte  in  den  alt- 
englischen Typen  und  eine  von  ihm  angefertigte  neuhochdeutsche  Über- 
setzung davon.  —  Der  zweite  Beitrag  aber,  Hilddfrand,  ist  &st  revolu- 
tionär zu  nennen,  denn  er  stellt  die  gänzlich  neue,  kfihne  Behauptung 
auf,  dafs  das  bekannte  althochdeutsche  Hildebr<mdslied  nicht  deutschen, 
sondern  altenglischen  Ursprunges  sei  und  dafs  die  uns  erhaltene  Fassung 
nichts  als  eine  Übersetzung  aus  dem  Altenglischen  ist.    Auf  sechs  Grfinde 


620  Neue  Fhilologigche  RnndBchan  Nr.  26. 

stfitzt  er  diese  Thesen:  1)  kommen  in  der  Handschrift  mehrere  alteng- 
lische  Buchstaben  vor,  2)  enthält  sie  einige  altenglische  Worte,  3)  stim- 
men ganze  Wendungen  mit  solchen  flbereln,  die  wir  ans  der  Sprache  der 
altenglischen  Dichter  kennen,  4)  ergeben  richtige  althochdeutsche  Verse  bei 
wörtlicher  Übersetzung  ins  Altenglische  richtige  altenglische  Verse,  5)  wer- 
den fehlerhafte  althochdeutsche  Verse  bei  wörtlicher  Übersetzung  zu  rich- 
tigen altenglischen  Versen  und  6)  entstehen  beim  Übersetzen  tadellose 
altenglische  Verse,  wenn  man  unnötige  und  der  Sprache  der  altenglischen 
Dichter  ungemäfse  Worte  tilgt!  Dem  Beweise  dieser  Behauptungen  gilt 
die  gesamte  umfangreiche  „Berichtigung  und  Erklärung'^  des  Textes,  bei 
der  es  an  Gewalttätigkeit  und  Willkür  gegenüber  der  Überlieferung  keines- 
wegs fehlt,  wenn  auch  ein  paar  glückliche  Erklärungsversuche  nicht  ab- 
geleugnet werden  sollen.  Im  einzelnen  auf  eine  Widerlegung  dieser  selt- 
samen Hypothese  einzugehen ,  die  dem  Germanisten  nicht  schwer  fallen 
dürfte,  ist  hier  nicht  der  Ort,  und  es  sei  nur  auf  H.  Jantzens  Au&atz  in 
Nr.  209  der  Beilage  zur  Allg.  Ztg.  (München)  hingewiesen,  der  ausführ- 
lich dagegen  zu  Felde  zieht  und  an  dem  altniederdeutschen  Ursprung  des 
Liedes  festhält. 

Heft  Vni  bringt  dagegen  mit  der  schönen  neuen  Ausgabe  der  Metra 
des  Boetius  von  Krämer  wieder  eine  sehr  ernsthafte  und  anerkennenswerte 
Leistung,  die  sich  durch  besondere  Sorgfalt  und  Besonnenheit  in  der  Text- 
besorgung auszeichnet.  Die  Einleitung  handelt  ausführlich  über  Über- 
lieferung und  Quellen,  über  Versbau  und  Sprache  und  vor  allem  über  die 
Ver&sserfrage.  Krämer  bleibt  auf  Grund  eingehender  Prüfung  des  Ma- 
terials und  der  bisher  geäufserten  Meinungen  bei  der  Ansicht  beharren, 
dafs  König  Alfred  ihr  Verfasser  sei.  Zwar  könne  man  das  nicht  unzwei- 
deutig beweisen,  aber  man  könne  noch  weniger  stichhaltige  Gründe  da- 
gegen anführen.  Es  folgt  dann  nach  einer  Übersicht  über  die  bisherige 
Literatur  die  kritische  Ausgabe  selbst  und,  was  besonders  wertvoll  ist, 
ein  vollständiges  Wörterbuch  zu  den  Gedichten  mit  Angabe  aller 
Belegstellen. 

Das  Sammelheft  XII  enthält  vier  gröfsere  Arbeiten.  In  der  ersten 
legt  H.  Forstmann  etwas  weitschweifige  „Untersuchungen  zur 
Guthlac-Legende^*  vor  (S.  1—40).  Ihr  erster  Abschnitt  erörtert 
sehr  breit  das  Verhältnis  des  altenglischen  Guthlac  zur  Vita  S.  Guthlaci 
von  Felix  von  Groyland  und  gelangt  nur  zur  Bestätigung  der  längst  fest- 
gestellten Tatsache,  dafs  beide  Werke  voneinander  unabhängig  sind.   Wich- 


Nene  Fhilologisobe  Bandscliaa  Nr.  26.  621 

^      ■  ■     ■  ..  ■_. •■•■  •  ■•=  'B. 

tiger  ist  der  zweite  Abschnitt,  der  eine  Ausgabe  der  mittelenglischen 
Guthlac- Legende  nach  den  beiden  vollständigen  Handschr.  gibt  und 
die  Vita  als  Quelle  des  Dichters  erweist.  Ein  SchluCsabschnitt  endlich 
stellt  eine  Bibliographie  der  in  England  erschienenen  Guthlac-Biographien 
zusammen.  —  In  der  zweiten  Abhandlung  legt  L.  Ostermann  „ünter- 
guchungen  zu  Batis  Baving  und  dem  Gedicht  the  Thewis  of 
Gud  Women^'  vor  (S.  41—102),  die  zunächst  eine  Laut-  und  Flexions- 
lehre enthalten;  danach  werden  die  Gedichte  in  den  Sfiden  Schottlands 
und  in  die  zweite  Hälfte  des  15.  Jahrb.  eingeordnet.  Auch  die  metri- 
schen Verhältnisse  und  die  Verfasserfrage  werden  erörtert;  als  wichtigstes 
Ergebnis  ist  dabei  hervorzuheben,  das  Browns  im  Y.  Hefte  der  Beiträge 
aufgestellte  Behauptung,  die  Gedichte  stammten  von  einem  Geistlichen 
am  Hofe  Jakobs  L,  namens  David  Bäte,  als  hinfällig  erwiesen  wird.  — 
Bein  metrischen  Fragen  ist  die  dritte  Arbeit  von  A.  Schneider  ge- 
widmet, „Die  mittelenglische  Stabzeile  im  15.  und  16.  Jahr- 
hunderte Auf  Grund  fleifsiger  und  sorgfältiger  Beobachtungen  an  einer 
Beihe  datierbarer,  meist  schottischer  Gedichte  wird  nachgewiesen,  —  alles 
nach  Trautmannscher  Methode  und  ganz  in  seinem  Sinne  —  dafs  die  in 
Frage  kommenden  Verse,  die  teils  mit,  teils  ohne  Endreim  sind,  ebenso 
wie  die  gleichartigen  des  14.  und  15.  Jahrh.  als  Siebeutakter  aufzufassen 
seien. —  Der  letzte  Aufsatz  von  W.Heuser,  „Festländische  Ein- 
flüsse im  Mittelenglischen'S  wirft  eine  sehr  wichtige  und  noch 
wenig  geklärte  Frage  auf,  indem  er  einen  Teil  des  Einflusses  zu  erweisen 
versucht,  den  die  niederländische  (vlämische)  Sprache  auf  die  englische 
ausgeübt  haben  kann.  Mehrfache  Schreibungen  und  Formen  in  mittel- 
englischen Bomanzen  deuten  ziemlich  sicher  darauf  hin,  dafs  ein  solcher 
stattgefunden  hat;  ob  dem  wirklich  so  ist,  und  in  welchem  Mafse  er  vor- 
handen ist,  das  genauer  zu  ermitteln,  mufs  noch  weiterer  Forschung  vor- 
behalten bleiben,  aber  schon  die  Anregung  Heusers  ist  jedenfalls  mit  Dank 
und  Anerkennung  zu  begrüfsen.  -tz-. 


328)  Otto,    Oennan  Conversation-Orammar.    (Method  Gaspey- 
Otto-Sauer.)    28^   Edition,  revised  by  Franz  Lange«    Heidel- 
berg, London,  etc.,  Julius  Groos.    VIII  u.  418  S.  8.   geb.  ^5.—. 
Die  vorliegende  neueste  Auflage  des  altbekannten  und  in  der  Praxis 
gut  bewährten  Ottoschen  Lehrbuches  unterscheidet  sich  von  der  vorher- 
gehenden Ausgabe,  abgesehen  von  Verbesserungen,  die  der  Heransgeber 


Neae  Philologische  Btindflchaü  Nr.  26. 


auf  Grund  aeiner  Erfahrungen  als  ehemaliger  Examinator  der  deutschen 
Sprache  und  Literatur  an  der  Universität  Manchester  im  einzelnen  ein- 
geführt hat,  namentlich  dadurch,  dafs  jetzt  im  zweiten  Teil  tOt  die  früheren 
Übungsstücke  zusammenhängende  Leseabschnitte  eingesetzt  worden  sind, 
und  dafs  ein  ausführliches  alphabetisches  Wörterverzeichnis  zu  den  eng- 
lisch-deutschen Stücken  hinzugekommen  ist.  Wir  haben  das  Buch  in 
einer  früheren  Auflage  längere  Zeit  hindurch  beim  Privatunterricht  be- 
nutzt und  mit  diesem  recht  befriedigende  Erfolge  erzielt.  Die  Ände- 
rungen in  der  neuen  Ausübe  werden  die  Brauchbarkeit  der  Sprachlehre 
jedenfalls  nur  erhöhen.  Vielleicht  wäre  es  kein  Fehler,  wenn  später  ein- 
mal etwas  mehr  Hilfen  für  die  Aussprachen  hinzugefügt  würden,  nament- 
lich da,  wo  die  Quantität  eines  Vokals  zweifelhaft  sein  kann  (lachen,  er- 
wachen, Sache,  nach  und  nach,  brach,  stach,  Küste,  Wüste  u.  dgl.), 
Etwas  „bookish^^  ist  teilweise  noch  die  Anwendung  des  Konjunktivs 
Praesentis,  wie  sie  auf  S.  268  ff.  gelehrt  wird.  Der  Indikativ,  welcher 
hier  in  manchen  Fällen  als  erlaubt  hingestellt  wird,  mufste  zumeist 
soweit  wenigstens  die  ungezwungene  Umgangssprache  und  auch  der  nicht 
rhetorisch  gefärbte  Schreibstil  in  Frage  kommt,  als  das  jetzt  fast  einzig 
Gebräuchliche  bezeichnet  werden.  Wir  meinen  Sätze  wie  z.  B.  die 
folgenden  (S.  269):  „Sagen  Sie  es  ihm,  damit  er  es  wisse ^S  „Verstecken 
Sie  sich,  damit  man  Sie  hier  nicht  finde.''  (S.  271):  „Bitten  Sie  Ihren 
Vater,  dafs  er  Ihnen  Geld  gebe."  „Ich  erlaube  (oder:  rate)  nicht,  dals 
er  nach  Paris  gehe.''  Auch  die  feinen  Unterschiede  zwischen  Indikativ 
und  Konjunktiv,  welche  auf  S.  272  unter  (d)  gelehrt  werden,  kommen  für 
die  ungezwungene  Sprech-  und  Schreibweise  jetzt  nicht  mehr  in  Frage: 
man  setzt  überall  beim  Präsens  (bzw.  Fatur)  in  den  betreffenden  Fällen 
ruhig  den  Indikativ.  Der  Konjunktiv  des  Praeteritums  (würde)  ist 
besser  als  der  des  Präsens  in  dem  auf  S.  269  gegebenen  Beispiele:  „Sie 
begleiteten  ihn,  damit  er  nicht  mutlos  werde."  Noch  idiomatischer 
allerdings  wäre  „damit  er  nicht  mutlos  werden  sollte".  -i- 


329)  A.  Faz  y  Mölia,  Taschenwörterbuch  der  spanischen 
und  deutschen  Sprache.  Berlin,  Langenscheidtsche  Yerlags- 
buchhandlung  (o.  J.).  XY  u.  525  u.  486  S.  8.  Beide  Teile  in 
einem  Bande.  geb.  Jf  8. 50. 

Das  vorliegende,  von  dem  Oberbibliothekar  an  der  Madrider  National- 
bibliothek Paz  7  Melia    zusammengestellte   Taschenwörterbuch   zeichnet 


Nene  Philologische  Bnndschau  Nr.  26.  628 

sich  wie  alle  YeröfifentlichungeD  der  Yerlagsfirma  durch  vorzfiglich  klaren 
Druck  und  schöne,  fibersichüiche  Anordnung  yorteilhafb  aus.  Gerade  bei 
Taschenwörterbfichem ,  bei  denen  es  in  erster  Linie  auf  bequeme  Be- 
nutzung ankommt,  ist  dies  immer  das  Haupterfordernis.  Alles  andere 
erscheint  dagegen  nebensächlich.  Aber  das  vorliegende  Wörterbuch  ver- 
einigt hiermit  auch  noch  einige  andere  Vorzüge.  Es  bietet  in  der  be- 
kannten, aber  hiBr  etwas  vereinfachten  phonetischen  Umschreibung  der 
Methode  Toussaint-Langenscheidt  die  genaue  Aussprachebezeichnung.  Auf- 
ge£allen  ist  mir  jedoch,  dafs  die  Qualität  der  offenen  und  geschlossenen 
e  und  0  nicht  angegeben  ist.  Dies  müfste  fflr  die  betonten  Silben  wenig- 
stens durchgeführt  werden.  Ein  Hauptgewicht  ist  ferner  darauf  gelegt, 
dafs  nur  echt  kastilianische  und  wirklich  gebräuchliche  Wörter,  castellano 
castizo,  aufgenommen  sind ;  daf&r  bürgt  die  Autorität  des  Verfassers.  Bei 
einer  neuen  Auflage  dürfte  es  zweckmälsig  sein,  bei  den  spanischen  Verben 
Abweichungen  in  Betreff  der  Konjugation  anzugeben. 

Das  in  bequemem  Format  gedruckte  Werk  wird  allen  denen,  die 
eines  Wörterbuches  zu  praktischen  Zwecken,  auf  Reisen,  beim  Lesen  und 
im  Geschäft  bedürfen,  sehr  willkommen  sein. 

Bremen.  W.  RShrs. 


330)  K.  Markscheffel,  Der  Internationale  Schülerbriefwechsel. 

'  Marburg,  Elwert,  1903.    44  S.  8.  JH  —.80. 

Die  Schrift  gibt  eine  knappe  Darstellung  von  der  Entwickelung  dieser 
Einrichtung  und  hebt  die  Verdienste  ihrer  hauptsächlichen  Förderer: 
Mieille,  Stead  und  Hartmann  gebührend  hervor.  Unter  den  Zeitschriften, 
welche  f&r  diese  Institution  eintreten,  wäre  auch  die  Nonysche  Les  Quatre 
Langues  zu  erwähnen;  auch  sie  vermittelt  Korrespondenten  und  wendet  sich 
mit  ihrem  Inhalt  an  Schüler.  Der  Verf.  legt  ferner  den  vielseitigen 
Nutzen  des  internationalen  Schülerbriefwechsels  dar,  ohne  ihre  Mängel  zu 
verschweigen,  mit  Ausnahme  eines  und  eines  sehr  gewichtigen :  ich  meine 
die  durch  den  brieflichen  Verkehr  übertragenen  moralischen  Schäden, 
deren  Möglichkeit  meines  Erachtens  bei  dem  in  Frankreich  vorherrschen- 
den System  von  Internaten  und  bei  der  oft  bedenklichen  Orientierung  der 
Neigungen  ihrer  Zöglinge  nicht  ganz  von  der  Hand  zu  weisen  ist.  Und 
eine  strenge  Überwachung,  an  sich  schon  dem  Wesen  des  Briefwechsels 
widerstreitend,   ist  unmöglich  und  das  um  so  mehr,   als  die  Adressen- 


624  Nene  Philologische  RnndflchAQ  Nr.  26. 

YermitteluDg  sehr  oft  nicht  durch  die  Zentrale,  sondern  durch  andere,  schon 
korrespondierende  Schfiler  geschieht. 

Zum  Schlufs  gibt  M.  einige  BrieFproben  aus  seinem  Weimarer  Er- 
fahrungskreise  und  im  Anhang  die  Begeln  für  den  internationalen  Schüler- 
briefwechsel. 

Flensburg.  K.  Engelke. 

Vakanzen. 
Gr.-Lichterfelde,  0.  Obl.  Deutsch  u.  N.  Spr.    Kuratorium. 
Gaben,  HMS.    Direktor  (N.  Spr.).    Magistrat. 
Hagen  1.  W.,  G.  u.  RG.  Obl.  Math.  u.  Phys.    Direktor  Dr.  Braun. 
Kiel,  Bef.-G.  Obl.  Gesch.    Magistrat. 
limbarg,  G.  u.  BG.  Obl.  Math.  u.  Phys.    Kuratorium. 
Lippstadt,  BG.  Obl.  Gesch.    Direktor. 
Montabaur^  G.  Obl.  Deutsch.    Kuratorium. 
M.-Gladbach,  OB.  Obl.  N.  Spr.    Oberbfirgermeister. 
Neanklrchen,  BG.  Obl.  N.  Spr.    Kuratorium. 
Eemscheid,  Beform-Sch.  Obl.  Lat.    Direktor. 
Schweidnitz,  G.  Obl.  Deutsch,  Lat.,  Griech.    Magistrat. 
Viersen,  G.  Obl.  Gesch.  u.  Deutsch.    Bürgermeister. 

Verlag  Ton  Friedrich  Andreas  Perthes,  Aktiengesellschaft,  O^otha. 

Deutsch-lateioisches  Ubmigsbuch  für  Quarta 

im  Anschlufs  an  die  Lektüre  des 

Ooirzxell'u.s  3>srex>os. 

Von 

Netzker  und  Bademann. 

Preis  M  2.— 


Für  den  Sehulgebraueh 

erklärt  von 

Dr.  Karl  Linde, 

Oberlehrer  am  HerzogL  Gymnaninm  zn  Helmstedt 
Preis:  Ji  1.20. 

Zn  beziehen  durch  alle  Bachhandlnngen. 


Für  die  Bedaktlon  rerantworüieh  Dr.  E.  Ludwig  in 
Dmclc  und  Verlag  Ton  Friedrich  Andreae  Perthes,  Aktiengesellaehafl,  Gotha 

Hierzu  als  Beilagen:  1)  Titel  und  Register  zn  Jahrgang  1908  der  .»ICeaeii 
Philologiselien  Bnndseium^^ ;  2)  Prospekt  der  Weidmannselien  Bneliluuidliiiif  in 
Berlin  SW.,  betr.  Gau  er,  Grammatioa  militans,  u.  a.  Verlagswerke.