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Neue
PhilologischeRundschau
Herausgegeben
von
Dr. C. Wagener und Dr. E. Ludwig
Bremen.
JahrganK 1008«
Ootha.
Friedrich Andreas Perthes
Aktiengesellsohaft.
1903,
Register zur ,, Neuen Philologisohün Rundschau''
Jahrgang 1903.
A. Originalaitlkel:
I. Verwendbarkeit und Form einsprachig
kommentierter Schulaasgaben für den
französischen ind englischen Unterricht
(E. Beckmann) p. 1.
II. Zo Agrippa d'Anbign^ Tragiqnes ans
Anlals neuerer Ansgaben (Carl Friesland)
p. 145.
III. Die Mailander Demosthenes-Handschrift
D 112 sup. (J. Mav) p. 241.
lY. Zu Piatons Apologie, p. 26 D (Edm.
Fritze) p. 433.
V. Tacitenm (Gast Wörpel) p. 563.
B. Bezensioneii :
Aokerkneclit, Julius, Wie lehren wir
die neuen Vereinfachungen des Fran-
zosischen? (M. Krüger) p. 326.
Aigar, Alfred Brofsmer, Aigar et
Maurin, Bruchstücke einer Chanson de
geste nach der einzigen Handschrift in
Gent neu herausgegeben (M. Goldschmidt)
p. 280.
Altmann, Walter» Architektur und Or-
namentik der antiken Sarkophage (L.
Koch) p. 156.
Aly, Friedrich 9 Humanismus oder Hi-
storismus (Edm. Fritze) p. 232.
AmrithfWilhelm Freiherr y. Landau,
Beiträge zur Altertumskunde des Orients,
ni. Die Stele von Amrith. Die neuen
phönizischen Inschriften (B. Hansen)
p. 253.
Ij'Axmöe lingnlfltique publik sous les
auspices de la Soci^t^ de Philologie.
Tome I. 1901—1902, p. 523.
AoreliuB, Hilma» Etüde sur Temploi des
pronoms personnels Sujets en ancien
firan^ais (B. Böttgers) p. 501.
Appel, Jjadwig, Auswahl französischer
Gedichte p. 208.
Aristophaxiia Aves cum prolegomenis
et eommentarüfl edidit J. yan Leeu-
wen (Pongratz) p. 885.
Ariatophanefl, Fredericus H. M.
B 1 a y d e s , Spicilegium * Aristophaneum
(Pongratz) p. 268.
— Charles WilliamPeppler, Comic
Terminations in Aristophanes and the
Comic Fragments. Parti: Diminutiyes,
Character Names, Patronymics (Ph. We-
ber) p. 265.
AristoteleB, M. E. G a u s , Psychologische
Untersuchung zu der yon Aristoteles als
platonisch überlieferten Lehre yon den
Idealzahlen aas dem Gesichtspunkte der
platonischen Dialektik und Ästhetik (E.
Linde) p. 101.
ABbaoh, J., Zar Geschichte und Kultur
der römischen Bheinlande (0. Wacker-
mann) p. 180.
Aaher, David, Die Fehler der Deatschen
beim mündlichen Gebraach der eng-
lischen Sprache. 8. Auflage. Heraus-
gegeben yon Ph. Hangen (H. Ho£F-
schalte) p. 21.
Asmus, M., Cours abr^g^ de la litt^ra-
ture fran9ai8e depais son origine jusqu*a
nos jours (Carl Friesland) p. 591.
Afsmaxm, B., ygl. E. Meier.
AsBumptlo» £. Hack auf. Die älteste
mittelenglische Version der Assumptio
Mariae (-tz-) p. 351.
Aubanel, Nikolaus Welter, Theodor
Aubanel, ein proyenzalischer Sänger der
Schönheit (M. Ewert) p. 19.
Augier, Erich Meyer, Emile Aagier,
Le Gendre de Monsieur Poirier (P. Leja)
p. 306.
Bachol^ E., ygL Xenophon.
Baldwin, Jamea Mark, Dictionary of
Philosophy and Psychology. Vol. I, II
(F. Pabst) p. 565.
Ball, A F., ygl Seneca.
Bardenhewer, Otto, Geschiebte der alt-
kirchlichen Literatur. Erster Band : Vom
Ende des zweiten Jahrhunderts bis zum
Beginn des yierten Jahrhunderts (Eb.
Nestle) p. 613.
\\%ll^
IV
Nene Philologische RandBchan 1903.
Bardt, O., Komische Eomidien (H. Klam-
mer) p. 458.
Bartolotto, B, ygl. Demosthenes.
Baumann, Friedrich, Beform und Anti*
reform im nensprachlichen Unterricht
(Pries) p. 71.
Baumann 9 Ida, Die Sprache der Ur-
kunden aas Yorkshire im 15. Jahrhun-
dert (-tz ) p. 626.
Bayet, C, C. Pflster, A. Kleinolausz,
Le Ghristianisroe , les Barbares. M^fo-
▼ingiens et Carolin^iehs ( J. Jung) ]).d23.
Beohtel, F, Die attischen Fraaennamen
nach ihrem System dargestellt (Meltser)
p. 12.
— vgl. Bohert
Ileokö, lidiÜB, Helen Adair (Teidhmänn)
p. 380.
Beiträge zur klassisohen Philologie,
Alfred Schöbe dargebtächt 09) p. 299.
Bdthge, Itlöiiaird, Ergebnisse und Fort^
schritte der germanistischen Wissen-
sbbäft im letzteh Yierteljahthündert
(H. Spies) p. 142.
Behsi|g:llel, Der Gebranch dei^ Zeitformen
im konjünktiTischeti iTebensätz des Deut-
schen (C. D.) p. 454.
Bürt, ih», Der Hiat bei iPlantus uild die
lateinische Aspiration bis zum lO. Jahr-
hundert n. Chr. (W.) p. 313.
Bläjdeü, Fred. £L iA,, vgl. Afistöphanes.
Blülliher, Hugb, vgl. Ovid.
Boetias, E.Krämer, Die alfen^liächen
Vetren des Boetius (-iz-) p. 6l9.
Bdhm, Karl, vgl. Senecä.
BöiäfiOnnäBi B;^ H. Stihetet, tJhe Fa-
milie pefadant la Guerrö 1870/71 (E.
Werner), p. 258.
Bonner Bditrägd iuir Anglistik. HeN
ansgegeben ton M. Trautmann, fieft
Vll: Tratttmanh, Pinn und Hildebfahd.
Zwei Beiträge zui^ Eeiinttiis der altg^er-
inaoiächen Heldeüdichtiinfir. Heft Till:
E. Krämer, Die ältengUschen Metren
des Boetius. H«>rausgpgebeli und init
vollständigem Wörterbuch versehen. Heft
Xü: Sammelheft (-tz-) p. 610.
Boor, O. de, Excerpta de legationibus
(J. Sitzler) p. 603.
ßoTeti P., Vgl. Platö.
Boxler 9 Abb^ A., Pr^cis des Institu-
tioi s publiques de la Grece et de Rome
anciennes ( K Wacke^tnann) p. 555.
Brandt, Jonäa und lioeber, Übungs-
buch zum Übersetzen aus detn Deut-
schen ins Lateinische. I. Teil: Qdarta
von Karl Brandt, IH. Teil: Untef-
sektndA von Bichatd Jonas (E. Köh-
ler) p. 520.
ISirandt, F«, vgl. OVid.
BroXbmer, Alfr., vgl. Aigar.
BrugBoh, H., vgl. Herodotos.
Bruhn, E., Hilfsbuch fnr den griechi-
schen Unterricht nach dem Frankfurter
Lehrplan (F. Adami) p 518.
Brunnemann, Anna» Marcel Hubert et
Bofsmann, L'^bo littäraire, Journal
bi-mensuel, destin^e ä Tetude de la lan-
gue fran9aise (Bahrs) p. 471.
Buohetmann, SSdm., vgl. Botrou.
Budde, D. Karl, Das Alte Testament
und die Ausgrabungen (G. Fr.) p. 549.
Bürger, Bio., vgl. Ovid.
Mürgei3B, Th« O.» vgl. Studies.
Bumet, Jannes, vgl. Plato.
Bumett^FraneeBHodgBon, SaraCrewe.
Mit Anmerkungen zum Schulgebranch
versehen von F. M e r s in a n n (Job. Jent]
p. 70.
Caselius, Fr. Holdewey, Jugend-
gedichte des Humanisten Johannes Ca-
selius (K. Ldschhom) p. 230.
dauer, Paul, Palaestra vitae. Eine neue
Aufgabe des altklassischen Unterrichtes
(Edm. FHtze) p. 207.
Oaesar, Max Hodetmann, Unsef e Ar-
meespräche im Dienste der Cäsar-Übei:-
setzung (Bruncke) p. 252.
— A. Polaschek} Studien tut gram-
matischen Topik im corpus Caesarianum
(P. Menjje) p. 122.
— Bobert Schneider, Text und Über-
setzung zütn gallischen Kriege des 0.
lulius Caesar. I. Buch (B. Melige) p. 55.
Charton, G-rätien, Die Schwierigkeiten
der französischen Sprache. Gebrauchs-
ahweisnng von: „eä, ne, y tnd Subjonc-
tif" (K. doltermann) p. 140.
Chaüoei^, JohhKoch, Geof&ejr Chaucer,
The Pardoner's Ptologue and Tale (H.
Janizeä) p. 260.
Chryäoötdnius, Seth G. Gifford,
Pauli Epistolas qua foi*fnä legerit Jo-
annes Chrysostomüs (Eb. Nestle) p.
172.
Oioeronis olrätio pro F. Ooi^Olio
Bulla. Für den Schulgebranch erklärt
von P. Thümen (0. Wackermann) p.
605.
— A. Führer, Übungsstoflf zum Über-
setzen ins Lateinische im Anschlufs an
Ciceros Beden för S. Boscits, über den
Oberbefehl des Cn. Pompejus Und für
den Dichter Archiäs (E; Krause) p. 229.
^Hämmelrath «.Stephan, Übungs-
stücke zutn Übersetiett ins Lateifaische
für Sekunda tind Primä itn Anschluls
an Cicero (E. Krause) p. 402.
— H. de la Ville de Mirraoüi^ Cl-
odron (L. Beidhftrdt) p. 588.
^
Begjgter,
Cleeye, Iiuoas, The Man in tbe Street
(Teichmann) p. 380.
Columella, Wilhelm Lnndström,
L. Inni Moderati Oolnmellae opera quae
exstant. Fasciculns sextas rei msticae
libmm decimnm contin«n8 (0. Weise)
p. 554.
Corneille, Le Cid, herausgegeben yon
Ernst Dannheifser (Drees) p 113.
— J. B. Segali, Corneille and the
Spanish Drama (Goeri^ing) p. 233.
Cmmp, W. H., English as it is spoktn
(Fr. Blume) p. 501.
Caerwinka, JaUus, vgl. Shakespeare.
CurtiuB-v. Hartel, Griechische Schnl-
grammatik. 24. Auflage bearbeitet yon
Fl. Wei*rel {ß) p. 589.
Dani,Ba8tiaaji van, and Com. Stoffel,
Chapters on English Printing, Prosody,
and Pionnnciation (-tz-) p. 405.
Dannheifter, SS., ygl. Corneille.
Delahfl^ye, Victor, Dictionnaire de la
ProDonciatioD moderne (G Bolin) p. 472.
Despr^auz, XS., Histoire abr^gäe de la
litteratuTö fran^aise a Tnsage des ^tran-
gers (R. Mollweide) p. 209.
Dessau, Herrn., Jnscriptiones latinae
selectae, vol. 11, pars 1 (0. Hey) p. 363.
Deiter, H., Übungsstücke zum übersetzen
ins Lateinische im AnschloTs an Livias
1 und 11 (E. Kraase)..p. 63.
— Übungsstücke zum Übersetzen ins La-
teinische im Anscblnls an Livins XXI
(E. Krause) p. 63.
— vgl. Freund.
Demetrius, W. Eihys Roberts, De-
metnus on style. Tbe Greek texte of
Demetrius de elocatione edited after the
Paris manuscript with introduction,
translatioo, facsimiles etc. (Ph. Weber)
p. 389.
Demostene. Le tre orazione contro
Filippo iUaltrate da G. Bartolotto
(May) p. 361.
— W. W. Goodwin, Demosthenes on
the crown with critical and explanatory
notes and bistorical sketches and essays
p. 602.
— Engelbert Drerup, Vorlaufiger Be-
richt über eine Studienreise zur Erfor-
schung der Demosthenes - Überlieferung.
Mit Beitragen zur Textgeschichte des
Isokrates, Aschines, der Epistolographen
und des Gorgias (May) p. 50.
Dienel, moh., vgl. Tacitus.
Dörpfeld, W., vgL Homer.
Dorwald, Faul, Griechischer Wortschatz
(F. Adami) p 431.
Drerup, Engelbert, vgl. Demosthenes.
Drelbler, Ferdin., vgl. V. Thumser.
Dubray, O., Le Roman des Mets (K.
Engelke) p. 404.
Dubuo, F., De Suessiooum civitate (Ed.
Wolff) p. 657.
Puruy, Ludwig Elinger, Victor Du-
ruy: Regne de Louis XIV (E. Holter-
mann) p. 495.
Eokels, William Alezander, "iiare as
an index of style in the orators (Ph.
Weber) p. 294.
Eliot, Q-eorge, by Leslie Stephen (H. Hoff-
schnlte) p. 351.
Engelke, K., Le petit Vocabulaire (W.
Rohrs) p. 46.
— Cahier de Notes. Stilistisches HilfiB-
und Merkbuch des Französischen für
Schüler der Oberklassen (W. Böhrs)
p. 236.
— vgl. Sandeau, Jules.
Engiert, A«, Anthologie des po^tes
fran9ais modernes p. 88.
English ICen of liSttres. George Eliot
by Leslie Stephen (H. HoffiKsbulte)
p. 361.
Enneeoe^rus, IL, Versbau und gesang-
licher Vortrag des ältesten Iranzosischen
Liedes. Ein Beitrag zur Lehre vom
rhythmischen Verse (B. Rottgers) p. 115.
Erkmann-Chatrian , Karl Wimmer,
Histoire d'uo Consent de 1818 par
Erckmann-Chatrian (K. Holter-
manu) p. 85.
Euripides, N. Vfecklein>Die kyklische
Thebais, die Odipodee und der Odipus
des Euripid s (W. Richter) p. 97.
Fabrioius, Ernst, Die Entstehung der
römischen Limesanlagen in Deutschland
(0. Wackermann) p. 179.
Faulhaber, Miohael, Hohelied-, Pro-
verbien- und Prediger-Katenen (Eb.Nestle)
p. 172.
Fay, Edwin "W., vgl. Plautus.
Feoht, E. und J. Bitzier, Griechisches
Übungsbuch für Untertertia (F. Neu-
burger) p. 205.
Feichtinger, Emanuel, vgl. V. Thumser.
Fiok, Aug., vgl Homer.
Fischer, tiermann. Der Neuhumanis-
mus in der deutschen Literatur (T)
p. 288.
Fiske, John, Essays Historical and
Literary. Vol. I (Wilktns) p. 550.
Fliokinger, Boy C, The meaning of
inl Tfjs cfxipfflg in writers of the fourth
centuiy (K. Weifsmann) p. 605.
Freund, Wilhelm, Wie studiert man
klassische Philologie? Sechste, ver-
mehrte und verbesserte Auflage » be-
arbeitet von H. De it e r (M. Hodermann)
p. 615.
1
9 oS
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Nene
PhilologischeRundschau
Herausgegeben
von
Dr. C. Wagener und Dr. E. Ludwig
in
Bremen.
Jahrgang 1908.
Gh)tha.
Friedrich Andreas Perthes
Aktiengesellschaft.
1903.
Gotha, 10. Januar. Xr. 1, Jahrgang 1903.
Nene
PhilologischeRundschau
Heraasgegeben von
Dr. G. Wagener und Dr. E. Ludwig
in Bremen.
Erscheint alle 14 Tage. — Preis fflr den Jahrgang 8 Mark.
Bestellungen nehmen alle Bachhandlangen, sowie die Postanstalten des In- and Anslandes an
Insertionsgebtthr fflr die einmal gespaltene Petitzeile 30 Pfg.
Inhalt: Verwendbarkeit und Form einsprachig kommentierter Schulausgaben för den
französischen und englischen Unterricht (K. Beckmann).
Recen Bienen: 1) D. B. Mo uro, Homer's Odyssey (H. Kluge) p. 7. —
2) H. Blümner, Oyids Kunst zu lieben (G. Schüler) p. 11. — 3) P. Bechtel,
Die attischen Frauennamen (Meltzer) p. 12. — 4) Ed. Hailer, Beiträge zur
Erklärung des poetischen Plurals bei den römischen Elegikem (0. Weise) p. 14. —
5) Th. Lindner, Weltgeschichte seit der Völkerwanderung (A. Pintschovius)
p. 15. — 6) H. Knauth, Lat. Übungsbuch fElr Sekunda (E. Krause) p. 16. —
7) Nikolaus Welter, Theodor Aubanel (Max Ewert) p. 19. — 8) G. Schme-
ding, Mati^re Grammatieale (Max Krüger )p. 20. — 9) David Asher-P. Hangen,
Die Fehler der Deutschen beim mündlichen Gebrauch der englischen Sprache
(H Hoffschulte) p. 21. — 10) R. Krön, A Vokabulary with Explanations (R.)
p. 22. — 11) S. Gräfenberg und Antonio Paz y Melia, Brieflicher Sprach-
Uiid Sprechunterricht für das Selbststudium der Spanischen Sprache (W. Rohrs)
p. 23. — Anzeigen.
Verwendbarkeit und Form einsprachig kommen-
tierter Schulausgaben
für den französischen und englischen Unterricht.
Von E. Beckmann, Osnabrück.
Während bisher unsere Schulansgaben französischer und englischer
Lektüre für Einleitung, Erklärungen und etwaige Anhänge sich der deut-
schen Sprache bedienten und nur in ganz vereinzelten Fällen die fremde
Sprache zu diesem Zwecke heranzogen, treten solche einsprachig kom-
mentierte Ausgaben in letzter Zeit plötzlich zahlreicher auf. Teils sind
es die alten Sammlungen, welche zu dieser neuen Form der Schulausgaben
wenigstens zum Teil übergehen, teils sind ad hoc neue Unternehmungen
ins Leben gerufen (Rofsberg, Teubner). Auch aus Holland liegt mir eine
derartige Ausgabe vor (Guy de Maupassant ed. Lacombl^, Groningen 1901
bei Noordhoff) und ebenso eine schwedische (Le Livre de mon ami par
Neue Philologische Bundschaa Nr. 1.
A. France, herausgegeben von Privatdozent E. Bodhe. Stockholm o. J.
[1900]). Indem ich mir eine Vergleichung der verschiedenen deutschen
Ausgaben ffir eine andere Gelegenheit vorbehalte, bemerke ich nur kurz
hier, dafe die Maupassant- Ausgabe, das 5. Bändchen einer „Conteurs mo-
dernes" betitelten kleinen Sammlung, eine gute Auswahl von Novellen
bietet mit kurzen Anmerkungen gröfstenteils formeller Art als Fursnoten ;
letzterer Umstand ist wohl in einsprachigen Ausgaben noch weniger an-
gebi*acht als sonst. Die schwedische Ausgabe rührt von einem Heraus-
geber her, der scheinbar keine Fühlung mit den Bedürfnissen der Schule
hat; wenigstens sind seine Einleitung und besonders sein Kommentar
— die sachlichen wie die sprachlichen Erklärungen —pädagogisch ungeeignet.
An fachmännischen Urteilen sind nur wenige vorhanden, die ein-
gehend sich mit der Frage einsprachiger Ausgaben befassen. So hielt
Prof. Kaphengst (0. B. Elberfeld) im Juli 1901 einen Vortrag über
diesen Gegenstand, in dem er zu dem Schlufs kommt: „Aus diesem Grunde
also werde ich für die oberen Klassen praktische Sacherklärung, einfache
und geschickte Worterklärung durch das fremdsprachliche Idiom für zweck-
mäfsig halten, nicht aber Satz- und Konstruktionserklärung. Für die
mittleren Klassen aber halte ich die Benutzung der fremden Sprache für
verfrüht" (Neuphil. Centralbl. XV, S. 297). Prof. K. A. Martin Hartmann
(G. Leipzig), der für den mündlichen Gebrauch der fremden Sprache im
Unterricht selbst auf den Gymnasien lebhaft eintritt, ist doch Gegner
solcher gedruckter fremdsprachlicher Belehrung der Schüler (vgl. ebd.
XVI, S. 224 fr.). Ohne jede Einschränkung empfiehlt einsprachige Aus-
gaben der ausführliche Prospekt der Teubnerschen Sammlung, der aber
in seiner Motivierung nicht ganz glücklich ist, da er mehrfach die Be-
denken derjenigen, welche nicht a priori dafür sind, eher wachruft als
beseitigt — Dr. Paul Lange, einer der Herausgeber der Eofsbergschen
Sammlung, hat im gleichen Verlage eine Broschüre „Zur Eeform unserer
neusprachlichen Schulausgaben" erscheinen lassen, welche einsprachige
Kommentare als forderlich für die Erreichung des fremdsprachlichen Un-
terrichtszieles empfiehlt. Das Ziel ist ihm aber selbständige und geläufige
Handhabung der fremden Sprache. Als Weg zu diesem Ziele gibt er
an: Festlegung des Sinnes der Lektüre unter Leitung des Lehrers und
Durcharbeitung des fremdsprachlichen Kommentars zu Hause far die nächst-
folgende Stunde. Beides, ganz besonders aber ersteres, wird selbst von
selten der Freunde einsprachiger Ausgaben nicht unbestritten bleiben.
^
Nene Philologische Bondschan Kr. 1.
Da praktische Erfahrungen fiber einsprachige Kommentare auch
noch nicht einmal in halbwegs genügender Zahl gemacht worden sind,
so ist es Yorlänflg ein wesentlich auf theoretischer SchluMolgerung be-
ruhender Qedanke, ebenso wie auch die Einwendungen dagegen nach
Sichtung und Mafs noch nicht endgültig sein können. Hoffnungen wie
Befürchtungen, die sich daran knüpfen, werden durch die kommenden Er-
fahrungen beeinflufst werden, und wenn auch letztere wirklich gehoben
werden sollten, so würde doch bis zur allseitigen Fixierung der Ange-
legenheit zweifellos noch manche Wandlung durchgemacht werden. Denn
wenn wir auch von der Frage absehen, ob überhaupt fremdsprachliche
Kommentare gebraucht werden sollen, und uns auf den Boden der Tat-
sache stellen, dafs sie vorhanden sind, sich demnächst noch stark ver-
mehren werden und zweifelsohne noch an vielen Schulen Eingang finden
werden, so bleiben doch noch andere Fragen zu beantworten übrig: Welche
Schulen können einsprachige Ausgaben gebrauchen? Welche Klassen?
Kann jeder Lektürestoff fremdsprachlich kommentiert werden? Wie soll
kommentiert werden (sprachliche, sachliche, Konstruktions-Erläuterungen)?
Soll ein zweisprachiges Wörterbuch daneben gebraucht werden? Wie soll
der Unterricht dabei gehandhabt werden? soll die Übersetzung ganz oder
in der Hauptsache fortfallen? Das sind, mit Ausnahme der letzten, neu
auftauchende Fragen, über die auch bei prinzipieller Annahme der
einsprachigen Ausgaben noch eine Entscheidung herbeigeführt werden
mufs.
Um nun meine eigene Anschauung kurz darzulegen, so glaube ich
allerdings, dafs es eine ganz natürliche Konsequenz des sogen. Beform-
gedankens ist, einsprachige Kommentare zu schaffen und zu versuchen.
Das bleibt richtig, wenn man — wie es wohl die meisten Kollegen tun —
Langes Ansicht von dem Ziel des neusprachlichen Unterrichts nicht an-
erkennt und sein Ziel als ein nur in sehr geringem Umfange erreichbares
Neben ziel betrachtet. Wo, wie die preufsischen Lehrpläne es ja ge-
statten, in der Hauptsache nur die fremde Sprache im Unterrichte zur
Verwendung kommt, kann ein fremdsprachlicher Kommentar
wohl Nutzen bringen, jedoch halte ich einen solchen Unterricht nur
dann für wirklich erspriefslich in allen seinen Verzweigungen, wenn eine
gut und einheitlich vorgebildete Klasse einen pädagogisch tüchtigen, bis
zur wirklichen Beherrschung der fremden Sprache vorgedrungenen Lehrer
hat. Das drücken auch die genannten Lehrpläne aus, wenn sie hinzu-
Nene Philologische BnndBchaa Nr. 1.
fflgOD, dars die Versuche, das fremde Idiom im Unterricht zu gebrauchen,
nur soweit zugelassen werden sollen, „als die Sicherheit des Lehrers und
die Entwickelung der Schfiler auch bei diesem Verfahren die völlige Er-
schliefsung des Qedankeninhaltes gewährleisten *'.
Wenn wir uns den Schlufs des obigen Satzes betrachten und ferner
uns erinnern, dafs dieselben Lehrpläne als „allgemeines LehrzieP^ für
sämtliche Schulgattungen an erster Stelle „Verständnis der ... Schrift-
werke^^ hinstellen und in den „Methodischen Bemerkungen fQr das Fran*
zSsische und Englische'^ für die Lektüre, „das vornehmste Oebiet des
Unterrichts ^S „ wenigstens in der zweiten Hälfte der Unterrichtszeit wert-
vollen Inhalt in edler Form^^ verlangen und vor einer „dienenden Bolle *^
derselben warnen, so ergibt sich daraus der Gedanke — und wer wollte
seine Bichtigkeit bezweifeln — , dals die Lektüre nicht wesentlich als
eine Gelegenheit zu Sprechübungen betrachtet, sondern ihres Inhaltes
wegen getrieben werden soll. Das macht aber die fremdsprachliche Be-
sprechung des Textes, mithin auch den Gebrauch fremdsprachlicher
Kommentare allüberall da bedenklich, wo schon mit Hilfe
der eigenen Muttersprache das volle Verständnis eines Lese-
stückes und seines künstlerischen Wertes den Schülern nur
mühsam beizubringen ist. Es scheiden demnach für die vorliegende
Frage alle diejenigen Elassenstufen aus, in denen die Schüler teils infolge
ihrer Jugend noch nicht die nötige geistige Entwickelung besitzen, teils
noch zu geringe Wort- und Phrasenkenntnis und Übung in der fremden
Sprache haben. Es wird sich darüber streiten lassen, welche Klassen dazu
zu rechnen sind, auch kann sich die Grenze im Laufe der Zeit verschie-
ben. Meines Erachtens zählen bei dem jetzigen Stande der Dinge dazu
die unteren und mittleren Klassen aller Schulgattungen und
wahrscheinlich auch die oberen Klassen der Gymnasien.
Für die übrigbleibenden Stufen scheiden aber auch ferner alle solche
Schriftwerke aus, die deshalb als Primanerlektüre betrachtet werden, weil
sie für jüngere Jahrgänge inhaltlich als zu schwer erscheinen. Wenn
wir bedenken, ein wie grofses pädagogisches Geschick es erfordert, dem
Verständnis der kleinen Schüler in den untersten Klassen einen neuen
schwierigeren Gedanken oder gar eine Gedankenfolge in der eigenen Mutter-
sprache klar zu machen; wenn wir uns erinnern, wie wir Ausländern ein
Gleiches in deutscher Sprache nur mit gröfster Vorsicht, unter Anwendung
kurzer Sätze in einfachstem Deutsch und unter ängstlicher Vermeidung
'->
Neue Phüologifohe Bundacbaa Nr. 1.
aller selteneren Aosdrficke näher bringen zn können hofften und glaubten,
so werden wir überzeugt sein, dafs ein ganz fthnliches Verfahren auch
gegenüber unseren größeren Schülern erforderlich ist, wenn wir der Ge-
samtheit, auch dem schwachen Schüler, wichtige Dinge mitteilen in
einer fremden Sprache, die ihnen doch nicht weniger Mühe bereitet, als
den Sextanern oder den mitten im deutschen Sprachgebiet lebenden Aus-
ländern das Deutsche. Wollen wir also auf Übersetzung ganz oder zum
grölsten Teil verzichten und mit fremdsprachlichem Kommentar arbeiten,
so kann nur leichte Lektüre mit unbedeutenden Schwierig-
keiten in Betracht kommen. Hierzu rechne ich in erster Linie
die in den mittleren Klassen zur Verwendung kommenden Historiker
sowie die meisten in Sekunda gelesenen Dramen, nicht aber in
Bausch und Bogen die neueste Novellistik. Nur so können wir hoffen,
die Schwierigkeiten des Stoffes durch den Kommentar zu heben: die ge-
ringere Zahl der Erklärungen einerseits, die gröfsere Übung und der
reichere Wortschatz des Primaners anderseits werden vor der Qefahr
schützen, dafs der Kommentar wiederum einer Kommentierung bedarf,
oder ins Dngemessene anschwillt, oder an innerem Gehalte verliert.
Die Lektüre mufs, wie schon gesagt, wesentlich ihrer selbst wegen
getrieben werden. Der Kommentar darf also auch nur die Aufgabe haben,
diesen Selbstzweck derselben zu fördern, denn nur dann ist er eine wün-
schenswerte und natürliche Begleiterscheinung des auf die Übersetzung
verzichtenden Unterrichts. Wer den fremdsprachlichen Kommentar haupt-
sächlich deshalb willkommen heifst, weil sich mit seiner Hilfe bequemer
Sprechübungen veranstalten lassen, weicht vom Hauptwege ab und läuft
Gefahr, sich auf Holzwegen festzurennen. Diese Erwägung sowie die For-
derung, nur leichten Lektürestoff hierzu zu verwenden, lassen es angebracht
erscheinen, dafs in der Regel nur sachliche Erklärungen in
den Kommentar aufgenommen werden. Bisher und auch ferner-
bin hat der Kommentar die Aufgabe, die Erfassung des Inhaltes der Lek-
türe zu fördern. Schüler aber, denen fremdsprachliche Noten nicht eine
Erschwerung, sondern eine wirkliche Hilfe für das Verständnis eines
Schriftwerkes sind, werden nur in Ausnahmefällen einer sprachlichen Er-
klärung bedürfen. Wo letztere in gröfserer Menge nötig erscheinen, ist
diese ünterrichtsweise eben noch nicht am Platze, denn sie würde das
Fortschreiten der Lektüre hemmen und die Präparationsschwierigkeiten
unserer Schüler unter Umständen bis zur Überbfirdung steigern.
Nene Fhilologiscbe Rnndschaa Nr. 1.
Während nun bei der nach Art und Mafs aofserordentlich verschie-
denen Vorbildang unserer Knaben der fremdsprachliche Kommentar ohne
die obigen Beschränkungen leicht geistig arm bleibt und doch überaus
umfangreich wird, ist es anderseits schwer, Lücken zu vermeiden und
auch dem schwächsten Schüler genug zu bringen. Was aber geschieht
in diesem Falle? Notgedrungen greift der Schüler zum zweisprachigen
Wörterbuch. Ich zögere nicht hinzuzufügen, dafs viele, ja, recht viele
Schüler das auch ohne Not tun werden, und zwar immer dann, wenn sie
die Präparationsarbeit dadurch zu erleichtem und zu kürzen glauben.
Damit ist eigentlich schon die Frage entschieden, ob bei einsprachigen
Ausgaben zweisprachige Wörterbücher gestattet sein sollen.
Was wir nicht hindern können, sollen wir auch nicht verbieten. Von
diesem Gesichtspunkte aus empfahl sogar Prof. Jonas aaf der letzten Ver-
sammlung des Pommerschen Provinzialvereins (Päd. WochenbL Xn, 10),
gute Übersetzungen geradezu als Unterrichtsmittel zu verwenden, „da
98<>/o sie doch schon benutzten, und dann das Gewissen der Schüler er-
leichtert würde". Abgesehen davon aber halte ich es auch gar nicht
für bedenklich, wenn zu Hause ein zweisprachiges Wörterbuch ge-
braucht mri. Wenn wirklich dadurch die Förderung im praktischen Ge-
brauch der fremden Sprache ein wenig gehemmt wird, was mir aber nicht
sicher zu sein scheint, so vermeiden wir anderseits dadurch eine Vermeh-
rung der häuslichen Arbeitszeit unserer Schüler. Das aber ist wohl ein
kleines Opfer wert, denn eine weitere Steigerung würde im Durchschnitt
nur auf Kosten der Gesundheit oder der Gewissenhaftigkeit der Schüler
möglich sein.
Durch einsprachige Wörterbücher wie Larousse wird ebenso wie durch
die Worterklärungen im einsprachigen Kommentar die Gefahr herauf-
beschworen, die synonymischen Kenntnisse der Schüler zu hemmen und
zu verwirren, die doch für die Vertiefung der Sprachkenntnisse sowie für
die völlige Erfassung des geistigen Ideengehaltes der Lektüre von so her-
vorragender Bedeutung sind. Ich kann mir nicht vorstellen, dafs man der
Jugend auf diesem ihr selbst fürs Deutsche noch schwierigen Gebiete
klare Begriffe beibringen kann mit Hilfe derjenigen Sprache, die eben
gelernt werden soll. Wer daran zweifelt, lasse sich einmal aus einem
einsprachigen Kommentar eine Reihe von Worterklärungen ohne das
Stichwort vorlesen und suche letzteres zu erraten. Schon beim ersten
Dutzend wird er erkennen, wie schwer solches selbst ffir ihn noch ist.
/'\
Nene Philologische Bandschan Nr. 1.
Es kommen oft genug Dinge vor, bei deren Erklfirung wir der ganzen
Geläufigkeit und Gewandtheit bedürfen, mit der im Gegensatz zur frem-
den Sprache unsere Muttersprache von uns selbst angewandt und von un-
seren Zöglingen aufgefafst wird. Deshalb hüten wir uns, einem Prinzip
zuliebe uns Fesseln anzulegen; überlassen wir die Worterklärungen nach
wie vor einem zweisprachigen allgemeinen Wörterbuch oder dem Sonder-
wörterverzeichnis. Und wo ein Wort oder eine Konstruktion der Er-
klärung bedürftig erscheint, steht im Kommentar oft besser die deutsche
Übersetzung als ein sinnverwandtes Wort, welches der Schüler hernach für
völlig gleichbedeutend hält, wenn er überhaupt etwas damit anfangen kann.
Die preufsischen Lehrpläne, bei all ihren Zugeständnissen an die
„Beform" immer wieder einschränkend und warnend, sagen über die Wahl
der Unterrichtssprache: „Dafs sich die Lehrer bei dem Unterrichte we-
sentlich der fremden Sprache bedienen, kann — sofern sie dies in gedeih-
licher Weise zu tun vermögen — als wünschenswert betrachtet werden;
Gründlichkeit und Ernst darf der Unterricht aber darüber nicht einbüfsen.
Für schwierige und tiefergehende Erklärungen, namentlich auch bei der
grammatischen Unterweisung, wird überall mit Recht auf die Mutter-
sprache zurückgegriffen werden. Dagegen empfiehlt sich die Anwendung
der Fremdsprache ganz besonders für literatur- und kulturgeschichtliche
Belehrungen/' Zur grammatischen Unterweisung rechne ich auch Syno-
nymisches, und was von der Anwendung der Fremdsprache im allgemeinen
gesagt wird, gilt auch für die Verwendung einsprachiger Kommentare, be-
sonders in Bezug auf die Einschränkungen. Meines Erachtens aber sind
die Lehrpläne nicht nur offizielle Richtschnur für die preufsischen Kollegen,
sondern ein Produkt klarer Erkenntnis der Sachlage: sie bewegen sich im
ganzen auf der Linie, auf welcher „Feinde und Freunde der Reform"
früher oder später sich begegnen und die Hand reichen werden.
1) D. B. Monro, Homer'B Odyssey books XUI'XXIV. Oxford,
Clarendon Press, 1901. XII u. 512 S. 8. 16 s. {Jt 16).
Der vorliegende Kommentar zur Odyssee ist die Fortsetzung zu einer
von Biddell begonnenen und von Meny bis zum zwölften Buche fort-
geführten, im Jahre 1875 herausgegebenen Ausgabe der Odyssee. Text
und Anmerkungen bieten mir keinen besonderen Anlafs, abweichende
Ansichten zu äufsem; wo ich die Anmerkungen geprüft habe, mulfite ich
Nene Philologische Bandsohaa Nr. 1.
sie als zweckmftfsig und, vielleicht geringe Einzelheiten ausgenommen,
zutreffend anerkennen. — Besondere Aufmerksamkeit verdienen die An-
hänge, die einen grofen Baum einnehmen (von S. 286—602). Es sind nicht
weniger als sechs, deren erster die Komposition der Odyssee, der zweite
das Verhältnis der Odyssee zur Ilias, der dritte Homer und die kyklischen
Dichter, der vierte die Geschichte der homerischen Gedichte, der fünfte
Zeit und Ort Homers, d. h. der Entstehung der homerischen Gedichte
und endlich der sechste das homerische Haus behandelt. Den Abschlufs
bilden zwei Indices, einer der homerischen Wörter und ein Sachregister.
Der Inhalt der einzelnen Anhänge ist sehr reichhaltig und erstreckt sich
so ziemlich auf alle Fragen, die mit den homerischen Gedichten zu-
sammenhängen. Zweck dieser Besprechung kann es natürlich nicht
sein, in alle Einzelheiten dieser Darstellungen einzudringen, deshalb be-
gnügt sich Ref. mit einigen Hervorhebungen. Die beiden ersten Anhänge
betreffen die Odyssee im besonderen. Der Herr Verf. will von denjenigen
Hypothesen nicht viel wissen, die ein Zusammenwachsen mehrerer Epen,
etwa der Telemachie, des Nostos, des Freiermordes zu dem uns unter dem
Namen der Odyssee bekannten Epos annehmen; seiner Ansicht nach ist
die ganze Dichtung — natürlich bis auf nicht unbeträchtliche Inter-
polationen — so, wie sie vorliegt, als ein Ganzes gedacht. Besonders
sprechen ihm die Beziehungen der angeblichen Bestandteile aufeinander
für die einheitliche Auffassung, die das Ganze durchzieht. Man kann
dagegen sagen, dafs allerdings die Odyssee, wie sie vorliegt, als Ganzes
entworfen sein kann, dafs aber dennoch mehrere ältere Epen den Stoff
dazu hergegeben haben und dabei auch auf die Darstellung in mehr als
einer Hinsicht Einflufs geübt haben können.
Die Beziehungen der Odyssee zur Ilias sind sehr sorgfältig nach den
verschiedensten Richtungen mit Benutzung der einschlägigen Literatur
verfolgt und der erhebliche Zeitunterschied zwischen der Entstehung der
beiden Dichtungen nachdrücklich und mit Recht betont. Von den her-
vorgehobenen Unterschieden wollen dem Ref. zwei nicht einleuchten.
Erstens wird auf S. 338 mit Ridgeway behauptet , dafs in der Ilias noch
deutliche Spuren des Gemeinlandsystems zu finden seien, während die
Odyssee den Sonderbesitz an Land kenne. Ref. mufs gestehen, dafs ihm
dieser Unterschied in die beiden Epen hineininterpretiert erscheint. Zwei-
tens wird S. 339 als unterscheidend betont, dafs wilde Tiere in der
Odyssee viel seltener erwähnt werden als in der Ilias; dafs dieser Unter-
■>
Nene PbUologiiohe Bnndfohau Nr. I.
schied auf der durch die fortschreitende Eultor in Griechenland bedingte
Ausrottung dieser Tiere in der Zwischenzeit zwischen Uias nnd Odyssee
beruhe, wie von Monro behauptet wird, ist keineswegs ein auch nnr
einigermafsen zwingender Schlufs; man kann — falls man die Erschei-
nung nicht als zufällig ansieht — ebensowohl auf die verschiedene Gegend
schliefsen, in der die beiden Epen entstanden. — In dem dritten Anhang
wird ein recht guter Oberblick fiber die kjklischen Epen, ihren Inhalt
und ihre mutmafsliche Entstehung gegeben. Der vierte Anhang bebandelt,
zum Teil sehr eingehend, Homer, Homeriden, Rhapsoden; dann vor allem
die Textfrage, also die frühen Interpolationen, die angebliche Rezension
des Peisistratos — die der Herr Verf. in sehr eingehender Erörterung als
ganz späte, eigentlich auf nichts beruhende und baltlose Erfindung or«
weist — , ferner die Frage der Yulgata und die Frage der Homerkritik
der Alexandriner, alles mit Heranziehung der einschlägigen LiterS;tiw. —
Zeit und Ort der Entstehung der homerischen Gedichte, worflber der
ffinfte Anhang handelt, wird im wesentlichen aus der homerischen Sprache
erschlossen, und zwar gelangt Monro zu der Hypothese, dafs diese Epen
nicht ursprfinglich äoliscb, sondern ionisch seien, aber einem altioniscben
Dialekt angebörig, der viele unterscheidenden Merkmale des späteren
Ionisch noch nicht besafs. Die homerische Sprache, wie sie uns jetzt vor-
liegt, sei zwar durch die späteren Dialekte bedeutend beeinflufst worden,
aber sie stelle keineswegs in der Hauptsache ein Gemisch aus äolischem
und ionischem Dialekte dar, wie man gewöhnlich annimmt, sondern der
Grundstock der epischen Sprache, dieses scheinbare Gemisch, zeige eben
die eigentliche Gestalt dieses alten Ionisch. Die Aufstellung dieser Hypo-
these bedingt eine Auseinandersetzung mit der Theorie Ficks, der ein
besonderer Abschnitt gewidmet ist, und in welcher die schwachen Punkte
der Annahme eines ursprflnglich äolischen Epos und dessen vorausgesetzter
Umschreibung in den ionischen Dialekt sehr einleuchtend aufgedeckt
werden. Auch mit Bidgeway, der die Entstehung der homerischen Epen
mit einer keltiscb-achäischen Eroberung des griechischen Bodens in Zu-
sammenhang bringt, setzt sich Monro in einem besonderen Abschnitt aus-
einander, indem er auch hier die schwachen Seiten der Hypoth^ sehr
sicher trifft. Wie steht es nun aber mit seiner eigenen Anniihme? Nun,
auch diese hat einen sehr anfechtbaren Punkt, und zwar, was fär die
ganze Theorie bedenklich ist, gleich in dem Fundament der ganzen
Darlegung. Es ist dies der schwankende und gar nicht festzulegende
10 Neue Philologisohe Bnndschan Nr. 1.
Begriff des nrsprfiDglichen homerischen Dialekts, wie der Herr Verf. ihn
sich vorstellt. Wenn Monro selber zngiebt, daTs später beträchtliche Ver-
änderungen durch die jüngeren Dialekte hervorgerufen sind, und dafs eine
Bekonstruktion der ursprünglichen Form unmöglich ist, so bleibt der
eigentlich homerische Dialekt eben eine unbekannte Qröfse, und nur ver-
mutungsweise kann man die Grenze zwischen dem Ursprünglichen und
dem durch spätere Dialekte Hinzugekommenen ziehen. Die ganze Schöp-
fung eines altionisch -homerischen Dialekts ist daher mehr oder minder
ein Phantasiegebilde, worauf die Hypothese, dafs Homer ein lonier ge-
wesen sei, sich nicht gründen läfst. — Zu besprechen bleibt nun noch
der sechste Anhang, der über das homerische Haus handelt« Die sämt-
lichen Schwierigkeiten, die hier in Frage kommen, sind in der Abhand-
lung berührt, auch die Lösung einiger ungelöster Bätsei versucht, aber
— wenigstens nach der Ansicht des Bef. — nicht überzeugend. Von
allen Fragen sei nur eine herausgehoben: ist das homerische Haus dem
jüngeren griechischen Hause — also einem Bau von zusammenhängenden
Bäumen — ähnlich, oder ist das Gehöft den bei Hissarlik gefundenen
gleichzustellen, bei denen jeder gröfsere Baum eigentlich ein abgesondertes
Haus für sich bildet? Der Herr Verf. entscheidet sich für letztere An-
sicht, indem er sich auch auf die mykenischen Bauten von Mykenae
und Tiryns beruft. Die tirynthischen Bauten sind tatsächlich für diese
Ansicht insofern nicht beweisend, als bei diesen doch immerhin eine
Verbindung der eng nebeneinander gebauten Bäume durch Gänge und
dergleichen vorliegt, was allerdings in dem von Monro beigegebenen
Grundrifs des Palastes von Tiryns nicht ersichtlich ist. Auch die aus
der Odyssee selbst beigebrachten Beweise können zum Teil eher für das
Gegenteil angeführt werden. Denn wenn die Mägde der Penelope genau
hören und sehen können, was in d9m Männersaale vor sich geht, so
schliefst Bef. daraus eher, dafs der Aufenthaltsort der Mägde durch eine
Tür mit dem Männersaal in Verbindung steht, durch die, wenn sie offen
steht, die Vorgänge im Männersaal beobachtet werden können, als dafs
der Arbeitsraum eiuj besonderes Gebäude bildet, und wenn auch hin-
sichtlich der Tür, die Telemach versehentlich offen läfst, so dafs Melan-
thios den Freiem auf diesem Wege Waffen zutragen kann, manches
rätselhaft sein mag, so ist doch das eine sicher, dafs dieselbe nur in
innere, nicht in mit dem Hofe verbundene Bäume führen kann, wie es Monro
annehmen mufs, der meint, dafs der Vorratsraum abgesondert vom Männer-
O
Nene Pbilologisehe Bondsohan Nr. 1. 11
saal liegt. Führte sie auf den Hof, so könnten ebensogut wie der Ziegen-
hirt auch die Freier durch sie nicht nur in die ^^^, sondern auch in
den Hof gelangen, wonach sie ja so eifrig streben.
Aus den vorstehenden Ausfahrungen geht hervor, dafs das besprochene
Buch interessant ist durch eine Ffille von Fragen, die sich an die home-
rischen Gedichte knfipfen. Das eingehendere Studium desselben wird jeden
Leser überzeugen, dafs Literatur- und Sachkenntnis und scharfer Verstand
die Darstellung auszeichnet, die auch da, wo man dem Herrn Verf. nicht
folgen kann, Interesse einflöfst.
Zerbst. H
2) Hugo Blttmner, Ovids Kunst zu lieben in freier metrischer
Übertragung. Berlin, Goncordia Deutsche Verlagsanstalt, 1902.
XIX u. 137 S. 8. Jt 3.-.
Um auch Ovids drei Bficher von der „ Liebeskunst ^' einem grO&eren
Leserkreise zugänglich und geniefsbar zu machen, hat sich B. bei der
Übersetzung dieses ebenso berühmten wie berfichtigten Lehrgedichtes der
gereimten fünffüfsigen Jamben bedient. Nur drei Formen des Beimes:
aabb, abab und abba, sind verwendet worden, damit der halb ernsthafte,
halb spöttische Ton der Urschrift nach Möglichkeit auch ftufserlich zur
Wiedergabe gelange. Bei der Wahl eines derartigen Versmafses konnte
Ovids Hauptstärke im Schmieden von Distichen natürlich nicht zum Aus-
druck gebracht werden: Gedanken nämlich, die Ovid mit Meisterschaft in
ein Distichon zusammenfafst, mufs B. gewöhnlich auf drei bis vier Verse
verteilen, zuweilen ist er sogar genötigt, noch einen Teil des fünften
Verses mit hinzuzunehmen. B.s Verse sind im allgemeinen recht fliefsend,
nur die Unterbringung der Eigennamen hat mancherlei Schwierigkeiten
verursacht. Die Reime machen nur selten den Eindruck des Gesuchten.
Die Sprache trifft fast durchweg den Ton des Urtextes, doch hätte eine
grofse Anzahl von Fremdwörtern und ein Teil von ziemlich entlegenen
Ausdrücken wohl vermieden werden können.
Möglichst geniefsbar ist ferner die Übertragung fQr Leser der Jetzt-
zeit dadurch gestaltet worden, dafs das umfangreiche mythologische Bei-
werk Ovids entweder ganz beseitigt oder für das Verständnis tunlichst
vereinfacht worden ist. An den übrigen Stellen suchen kurze Fufsnoten,
die eher zu knapp als zu reichlich bemessen sind, den Bedürfnissen des
Durchschnittslesers Bechnung zu tragen.
12 Keae Philologische Bnndschau Nr. 1.
Wenn nun auch B. das Schlüpfrige and Aostöfsige in der Urschrift
nicht iioeh mehr in die Augen springen läfst, es vielmehr oft abzu-
schwächen sucht und die gar zu derb sinnlichen Ausführungen 11 703
bis 733 (nicht 729!) und III 769— 808 ganz ausgeschieden hat, so bleiben
doch noch „ Delikatessen ^* genug, die fQr jugendliche Leser und Leserinnen
„ein sfifses, tief eindringendes Gift*' sind. Jedem Erwachsenen aber werden
namentlich die fesselnden Schilderungen von dem Leben und Treiben der rö-
mischen Tugend zur Zeit des ersten Kaisers manche genufsreiche Stunde
bereiten.
Kür bequemeren Verwendung der Übertragung neben dem Urtexte hat
B. die herkömmliche Zählung der Verse beibehalten, nur II 669 — 674 hat
er nach L. MQllers Voi^nge hinter II 702 gestellt und die Schlnfsverse
des zweiten Buches nicht ganz folgerichtig weitergezählt (statt 710, 715,
720 lies 735, 740, 745).
Alles in allem kann B.s Übertragung als ganz gelungen bezeichnet
werden. Sie ist vollauf imstande, zur Erweiterung des Verständnisses für
das römische Altertum beizutragen.
Wilhelmshaven O. SohUer.
3) F. Bi^ehteli Die attischen Franennamen nach ihrem Sy-
steme dargestellt. Oöttingen, Vandenhoeck & Buprecht, 1902.
VII u. 144 S. 8. Ji 5. ~.
Was die Wissenschaft der indogermanischen und im besonderen grie-
chischen Namenerklärung Fick und nach ihm Bechtel verdankt, ist all-
bekannt. Ihre grofsen Erfolge haben sie u. a. durch die Vereinigung
sprachwissenschaftlicher mit philologisch -statistischer Methode gewonnen.
Diese letztere überwi^, wie in der gleichfalls von Bechtel besorgten
zweiten Auflage der „Qriech. Personennamen", so in dem vorliegenden
Buche, einem der verschiedenen Nachträge zu dem letztgenannten Werke,
und sie verbindet sich mit einer seltenen Kunst den scheinbar so tabellen-
artig trockenen Stoff durch psychologische Ausdeutung zum Reden zu
bringen und ihm die lehrreichsten und anziehendsten Aufschlüsse über die
soziale und gesellschaftliche Bedeutung der Frauennamen im Attischen
abzulocken. Dabei ergibt sich für diese Mundart folgendes: der Name
der Bürgerlichen ist auch den Nicbtbürgerlichen zugänglich, nicht aber
umgekehrt. — An namenbildenden Bestandteilen finden sich fast keine
neuen, sondern die weibliche Bezeichnung ist nur die Abwandlung der
'^
Nene Philologische Rnndsehaa Nr. 1. 13
männlichen, indem z. B. ^ov ganz selten, dagegen dyoqd, dQerij, doxi^,
iTtTtog, y^Xiog, xgcfrog, jua^ij, wxij, atQatdg sehr häufig begegnen. —
Im 4. Jahrhundert v. Chr. sind die Vollformen noch viel häufiger als die
Koseformen. — Zwar werden Damen der Halbwelt nicht selten mit den-
selben Namen bezeichnet wie ehrbare Frauen und Mädchen, aber von den
an Adjektive angelehnten früher nur die mit ^d6g OfiDigdg, aifiSg, q>ilog,
die übrigen entweder früher meist nur für Nichtbürgerliche oder für
bürgerliche häufiger erst in der Eaiserzeit, wobei meist das Femininum,
weniger oft das (von Adjektiven auf -log ausg^ngene, ursprünglich im
verkleinernden Sinne gebrauchte) Neutrum steht. Vor den Kaisern sind
bei Freien nur ganz wenige Ethnika nachzuweisen, wogegen die als Sachen
nicht individualisierten Sklaven solche mit Vorliebe fahren. Okeaniden und
Nereiden werden mehr in den unteren als in den oberen Schichten zum
Vorbild genommen. Nach einer Hauptgottheit heifsen vor der Eaiserzeit
weder Freie noch Unfreie, daher mcht^'AQTefiig zu lesen ist, sondern
^A^efÄig als Fem. zu dem neben l,4QTef4tdioqog als Kurzform stehenden
Mask. 'Agtefiidrig. Heroinen erlangen erst vom 4. Jahrhundert v. Chr.
ab eine gewisse Bedeutung und diese nicht in gutbürgerlichen Kreisen,
sondern vornehmlich bei Hetären. An Tieren werden bei jenen nur zu-
gelassen 5, bei diesen überdies noch 18; Pflanzen erscheinen dort erst in
der Kaiserzeit, hier schon früher; Hausgeräte traten fast nur in den nie-
dereren Bevölkerungsschichten auf; Abstrakta finden sich bei Bürgerlichen
18 (wovon 8 erst in der Kaiserzeit), bei Nichtbürgerlichen aber 45.
So scheint der Nachweis, dafs auch die attischen Frauennamen be-
sonders des 4. vorchristlichen Jahrhunderts dem, der ihnen ihre Geheim-
nisse abzusehen vermag, ein Spiegelbild der Kultur und Mode entgegen-
halten, sehr gut gelungen. Aufs höchste gesteigert ist bei Bechtel das
Gefühl für das, was im Griechischen als Name möglich ist und was
nicht. Eine ganze Reihe feiner Beobachtungen und Bemerkungen, die
nebenher abfallen, zeigt, wie der Meister selbst aus sprödem Gestein Funken
zu schlagen imstande ist, mag auch bei der Fülle der Möglichkeiten
manches unsicher bleiben. Die Arbeit ist ein schönes Beispiel epi-
graphisch-philologischer Induktion. — S. 17 Anm. 2 dürfte statt ßiov zu
lesen sein ßiov.
Cannstatt. Meltser.
14 Neue Philologische Bnndschaa Nr. 1.
4) Ednard Hailer, Beiträge zur Erklärung des poetischen
Plurals bei den römischen Elegikem. Programm des
Gymnasiums zu Freising. Freising 1902. 20 S. 8^
Bekanntlich verwenden die römischen Dichter häufig den Plural, wo
die Prosaiker den Singular setzen. Doch ist diese Erscheinung nicht auf
die poetische Literatur der Bömer beschränkt, sondern findet sich auch
bei den Qriechen, Germanen und anderen Völkern, und überdies hat sich
die lateinische Prosa vielfach dem Sprachgebrauche der Dichter an-
geschlossen. Wer daher ein klares urteil über die in Frage kommenden
Formen erhalten will, mufs zunächst die entsprechenden Gebilde des
griechischen Schrifttums untersuchen und ihren Einflufs auf die lateini-
schen nachweisen, sodann aber die Ausbildung und Entwickelung des
poetischen Plurals auf italischem Boden gewissenhaft verfolgen. Beides
unterläfst Hailer, da er sich mit der Behandlung des Gatull, TibuU, Pro-
perz, Ovid und einiger anderer begnügt.
Doch sieht man von diesem prinzipiellen Mangel ab, so verdient
die Schrift entschieden gelobt zu werden. Denn einmal verzeichnet der
Verf. die einzelnen Stellen, an denen der betreffende Plural vorkommt,
so genau, dafs man den Zusammenhang richtig verstehen kann, und sodann
sucht er überall die Gründe zu ermitteln , die den Dichter zur Wahl des
Plurals veranlafst haben. Nach seiner Ansicht geschieht dies bald um
des Metrums willen, bald um die Gröfse und Ausbreitung des Gegen-
standes hervorzuheben, bald um die Sprache erhabener und feierlicher zu
machen u. s. w. Ferner scheidet H. überall zwischen Konkretis und Ab-
straktis und gliedert jene wieder in: a) Naturerzeugnisse; b) Natur-
erscheinungen; c) Körperteile; d) Gerätschaften; e, res sacrae; f) Orts-
bestimmungen. Endlich ist er darauf bedacht festzustellen, inwiefern die
einzelnen Elegiker im Gebrauche des poetischen Plurals voneinander ab-
weichen, und kommt unter anderem zu dem Ergebnis, dafs ihn Gatull bei
konkreten Substantiven noch ziemlich selten verwendet, häufiger TibuU
und noch häufiger Properz.
Wohl wird man im einzelnen hie und da anderer Meinung sein,
namentlich betreffs der Gründe, aus denen sich der Dichter für den Plural
entschieden hat, doch in der Hauptsache mufs man sich einverstanden
erklären. So kann die Schrift als wertvolle Ergänzung zu der lateini-
schen Syntax von Dräger angesehen und auch neben der neuesten, viel um-
->
^\
Nene Philologfsche Rnndsohan Nr. 1. 15
fassenderen Arbeit von P. Maas Aber den poetischen Plural bei den BGmem
(Archiv f. Lexikographie XII, 479— 549) noch mit Vorteil benatzt werden.
Eisenberg (S.-A ). O. Welso.
5) Theodor Lindneri Weltgeschichte seit der Völkerwande-
rung. In nenn Bänden. I. Band: Der Ursprung der by-
zantinischen, islamischen, abendländisch- christ-
lichen, chinesischen und indischen Kultur. Stuttgart
und Berlin, Gottasche Buchhandlung, Nachf., 1901. XX u.
479 S. 8. Ji 5. 50.
Für den Beginn mit der Völkerwanderung, durch den diese Welt-
geschichte schon in der Entstehung als Bruchstfick einer vollständigen
gekennzeichnet wird, nimmt Lindner ausdrücklich dem unter der Direktion
von Lavisse und Bambaud erscheinenden Werk gegenüber die geistige
Urheberschaft in Anspruch. Zurückzuweisen ist seine Begründung mit dem
„verhängnisvollen Bifs" durch die Völkerwanderung (S. x. 112 f.), den
Bänke, auch Breysig und Schiller nicht kennen und den auch seine eigene
Darstellung S. 105 f. 110 f. 264 ff. 271 ff. 287 ff. 371 f. nicht zeigt. S. 116
schlie&t er seine Erörterung über die Ergebnisse der Völkerwanderung:
„Christentum, Bömertum und Germanentum bildeten die Mischung. Von
diesen Bestandteilen war das letztere das schwächste und vielfach zerteilt. ^^
Das Christentum ist ihm aber auch für die Übermittelung des Erbes aus
dem Altertum von grofser Bedeutung (vgl. z. B. S. 67) ^). Lindner liebt
es eben nicht, sich in die Anfänge der Entwickelung zu vertiefen; auch
wurzelt seine Stärke in späteren Zeiten. — Tatsächlich setzt seine eigent-
liche Darstellung mit dem Ende des 5. Jahrhunderts (Chlodowech),
bzw. der Zeit Justinians ein und führt uns bis zum Verfall des karolingi-
schen Beiches, mit dem erst seine „Geschichte des deutschen Volkes^'
ausführlicher wird. Es ist im wesentlichen der Stoff, den Bänke in den
Teilen IV (2. Abteil.), V u. VI (1. Abteil, u. 2 z. T.) seiner Welt-
geschichte bearbeitet hat. Die Abschnitte, in denen Lindner hier auTser-
dem China und Indien berücksichtigt, können auch dem, der die ganze
Entwickelung der Kulturvölker im Auge hat, nicht als organisch mit
jenen Stoffen des Zeitraumes zusammenhängend erscheinen.
Diese behandelt Verf. auf engerem Baume als Bänke, indem es ihm
1) Vgl. aach 8. 122 ff. u. 252 ttber das Weiterbestehen der alten Kultur im by-
zantinischen Beiche.
16 Nene Philologische Bimdschaa Nr. 1.
weniger auf die einzelnen Begebenheiten, als anf den geschichtlichen Ver-
lauf in seinen Hauptzügen ankommt Wer aber Lindner, dessen Welt-
geschichte in erster Linie als „Entwickelungsgeschichte^* gedacht ist, auf-
merksam folgt, wird gern zugeben, dafs er „die wichtigen Momente und
die mafsgebenden Kräfte der Entwickelung'^ klar heraushebt ^) und, indem
er den inneren Zusammenhang des Persönlichen mit dem Allgemeinen im
Auge behält, ohne einem Kollektivismus ergeben zu sein, doch auch die
„Massels welche die Ideen vorbereitet, zu ihrem Bechte kommen läfst.
Anzuerkennen ist nicht minder, dafs er die Zustände des Verfassungs-,
des wirtschaftlichen und des geistigen Lebens in besonderem Grade be-
rücksichtigt, wie vor anderen die Abschnitte über die inneren Zustände
des byzantinischen, des Khalifen- und des fränkisch-merowingischen Reiches
zeigen. Recht gut finde ich auch die Partieen vom karolingischen Reiche
und von Britannien und den Normannen. — Auch die Einleitung, die
in frühere Zeiten zurückgreift, bietet eine recht ansprechende Zusammen-
fassung besonders über die inneren Verhältnisse und das geistige Leben
im römischen Reiche, über die älteren Zustände bei den Germanen aber
zu wenig. Zu beanstanden ist dort auch die etwas einseitige Auffassung,
dafs West-Rom hauptsächlich nur durch seine elende Regierung erlag.
Erscheint der vorliegende Band im ganzen fast mehr wie eine Ein-
leitung zu einer eingehenderen Behandlung der späteren Zeiten — in
dem vierten Bande soll der Übergang in die neuere Zeit erfolgen — , so
zeichnet er sich doch nicht nur durch die philosophische Durcharbeitung
des Stoffes, die wiederholt auf des Verf. „Geschichtsphilosophie" hin-
deutet, sondern auch durch schöne Darstellung aus. Begründungen fügt
Lindner dieser nicht hinzu; die Literaturangaben sind, wie die Inhalts-
übersicht und das Personen- und Ortsverzeichnis, sehr sorgfältig zu-
sammengestellt.
Hadersleben. Aem. Plntsohovliis.
6) H. Enanthy Lateinisches Übnngsbnch für Sekunda
im Anschlufs an die Lektüre. L Abteilung: Für Unter,-
Sekunda. Berlin, Weidmannsche Buchhandlung, 1902. VIII
U. 94 S. 8. geb Ji 1.20.
Das vorliegende hübsch ausgestattete Bändchen, das die Fortsetzung
der bewährten lateinischen Übungsbücher von Busch-Fries bildet, enthält
1) Auf den grofsen Einflofs der byzantinischen Kultur auf das slavische Ost-Europa
konnte etwas deutlicher hingewiesen werden.
•^
Nene Philologiiobe BvndsebM Nr. 1. 17
60 Übungsstücke, die teils an Livius Bach I u. II, teils an Gioeros Beden
aber den Oberbefehl und gegen Eatilina angeschlossen sind. HinzngefBgt
ist eine nach sachlichen Gesichtspunkten geordnete Phrasensammlung und
ein sehr reichhaltiges Wörterverzeichnis, das selbst den Bedfirfnissen der
schwächsten Schüler Rechnung trägt.
Die Stücke sind mit grofsem Geschick gearbeitet: sie bieten reich-
lich Gelegenheit zur Einübung der wichtigsten grammatischen und sti-
listischen Regeln, sind sorgfiltig im deutschen Ausdruck und ergeben nach
der Übertragung ein mustergültiges Latein. Lobenswert ist das Bestreben,
die Übungen inhaltlich so zu gestalten, dafs durch sie das Ver-
ständnis der behandelten Autoren vertieft wird. In allen diesen Bb-
ziehnngen ist die Arbeit ein würdiges Seitenstfick zu den Büchern von
Busch-Fries.
Nur in einem Punkte weicht das Verfahren des Verf. wesentlich von
dem seiner Vorgänger ab. Während diese in der Anwendung von Fufs-
noten mit Recht sehr sparsam sind, legt sich Enauth diese Zurückhaltung
nicht auf. Er betont zwar in dem Vorworte sehr richtig die Notwendig-
keit, „den jugendlichen Geist zur Selbständigkeit zu führen ^S aber trotz-
dem hindert er selbst durch „fortwährendes Eingreifen und Helfen*^ den
Schüler an jeder freien Bewegung.
Dabei traut er vieles dem Untersekundaner nicht zu, was Busch
in seinem Buche ohhe weiteres bei dem Obertertianer als bekannt voraus-
setzt. (Vgl. die Anmerkungen 7, 8; 20, 1; 22, 16; 24, 12; 24, 23;
27, 2; 28, 1; 29, 16; 32, 7; 33, 9; 40, 8 u. s. w.) So wird der Schüler
nicht selten der Möglichkeit beraubt, das Wissen, das er in der vorigen
Klasse erworben, zu betätigen, ja es mufs in ihm die Vorstellung erweckt
werden, dafs früher von ihm zu viel verlangt worden ist. Hielt En. an
solchen Stellen überhaupt einen Fingerzeig für angebracht, so war es
jedenfalls richtiger, den Paragraphen der Grammatik anzuführen und den
Schüler so zu nötigen, sich die Regel im Zusammenhange anzusehen.
Auch sonst würde ich eine Verringeiiing der Fufsnoten für wünschens-
wert halten. Manches Lexikalische, das jetzt in den Anmerkungen steht,
könnte dem Wörterverzeichnis zugewiesen werden, wieder anderes würde
besser in einem grammatisch-stilistischen Anhange zusammengestellt, wie
solcher von Busch gegeben ist. Damit würden lästige Wiederholungen
erspart (z. B. 14, 3; 14, 11; 16, 3; 42, 24; 69, 9. — 27, 10; 28, 7;
30, 8. — 9, 1; 12, 2; 19, 5. — 15, 17; 35, 17; 37, 1). Ganz über-
18 Neae Philologische Rundschau Nr. 1.
flflssig sind die AnmerkuDgen 48, 13 and 52, 15, da die hier angegebenen
stilistischen Regeln in den Vorübungen 2 und 3 behandelt sind.
Kann sich aber der Verf. zu einer erheblichen Einschränkung der Fufs-
noten nicht entschliefsen, so möchte ich raten, wenigstens die Anmerkungen
nicht unter die Teztseiten zu setzen, sondern sie am Schlüsse des Ganzen
zu bringen. Denn bei der jetzigen Einrichtung ist das sonst so treffliche
Buch besonders zu häuslichen Präparationen, die im Vorworte mit Recht
empfohlen werden, wenig brauchbar. Kann es doch kaum kontrolliert
werden, ob der Schüler das in den Fufsnoten Angegebene wirklich gelernt
hat oder es nur aus seinem Buche während des Übersetzens abliest.
Abgesehen von diesem methodischen Bedenken bleibt nur wenig zu
erinnern. Im Wörterverzeichnis stehen versehentlich auf S. 87 die Phrasen
„zum Spotte" und „Staatsrat" zweimal, auch in 24, 22; 28, 16; 34, 13
sind Druckfehler zu berichtigen. Inhaltlich bedürfen einige Stellen einer
etwas anderen Fassung. Zu St. 8 : Die Stimme des Silvanus ertönt nicht
während des Kampfes, sondern in der Stille der Nacht, also als der
Kampf schon vorbei ist. Zu St. 10: Scävola fürchtete nicht bei der
Rückkehr nach Rom für einen Überläufer gehalten zu werden, sondern
beim Verlassen Roms. Zu St. 12 : Koriolan erhebt nicht Einspruch da-
gegen, dafs das Volk einen Anteil an dem Getreide empfängt, sondern
dagegen, dafs es zu dem gewöhnlichen billigen Preise verkauft wird. Auch
entspricht es nicht der Darstellung des Livius, wenn behauptet wird, die
Patrizier hätten Koriolan keinen genügenden Beistand geleistet. Zu
St. 13: Die Bürger waren nicht durch die gemeinsame Gefahr geeinigt,
auch halten nicht die Bürger Rat, sondern die Plebs zwingt den Senat,
Gesandte an Koriolan zu senden.
Diese kleinen Schönheitsfehler, die naturgemäfs jedem neuen Buche
anhaften, können leicht in einer neuen Auflage beseitigt werden, und so
sind die zahlreichen Anstalten, in denen die Bücher von Busch-Fries ein-
geführt sind, dem Verf. für seine Gabe zu grofsem Danke verpflichtet.
Hoffentlich findet Kn. bald Zeit, auch für Obersekunda und Prima ebenso
wertvolle Lehrmittel zu schaffisn.
Potsdam. E« Krause.
/
^
Nene Philologische Rundschau Nr. 1. 19
7) mkolans Welter, Theodor Aubanel, ein provenzalischer
Sänger der Schönheit. Mit Aubaoels Bildnis. Marburg, N. Q.
Elwertsche Verlagsbuchhandlnng, 1902. 223 S. 8.
Ji 3.-; geb. Ji 4.-.
Die neuprovenzalische Dichtung ist in Deutschland noch immer ver-
hältnismäfsig sehr wenig bekannt. Sieht man von den Fachgelehrten ab,
so wird man nicht viele Deutsche finden, die aufser Mistral noch einen
anderen neuprovenzalischen Dichter kennen. Und doch gibt es unter den
„Felibem*' eine ganze Beihe, die es wohl verdienten, auch von weiteren
Kreisen gewürdigt zu werden. Schon deshalb ist jeder Versuch, uns einen
von ihnen näherzubringen, willkommen zu heifsen — doppelt willkom-
men, wenn er einen so hervorragenden Dichter betrifft, wie Theodor
Aubanel, den Sänger der Schönheit, der Liebe und seiner provenzaiischen
Heimat, und von einem so gediegenen Kenner dieser ganzen Literatur
herrührt, wie Nikolaus Welter, dessen „MistraP^ hüben und drüben die
lebhafteste Anerkennung gefunden hat.
Das vorliegende Werk zerfällt in zwei Teile. Der erste enthält ein
anziehendes Lebensbild, wobei Welter nicht nur die vorhandenen Quellen,
besonders das Buch von Aubanels Freunde Legr^, benutzt, sondern auch
andere noch lebende Freunde und Verwandte des Dichters zu Bäte ge-
zogen und von ihnen manche wertvolle Mitteilung erhalten hat, ja auch
einige interessante Briefe, die hier zum ersten Male veröffentlicht werden.
Auch in der Schilderung der Ortlichkeiten und der Verhältnisse, in denen
Aubanel aufgewachsen ist, sowie der Personen, zu denen er in irgend-
welchen Beziehungen gestanden hat, ist Welter der geschickte Biograph
und kenntnisreiche Literarhistoriker, den wir schon aus seinem „ Mistral ^^
kennen. Der zweite, weit umfangreichere Teil des Buches enthält ein-
dringende, feinsinnige Analysen der Werke Aubanels, belebt und er-
läutert darch zahlreiche, gröfstenteils eigene Übertragungen der letzteren.
Bei der Auswahl dieser Proben bleiben hie und da noch einige Wünsche
unerfüllt, und die löbliche Absicht, möglichst wortgetreu der Vorlage zu
folgen, führt zuweilen zu harten, unschönen Wendungen; im allgemeinen
aber sind diese Übersetzungen sehr gewandt, formvollendet und wohl-
klingend, und nicht wenige von ihnen muten uns wie Originaldichtungen
an. Die Anordnung des Werkes erscheint mir insofern nicht glücklich,
als der Verf. bei den Betrachtungen der Dichtungen immer wieder auf
die im ersten Teile erörterten Lebensverhältnisse Aubanels und seine
Nene Philologische Bundsohau Nr. 1.
BeziehuDgen zu geliebten Frauen und Freunden hinweisen mufs, was zu
mehrfachen Wiederholungen Veranlassung gibt und einer künstlerischen
Abrundung des Ganzen im Wege steht. Trotzdem ist das Eduard Eosch-
witz gewidmete Buch von nicht geringem Werte und sollte von jedem
Freunde französischer Literatur gelesen werden.
Hannover. Max Bwert.
8) O. Schmedingy Matiöre Orammaticale pour servir k Ten-
seignement des classes sup^rieures. Dresde et Leipsic, G. A. Kochs
Verlagsbuchhandlung (H. Ehlers), 1902. 48 S. 8. JH 1.20.
Dafs das vorliegende Büchlein seine Eigenart hat, glaubt Verf. in
einem Begleitwort besonders betonen zu müssen: es ist die, dafs die Re-
geln der Grammatik, auf ein Minimum reduziert, aus dem Druck und der
Orthographie sich anschaulich ablesen lassen. „ Es ist deshalb '', heifst es
in dem Begleitwort, „erstens die Zusammengehörigkeit engverbundener
Wörter hervorgehoben und der Satzakzent besonders bezeichnet; es ist
zweitens zum Verständnis des Satzbaues die Verschiedenheit der Inter-
punktion durch Fettdruck zur Anschauung gebracht; es ist endlich drit-
tens, damit die blofse Anschaulichkeit nicht zur Oberflächlichkeit ver-
leite, die Wortkunde in mehr wie bisher üblicher Weise vermittelt durch
wörtliche Wiedergabe der ursprünglichen Bedeutung, und zwar so, dafs sie
auch dem Nichtlateiner verständlich wird.*' Mit diesen Grundsätzen kann
man sich schon einverstanden erklären, nur scheint mir in dem Büchlein
bei ihrer Durchführung doch des Guten ein wenig zu viel getan zu sein.
Für ein Lehrbuch — und das soll das Werkchen nach dem Titel doch
sein — ist die Beschränkung auf eine Sammlung von Musterbeispielen,
und mögen sie noch so anschaulich gedruckt sein, meines Erachtens nicht
angebracht, eher könnte man dergleichen für eine nur zur Repetition
dienende Übersicht gelten lassen. Verf. hat sich ja denn auch veranlafst
gesehen, einer erheblichen Anzahl von Beispielen erläuternde Anmerkungen
hinzuzufügen. Mit deren Art, die eine Erklärung der grammatischen
Erscheinungen aus dem Satzakzent zur Regel macht, und der ich ein gewisißes
Hinausgehen über die in Schulbüchern übliche Erläuterung nach der
sprachphilosophischen Seite hin nicht absprechen will, kann ich mich aber
nicht einverstanden erklären: wenn man etwas gewagte Behauptungen
noch so oft mit einem „ on comprend '' einleitet oder mit einem „ naturellement "
versieht, so' werden sie dadurch noch nicht einleuchtender. Ich möchte
/^
Nene Philologische Bnndsehan Nr. 1. 21
die Erläuterungen durchweg als sehr eigenartig, oder mit dem Mode-
wort als sehr subjektiv bezeichnen, aber zur guten Hälfte auch für sehr
anfechtbar. Beispiele fQr diese meine Behauptung zu geben, verbietet der
Baum. Was die Heranziehung der Wortkunde betrifft, so scheinen mir
doch, um nur je ein lateinisches und deutsches Beispiel zu nennen, Wen-
dungen wie quas habeo vedutas auch für Nichtlateiner (erst recht aber für
Lateiner) und frankreichherwärts in einem Schulbuche sehr bedenklich. —
Was der Verf. am Schlufs seines Begleitwortes über die vermittelnde
Methode sagt, dals sie nämlich „in Wirklichkeit viel mehr Anhänger zählt,
wenigstens in sehr viel ausgedehnterem Mafse geübt wird, als die Badi-
kalen glauben 'S ist mir angenehm zu hören; ihm wie mir scheint diese
Methode die Zukunft für sich zu haben. Dafs er die „Simplification^^ an
den einschlägigen Stellen nur erwähnt, die von ihr „ tolerierten '^ Verstöfse
nicht zu Regeln erhebt, ist durchaus richtig. — Eine erhebliche Anzahl
Druckfehler ist mir aufgefallen, die ich nicht einzeln aufzählen will. Die
fast durchweg beliebte Schreibung von parceque (auch tandisque afinque
u. a.) in einem Worte ist doch wohl nicht Absicht?
Erfurt. Mas KHIger.
9) David Asher, Die Fehler der Deutsehen beim münd-
lichen Gebrauch der englischen Sprache. 8. Auflage.
Herausgegeben von Ph. Hangen. Dresden, Ehlermann, 1902.
75 S. 8. Ji 1. -.
Asher's Werkchen erschien 1864 in erster Auflage. Bald wurde sein
Wert als „Ergänzung jeder englischen Grammatik, als praktisches Hilfs-
mittel zur Wiederholung, zur Vorbereitung fürs Examen, zum Privat- und
Selbstunterricht^^ erkannt, und nach und nach ist die achte Auf läge nötig
geworden.
In etwa 1000 Beispielen, die in 72 Gruppen eingeteilt sind, wird
„ziemlich die Gesamtmasse der englischen Spracherscheinungen ^* berück-
sichtigt. Die Übungssätze — also keine zusammenhängende Stücke —
sollen die gebildete Umgangssprache bieten. Asher zeigt sich bei der
Zusammenstellung des gegebenen Stoffes als praktischer Schulmann, der
sein Büchelchen während des Unterrichtes allmählich entstehen liefs. Die
Übungssätze sind in gutem, an einzelnen Stellen allerdings unnötigerweise
ans Englische anklingendem Deutsch gegeben und beziehen sich in weiser
Einschränkung in erster Linie nur auf die Erscheinungen aus der Gram-
22 Neue Philologische Bundsohau Nr. 1.
matik, der Synonymik and dem Sprachgebranch, gegen die erfahmngs-
gemäCs allgemein von Englisch lernenden Deutschen stets wieder gefehlt wird.
Das Bächelchen erfüllt aber far sich allein nicht den Zweck , zu dem
es zusammengestellt ist. Die Absicht, ein Wiederholungshilfsmittel zu
schaffen, wird erst dadurch erreicht, dafs die gegebenen Übungssätze in
einem zweiten Bändchen : Exercises on the Habitual Mistakes of Germans
in English Conversation , in guter, idiomatisch richtiger englischer Über-
setzung gegeben werden, jedoch so, dafs darin für einzelne Worte oder
Bedewendungen, auf die es gerade ankommt, durch Striche angedeutete
Lficken gelassen sind. Der Wiederholende wird dadurch zum Nachdenken
gezvningen. Hat er dann die Lücken ausgefüllt, so wird ihm sein Lehrer
sagen müssen, ob er die Begel richtig zur Anwendung gebracht hat.
Wiederholt er aber ohne Lehrer, so kann er sich in einem dritten Bänd-
chen: Key to the Exercises etc. Gewifsheit darüber verschaffen, ob die
Schwierigkeit von ihm glücklieh überwunden ist oder nicht. Diese drei
Bändchen gehören demnach für den von ernstem Streben erfüllten Benutzer
naturgemäfs zusammen.
Nachdem Asher schon 13 Jahre lang diese „Fehler der Deutschen u.s. w.*^
beim unterrichte benutzt hatte, entschlofs er sich endlich auf wiederholte
Aufforderung hin in einem vierten Bändchen, das zur Benutzung seines
Büchelchens anleiten soll, „die wichtigsten Begeln der englischen Syntax'^
knapp und bestimmt zu geben.
Münster i. W. H. Hoffsohiilte.
10) B. Krön, A Vocabulary with Explanations in Simple
English of Words in the Text of The Little Londoner and English
Daily Life. Karlsruhe (Baden), J. Bielefeld, 1902. 77 S. 8.
geb. M 1.—.
In dem Werkchen liegt ein kleines Wörterbuch in englischer Sprache
vor. In demselben werden auf zirka 70 Seiten alle die Wörter des Little
Londoner und des English Daily Life erklärt, von denen anzunehmen ist,
dafs sie Schülern, welche 2—3 Jahre Englisch getrieben haben, nicht
bekannt sind. Die Erklärungen sind kurz gefafst und bieten meistens ein
schlichtes, leicht verständliches Englisch. Inhaltlich sind sie mit einigen
Ausnahmen geeignet, dem Schüler den richtigen Begriff von dem be-
treffenden Worte zu geben. Zweifelhaft scheint mir, ob Erklärungen wie
die folgenden diesen Zweck erfüllen werden:
^^
w
\
Nene Philologische Randschan Nr. 1.
„poppy [Latin papaver rhoBas] flower growing in cornfields, etc."
„onion [Latin alliam cepa] plant spreading a strong odour, and osed
in cookery."
Die Aussprache ist in den meisten Fällen, wo der Schüler fiber die-
selbe in Zweifel sein könnte, nur durch Angabe der Länge resp. EQrze
der Silben sowie des Akzentes bezeichnet. Häufig ist ein entsprechendes
Keimwort zu Hilfe genommen. Bei mow heifst es z. B.: „rhymes witb
so", bei rye: „rhymes with my".
Bei gaol wäre die Bezeichnung der Aussprache wohl am Platze ge-
wesen. Dafs die Silbe re in Wörtern wie restore, return, respect etc.
and u in Scripture als lang, o in harrow als kurz bezeichnet sind, dürfte
nicht allgemein gebilligt werden.
Der Gebrauch des Buches wird den Unterricht nach dem Little Lon-
doner oder dem English Daily Life bedeutend erleichtern und dessen Er-
folge sichern.
H. B.
11) S. Gräfenberg und Antonio Faz y Möliai Brieflicher
Sprach- und Sprechnnterricht für das Selbststudium
der Spanischen Sprache. 2 Kurse zu je 18 Briefen. Berlin,
Langenscbeidtsche Verlagsbuchhandlung, 1902.
Die rühmlichst bekannte Langenscbeidtsche Verlagsbuchhandlung hat
sich endlich auch entschlossen, zu den bereits existierenden französischen
and englischen Unterrichtsbriefen ein spanisches Unterrichtswerk hinzu-
zufügen, wovon der erste Brief jetzt vorliegt. Man wird wohl nicht irre
gehen, wenn man behauptet, dafs damit vielen Lerneifrigen ein wesent-
licher Dient geleistet ist, denn ganz auf derselben bewährten Grundlage
wie die schon erschienenen Werke sind die neuen von Dr. S. Gräfenberg
verfafsten Unterrichtsbriefe angelegt, die sich ihren Vorgängern damit
würdig anschliefsen.
Der erste Brief enthält aufser Vorwort und allgemeinem Arbeitsplan
eine sehr gediegene Darstellung der spanischen Aussprache, und von der
zweiten Lektion an wird der Lernende im Anschlufs an eine Novelle von
P. Vald^s mit den Haupterscheinungen der spanischen Sprache allmählich
bekannt gemacht. Über die Art der Durchführung dieses gewifs recht
gangbaren Weges läfst sich ein abschliefsendes Urteil natürlich erst fällen,
wenn das ganze Werk fertig vorliegt. Von selten des Verf. ist durch
24 Nene PhilologiBche Bandscliau Nr. 1.
s^hr ausführliche Darstellung alles getan worden, um auch bei dem
sprachlich nicht Vorgebildeten ein volles Verständnis zu erzielen. Auch
die mündliche Beherrschung der Sprache ist nicht aufser acht gelassen,
indem an das durchgearbeitete Stück eine Konversation angeschlossen ist,
und indem ferner in besonderen Gesprächen der Lernende noch mit den
wichtigsten Bedensarten des gewöhnlichen Lebens bekannt gemacht wird.
Hoffentlich lassen die übrigen Briefe nicht zu lange auf sich warten!
Bremen. W. Bftlirs.
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fiesteUnngen nehmen alle Bnchhandlnngen, sowie die Fostanstalten des In- und Aoslandes an,
Insertionsgehflhr Ar die einmal gespaltene Petitxeile 30 Pfg.
Inhalt: Bezensionen: 12) A. Fick, Bas alte Lied Tom Zorne Achills (0. Dingel-
dein) p. 25. — 13) H Stein, Herodot, Buch II (J. Sitzler) p. 26. — U) E. Wust,
Beitrage zur Textkritik und Exegese der Platonischen Politeia (K. Linde) p. 28. —
15) A. Thiel, luvenalis graecissans (G. Eskuche) p. 29. — 16) Fred. Hellems,
Lex de imperio Vespasiani (A. Chambah) p. 30. — 17) H. Win ekler. Alt-
orientalische Forschungen (R. Hansen) p. 32. — 18) B. Methner, Untersuchungen
zur lateinischen Tempus- und Moduslehre (A. Dittmar) p. 33. — 19) Fr. Holz-
weifsig, Übungshuch für den Unterricht im Lateinischen. Kursus der Unter-
sekunda (E. Krause) p. 40. — 20) Jules Verne, Les Frires Kip (Buhle) p. 42. —
21) K. Engelke, Mademoiselle de la Seigliäre, comedie par Jules Sandeau
(K. Beckmann) p. 42. — 22) 0. Schulze, Expedition de Bonaparte en Egypte et
en Syrie par Ad. Thiers (K. Beckmann) p. 43. — 23) J. Cserwinka, Shakes-
peare und die Bühne (Gerh. Hellmers) p. 44. — 24) K. Engelke, Le petit Yo-
cabulaire (W. Bohrs) p. 46. — Vakanzen. — Anzeigen.
12) August Ficky Das alte Lied vom Zorne Achills (Urmenis)
aus der Ilias ausgeschieden und metrisch übersetzt. Göttingen,
Vandenhoeck & Euprecht, 1902. VIII u. 130 S. 8. JK 3.-.
Die schwierige Frage nach dem ui*sprünglichen Kern der Ilias wird
von dem Verf. ebenso leicht wie verbiQflfend gelöst. Fick erkennt bei
seinen Vorgängern in der Homerkritik an, dafs „in ihren Bemühungen
ein gutes Stück redlicher deutscher Arbeit steckt, aber es fehlte ihnen
ein festes durchschlagendes Prinzip '^ Dieses Prinzip hat F. in der Zahl
gefunden; er hat nämlich entdeckt, dafs die „ürmenis'' nach einem be-
stimmten Zahlenschema aufgebaut war, das auf elfzeiligen Strophen und
deren regelmäfsiger Vermehrung beruht (S. 85). Eine Kapitelüberschrift
sieht bei ihm so aus:
Viertes Buch: Achilleas Kache.
47 X 11 Verse.
Siebenter Gesang: Achilleus Rache an den Troern.
Neue Philologische Bnndschaa Kr. 2.
25 X 11 Verse.
1. AusfBhrang.
3 X 11 Verse.
Besonderes Lob erntet der „prächtige Aufbau^' des ersten Gesanges, dem
zu Liebe der Umfang aller übrigen Gesänge eine Abänderung vom regel-
mäfsigen Schema (2XllXll = 242 Verse) erfahren mufste. Seine
Glieder stellen nämlich „ eine durchgeführte Pjramide '' dar, insofern er aus
(9 + 7 + 5 + 3 + 1) . 11 = 275 Versen besteht. P. vergleicht
damit den pyramidalen Aufbau des Sockels zum goldenen Löwen, den
Krösus zu Delphi stiftete. Und solche Ednsteleien traut man im Ernste
dem naivsten aller Dichter zu! F. hat seiner Schrift ein stolzes Motto
in Goethes Worten vorgesetzt: „Warum sucht' ich den Weg so sehn-
suchtsvoll, wenn ich ihn nicht den Brüdern zeigen soU?'^ Ich fürchte
oder vielmehr ich hoffe, dafs F. auf diesem Wege wenig Nachtreter
finden wird.
Den gröfsten Teil des Buches nimmt eine metrische Übertragung
der „ürmenis^^ ein, doch ist es dem Verf. ebensowenig wie irgend einem
seiner Vorgänger gelungen, eine Übersetzung Homers in deutschen Hexa-
metern zu schaffen, die einen des Originals Unkundigen dessen Schönheiten
auch nur ahnen läfst.
Büdingen (Hessen). O. Dlngeldela.
13) HerodotOB erklärt von H. Stein. L Band. 2. Heft: Buch IL
Mit erklärenden Beiträgen von H. Brugsch und einem Kärtchen
von H. Kiepert. 5. verbesserte Auflage. Berlin, Weidmann,
1902. 205 S. 8. M 2.20.
Die 4. Auflage der Steinschen Ausgabe des 2. Buches von Herodot
erschien im Jahre 1881. Seit dieser Zeit machte nicht nur die ägyptische
Forschung im allgemeinen weitere Fortschritte, sondern es wurde auch
A. Wiedemanns Bearbeitung von Herodot H veröffentlicht, welche die
Sacherklärung dieses Buches bedeutend förderte. H. Stein benutzte bei
der Herstellung der neuen Auflage diese Arbeiten, ohne ihre Ergebnisse
jedoch in vollem Umfange für die Erklärung zu verwerten ; man vergleiche
z. B., was Kap. 4 zu tqa^ Kap. 7 zu "^Hkityv tvöIiq, Kap. 96 zu den
Lastschiffen, Kap. 149 zu dem Möris-See, Kap. 180 zu avröfiatog ge-
sagt ist.
Den Text hat der Herausgeber einer gründlichen Durchsicht unter-
-^
Neae Philologische Rnndschaii Kr. 2. 27
worfen und an vielen Stellen abgeändert, teils im Anschlnfs an die Hand-
schriften, teils auf Grund von Konjekturen, fremder sowohl als eigener. Dafs
dabei die Lesarten der Handschriftenklasse a über Gebühr bevorzugt werden,
brauche ich kaum zu erwähnen ; dies bringt die Stellung des Herausgebers
zu den Handschriften mit sich. Von den neu aufgenommenen handschrift-
lichen Lesarten billige ich: 12, 9 S^qioi mit allen Handschriften, 62, 2
Tfjai ^oirjai mit allen Handschriften; ferner mit der Handschriftenklasse a :
122, 5 xBiQuiiayucqov (vgl. Hoffmann, griech. Dial. 3, 365), 139, 6 doy(AuVy
aber c5g Ttqdipaaiv „als Anlafs^^ ist nicht anzutasten; der Herausgeber
schlägt freilich \&q\ nq6q>avaiv vor; mit der Handschriftenklasse /?: 2, 32
Tcaiditav, 28, 18 oSrog, 97, 9 iatL de ovx oirog; danach ist aber keine
Lücke anzunehmen, sondern zu erklären: „es existiert aber nicht diese ^S
d. h. sie ist aber nicht hier, geht aber nicht hier vorbei; 144, 4 olyceövrag;
dazu kommt noch 53, 1 syiveTOy das von B G, nicht auch von A, wie
der Herausgeber angibt, überliefert wird. Natürlich sehe ich bei dieser
Aufzählung von den Stellen'^ab, wo a und ß an sich brauchbare Lesungen
haben und die Entscheidung über die Aufnahme der einen oder anderen
YOD dem urteil, das man über die Handschriftenklassen hat, abhängt.
Die Zahl der neu aufgenommenen Konjekturen anderer Gelehrten
ist nach Steins Angabe 12; dazu kommen aber noch 4, die er unter den
eigenen Vermutungen auffuhrt, nämlich 8, 20 [tö . . . ioTi] von Puntoui,
65, 4 [de] von Herold, 76, 7 (fjSe'} rpilr) von Schweighäuser und 126, 8
[sv Toiai iQyoiai] von Valckenaer. Diese Änderungen sind durchweg Ver-
besserungen; nur hätte Stein 4, 7 ifAßölifAov neben Cobets (jui^va) nicht
ausschliefsen sollen. Die Worte iv Toiai sgyaiai 126, 8 scheinen infolge an-
fönglicher Auslassung und späterer Beifügung an ihre jetzige Stelle gekommen
zu sein; sie gehören zu fjivrjfAi^iov y.arahniad'ai ev toIol l^yoiavi „ein
Andenken an sich unter den Bauwerken hinterlassen''. Auch 65, 4 ist
Bekkers ij st. \de\ möglich.
Neue eigene Vermutungen hat der Herausgeber an 28 Stellen in den
Text gesetzt. Von diesen halte ich für gelungen: 20, 7 [xbv iVcUov],
122, 7 ö^iiv J^f^i^TQL st. di^, 127, 12 [sxofAevrp^ Tfjg fAeydli^g]y 135, 23
(aXlri) ^*' ^®^ früher vorgeschlagenen (Irepij), 142, 6 dqxieqeag <t€>,
152, 25 T€ tä st, /MCT , 161, 15 TafJra difj st. dt und 176, 6 dio (alXoi)
wloaaol; auch 129, 9 STrifACficpofievcjc Kjty ex r^g d/xijg ist beachtens-
wert, da so h, Tfjg ö, verständlich wird. An anderen Stellen erscheint
mir die vorgeschlagene Änderung nicht befriedigend, so 10, 5 üaTteq [yB\
Kene Philologische BondBchaii Nr. 2.
WO Ttal st. ye am Platze wäre, 13, 7 f^eydlfog [xaxdJg] st. jucyrf% xax<3g;
richtiger TtaQct Jidg xax(S>^, damit tpevad-ivTag noti ilnidog seine Er-
gänzung erhüt, 99, 13 tbg dneqyfÄevog [i^hi] st. des früher vermuteten
^etj; aber das nächstliegende dg an:, ^iu ist schon längst gefunden, 100,
11 -mivofhf T(p k6Y(() [v6(() de älla f^rixceväad'aLy Y.aliaaaav de xrA., weil
der Gegensatz zu Uytp nicht v6(py sondern eQytp wäre ; aber vgl. Hom. Od.
18, 282 ^ii/ye di Svfjiov (AuUxioig iftieaatj vöog de ol &Um fACPolva.
Soph. 0. C. 935 Tafjtd aoi Ttp vip d^ &(ioiwg yu&nb zfjg yhbaarig Uyia\
st. yuaUaaaav de ist ydg zu lesen, was Stein selbst frflher vorschlug,
108, 17 Lücke nach 7t<n:a(i6gy wo doch die Abänderung von Sxw^ ve
in yey das hier ganz an seiner Stelle ist, genügt, 143, 11 \ß(ag . . . aii%Ag\
wegen Iwg o^, einer Glosse zu dem ursprünglichen ig S, 178, 4 Lücke
zwischen cfvroCf und de ravtillotievoigy wo der Sinn bei der sonst auf-
genommenen Interpunktion olyteeiv, aitoC de v, vollständig ist. Die übrigen
Änderungen des Herausgebers halte ich für unnötig, auch 11, 4 \&g eqto^iai
ffq6Lüiav\ trotzdem ein solcher Zusatz nach o&rcu dii %i sonst bei Herodot
nicht vorkommt.
Tauberbischofeheim. J- Sltaler,
14) Ernst Wüst, Beitrage 2Biir Textkritik und EzegeM der
Flatonischen Foliteia. Dillingen, Programm, 1902. 34 S. 8.
In der Einleitung wendet sich Verf. gegen die unberechtigte und
leichtfertige Annahme von Interpolationen im Piatontexte und sucht eine
Anzahl von Stellen der Politeia durch passende Erklärung gegen derartige
Versuche der Athetese und gegen Konjekturen zu schützen. Man wird
sich mit diesem Grundsatze des Verf. im allgemeinen einverstanden er-
klären können; denn, wenn es auch als erwiesen gelten kann, dads unser
Text des Piaton vielfach durch Interpolationen entstellt ist, so darf doch
von diesem Mittel der Heilung nur ein vorsichtiger Gebrauch gemacht
werden. An anderen Stellen liefert Verf. Beiträge zur Erklärung gewisser
Stellen, die man dankbar hinnehmen wird, wenn auch nicht überall das
Bichtige gesagt ist, z. B. 424 a ist für ai^avofiivij die Bedeutung „zu-
nehmen'' durch die folgende Stelle {¥vi ßelrlovg töv nqoviqwv gnhvrai)
genügend begründet; 515 b ist tSc ovta avvabg vofxi^eiv bzw. dvof46^eiv
die richtige Lesart, wie die indirekte Überlieferung (Jamblichus, Proklus),
auf die Verf. zu wenig Gewicht legt, und das folgende (o^x fi^ Slko xl
/
-^
Neae Philologische Bondsohaii Nr. 2. 39
vofii^oifjiev rd dlrid'is) deutlich zeigen; gut dagegen ist, was 492 e Ober
TtoQct T^ Totk(av Ttaideiav bemerkt wirkt {rtaQd «-> gegen). Bei einer
dritten Gruppe von Stellen sucht Verf. trotz seines konservativen Stand-
punktes doch auch den Text, „wo er offenbar falsch fiberliefert ist, mit
selbst erdachten Konjekturen zu „verbessernd^ (!), wird aber damit kaum
auf Beifall rechnen können: 359 d ist an /r^oyc^y^, was schon Proklus
gelesen hat, nicht zu rfihren, der offenbare Fehler der Stelle mufs anderswo
stecken ; 456 d ist an naqalaßo^a festzuhalten (naqaX. in der bekannten
Bedeutung „ zur Erziehung fibernehmen ^') ; 600 d ist di^ai zu lesen, wie jetzt
auch Bumet schreibt, mit dem ich ebenfalls 521 c an der Lesart der besseren
Handschriften festhalten möchte; 473c ist yuvfi&twv yelaof^a aus Äschyl.
From. 90 doch zu sehr bekannt, als dafs man an dem iycyelCiv ändern sollte.
Helmstedt. K
15) AugturtaB Thiel, InvenaÜB graedssans sive de vocibus
graecis apud luvenalem. Scripsit. Breslau, Preufis & Juenger,
1901. 152 S. gr. 8.
Diese Arbeit Thiels fiber die Griechische Fremd- und Lehnwörter
bei Juvenal ist f&r Grammatik und Lexikon wertvoll, sie bildet
auch einen zuverl&ssigen Beitrag zu dem noch zu malenden Eulturbilde
„Griechenland in Bom". Was Thiel hierzu bietet, ist durch die selbst-
gezogene Grenze beschränkt und nur ein kleiner Ausschnitt, wird aber
hoffentlich, wie der genaue Vergleich mit Horaz und Persius (Kap. III,
Abschnitt 2) vermuten lälst, bald erweitert werden. Der spröde Stoff ist
fein, manchmal fiberfein gegliedert, z. B. S. 76—79, sodafs dann durch
zu viel Unterabteilungen die Übersicht leidet. Bei der Besprechung der
Vorarbeiten Anderer wird der nimmermfide Wortffihrer des Allgemeinen
Deutschen Sprachvereins, Gfinther A. Saalfeld, gebfihrend anerkannt,
der das Verdienst hat, fiber griechische Fremd- und Lehnwörter im La-
tein zuerst grfindlich zusammenfassend geschrieben zu haben 1874, 1877,
1884 (und zuletzt auf einem Sondergebiet fiber die Valgata 1891); die
Juvenalischen Fremdwörter behandelte bisher nur L. Eiaer (1875, S. 227 f.)«
dessen Beobachtungen man gern schon in Friedlaenders greiser Juvenal-
ausgabe (S. 56) näher ausgeführt sähe. Thiel stellt nun S. 8—16 die
festzuhaltenden Grundsätze ffir seine Untersuchung auf und behandelt denen
gemäfs S. 17 — 79 einzelne Fremdwörter des genaueren, z. B. ob sie in der
griechischen Literatur zu belegen sind oder fehlen, von Juvenal allein ge-
30 Nene Philologische Bnodschan Nr. 2.
braucht oder eingeführt oder gar selbst gebildet sind. Es folgt im ersten
Kapitel stoffliche Sichtung der Fremdwörtermasse : Dingnamen (appellativa)
S. 62—69 von Natur und Menschheit (Leib, Seele, leibliches, geistiges,
öffentliches Leben) und Eigennamen (propria), geographische, mythologische,
menschliche. Zweites Kapitel: Der Gebrauch. Juvenal folgt entweder
absichtslos der Umgangssprache oder wählt sie mit bewufster Absicht,
z. B. parodistisch. Zu dem Abschnitt fiber die griechischen Endungen
(S. 101 ff. u. 141 ff.) wäre wohl ein vergleichender Cberblick über latei-
nische Deklination griechischer Wörter lehrreich, um zu zeigen, wieweit
das Fremdwort zum Lehnwort sich wandelte, wie z. B. 14, 279 das spa-
nische Vorgebirge Kaknri höchstwahrscheinlich zu Galpis. Drittes Kapitel :
Menge und Zahlenverhältnis. In 3837 Versen stehen 1194 Fremdwörter.
Bei dieser Statistik müfsten freilich die durch den griechischen Stoff'
(Geographie, Geschichte u. a.) veranlafsten Fremdwörter ausgeschieden
oder noch einmal gesondert betrachtet werden, da sonst der lehrreiche
Vergleich mit Horaz und Persius manchen Zufälligkeiten unterliegt. [Denn
Thiel will doch vor allem die Beeinflussung des römischen Geistes durch
den griechischen in seinem Buche zeigen. — Der hohe Wert der Thielschen
Abhandlung wird sich erst völlig zeigen, wenn sie sich als Glied einfügen
kann in eine Kette von ebenso genauen Untersuchungen über die Fremd-
und Lehnwörter bei den anderen Schriftstellern Boms.
i. W. OnstaT Esknehe.
16) Fred B. B. HellemSy Lex de imperio VeBpaaiaiii.
Chicago, Scott, Foresman and Company (Leipzig, Gustav Fock),
1902. 24 S. 8 [englisch]. öOCente.
Von dem Gesetz, durch das Senat und Volk dem Vespasian die Be-
gierungsgewalt übertrugen, sind nur die letzten neun Bestimmungen
erhalten (CIL VI, 930). Der Schlufs (die sanctio) hebt alle entgegen-
stehenden Gesetze auf. Der vorletzte Absatz erklärt die bisherigen Hand-
lungen Vespasians für gesetzlich. Die sieben anderen Abschnitte über-
tragen dem Kaiser einzelne Befugnisse, wie sie zum Teil schon frühere
Herrscher besessen haben. Von den [früheren Kaisern erwähnen die Be-
stimmungen 1 (Krieg und Frieden), 2 (Senatsleitung), 6 (allgemeine Ver-
waltung) und 7 (Stellung des Kaisers über dem Gesetz) nur August, Tiber
und Klaudius; natürlich, denn Nero war gesetzlich, Gajus tatsächlich
damnatae memoriae (S. 7 Anm. 1), Galba, Otho und Vitellius aber waren
•^
^
Nene Philologische BondBobaa Nr. 2. 31
im Aufstand emporgekommen und zu gründe gegangen. Abschnitt 5
(Vorschieben des Pomöriums) führt nur den Klaudius an, der im Jahre 49
die altgeheiligte Stadtgrenze vorschob. Mit Recht erklärt daher Mommsen
die Nachricht bei Tacitus u. a., dafs August das Pomörium vorgeschoben
aus einer Verwechslung mit der Begioneneinteilung des August. Wenn
nun die Bestimmungen 3 (consilium principis) und 4 (candidati Gaesaris)
überhaupt keinen Herrscher nennen, so können Staatsrat und kaiserliche
Beamtenernennung erst dem Vespasian (durch unser Gesetz) ausdrücklich
zugestanden worden sein. Nun aber hat schon Augustus sich einen Staatsrat
ernannt (S. 13) und Eonsulernennung bezeugt Tacitus (bist. I, 77; n, 71)
wenigstens für Nero und die folgenden Kaiser. Aber beide Rechte können
vor Vespasian nur aus der allgemeinen Eaisergewalt, der tribunicia
potestas, hergeleitet worden sein. Die beiden Grundgewalten des Kaisers,
das militärische Imperium proconsulare und die bürgerliche tribunicia po-
testas waren so dehnbar, dafs sich daraus alles herleiten liefs. War ein
neues Recht lange tatsächlich geübt worden, so wurde es durch Sonder-
gesetz übertragen, natürlich im Zusammenhang mit den Grundrechten.
Die Bestimmungen unseres Gesetzes sind Sonderrechte (Gantarelli, Bull,
comm. XVIII, 1890, S. 242 ff.), aber sie sind hergeleitet aus dem im-
perium proconsulare (Best. 1, S. 7. 8) und der tribunicia potestas (Best.
2 — 7, S. 8 ff.). Die beiden Grundrechte (und etwaige andere Sonderrechte)
müssen also in dem verlorenen Teile unseres Gesetzes übertragen worden sein
(S. 20). — Die vorstehende Auffassung findet sich bei H. nur zum Teil
(besonders S. 20 — 22). H. sucht mit Pelhams (Journ. of philology XVII,
1880, 27 ff.) Gründen die anderen Forscher zu widerlegen, er merkt aber nicht,
da& die anscheinend widerstreitenden Ansichten sich zu der oben dargeleg-
ten Auffassung ergänzen. Die Frage nach der lex de imperio von August
bis in die späteste Zeit mufs in gröfserem Zusammenhang behandelt wer-
den. Dazu ist allerdings H. mit seiner Übersetzung (S. 5, 6) und Er-
klärung (S. 6 »18) der lex Vespasiani und seinen allgemeinen Ausfüh-
rungen (S. 20—22) eine wertvolle Vorarbeit.
H.s Arbeit ist eine Doktordissertation von Chikago. Sie eröffnet die
altklassische Abteilung der von Scott, Foresman and Company unter Leitung
von Universitätslehrern herausgegebenen Doktordissertationen amerikanischer
philosophischer Fakultäten (Dissertationes Americanae). Von den folgenden
wünschen wir, dafs sie der vorliegenden an Brauchbarkeit gleichkommen.
Cöln. Aagvflt Chambaln.
Neue Philologische Bondsohaii Nr. 2.
1 7) Hugo Winckler y Altorientalisohe F0r8chiiiigen. [Dritte Reihe.
Bd. I, Heft 2 und Bd. II, Heft 1. Leipzig, Eduard Pfeiffer,
1902. S. 97—184 u. S. 185—248. 8. M h.^ yy, M 3.60.
Die vorliegenden Arbeiten des sehr fruchtbaren Verf. enthalten folgende
Artikel: Die Juden und Born. — Die Zeit der Ezechielprophetie. —
Philokles-Tabnit und der erste syrische Krieg. — Der Gebrauch der
Keilschrift bei den Juden. — Zu semitischen Inschriften. — Zwei Ig^önige
von Sidon aus der Tel-Amama-Zeit. — Astronomisch-Mythologisches. —
Zum alten Testament (Kritisches und Hermeneutisches). — Bruchstücke
von Keilschrifttexten.
Dunkle Perioden der Geschichte, für die es nur notdürftige und dazu
schwer verständliche Quellen gibt, reizen zu Hypothesen, und daran ist
bei Winckler kein Mangel; ob sie annähernd das Sichtige treffen, ist trotz
der geschickten Begründung, die er vielfach gibt, doch fraglich. Ich
erwähne vor allem das, was die Leser der „Bundschau'' interessiert. Den
Brief in 2 Makk. 1, 14 ff. verlegt er in die Zeit nach Grassus, der im
Jahre 54 den Tempel zu Jerusalem beraubte ; das Jahr 88 sei zu rechnen
von der Erlangung der Hohenpriesterwfirde durch Simon, die nach 1 Makk.
14, 27 im 172. Jahr der seleucidischen Ära = 140 v. Chr. stattgefunden
habe. — Die Angaben jüdischer Autoren über ein näheres Verhältnis
zwischen Juden und Bom zur Zeit der Seleuciden verwirft Winckler und
hält sie für spätere Fälschung; der alte Bericht, den das erste Makkabäer-
buch bietet, ist durch Überarbeitung und Einschiebsel entstellt.
Die Ezechielprophetieen, die voller Schwierigkeit sind, benutzt W. zur
Aufklärung der Geschichte des 6. Jahrhunderts nach der Zerstörung Jeru-
salems durch Nebukadnezar. Die Kämpfe um Jerusalem bei Ezechiel
beziehen sich nicht auf diese Zerstörung, sondern auf Scheschbasar, der
sich um 560 zuerst wieder in der zerstörten Stadt festgesetzt hatte (den
„Knecht Jahvehs'' im Deuterojesaias nach W.).
Die meisten übrigen Artikel behandeln Detailfragen aus der orien-
talischen Geschichte.
Oldesloe. IL Baasen.
Nene Philologische Randscbaa Nr. 2.
18) Rudolf Methner, üntemnchungeii zur lateimschen Tem-
pus- und Modoslehre mit besonderer Berficksichtigung des
Unterrichts. Berlin, Weidmannsche Buchhandlung, 1901. VIII
u. 313 S. 8.
Dem Verfasser dieser neuesten Darstellung der lateinischen Tem-
pus- und Moduslehre war es ergangen, wie es mir auch ergangen war,
und wie es eigentlich jedem, der sich mit der lateinischen Sprache be-
schäftigt, ergehen sollte: er hatte sich durchaus unbefriedigt gefehlt
von den fiegeln unserer grammatischen Lehrbücher und er war zu der
Erkenntnis gekommen, dafs sie vielfach fiberaus verworren* und unklar,
somit wenig geeignet sind , die vielgerfihmte sprachlich-logische Schulung
zu fördern. So unterschreibe ich denn z. B. Wort för Wort, was Verf.
auf S. 208 — 212 von den landläufigen Regeln über die Zeitpartikeln sagt,
und dies um so mehr, als ich selbst eine ganz ähnliche Darstellung in
der Einleitung zu meinen Studien zur lateinischen Moduslehre gegeben
habe. Es wäre in der Tat sehr zu wünschen, dafs man sich allmählich
darüber klar wurde, dafs die üblichen Regeln über die Anwendung der
Modi und Tempora im Lateinischen (und Griechischen l) mit ganz wenigen
Ausnahmen nichts taugen.
Aber auch die positiven Aufstellungen Methners stimmen öfter mit
den meinigen vollkommen überein. So z. B. die Erklärung des Kon-
junktivs in dem Satze Cic. Man. 21, 61: quid tam praeter con-
suetudinem, quam homini peradulescenti , cuius aetas a senatorio gradu
loDge abesset, Imperium atque exercitum dari? Hier sagt Methner
(S. 282): „Der Satz (seil der konjunktivische Relativsatz) erläutert den
Begriff peradulescens und gibt zugleich die Umstände an, unter denen
jene Mafsregel ganz besonders auffallend erscheinen mufste 'S wäh-
rend ich zu diesem Beispiel S. 126 bemerke: „Also eine ganz aufs er-
ordentliche Mafsregel'^ und auf S. 220 verweise, wo es heifst: „Der
Relativsatz ist in den Hauptsatz eingeschoben; er erläutert ein Nomen
appellativum oder Adjektivum und steht aufserdem in kausalem (bzw.
adversativem) Verhältnis zum Hauptsatze." — In dem Beispiel Livius I
17, 9: hodie quoque in legibus magistratibusque rogandis usurpatur
idem ius vi adempta: priusquam populus suffragium ineat, in incertum
comitiorum eventum patres auctores fiunt setzt Livius nach Methner
(S. 243) den Konjunktiv, weil er sagen will, „dalB jenes Bestätigungsrecht,
welches damals der Senat beanspruchte, auch heute noch besteht, aber
34 Nene Philologische Rundschau Nr. 2.
unter ganz eigentümlichen Umständen ausgefibt wird ^^ Hierzu wolle
man meine Bemerkung vergleichen (S. 155): „Bereits ehe. Also ein
höchst eigentümliches Verfahren." — Ferner sei erwähnt Caes. B.
G. III. 26. 3: prius in hostium castris constiterunt, quam plane ab his
videri aut, quid rei gereretur, cognosci posset. Hier erläutert Methner
den Konjunktiv nach priusquam mit den Worten (S. 238): „Der Satz mit
priusquam hat nur den Zweck, die Schnelligkeit zu veranschaulichen,
mit der die Bömer vorgingen", während ich dieses Beispiel (S. 157) mit
dem Zusatz versehe: „Auffallende Geschwindigkeit" und noch
gegen dreifslg andere anführe, wo es sich überall um eine auffallende
Geschwindigkeit handelt. — Vgl. femer Liv. XXII 39, 7: hie (C. Te-
rentius Varro) priusquam peteret consulatum, deinde in petendo con-
sulatu, nunc quoque consul, priusquam castra videat ant hostem, insanit.
Hier bilden Methners Worte (S. 241) : „noch hat er den Feind nicht vor sich
und geberdet sich schon wie toll" einen Kommentar zu meiner Anmerkung
(S. 155): „Es ist kaum glaublich." — S. 152 führt Methner das Bei-
spiel Gaes. B. G. I, 4, 3 an: cum civitas ob eam rem incitata armis ins
suum exequi conaretur multitodinemque hominum ex agris magistratus
cogerent, Orgetorix mortuus est und bemerkt hierzu (S. 153): „Cäsar will die
eigentümlichen Umstände schildern, unter welchen der Tod des Orge-
torix erfolgte. Dies wird ganz klar, wenn wir mit dem Satze eine Um-
wandlung vornehmen: iam civitas conabatur multitudinemque magi-
stratus cogebant, cum Orgetorix mortuus est." In; vollständiger
Übereinstimmung heilst es bei mir (S. 142) mit Beziehung auch auf
dieses Beispiel: „(Der Schriftsteller) will das Zusammentreffen der Ereig-
nisse, der Verhältnisse als etwas nicht Alltägliches darstellen; cum
leitet einen wichtigen vorbereitenden Umstand ein", und in vollster
Übereinstimmung mit Methner handle ich eingehend (S. 269) darüber,
dafs sich ein Satz mit dem sogen. Cum inversum immer in einen kon-
junktivischen Gum-Satz verwandeln läfst.
Andere Stellen, die ich in meinem Buche nicht anführe, sind bei
Methner so erklärt, dafs ich kaum etwas zu ändern hätte. Vgl. Liv.
XXVI 41, 3: nemo ante me novus Imperator militibus suis, priusquam
opera eorum usus esset, gratias agere iure ac merito potuit = „Noch
nie ist es vorgekommen, dafs ein Feldherr unter so eigentüm-
lichen Umständen bei seinen Soldaten sich bedankt, wie ich jetzt
tue, das heilst dafs er sich bedankt, ohne dafs jene schon ihre Tüchtig-
Nene Pbilologiiche Randschan Kr. 2. 86
keit bewiesen haben; ich aber befinde mich in dieser eigentfim-
lichen Lage: ich kenne euch noch gar nicht und dabei habe ich euch
schon zu danken'' (S. 243). — Femer S. 244 : „Wenn es Sen. ep. n 12, 16
heifst ante antem yidemus fulgnrationem, quam sonnm andiamns, so will
der Bedende auf die bei der gleichzeitigen Entstehung von Blitz nnd
Donner eigentümliche Erscheinung hinweisen, daCs wir den Blitz
sehen, ohne zugleich den Donner zu hOren/' — 8« 281: Gic. rep. VI 10
deindentcubitam discessimos, me et de via fessum, et qni ad moltam noctem
vigilassem, artior qoam solebat sonmns complexns est. „Wie die Worte
de via, so enthält auch der Relativsatz einen näheren Umstand: Ich war
weit gegangen mid angewöhnlich lange wach geblieben; unter diesen
Umständen ist es begreiflich, dafs ich ungewöhnlich fest schlief.'' —
S. 298: Liv. XXI 27, 5: ratesque fabricatae (sunt), in quibus equi virique
et alia onera traicerentur „die FlöCse mulsten, da sie auch die Pferde
befdrdern sollten, besonders grofs und stark sein.
Aber freilich diese schöne Übereinstimmung zwischen Methner und mir
ist — so sonderbar es klingen mag — nur mehr zoffillig und äuüserlich,
in Wirklichkeit besteht eine ziemlich breite Elaft zwischen unseren An-
schauungen, von der ich jedoch trotz alledem hoffe, dafs sie nicht un-
überbrückbar sein wird. Was mir nämlich bei all diesen erklärenden
Umschreibungen als die Hauptsache erscheint, fafst Methner als Neben-
sache auf und umgekehrt. Ich lege den Hauptwert auf die Ausdrücke
„eigentümlich, ungewohnt, sonderbar, wunderbar, auffallend, schwer ver-
verständlich", Methner dagegen auf den Ausdruck „Umstand". Ich be-
haupte, dafs die Ausdrücke „Umstand" oder „begleitender Umstand" gar
nichts mit dem Wesen des Konjunktivs zu tun haben, Methner legt so
wenig Wert auf die Ausdrücke „eigentümlich" u. s. w., dafs er sie bei
den Erklärungen in der Begel wegläfst.
Wer hat nun recht? — Methners Begel über die Modi nach Cum
lautet: „Cum verbindet sich mit dem Indikativ, wenn der Redende die
Absicht hat, die Zeit des im Hauptsatze genannten Oeschehnisses da-
durch zu bestimmen oder hervorzuheben, dafs er ein anderes gleichzeitiges
Geschehnis anführt; oft steht der Inhalt des Nebensatzes, wie im Deut-
schen, zugleich in kausaler Beziehung zu dem Inhalte des Hauptsatzes
(S. 219)." „Cum verbindet sich mit dem Konjunktiv, wenn der Neben-
satz die die Hauptbandlang begleitenden Umstände anführt"
„Der indikativische Satz beantwortet die Frage: Wann geschah es?
36 Nene Philologische Bandschau Nr. 2.
der konjunktivische die Frage: Unter welchen Umständen ge-
schah es?" (S. 225).
Hiermit wolle man die von Haie bereits vor mehr als zehn Jahren auf-
gestellte Begel vergleichen: „Der konjunktivische Cum -Satz drückt
die Situation aus, welche zu der Zeit herrscht, wo die Haupthandlung
eintritt, mit oder ohne kausale und advei-sative Beziehung auf diese Hand-
lung. Der indikativische Gum-Satz bestimmt die Zeit, zu welcher
die Haupthandlung eintritt (das Datum), mit oder ohne kausale oder ad-
versative Beziehung auf diese Handlung. Der konjunktivische Gum-Satz
antwortet also auf die Frage: Wie standen die Dinge zu der Zeit,
wo die Haupthandlung eintrat? Der indikativische Gum-Satz antwortet
auf die Frage: Welches war die Zeit, zu welcher die Handlung
eintrat?"
Es leuchtet ein, dafs die Definitionen beider Gelehrten sich ähnlich
sehen wie ein Ei dem andern. Nachdem ich nun auf einigen siebzig
Druckseiten gezeigt habe, und zwar mit Zustimmung aller Bezensenten,
dafs die Haiesche Theorie nicht haltbar ist, begnüge ich mich auf jene
Besprechung hinzuweisen, um festzustellen, dafs auch Methners Theorie
hinfallig ist, dafs man also mit den Ausdrücken „Zeitangabe" und „Situations-
angabe " (= Umstandsangabe) nicht einen Schritt weiter kommt. Jeden-
falls hätte Methner meine Bedenken eingehend prüfen und nicht blofs
hie und da den Versuch machen sollen, mir etwas am Zeuge zu flicken.
Wenn nun Methners Theorie falsch ist, so folgt daraus natürlich
nicht ohne weiteres, dafs die meinige richtig ist. Aber manches läfst
mich hoffen, dafs ichMethner noch gewinnen werde. Obwohl nämlich
M. in der Theorie Anhänger der Haieschen Situations- und Datums-
lehre ist, so kommt er doch in praxi ganz nahe an meine Auffassung
heran. Er braucht nur an allen Stellen, nicht nur an einigen, das
Wort „Umstand" mit einem Beiwort wie „eigentümlich, sonderbar, wunder-
bar, auffallend" zu versehen und unsere Übereinstimmung wird beinahe
vollkommen sein. Vgl. z. B. Gaes. Bell. Gall. I, 26, 4 diu cum esset
pugnatnm, impedimentis castrisque nostri potiti sunt: „So hat auch der
Satz diu cum esset pngnatum den Zweck, die [eigentümlichen, sonder-
baren] Umstände anzugeben, unter denen die Eroberung stattfand: nicht
mit leichter Mühe, sondern erst nach heifsem Kampfe gelang sie" (S. 221).
Oder Gaes. Bell. Gall. I, 26, 1 : dintius cum sustinere nostrorum impetum non
possent, alteri se in montem receperunt, alten ad impedimenta se contulenmt:
Nene PhilologiBche Enndselura Nr. 2. 37
,, Der Zweck des Schriftstellers ist aber nicht, die Tatsache des Rückzuges
zu erklären, sondern die [eigentfimlichen, sonderbaren] ümst&nde,
unter denen sie erfolgte'^ (S. 222). Oder Oaes. Bell. Oall. I, 25, 3: cum
ferrum se inflexisset, neque evellere (pilnm) neque sinistra impedita satis
commode pugnare poterant : „ Nicht die Zeit wird angegeben, wann immer
das Herausziehen unmöglich war, sondern die [eigentfimlichen, auf-
fallenden] ümst&nde, unter denen es unmöglich war*' (S. 223). Vgl.
femer den von M. selbst gebildeten Satz in arce Troiana, priusquam ever-
teretur, nuptiae celebrabantur : „Der Zweck des Redenden ist es nicht,
dieses Zeitverhältnis hervorzuheben, sondern auf den Inhalt der Haupt-
handlung im Verhältnis zu dem Inhalt der Nebenhandlung aufmerksam
zu machen, d. h. auf die [eigentfimlichen, auffallenden] Umstände
hinzuweisen/*
Ich glaube, Methner wird nichts dagegen einzuwenden haben, wenn
ich hier und an vielen anderen Stellen diese Wörter „auffallend, wunder-
bar** u. s. w. einschiebe, und er wird zugestehen, dafs dadurch seine eigene
Meinung nur noch deutlicher zum Ausdruck kommt. Ja, ich meine, er
ist sogar dazu genötigt, wenn er sich mit seiner Lehre fiber die Be-
deutung des Indikativus Imperfekti abfinden will. Durch den Indi-
kativ Imperfekti veranlafst nämlich, nach Methner, „der Sprechende den
Hörer mit seiner Vorstellungstätigkeit bei einer Handlung zu verweilen,
die VcMTstellung von der betreffenden Handlung festzuhalten, um sich ein
deutliches Bild von dem Vorgang zu machen** (S. 79). Demnach ist auch
schon der Indikativ vollständig befähigt, einen die Haupthandlnng be-
gleitenden Umstand zum Ausdruck zu bringen, und in einem Satze wie
Agesilaus cum ex Aegypto revertebatur, in morbum implicitus decessit
wfirde der Schriftsteller den Leser auffordern, mit seiner Vorstellangs-
tätigkeit bei dem reverti zu verweilen, um sich ein deutliches Bild
von dem Vorgang machen zu können. Wenn also Nepos nicht sagt re-
vertebatur, sondern reverteretur, so tut er ein opus operatum, jeden-
fidls ist mir unklar, wie M. behaupten kann, Nepos setze den Kon-
junktiv, „damit der Leser ein deutliches, anschauliches Bild von
den Umständen vor sich habe, unter denen die Erkrankung und der Tod
des Agesilaos erfolgte** (S. 211).
Es genfigt also nicht, dafs wir sagen, „der konjunktivische Gum-Satz
antwortet auf die Frage , unter welchen Umständen geschah die Haupt-
handlang* oder „Cum verbindet sich mit dem Konjunktiv, wenn der
Nene Philologische Rnndschan Nr. 2.
einem Zeitpunkt, wo man es am wenigsten hätte erwarten sollen, starb,
und Nepos will diese Verwunderung aucb auf den Hörer übertragen,
auch dieser soll denken: „Nein, es geht doch manchmal zu merkwürdig
zu in der Welt: gerade als Agesilaos aus Ägypten zurückkehrte (steigern-
der Ton), fiel er in eine Krankheit und — starb."
Nun aber gehört die Verwunderung, ebenso wie der Zweifel, die
Furcht, die üngewifsheit, die Spannung zu den Seelenzuständen, die man
Nebensatz die die Haupthandlung begleitenden Umstände anführt" — denn
diese Fähigkeit hat auch der Indikativ — , sondern es muls noch etwas
hinzukommen, und dieses Etwas liegt eben in den Ausdrücken „merk-
würdig, sonderbar, auffallend, wunderbar" beschlossen. Nepos will
nicht nur sagen „unter den und den Umständen starb Agesilaos", sondern
er will sagen „unter den und den merkwürdigen, sonderbaren Umständen
starb Agesilaos". Nepos also ist verwundert über dieses merkwürdige
Zusammentreffen der Ereignisse, über diese merkwürdige Verkettung von
Tatsachen, dafs nämlich der rühm- und^sieggekrönte Agesilaos gerade zu
deprimierende Affekte zu nennen pflegt. Ferner läfst sich leicht zeigen,
dafs es sich in allen Fällen und Satzarten, wo echter Konjunktiv vorliegt,
um einen solchen deprimierenden Affekt handelt. Darum habe ich die
These aufgestellt, dafs diese seelische Depression überhaupt die Ursache
gewesen ist, weshalb die Indogermanen dem Verbalstamm die Form
gaben, die wir Konjunktiv nennen, und darum habe ich diesem Modus den
Namen Depressivus gegeben.
Damit sind aber die beiden wichtigen Fragen erledigt, welche
zu beantworten Methner sich vergeblich bemüht, die Frage nämlich, in
welcher Weise sich der Konjunktiv vom Indikativ unterscheidet und die
Frage, welches das Verhältnis dieses der lateinischen Sprache eigentüm-
lichen Konjunktivs (in Konsekutiv-, Kausaul-, Konzessiv- und Fragesätzen)
ist zu den anderen, auch im Griechischen und Indischen vorliegenden
Gebrauchsweisen des echten Konjunktivs.
Was Methner über die erste Frage vorbringt, ist mehr als spitzfindig.
An Stelle des berüchtigten „inneren" Zusammenhanges, dessen Schwäche
M. selbst erkannt hat, setzt er nämlich einfach den „engeren" Zusammen-
hang. Bei den konjunktivischen Perioden hätten sich nämlich in der
Seele des Redenden je zwei Vorstellungen innig miteinander verbunden,
und diese innige Verbindung wolle der Sprecher nun auch in der Seele
des Lesenden oder Hörenden herbeiführen. In den indikativischen Perioden
o
Neue Philologische Bandschan Nr. 2. 39
(z. B. mit Qaod) sei dagegen eine Assoziation zwischen den beiden Vor-
stellungen nicht möglich : der Znsammenhang werde nicht durch Intuition,
sondern durch Beflexion gewonnen! In dem Satze Gaes. Bell. Oall. I, 2, 3
id hoc facilius eis persuasit, quod undique loci natura Helvetii continentur
führe der Quod-Satz etwas an, was der Redende erst mit dem Verstände
herbeigesucht habe, um dem Leser den nicht selbstverständlichen Grund
anzugeben, weshalb es dem Orgetorix gelang, seine Landsleute zu fiberreden!
Wenn also die Tochter auf die Frage des Vaters, warum sie Herrn N. N.
nicht heiraten wolle, prompt antwortet: quia non amo — so ffihrt sie
etwas an, was sie erst mit dem Verstände herbeigesucht hat! Die Sache
liegt vielmehr so: Während dem Konjunktiv irgend etwas Wunderbares,
Unerklärliches, Befremdendes zu gründe liegt, weist der Indikativ, der
Modus der souveränen Ataraxie, auf selbstverständliche, sofort einleuchtende,
nicht von der gewöhnlichen Norm abweichende Dinge hin. Oerade weil
die Tatsache, dafs die Helvetier in einem Gebirge wohnen, allbekannt und
wenig aufregend ist, und gerade weil in dieser Tatsache ein sofort ein-
leuchtender, selbstverständlicher Grund dafür beschlossen ist, dafs die Hel-
vetier den Beden des Orgetorix Gehör schenkten, gerade deshalb wählte^Cäsar
die Indikativ-Periode, deren Inhalt sich auf den allgemeinen, sofort ein-
leuchtenden Gedanken zurfickfahren läfst, dafs ein kriegerisches Volk,
wenn es in einem engen Gebirge wohnt, leicht durch einen geschickten
Bedner zum Auswandern in ein fruchtbares Gebiet angefeuert werden
kann. — Es geht doch wirklich nicht an, zu behaupten, in dem Satze
Cic. Brut. 34, 130: G. Seitius etsi, cum remiserant dolores pedum, non
deerat in causis, tamen id non saepe &ciebat stehe der Indikativ, weil sich
in Ciceros Seele mit der Vorstellung des plädierenden Sextius nicht un-
wiUkfirlich der Gedanke an sein Podagra verband. Ich wenigstens ver-
mag mir nicht vorzustellen, wie Cicero überhaupt dazu hätte kommen
sollen, den Gedanken auszusprechen ,' wenn sich nicht in seiner Seele un-
willkürlich die Vorstellung des plädierenden Sextius und der Gedanke au
sein Podagra verbunden gehabt hätte.
Was haben aber ferner diese Begriffe „engerer Zusammenhang" und
„äufserer Umstand", „Intuition" und „Beflexion" mit dem Wesen des
Konjunktivs und Indikativs überhaupt zu tun ? Ist der Satz veni, vidi, vici
oder die Frage: Quid agis, dulcissime rerum? auch nur die Folge
einer verstandesmäfsigen Beflexion? Und was gewinnen wir mit dem
Ausdruck „Intuition" für die Erklärung der Konjunktive in quid
40 Neue Philologische Rundschau Nr. 2.
faciam? (== ti noii^w) oder eamus (= Ywfiev) oder ne dixeris (= fi^
Auch dem gegenüber, was M. über die Bedeutung der Tempora im
Lateinischen beibringt (S. 1—207 handeln von den Tempora, S. 208 — 313
von den Modi), mufs ich mich in der Hauptsache ablehnend verhalten:
es ist ihm auch hier nicht gelungen, den eigentlichen Kern blofszulegen.
Es würde jedoch zu weit führen, im Bahmen einer Besprechung die
Schwächen aufzudecken und meine abweichende Ansicht näher zu be-
gründen.
Wenn sich M. mehr mit der Literatur über die lateinische Tempus-
und Moduslehre vertraut gemacht und wenn er seine Theorie an den
anderen indogermanischen Sprachen geprüft hätte, so würde, glaube ich,
sein Buch wesentlich dünner geworden sein.
Grimma. A. DIttmar.
19) Fr. Holzweifsig, Übungsbuch ftkr den Unterricht im
Lateinischen. Kursus der Untersekunda. Ausgabe B.
Hannover, Norrddeutsche Yerlagsanstalt 0. Ooedel, 1902. YIII
u. 203 S. 8.
geb. J( 2. 40.
Das Buch ist die Fortsetzung von dem bekannten lateinischen ünter-
richtswerke des Verf. und nach denselben Grundsätzen wie die vorauf-
gehenden Teile gearbeitet. Es beginnt mit Einzelsätzen, die zur Ein-
übung der Modus- und Tempuslehre bestimmt sind. Sehr zweckmäfsig
sind sie meist den lateinischen Schriftwerken, besonders solchen Reden
Ciceros, die in Untersekunda gelesen werden, entnommen und daher für
den Schüler nicht nur sprachlich, sondern auch inhaltlich lehrreich.
Den Einzelsätzen folgen zusammenhängende Übungsstücke : 26 Stücke
über die Verschwörung Katilinas, 7 über die erste Eatilinarisohe Bede, 30
über Ciceros Leben und 12 über die Anfänge der römischen Geschichte
bis zur Vertreibung der Könige. V\rie diese Übersicht schon zeigt, stehen
die Stücke in Beziehung zum Lektürestoffe der Klasse, und zwar liefern
sie eine Art von sachlichem Kommentar dazu, der sehr geeignet ist, dem
Schüler ein gründlicheres Verständnis der Schriftsteller, mit denen er sich
beschäftigt, zu ermöglichen.
Dies Verfahren verdient uneingeschränktes Lob. Denn hierdurch wird
ein enger Zusammenhang zwischen Lektüre- und Grammatikbetrieb her-
o
Neae Philologiicbe Bandaebau Nr. 2. 41
gestellt, ohne dafs za dem Notbehelfe saft- und krafUoeer Paraphrasen
der Schriftstellertexte gegriffen wird, die dem Schfiler keinerlei Anregung
bieten und sein Interesse fflr die Lektfire, anstatt zu steigern, abschwächen.
Zu bedauern ist nur, dals die viel gelesene Bede de imperio nicht ein-
gebender berücksichtigt ist. Der Verf. hat davon offenbar deshalb Abstand
genommen, weil er diesen Stoff in der Ausgabe A ausführlich bebandelt
hat Dies hätte ihn aber nicht davon abhalten sollen, wenigstens einige
Stücke über Pompejns, Lukullus und Mithridates einzuschalten. Ebenso
entbehre ich nur ungern Abschnitte über das zweite Buch des Livius und
über das Leben und das Werk des grofsen Historikers. Für diese Aus-
führungen hätte sich leicht Baum schaffen lassen, wenn das Leben Giceros
nur bis zu seinem Konsulate behandelt worden wäre. Diese Beschrän-
kung halte ich für wünschenswert. Denn alles, was über das Jahr 63
hinausliegt, berührt nicht mehr den Lektürekreis eines Untersekundaners,
ja wird kaum recht von ihm verstanden werden, da er nur ganz ober-
flächliche Kenntnisse von der römischen Geschichte besitzt. Viel besser
wfirden sich diese Stücke (89—119) für eine Unterprima eignen, wo sie
eine treffliche Ergänzung und Erläuterung zur Lektüre der Briefe Giceros
bilden würden.
In der zweiten Abteilung des Buches werden Beispiele zur Ableitung
grammatischer Kegeln und eine Zusammenstellung grammatisch-stilistischer
Eigentümlichkeiten gegeben. Beide Sammlungen zeichnen sich durch
übersichtliche Anordnung aus und werden mit grofsem Nutzen im Unter-
richte verwendet werden. Die dritte Abteilung besteht aus einem Wörter-
yerzeichnis, in dem der Schüler die nötigen Übersetzungshilfen für die
einzelnen Stücke findet. Durch diese Einrichtung sind Anmerkungen
unter dem Texte, die der Verf. mit Becht für unmethodisch hält, entbehr-
lich gemacht.
Im einzelnen sind mir folgende Versehen aufgefallen: S. 75 Z. 27
mofs es heiisen L. Cornelius Chrysogonus, S. 113 Z. 18 Qu. Pedius.
Cicero tat im Alter von 17 Jahren seine ersten Kriegsdienste (S. 74) und
bewarb sich 30 Jahre alt um die Quästur (S. 78). Der Spruch des Ge-
richtes in der Sache des Quinctius ist nicht bekannt (S. 75 Z. 22).
Oejotams war Tetrarch von Galatien (S. 105 Z. 17) und ist nicht persönlich
zu seinem Prozesse nach Bom gekommen (S. 105 Z. 19). Marius hat
das erste Konsulat nicht wegen des Gimbrischen Schreckens erhalten (S. 87
Z. 30) und Lukullus ist nicht bis Artaxata vorgedrungen (8. 86 Z. 5).
42 Neue Philologisohe BnndBchan Nr. 2.
Giceros militärische Leistungen in Gilicien waren recht unbedeutend
(S. 100 Z. 9), und es war trotz Plutarch schwerlich ein Ausdruck der
Hochachtung, wenn Gftsar Cicero mit Theramenes (Kdd^oQvog!) verglich
(S. 105 Z. 32). S. 92 Z. 29 f. ist unverständlich, das Richtige ergibt
sich aus ad Attic. 1, 16, 10 und Plut. Gic. 29. S. 106 Z. 26 steht
„ zunächst '* an &Ischer Stelle, es gehört zu „vereinigten^'. S. 105 Z. 36
mufs es heifsen: „Gäsar habe durch Wiederaufstellung der Bildsäulen des
Pompejus sich selbst eigene errichtet/' S. 101 Z. 14 ist für „geföbr-
licher'' unseliger zu setzen (miserius ad fam. 16, 12, 2). In einem
Mustersatze halte ich das unklassische inceperis (S. 138) für bedenklich,
ebenso die Konstruktion von valere mit dem Infinitiv (S. 144). S. 164, 28
mufs es Hamilcar statt Hasdrubal heifsen, S. 162, 11 tribunorum mili-
tum statt militum. Druckfehler sind Graehus S. 17, 15 und accurit
S. 147, 32.
Potsdam. B. Kraue.
20) Los Freres Eip par Jules Yeme. lUustrations par George
Boux. P* partie. GoUection Hetzel. 3* Edition. 3 fr.
Der Verf. schildert uns in der vorliegenden Erzählung die Südsee
mit ihrer Inselwelt und ihrer reichen Natur; das Klima, die Bewohner
mit ihren politischen und Handelsinteressen, Fauna, Flora, kurz, alles wird
uns bei Gelegenheit der Beise eines Kauffahrers in der interessantesten
Weise vorgeführt. Der Titel stammt her von zwei Schiffbrfichigen , die
vom Schiffe aufgenommen werden, und von denen der eine, ein Seemann,
nach Ermordung des Kapitäns durch zwei seiner Leute, das Schiff aus
grofser Gefahr befreit, in die es diese absichtlich stürzten, um sich des-
selben zu bemächtigen und damit Seeraub zu treiben.
Wilmersdorf (Berlin). W. Buhle.
21) Mademoiselle de la Seigliöre. Gom^die par Jnles Sandeau.
iSdition pr^cöd^ de notices biographiques et historiques et accom-
pagn^e de notes par E. Engelke. Gotha, Friedrich Andreas
Perthes, 1902. 121 S. 8. geh. Ji 1.60.
Wörterbuch dazu Ji — .20.
Über den Wert dieses Lustspiels als Schullektfire ist kein beurtei-
lendes Wort nötig, da derselbe unbestritten ist, und Sandeaus Stück in
immer steigendem Mafse für die Schule verwertet wird, ja, ohne Neben-
buhler aus der neueren Zeit dasteht. Es ist deshalb im hohen Mafse zu
Neue Philologische Rundeehaii Nr. 3. 48
bedauern, dab gerade dieses Lustspiel zum Objekt gewählt worden ist,
um eine prinzipielle Streitfrage in Bezug auf das Urheberrecht zwischen
deutschen und französischen Verlegern zu entscheiden. Die dadurch not-
wendig gewordenen Efirzungen schädigen das Kunstwerk auf jeden Fall,
und es ist nun die schwere Aufgabe der Herausgeber, diese Schäden nach
Möglichkeit zu verdecken und auf das geringste Mafs zu beschränken.
Ich denke, diese Aufgabe hat Engelke in einer allen billigen Anforderungen
durchaus genfigenden Weise gelOsi — Weiterhin unterscheidet sich seine
Ausgabe von den bisherigen dadurch, dafs Einleitung, Biographie des
Dichters und mit verschwindenden Ausnahmen auch die Anmerkungen
französisch gehalten sind. Zar Einfahrung in die dem Stücke zn Grunde
liegenden politischen Verhältnisse ist obendrein eine längere Notiz über
die Emigranten, ebenfalls in französischer Sprache, Foransgeschickt. Die
Anmerkungen (24 Seiten bei 98 Seiten Text) sind teils Sach-, teils Wort-
erklärungen; auch war es nötig, gelegentlich Redensarten umzureden und
Eonstruktionshilfe zu erteilen. Worterklärungen sind in der Hauptsache
da gegeben, wo eine ungewöhnliche Bedeutung vorlag oder sonst eine
Notiz hinzogefBgt werden sollte ; im übrigen hilft ein französisch-deutsches
Wörterbuch aus.
Korrektheit des Druckes und der Anmerkungen lassen nichts zu
wünschen übrig, und auch der Verleger hat das Buch in gewohnter Güte
ausgestattet. Über Verwendbarkeit und Form einsprachiger Kommentare
ist ausführlicher in dem ersten Artikel der vorigen Nummer gesprochen.
Osnabrück. K
22) Expedition de Bonaparte en Jigjrpte et en Syrie par
Adolphe Thiers. Annette par 0. Selmlze. Leipzig, Bofsberg-
sche Verlagsbuchhandlung, 1902. 78 u. 82 S. 8. geb. Jt 1.80.
Nach wie vor zfthlt die ägyptische Expedition zu denjenigen Ge*
Schichtswerken, welche für unsere Schulen am meisten verwendet werden.
Die aus dem grofsen Werke des Verfassers getroffene Auswahl ist dabei
nur in unbedeutenden Punkten verschieden, jedoch bringt ein Teil der
Ausgaben die ganze Expedition bis zum Schlufs, während andere mit der
Landung Bonapartes in Frankreich schliefsen. Zu letzteren gehört die
vorliegende Ausgabe. Wie|[es auch schon in der vom Unterzeichneten besorgten
Angabe (Perthes) geschehen ist, gibt Schulze hernach noch eine Skizze
der zweiten Hftlfte der Expedition (nach Martehal). Auf eine Stelle im
44 Nene Philologische Bnncbehan Nr. 2.
Texte mochte ich hier die Aufmerksamkeit richten: S. 20, Z. 5—18.
Ich habe sie in meiner Ausgabe fortgelassen, da sie eine ganze Reihe
von besonders meteorologischen Irrtfimern teilweise der schlimmsten Art
enthält, die in „Neuere Sprachen'' VII, S. 378 ff. von mir ausführlich
dargelegt sind. Diese Stelle mufs in den Schulausgaben entweder berich-
tigt oder besser aus ihnen entfernt werden. Im übrigen gibt der Text
keinen Anlafs zu Bemerkungen. Die Anmerkungen, Sachkenntnis und
pädagogischen Takt zeigend, sind ebenso wie Einleitung, Biographie und
Anhang in französischer Sprache geschrieben und sehr reichlich bemessen
(82 S. bei 78 S. Text). Schulze hat weit mehr Worterklärungen als
Engelke, greift auch häu^er zu dem Mittel, das deutsche Wort neben
der französischen ümredung anzugeben. Ein Wörterbuch ist nicht bei-
gefügt, da die zahlreichen Anmerkungen dasselbe ersetzen sollen. (Es
liegen bei Engelke und Schulze also für die verschiedene Behandlung der
Noten augenscheinlich verschiedene methodische Anschauungen zu Grunde.
Näheres darüber im Leitartikel der vorigen Nummer.) Als Anhang sind fol-
gende Skizzen beigegeben: Gampagne de Desaix contre Mourad Bey; Ba-
taille d'Aboukir; Vie de Bonaparte jusqu'ä FExpödition d']ßgypte; Le
Galendrier r^publicain. Zwei saubere E[artenblätter sorgen far die erfor-
derliche geographische Anschauung. Besondere Druckfehler und Irrtümer
sind mir nicht aufgestofsen; die Anmerkungen, in denen ebenso wie in
der Einleitung manche kleine Berichtigungen enthalten sind, sind für
sich gebunden.
Osnabrück. K
23) Julius Cserwinkay Shakespeare und die Bfthne. Wies-
baden, Heinr. Staadt, 1902. 90 S. 8.
Von diesen zehn, im Umfang je eines längeren Feuilletonartikels ge-
haltenen Abhandlungen über die dramatische Bewertung einzelner Szenen
und Charaktere aus Shakespeares in Deutschland meist gegebenen Dramen
sind Nr. 3, 4, 7 und 9 (die Apothekerszene im Romeo, Signor Antonio
im Kaufmann, die Schauspieler im Hamlet und die Erscheinungen in
Richard IIL betreffend) schon früher in den Jahrbüchern der deutschen
Shakespeare-Gesellschaft (1899 — 1901) veröffentlicht worden. Unter ge-
legentlichen Polemiken gegen Brandes (Julius Cäsar) und den um den
deutschen Shakespeare und seine Bühneninterpretation so verdienten, frei-
lich meist von der traditionellen Bühnenschablone ausgehenden Oechel-
o
Nene Philologiache Bandgchaa Nr. 2. 45
häoser wendet sich auch Gserwinka nicht an die Shakespeare- Forscher,
sondern an die dramaturgischen BfihnenSsthetiker, an das deutsche Theater-
Publikum, an die Schauspieler und Bogisseure. Seine Abhandlungen haben
insgesamt drei nicht geringzuschätzende Vorzfige: einmal kennt der Verf.
seinen Shakespeare (wenigstens die behandelten Stficke) in- und auswendig,
dann sind seine Gedanken darüber selbständig gedacht und zum Teil wirklich
neu, und endlich ist die Form, in die er sie kleidet, lebendig, farbenreich
und — selbstbewursi Jeder dieser Vorzfige hat aber seine Komplementär-
fehler. Gserwinka kennt seinen Shakespeare so gut, daTs er ihn für un-
fehlbar hält Alles was von Shakespeares Genie herstammt, ist ffir ihn
inspirierte Offenbarung, an der jede Kritik abprallen mufs. Das
drängt sich in seiner Charakterauslegung des Kaufmanns von Venedig
auf. Dafs hier ethische und ästhetische Ehren auf die Person des An-
tonio gehäuft werden, die dieser in seiner gespreizt melancholischen
Blasiertheit und ganz unrenaissancehaften Passivität und unkaufmännischen
Knrzsichtigkeit weder moralisch (als unchristlicher Christ) noch dramatisch
(dazu ist er eben zu passiv) verdient, ist von unserer modernen Empfin-
dung aus nicht zu leugnen. Gserwinka will durchaus einen tragischen
Helden aus ihm machen, der von unklugem Hochmut zu christlicher Er-
kenntnis durchgeläutert wird. Er verkennt aber ganz, dals Shakespeare
hier zwei dramatisch ganz heterogene Stoffe, ein Lustspiel (Portia und
die Freier) und eine Tragödie (Antonio und Shjlock) in genialer Sorg-
losigkeit zu verschmelzen suchte, und dafs die Verschmelzung eben nicht
restlos gelang.
Dafs Gserwinka selbständig denkt, schliefet nicht aus, dafs er sich auch
irrt. Denn ist selbst Shakespeare ein Mensch, wie viel mehr Gserwinka und
wir. Und doch ist gerade die Selbständigkeit und die frische, individuelle
Farbe der Ansichten das Beste an seinem Buch. Auch wer ihm nicht
immer zustimmt, wie ich ihm auch nicht in seiner Ansicht von der
inneren Einheit der Cäsar-Tragödie zustimme, wird durch den selbständigen
Gedankengang der Cserwinkaschen Ausffihrungen lebhaft angeregt werden.
Mit Becht sagt ja Stuart Mill: „Truth gains more by the errors of one
who thinks for himself, than by the true opinions of those who do not
suffer themselves to think.'^
Der dritte Vorzug der farbenreichen, selbstbewufsten und fiberzeugten
Darstellung erzeugt als Schatten leicht die Anmalsung des aphoristischen
Prophetentones ä la Nietzsche, und dem ist der Verf. nicht immer ent-
46 Neue Philologische Bunclschaa Nr. d.
gangen. Danait scheint auch in etwas die reklamehafte ümschlagdecke
der Broschüre in Zasammenhang zu stehen, obgleich wir diese lieber dem
spekulativen Verlagsinstinkt zuschieben , weil sie dort eher verzeihlich ist.
Auf dem Umschlag sind die Bruchstücke einer altmodischen grofsen Brille
dargestellt, durch deren zerschmetterte Glasstücke man noch alles verkehrt
und entstellt sieht. Es ist die gefärbte Brille der alten traditionellen
Shakespeare- Auslegung, die durch Herrn Gserwinkas Abhandlung von neunzig
Feuilletonseiten zerschlagen wird, so dafs die Wahrheit nunmehr un-
geschminkt erschaut werden kann. Trotzdem kann man jedem, der Shake-
speare liebt und kennt, raten, sich durch diese ungeschickte Reklame
nicht abschrecken zu lassen. Das Buch enthält viel glückliche und frisch
geformte Bemerkungen, einige wertvolle Gedanken, von denen die besten,
vor allem die über die Hinauskehrung der Geschäftsinteressen aus dem
Tempel der Kunst, in dem geistvollen und begeisterten Epilog: „Die Lei-
tung des Prospero-Theaters an das Publikum'' zusammengedrängt sind,
und es legt Zeugnis ab von einer ehrlichen Hingabe an die grofse Eunst-
welt Shakespeares.
Bremen. Oerh. Hellmera.
24) E. Engelke, Le petit Vocabulaire. Gotha, Friedrich Andreas
Perthes, 1902. 59 S. 8. kart. Ji —. 70.
Es ist ein Übelstand der meisten Lehrbücher, dafs sie auf die Pflege
des Wortschatzes zu wenig Wert legen^ und doch ist dies eine sehr wich-
tige Seite des Sprachunterrichtes! Weitaus die meisten Menschen werden
nur durch den Umstand, dafs sie einen zu geringen Wortschatz der
Fremdsprache in sich aufgenommen haben und so fortwährend auf die
Benutzung eines Wörterbuches angewiesen sind, davon abgehalten, nach
Ablauf ihrer Schulzeit jemals ein französisches Buch wieder in die Hand
zu nehmen. Es ist dieses Ergebnis langjähriger Arbeit jedenfalls be-
klagenswert, und viel wäre meines Erachtens schon erreicht, wenn der
angefahrte Hinderungsgrund fortfiele. Diesem Übelstande will das Büch-
lein von Engelke abhelfen, indem es für die Klassen VI bis Uli eine
Zusammenstellung der wichtigsten französischen Wörter (etwa 1500), nach
Begriffskreisen geordnet, dem Schüler an die Hand gibt. Dabei bietet
sein Vocabulaire nicht eine ermüdende Sammlung von Substantiven, Ad-
jektiven und Yerben in langer Reihe, sondern zusammengehörige Wörter
sind so zusammengestellt, dafs sich leicht kleine Sätze daraus formen
/^
Neue Philologische Bnndaehan Nr. 2. 47
lassen. Einige Beispiele mögen dieserUatem: Bei T^Mmge fehli nicht mouiUer,
zu la deni sind gestellt: perdre, mardre, neUayer, zu fe puüs: puiser dans,
le seau u. & w. Der Verf. stellt seine Sammlang also gleichzeitig in
den Dienst der Sprechübungen, wozu sie sich namentlich auch deswegen
gut eignen, weil die Begriffe der nächsten Lebenssphäre entnommen sind.
Der Schüler lernt so von VI bis II seine Umgebung allmählich in fran-
zösischer Benennung kennen. Schule, Haus, Familie, Garten, Körper,
Kleidung, Dorf, Stadt, Verkehrswesen, Wetter und Gesundheit, also durch-
aus konkrete, naheliegende Verhältnisse, sind die wichtigsten Gebiete, die
von dem Verf. berücksichtigt worden sind. Wie die Erfithrung lehrt,
gibt es keine dankbareren Gesprächsstoffe für Schulzwecke als die ge-
wöhnlichen Dinge des täglichen Lebens, und die neuen preufsischen Lehr-
pläne schreiben daher solche Sprechübungen mit Recht vor. Dahin
gehören namentlich auch die kleinen Vorkommnisse des Klassenlebens,
die von dem Verf. gleich in VI gebührend herangezogen werden.
Mancher Lehrer wird ja auch schon ohne Zugrundelegung einer ge-
druckten Sammlung solche tTbungen veranstaltet haben, aber bei Über-
nahme fremder Klassen oder zurückbleibender Schüler wird man doch
häufig das Fehlen einer sicheren Grundlage und eines festen Bückhaltes
für Wiederholungen schmerzlich empfinden, und nur ein jahrelanges Üben
und Wiederholen dieser Wendungen, wie es allein bei Zugrundelegung einer
gedruckten, für die ganze Anstalt verbindlichen Sammlung möglich ist,
gewährleistet jenes Hineinleben in den fremden Ausdruck, welches das ur-
sprünglich Fremde allmählich zur zweiten Natur werden läfst. Soll daher
nicht alles in der Luft schweben, und soll das von dem einzelnen Lehrer
Erarbeitete im weiteren Gange des Unterrichts nicht wieder verloren
gehen, so ist ein Vocabulaire notwendig, und das Buch von Engelke mufs
daher als eine schätzenswerte Unterstützung des fremdsprachlichen Unter-
richts begrüfst werden.
Der Anhang, der die Stammformen der unregelmäfsigen Verben ent-
hält, gehört zwar nicht notwendig dazu, ist aber doch gut brauchbar,
weil man auch bei Sprechübungen häufig genötigt sein wird, auf unregel-
mäfsige Verbalformen zurückzukommen. Vielleicht wäre es ganz praktisch,
bei einer Neuauflage diesem Anhange noch eine Zusammenstellung der
gewöhnlichsten idiomatischen Wendungen der unregelmäfsigen Verben
nebst denen ihrer Ciomposita hinzuzufügen. Die unregelmäfsigen Verben
bieten in ihrer phraseologischen Verwendung und in ihren grammatischen
48 Ken« Philologisehe Bimdschau Kr. 2.
Konstruktionen so viel £igentfimlichkeiten und, entsprechend ihrer grofsen
Wichtigkeit, so viel unbedingt Wissenswertes, dafs zu ihrer gründlichen
Erlernung ein besonderes Hilfsmittel gerechtfertigt erscheint.
Ich wfinsche dem Buche einen guten Erfolg.
Bremen. W. R5hm.
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knratoriom. Essen, O.B. Obl. Deutsch u. Gesch. Dir. Dr. Welter. Frankfurt a. M.«
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iMrg i. Pr«, G. Obl. klass. Phil. Mi^strat. SJrefeld, B.G. Obl. Deutsch und
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ord. Professor ian der Handelshochsclinle zu Köln
well. ord. Professor der englischen Philologie an der Universität Freibnrg i. B.
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I. Band: n Band:
ÜSngliMoli . DeMteioH DeM-baoli - !Bn|g^li«o]ii
elex> m Halbleder geb. M. 14.— eleg. in Halbleder gt dT M. 12.—
Durch seine Rückfdchtnahme anf die phonetischen und sprachgeschichtlichen For-
schungen der Gegenwart hat das Werk ein ganz eigenartiges Verdienst gewonnen. Es be-
deutet eine Popnmrisiemng der heutigen englischen Sprachwissenschaft im besten Sinne.
Dr. A. Brasdl, ord. Professor der engl. Philologie an der Uslvertltät Berlin.
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Inhalt: Bezensionen: 25) V. TommaslDi, Xenophontis de re pablioa libeUns
(M. Wiesenthal) p. 49. — 26) Eng, Drernp, Bericht über eine Stadienielse zur
Erforschimg der Demosthenes-Überliefemng (May) p. 50. — 27) W. Gebhardi,
ÄathetiBcher Kommentar zu den lyrischen Dichtungen des Horaz (E. Bosenbeig)
p. 54. — 28) S. Bürger, De Ovidi carminnm amatorinm inventione et arte
(G. Schüler) p. 55. — 29) R. Schneider, Text nnd Obersetzung zum gallischen
^nege, I. Buch (B. Menge) p. 55. ~ 30) L. Valmaggi, Dialogo degli oratori
(Ed. Wolff) p. 56. — 31) M. Voigt, Born. Bechtsgeschichte, 3. Bd. (0. Schnlt-
heCB) p. 58. — 32) St. Gsell, Los monnments antiqaes de TAlg^rie (W. Jung)
p. 59. — 33) Scritti Vari di Pilologia (W.) p. 60. — 34) H. Schiller, Welt-
geschichte, 2. Bd. (W. Stern) p. 62. -- 35) A. Zimmermann, Entwickelnng
der altrömischen Personennamen (Meltzer) p. 62 — 36) J. Gustav Schulz,
Attische Yerbalformen (Bruucke) p. 63. >- 37/38) H. Deiter, Übungsstücke
zum^Übersetzen ins Lateinische im Anschlufs an Livius I und II ; Derselbe, Übungs-
stücke im Anschluls an Livius XXI (£. Krause) p. 63. — 39) J^mile Bodhe,
Essais de Philologie Moderne (H. Knobloch) p. 64. — 40) F. Hemon, Cours de
Litt^rature [J.-J. Bousseau] (M. Ewert) p. 67. — 41) C. M armier, Geschichte
und Sprache der Hugenottenkolonie Friedrichsdorf am Taunus (B. Böttgers)
p. 67. — 42) Wershoven, Conversations fran^aises (K. Engelke) p. 69. —
43) Frances Hodgson Barnett, Sara Crewe, herausgegeben von F. Mers-
mann (Job. Jent) p. 70. — 44) Fr. Baumann, Beform und Antireform im neu-
sprachlichen Unterricht (Fries) p. 71. — 45) H. Win ekler, Die babylonische
Kultur (B. Hansen) p. 71. — Vakanzen. — Anzeigen.
25) Vincentius Tommasini , Xenophontis de re eqnestri li-
bellus reo. (V. T.). Berlin, Weidmann, 1902. V n. 71 S. 8
J( 2.—.
Die vorliegende Aasgabe ist der Zwilling zu P. Gerocchis Hip-
parchicns, der in Nr. 4, Jahrgang 1902 dieser Zeitschrift besprochen
wurde; was Anlage and Ausstattang des Bfichleins betrifft, genfigt es also
aaf jene Anzeige za yerweisen. Aach diese Arbeit ist anter den Aaspizien
von Diels entstanden; es scheint, als ob eine deatsch- italienische Philo-
logenschale sich bilde. Ihre Erstlingsgaben sind gar nicht schlecht;
wfinschen wir, dafs auch aas ihr meri daces hervorgehen mQgen!
50 Neae Philologische Bundschaa Nr. 3.
Der Herausg. macht — und mit guten Gründen — zur Grundlage
seiner Rezension einen Wiener codex A. Aber wenn auch unter Blinden der
Einäugige König ist, so ist mit einem chartaceus s. XVI doch nicht so viel
Staat zu machen, dafs die sonstige Überlieferung vernachlässigt werden
dürfte. Dafs schon der anzunehmende Archetypus minderwertig war, zeigen
die allen Handschr. gemeinsamen Fehler, und die schönen Lesarten von A
sehen öfters mehr nach humanistischer Konjektur oder Korrektur als nach
genuina lectio aus, z. B. VIII, 6 /xad^hwaav oder YIII, 8 xaAdv, das
wohl einem ie^ivov \ov] yuaty^bv seinen Ursprung verdankt. Im allgemeinen
hat der Herausg. denn auch die übrige Überlieferung methodisch und
geschickt benutzt, so dafs er einen wesentlich gebesserten Text bietet.
An einigen Stellen ist er ans Liebe zu A wohl allzu vorsichtig gewesen:
des Stephanus div&o^axa III, 11 z. B. ist gegenüber dem dii vBi^iaxa oder
deivetjfiara der libri kaum eine Konjektur zu nennen und gehört in den
Text (Dindorf), so gut wie YII, 7 sein oqxiXXoiTo. UI, 12 ist ^Ttovg
als Gegensatz zu tiq^oq unmöglich, auch folgt unmittelbar TroddfKtig;
Weiskes evTtvovg trifft das Bichtige vgl. I, 10.
Druckfehler: S. 19 Z. 1 u. d. T. firidefidg, S. 34 Z. 14 ßovXedij.
Barmen. M. Wleaenthal.
26) Engelbert Drerup, Vorläufiger Bericht Aber eine Studien-
reise zur Erforschung der Demosthenes-Überlieferung.
Mit Beiträgen zur Textgeschichte des Isokrates, Äschines, der
Epistolographen und des Gorgias. Manchen, Verlag der königl.
Akademie (G. Franz), 1902. S. 287—323. 8.
Drerup, der schon in der Schrift „Antike Demosthenes- Ausgaben ^^
viel handschriftliches Material besprochen und klassifiziert, machte mit
Unterstützung der königl. bayerischen Akademie der Wissenschafben eine
Studienreise nach Belgien, London, Oxford, Paris zur Erforschung der
Demosthenes-Überlieferung, ferner nach Marseille und Italieh (Modena,
Florenz und Bom), um seine Isokrates- und Äschines -Studien zum Ab-
schlufs zu bringen. Er hat auf seiner neunmonatlichen Beise, die ihn am
Schlufs zur Erholung auch nach Griechenland und Eleinasien führte,
200 Handschriften teils vei^lichen, teils untersucht und konnte, obwohl
er seine Arbeiten in Italien nicht zum Abschlufs gebracht hat, doch die
wesentlichsten Ergebnisse in der oben genannten Schrift zusammenfassen.
Der Hauptzweck der Beise diente, obwohl Isokrates und Äschines
^
Nene Philologiaebe Rundsehau Nr. 3. 51
nicht zu kurz kamen, der Erforschung der Demosthenes-Überliefe-
rung, die durch Drerups Studien und die zu erwartende Ausgabe eine
bedeutende Förderung er&hren wird. Sehr interessant und wertvoll ist, was
or Sb» ^ den Ffihrer der gesamten Demosthenes-Überliefemng, sagt, der,
obwohl er in einer pbotographischen Reproduktion vorliegt (ed. Omont 1892),
merkwürdigerweise bisher doch noch nicht ausreichend kollationiert worden
war. Vömel hat zwar manche aus Korrektur entstandene Lesart angegeben,
daTs in 2 aber zehn verschiedene Hände tätig waren, ist neu. Wenn
nun die Korrekturen bis ins 15. Jahrhundert sich erstrecken, dann er-
klären sich freilich die nicht wenigen minderwertigen Lesarten, die seither
promiscue verzeichnet waren. Es ist natürlich von der gröfsten Wichtig-
keit, hier eine reinliche Scheidung vorzunehmen und namentlich festzu-
stellen , was der ä^x^^ia e^dooig angehört. Ebenso wichtig ist die Schei-
dung der, wie Drerup angibt, fünf Korrektoren- und Scholienhände in Y,
einer Handschrift, die mit FQD auf gleicher Bangstufe steht und deren
Lesarten bisher auch in den Ausgaben die gebührende Berücksichtigung
gefunden haben. Namentlich beachtenswert scheint T in den Proömien,
wo die Handschrift nach Drerups Bemerkung sich sehr eng mit Q berührt.
Drerups Bedauern, dafs ürb. 113 und Laur. 59® bisher noch nicht ge-
nügend untersucht sind, teile ich vollständig, und das ist eine der näch-
sten, jedenfalls vor einer Gesamtausgabe noch zu lösenden Aufgaben.
A betrachtet Drerup als „ einen Vertreter des verwilderten alexandrinischen
Vulgattextes^^ Ich würde dies unterschreiben, wenn das Beiwort „alexan-
drinisch'' wegbliebe. 2FQDT in ihrer Grundlage auf alexandrinische Zeit
zurückzufahren, möchte angeben, aber den Ursprung von cod. A, obgleich
er aus der gleichen Zeit wie jener stammt, so früh anzusetzen, ist doch
sehr zweifelhaft. Es bleibt bezüglich der Entstehung von A noch ein
weiter Spielraum für Hypothesen, denn die Klassikerüberliefemng war
noch bis ins 10. und 11. Jahrhundert, namentlich in Kleinasien und
auf einzelnen Inseln, lebendig und reich. Sehr richtig ist, was Drerup
über die seitherige Vernachlässigung einzeber Sonderhandschriften sagt. So
lange nicht die Überlieferung bis auf das letzte Stückchen erforscht ist,
so lange steht auch die diplomatische Grundlage nicht fest. Wie man
bisher in der Regel nur die philippischen Beden und diese bis zum Über-
drufs herausgegeben hat, so hat man auch nur die wichtigeren Handschriften
berücksichtigt. Demgemäfs untersucht Drerup eine Beihe von Handschriften,
die zum Teil noch interessanten Aufschlufs versprechen. Dahin scheint
52 Keua Philologische Bnndschan Kr. S.
besonders r = cod. Paris 2936 zu gehören, der bekanntlich fflr die Proö-
mien teilweise vortreffliche Lesarten hat, nur kann ich nicht glauben, dafs
der die ProOmien enthaltende Teil der Handschrift „aus dem verlorenen
Teile von A^' stammen soll. Mir scheint vielmehr r, soweit ich bemerken
konnte, auch in diesem Punkt auf Y und Yind. hinzuweisen. Wenn das
aber der Fall, so ist fraglich, ob r Yind. 105 und Marc. 420 eine eigene
Überlieferungsklasse darstellen und ob sie nicht vielmehr zu der ge-
schlossenen Tradition JSTFQD gehören. Das wird die nähere Unter-
suchung ergeben, und Drerup wird hoffentlich diesem Punkte seine
besondere Aufmerksamkeit zuwenden oder bereits zugewendet haben.
Was die Schollen betrifft, so ist allerdings sonderbar, dafs Dindorf
trotz besserer Erkenntnis den cod. Par. 2946 (G) statt T seiner Ausgabe
zu gründe gelegt hat. Im allgemeinen aber ist das Urteil über Dindorf
S. 302 etwas hart, da meiner Wahrnehmung nach die Kollationen Din-
dorfs, soweit ich sie in den Beden verglichen, doch ziemlich genau sind.
Drerup ist es nun erfreulicherweise gelungen, „die verwickelten Über-
lieferungsverhältnisse" der Demosthenes-Scholien klar zu legen. Danach ist
T allein mafsgebend, wozu ergänzend cod. s, namentlich aber für die in
T verstümmelten Prolegomena Ulpians noch cod. Paris. 2995 =ß und cod.
Paris 3012= Ek hinzutreten. Dann behandelt Drerup S. 305 die Schollen
der alten Demosthenes-Handschriften , die ganz oder teilweise selbständig,
aber sehr ungleichmäfsig über den Band der einzelnen Beden verteilt sind.
QD enthalten gar keine Schollen. Vorzfiglich ist die alte Scholien-
überlieferung in A. Dagegen erhebt sich besonders bei cod. Y und 2 be-
züglich der Scheidung der verschiedenen Hände dieselbe Schwierigkeit wie
im Text der Beden. Die Schollen in cod. JT und Urb. sind noch nicht
genügend erforscht. Im allgemeinen hat man den Eindruck, dafs die Schollen
der alten Handschriften, wenn alles klar gelegt sein wird, ein besseres
Material repräsentieren, als das ganze corpus T. Aus dem, was Drerup über
die Demosthenes-Papyri in Kürze berichtet, ohne näher auf die einzelnen
Stücke einzugehen, erhellt 1) dafs cod. A, wenn der Pap. der Timocratea
wirklich im schärfsten Gegensatz zu diesem steht und einen Zweig der
äqxaia eKÖoaig {2YV) repräsentiert, von der alexandrinischen Zeit weit
abzurücken ist und dafs dies mit dem übereinstimmt, was ich oben über
die Entstehungszeit von A gemeint habe. Mir scheint A gar nicht zur
alexandrinischen Überlieferung im engeren Sinne zu gehören, sondern aufser-
halb derselben zu stehen und auf Grund verschiedener Texte, die zum
O
Nene Philologiaebe Bandschan Nr. 3. 58
Teil Gates enthielten, eine kontaminierte Oestalt erhalten za haben, 3) dals
die bisher entdeckten Papyri aof keine ältere Quelle znrfickgehen als nns
in 2YF vorliegt und dafs die vorhandenen Handschriften der änxctia ¥^oaig,
die alle im lO./ll. Jahrhundert geschrieben sind, in ihrer Entstehung
auf das 2. Jahrhundert n. Chr. zurfickweisen und nicht auf frfihere Zeit,
was auch mit der darin hervortretenden Eontaminierung stimmt.
Reichen Ertn^ lieferte fBr Isokrates die schwierige Nachverglei-
chung des grofsen Londoner Papyrus der Friedensrede, die Drerup mit
Hilfe des gesamten Handschriftenmaterials unternahm. Damit ist die
Untersuchung der Isokrates -Handschriften zum Abschluls gebracht, und
Dremp wird nächstens auf Grund von 100 Handschriften eine „Text-
geschichte des Isokrates ^^ veröffentlichen und darin die gesamte direkte
und indirekte Überlieferung einer kritischen Würdigung unterziehen. In
London fand Drerup noch im cod. Bum. 75 (saec. XV) eine wichtige
Quelle ffir die Demonicea, welche mit cod. 2010 und Laur. 567 eine neue
selbständige Überlieferungsklasse darstellt. C!od. Bum. lieferte denn auch
eine grofse Zahl selbständiger und bemerkenswerter Lesarten. Wichtiger
noch war in Paris die Entdeckung von cod. Par. supplem. gr. 690, der
umfangreiche Excerpte von Isokr. or. I/II enthält.
Die Aufsuchung von Aschines-Handschriften (cod. Goisl. 249
= F saec. X) führte Drerup auf die Handschriften der Äschines-
Briefe, die er herausgeben wird und wozu er 48 Handschriften ver-
glichen hat. Diese sondern sich in zwei grofse Familien, von denen die
zweite, eine durchaus selbständige Überlieferung der Epistolographen, nur
epist. 1, 6, 7, 3 bietet Diese ist vertreten durch den Archetypus der
ganzen Klasse cod. Harl. 5610 (bombyc.) saec. XIII/XIV = cod. A
Taylori, der aber nur im letzten Teil von fol. 185—217 mit 33 Blättern
in 4<^ erhalten ist und wozu es Abschriften und Familienangehörige gibt.
Dieser Archetypus ist geeignet zu einer Kontrolle des Redetextes.
In dem genannten cod. Goisl. 249 entdeckte Drerup noch eine neue
Überlieferung von Oorgias* Helene, die sich als Zwillingsüberlieferung
zu dem Heidelberger cod. Pal. X darstellt, was Drerup am Schlufs durch
eine Kollation mit dem Blafsschen Texte beweist.
Durlach. May.
54 Neue Philologische Rundschan Nr. 3.
27) Walther Oebhardi, Ein Asthetisclier Kommentar zu den
Lyrischen Dichtungen des Horaz. 2. Auflage besorgt
von A. ScheiTler. Paderborn, ScbOningb, 1902. 336 S. 8.
u# 4.-.
Eigentlich ist es wunderbar, dafs sechzehn Jahre dahin gehen mufsten,
ehe das bekannte und beliebte Buch W. Qebhardis eine Neuauflage erlebte.
Es haben wohl alle, als es 1885 zuerst in so hubscher Ausstattung erschien,
erkannt und zugegeben, dals es durchaus geeignet sei, dem Dichter neue
Freunde in Ffllle zuzuführen. Das Buch war ja nicht eigentlich ffir den
kleinen Kreis der Gelehrten, welche neue Besultate in ihm weder erhoff-
ten noch äinden, sondern ffir den grofsen der Schfiler und der Freunde
des Dichters bestimmt, die ihn in einer begeisterten, lebendigen
Sprache erkl&rt und behandelt wissen wollten. Ich habe damals äufserst
anerkennende Anzeigen gelesen und auch selbst dem mir so befreundeten,
ffir Kunst so empfänglichen, fiberaus scharfsinnigen Verf., der noch lange
vor der Ffille der Jahre aus dem Leben scheiden mufste, meine Freude
an dem nach jeder Bichtung geschmackvollen Buche nicht verhehlt.
Freilich hat es in der Zwischenzeit nicht an grofsartigen, auch ähnlichen
Leistungen und Bestrebungen gefehlt, und freilich gab es auch damals
schon manche, denen die ganze in allem etwas suchende, zuweilen ge-
zwungen geistreiche Art des Verf. nicht zusagte. So brachte diese Zeit-
schrift 1886 Nr. 17 eine lange, gehaltvolle Besprechung des Buches durch
den nun auch schon lange verstorbenen Friedrich Gurschmann in Darm-
stadt, der gegen die von der Sache abfahrenden ästhetischen Spekulationen,
gegen „die Plfifs-Gebhardische Methode: Kleinigkeiten zu bedeutsamen
Fragen aufzubauschen, grofse Schwierigkeiten zu finden, die fSr den ein-
£Ach denkenden Menschen nicht vorhanden sind, und diese kfinstlichen
Schwierigkeiten mit grofsem Aufwand von Scharfsinn und ästhetischer Fein-
ffihligkeit zu fiberwinden ^^ Verwahrung einlegte. Ich kann Gurschmann
nicht so ganz Unrecht geben. Es ist in dem Buche oft ein Hinw^eden fiber
die wirklichen Schwierigkeiten, ein zu wenig begrfindetes AuQubeln, ein
Anbringen wollen modemer Stimmungen und Wendungen zu beklagen. Der
neue Herausgeber, Dr. A. Scheffler in Lyck, der leider in dem viel zu all-
gemeinen Vorworii nichts Spezielles fiber die von ihm vorgenommenen Ver-
änderungen angibt, hat nun entschieden diesen Mängeln g^enuber sich
Verdienste um das Buch erworben. Wo ich auch verglich, fand ich seine
bessernde, umstellende Hand, und an zahlreichen Stellen die Spuren, dafs
/^
^
Nene Philologiflcbe BandschAU Nr. 3. 56
neuere Ansichten an die Stelle der alten getreten und die modernen Lei-
stungen der besonders durch Eiefsling beeinflulsten Horazforschung berflck-
sichtigt sind. Das alles ist mit Urteil geschehen. Selbst ein grofser
Name hat ihn nicht bestimmt, Unbewiesenes z. B. bei der Erklärung von
III, 5 aufzunehmen. Aber doch hat das Buch seinen Charakter bewahrt,
und Gebhardi ist, wie er leibt und lebt, noch fiberall zu erkennen. Freilich
möchte ich wflnschen, dals der Herausgeber bei den folgenden Auflagen
noch mehr von dem tönenden Pathos und dem fibertriebenen Superlativ
änderte (s. z. B. den Schluß von ni, 5, S. 221).
Hirschberg i. Schi. Emil Besenbers.
28) Bicardus Bfliger, De Ovidi carmmom amatoriom inven-
tione et arte. Ouelferbyti, apud lulium Zwissler, MDGCOCI.
131 S. 8. J^ 1.50.
In einem recht fldssigen und beinahe klassischen Latein weist der
Verf. die grofse Abhängigkeit Ovids in der Liebespoesie von seinen Vor-
gängern, namentlich den griechischen Elegikem und Epigrammatikern,
nach. Zugleich zeigt er, mit welchem Geschick der Meister auf dem
Gebiete der Liebeslyrik die bereits vorhandenen Stoffe far seine Zwecke
verwertet hat. Auch an kritischen Bemerkungen fehlt es nicht. VoU*
ständigkeit jedoch scheint nicht erstrebt zu sein. So vermissen wir die
Berücksichtigung der „Verschönerungsmittel ^S der „Heilmittel der Liebe *^
nnd des dritten Buches der „Knust zu lieben '^ — Kein 0?idforscher
wird die Abhandlung auiser acht lassen dürfen.
Wilhelmshaven. O. SchUer.
29) Bobert Schneider, Text und Übenetsning zum galli-^
sehen Kriege des C. JuUus Cäsar. L Buch. Halberstadt,
Schinmielburg, 1902. 65 S. kl. 8.
Mit der vorliegenden Übersetzung mfifste ich eigentlich sehr ein-
verstanden sein; denn sie ist im wesentlichen so, wie sie bei gewissen-
hafter Benutzung meines Gäsarkommentars ausfallen konnte. Der Über-
setzer macht auch kein Hehl daraus, dafs er besonders meinen Konmientar
benutzt hat. Die Übersetzung gleicht denn auch im wesentlichen der-
jenigen, die ich mir selbst gemacht habe, um die Brauchbarkeit meines
Kommentars zu prfifen. Aber ich habe diese nicht veröffentlicht, weil
ich nicht wufste, wem sie dienlich sein könnte, aufser etwa — Schülern.
56 Nene Philologische Bnndschau Nr. 3.
Und 80 weifs ich auch nicht, wem die Übersetzang Schneiders dienen soll.
Denn das Ziel, das er sich gesetzt hat: „im engsten AnschloTs an den
lateinischen Text eine Übersetzung zu geben, die sich wie ein deutsches
Original liest '^ hat er nicht erreicht. Ich hatte auch bei Ab&ssung meines
Kommentars ein viel bescheideneres Ziel vor Augen gehabt.
Mifsverständnisse finden sich nur selten: aber der Ausdruck läXst,
wenn man den vom Übersetzer an die Hand gegebenen MaTsstab anlegt,
noch viel zu wfinschen flbrig. Man lese nur den Anfang des dritten
Kapitels: „Von diesen Qrfinden verleitet und durch den Einfluß des Or-
getorix bestimmt, beschlossen sie das vorzubereiten, was zum Auszuge ge-
hörte, eine möglichst grofse Anzahl von Lasttieren und Karren aufzukaufen,
möglichst viele Aussaaten zu bestellen, damit der Vorrat an Getreide auf
dem Marsche ausreichte u. s. w.*' So schreibt kein deutscher Schriftsteller.
Oldenburg i. Or. Rvd.
30) Luigi Valmag^y Nuovi appunti suUa critica recentissima
del Dialogo degli oratori Torino, Ermanne Loescher, 1902.
23 S. 8.
In dieser Abhandlung (Sonderabdruck aus der Biv. di Filol. XXX,
f. 1), die sich an frühere Artikel V.s ergänzend anschliefst, werden zuerst
die jfingsten Arbeiten Aber den Dialogus: L. Coustans' und A. Gudemans
(kleinere) Ausgabe sowie Andresens textkritische Beiträge kurz besprochen,
dann die Kontroverse Aber Chronologie und Urheberschaft ;des Werkes.
G. Giussani, Verfasser einer „Letteratura romana^S steht ganz auf dem,
vom Bef. geteilten, Standpunkt, dafs der Dial. recht wohl von Tacitus in
den ersten Jahren der Begierung Domitians verfafst sein könne. Freilich
nimmt er die Worte Kap. 1 ut nostris temporibus viel zu eng, = per i
tempi che corrono, während V. leicht nachweist, dafs damit in unserer
Schrift das ganze moderne, kaiserliche Zeitalter im Gegensatz zum republi-
kanischen gemeint ist. Dagegen läfst sich mit der Annahme, der Dial.
sei erst 98 n. Chr. geschrieben worden, die Erinnerung an des Maternus
Bezitation des „Cato** (D. 2, 1) meines Erachtens nicht vereinigen, sofern
überhaupt eine vernünftige oder nur erträgliche Fiktion aufrecht erhalten
werden soll. Darüber hilft uns auch der Hinweis auf die feststehende
„ Tradition ^^ und auf Ciceros Beispiel (de or., Laelius, Cato m.) nicht hin-
w^, weil eben dort die Umstände wesentlich andere sind. — Die auch
von y. in den Worten „iuvenisadmodum^^ und „ardor iuvenilis^^ gefundene
^^
Kene PhüologiMhe RandMbaa Nr. 8. 67
Schwierigkeit ist in der Tat nicht grols. S. Qademan, gr. Ausg. BinL
S. xzixff. — Von L. Schwabes Artikel „Tacitos^* bei Panly-Wissowa
ist y. nicht so befriedigt wie viele deutsche Bezensenten; in den biblio-
graphischen Angaben findet er einige auffallende Lficken. — M. Schanz
(Oesch. d. r. Lit.) stimmt in der chronologischen Frage mit Leo und
Norden fiberein, erklärt die stilistische Verschiedenheit des Dial. ähnlich
wie ne, und zum Beweise, dafs die Schrift erst nach 98 erschienen sei,
stfitzt er sich u. a. auf das von Wutk vorgebrachte verfehlte Argument :
Dial. 19, 9 mflsse, wegen der inhaltlichen Beziehung, vor Plin. ep. 1, 20
geschrieben sein! — Norden gibt, ohne gerade sachlich viel Neues fiber
die Dialogusfrage zu bringen, eine genauere Auseinandersetzung der von
Leo u. a. aufgestellten Theorie und nimmt den älteren, aussichtslosen
Versuch, statio als „ Begierungszeit ^^ zu deuten, wieder auf. Mit bedingter
Anerkennung erwähnt V. noch H. Bomecque , La prose m^trique et le
dialogue des orateurs, femer Wölfflins gegen Leo gerichteten Artikel:
Die Nachahmung in der lateinischen Prosa.
Schliefslich kommt der Verf. auf die handschriftliche Bestätigung der
Authentie des Dial. zu sprechen, eine Frage, die, wie er glaubt, auf
Qrond der neuesten Forschungen, insbesondere Sabbadinis, einer definitiven
Lösung nähergef&hrt werden könne, wenigstens einer negativen, auf die V.
schon vor 12 Jahren (in s. Ausg. des Dial.) hingewiesen hatte. — In
der Korrespondenz der Humanisten Poggio, Beccadelli, Guarino aus den
Jahren 1426 und 1426 wird eine durch einen Hersfelder Mönch in Italien
bekannt gewordene Sammelhandschrift erwähnt, enthaltend aufser Sueton,
de gramm. et rhetor., des Tacitus Germania, Agricola und Dialogus; vom
letzteren freilich schreibt Beccadelli so: Inventus est quidam dialogus de
oratoribus etest,utconiectamus, Gor. Taciti. Diese Handschr. nun iden-
tifizierte Sabbadini, wie es nahe lag, mit den 30 Jahre später von Henoch
„wieder aufgespfirten*^ und in Kopie aus Deutschland mitgebrachten
Schriften; zugleich folgerte er aus jenem Zusatz des „Palermitaners**,
da& dem Dialog in der Originalhandschr. der Name des Tacitus nicht
beigeschrieben war. Eine neuere Entdeckung hat indessen Sabbadini von
dieser Ansicht zurfickgebracht ; er &nd nämlich in einem ambrosianischen
Kodex des 16. Jahrhunderts eine Notiz des P. G. Decembrio: Gomelii
taciti liber reperitur Bome visus 1455 mit kurzer Beschreibung der
Handschrift und Inhaltsverzeichnis: Germ., Agr., Dial. de or., Suet. de
gramm. et rhet. Nun war nach Decembrios Angabe der Kodex in Ko-
Neue Philologische Bimdschan Kr. 3.
lamnen geschrieben, ein Umstand, aus dem Sabbadini, wohl etwas vor-
eilig, schliefst; dafs es sich am den 1455 von Henoch nach Born ge-
brachten Original kodex handeln mfisse. — Gegen die Identifizierung
jener von Beccadelli und seinen Korrespondenten erwähnten Sammel-
handschr. mit der des Henoch, die Decembrio gesehen, scheint zu sprechen:
die Bemerkung des Pootanus (1460) auf seiner Abschrift (cod. Perizonianus),
sowie Briefe des Carlo de* Medici, die unter den von Henoch entdeckten und
nach Italien gebrachten Schriften den Agricola nicht mit anführen. Doch
erklärt sich dies nach Y.s Meinung hinlänglich daraus, dafs Gosimos Sohn,
der ohnehin nur den Sueton nennt, überhaupt nicht die Handschr. selbst,
sondern nur ein Verzeichnis zu Qesicht bekommen haben wird. Und bei
Pontanus liege die Möglichkeit vor, dafs er eine Abschrift des Hersfelder
Originals vor sich hatte, in der bereits, wie in den meisten, der Agricola
fehlte. — Anderseits aber sieht Y. in der oben zitierten Bemerkung
Beccadellis mit Becht einen Beweis daf&r, dafs der Dialog, wenn nicht
im Hersfelder Original oder seiner von Henoch mitgebrachten Kopie,
doch jeden&lls in irgend einer älteren Handschr. ursprünglich anonym
überliefert sei. — Vielleicht bringt die Zeit noch weitere Aufschlüsse aus der
Menge noch unbenutzten Materials, das in Archiven und Bibliotheken Italiens
aufgeschichtet liegt, und erleichtert uns das Urteil über die Bedeutung
auch des letzten Fundes Sabbadinis und der daraus gezogenen Folgerungen.
Bis jetzt komme ich wenigstens über ein „nondum liquet^' nicht hinaus.
Prankfnri; a. M. Ed. Wolff.
31) Moritz Voigt, Bömische Bechtageschichte. 3. Bd. Stutt-
gart und Berlin, J. G. (Pottasche Buchhandlung Nachfolger, 1902.
VI u. 378 S. 8. A 12.-.
Der zweite Band von Moritz Voigts BOmischer Bechtageschichte, den
ich in dieser Bundschau 1900, Nr. 18, S. 422 f., angezeigt habe, reicht
bis zur Beichsteilung im Jahre 305 n. Chr. Der vorliegende dritte Band
bringt durch die Darstellung der Bechtsentwickelung bis auf Justinian
(565) das verdienstvolle Werk zum Abschlufs. Nachdem ich schon in
früheren Besprechungen die Eigenart dieser Bearbeitung des grofsen und
schwierigen Stoffes charakterisiert habe, darf ich mich auf wenige Be-
merkungen beschränken. Auch dieser Schlufsband weist dieselben Vor-
züge gründlicher und «eibständiger Forschung auf, wie die früheren,
einer Forschung, die nicht bei der blofsen Feststellung der Tatsachen
y^
^
Nene PhilologiBehe Rnndtehau Nr. 8. 59
stehen bleibt, sondern im Sinne Bankes „die Erforschung der wirksamen
Momente der B^ebenheiten und Wahmehmnng ihres allgemeinen Zu-
sammenhanges" sich zum Ziele gesetzt hat. Dadurch war ein Aufgeben
der achronistischen, antiquarischen Zusammenfassung nach dogmatischen
Gesichtspunkten yeranlafst; an ihre Stelle ist die chronologische, d. h.
historisch -genetische Darstellung getreten. Der dadurch hervorgerufene
Nachteil, dafs die Darstellung des einzelnen Bechtsinstitutes zerrissen
wird, ist reichlich aufgewogen durch den Vorteil, dafs so die ganze Bechts-
entwickelung klarer hervortritt Wer die Entwickelung eines einzelnen
Rechtsinstitutes verfolgen will, wird, da die Disposition für alle drei Perio-
den genau dieselbe ist, die entsprechenden Partieen leicht finden. Über-
dies hilft ein knappes, auf alle drei Bände sich erstreckendes Sachregister
zu rascher Orientierung.
Prauenfeld (Schweiz). Otto Sohvllhofli.
32) St Ghiell, Les monomento antiques de rAlgirie. Oavrage
publik sous les auspices du gouvemement g^n^ral de TAlg^rie.
Tome I contenant 72 planches hors texte et 85 illustrations dans
le texte. Tome II contenant 34 planches hors texte et 89 illustta-
tioDS dans le texte. Paris, ancienne librairie Thorin et fils. Albert
Fontemoing, Miteur, 1901. Ym u. 290 S. 8. — XX u. 447
Sp. 8. Je ftea. 20.
Der Verf. hat seine Notizen Aber die antiken Überreste in Algerien,
soweit sie als historische Denkmftler in Betracht kommen, zur Herstellung
eines archäologischen Handbuches verwertet. Dasselbe ist nicht geo-
graphisch, sondern nach Materien geordnet; doch ist am Schlosse ein
Index geographicus beigegeben, nach dem man sich orientieren kann.
Die bibliographischen Daten wurden mit möglichster Vollständigkeit be-
arbeitet, einmal weil die fiber die einzelnen Objekte erhaltenen Nach-
richten sehr zerstreut sind, anderseits weil im Laufe der in Betracht
kommenden 70 Jahre viele Veränderungen vorfielen. Mag auch manche
der älteren Notizen nicht von sachverständiger Seite herrfihren, so ver-
dankt man doch mitunter denselben die Kenntnis recht wertvoller Einzel-
heiten. Übrigens erklärt Qsell, den wir als tfichtigen Eleven der fran-
zösischen archäologischen Schule in Bom von seinen „Fouilles dans la
Necropole de Vulci^^ her kennen, dafs sein Werk über Algier eigent-
lich verfrflht erscheint; es war ihm noch nicht möglich, alle Gegen-
60 Neae Philologische RundBchau Nr. 3.
den, wo Denkmftler sich yorfinden, aber keine genügende Ennde darfiber vor-
liegt, zu bereisen. Als professeur ä F^le snp^rieur des lettres et directeur
de Muste d* Alger hat er sich dieses Forschungsgebietes angenomnaen.
Das Werk bespricht zunächst die Monumente der Eingeborenen,
namentlich die Dolmen und die an Felsen eingeritzten Bildereien, die auch
Ch. Tissot in seiner „Province Romaine d*Afrique*^ behandelt hat. Dann
die punischen und Libyphönizischen Monumente, darunter S. 62 ein grie-
chiscb-punisches Mausoleum, das mit anderen Bauten dieser Art in Ver*
gleich gesetzt wird; man findet dabei Benndorf- Niemanns Beisen in
Lykien zitiert, wo ja auch der enchorischen Bauart eingehende Beachtung
geschenkt ist. Es folgen die Monumente der BOmerzeit: die militärischen
Bauten, das Legionslager von Lambäsis und die kleineren Kastelle (mit
Verweisungen auf Cagnats Tarmde Romaine d*Afrique); die städtischen
Bauwerke, von denen in Thamugadi, Lambäsis, Theveste u. a. 0. beträcht-
liche Überreste erhalten sind: Fora, Tempel, Ehrenbogen, Theater, Amphi-
theater, Thermen, Aquädukte, Zisternen, Brunnen u. s. w., welche Kate-
gorieen einzeln behandelt werden. Hierauf die Bauten au&erhalb der Städte:
die Strafsenanlagen, die Brücken, die Häfen; der Hausbau, der hier weniger
von römischer als von griechischer Art beeinflufst erscheint; die technischen
Anlagen: fQr Bewässerung, Ölgewinnung u. s. w., ein für diese Land-
schaften charakteristisches^Kapitel. Ebenso werden die Gräbertypen aus
verschiedener Zeit, die christlichen Bauwerke, darunter einige ziemlich
gut erhaltene Basiliken, die Defensionsbauten der byzantinischen Periode,
über die wir durch das Werk von Gh. Diehl in weiterem Umfange unter-
richtet sind, eingehend beschrieben. Zahhreiche Phototypieen und Pläne,
wie wir sie an den französischen Publikationen über das römische Afrika
gewohnt sind, statten auch diese in glänzender Weise aus.
Prag. J. JvBg.
33) Soiitti Vari di Filologia. Boma, Ermanne Loescher & Co. (Bret-
schneider e Begenberg), 1902. 590 S. gr. 8. L. 20.—.
Der stattliche Band, der die Widmung trägt 'A Emesto Monaci per
Tanno -XXV- del suo insegnamento gli Scolari', enthält nicht weniger
als 38 Beiträge gröfseren oder geringeren ümfanges. Von der Mannig-
faltigkeit des Inhaltes mag folgendes Verzeichnis ein Bild gewähren.
A. Parisotti, Idee religiöse e sociali di un filosofo greco del medio evo
[Qeorgios Gemistos Plethon]. — L. Biadene, U collegamento delle due
o
Nene Philologiache Randichan Nr. 8« 61
parti principali della stanza per mezzo della rima nella canzone italiana
dei secoli XIII e XIV. — P. Egidi, Relazioni delle croniche Viterbesi
del secolo XV tra di loro e oon le fonti. — L. Qauchat, Sono avuto. —
F. Pometti, II raolo dei lettori del MDLXynil— MDLXX ed altre
notizie soll* ünivenitä di Roma. — G. Manfroni, n figlio di Lamba
d'Oria. — M. Pelaez, ün 'Detto di Pasdone'. — G. A. Gamfi, Sulla
cnria stratigoziale di Messina nel tempo normanno-sneyo. — G. Avo-
garo, Appunti di toponomastica Veronese. — E. Maurice, Di alcani
carmi sacri di Paolino d'Aqoileia. — F. Gaerri, Intomo a nna epigrafe
di S. M. di Gastello in Gorneto Tarqoinia. — G. Trabalza, üna laude
nmbra e an libro di prestanze. — 0. Predieri, Serafino Aquilano nei
mauoBcritti dell' Antinori. — V. De Bartbolomaeis, ün frammento
Fergamasoo e una novella del Decamerone. — 0. S. Bamundo, Gommo-
diano e la reazione pagana dio Oiuliano TApoetata [Gommodian wird — in
Übereinstimmung mit Brewer, Zeitschr. f. kaihol. Theol. 1899, 769 ff. —
ins 4. Jahrhundert gesetzt; R. bringt eine Anzahl Stellen der Instructiones
in Beziehung zu Julians Versuch, das Heidentum wieder herzustellen]. —
A Colasanti, L'epitaffio di Benedetto VII. — E. Bovet, Anoora il
problema 'andare* [auf latein. 'ambulare' sind doch wohl die romanischen
Verben 'aller', 'andare\ 'andar', *anar' u. s. w. zurflckzufBhren]. —
P. Tacchi Venturi, Gorrispondenza inedita di L. A. Muratori con i pp.
Gontucci, Lagomarsini e Orosz della Gompagnia di Gesa. — Q. Orimaldi,
üna lettera di Bemardo Doyizi di Bibbiena a Giulio de' Medici. —
G. Cappuccini, L'eteroclisia in 'are' e'ire'. — 0. Antognoni, L'epi-
grafe indsa sul sepolcro di Dante. — G. Mazzatinti, La biblioteca di
S. Francesco (tempio Malatestiano) in Rünini. — G. De Lollis, Quel
di LemosL — V. Tommasini, Snlle laudi greche conservate nel 'Liber
politicus' del canonico Benedetto. — G. Segri, Ghi accusö il Petrarca
di magia. — V. Rocchi, üna lettera inedita di papa ürbano VI [mit
Faksimile]. — F. Egidi, Per la datazione del codice Gasanatense A. I.
8(233) [Französ. Weltgeschichte; die Handschrift gehSrt in die Jahre 1404
bis 1419]. — A. Silvagni, ün ignoto poema latino del secolo XIII
suUa Greazione. — G. Grocioni, II dialetto di Ganistro. — F. Her-
rn anin, n miniatore del codice di F. Giorgio nelP archivio Gapitolare di
S. Pietro in Vaticano. — G. Salvadori e V. Feder ici, Di Remigio
Girohuni fiorentino [mit Faksimile]. — E. Garusi, L'indizione nella
datazione delle carte private romane dei secoli VIII— XL — T. Morino,
62 Neue Philologiflche Rundschau Nr. 3.
Note ed appnnti suUa litterstura romanesca. — P. Spezi, Di alcani
giudizi snl Belli. — A. Tenneroni, Di dae antiche laude a san Frao-
cesco d^Assisi. — P. Fedele, ün docamento fondano in volgare dd
aecolo XII. — P. Tommasini Mattiucci, Antiche poesie religiöse
dell' ümbria. — E. Modigliani, Intorno alle origini dell' epopea
d^Aspremcmt. W.
34) Hennaim Schiller, Wel^esehidite. 2. Band: Geschichte
des Mittelalters. Berlin nnd Stuttgart, W. Spemann, 1901.
VII, 666 u. 74 S. 8.
Auch der zweite Band weist die bei Besprechung des ersten (vgl.
Jahrgang 1900, Nr. 19, S. 446 f.) hervorgehobenen Vorzfige auf: in der
Darstellung befleilsigt sich der Verf. bei aller Eigenart der Auf&ssung
einer anerkennenswerten Sachlichkeit. Dies zeigt besonders die Behand-
lung des weltgeschichtlichen Kampfes zwischen Kaisertum und Papsttum.
Die Heroengestalten unter den Deutschen Kaisem ffihrt er uns in einer
Beihe packender Charakteristiken vor. Den fQr die Entwickelung der
Staaten so bedeutungsvollen und darum seit Nitsche in der Darstellung
immer mehr in den Vordergrund tretenden kulturgeschichtlichen Verhält-
nissen widmet er seine besondere Aufmerksamkeit, ohne jedoch selbst bei
grofser AusfQhrlichkeit beim Leser den Eindruck zu hinterlassen, dafs er
sich zu sehr ins einzelne verliere.
In der äufseren Ausstattung entspricht der zweite Band in jeder
Hinsicht seinem Vorgänger.
eflfenburg (Baden). ^__^_____ WUholm Stenu
35) A. ZimmennaDni Zur Entotehnng besw. Entwickelung
der altrömischen Personennamen. Breslau, Programm des
Wilhelmgymnasiums 1901/2. 20 S. 4.
In Anlehnung an den besonders von Fick gelieferten und seitdem
vielfach gestfitzten Beweis, dafs die idg. Namengebung in der Hauptsache
auf Zweistämmigkeit beruht, sucht der Verf., der sich schon frfiher durch
verwandte Untersuchungen bekannt gemacht hat, zu erhärten, dafs auch das
Lateinische einstmals dieselbe Bildungsweise besessen und gar nicht so
wenig Spuren und Beste davon bewahrt hat, Aufserdem findet er in den
sogen. Lallw0rtem eine reichlich fliefsende Quelle römischer Nameur
schOpfung.
•^
Neui PhQologitehe Bmidiehaa Mr. 3. 68
Zimmemiaiin behemcht das Material selbrttaidig und ist in der Ute»
ratnr darflber wohl zq Hause, auch verfflgt er fiber einen gewissen Tast-
diiD, der in diesen Dingen der Methode beigesellt sein mnfs* Die Arbeit
ist zweifellos eine schätzbare FSrdemng der Frage and nicht blob Ar
den Sprachforscher lehrreich, sondern auch nicht ohne Ertrag fDr die
Völkerpsychologie, insofern aus den römischen Namen eine einlenchtende
Bestätigung gewonnen wird fQr das tiefe Fbmiliengefähl der meist nur
vom staatlichen Oesichtspunkt aus gewürdigten weltbeherrschenden Nation.
So mufs das Programm als entschieden lesenswert bezeichnet werden.
Cannstatt.
36) J. Ghistav Schulz I Attische Verbalformexiu s. Aufhge.
Prag, A. Storch Sohn, 1902. X n. 123 S. 8. geb. JH 1,60.
Das Buch hat sehr angenehmes Format, ist aulserordentlich sorg-
fiUtig gearbeitet und sauber gedruckt. Die Schfller werden bei der Be-
nutzung kaum eine Form vergeblich suchen. Ja der Verf. hat zum Über-
flols eine Beihe von Verben au^nommen, die fDglich fortbleiben konnten,
z. B. xoivöWf -Kdii^o}, dyytita.
Auf einige Versehen sei kurz hingewiesen. Bei den Verbmi unter a
mi die Formen mit Spiritus asper bevorzugt, z. B. aiaina, ärtko. Ein
Druckfehler ist fj^wAiitpf statt ^ . . . Der Stamm von aivitvofioi mSchte
richtiger alviy lauten statt alvi%. S. 19 ßXittio eeidde, ist der Bedeu-
tong nach zu erklären. S. 22 yffS^to ist besser mit gruiMe zu flbersetzen.
S. 31 unter et/i/, der ganze Ind. bis auf d enklitisch, das Wort ganze mufs
fehlen. S. 36 unter Syyvfii ist einmal statt dfig>i ftlschlich ifti gesetzt
Ich fEtrchte, dals der hohe Preis der Verbreitung des Buches hinder-
lich sein wird.
Wolfenbflttel.
37/38) H. Deiter, Übnngnitacke znm Übenetzen ins La-
teinische im Anschlurs an Livius I und II. Essen, Baedeker,
1902. 32 S. 8. Jt -.50.
Derselbe, Übungsstücke znm Übersetzen ins Lateinische
im Anschlufs an Livius XXI. Essen, Baedeker, 1902. 24 S. 8.
Jt —.50.
Die Torliegenden Übungsstflcke sind sehr leicht gehalten. Der Satz-
bau ist fiberall einftch, und nur selten kommen Ausdrficke oder Regeln
zur Verwendung, die sich nicht aus den zu gründe gelegten Liviuskapiteln
64 Neue Philologische fiilndachatt Nr. 3.
gewinnen liefaen. Dabei ist der Anschluls aber doch kein so enger, dafs
der ScbQler des eigenen Nachdenkens flberhoben wäre. Er findet immer
noch genflgend Gelegenheit, seine grammatischen Kenntnisse zn betätigen
und za fiben. Nur in dem fflr Oberseknnda bestimmten Heftchen wünschte
ich die Anforderangen etwas heraufgesetzt zu sehen. Denn es entspricht
doch wohl kaum dem Standpunkte dieser Klasse, wenn Wendungen wie
aegre ferro, magni aestimare, suscipere u. ä. in den Anmerkungen an-
gegeben werden. Auch ?7äre es nützlich, wenn in diesen Abschnitten
mehr Gelegenheit zur Übung im Periodenbau geboten würde. Unein-
geschränktes Lob verdient in sämtlichen Stücken die Form des deutschen
Ausdrucks. Sie sind nicht nur fliefsend und gewandt geschrieben, son-
dern enthalten auch eine Fülle treffender Verdeutschungen livianischer
Bedewendungen und geben hierdurch dem Schüler nebenbei eine Anleitung
zu geschmackvoller Übersetzung lateinischer Texte.
Potsdam. E. Kraue.
39) imüe Sodhe, EssaiB de Fhflologie Moderne. I. Les Gram-
mairiens et le Fran9ais parl^. Lund (SuMe),^ Librairie
Gleerup (Hjalmar Möller, Libraire de Tüniversit^), o. J. [1901].
183 S. 8.
„Ein höchst lehrreiches und beachtenswertes Buch, eine vortreffliche
Ergänzung zu jeglicher französischen Grammatik, die für Nichtfranzosen
bestimmt ist'S so möchte ich kurz Rodhes Buch charakterisieren. Der
Titel: Les Grammairiens et le Franfais parlä deutet schon an, um was es
sich für den Verf. handelt. Er stellt den grofsen Unterschied, um nicht
zu sagen Gegensatz, fest, der zwischen dem gesprochenen Französisch
unserer Tage und den Segeln besteht, die noch immer in den französi-
schen Grammatiken Schwedens, Deutschlands und anderer Länder auf-
getischt und als unbedingt beachtenswert hingestellt werden. Er weist
nach, dafs viele Regeln der landläufigen Grammatiken gar keine Gültig-
keit mehr haben und von der lebenden Sprache längst nicht mehr beachtet
werden. Zugleich hebt er mit Becht hervor, dafs die Beispiele, die sich
in den französischen Grammatiken finden, ein buntes Gemisch von Sätzen
aus allen Stadien der französischen Sprache darstellen. „Une phrase em-
pruntte ä Bjacine ou ä Voltaire y voisine avec un exemple tir4 de la
langue familiäre de nos jours, parfois m6me de Target; des mots grands
seigneurs y coudoient saus vergogne des expressions roturiires.^' (S. 5 f.)
y^
Nene PhilologiMhe Bondtobaa Nr. d. 65
Indem Bodhe die so gekennzeichaete BuntBcheckigkeit der Beispiele und
Mustersätze verwirft, verlangt er, dalSs alles Veraltete ausgeschieden und
die moderne Sprache ganz besonders berflcksichtigt werde. Nicht die
Sprache Badnes oder Voltaires, anch nicht die eines Pariser Qassenjongen
dürfe in den Schulen gelehrt werden, sondern die der „moyenne des Fran-
9ais de nos jours^^ Diese mfilsten aber natfirlich in erster Instanz die
Lehrer des Französischen selbst erst sprechen können; sie dflrften sich
nicht, wie es leider meist der Fall sei, einer „langae mixte ^', wie Bodhe sie
nennt, bedienen, die gewissermalsen ein Kompromib zwischen der alltftg-
lidien Umgangssprache nnd der Schriftsprache darstelle.
Die Schriftsprache nämlich, die natorgemäb konservativer ist, als die
Umgangssprache, enthält mancherlei ans alter Zeit überkommenes Erbgnt,
allerhand Ansdrncksweisen and Wendungen, die das Zeichen ihrer Zu-
gehörigkeit zu einer älteren £poche an der Stirn tragen. Diese dfirfen
aber nicht ohne bestimmten Zweck in die Sprache des täglichen Verkehrs
aufgenommen werden, wenn man sich nicht der Oe&hr sich lächerlich zu
machen aussetzen will. Bodhe sagt von jenen altertümlichen Wendungen
S. 35 f.: „On rit de leur vieillesse comme nous rions des crinolines de
DOS grand'mires.'^ Die Verfasser französischer Grammatiken sollten also
nach Bodhe in viel höherem Mafse, als es bisher geschehen ist, die heu-
tige Umgangssprache berücksichtigen. Von ihr sollte überhaupt jeder Unter-
richt ausgehen und somit im Grunde denselben Weg einschlagen, den
die Franzosen selbst wählen. So wie die Kinder der Franzosen die Um-
gangssprache zuerst von ihrer Umgebung erlernen und dann in der Schule
and im späteren Leben zum Verständnis der Schriftsprache und gegebenen-
falls sogar älterer Stufen ihrer Muttersprache fortschreiten, so sollten auch
die Ausländer beim französischen Unterricht verfahren. Bodhe will durch-
aus nicht das Studium der klassischen Werke der Franzosen aus den
Schulen verbannt wissen, er ist auch nicht dagegen, dals in den Gram-
matiken Sätze aus den Klassikern zitiert werden, doch wünscht er, dafs,
wenn diese Abweichungen vom heutigen Sprachgebrauch enthalten, darauf
ganz besonders aufmerksam gemacht werde. Er sagt S. 13: „... et 8*il
est juste que nous devions continuer ä faire expliquer dans nos dasses
des chef&-d*oeuvre litt^raires contenant des archalsmes, il n*en est pas moins
vrai que les grammaires et les livres du premier enseignement doivent se
restreindre ä la langue actuelle sous sa forme la plus simple. Bien ne
aera plus ücile si les grammaires se dfoident d*abord ä faire le triage
Neui PbitologiBche Bundaehaa Nr. 3.
que nous rtelamons, et si on se sert d'Mitions vraimeDt pratiqaes, c'est-
ä-dire indiquant toujours en note les diffiSrences entre Tosage modenie et
Tosage ancien/^
Wie sehr die meisten im Gebrauch befindlichen französischen Gram-
matiken in dieser Beziehung zu wünschen übrig lassen, weist Bodhe an
der in Schweden gebrauchten französischen Sprachlehre von Widholm nach.
(Widholm, Fransk Spräklära i sammandrag, 3: me 4d., Stockholm 1892.)
Er hebt aus dieser Grammatik den Abschnitt über die Fürwörter heraus
und unterzieht ihn auf den Seiten 17—53 von seinem oben gekennzeich-
neten Standpunkte aus einer scharfen Kritik. Seinen Tadel würzt er oft
durch Humor und leisen Spott. So sagt er z. B. S. 20 im Anschlufs an
das von Widholm gewählte Beispiel: „II est d*un honnSte homme de payer
ses dettes'^ folgendes: „Maxime excellente sans doute et que les ^l^ves
suädois feront bien de graver dans leur memoire, mais nous lui pr^fiSrerions
une autre forme plus moderne, par exemple: ,G*e8t le devoir d*un honn&te
homme de payer ses dettes.^'^
In den meisten Fällen hat Bodhe mit seiner Kritik entschieden recht,
jedoch gibt es auch Punkte, in denen er bei seinem Kampfe gegen das
Veraltete und Triviale zu weit geht und Dinge verwirft, die mancher
gebildete und kompetente Franzose noch gelten lassen würde. Er selbst
ist ehrlich genug, auf S. 136 — 139 seines Buches die von ihm beanstan-
deten Wendungen anzuführen, die ein ihm befreundeter französischer Philo-
loge weniger streng beurteilt.
Der zweite Abschnitt des Bodheschen Buches von S. 54—83 ist eine
Berichtigung und gewissermafsen eine Vervollständigung des 21. Kapitels
von Krons „ Petit Parisien ^^ (8. Aufl.) und enthält treffende Bemerkungen
über das, was man in Frankreich „argof' nennt. Bodhe weist nach,
dafs viele Ausdrüeke, die Krön dem Argot zurechnet, bereits in die Sprache
des täglichen Lebens übergegangen sind und dort nicht mehr als Argot
empfunden werden.
Der dritte Teil von S. 84—134 hat den Titel: Examen critique de
quelques chapitres de la grammaire fran9aise de M. Flattner und enthält
eine sehr lehrreiche Kritik dieser Grammatik, die ebenso besprochen wird,
wie im ersten Teile die von Widholm.
Breslau. Heiariob Knobloeh.
O
Nene Philologiiche Bnndichaa Kr. a 67
40) F61ix Himoni Cknin de Littiratnre. XVIIL J.-J. Bons-
seaa. Paris, Librairie Gh. Delavigne, o. J. 99 a. 88 S. kl. 8.
Das f&r ünterrichtszwecke bestimmte Bficblein zerfällt in zwei Teile.
Der erste verbindet mit einer knappen Darstellung von Bonsseaus Leben
die Geschichte und Wfirdignng seiner Werke, sowie eine eingehende
Charakteristik des Menschen und des Schriftstellers. Der ganze zweite
Teil ist dem „^ile'' gewidmet, dessen einzebe Bficher ausfShrlich und
eindringlich zergliedert und beurteilt werden. Einige Kapitel fiber die
Vorläufer dieses Werkes, fiber seine Entstehung im Oeiste des Verfieissers
und über den Einflufs, den es ausgeübt hat, lassen seine literarische und
pädagogische Bedeutung klar erkennen. Beide Teile haben einen ziemlich
umfangreichen Anhang, der bibliographische Angaben — unter auffälliger
VemachUssigung der einschlSgigen deutschen Literatur — enthält, Urteile
älterer und neuerer Schriftsteller fiber Bousseau und den „£mile^S sowie
eine sehr groüse Beihe von Prfifungsaufgaben (fiber Bousseaus Person
und Charakter, fiber den Inhalt und die Bedeutung seiner Werke, besonders
des „ifimile'S fiber Sinn und Wert ausgewählter Zitate aus diesen Wer-
ken) die in den letzten 15 — 20 Jahren an zahlreichen Orten Frank-
reichs den verschiedenartigsten Kandidaten und Examinanden vorgel^ wor-
den sind. So bildet das Bfichlein einen schätzenswerten Ffihrer fiir alle,
die sich eine grfindliche Kenntnis Bousseaus und seiner Werke verschaffen
wollen. Die Ausstattung ist leider ungemein anspruchslos.
Hannover.
41) C. Hanniery Oeschiehte und Sprache der Hogenotten-
kolonie Fiiedrieh8dorf am TauniiB. Marburg, N. 0.
Elwertsche Verlagsbuchhandlung, 1901. lY n. 136 S. 8.
.4 2.40.
Die Schrift behandelt zunächst die geographische Lage und die Ge-
schichte der Kolonie und gibt dann die Lautlehre, Formenlehre und
Syntax, sowie ein Wörterverzeichnis des dort gesprochenen Französisch,
das aus einer Vermengung der verschiedenen Dialekte entstanden ist, die
von den Kolonisten mitgebracht wurden. Die Aussprache steht zum Teil
noch auf dem Standpunkt des 17. Jahrhunderts, zeigt aufserdem viele
provinziale Eigentfimlichkeiten , besonders pikardische und champagnische,
die der Schriftsprache unbekannt sind. Die Formenlehre bringt mancherlei
68 Nene FhilologiBohe BnndBoban Nr. 3.
interessante Analogiebildungen in der Konjugation und eigenartige Pro-
nominalformen. Die Syntax ist im wesentlichen die des 17. Jahrhunderts,
mit der aber auch die Syntax der heutigen Volkssprache grofse Ähnlich-
keit hat. Da von einer Beeinflussung der Friedrichsdorfer Sprache durch
die französische Volkssprache keine Rede sein kann, so beweist diese
Übereinstimmung, wie konservativ die Volkssprachen in der Syntax sind.
Der Wortschatz enthält noch mancherlei alte Wörter, die in der heutigen
Schriftsprache geschwunden sind, femer solche, die nur in den am stärk-
sten in Friedrichsdorf vertretenen Dialekten vorkommen; manche Wörter
haben eine eigenartige Bedeutungsentwickelung durchgemacht. Von be-
sonderem Interesse sind auch Form und Betonung der aus dem Deutschen
aufgenommenen Bestandteile des Wortschatzes bezw. französische Wen-
dungen, die den entsprechenden deutschen nachgebildet sind (vgl. S. 11—14).
Die Arbeit zeigt von Beherrschung der einschlägigen Literatur, guter
philologischer Schulung und vortrefflicher Beobachtungsgabe. Sie bringt
mancherlei Material, das nicht blofs für den französischen Dialektforscher,
sondern auch fSr die Sprachwissenschaft im allgemeinen von Interesse ist.
Im einzelnen wäre u. a. folgendes zu bemerken: S. 33 Nr. 3 spricht
der Verf. vom Laute d im Wortinnern, infolge von Metathese, zwischen
Muta und Liquida; dabei meint er im vorletzten Absätze, in den Fällen,
wo sie auslautendes a beträfen, sei sie wohl durch Einflufs des Deutschen
veranlafst, fQgt aber im letzten Absatz hinzu, dafs in Wörtern wie tdbdl,
lukBl etc. das 9 in dieser Stellung im 17. Jahrhundert in Frankreich
gesprochen worden sei. Die Friedrichsdorfer Aussprache kann also doch
ebensogut die Eigentümlichkeit des Französischen des 17. Jahrhunderts
bewahrt haben; das Deutsche hätte sie dann lediglich gefördert. —
S. 26 unten heifst es: „Prosthese des e findet sich in estomäkal = hfr.
stamacal. Die volkstümliche Tendenz, e vor anlautendem st in diesem
Wort zu setzen, war schon im 17. Jahrhundert vorhanden, vgl. Sichelet
eta^' Die Eigentümlichkeit ist in der]Volkssprache seit dem Volkslateinischen
vorhanden, ist aber in rein gelehrten Wörtern (vgl. auch estatue statt statue)
im Hfr. nicht üblich. — Wenn die Angabe der Aussprache von hfr. aiguiser =
ägize (S. 24 Z. 4/6) richtig ist, so hätte wohl S. 30 unten bezw. S. 31 eine
Bemerkung über i statt üi gemacht werden können. — Von allgemeinem
Interesse sind die Bemerkungen über die Nasalvokale; sollte sich die in-
tensivere Nasalierung nicht auch unter dem Einflub der örtlichen deutschen
Umgebung, die bekanntlich ebenfalls Nasalvokale kennt, um so eher er-
y\
Nene Fhilologiflohe Rnndflohaa Nr. 8.
halten habeo. — Die Angaben Aber ^ (S. 46, 1 u. 2) stehen nicht im
Einklang mit der Behauptung (S. 61), dab die Oleichheit von Maak.
und Fem. des betonten Possessivpronomens mien, nUenne etc. (beide
=rm|S:netc.) darauf zurfickzuführen sei, dafs in alter Zeit pikardisch -{en
ffir heut^es -ie üblich gewesen sei; denn S. 45 wird dsys (X), von
äs^-n (2), wo fibrigens i statt { steht, geschieden.
Da es zu weit fflhren wflrde, bei der FfiHe des Stoffes noch auf
weitere Einzelheiten einzugehen, so sei hiermit nur die interessante Schrift
nochmals bestens empfohlen.
Berlin. B
42) Wershoven, ConvenatioiiB fran^aiMB« Stoffe und Vokabular
zu französischen Sprechübungen. Göthen, 0. Schulze, 1902. I u.
92 S. 12. j$ 1. 10.
Bei Veröffentlichungen dieser Art erhebt sich immer wieder die
grundsätzliche Frage, welche Form denjenigen Schulbfichem zu geben ist,
welche ffir die Sprechübungen über die Vorgänge und Verhältnisse des
t&glichen Lebens bestimmt sind. Sollen sie wie Eron, Stier u. a. zusammen-
hängende Stücke bieten oder sich damit begnügen, die zur Konversation
nötigen Wörter, das zur Satzbildung notwendige Material (Substantive,
Adjektive, Verben u. s. w.) zusammenzustellen? Ich möchte dem letz-
teren Verfahren den Vorzug geben. Es hat den Vorteil freierer Be-
wegung und regt mehr zur Selbsttätigkeit an; es kostet weniger Zeit
— denn die Stücke müssen doch gelesen, übersetzt, erklärt werden —
und beugt dem mechanischen Auswendiglernen des Textes vor. Allerdings
setzt diese Methode bei dem Unterrichtenden eine gröfsere Beherrschung
der Sprache voraus. Vielleicht bewahrt sie auch vor dem Fehler allzu
breiter AusfQhrlichkeii Diese Sprechübungen sollen doch nur nebenher
gehen und dem pädagogisch wichtigeren Unterricht in der eigentlichen
Lektüre und Grammatik möglichst viel Licht und Luft; lassen; sie haben
daher alle Ursache, sich auf das Notwendigste, ohne viel Sacherklärung
Verständliche zu beschränken. Auch Wershoven gerät in manchen seiner
Stücke zu sehr in Einzelheiten, die erst eine technisch -wissenschaftliche
Erläuterung erheischen. Was fängt der Schüler, vor allem der unteren
und mittleren Stufe, mit Wörtern an wie: Hornhaut, Iris, Eristalllinse,
Glasfeuchtigkeit; Stabeisen, Walzwerk; Kaolin, Steinsalz, Konverter; Bet-
tangamaterial u. s. w.? Welche weitläufigen Auseinandersetzungen sind
70 Nene FhilolögiBche RundseliAa Kr. 3.
nicht hotig, um ihnen den Unterschied zwischen Zylinder-, Anker-, Repe-
tier-, Bemohtoinihr klar zu machen? Und hat die französische Stunde
dafQr Zeit fibrig?
Dieses Schulbuch ist aufserdem durch eine Beihe von Druckfehlem
entstellt, die dem Lehrer bei dem Gebrauche dessdben grofse Vorsicht
zur Pflicht machen. S. 59: Is resrart, S. 64: le mächoire, S. 67: le
pantoufle, S. 68: le boade d*oreille, S. 79: la clme, S. 79: la courant,
S. 81 : le rätam die Hacke (?), S. 81 : la moissomeuse, S. 87 : le traffic,
S. 90: le droit. Auch ist es ein entschiedener Mangel, dafs bei den voka-
lisch anlautenden oder pluralisch gebrauchten Hauptwörtern nie das Ge-
schlecht angegeben ist.
Plensburg. K. Ettgelke.
43) Franoes Hodgson Bumett, Sara Crewe« Mit Anmer-
kungen zum Schulgebrauch versehen von F. Hersmann. Berlin-
Garlshorst, Hans Friedrich. 63 S. 8. Ji —.80.
Wörterbuch 23 S. 8 und Anmerkungen 19 S. 8 je «4^ — .20.
Ein reicher Kapitän bringt sein TOchterchen aus Indien nach London
in eine vornehme Pensionsanstalt, verarmt und stirbt Das Mädchen
wird jetzt in dem Hause von jedermann schlecht behandelt, erhält aber
plötzlich ihr anscheinend verlorenes Vermögen zurfick und wird von dem
reichen Freunde ihres verstorbenen Vaters adoptiert. Diese kleine Ge-
schichte mit ihren wundersamen Begebnissen ist eine Erzählung fQr acht-
bis zehnjährige Mädchen. Aber auf welcher Lernstufe diese Kinder stehen
sollen, ist sdiwer zu erraten. ^Einerseits wird ihnen z. B. gesagt, dafs
received das Imperf. und Part, von receive, dafs hotter der Komp. von
hot ist u. dgL m., anderseits sollen sie ohne Beihilfe mit Schwierigkeiten
fertig werden, wie z. B. I never answer when I can help it, oder the
delightful sense of romance and mystery lifted her above the cook's
temper and malice, oder and to think how I used to pretend, and pre-
tend, and wish there were fairies! Das „Wörterbuch^' läfst viele Wörter
vermissen, und die Übersetzung in den „Anmerkungen^' ist manchmal
unbrauchbar, z. B. I used to pretend = ich pflegte zu tun als ob!
Die Trennung der Anmerkungen vom Wörterbuch ist unpraktisch und
zeitraubend. Der Wortton ist gar nicht, die Aussprache ungenügend be-
zeichnet, z. B. salaam (a), welches von den drei a ist gemeint? Bearbeiter
solcher Lektfire täten am besten, die/ Lautschrift der Association phon^
'^
Neae Philologiaelie RuDdichaii Nr. S. 71
tique internationale zu gebrauchen, da diese trotz mancher Mängel am
weitesten yerbreitet zu sein scheint und allmählich zu dem ersehnten dn-
heitlichen Lantsystem f&hren dfirfte.
Wfkrsboxg. JehamiM tmuL
44) Friedrich Banmaxin, Reform und Antixefoim im neu*
spraehlichen Unterricht (Separatabdr. a. d. Zeitschr. £. d.
Gw. nnd durch Zusfttze erheblich erweitert.) Berlin« Weidmann,
1902. 44 S. 8. J$ 1.^.
Die kleine Schrift verdient wegen ihres gediegenen Inhalts und ihres
gemftfsigten Tones alles Lob, wenn auch im Interesse der guten Sache es
sich empfohlen hätte, hier und da einen etwas schroffen Ausdruck durch
einen milderen zu ersetzen. Im Anschluß an eine Broschfire Walters
über die Entwickelung und die Ziele der Beformbewegung u. s. w., das
Nachwort von Victor und die Besprechung durch Elinghardt und Stim-
ming spricht der Verf. klar und flberzeugend aus, was er von der „ Be-
form ^^ hält, die nach seiner Meinung jetzt vor einem entscheidend«i
Wendepunkt steht, da ihre bedeutendsten Anhänger und ersten Verfechter
nicht mehr einig sind. Er ist der „neuen Methode^* nicht absolut fremd,
findet aber sehr viel gegen sie zu sagen und weifs unserer Sehnlverwaltung
Dank, dalis sie sich durch die Agitation der Beformer nicht hat irre
machen lassen. Von besonderem Interesse sind am Schlufs die Urteile
einer Anzahl von Männern, deren Namen und Stellungen die grOlste Be-
achtung ihrer Ansichten beanspruchen. — Das Schriftchen verdient von
jedem Fachgenossen gelesen zu werden und wird viele Freunde finden;
hoffentlich trägt es auch an seinem Teile dazu bei, die extremen Forde-
nmgen der Beformer znrflckzudämmen und die Unruhe zu bannen, in welche
der neusprachliche Unterricht bei uns leider gekonunen ist.
Nanen. Friei.
45) Hugo Winckler, Die babylonische Knltnr in ihren Be-
ziehungen zur unsrigen. (Ein Vortrag.) Mit 8 Abbildungen.
Leipzig, J. G. Hinrichs, 1902. 54 S. 8. Jt -.80.
Dieser Vortrag behandelt die vielen Anklänge, die sich zwischen der
modernen Kultur und der uralten babylonischen finden und sich nicht
durch die Gleichartigkeit der Volkerseele, die VSlkeridee, erklären lassen.
Wir haben ohne Frage vieles in unserer Kultur, was sich aus dem Baby-
72 Nene Philologische Rnndsehaa Kr. 3.
Ionischen mit Sicherheit ableiten läfst; an manchen Stellen geht aber die
lebhafte Phantasie und Kombinationsföh^keit des Verfassers doch wohl mit
ihm durch; ein so weitgehender Einflofs der babylonischen Astronomie v
und Mythologie auf die Völker des Okzidents, wie er ihn annimmt, mufs
viel strenger bewiesen nnd die Einzelforschnng noch lange betrieben wer-
den, ehe man ein einigermaTsen sicheres Allgemeinbild schaffen kann.
Sollten z. B. wirklich Schwert nnd Netz, die Waffen der Gladiatoren, von
den Waffen des Gottes Marduk entlehnt sein? oder 753 als Grfindungs-
jahr Roms mit der Ära Nabonassars, dem Beginn des Zeitalters des Wid-
ders, zusammenhängen? Der sehr belesene Verf. kombiniert ungemein
viel, aber Behauptungen sind keine Beweise. Dafs übrigens viel An-
regendes in der Schrift enthalten ist, will ich nichts Abrede stellen.
Oldesloe. WL Hansen.
Vakanzen.
Asehersleben, Obl. N. Spr. Magistrat
Boehnni^ G. Obl. Gesch. u. klass. Phil. Kuratorium.
Danzig, H.T.S. Obl. N. Spr. Magistrat.
Dortmond, G. Obl. Math.; Obl. Französ. u. Lat. Bgmstr. Schmieding.
Dfisseldoi^ B.S. Obl. Gesch. Oberbürgermeister Marx.
Essen, O.R. Obl. Deutsch u. Gesch. Dir. Dr. Welter.
Frankfurt a. H., Elinger-O.B. Obl. l) Nat. 2) Bei. u. Deutsch.
3) N. Spr. Kuratorium.
ftrolä-Liehterfelde, O.B. Obl. N. Spr. Kuratorium.
Hannorer, H.T.S. Obl. (Engl.) Dir. Dr. Wespy.
Minden, M.S. Obl. Gesch. u. Deutsch. Dir. Dr. Schlflter.
Steglitz, G. u. O.R. Drei Obl., N. Spr., Math., klass. PhiL BQrgermstr. Buhrow.
Verlag ron Friedrich Andreas Perthes In ftotha.
Cornelii Taciti
Histoiriaiaam libiri qxuL supeir^iuit.
Für den Sohulgebrauch erklärt von
Prof. Dr. K. Knaut,
Direktor des Eönlg-WiUielmB-GyiimaaiiimB m Magdeburg.
I. Bftndehen: Bneli I.
Preis: Jt 1.30.
Zu beziehen durch alle Bttchhandlungen.
if ' ri I " . . ■ ■ ■ ■ •'■■■." a
Fftr di« Badaktion yeruLtwortlieh Dr. E. Lndwlfl in Bremti.
Dnek und YwUg Ton Frltdrltb AidreM Ptrthta in aotba.
Hierzu als Beilage: Prospekt der Weidmannsehen BueUiandlniig in Berlin,
betr. lüMriptiones latlaae selaetae von Hermann ob Dessau.
O
f.
WAR 7 1903
Gotha, 21. Februar. Nr. 4,- Jahi^^ang 1908.
Neue
PhilologischeRundschau
Heraosgegeben von
Dr. C. Wagener und Dr. E. Ludwig
in Bremen.
Encheint alle 14 Tage. — Preis fOr den Jahrgang 8 Mark.
Bestellongen nehmen alle Bnchhandlnngen, sowie die Postanstalten des In- and Anslandea an,
Insertionsgebflhr fDr die einmal gespaltene Petitzeile 80 Pfg.
Inhalt: Rezensionen: 46) C. 0. Znretti, Omero, L*Iliade, vol. IV, libri XIII —
XVI (H. Kluge) p. 73.-47) W. Pfitzner, Taciti AnnaleB, I. Band (B. Wolff)
p. 74. — 48)A1. Graham, Roman Africa (J.Jang) p. 77. — 49)Ed. Schwyzer,
Die Weltsprachen des Altertums in ihrer geschichtlichen SteUnng (0. Weise)
p. 78. — 50) H. van Her werden, Lexicon Graecnm snppletorinm et dialecti-
cum (Th. Weber) p. 79. — 51) K. Wimmer, Histoire d'un Gonscrit de 1818
par Erckmann-Gbatrian (E. Holtermann) p. 85. — 52/54) G. Steinmfiller,
Auswahl von fünfzig französischen Gedichten; E. Wasserzieher, Sammlung
französischer Gedichte; A. Englert, Anthologie des po^tes fran^is modernes
p. 87. — 55) 0. Ganz mann, Lehrbuch der französischen Sprache (H. Schmidt)
p. 90. — 56) F. Koldewey, Französische Synonymik f&r Schulen (L. Fries)
p 91. — 57) Webster *s International dictionary of the English language
(H. Spies) p. 92. — Vakanzen. — Anzeigen.
46) C. 0. Znretti, Omero, L'Iliade. Vol. lY. Libri Xni— XYI.
Torino, Enu. Loescher, 1902 (Leipzig, F. A. Brockhaas). XII n.
214 S. 8. Lire 2 20 (^ 1. 70).
Das empfehlende urteil, welches Bef. in Nr. 16, Jahrg. 1900 und
Nr. 19, Jahrg. 1901 dieser Zeitschrift über die Iliasanagabe von Zuretti
ausgesprochen hat, gilt auch in vollem Mafse für den jetzt vorliegenden
vierten Band. Die diesem Bande vorausgeschickte Abhandlung beschäftigt
sich mit den Versuchen Boberts, aus der Art der an den einzelnen einschlägigen
Stellen der Ilias erwähnten oder vorauszusetzenden Waffen in Verbindung
mit der sprachlichen Form dieser Stellen deren Zugehörigkeit zu einer
älteren äolischen oder zu einer jüngeren ionischen Ilias zu erweisen.
(Bobert, Studien zur Ilias, Berlin, Weidmannsche Buchhandlung,. 1901).
Zuretti erkennt den Scharfsinn und die interessante Beweisführung Bo-
berts an, ist aber doch keineswegs der Ansicht, dafs sich auf dem von
Bobert eingeschlagenen Wege eine Lösung der homerischen Frage erzielen
lasse. Seine Gründe für dies ablehnende Urteil beruhen vorzüglich darauf
74 Neue Philologische Bondschaa Nr. 4.
dafs er der Ansicht ist, dafs der epische Dichter es im allgemeinen nicht
aof die Beschreibung der einzelnen Gegenstände, sondern auf eine Schil-
derung des Eindruckes abgesehen habe, den die Dinge machen. Je nach-
dem er nun den Eindruck so oder anders wollte, habe er also auch die
Wirkung der Waffen geschildert, und wo nicht ausdrücklich die Gestalt oder
die Art der Waffen angegeben sei, dürfe man aus der blofsen Schilderung
der Waffen Wirkungen nicht auf die ältere oder jüngere Art derselben
schlieisen. Als unterstfitzende Beispiele führt er das dichterische Ver-
fahren von Yirgil und Ariost an, wie die italienischen Homeriker ja so
gern die römischen und italienischen Dichter zitieren, wo es sich um
Erklärung von Erscheinungen der altgriechischen Epik handelt. Man darf
aber nie vergessen, dafs es sich bei Yirgil, Ariost und anderen Epikern
der jüngeren Zeit um Dichter von Eunstepen handelt, die mit bewufster
Absicht auf bestimmte Wirkungen hinarbeiten. Der naive alte Epiker
benutzt als Mittel der Erzeugung eines bestimmten Eindruckes eben gerade
die möglichst getreue Schilderung der Einzeldinge, so dafs der von den
Eunstepen hergenommene Einwand gegen Robert nicht stichhaltig ist.
In dem ablehnenden Urteil den Bobertschen Eonstruktionen der äolischen
und ionischen Ilias gegenüber stimme ich allerdings mit Zuretti überein ;
doch gründet sich meine Ansicht auf die, bei rechtem Lichte betrachtet,
ganz willkürliche Abgrenzung und Behandlung der angeblich ursprüng-
lich äolischen Abschnitte der Ilias, wie sie sich in den Darlegungen Bo-
berts finden.
Zerbsi H. Kluge.
47) Comelii Taciti AnnaleB. Nach Text undEommentar getrennte
Ausgabe für den Schulgebrauch von W. Pfitzner. I. Bändchen.
Buch In. U. Erste Abteilung: Text. Zweite Abteilung: Eom-
mentar. Vierte, umgearbeitete Auflage. Gotha, Friedrich Andreas
Perthes, 1903. 71 u. 74 S. 8. Ji 1. 20.
Das verhältnismäfsig rasch eingetretene Bedürfnis einer neuen Auf-
lage des ersten Bändchens spricht dafür, dafs Pfitzners Annalenausgabe,
trotz mancher anfechtbaren oder etwas künstlichen Auslegung des Textes,
sich im ganzen in der Praxis als ein tüchtiges Hilfsmittel bewährt, wohl
geeignet, den Schüler in die Besonderheiten des Tacitus einzuführen. Auch
diese vierte Auflage ist eine vielfach umgearbeitete und selbstverständlich
verbesserte. Auf jeder Seite des Eommentars finden sich neben zweck-
Nene Philologisefae BnndsebAa Nr. 4. 75
mäfdgen Streichnngen, neue oder vervollstftndigte Erklärungen und Über-
setzungsbilfen, f&r die manche Winke 0. Andresens und des Bef. verwertet
worden sind. Von den prägnanten Eingangssätzen der Annalen hat, nebenbei
bemerkt, G. Bardt im Hermes, Bd. 29, S. 451—457, eine grfindliche
Analyse gegeben, die Beachtung verdient.
Die Einleitung bei Pf. ist bis auf eine Stelle (S. 4) unverändert
geblieben; im lateinischen Text hätte ich gern mehr Abweichungen von
der dritten Ausgabe gesehen. Noch steht I 4, 14 exulem egerü, dem
doch specie secessus widerspricht, 32, 14 neque disiedi, nü (statt ne-
que — nee), wie in der ersten und dritten Auflage, 41, 6 e^ extemae
fidei (dieses sei Dativ der Ortsbestimmung, nach Analogie von Yerg. Aen.
4, 451 U damor cctelo), 57, 4 rebtis commoiis, 58, 20 Vdera in pr(h
vineia; zu 28, 12 und 76, 9 in vuigtim {M vuJgas) bemerkt Pf. „diese
Form des Akkusativs wählt Tac. stets, wenn keine nähere Bestimmung
beigefQgt ist^S Gegen die Überlieferung liest er 77, 13 sectarentur
nach WOlfflin und Halm), H 8, 12 Ampsivariorum; die handschriftL
Tradition ist wieder aufgenommen II 56, 3 sed saqmts discordes und
57, 10 opertis odiis, was einen Rückschritt bedeutet, umgekehrt steht es
mit I 28, 4 qua pergerent „auf dem Wege, den sie gingen *^ Oegen
adepto principcUu (I 7, 16) hegt Noväk nicht unbegründete Bedenken.
Beachtenswert ist desselben Gelehrten Emendation 28, 12 et si qui älii;
vgl. 32, 12 et si qua älia.
Von Abänderungen und Zusätzen im Kommentar hebe ich folgende
beispielsweise hervor: I 17, 13 ist der Inhalt eines ägyptischen Papyrus
(s. Mommsen im Hermes 35, 443 ff.) augeführt betr. Löhnung und Ver-
pflegung des römischen Militärs; 23, 16 wird cognomentum jetzt richtig
= namen erklärt, zu 36, 7 periciüosa severitas sq. die Kunst der tad-
teischen Dramatik deutlich gemacht, ebenso zu 41, 3 ff. quis ... sonus?
Verbessert ist die Erklärung von 59, 12 Germanos . . . excusaturas, 65, 15
simul haec übersetzt mit „riefs und durchbrach den Zug'*; 65, 24 findet
sich eine nützliche Bemerkung allgemeiner Art zu per quae egerüur,
73, 2 zu quanta arte; 73 a. E. inter dlios e. artis übersetzt. Gut geändert
sind die Anmerkungen zu II 10, 1 diversi und 11, 10 adstrepere. —
unrichtig gedeutet ist meines Erachtens I 33, 5 acriores (nach Zöchbauers
Vorgang), 55, 13 inimicus als passiv = „angefeindetes mit Hinweis auf
Verg. Aen. 1, 67 gens inimica mihi, wo jedoch der Zusammenhang die ak-
tive Bedeutung erheischt. 56, 10 iuventus transmiserat — arcAant ist
76 Neue Philologische Bnndsohan Nr. 4.
ein darchaus nicht auffälliger Wechsel des Nameras; übrigens läTst sich
als Subjekt von arcebant leicht iuventtis + natu maiores ergänzen. —
64, 6 proelia, Plural „weil kein regelrechtes Treffen in dem Sumpfe
möglich, sondern Einzelkämpfe ''. Aber gegen den generellen Plural ist
überhaupt nichts einzuwenden. — circumvenire ist weder 13, 11 noch 65, 12
mit „ hinraffen ^^ wiederzugeben; vgl. übrigens 68, 1, wo Pf. ebenfalls auf
13, 11 exemplifiziert. — Zöchbauers von Pf. gebilligte Erklärung von
68, 6 proruunt fossas „sie stürzen vorwärts nach den Gräben ^^ bleibt
nach wie vor unwahrscheinlich. 68, 7 prenscm^ — haesere „sie packen
mit den Händen den oberen Band des Walles, um sich hiuaufzuschwingen,
und hängen förmlich in der Luft^^ (?). Vgl. 65, 11 haesere camo. —
69, 14 a midiere steht innerhalb desselben Zusammenhanges (Z. 10, was
Pf. Qbersieht) wohl lediglich zur Abwechslung mit femina. Zu E. 70
ist zutreffend bemerkt, dafs Tac. bei Schilderung der Sturmflut (auch II 23)
„die aus der Bhetorenschule geläufigen Farben'' aufgetragen habe. 70, 15
deckt sich tfi^enstTüi nicht ganz mit „Lebensmitteln''; natürlich sind nicht
nur Gerätschaften gemeint. 75, 1 erfordert der Ausdruck in cornu tri-
hunalis wofal eiue sachliche Anmerkung; vgl. Liv. 25, 3, 17. — qui
aderai mit Bitterkeit (?) „gerade". Diese Wiederholung der 61, 2 ge-
brauchten Wendung wird von Nipperdey-Andresen richtiger mit Bück-
sichten des Bhythmus begründet. Auch die Yoranstellung des Wortes
Bomanus dürfte kaum den von Pf. vermuteten Zweck haben, zu betonen,
„dafs nach dem Völkerrecht den Germanen als Siegern die Pflicht der
Beerdigung zukam." In den Schilderungen der Oermanicuszfige mit ihrer
bald elegischen bald dramatisch bewegten Darstellungsform befinden wir
uns überhaupt auf einem Gebiet, wo je nach subjektivem Empfinden und
Geschmack die Urteile über des Autors Absichten meistens ziemlich weit
auseinandergehen. Hier findet Pf. häufiger als sonstwo Aulafs, auf die
wunderbare Darstellungskunst des Tacitus hinzuweisen und den Leser zu
einer tieferen Auffassung anzuleiten, auch da, „wo der Flug und die Fülle
der Gedanken des Autors dem äufseren Wort, der Diktion, voraneilt und
f&r den rein grammatischen Verstand der Inhalt dunkel erscheint". —
Auch im zweiten Buch weist der Kommentar zahlreiche Neuerungen auf,
namentlich in den Kapiteln 5, 26, 31, 49, 57, 77, 88. — Kap. 46, 5
ist leider die verkehrte Deutung i;acua8 „menschenleer" stehengeblieben;
17, 5 campis „Ablativ der Ortsruhe" verstehe ich; was aber soll ad-
diterant „zunächst standen"? — Noch habe ich einige Druckfehler zu
^
Nene Philologische Rnndflehaii Nr. 4. 77
vermerken: Komm. I 56, 10 lies Eder statt Weser; 66 , 20 eireumvenU
statt drcurndtUi; II 13, 5 lies 9,das immer gleiche Wesen '^; 57, 10 lies
„offensichtlich''.
Die Nützlichkeit des Kommentars fflr die Zwecke des Unterrichts ist
jedenfalls durch die beträchtlichen Umgestaltungen vermehrt worden, die
zugleich beweisen, wie sehr dem Herausgeber die Vervollkommnung seiner
Arbeit am Herzen liegt. Möge er noch zu mancher Neubearbeitung die
erfreuliche Yeranlassang haben!
Frankfurt a. M. E. WolK
48) Alezander Oraham, Roman Africa. An outline of the history
of the romain occupation of north AMca, based chiefly upon in-
scriptions and monumental remains in that country. With
thirty reproductions of original drawings by the author and two
maps. London, New York and Bombay 1902, Longmans, Oreen
and Co. XVI u. 325 S. 8. geb. 16 s.
Der Verf. behandelt sein Thema, indem er es in zeitliche Abschnitte
einteilt: Bom und Earthi^o von 201 — 46 v. Chr., Afrika unter den
Kaisern bis 96 n. Chr., Afrika unter Trajan, unter Hadrian u. s. w. bis
Afrika unter den Kaisern von Oordianus bis 454 n. Chr. Es werden die
unter den betr^enden Regierungen vorgefallenen Ereignisse mit besonderer
Beziehung auf Afrika besprochen, also z. B. die Fürsorge fQr die Annona,
die Einrichtung der Flottenstationen, der stadtrOmischen Häfen, die Zu-
fälligkeiten, welchen die Yerpfl^ung der Beichshauptstadt z. B. unter Kaiser
Gommodus aue^esetzt war, die Städtegrfindungen der einzelnen Kaiser,
ihre Strafsenbauten, Hafenanlagen und Wohlfahrtseinrichtungen; die Statt-
halter der Provinz und ihre Legaten, der Bepetundenprozefs gegen den
gewesenen Prokonsul Marius Priscus, der mit seinem Legaten Hostilius
Firminus von Plinius d. J. und Ciornelius Tacitus in Anklage versetzt und
daraufhin verurteilt wurde u. s. w. Alles unter fleifsiger Benutzung der
literarischen und der inschriftlichen Quellen, mit vornehmlicher Berflck-
sichtigung der Schriften englischer Beisender, unter Beigabe von Ab-
bildungen eigener Zeichnung der römischen Ruinen, Denkmäler, Städte-
veduten in Afrika, sonst mehr für ein grfifseres Publikum berechnet als
fBr wissenschaftlich interessierte Kreise.
Prag. J. Jtug-
78 Neue Philologische Bondsohau Nr. 4.
49) Ed. Sohwyzer, Die Weltsprachen des Altertanis in ihrer
geschiohiliehen Stellung. Berlin, Weidmann, 1902. 38 S. 8.
Ji 1.-.
Die kleine Schrift, mit der der Verf. seine akademische Antritts-
vorlesung an der Universität Zürich der Öffentlichkeit fibergibt, bietet uns
einen vortrefflichen Überblick über die allmähliche Ausbreitung der baby-
lonischen, griechischen und lateinischen Sprache. Sie ist nur zur ersten
Orientierung bestimmt, setzt aber jeden Leser in den Stand, sich fiber
die einschlägigen Fragen weiter zu unterrichten; denn sie verzeichnet in
den Anmerkungen eine grofse Zahl von Büchern und Abhandlungen, in
denen die betreffenden Erscheinungen ausführlicher behandelt worden sind.
Wir erfahren nicht nur, wieweit die in Bede stehenden Sprachen vordringen,
sondern auch, warum es. ihnen nicht gelingt, dieses oder jenes Gebiet zu
erobern, oder warum sie bereits erobertes Land später wieder aufgeben
müssen. Da die Lehnwörter bei der gegenseitigen Beeinflussung ver-
schiedener Völker eine grolse Bolle spielen, so wird auf diese mehrÜEich
die Aufmerksamkeit hingelenkt, z. B. S. 12 Anm., wo die Niederschläge
verzeichnet sind, sie sich aus thracisch-phrygischem Sprachgebrauch im
Oriechischen nachweisen lassen {aativij, Kampfwagen, ßahög, gefleckt,
ßdumonfog, behexend u. a.); ebenso wird auf lautliche Übereinstimmung
zwischen bestimmten Gegenden Bücksicht genommen, z. B. S. 26 Anm.,
wo hervorgehoben ist, dafs das Ümbrisch-Samnitische im Gegensatz zum
Latein mit dem Gallischen in der Behandlung der ursprünglichen q-Laute
gleich verfährt.
Mitunter vermifst man eine Angabe. Mit Becht wird S. 23 betont,
dafs es hauptsächlich stammesverwandte Sprachen sind, die dem Latein
erliegen, indogermanische, die sich nach ihrem ganzen geistigen Habitus
von der sieghaften römischen nicht allzusehr unterscheiden; doch bedurfte
es eines Hinweises darauf, warum das völlig fremde etruskische Idiom so
schnell aufgesogen wurde, während sich die orientalischen und afrika-
nischen im Munde des Volkes fort erhielten. Und wenn auf derselben
Seite gesagt wird, dafs in manchen Gegenden des römischen Beiches das
Vorbild der Vornehmen, die gemeinhin die Sprache ihres Volkes zuerst
au^ben, für weitere Ejreise mafsgebend geworden sei, genau so wie beim
deutschen Adel des 18. Jahrhunderts gegenüber dem Französischen, so
hinkt dieser Vergleich stark. Denn einmal hat der deutsche Adel seine
nationale Sprache nicht völlig angegeben und sodann hat er das niedere
-^
Neu« Philologlfohe BandsehAU Kr. L 79
Volk nicht zur Nacbahmung gewinnen können sonst wflrden wir heutigen
Tages nicht mehr Dentsch sprechen. Besser, aber auch nicht völlig, wfirde
der Hinweis auf England passen, dessen Sprache unter dem Drucke der
Normannenherrschaft, namentlich durch das Verhalten des Adels, stärker
verwelschte, als dies bei der deutschen je der Fall gewesen ist. Femer I&Tst
sich wohl kaum in Abrede stellen, dafs der Latinisierungsprozefs hie und
da im Volke, also von unten, begonnen hat, d. h. auf dem Wege des
Handels und Verkehrs durch Krämer und Soldaten, z. B. bei einigen am
Rhein wohnenden Germanenstftmmen.
Eisenberg. O. Welao.
50) Henriens van Herwerdeiii Lexioon Graeoum sappletorinm
et dialectionin« Lugduni Batavorum apud A. W. Sythoff,
MDGOOGIL X u. 973 S. 8.
Angesichts der seit der zweiten HUfte des Torigen Jahrhunderts in
nie geahnter Zahl aufgefundenen Papyri und Inschriften und des Schwalles
von Literatur, die deren Verwertung fflr die yersohiedenartigsten Disziplinen
im Gefolge hatte, wird die Lückenhaftigkeit der griechischen Wörterbficher,
den Thesaurus nicht ausgenommen, mit jedem Tage klaffender. Ist doch
die Flut der aus aller Herren Ländern von mehr oder weniger berufenen
Seiten fliefsenden Beiiaräge zu dieser Materie derart angeschwollen, dab
der Forscher, zumal der angehende Orädst, jene Lfickenhaftigkeit auft
unliebsamste empfinden mufs und nicht eben selten sozusagen auf ufer-
losem Strome zu schwimmen sich genötigt sieht Kein Wunder also,
wenn der Buf nach einem Papyri und Inschriften mitumfassenden The-
saurus als unerläfslicher Grundlage zwecks weiterer erspriefslicher Arbeit
stets lauter erschallt; wird ja die Altertumsforschung, wie unlängst ein
Gelehrter sich ausgedrflckt hat, „im 20. Jahrhundert unter dem Zeichen
der Papyrus stehen '\ Zwar haben einige auf Erstellung eines solchen
Thesaurus abzielende Vorarbeiten unstreitig im einzelnen schon manche
erfreuliche Ergebnisse gezeitigt, ich verweise nur auf Searles „A lexico-
graphical study of tiie Greek inscriptions'S Chicago 1898, aber ein dem
praktischen Bedflrfnisse Bechnung tragendes Kompendium gröiseren Stils
liels nach wie vor auf sich warten. Wenn nun auch die Frage, ob eine
gedeihliche Lösung der geforderten Aufgabe von der Arbeitskraft eines
einzelnen sich erboffen lasse, unter billiger Berflcksichtigung des üm-
standes, dafs von den auf diesem Gebiete sich Tununelnden die einen
80 Nene Phildogisohe Bundsohan Kr. L
selbst als Entdecker tätig sind, die bei Veröffentlichung ihrer Funde die
Forschungen anderer günstigenfalls genau nur so weit mitberficksichtigen,
als sie dies zur Gewinnung eines geeigneten Mafsstabes für unumgänglich
notwendig erachten, während die anderen diesbezügliche Studien neben
ihrem eigentlichen Berufe treiben, von allen ausnahmslos in verneinendem
Sinne beantwortet werden dürfte, die allgemeine Ansicht vielmehr dahin
geht, das gewünschte Ziel werde sich wohl nur in einer der Entstehung
des thesaurus linguae latinae analogen Weise erreichen lassen, so liefert
doch Herwerden mit der hier angegebenen äufserst gediegenen Arbeit den
sprechendsten Beweis dafür, dafs es für einen Mann, der das nötige Büst-
zeug besitzt, nicht aufser dem Bereiche der Möglichkeit läge, das in
Betracht kommende gedruckte» jedoch weit zerstreute Material zweck-
entsprechend zu sichten und in knapp gefafster lexikographiacher Be-
arbeitung innerhalb literarisch und zeitlich bestimmter Grenzen zu einem
befriedigenden Abschlufs zu bringen. Das vorliegende Buch allerdings tut
dies, wie wir sehen werden, nach keiner dieser beiden Bichtungen und
kann daher, so wertvoll im allgemeinen und so zutreffend in den einzelnen
Artikeln es immerhin erscheinen mag, doch auch seinerseits nur auf den
Namen einer allerdings besonders gehaltreichen, in gewissem Sinne sogar
vorzüglichen Vorarbeit Anspruch erheben.
Wie der gewählte Titel zeigt, verfolgt der nicht blofs durch eine
Beihe trefflicher Ausgaben, sondern auch durch kritische Studien zu den
griechischen Inschriften rühmlichst bekannte Gelehrte mit dieser umfang«
reichen Veröffentlichung einen doppelten Zweck. Fürs erste sucht er die
oben angedeuteten Lücken der Wörterbücher nach Tunlichkeit auszufüllen,
fürs zweite will er das vergleichende Studium der grieschischen Dialekte
fordern. Da das Material fast mit jedem neuen Funde wächst, so nehme
ich keinen Anstand zu erklären, der Herausgeber hätte selbst dann eine
verdienstvolle Arbeit geliefert, wenn er sich nur den erstgenannten Zweck
zur Aufgabe gesetzt und zu diesem Behufe auf genaue, wenn auch in
gedrängtester Kürze abgeüafste Angaben sich beschränkt hätte. Nun kann
und soll gar nicht geleugnet werden, dafs die Sammlung nach beiden
(Gesichtspunkten hin des Interessanten ungemein viel bietet, insofern nicht
blofs neue Vokabeln, sondern auch neue Formen, wozu ich auch die
Schreibung des Monatsnamens l^lq>i^g (bisher 'Ahpiolo^ rechne, und
Gebrauchsweisen berücksichtigt und nebenbei neue Belege für etwas sel-
tenere Wörter, bzw. Bedeutungen, z. B. die wohl aus Halms Lesebuch
Neue Philologiflehe Bimdich«Q Nr. 4. 81
aUgemein bekannt gewordene Verbindong yuxXXiTvaig dfjttirig (Fabeln des
Babrins 7, 7), in dankenswerter Weise dreingegeben werden. Dabei ver-
dient das Buch, augenscheinlich die Fracht hngj&hrigen Sammeleifers,
auch hinsichtlich der Angaben im groCsen und ganzen volles Yertraaen,
abgesehen allerdings von den ,, Druckfehlern der bOsesten Sorte 'S wie sie
Blafs nennt, jenen fidschen Zahlenangaben bei Zitaten, deren mir mehr
als dreilsig aufgestofsen sind; so steht z. B. imvadig Theokr. 7, 42,
nicht 8, 72. Und was soll das letzte Zitat unter dü^fiai? Bezflglich
der Formen sodann gilt natfirlich auch hier der Satz Thumbs ^), dafs es
oft schwer Mit, zwischen den Übergangsformen, wie der von Dieterich
eingefBhrte Eunstausdruck lautet, und Textverderbnissen eine sichere Ent-
scheidung zu treffen. Demgegenüber kann freilich anderseits nicht genug
bedauert werden, dab durch das vorliegende Sammelwerk keines der bis-
herigen Hilftmittel entbehrlich geworden ist. So dient z. B. der Artikel
xatddovTtog einzig der Dialektforschung, während der naheliegende Hin-
weis auf die Nilstromschnellen an der äthiopischen Grenze unterblieben
ist, wozu dann im Bedarfsfalle wieder anderweitiges Nachschlagen nicht
umgangen werden kann. Was femer die benutzte Literatur anlangt, so
ist dieselbe im ganzen, wie dies fQr die Pap. Berol. ausdrücklich bemerkt
ist, mit dem Jahre 1900 abgeschlossen, leider jedoch sind nicht alle bis
dahin erschienenen Bücher benutzt worden. Zwar finden sich noch einige
Nachträge, einmal S. 139 — 141 zu A und dann nochmals Addenda et
Gorrigenda, S. 927 (nicht 929!) bis 973; die hier aus Pap. nachgetragene
Form diayifoxa kommt auch auf einer späteren Inschrift der Insel Philä vor;
Corrigenda nach Art Yon^Afiq>i<iQaog indes gäbe es mehr als ein halbes Hun-
dert. Dazu treten in der Fufsnote S. yui noch aus dem von der Hand
Moritz Haupts mit Bemerkungen und Ergänzungen versehenen Exemplar
des Thesaurus, das dessen nunmehriger Besitzer Otto Benndorf in Wien,
bedauerlicherweise allerdings erst nach vollendeter Drucklegung, freund-
lichst zur Verfügung stellte, die drei Vokabeln äQx^xeQdifiTcoQog (vgl. dazu
TteQdifinoQog S. 957), yaXld^rpf und e^nodviQX'^g nebst Stellenangabe.
Nun ist aber doch einleuchtend, dals der Wert des Lexikons eine unver-
gleichlich bedeutendere Tragweite hätte, wenn darin gleichwie in einem
Magazin die Literaturergebnisse bis zum Abschlufs irgend eines bestimm-
ten Jahres vollständig verarbeitet und aufgespeichert wären. So aber hat
1) „Die griechiBche Sprache im Zeitalter des Hellenismiu'S im folgenden mit lli.
bezeichnet.
Neu« Philologische EuDdoehaa Kr. 4.
der hochbetagte Herr Verf. weder alle Sammlungen von Papyri nnd In-
schriften verglichen oder fiberhanpt zu Bäte gezogen, weil er, wie er seibat
sagt nYoritus, ne in media opera me mors opprimeret^' die Herausgabe
nicht mehr länger aufschieben wollte, noch hat er, und dies ist rflck-
sichtlich des zweiten Zweckes noch schlimmer, alles zur Dialektvergleichung
nötige Material zusammengetragen, ja meist nicht einmal auf die maCa-
gebenden üntersnohungsresultate verwiesen, zieht vielmehr den sogen,
homerischen Dialekt ebenso wie den attischen blofs dann und wann heran
und befindet zugleich die sogen, hellenistischen WOrter und Formen fast
ausnahmslos nur, insofern sie, wie z. B. yoSv^og^ auf Inschriften oder
Papyri vorkommen, der Aufnahme wert. Der Attikisten und Kirchen-
schriftsteiler vollends geschieht fast nirgends Erwähnung, und doch findet
sich z. B. Philostr. Ap. 38, 22 SitloioCv in der anderweit^ nirgends
belegten Bedeutung „gerecht verwalten'*: dvmubou %^ %<l}Qav. Und
hätten Deifsmanns Bibelstudien nicht verdient, wenigstens zum Vergleiche
herangezogen zu werden, z. B. hy^äa und Ao/et^a»? Die bei Eumanudes aus
späteren Schriftstdlem gesammelten Worte blieben grundsätzlich aus-
geschlossen, nicht aber die späten Wörter schlechtweg, wie z. B. ym-
Mqu9¥. Die Sammlung von GoUitz scheint blofs mittelbar benutzt zu
sein; nur so labt es sich erklären, dafs von den dortigen Inschriften rein
hkonischen Gepräges (n. 4498—4601), wie solche im Zeitalter der An-
tonine wieder auftauchen, einzig das auf den beiden ersten vorkommende
%u0a^qA%oqiv (nach H. = 7ux%ct9ifiqa%oqida^ nach Th., der das Wort po-
roxytoniert, = xora^^TcS^ioy) zu finden ist. (Über die Endung iv
s. Th. 36, ebenda fiber die von H. als arkadisch bezeichnete Form naq--
%u9ifyMu) Obendrein ist, wie aus der Quellenangabe S. vm-x zu er-
sehen, von der so wichtigen Oramm. der att. Inschr. von Meisterhans
nicht die neueste dritte Auflage, sondern die zweite (von 1888) zu gründe
gelegt
Mit diesen sachlichen Mängeln verbindet sich noch eine Anzahl formeller.
Der praktische Nutzen des Lexikons wird dadurch beeinträchtigt, dafs
unregelmäfsige Formen bald an der ihrem äufseren Wortbilde, bald an
der ihrem Stammwort entsprechenden Stelle des Alphabets aufgeführt oder
ganz und gar wiUkfirlich an analoge Erscheinungen angehängt sind, wie
z. B. die synkopierten Wfirter wie %QiiiUfwv^ ohne dafo jedesooal an der
betreffenden Stelle der nötige Hinweis sich findet. Auch der entgegen-
gesetzte Fall konmit vor, dals Zusammengehöriges zerrissen ist, z. B. ^aü
■^
^
Neue Fhflologliobe BandsoliAa Nr. 4. 8d
and ^a&, wo indes die Zitate folgendermaTsen richtig zu stellen sind : ^üäl
7, 78, ^aö 1, 145. Gleicher Vorwurf trifft das mitunter aufAUige Fehlen von
Belegangaben oder ganzer Artikel. So ist z. B. bei %oi(pi (Akzent?) auf
%fjq>if bei ntovfiy auf nlveiv verwiesen, Wörter, deren ersteres man veiv
gebens sucht, auch unter den Addenda nicht findet (vgl. indes fiber beide
Formen Th. 114), während man unter tvIvbiv über Ttiimpf gar nichts erfthrt.
Ich erlaube mir, die drei in Betracht kommenden Alkäusstellen hier anzu-
geben : 20. 52. 54. Ein weiterer Mangel an äufserer Akribie ist die Inkon-
sequenz bezuglich der lat. Orthographie, so z. B. der fortwährende Wechsel
zwischen litera und littera oder von grofsen und kleinen Anfangsbuch-
staben bei von Eigennamen abgeleiteten Adj. Sind derartige Inkonsequenzen
oder die Bevorzugung der selteneren Form torques (S. 49 extr.) u. dgl.
wohl auf die benutzten Quellen zurfickzuffihren, so dfirften andere Et-
scheinungen ähnlicher Art vielleicht als Hollandismen zu bezeichnen sein.
Dahin rechne ich vor allem die bei Anffihrung deutscher Literaturwerke
regelmäfsig wiederkehrenden Pluralformeu „ Texten *S „ Dialekten *S die
ausnahmslose Schreibung „Semonides'S „(Thatzidaki'S „Pritsche" u. ä.
(ebenso nur Trozene mit seiner ganzen Sippe), femer „der Trapeziet"
(S. 81 Z. 17), „Weigeschenk'' (S. 544), „enti^eld'« (S. 247 Z. 6),
„Oeselschafk"' (S. 9 Z. 32) und „die runde Festplatz'' (S. 47 Z. 17).
SchlieMch kann ich mich nach sorgfältiger Durcharbeitung des Buches
des Bindruckes nicht erwehren, als ob Herwerdens persönliche Studieninter-
essen und Liebhabereien fQr seine Aufzeichnungen von Anfang an von
bestimmendem Einflnis gewesen seien und infolgedessen der aufgenommene
Stoff eine gewissermafsen stark vom Zufall beeinflufste Sammlung darstelle,
die der Herausgeber vor der Drucklegung nochmals mit gutem Verständnis
überarbeitet und in eine alphabetische Ordnung gebracht habe, welche in
sonst nicht fiblicher Weise Vokabeln und Sachen promiscue erscheinen
läfst und, nebenbei bemerkt, nicht einmal immer streng eingehalten ist,
vgl. z. B. die Anordnung von Syxog und d/xod. Äulserst reichhaltig
repräsentiert sich nämlich das unter gewissen Oesichtspunkten aufgenom-
mene Material. Darunter fallen Eigennamen, welche den betreffenden
Dialekt in ein recht helles Licht zu setzen geeignet sind, obwohl auch
hier einerseits noch gar manches fehlt, wie z. B. aus Meister, „EKe grie-
chischen Dialekte'' H, 95, 224, 229 u. a. zu ersehen ist, anderseits der
Dialekt, obwohl feststehend, oft nicht angegeben wird, z. B. dedoliuo und
deiiSMiv (Akzent? Fritzsche schreibt ÖBdvwiv), sodann die Namen ton
84 Nene FhilologiBohe Kxmdsohaa Nr. 4.
Festen und Spielen und die Titel von Dramen, schliefslich fremde Qötter-
namen z. B. SeJiafidnnjgf die aurserattischen Monatsnamen sowie Beinamen
von Göttern und Heroen. Überhaupt scheinen alle in das Kapitel Alter-
tümer zuständigen WOrter und Notizen auf den Herrn Verf. eine ganz
besondere Anziehungskraft geflbt zu haben. Beweis dessen sind neben
dem herrlichen Verzeichnis der verschiedenen Eide (S. 594 ff.) die nahezu
in Unzahl erscheinenden Bezeichnungen ftr Frauenschuhe und Eleidungs-
stficke. Desgleichen begegnen Benennungen von Münzen, Mafsen, Tänzen,
Ämtern, Truppenabteilungen und anderen militärtechnischen Dingen ver-
haltnismälsig häufig. Auch die Aufnahme der Artikel ävaTtavaigj dvdqa-
Ttodiovlifi^ d^Qwn^Qia u. ä. läfst sich unter diesem Gesichtswinkel besser
verstehen, ja, so angesehen, kann dann das Buch sogar als eine glänzende
Bestätigung des hesiodischen nXiov ^fiiav nawög gelten.
Die allenthalben eingestreuten grammatischen Beobachtungen sind
dankbarst zu begrfifsen, wie denn auch noch manche andere gelegentliche
Bemerkungen Anerkennung verdienen. Behält ein Wort, resp. eine Sippe
in den Dialekten das i}, so ist dies regelmälsig angemerkt, irrig allerdings
bei TdlJQa. Auch vereinzelte Erörterungen in das Gebiet der Kritik ge-
höriger Fragen erhöhen das Verdienst des Buches nicht unwesentlich,
zumal Herwerden wiederholt der Wahrheit des Satzes dies diem docet die
Ehre gibt; vgl. ägriyäkanToif, ßQi^eiv, malvtav p. und unter den Nacli-
trägen aY^uv und nicht zuletzt die von ihm frfiher prorsus inaudita
genannte Form fiavelaa (oder fidzeiaa?). Wenn er jedoch die Meinung
äufsert, er hätte das Buch aus diesem Grunde ebensogut lexicon criticum
benamsen können, so darf man ihm Glflck dazu wfinschen, dafs er der
anderen Benennung den Vorzug gegeben hat.
Fassen wir die einzelnen Artikel mit Bflcksicht auf die Autoren
ins Auge, so erweisen sie sich am fruchtbarsten ffir Herodot, dem nament-
lich die fortwährenden Zusätze zu Schweighäusers Lexikon zu gute kom-
men, und Hippokrates, fDr Herondas, fOr Bacchjlides und die Lyriker
Oberhaupt und, doch etwas geringwertiger, fttr Theokrit.
Läfst sich somit auch in der von Herwerden beliebten Verarbeitung
der benutzten Literaturquellen ein gewisser Eklektizismus kaum in Ab-
rede stellen, so zeugt doch das Gebotene nach Quantität und Qualität von
einer nicht gewöhnlichen Arbeitskraft, die das gesteckte Ziel wenigstens
innerhalb des oben skizzierten engeren Bahmens nahezu vollständig erreicht
und den für griechische Sprachforschung sich interessierenden Kreisen
'^
Nene Fhflologisdie Bundfohau Nr. 4. 86
ein Hil&mittel geboten hat« dessen von jetzt ab keiner wird entraten
können, der anf diesem problemereichen Felde mit Erfolg tfttig sein wflL
Das ist in grofsen Zflgen mein Urteil Aber das Lexikon. Wenn ich mir
nun daran anknüpfend noch einige Bemerkungen und Hinweise auf andere
Werke gestatte, so möge fBr deren buntscheckiges Durcheinander der An-
schlufs an den Gang des Buches zur^Entschuldigung dienen.
(SchlnTs folgt.)
5 1) Karl Wimmeri Histoire d'im Ctonscrit de 1818 par Erek-
mann-Chatrlan. Im Auszug und zum Schulgebrauch heraus-
gegeben. Mit Wörterverzeichnis und 3 Karten. Mönchen, J. Lin-
dauersche Buchhandlung (Schöpping), 1902. 87 S. 8. Jü —. 80.
In dieser neuen Ausgabe ist der Inhalt der „Histoire d*un Consent '^
auf 62 Textseiten zusammengedrängt, wobei im ganzen der Zusammenhang
der Erzählung gewahrt ist. Welche Partieen am besten auszulassen sind,
darfiber lälst sich gewifs streiten. Ich halte es aber för empfehlenswert,
deutschen Schölern gerade die Teile Yorzuenthalten, in denen die Eriegs-
furcht Josephs besonders stark hervortritt. Wenigstens erinnere ich mich,
daß; diese fibergrolse Ängstlichkeit des Helden der Erzählung auf mich
als Knaben einen recht unangenehmen Eindruck gemacht hat. Danach wären
die Stellen Kap. V, S. 12, Z. 32 bis S. 20, Z. 4, sowie die Unterredung
zwischen Joseph und Z4bM6 in Kap. YU wohl besser weggeblieben. Da-
gegen würde ich die Mitteilung Oouldens von dem Untergänge der fran-
zösischen Armee in Bufsland in Kap. III beibehalten haben, denn gerade
sie erklärt die grofse Angst Josephs vor der Aushebung. Die blofse
Drohung Pinacles mit derselben würde ihm wahrscheinlich keine schlaf-
lose Nacht verursacht haben. Die gemütvolle und rührende Episode im
Bäckerhause zu Mainz vermisse ich ungern. An Kriegsszenen bietet der
letzte Teil der Geschichte wahrlich genug, die Schlachten bei Orofsgörschen
und Leipzig würden vollständig genfigen, so dafs das Gefecht bei Weifsen-
fels wohl hätte entbehrt werden können. Doch die Auswahl ist, wie
gesagt, schliefslich Geschmacksache, ebenso wie die andere Frage, ob die
Anmerkungen in deutscher oder französischer Sprache' gegeben werden
sollen. Ich würde mich für deutsche Anmerkungen entscheiden, während
Wimmer hier die französische Sprache bevorzugt hat. An Klarheit ge-
winnen die Erklärungen in fremdem Gewände gewifs nicht ffir einen
Schüler der mittleren Klassen; auch meine ich, dafs man es getrost
86 Keae Phnolo^flclie RnndBchan Nr. 4.
jedem Lehrer überlassen darf, inwieweit er bei der Behandlang der Lek^
tflre die Fremdsprache heranziehen will. Allzu freigebig ist der Herausg.
mit den Anmerkungen nicht, sie umfassen nur fünf Seiten. Das ist ja
an sich kein Fehler. Dann halte ich aber auch die Bemerkung S. 63, 1 :
Boeuf-Bouge est un hötel k Pbalsbourg ffir fiberflüssig; das würden die
Schüler schon allein finden. Pfiilzburg ist jetzt übrigens nicht mehr
„une petite place forte '^ (S. 63, 1), die Festungswerke wurden bald nach
dem Kriege geschleift. S. 63, 3 würde ich statt Saveme = ville en
Alsace setzen ville d*Alsace. S. 63, 4 finden wir die merkwürdige Za-
sammenstellung: La victoire de la Moskowa a eu lieu le 7 septembre 1812.
Gette victoire fut gagn^e ä la bataille de Borodino et Moshaisk. S. 64, 11
bemerkt W. zu dem Satze: Tu resteras lä-bas: „P. Mt allusion k la
Bussie, avec laquMe Napoleon etaü en guerre.'^ Dieser Zusatz war über-
flüssig, da kurz vorher von der Schlacht bei Borodino und dem Einzug
der Franzosen in Moskau die Bede ist. S. 64, 12 lesen wir: Le roi de
Bome ^tait le fils de N., und Marie Louise ^tait une fille de Tempereur
Franfois, statt jtait fils, ^tait fille. Ebenda ist conscription erklärt als
appel au service militaire par voie du tirage au sort des jeunes gens
quand üs ont atteaint un äge etc. Es mufs heifsen par la voie, und statt
quand ils ist zu setzen qui. — Die Grundbedeutung von ^tape soll sein
foumiture de vivres. Das glaube ich nicht; ^tape = Bation ist doch
gewifs die abgeleitete Bedeutung. — Vom franz. s^nat heiM es: ü se
composait de 80 membres et avait le droit de nommer les membres du
Oorps l^slatif, les fonctionnaires sup^rieurs, les juges et en g4n&ral,
traupe de combtxUants. Der Schlufs des Satzes ist mir unverständlich
geblieben. — S. 64, 13 heifst es: tirage = action de faire sortir au
sort. Durch diese Erklärung wird der Schüler nicht klüger; sortir steht
wohl ffir tirer. — S. 65, 15 wird sous-pr^fet erklärt als fonctionnaire
charg^ d'administrer un arrondissement communai, sous la direction im-
mMiate de prüfet. Zunächst weifs ich nicht, was ich mir unter arron-
dissement €(mmunäl zu denken habe, dann müfste es doch heifsen du
prüfet, und schliefslich müfste doch erklärt werden, was ein prüfet ist. —
S. 65, 16 lesen wir sur les dispenses de service militaire, statt du Ser-
vice; das Ganze hätte sich zudem besser ausdrücken lassen. — S. 65, 16
findet sich: les däpartements sont divis& par arrondissements etc. statt
divis^ en a. etc. — S. 65, 23 wird brigadier de gendarmerie erklärt
durch „sous-officier qui commande un corps de gendarmerie (bri-
Nene Plulologiidie BoadaclMW Nr. j, 87
gade)'^ Diese ErUftrong rnufs den Schfiler irre fDbren. Es mulste doch
hinzugelBgt werden, dab hier corpe oder brigade nicht in dem gewöhn-
lichen Sinne zu nehmen ist, sondern soviel heilst wie esconade, zumal da
knrz nachher brigade als die Hälfte einer Division erw&hnt wird. —
S. 65, 27 wird znr Definition von „glacis'^ der Ausdruck chemin eouvert
gebraucht; num vermilst hier eine Erklftrung dieses Ausdruckes. —
S. 65, 28 findet sich bulletin erklärt als petit ^crit par lequel on rend
oompte de T^tat d*une chose qui int^resse le public, p. e. d*une Operation
militaire. Viel besser gefällt mir die knappe Definition Larousses in
seinem Dictionnaire als „rapport officiel''. S. 66, 40 wird baron erläutert
als „titre de noblesse conför^ par le sou verain '^ Diese Anmerkung konnte
nach meiner Meinung wohl entbehrt werden. — S. 66, 41 findet sich:
marfehal des logis est le titre des offkiers (sie!) charg& de faire pr6parer
les logements. Das ist unrichtig; ursprfinglich hat der Ausdruck die
angegebene Bedeutung gehabt, jetzt aber ist doch der mar^chal des logis
ein Sergeant bei der Kavallerie. — Zu der Erklärung von une bouteille
de rikevir konnte ffiglich bemerkt werden, dafs der Wein seinen Namen
von der Stadt Beichenweier im ElsaTs erhalten hat. — Etwas sonderbar
mutet der Satz auf Seite 66, 48 an: N^ en 1742 ä Bestock, mort U
12 sqfftembre 1819^ il (Blücher) eut le commandement en chef de Tarmte
de Sil^e en 1813. — S. 67, 59 heifst es: fourgon sss longue voiture
coaverte . . . pour porter les bagages, les provisions. Statt porter wfirde
ich lieber transporter setzen. — Das sind die wichtigsten Ausstellungen,
die ich zu den Anmerkungen Wimmers zu machen habe. Von Druck-
fehlern sind mir aufgefallen S. 64, 13 sortir fdr tirer, S. 65, 34
donner ffir donn^, S. 66, 48 Waalstadt fflr Wahlstadt, S. 67, 60 pour
für par.
Münster i. W. K. Holtari
52/54) 6. Steinmtkller, Auswahl von f&nfzig franzöniBchen (Ge-
dichten ffir den Schulgebrauch. 2. Auflage. Mfinchen und
Berlin, B. Oldenbourg. 96 S. 8. JK 1.50.
Emat Wassendeher, Sammlung franoömscher Gedichte
für deutsche Schulen. Teil I: Text. 65 S. 8. J^. 1.-.
U. Teil: Biographieen, Anmerkungen, Wörterbuch. 65 S. 8.
Jü -.40.
88 Nene Philologiflehe Bimdioh«i Nr. 4.
A. Englert, Anthologie des poites £raii9ai8 modernes.
2. Auflage. Mfinchen, C. A. Beck, 1902. XIY u. 246 S. 8.
Ji 2.25.
Die YerÜBSser der beiden ersten Sammlungen gehen von dem Ge-
sichtspunkte aus, dab neben der LektQre von erzählenden prosaischen
Werken und von Dramen eine Einführung des Schfliers in die lyrische
Dichtung (einschließlich der Fäbeldichtung) eine unerl&Tsliche Aufgabe
des französischen Schulunterrichts sei; beide wissen aus der Praxis des
Unterrichts, wie wenig Zeit fQr die L(ysung dieser Aufgabe zur VerfQguug
steht, und wollen daher nur so viel bieten, wie für dies bescheidene Be-
dflr&is der Schule erforderlich ist. Die Schwierigkeit li^ darin, aus der
überwältigenden Fülle die allerwertvoUsten und zur Einführung in die
französische Lyrik am meisten geeigneten Stücke zu wählen. Das Haupt-
mittel, das beide Verfasser angewandt haben, um diese Schwierigkeit zu
beseitigen, ist die Beschränkung auf Lafontaine und B^ranger, neben
denen andere Dichter nur in untergeordnetem Mafse zur Geltung kom-
men. Bei aller Wertschätzung der Werke dieser beiden Dichter und bei
voller Anerkennung der eigenartig scharfen Ausprägung, die der fran-
zösische Volkscharakter in ihren Gedichten findet, kann diese Beschrän-
kung nicht als eine berechtigte anerkannt werden. Denn Birangers Buhm
in Frankreich selbst ist stark verblichen, und wenn er auch wegen seiner
persönlichen und nationalen Eigenart, wie als Träger der napoleonischen Le-
gende in jeder französischen Gedichtsammlung zu Worte kommen mufs,
so gebührt doch die erste Stelle den Romantikern, vor allem Victor Hugo,
und den Pamassiens.
Bei Steinmüller kommt neben Lafontaine und B^ranger und den im
ersten Teil enthaltenen Dichtungen kindlichen und patriotischen Charakters
nur noch Hugo, dopple und der etwas altmodische Millevoye (mit drei
Nummern!) zu Worte. Die gewählten Gedichte selbst sind für den
Schulgebrauch wohl geeignet; am entbehrlichsten erscheinen die Amu-
settes, Devinettes und die Übersetzungen aus dem Deutschen. Der Unter-
stufe wird mit FAvare aux enfers von Lachambeaudie, der Marseillaise, Gar-
cassonne von Nadaud und der Übersetzung les adieux d*Hector wohl zuviel
zugemutet, während manches von Lafontaine sehr wohl schon hierher ge-
pafst hätte. In den biographischen Notizen des zweiten Teiles (in fran-
zösischer Sprache) wäre etwas mehr biographischer Stoff erwünschter gewesen
als die doch leicht irreleitenden allgemeinen Urteile. Bei V. Hugo z. B.
Nene Fhilologisohe BnndKohaa Nr. 4.
bleibt seine Verbannung unerwähnt, während das urteil: comme po^te dra»
matique . . . il a obtenu Fapprobation g^n^rale recht anfechtbar ist, zumal
wenn unter seinen besten Dramen auch Gromwell genannt wird. Die
Anmerkungen sind, soweit sie Sachliches und Grammatisches betreffen,
zweckmäfsig; die Bemerkungen zu laGrand'mke „eine der bedeutendsten
Schöpfungen Hugos ^' gibt dem Schüler einen falsche Vorstellung von der
Stellung, die dieses Jugendwerk in der gesamten dichterischen Tätigkeit
Hugos einnimmt Dieses urteil des Herausgebers ist um so aufhllender,
als er in der biographischen Notiz die Gontemplations und die L^ende des
Si&des gar nicht erwähnt. — Da die zweite Sammlung nur für die
Mittel- uod Oberstufe berechnet ist, so konnten statt der Einderlieder
Proben neuerer französischer Lyrik geboten werden; doch ist die Auswahl
keine sonderlich glückliche. Die Übersetzungen von Goetlieschen und Hoff-
maonschen Gedichten sind zu entbehren. Die drei Sonette von Gammont
gehören sicher nicht in eine Sammlung der erlesensten französischen Dich-
tungen, in der V. Hi^o mit vier, Sully Prud'homme mit einem Gedichte
vertreten ist und Namen wie Leconte de Isle, H^r^dia u. v. a. ganz fehlen.
Die biographischen Notizen in französischer Sprache zählen unter den
Dramen V. Hugos auch Notre-dame und les Miserables auf.
Die Anmerkungen sind im ganzen zweckmäfsig; wunderlich klingt
die Bemerkung zu ce beulet invincible qui fracassa vingt trönes ä la fois:
„boulet Eisenball; ein etwas sonderbares Bild für einen Menschen.^' Warum
denn Eisenball? Der Vergleich mit der Kanonenkugel leuchtet dem
Schüler ohne weiteres ein, zumal wenn er schon bei Schiller von „des
Kanonballs fürchterlichem Pfad*^ gehört hat.
In der vorliegenden Fassung dürften die beiden Sammlungen schwer-
lieb der hohen Aufgabe genfigen, auf kleinstem Baum das Notwendige
zur Einftthrung in die französische Lyrik zu bieten.
Einem ganz anderen Zwecke dient die Anthologie des po^tes franfais
modernes von A. Englert. Sie will nur in die moderne französische Lyrik
einfahren und bietet daher Proben von möglichst zahlreichen Lyrikern des
19. Jahrhunderts. Sie will zwar der Schule dienen, wendet sich aber
anch an einen weiteren Leserkreis. Da die Auswahl eine geschmackvolle
ist und die Zugaben (Übersicht über die Entwickelung der französischen
Ljfrik im 19. Jahrhundert, biographische Notizen vor den Gedichtoa der
einzelnen Dichter und Anmerkungen) klar und zweckmäfsig sind, kann die
Sammlung namentlich dem weiteren Leserkreise empfohlen werden. Für
88 Nene Phaologisehe Bimdaohaii Nr. 4.
A. Englert, Anthologie des poites fraii9ai8 modernes.
2. Auflage. Mflnchen, C. A. Beck, 1902. XIV u. 246 S. 8.
Ji 2.25.
Die YerÜBSser der beiden ersten Sammlungen gehen von dem Ge-
sichtspunkte auS| daTs neben der Lektflre von erzählenden prosaischen
Werken und von Dramen eine Einführung des Schfllers in die lyrische
Dichtung (einschlieMich der Fabeldichtung) eine unerl&Tsliche Aufgabe
des französischen Schulunterrichts sei; beide wissen aus der Praxis des
Unterrichts, wie wenig Zeit ffir die Lösung dieser Aufgabe zur Verfügung
steht, und wollen daher nur so viel bieten, wie für dies bescheidene Be-
dflrfiiis der Schule erforderlich ist. Die Schwierigkeit li^t darin, aus der
überwältigenden Fülle die allerwertvoUsten und zur Einführung in die
französische Lyrik am meisten geeigneten Stücke zu wählen. Das Haupt-
mittel, das beide Verfasser angewandt haben, um diese Schwierigkeit zu
beseitigen, ist die Beschränkung auf Lafontaine und B^ranger, neben
denen andere Dichter nur in untergeordnetem Mafse zur Geltung kom-
men. Bei aller Wertschätzung der Werke dieser beiden Dichter und bei
voller Anerkennung der eigenartig scharfen Ausprägung, die der fran-
zösische Volkscharakter in ihren Gedichten findet, kann diese Beschrän-
kung nicht als eine berechtigte anerkannt werden. Denn Birangers Buhm
in Frankreich selbst ist stark verblichen, und wenn er auch wegen seiner
persönlichen und nationalen Eigenart, wie als Träger der napoleonischen Le-
gende in jeder französischen Gedichtsammlung zu Worte kommen mufs,
so gebührt doch die erste Stelle den Bomantikern, vor allem Victor Hugo,
und den Pamassiens.
Bei Steinmüller kommt neben Lafontaine und B^ranger und den im
ersten Teil enthaltenen Dichtungen kindlichen und patriotischen Charakters
nur noch Hugo, Gopp^e und der etwas altmodische Millevoye (mit drei
Nummern!) zu Worte. Die gewählten Gedichte selbst sind für den
Schulgebrauch wohl geeignet; am entbehrlichsten erscheinen die Amu-
settes, Devinettes und die Übersetzungen aus dem Deutschen. Der Unter-
stufe wird mit TAvare aux enfers von Lachambeaudie, der Marseillaise, Gar-
cassonne von Nadaud und der Übersetzung les adieux d*Hector wohl zuviel
zugemutet, während manches von Lafontaine sehr wohl schon hierher ge-
pafst hätte. In den biographischen Notizen des zweiten Teiles (in fran-
zösischer Sprache) wäre etwas mehr biographischer Stoff erwünschter gewesen
als die doch leicht irreleitenden allgemeinen Urteile. Bei V. Hugo z. B.
-^
Nene Fhilologiibhe Bondiehan Nr. 4.
bleibt seine Verbannang unerwäbnt, während das urteil: comme poite dra»
matique . . . il a obtenu Tapprobation gän^rale recht anfechtbar ist, zumal
wenn unter seinen besten Dramen auch Gromwell genannt wird. Die
Anmerkungen sind, soweit sie Sachliches und Grammatisches betreffen,
zweclmärsig; die Bemerkungen zu laGrand'm^re „eine der bedeutendsten
Schöpfungen Hugos *^ gibt dem Schfiler einen falsche Vorstellung von der
Stellung, die dieses Jugendwerk in der gesamten dichterischen Tätigkeit
Hugos einnimmt Dieses urteil des Herausgebers ist um so auffallender,
als er in der biographischen Notiz die Gontemplations und die L^ende des
Sieles gar nicht erwähnt. — Da die zweite Sammlung nur fBr die
Mittel- und Oberstufe berechnet ist, so konnten statt der Einderlieder
Proben neuerer französischer Lyrik geboten werden; doch ist die Auswahl
keine sonderlich glückliche. Die Übersetzungen von Goetbeschen und Hoff-
mannschen Gedichten sind zu entbehren. Die drei Sonette von Gammont
gehören sicher nicht in eine Sammlung der erlesensten französischen Dich-
tungen, in der V. Hugo mit vier, Sully Prud*homme mit einem Gedichte
yertreten ist und Namen wie Leconte de Isle, H^rMia u. v. a. ganz fehlen.
Die biographischen Notizen in französischer Sprache zählen unter den
Dramen V. Hugos auch Notre-dame und les Miserables auf.
Die Anmerkungen sind im ganzen zweckmäisig; wunderlich klingt
die Bemerkung zu ce beulet invincible qui fracassa vingt trönes ä la fois:
„beulet Eisenball; ein etwas sonderbares Bild ffir einen Menschen/^ Warum
denn Eisenball? Der Vergleich mit der Kanonenkugel leuchtet dem
Schfiler ohne weiteres ein, zumal wenn er schon bei Schiller von „des
Eanonballs fOrchterlichem Pfad*' gehört hat.
In der vorliegenden Passung dfirften die beiden Sammlungen schwer-
lich der hohen Aufgabe genfigen, auf kleinstem Baum das Notwendige
zur Einffthrung in die französische Lyrik zu bieten.
Einem ganz anderen Zwecke dient die Anthologie des poites franfais
modernes von A. Englert. Sie will nur in die moderne französische Lyrik
einf&hren und bietet daher Proben von möglichst zahlreichen Lyrikern des
19. Jahrhunderts. Sie will zwar der Schule dienen, wendet sich aber
auch an einen weiteren Leserkreis. Da die Auswahl eine geschmackvolle
ist und die Zugaben (Übersicht fiber die Entwickelung der französischen
Lyrik im 19. Jahrhundert, biographische Notizen vor den Gedichten der
einzelnen Dichter und Anmerkungen) Uar und zweekmälsig sind, kann die
Sammlmig namentlich dem weiteroi Leserkreise empfohlen werden. Ffir
90 Nene Philologiwhe Rimdsobaa Nr. 4.
die Zwecke der Schale wäre eine schärfere Unterscheidung zwi
den grorsen und den kleineren Dichtern zu wünschen gewesen; do<^
das Buch in seiner Beichhaltigkeit auch ffir die Oberstufe sehr
verwendbar. Einen besonderen Beiz erhalten die Anmerkungen '^'
gelegentliche Hinweise auf französische und deutsche Dichtungen
ähnliche Stoffe wie Gedichte der Sammlung behandeln.
55) 0. Gktnzmamii Lehrbuch der französiBchen Sprache
Onmdlage der Handlung. I. Stufe. Berlin, Beuther &
chard, 1902. X u. 161 S. 8. geb. Ji 1
Wie der Titel sagt, bildet die Handlung die Grundlage des ^
Verfahrens, dem das vorliegende Buch angepaM ist. Die Art und \
wie die verschiedenen Tätigkeiten einer Handlung sprachlich daig
werden, erinnert an die Beihenbildung des bekannten Franzosen Gl
Die einzelnen Lektionen bestehen aus ffinf Teilen. Der erst
enthält die Handlung in Form einer einfachen Erzählung. Die Te^
ersten acht Lektionen sind auch in Lautschrift gegeben. Der fo^^
Abschnitt gibt in Frageform eine Erweiterung des in dem ersten
vorgeführten Sprachstoffes. Durchweg ist der Wortvorrat der Spraci
täglichen Lebens entnommen. Im dritten Teil findet sich eine Am
zur Verarbeitung der betr. Lesestficke. Als vierter Teil folgen grai
tische Belehrungen, in deren Mittelpunkt das Verb steht. Mit Beci.
hier (fär die Unterstufe) verzichtet worden anf die Einübung des
junktivs, der in der einfachen Bede selten ist, und des passe d^fini, u.
die nordfranzösische Umgangssprache als gänzlich ausgestorben anz.
ist; das Tempus der Unterhaltung, soweit sie sich nicht im Präsi
wegt, ist heute das Perfekt. Den fünften und letzten Teil bilden
Lieder; Einderreime, Bätsei, Gedichte und Erzählungen.
Einige Fehler und Ungenauigkeiten , die mir beim Durchle:
Texte aufgefallen sind, mögen hier erwähnt werden. Falsch sind ^'
kfirzungen Mlle., p. e. und s. v. pl. Der Franzose schreibt MI1
Punkt), p. ex. und s. v.p. Man sagt nicht poseg des ordres, sondern ^-
Statt la veste (S. 17) ist le veston gebräuchlicher. Die Schulst
ist fälschlich Jeean genannt; une legen de frangais ist eine franyr-
Privatstande; es mufs dasse de frangais u. s. w. heifsen. Der J,r
sollte nicht inuner mit tnattre gegeben werden, weil an den ii
Schulen keine maltres, sondern professeurs unterrichten. Ein '^
^
Neae PhilologiMhe BuadiohAii Kr. 4. 91
Verseheu findet sich S, 103 und S. 113: poser rtehelle vers an arbre
statt conire. Zu tadeln ist auch, daTs nicht immer die französischen
Verhältnisse zu Grunde gelegt sind. So heilst es S. 67, dafs die Haupt-
mahlzeiten le d^jeuner, le diner, le souper sind. Ein souper gibt es ffir
den Franzosen nur in Ausnahmefällen; die regelmftfsigen Mahlzeiten sind
le petit d^jeuner, le d^jeuner, le dlner, und zwar wird das diner nicht,
wie es S. 60 heifst, ä midi eingenommen, sondern um 6 oder 7 ühr abends.
Die Namen der Wochentage (S. 63) sind in unrichtiger Beihenfolge
aufgef&hrt; nicht mit dimanche, sondern mit lundi beginnt die fran-
zösische Woche.
Alles in allem genommen, mufs das Buch eine tfichtige pädagogische
Leistung genannt werden. Es wird sich im Unterricht ohne Zweifel gut
bewähren. Ffir die Fortsetzung seines ünterrichtswerkes empfehle ich
dem Verf. dringend, sich die Mitarbeit eines gebildeten Nationalfranzosen
zu sichern.
Altona-Ottensen. H
56) F. Eoldeweyi Französische Synonmyik fOr Schulen.
4. Auflage. Wolfenbfittel, Julius Zwifsler, 1902. lY u. 22 S. 8.
J( 2.—.
Das sich so anspruchslos gebende Buch ist in seiner vierten Auflage
mit aufrichtiger Freude zu begrfifsen; neues Lob dem wohlverdienten
alten hinzuzuffigen erscheint zwecklos. Die neue Auflage unterscheidet
sich von der vorhergehenden „nur durch einige unbedeutende Zusätze und
Verbesserungen, ohne dafs die Zahl der synonymischen Gruppen dadurch
verändert worden wäre". Diese 564 synonymischen Gruppen, die in der
alphabetischen Folge der deutschen Wörter au^efßhrt sind, bieten dem
Schfiler der oberen Klasse in übersichtlicher und zuverlässiger Weise alles,
was er braucht, und werden auch dem Studierenden und dem Lehrer
willkommen sein. Die etymologischen Zusätze sind sehr dankenswert,
wenn sich vielleicht auch fiber die Zweckmäfsigkeit, ungewisse und zweifel-
hafte Abstammungen anzugeben, streiten liefse. Das französische Begister
am Schlufs ist gut und praktisch. Die Zahl der Druckfehler ist gering,
die Anordnung und Ausstattung gut. Eins möchte ich aber in der nächsten
Auflage abgestellt sehen: „... mit und ohne nähere Bestimmung*^
(S. 52), „. . . mit, oder . . . ohne den Namen . . .'* (S. 72) soll der Schfiler
vermeiden, also auch das Buch, das fflr ihn bestimmt ist.
Nanen. L. Frlos.
99 Nene Philologiiehe BundBehan Nr. 4.
57) Webster'B Intematioiial dlctioiiary of fhe English lan-
^age beiDg the authentic edition of Webster^s nnabridged
dictionary, comprising the issues of 1864| 1879 and 1884 tho-
rougbly revised and mach eolarged ander the sapervision of
Noah Porter D. D. LLD. With a volaminoos appendix, and
a Supplement by W. T. Harris , PL D. LLD. XCVIU a.
2249 S. dreispaltig. London, George Bell & Sons and G. & C.
Merriam & Co. Springfield, Mass. ü. S. A., 1902. Cloth 31 sh.
Der „grofse Webster ^S ein wahres Biesenwerk der Lexikographie,
warde zum erstenmal 1828 von der Hand des damals siebzigjährigen
Dr. Noah Webster in der bescheidenen Form eines „American dictionary
of the English language" an die Öffentlichkeit gebracht — am Vorabend
des 75jährigen Jabiläams tritt es in neuem, weit voUkommeneren Ge-
wände vor ein Weltpublikum.
Die vielen ständig vermehrten und verbesserten Neuauflagen von
1840, 1843, 1847, 1859, 1864, 1879, 1884 (später 1890 und jetzt 1902)
hatten dem Werk allmählich einen so hohen Grad der Vollkommenheit
und eine solche Verbreitung gesichert, dafs die 1890 vorgenommene umtaufe
des Wörterbuches in „Intetnatumal dictionary of the English langtioge"
nicht blofo eine hohle Phrase oder ein schreiendes Aushängeschild war,
vielmehr ein durch die Geschichte des Buches wohlberechtigter TiteL
Der Webster hatte sich allmählich den Weltmarkt erobert. In der rich-
tigen Überzeugung, dafs ein solches Werk nur dann seinen vollen Zweck zu
erffiUen im stände wäre, wenn es mit gleichem Nutzen in Grofsbritannien
wie in Amerika, in Australien wie in Indien und Afrika herangezogen
werden könnte, haben sich Verleger, Herausgeber und Mitarbeiter ihre
Ziele so weit gesteckt wie nur möglich und aus praktischen Gründen an-
gängig, und haben in ernstem, gewissenhaftem Streben den gesamten
englischen Wortschatz in ihr Bereich gezogen. Der Londoner, der eine
Geschichte von Bret Harte liest, und Aufklärung braucht fiber die üm-
gangsprache der kalifornischen Minenbezirke, sollte ebenso auf seine Rech-
nung kommen, wie der Kaufmann in Melbourne, der sich Aber die
Usancen der New Torker Effektenbörse orientieren will.
So war der Webster in erster Linie fär die engliscbsprecbende Welt
bestimmt und geeignet. Aber bald erkannte man auch in anderen Län-
dern, vor allem in Deutschland, seinen Wert ffir rein praktische wie fOr
wissenschaftliche Zwecke. Das Werk hat sich auch bei uns nut Becht
-^
Nene Fhflologiiohe Bondiohra Nr. 4.
einer steigenden Benatzung zu erfreuen gehabt und sich als eine wert-
volle, vielfocb unentbehrliche Ergänzung zu einheimischen WSrterbflchern
erwiesen und bewährt. Ich verweise nur auf die sachverständige Be-
sprechung von Zupitza in Herrigs Archiv 86, 419.
Seine hervorragende Stellung unter den lexikalischen Werken der
Gegenwart verdankt auch die jetzige „20. Jahrhundertausgabe^* einmal
der Tatsache, dafs man sich mit lobenswertem Eifer bemfiht hat, alle
neuen Erriuigenschafben der Sprachwissenschaft, mehr noch als bisher daffir
nutzbar zu machen, und femer dem Umstand, dafs sie gleichen Schritt
gehalten hat mit dem Wachstum der Sprache während des letzten Jahr-
zehnts. Zahl und Namen der &chmännischen Mitarbeiter bärgen des
weiteren dafar, dafs Verleger und Herausgeber kein Mittel unversucht
gelassen haben, das Werk auf die Höhe der Forschung und der Voll-
ständigkeit zu bringen. Wenn sich trotzdem das eine oder andere aus-
setzen läfst, so ist das bei einem Werke von solch gewaltigem umfang
schliefslich nicht verwunderlich und kann auch kein ernster Tadel sein,
und wenn ich im folgenden einige Verbesserungen beibringe, die sich mir
bei der Vornahme von Stichproben aufgedrängt haben, so tue ich das in
der Hoffnung, dafs sie auf fruchtbaren Boden fallen mögen.
Der in der Einleitung enthaltene Abiifs der Qeschichte der englischen
Sprache ist jetzt von Eittredge durchgesehen worden und hat dadurch
entschieden an Wissenschaftlichkeit gewonnen. Trotzdem kommt nicht
immer alles klar oder genau genug zum Ausdruck, wie z. B. bei der
Behandlung der fremden Volkseinflässe im Altenglischen. Nach der bahn-
brechenden Untersuchung von Pogatscher (Zur Lautlehre der griech.,
lat. und roman. Lehn werte im ae., Sträfsburg 1888) sind wir jetzt ziemlich
unterrichtet fiber die drei Schichten lateinischer Lehnwörter im ae., die
auch in einer popularisierenden Darstellung wie im Webster deutlich aus^
einandergehalten werden können und müssen. Mac Gillivray's fleifsige
und methodische Arbeit ,,The influence of christianity on the vocabulary
of Old English (Morsbachs Studien zur engl. Philologie VHI, Halle 1902),
die sich mit der letzten Schicht lateinischer Lehnworte befafst, wird auch
in Zukunft nicht umgangen werden dürfen. Dagegen hätte Björk man* s
grundlegende Untersuchung der Scandinavian loan-words in Middle-English
(Morsbachs Stud. z. engl. Phil. VIII, Halle 1900) verwertet werden sollen.
Dann hätte das Publikum erfahren, dafs auch bei den altnordischen Lehn-
wörtern mehrere Schichten zu unterscheiden sind, und es wäre nicht der
94 Nene Philologische Rundschau Nr. 4.
zum mindesten schiefe Satz stehen geblieben: „English words which are
found in the Scandinavian idioma, and are not fonnd in the earlier Anglo-
Saxon or other low Qermanic idioms, we may naturally snspect to have
come in by this Channel^', dem BjSrkman den methodisch präziseren gegen-
überstellt: „If a Word in English has a form which cannot be explained
by means of internal English sonnd-laws, bat which is easily acconnted
for by assuming a Scandinavian orgin, we are, for the most part, entitled
to consider the word in question a Scandinavian loan-word/* — Die alte
Einteilung des Englischen bis etwa 1500 in angelsächsisch, halbsächsisch,
altenglisch und mittelenglisch sollte zu gunsten von altenglisch s=s ags.,
mittelenglisch (frühme., zentralme., spätme.) jetzt endlich aufgegeben wer- '
den. — Bei der Textprobe aus dem Orrmulum erwartet auch der Laie
eine knappe Erläuterung der eigentümlichen Schreibweise u. a. m.
Die Einleitung enthält weiter ein Kapitel über „Indo-germanic roots
in English *S ausführliche Bemerkungen über die Aussprache, von denen
schon früher die „Synopsis of words differently pronounced by different
orthoSpists*' besonderen Bei&U auch bei den Fachgelehrten gefunden hat,
und schliefslich auch über die Orthographie. Die Schreibung o fdr oü (me.
oü [ü]) in französischen Lehnwörtern wie honor, labor, favor, die Webster
bekanntlich, ohne damit in England nennenswerten Beifall zu finden, ein-
geführt hat, ist auch in der neuen Auflage beibehalten. Die darin
liegende völlige Yerkennuog des etymologischen Prinzips hat schon Storm,
Englische Philologie > 528, gerügt.
Der Eern des Werkes, das Wörterverzeichnis, das nicht weniger als
1681 dreispaltige Seiten fßUt und durch ein ganz neues Supplement von
238 Seiten am Ende des Werkes noch um 25000 Worte vervollständigt
wird, hat gegen früher eine wesentliche Bereicherung erfahren, wissen-
schaftliche (besonders botanische und zoologische), technische, Dialekt-,
Slang- und Fremdwörter sind in grofser Zahl hinzugekommen. Aber
manche sucht man trotzdem vergebens. Von deutschen Fremdwörtern im
Englischen vermisse ich noch „Festschrift'^ (z. B. Academy nr. 1448,
3 feb. 1900 und An English Miscellany, Oxford 1900, S. 494), „Leit-
motif (z. B. Kyd's works ed. by Boas, Oxford 1901, S. xiii) und „Kamlei-
stW (z. B. Freemann, Bist, of the Norman Gonquest 1867, Appendix,
S. 602). — Femer fehlt „Fing Fang" und die Schreibung Xmas f&r
„Christmas" >). — Wenn, was nur zu loben ist, auch me. Autoren wie Claucer
1) Nachträglich finde ich auf Grand meiner Notizen, dafs auch folgende Wörter
^^
^
Nene Fhilologisebe Bondsebau Nr. 4. 95
nnd Gower mit ihrem Wortschatz herangezogen werden und z. B, to lese
aus ihnen belegt wird, so kann man mit gleichem Recht Aach andere
Wörter verlangen. Wo ist da die Grenze? — Wfthrend von dialektischen
Wörtern z. B. ne. dial. soa, soe =s Eimer gegeben wird, fehlt ne. dial. beace
(Yorkshire); ich finde nur boose, was dasselbe bedentet „stall or crib for
a horse or cow". — Herr Dr. Gustav Erueger- Berlin hatte die
Freundlichkeit, mich darauf aufmerksam zu machen, dafs der Slangausdruck
„dl-fired^' z. B. in they were some oM-fired pretty girls'' fehlt, sowie
eine Bedeutung des Wortes „gautUry'^, nämlich für einen Bauzaun, der
erst senkrecht und dann schräg in die Höhe steigt, um die Passanten vor
herabfallenden Steinen zu schätzen. — Dafs ein falsch angebrachtes Scham-
gefähl vielfach obszöne Wörter ausgeschlossen hat, vermag ich nicht als
einen Vorteil anzusehen. Lexikalische Werke, die nicht der Jugend in
die Hand gegeben werden, sollten daräber erhaben sein.
Die Erklärungen von Wörtern sind nicht immer treffend genug:
wenn es von „triplet" heifst „three verses rhyming together", so ist damit
das Wesen der Terzine nicht erklärt. — Die Etymologieen haben wieder
in der Neuauflage gewonnen. Sehr zweckmäfsig wflrde es mir scheinen,
wenn man späterhin bei altenglischen, dialektisch verschiedenen Formen
diejenige kursiv drucken wfirde, auf die die neuenglische Form zurück-
geht — Mit den synonymischen Erklärungen wird ein Deutscher
oft herzlich wenig anfangen können, man vergleiche z. B. das Aber IxMse im
Verhältnis zu vüe und mean gesagte.
Von aufserordentlichem Nutzen sind die durch das ganze Buch ver-
streuten 5000 Illustrationen, wenngleich auch manche besser sein könnten
und man bisweilen noch mehr wünscht; während man z. B. auf den 80 Seiten,
die nur mit Bildern ausgefüllt sind (1929 — 2009), an 25 Abbildungen
von Segelbooten und Segelschiffen findet, ist kein einziges Bild eines
Dampfer- oder Eriegsschiffstypes vorhanden.
Der Appendix zum Wörterbuch enthält noch ausfQhrliche Verzeich-
nisse von Personen und Orten in der Literatur, wo der „grand old man"
vielleicht noch hinzuzufügen wäre, von biographischen, geographischen und
Taufnamen, von griechischen, lateinischen und biblischen Eigennamen
alle mit Angabe der Aussprache und schliefslich noch ein Verzeichnis von
fehlen: „newtpaperiim" z. B. Edinburgh Revier 1900 jan. b. 77. Von deutschen
Wörtern yerwendet Thackeray in Vanity Fair b. 20 „Sehnsucht nach der Lid)e",
Matth. Browne in Chaucer*B Enghuid, Bd. I lU „The lam of Schwärmerei".
96 Neue PhilologiBohe Rondschaii Nr. 4.
Zitaten, Sprichwörtern u. s. w. ans dem Griechischen, Lateinischen nnd
ans modernen Sprachen n. a. m.
Alles in allem ist der Webster anch in seiner nenen Gestalt ein
höchst nützliches und in Anbetracht der Fülle des Geboteneu auch ein
recht billiges Buch.
Berlin. Heinrloh Splei.
Vakanzen.
Altena, Prg. Obl. Phil. Dir. Dr. ßebling.
CÖI1I9 Stadt. Handelssch. Dir. Oberbfirgermstr.
Cottbus^ B.S. Obl. N. Spr. Magistrat.
Sortmimd, B.G. Obl. Elass. Phil, oder Gesch.; dsgl. N. Spr. Stadt.
Schulkuratorium.
Frankflirt a. M., Elinger-O.B. Obl. Bei. u. Deutsch; dsgl. N. Spr.
Kuratorium.
Hagen I. W., G. u. B.G. Obl. Lat., Deutsch, Gesch. Dir. Dr. Braun.
Lemgo, G. Obl. Lat. oder Griechisch oder Deutsch. Dir. Naber.
Schwerte, Prg. Obl. N. Spr. Kuratorium.
Siegen, H.M.S. Obl. Deutsch. Magistrat.
Steglitz, G. Obl. Deutsch, Latein, Griechisch. Bürgermstr. Buhrow.
Paul yeff Verlag (Carl Bflchle) In Stuttgart
In unserem Verlag ist komplett erschienen die
Zehnte Auflage
von
Christoph Fr. Griebs
Enfllisch-BButsciiBin end Deutsch -EnglischBiB Warterliuch
mit besonderer Rücksicht auf Aussprache und Etymologie
nen bearbeitet nnd vermehrt
von
Dr. Arnold Schröer
ord. Professor an der Handelshochschule zn Köln
weil. ord. Professor der englischen Philologie an der Universität Freihnrg i. B.
160 Bogen dreispaltiger Satz in Or.-Lex. 8^.
I. Band: II Band:
Sa&sliflioli . S etä-teoli S etä-taioli - Eaagliaioli
eleg. m Halbleder geb. M. 14.— eleg. in Halbleder geb. M. 12.—
-^
^J
Sohröer hat ein gänzlich neues Werk geliefert und zwar ein Werk von wirklich hervor-
ragender Bedeutung. Man staunt, wenn man in Erwägung zieht, dafs es die Arbelt eines
einzelnen ist. Dr. R. Krön Oberlehrer an der Kalserl. Marineakademie in Kiel, im Qymnatlum.
ftgr Zu haben in allen Buchhandlunoen "W^
Für Sclmleii Terirttiuitiriiitffeii bei gleichzeitigem Bezug einer gröfseren Anzahl
von Exemplaren.
Für die Bedaktlon venntwortliek Dr. E. Ludwig in Bremon.
Drmck und Verlag toa Frlodrloh Andreas PnrthM in Qntha.
Hierzn als Beilagen:
1) Prospekt der Weidmannsehen Bnehhandlmig in Berlin, betr. H. Beieh, Der
Kimus, I. Band.
2) Prospekt der Yerlagsbnchbandlung Carl Oerold's Sohn in Wien, betr. Jahrgang
1 bis 24 der „Wiener Studien ^^
Qotha, 1f. Mftn.' jttr. 6, J'ahzgvag 1908.
•Neue
PhilologischeRundschau
Heraasgogeben mm
Dr. 0. Wagener und Dr. E. Ludwig
in Bremen.
Snoheint alle 14 Tage. ^ Preia fllr den Jahrgang 8 Mark.
Bestellangen nehmen alle Baehhandlongen, sowie die Poatanstalten des In- und Anslaodes ao
Insertionsgebflhr fllr die einmal gespaltene Petitseile 80 Pfg.
Inhalt: Bezensionen: 56) N. Wecklein, Die kyküache Thebaig, die ödipodee
nnd der Ödipos des Enripides (W. Richter) p. 97. — 69) H. Smolka, Tadti
A^ricola (Ed. Wolff) p. 98. — GO) H. Weil, Etndes de litt^ratnre et de rythmigne
grecqnes (J. Sitzler) p. 99. — 61/62) M. £. Gans, Psychologische Untersnehnng
zu der Ton Aristoteles fiberlieferten Lehre Ton den Idealzahlen; P. Boyet, Le
Dien de Flaton (E. Linde) p. 101. — 68) H. Tan Herwerden, Lexicon Grae-
cnm snppletorinm et dialecticam (Schlnls) (Ph. Weber) p 104. — 64) £. Dann-
heifser, Corneille, Le Cid (Drees) p. 113. — 66) G. Stier, Petites Canseries
fran9aises (K. Engelke) p. 114. -- 66) M. Enneccerns, Versbau nnd gesang-
licher Vortrag des ältesten französischen Liedes (6. Röttgers) p. 115. — 67) H. Gaf s-
ner, W. Scott, KenUworth (-i-) p. 118. — 68) Ed. Sokoll, Kipling, Three
Moi^li-Stories (A. Herting) p. 118. — 69) Der alte Orient. 4. Jahrgang. Heft 2.
(R. Hansen) p. 119. — Anzeigen.
58) JX. Wecklein, IHe kykÜBohe Thebais, die Ödipodee und
der ÖdipuB des Enripides. München, 0. Franz. 8. Sep. A.
In den Sitzungsberichten der philo8.-philoL nnd der bist. EL der l^L
bayer. Ak. d. Wiss. 1901 Heft V veröffentlicht WecUein eine Studie,
die (S. 661—683) wertvolle Beiträge zor Bekonstmktion zweier Epen des
thebischen Eyklns liefert Derselbe kommt in seinen üntersucbongen za
dem Besnltate, dafs die Thebais das Schicksal des ganzen Labdakiden-
gescblechts von der Missetat des Laios, der Entf&hmng des Chrysippos,
an bis auf den Wechselmord des Eteokles nnd Polyneikes nnd insbeson-
dere die sikyonische, also ältere Version der ödipnssage erzählt habe,
während der ödipodee die jfingere, die korinthisch-delphische Version dieses
Mythus zu&lle. Mag dies auch im grofsen ganzen richtig sein, so erheben
sich doch gegen die Ausführungen und den Aufbau im einzelnen so schwere
Bedenken, dafs wir auf eine etwas nähere Besprechung dieser ganzen
Frage an anderer SteUe eintreten müssen. In einem zweiten Abschnitte
(S. 683—688) sucht WecUein in ansprechendster Form den ödipns als
Neue Philologische Bundschan Nr. 4.
A. Englert, Anthologie des poötes fran9ai8 modexneB.
2. Auflage. Mfinchen, C. A. Beck, 1902. XIV u. 246 S. 8.
J( 2.25.
Die Verfasser der beiden ersten Sammlungen gehen von dem Ge-
sichtspunkte aus, dafs neben der LektQre von erzählenden prosaischen
Werken und von Dramen eine Einführung des Schfilers in die lyrische
Dichtung (einschliefslich der Fabeldichtung) eine unerl&Tsliche Aufgabe
des französischen Schulunterrichts sei; beide wissen aus der Praxis des
Unterrichts, wie wenig Zeit ffir die Lösung dieser Aufgabe zur Verffiguug
steht, und wollen daher nur so viel bieten, wie ffir dies bescheidene Be-
dfirfiais der Schule erforderlich ist. Die Schwierigkeit li^ darin, aus der
flberwSltigenden FfiUe die allerwertvollsten und zur Einfahrung in die
französische Lyrik am meisten geeigneten Stficke zu wählen. Das Haupt-
mittel, das beide Verfasser angewandt haben, um diese Schwierigkeit zu
beseitigen, ist die Beschränkung auf Lafontaine und B^ranger, neben
denen andere Dichter nur in untergeordnetem Mafse zur Geltung kom-
men. Bei aller Wertschätzung der Werke dieser beiden Dichter und bei
voller Anerkennung der eigenartig scharfen Ausprägung, die der fran-
zösische Volkscharakter in ihren Gedichten findet, kann diese Beschrän-
kung nicht als eine berechtigte anerkannt werden. Denn B^rangers Buhm
in Frankreich selbst ist stark verblichen, und wenn er auch wegen seiner
persönlichen und nationalen Eigenart, wie als Träger der napoleonischen Le-
gende in jeder französischen Gedichtsammlung zu Worte kommen mufs,
so gebfihrt doch die erste Stelle den Bomantikem, vor allem Victor Hugo,
und den Pamassiens.
Bei Steinmüller kommt neben Lafontaine und B^ranger und den im
ersten Teil enthaltenen Dichtungen kindlichen und patriotischen Charakters
nur noch Hugo, Gopp^ und der etwas altmodische Millevoye (mit drei
Nummern!) zu Worte. Die gewählten Gedichte selbst sind fllr den
Schulgebrauch wohl geeignet; am entbehrlichsten erscheinen die Amu-
settes, Devinettes und die Übersetzungen aus dem Deutschen. Der Unter-
stufe wird mit TAvare aux enfers von Lachambeaudie, der Marseillaise, Gar-
cassonne von Nadaud und der Übersetzung les adieux d*Hector wohl zuviel
zugemutet, während manches von Lafontaine sehr wohl schon hierher ge-
pafst hätte. In den biographischen Notizen des zweiten Teiles (in fran-
zösischer Sprache) wäre etwas mehr biographischer Stoff erwfinschter gewesen
als die doch leicht irreleitenden allgemeinen Urteile. Bei V. Hugo z. B.
^
_ •
Nene Fhilologlibhe Bondiolum Nr. 4.
bleibt seine Verbannang unerwähnt, während das urteil: comme po^te dra-
matique . . . il a obtenu Tapprobation g^nirale recht anfechtbar ist, znmal
wenn anter seinen besten Dramen auch Gromwell genannt wird. Die
Anmerknngen sind, soweit sie Sachliches nnd Grammatisches betreffen,
zweckmäfsig; die Bemerkungen zu la6rand*mke „eine der bedeutendsten
Schöpfungen Hugos '^ gibt dem Schüler einen falsche Vorstellung von der
Stellung, die dieses Jugendwerk in der gesamten dichterischen Tätigkeit
Hogos einnimmt Dieses urteil des Herausgebers ist um so auffallender,
als er in der biographischen Notiz die Gontemplations und die L^ende des
Sieles gar nicht erwähnt. — Da die zweite Sammlung nur fSr die
Mittel- und Oberstufe berechnet ist, so konnten statt der Einderlieder
Proben neuerer französischer Lyrik geboten werden; doch ist die Auswahl
keine sonderlich glückliche. Die Übersetzungen von Goetheschen und Hoff-
mannschen Gedichten sind zu entbehren. Die drei Sonette von Gammont
gehören sicher nicht in eine Sammlang der erlesensten französischen Dich-
tungen, in der V. Hugo mit vier, Sully Prud*honmie mit einem Gedichte
vertreten ist und Namen wie Leconte de Isle, H^rMia u. v. a. ganz fehlen.
Die biographischen Notizen in französischer Sprache z&hlen unter den
Dramen V. Hugos auch Notre-dame und les Miserables auf.
Die Anmerkungen sind im ganzen zweckmäfsig; wunderlich klingt
die Bemerkung zu ce beulet invincible qui fracassa vingt trönes ä la fois:
„beulet Eisenball; ein etwas sonderbares Bild für einen Menschen/^ Warum
denn Eisenball? Der Vergleich mit der Kanonenkugel leuchtet dem
Schüler ohne weiteres ein, zumal wenn er schon bei Schiller von „des
Eanonballs fürchterlichem Pfad" gehört hat.
In der vorli^enden Fassung dürften die beiden Sammlungen schwer-
lich der hohen Aufgabe genfigen, auf kleinstem Baum das Notwendige
zur Einführung in die französische Lyrik zu bieten.
Einem ganz anderen Zwecke dient die Anthologie des po^tes firanfais
modernes von A. Englert. Sie will nur in die moderne französische Lyrik
einfahren und bietet daher Proben von möglichst zahlreichen Lyrikern des
19. Jahrhunderts. Sie will zwar der Schule dienen, wendet sich aber
auch an einen weiteren Leserkreis. Da die Auswahl eine geschmackvolle
ist und die Zugaben (Übersicht über die Entwickelang der französischen
Lyrik im 19. Jahrhundert, biographische Notizen vor den Gedichten der
einzelnen Dichter und Anmerkungen) klar und zweckmäfsig sind, kann die
Sammlung namentlich dem weiteren Leserkreise empfohlen werden. Für
90 Nene Philologische Rundschau Nr. 4.
die Zwecke der Schule wäre eine schärfere Unterscheidung zwischen
den grofsen und den kleineren Dichtern zu wünschen gewesen; doch ist
das Buch in seiner Beichhaltigkeit auch für die Oberstufe sehr wohl
verwendbar. Einen besonderen Beiz erhalten die Anmerkungen durch
gelegentliche Hinweise auf französische und deutsche Dichtungen, die
ähnliche Stoffe wie Qedichte der Sammlung behandeln.
55) 0. Gkuizmann, Lehrbuch der französischen Sprache auf
Grandlage der Handlung. I. Stufe. Berlin, Beuther & Bei-
chard, 1902. X u. 161 S. 8. g^eb. Jf 1.70.
Wie der Titel sagt, bildet die Handlung die Grundlage des Lehr-
verfahrens, dem das vorliegende Buch angepafst ist. Die Art und Weise,
wie die verschiedenen Tätigkeiten einer Handlung sprachlich dargestellt
werden, erinnert an die Beihenbildung des bekannten Franzosen Gouin.
Die einzelnen Lektionen bestehen aus fünf Teilen. Der erste Teil
enthält die Handlung in Form einer einfachen Erzählung. Die Texte der
ersten acht Lektionen sind auch in Lautschrift gegeben. Der folgende
Abschnitt gibt in Frageform eine Erweiterung des in dem ersten Teil
vorgeführten Sprachstoffes. Durchweg ist der Wortvorrat der Sprache des
täglichen Lebens entnommen. Im dritten Teil findet sich eine Anleitung
zur Verarbeitung der betr. Lesestäcke. Als vierter Teil folgen gramma-
tische Belehrungen, in deren Mittelpunkt das Verb steht. Mit Beoht ist
hier (fBr die Unterstufe) verzichtet worden auf die Einübung des Kon-
junktivs, der in der einfachen Bede selten ist, und des passä döfini, das für
die nord&anz(ysische Umgangssprache als gänzlich ausgestorben anzusehen
ist; das Tempus der Unterhaltung, soweit sie sich nicht im Präsens be-
wegt, ist heute das Perfekt. Den fünften und letzten Teil bilden kleine
Lieder^ Kinderreime, Bätsei, Gedichte und Erzählungen.
Einige Fehler und Ungenauigkeiten , die mir beim Durchlesen der
Texte aufgefallen sind, m(^en hier erwähnt werden. Falsch sind die Ab-
kürzungen Mlle., p. e. und s. v. pl. Der Franzose schreibt Mlle (ohne
Punkt), p. ex. und s. v.p. Man sagt nicht poseg des ordres, sondern dannejs.
Statt la veste (S. 17) ist le veston gebräuchlicher. Die Schulstunde
ist fälschlich legon genannt; une le9on de franfais ist eine französische
Privatstunde; es mufs cUzsse de fran9ais u. s. w. heilsen. Der Lehrer
sollte nicht immer mit maitre gegeben werden, weil an den höheren
Schulen keine maitres, sondern professeurs unterrichten. Ein gröberes
y^
Neae Pbilologiwhe Bnndiohm Kr. 4. 91
Versehen findet sich S. 103 und S. 113: poser Tfehelle vers an arbre
statt con^e. Zu tadeln ist auch, dafs nicht immer die französischen
Verhältnisse zu Grunde gelegt sind. So heifst es S. 67, dafs die Haupt-
mahlzeiten le döjeuner, le diner, le souper sind. Ein souper gibt es für
den Franzosen nur in AusnahmeMlen ; die regelmftTsigen Mahlzeiten sind
le petit d^jeuner, le döjeuner, le dIner, und zwar wird das diner nicht,
wie es S. 60 heifst, ä midi eingenommen, sondern um 6 oder 7 Uhr abends.
Die Namen der Wochentage (S. 63) sind in unrichtiger Beihenfolge
aufgeführt; nicht mit dimanche, sondern mit lundi beginnt die fran-
zösische Woche.
Alles in allem genommen, mufs das Buch eine tfichtige pädagogische
Leistung genannt werden. Es wird sich im Unterricht ohne Zweifel gut
bewähren. Für die Fortsetzung seines ünterrichtswerkes empfehle ich
dem Verf. dringend, sich die Mitarbeit eines gebildeten Nationalfranzosen
zu sichern.
Altona-Ottensen. H
56) F. Koldewey, FranzösiBche Synonmyik für Schulen.
4. Auflage. Wolfenbüttel, Julius Zwifsler, 1902. IV u. 22 S. 8.
J( 2.—.
Das sich so anspruchslos gebende Buch ist in seiner vierten Auflage
mit aufrichtiger Freude zu begrüfsen; neues Lob dem wohlverdienten
alten hinzuzufagen erscheint zwecklos. Die neue Auflage unterscheidet
sich von der vorhergehenden „nur durch einige unbedeutende Zusätze und
Verbesserungen, ohne dafs die Zahl der synonymischen Gruppen dadurch
yerändert worden wäre'^ Diese 564 synonymischen Gruppen, die in der
alphabetischen Folge der deutschen Wörter aufgeführt sind, bieten dem
Schüler der oberen Klasse in übersichtlicher und zuverlässiger Weise alles,
was er braacht, und werden auch dem Studierenden und dem Lehrer
willkommen sein. Die etymologischen Zusätze sind sehr dankenswert,
wenn sich vielleicht auch über die Zweckmäfsigkeit, ungewisse und zweifel-
hafte Abstammungen anzugeben, streiten liefse. Das französische Register
am Schlufs ist gut und praktisch. Die Zahl der Druckfehler ist gering,
die Anordnung und Ausstattung gut. Eins möchte ich aber in der nächsten
Auflage abgestellt sehen: „... mit und ohne nähere Bestimmung''
(S. 52), „. . . mit, oder . . . ohne den Namen . . /' (S. 72) soll der Schüler
vermeiden, also auch das Buch, das für ihn bestimmt ist.
Nanen. . L. Frtei.
92 Nene Philologisehe Bundaohau Nr. 4.
57) Webster's International dictionary of the English lan-
gnage being the authentic edition of Webster's nnabridged
dictionary, comprising the issues of 1864, 1879 and 1884 tho-
roughly revised and mach enlarged under the sopervision of
Noah Porter D. D. LLD. With a voluminoas appendix, and
a Supplement by W. T. Harris, Ph. D. LLD. XGVIII n.
2249 S. dreispaltig. London, George Bell & Sons and G. & C.
Merriam & Co. Springfield, Mass. U. S. A., 1902. Cloth 31 sh.
Der „grofse Webster ^S ein wahres Biesenwerk der Lexikographie,
wurde zum erstenmal 1828 von der Hand des damals siebzigjährigen
Dr. Noah Webster in der bescheidenen Form eines „American dictionary
of the English language*' an die öflfentlichkeit gebracht — am Vorabend
des 75jährigen Jubiläums tritt es in neuem, weit vollkommeneren Ge-
wände vor ein Weltpublikum.
Die vielen ständig vermehrten und verbesserten Neuauflagen von
1840, 1843, 1847, 1859, 1864, 1879, 1884 (später 1890 und jetzt 1902)
hatten dem Werk allmählich einen so hohen Grad der Vollkommenheit
und eine solche Verbreitung gesichert, dafs die 1890 vorgenommene Umtaufe
des Wörterbuches in „International dictionary of the English langtiage^'
nicht blolB eine hohle Phrase oder ein schreiendes Aushängeschild war,
vielmehr ein durch die Geschichte des Buches wohlberechtigter TiteL
Der Webster hatte sich allmählich den Weltmarkt erobert. In der rich-
tigen Überzeugung, dafs ein solches Werk nur dann seinen vollen Zweck zu
erffillen im stände wäre, wenn es mit gleichem Nutzen in Grofsbritannien
wie in Amerika, in Australien wie in Indien und Afrika herangezogen
werden könnte, haben sich Verleger, Herau^eber und Mitarbeiter ihre
Ziele so weit gesteckt wie nur möglich und aus praktischen Gründen an-
gängig, und haben in ernstem, gewissenhaftem Streben den gesamten
englischen Wortschatz in ihr Bereich gezogen. Der Londoner, der eine
Geschichte von Bret Harte liest, und Aufklärung braucht über die üm-
gangsprache der kalifornischen Minenbezirke, sollte ebenso auf seine Rech-
nung kommen, wie der Kaufmann in Melbourne, der sich über die
Usancen der New Torker Effektenbörse orientieren will.
So war der Webster in erster Linie für die englischsprechende Welt
bestinmit und geeignet. Aber bald erkannte man auch in anderen Län-
dern, vor allem in Deutschland, seinen Wert für rein praktische wie für
wissenschaftliche Zwecke. Das Werk hat sich auch bei uns mit Becht
y>
Nene Philologkehe Rnndfleh«! Nr. 4 98
einer steigenden Benntzang zu erfreuen gehabt und sich als eiae wert-
volle, vielfach unentbehrliche Ergänzung zu einheimischen Wörterbüchern
erwiesen und bewährt. Ich verweise nur auf die sachverständige Be-
sprechung von Zupitza in Herrigs Archiv 86, 419.
Seine hervorragende Stellung unter den lexikalischen Werken der
Gegenwart verdankt auch die jetzige „20. Jahrhundertausgabe ^^ einmal
der Tatsache, dafs man sich mit lobenswertem Eifer bem&ht hat, alle
neuen Errungenschaften der Sprachwissenschaft, mehr noch als bisher dafür
nutzbar zu machen, und ferner dem Umstand, dafs sie gleichen Schritt
gehalten hat mit dem Wachstum der Sprache während des letzten Jahr-
zehnts. Zahl und Namen der fitchmännischen Mitarbeiter bürgen des
weiteren dafar, dafs Verleger und Herausgeber kein Mittel unversucht
gelassen haben, das Werk auf die Höhe der Forschung und der Voll-
ständigkeit zu bringen. Wenn sich trotzdem das eine oder andere aus-
setzen läfst, so ist das bei einem Werke von solch gewaltigem Umfang
schliefslich nicht verwunderlich und kann auch kein ernster Tadel sein,
und wenn ich im folgenden einige Verbesseruogen beibringe, die sich mir
bei der Vornahme von Stichproben aufgedrängt haben, so tue ich das in
der Hofifoung, dafs sie auf fruchtbaren Boden fallen mögen.
Der in der Einleitung enthaltene Abrifs der Geschichte der englischen
Sprache ist jetzt von Eittredge durchgesehen worden und hat dadurch
entschieden an Wissenschaftlichkeit gewonnen. Trotzdem kommt nicht
immer alles klar oder genau genug zum Ausdruck, wie z. B. bei der
Behandlung der fremden Volkseinflfisse im Altenglischen. Nach der bahn-
brechenden Untersuchung von Fogatscher (Zur Lautlehre der griech.,
lat. und roman. Lehnworte im ae., Strafsburg 1888) sind wir jetzt ziemlich
unterrichtet über die drei Schichten lateinischer Lehnwörter im ae., die
auch in einer popularisierenden Darstellung wie im Webster deutlich au»-
einandei^ehalten werden können und müssen. Mac Gillivray's fleifsige
und methodische Arbeit „The inflnence of christianity on the vocabulary
of Old English (Morsbachs Studien zur engl. Philologie VHI, Halle 1902),
die sich mit der letzten Schicht lateinischer Lehnworte befafst, wird auch
in Zukunft nicht umgangen werden dürfen. Dagegen hätte Björkman*s
grundlegende Untersuchung der Scandinavian loan-words in Middle-English
(Morsbachs Stud. z. engl Phil. VIII, Halle 1900) verwertet werden sollen.
Dann hätte das Publikum erfahren, dafs auch bei den altnordischen Lehn-
wörtern mehrere Schichten zu unterscheiden sind, und es wäre nicht der
94 Neue Philologieche Rundschau Nr. 4.
zum mindesten schiefe Satz stehen geblieben: „English words which are
found in the Scandinavian idioms, and are not foond in the earlier Anglo-
Saxon or other low Germanic idioms, we may naturally snspect to have
come in by this Channels dem BjOrkman den methodisch präziseren gegen-
flberstellt: „If a word in English has a form which cannot be explained
by means of internal English soand-laws, bat which is easily accoonted
for by assnming a Scandinavian orgin, we are, for the most part, entitled
to consider the word in question a Scandinavian loan-word/* — Die alte
Einteilung des Englischen bis etwa 1500 in angelsächsisch, halbsächsisch,
altenglisch und mittelenglisch sollte zu gunsten von altenglisch s=s ags.,
mittelenglisch (frflhme., zentralme., spätme.) jetzt endlich aufgegeben wer- '
den. — Bei der Textprobe aus dem Omnulnm erwartet auch der Laie
eine knappe Erläuterung der eigentfimlichen Schreibweise u. a. m.
Die Einleitung enthält weiter ein Kapitel fiber „Indo-germanic roots
in English 'S ansffihrliche Bemerkungen über die Aussprache, von denen
schon Mher die „Synopsis of words dififerently pronounced by different
orthoSpists^' besonderen Beifall auch bei den Fachgelehrten gefunden hat,
und schliefdich auch über die Orthographie. Die Schreibung o fflr oü (me.
Ott [ü]) in französischen Lehnwörtern wie honor, labor, favor, die Webster
bekanntlich, ohne damit in England nennenswerten Beifall zu finden, ein-
geführt hat, ist auch in der neuen Auflage beibehalten. Die darin
liegende völlige Yerkennung des etymologischen Prinzips hat schon Stör m.
Englische Philol(^e* 528, gerügt.
Der Kern des Werkes, das Wörterverzeichnis, das nicht weniger als
1681 dreispaltige Seiten füllt und durch ein ganz neues Supplement von
238 Seiten am Ende des Werkes noch um 25000 Worte vervollständigt
wird, hat gegen früher eine wesentliche Bereicherung erfahren, wissen-
schaftliche (besonders botanische und zoologische), technische, Dialekt-,
Slang- und Fremdwörter sind in grofser Zahl hinzugekommen. Aber
manche sucht man trotzdem vergebens. Von deutschen Fremdwörtern im
Englischen vermisse ich noch ,y Festschrift" (z. B. Academy nr. 1448,
3 feb. 1900 und An English Miscellany, Oxford 1900, S. 494), „LeÄ-
motif (z. B. Kyd's works ed. by Boas, Oxford 1901, S. xiii) und „Kanelei-
stW (z. B. Freemann, Hist. of the Norman Gonquest 1867, Appendix,
S. 602). — Femer fehlt „Fing Pong'' und die Schreibung Xmas far
„Christmas" ^). — Wenn, was nur zu loben ist, auch me. Autoren wie Claucer
1) Nachtraglich finde ich auf Gnmd meiner Notizen, daÜB auch folgende Wörter
y^
Nene Philologisebe Rondiohau Nr. 4 95
und Oower mit ihrem Wortschatz herangezogen werden und z. B, to lese
aus ihnen belegt wird, so kann man mit gleichem Becht auch andere
Wörter verlangen. Wo ist da die Grenze? — Während von dialektischen
Wörtern z. B. ne. dial. soa, soe = Eimer gegeben wird, fehlt ne. dial. leace
(Yorkshire); ich finde nur hoose, was dasselbe bedeutet „stall or crib for
a horae or cow". — Herr Dr. Gustav Krueger-Berlin hatte die
Freundlichkeit, mich darauf aufmerksam zu machen, dafs der Slangausdruck
y,al1rfvred^^ z. B. in they were some aU-fired pretty girls^' fehlt, sowie
eine Bedeutung des Wortes „gauntry", nämlich för einen Bauzaun, der
erst senkrecht und dann schräg in die Höhe steigt, um die Passanten vor
herabfallenden Steinen zu schützen. — Dafs ein falsch angebrachtes Scham-
gefühl vielfach obszöne Wörter ausgeschlossen hat, vermag ich nicht als
einen Vorteil anzusehen. Lexikalische Werke, die nicht der Jugend in
die Hand gegeben werden, sollten darüber erhaben sein.
Die Erklärungen von Wörtern sind nicht immer treffend genug:
wenn es von „triplei" heifst „three verses rhyming together", so ist damit
das Wesen der Terzine nicht erklärt. — DieEtymologieen haben wieder
in der Neuauflage gewonnen. Sehr zweckmäfsig würde es mir scheinen,
wenn man späterhin bei altenglischeo , dialektisch verschiedenen Formen
diejenige kursiv drucken würde, auf die die neuenglische Form zurück-
geht. — Mit den synonymischen Erklärungen wird ein Deutscher
oft herzlich wenig anfangen können, man vergleiche z. B. das über base im
Verhältnis zu vile und mean gesagte.
Von aufserordentlichem Nutzen sind die durch das ganze Buch ver-
streuten 5000 Illustrationen, wenngleich auch manche besser sein könnten
und man bisweilen noch mehr wünscht; während man z. B. auf den 80 Seiten,
die nur mit Bildern ausgefüllt sind (1929 — 2009), an 25 Abbildungen
von Segelbooten und Segelschiffen findet, ist kein einziges Bild eines
Dampfer- oder Eriegsschifistypes vorhanden.
Der Appendix zum Wörterbuch enthält noch ausführliche Verzeich-
nisse von Personen und Orten in der Literatur, wo der „grandöldmtm"
vielleicht noch hinzuzufügen wäre, von biographischen, geographischen und
Taufnamen, von griechischen, lateinischen und biblischen Eigennamen
alle mit Angabe der Aussprache und schliefslich noch ein Verzeichnis von
fehlen: „newspaperiam" z. B. Edinburgh Bevier 1900 jan. s. 77. Von deutschen
V^örtem yerwendet Thackeray in Vanity Fair s. 20 „Sehnsucht nach der IAd)e",
Matth. Browne in Chancer^s England, Bd. I 144 „The lawa of Schwärmerei".
96 Nene RiilologiBohe BnndBchan Nr. 4.
Zitaten, Sprichwörtern u. s. w. aus dem Oriechiscben, Lateinischen und
aus modernen Sprachen u. a. m.
Alles in allem ist der Webster auch in seiner neuen (Gestalt ein
höchst nützliches und in Anbetracht der Fülle des Gebotenen auch ein
recht billiges Buch.
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Bestellangen nehmen alle Baehhandlnngen, sowie die Postansialten des In- nnd Anslandes ao
Insertionsgebflhr flir die einmal gespaltene Petitseile 80 Pfg.
Inhalt: Bezensionen: 56) N. Wecklein, Die kykliache Thebais, die ödipodee
nnd der Ödipos des Enripides (W. Richter) p. 97. — 69) H. Smolka, Tadtl
Areola (Ed. Wolff) p. 98. — GO) H. Weil, Etndes de litt^ratnre et de rythmiqne
grecqnes (J. Sitzler) p. 99. — 61/62) M. £. Gans, Psychologische Untennehiuig
zn der Ton Aristotel^i fiberlieferten Lehre von den Idealzahlen; P. BoTet, Le
Dien de Piaton (E. Linde) p. 101. — 68) H. Tan Herwerden, Lexicon Grae-
cnm snppletorinm et dialectioam (Schlnls) (Ph. Weber) p 104. — 64) £. Dann-
heifser, Corneille, Le Cid (Drees) p. 113. — 65) G. Stier, Petites Canseries
firan9ai8e8 (K. Engelke) p. 114. -- 66) M. Enneccerns, Versban nnd gesang-
licher Vortrag des ältesten französischen Liedes (6. Röttgers) p. 115. — 67) H. Gaf s-
ner, W. Scott, Kenilworth (-i-) p. 118. — 68) Ed. Sokoll, Kipling, Three
Mowgli-Stories (A. Herting) p. 118. — 69) Der alte Orient. 4. Jahrgang. Heft 2.
(R. Hansen) p. 119. — Anzeigen.
58) N. Wecklein, Die kyklisohe Thebais, die Ödipodee und
der ÖdipuB des EnripideB. München, 0. Franz. 8. Sep. A.
In den Sitzungsberichten der philos.-philol. und der bist. EI. der kgL
bayer. Ak. d. Wi8& 1901 Heft V veröffentlicht Wecklein eine Studie,
die (S. 661—683) wertvolle Beiträge zur Bekonstruktion zweier Epen des
thebischen Eyklus liefert Derselbe komnott in seinen Untersuchungen zu
dem Resultate, dafs die Thebais das Schicksal des ganzen Labdakiden-
geschlechts von der Missetat des Laios, der Entf&hrung des Chrysippos,
an bis auf den Wechselmord des Eteokles und Polyneikes und insbeson-
dere die sikyonische, also ältere Version der ödipussage erzählt habe,
während der ödipodee die jüngere, die korinthisch-delphische Version dieses
Mythus zufoUe. Mag dies auch im grofsen ganzen richtig sein, so erheben
sich doch gegen die Ausführungen und den Aufbau im einzelnen so schwere
Bedenken, dafs wir auf eine etwas nähere Besprechung dieser ganzen
Frage an anderer SteUe eintreten müssen. In einem zweiten Abschnitte
(S. 683—688) sucht WecUein in ansprechendster Form den Odipus als
d8 iKend Phäologische ftnndschan Nr. 5.
Sonneogott zu erweisen. Warum hat er aber Ubergs Einwände gegen
diese Deutungsversuche gar nicht berücksichtigt? Endlich (S. 689—692)
will Wecklein durch eine neue Interpretation der bildlichen Darstellung
einer etruskischen Aschenkiste die Erklärung der rätselhaften Handlung
der Tragödie ödipus des Euripides gewinnen. Die Deutung ist sehr fein
ersonnen; dafs aber in den Fragmenten, die von dem Glück einer guten
Frau und dem Unglück eines schlechten Weibes für den Mann reden,
lokaste das gute und Periböa das schlechte Weib sei, glauben wir nicht.
Schaffhausen. Woldemar Rlohter.
59) Des F. Cornelius Tadtus Lebensbeschreibung des Julius
Agricola. Für den Schulgebrauch herausgegeben von Heinrich
Smolka. Mit einer Abbildung und einer Karte von Britannien.
Leipzig, G. Freytag, 1902. 52 S. 8. Ji -.60.
Über die bei der Textgestaltung dieser Schulausgabe befolgten Grund-
sätze äufsert sich der Herausg. im Vorwort sehr unbestimmt: es liege
„im allgemeinen^' der Text von Joh. Müllers Tacitusausgabe zu Grunde,
der er jedoch nicht „auf Schritt und Tritt'' gefolgt sei. Tatsächlich
weicht S. sehr oft und grofsenteils mit Becht von J. Müller ab, auch in
der Interpunktion (von der schulmäfsigeren Orthographie abgesehen), und
bevorzugt, wenn er die Überlieferung verlassen zu müssen glaubt, Kon-
jekturen älteren und neueren Datums, von Puteolanus, Bhenanus, sowie
von Wex, Urlichs, Halm, Eitler, Kraffert, Weidner u. a. Zu billigen sind nament-
lich folgende (von J. Müller abweichende) Lesarten: 16, 10 proprius, 16, 12
quisgue (Nipp.), 22, 16 et erat ut (Henrichsen), 25, 4 iimebat (Bitter),
33, 7 virtute vestra, auspiciis, 37, 17 appropinquaverunt, identidem,
38, 5 consilia aliqua, 39, 10 occuparet; cetera, 44, 15 sicuti non licuit
durare, auch 11, 12 oe; (Gudeman) swperstUi(mum persuasiones (Kuperti,
Glück). Von anderen Stellen gilt das Gegenteil: 8, 3 öbseguii (Bitter),
9, 23 eligit (Bhenan.), 17, 8 öbruisset, sustinuitque (es geht ein irrealer
Satz voraus, daher „que" nicht wohl adversativ zu nehmen ist), 38, 8
mox ad aguandum atque utilia raptum, 43, 6 nöbis nihil comperti: nihil\
femer ist kein Grund vorhanden, der Form TJsipii (B) 28, 1 u. 32, 20
den Vorzug vor Usipi (A) zu geben. Leider hat S. von Weidner sehr
verkehrte Lesungen übernommen: 6, 16 t error et silentium; 20, 3 per-
tempia/re 20, 11 eae, 32, 21 cdUmia et u. a. m. Die Emendation 15,
7 nunc (statt moMiis oder m<mum halte ich dagegen für die beste der
•^
Keue Philologische Smidschan Nr. 5. 99
bisher versnchten; durch sie wird der Oegensatz zu „olim^^ in drei fast
gleich grofsen Satzgliedern mit nachdrflcklicher Anaphora gat dnrchgef&hrt,
mag auch das letzte mmnc nicht in ganz demselben Sinne gemeint sein
wie die beiden ersten.
Einige bisher nur nach Vermutung emendierte Stellen des Agvicola
dürfen seit dem Bekanntwerden der Toledaner Handschr. (aus dem Ende
des 15. Jahrh.) als ziemlich sicher geheilt betrachtet werden. Leider hat
sich S. um die doch schon vor zwei Jahren erfolgte Publikation 0. Lenzes,
scheint es, ebensowenig bekümmert wie um dasjenige, was seitdem An-
dresen, Oudeman, Noväk u. a. über jene Fragen geschrieben haben; ver-
mutlich hätte er sonst mehrere Stellen anders gestaltet. Ich denke dabei
namentlich an 13, 12 audor aperis (Puteol., bestätigt durch cod. ToL);
21, 5 latuUmdo promptos, castigtmdo segnes (ohne eQ; 25, 17 cedendum;
26, 8 nananis (st. Ramanis); 36, 4 gactkaor Batavorum; 38, Idprae-
ledo\ vielleicht auch 17, 8 subiü susHnuüque\ 6, 11 ac sciacium und
30, 15 oc Sdxa.
In der Einleitung steht viermal wiederholt famaZodunum; auf der Karte,
die viel fiberflüssige und zweckwidrige Namen hat, liest man TrinobatUes,
im Text das richtige Trinovantes; 30, 13 1. in hunc diem. Die ersten
Sätze der Einleitung, in denen der Herausg. die besondere Art und Sich-
tung der römischen Geschichtschreibung aus dem römischen National-
charakter zu begründen sucht, treffen meines Erachtens nicht ganz das
Bichtige, mindestens ist die Ausdrucksweise nicht glücklich gewählt und
geeignet, Mifsverständnisse hervorzurufen.
Frankfurt a. M. Eduard Wolff.
60) H. Weil, Etudes de littöratore et de ryfhmique grecqueB.
Textes littäraires sur papyrus et sur pierre. Bythmique. Paris,
Hachette et Comp., 1902. VI u. 242 S. 8. fr. 5.
Der Verf. stellt in dem vorliegenden Bande eine gröfsere Zahl von
Aufsätzen und Abhandlungen zusammen, die er während einer langen
Beihe von Jahren — der älteste Aufsatz stammt aus dem Jahre 1855 —
in verschiedenen Zeitschriften veröffentlicht hat Es sind durchweg Ar-
beiten, die auch jetzt noch für die wissenschaftliche Forschung wertvoll sind.
Dafs sie der Verf. jetzt der Benutzung zugänglicher macht, verdient Dank,
um so mehr, als er sie nicht einfach zum Abdruck bringt, sondern auch
dem jetzigen Stand der Forschung entsprechend abändert und berichtigt.
iOÖ Üene Philologische t^nndschau itr. i.
Der erste Teil enthält im ganzen 15 Aufsätze, die sich mit auf Papyrus
oder Stein erhaltenen literarischen Texten beschäftigen, welche im Laufe
der letzten Jahre veröffentlicht wurden. Sie tragen die Übersch^ften ;
Un fragment de tragMie (=s GrenfeU and Hunt, The Amherst Papyri
Part. II [1891], Nr. 1), Fragment d*un drame satyrique d'Euripide (= ebenda
S. 60), Un chcBur d'Aristophane (= Vögel 1057—1085 und 1101—1127),
ün nouveau prologue de com^die (=s Papyrus von Strafsburg, veröffent-
licht von 0. Eaibel in Nachr. d. Oött. OeseUsch. d. Wiss. 1899, S. 649
und von B. Beitzenstein in Hermes 1900, S. 622), ün fragment öMgiaque
(= Oxyrhynch. Pap. I [1898], S. 77), ün P6an delphique ä Dionysos,
Le P&n d'Aristonoos, Premier hymne delphique accompagnj de notes
musicales, Deuxi^me hymne delphique accompagn^ de notes musicales,
ün mime d'Hörondas (= 8. Mimus: der Traum), La plainte d*une amante
däaiss^e (=s An Alexandrian erotic fragment and other greek papyri
chiefly ptolemaic ed. by P. Orenfell, 1896), La Ninop^die (= Ninus-
Boman, veröffentlicht von Wilcken in Hermes 1893, S. 161 f.), Les champs
maudits (aus GrenfeU and Hunt, Egypt exploration fund, 1900), ünpoite
Äthiopien (veröffentlicht von Mahaffy and Sayce in Bullet, de corresp. hell.
XVIII, 150 und Bev. des 6tud. gr. 1894, S. 284) und lia lägende d'l^sope.
Neu sind unter diesen Abhandlungen die Aber den Ninus-Boman und die
Aber den Strafsburger Komödien-Prolog. In der letzteren weist H. Weil
treffend die Folgerungen zurück, die B. Beitzenstein daraus Aber Ein-
richtung und Beschaffenheit der Komödien-Prologe ziehen wollte.
Der zweite Teil beschäftigt sich mit der Metrik, Bhythmik und
Musik der Alten. Er bringt folgende Au&ätze: Le nombre et la r^par-
tition des levös et des frapp^ dans les mesures de la musique des anciens,
Note sur le genre p4onique, Les Bythmiciens grecs. Varron et St Au-
gustin. Le trim&tre lambique, Note sur un passage d'Horace (= ärs poet.
251 f.), Les antipastes, Les dochmiaques, Note sur un choeur dochmiaque
d*Ettripide (ss Fragm. des Orestes mit Noten), Aristide Quintilien. La
valeur de ses thöories, Les mötriciens. La thterie de la filiation des
m^tres, Les prötendus logaMes, La division traditionnelle des vers lyriques,
La valeur des syllabes longues et braves dans les vei*s lyriques, La vraie
mesure des faux logaMes. Dem hymnes delphiques, La m^trique de
Christ, Anapestes et anapestes replite, La correspondance antistrophique
und De re metrica poetarum latinorum.
Der Bedeutung nach stelle ich den zweiten Teil noch Aber den ersten.
-^
Nene Fbilologiaehe Bnndiohaa Nr. 5. 101
Man weifs, wie sehr die antike Metrik und Rhythmik daranter za leiden
hatte und noch zu leiden hat, dafs noan die modernen musikalischen An-
schauungen ohne weiteres auf sie fiberträgt. Welcher Mifsbrauch wurde
und wird noch, um von anderem zu schweigen, nicht mit der Bezeichnung
LogaOden und kyklischen Daktylen getrieben? H. Weil gehOrt zu den
Gelehrten, die demgegenfiber immer ffir die Auffiissung der Alten ein-
getreten sind, und er geniefst jetzt die Freude zu sehen, wie die von
ihm vertretene Richtung in immer weiteren Kreisen ffir richtig gehalten
wird — eine Wahrnehmung, die zu der Hoffnung berechtigt, dab wir
doch noch eine „antike'', d.h. eine auf den Lehren der Alten beruhende
Metrik erhalten werden. Freilich ist die Arbeit bei der ünvollst&ndigkeit
der Überlieferung eine aufserordentlich schwierige; viele Fragen werden
nur hypothetisch gelOst werden können. In der Auffassung der Glykoneen
(=6 + 6 Zeiten) hat der Verf. unzweifelhaft recht; dagegen kann ich
ihm nicht beistimmen, wenn er die Hauptikten des Trimeters auf die
ungeraden Yersffifse gelegt wissen will. Die Überlieferung spricht ffir die
geraden VersfQfse, und die Stelle des Aristides Aber den diixrvlog xord
Xaiißav (== iambische Dipodie): aiiyxeiTai k^ idfißov d'iaetog xal Idfißov
ÜQa&og kann diese nicht widerlegen. Dies erkennt auch Blafs Bakchyl.*
S. 50 an, der das Zeugnis des Aristides nur f&r den metrischen ddKTvlog
wnä Xa^ßov in Anspruch nehmen will. Ich glaube, dafs Aristides nur
eine Definition des Diiambos gibt, ohne fiber seine Betonung im Verse
etwas auszusagen. Im Seikelos-Lied ist bekanntlich der zweite lambos mit
Punkten versehen; dafs man aber die Senkung mit Punkten bezeichnet
habe, ercheint mir unwahrscheinlich trotz dem Anonymus Bellermanni:
il fiip ohf &iaig aij^atVerat, 8vav äTtkOv zd aiyieiov Sotihtov y^ olov |-,
^ de ädci^g^ Stav iaviyfiipoVi (ohv i-). Ist hier nicht d^iaiQ und üquiq
im späteren Sinne gebraucht?
Tauberbischofrheim. J. Utslar.
61/62) H. E. Gans, Psychologische Vntenuöhimg ^ der
von Aristoteles als platonisch fiberlieferten Lehre von den Ideal-
zahlen aus dem Oesichtspunkte der platonischen Dialektik und
Ästhetik. Wien, 1901. (Programm der Staats-Ober-Oynm. im
XVII. Bezirk.) 46 S. 8.
102 Nene PhilologiBobe Rnndschan Nr. 5.
Pierre Bovet, Le Dieu de Flaton d^aprte Fordre chrono-
logiqne des dialogaes. Th&se. Qen^ve, H. Efindig, 1902.
186 S. 8.
Beide Werke haben insofern etwas Gemeinsames, als ihre Verfasser
bemfiht sind, schwierige Fragen der Platonischen Philosophie zu lOsen,
ohne dafs es ihnen jedoch gelangen ist, zu einem sicheren und unanfecht-
baren Resultate zu gelangen; trotzdem muls der Versuch dankbar an-
erkannt werden, und die beiden Schriften verdienen es, gelesen und durch-
dacht zu werden.
M. E. Gans sucht zwischen der Zahlenmetaphysik der Pythagoreer,
der sich, wie wir aus Aristoteles wissen, Piaton in der letzten Zeit seines
Schaffens zuwandte, und seiner Ideenlehre einen psychologischen Zusammen-
hang nachzuweisen und stellt deshalb, da dieser Übergang des Philo-
sophen vom Begriffe zur Zahl aus rein logischen Gesichtspunkten sich nicht
erklären läfst, alle psychologischen und kulturgeschichtlichen Bedingungen
eingehend zusammen, „welche es erm(^glichten, dafs in den hervorragendsten
Geistern einer bedeutsamen Zeit die gesunden Keime exakten Wissens so
abenteuerliche Blfiten metaphysischer Spekulation treiben konnten '^ Dem-
entsprechend wird zuerst nachgewiesen, welche erkenntnis- theoretischen
Elemente für die Ausbildung der Zahlenlehre der Begriffslehre Piatons zu
Grunde liegen. Dabei kommt in erster Linie in Frage der Übergang des
Philosophen . von der Ethik zur Mathematik, der sich schon im Gorgias
beobachten läfst, wenn auch die völlige Übernahme der mathematischen
Grundlagen des Pythagoreismus erst der späteren und spätesten Zeit des
Platonischen Forschens angehört. In einem zweiten Abschnitte wird da-
nach der ästhetische Charakter der Platonischen Zahlenlehre erörtert und
die Beziehungen des ästhetischen Denkens des Philosophen speziell zu
seiner Zahlenlehre dargelegt, wobei, wie im ersten Abschnitte Piatons
mathematischen Studien, jetzt seine Beschäftigung mit der Musik und
der Theorie der Tonkunst und Kunst überhaupt im Sinne der Alten
erläutert wird, um Piatons „Glauben an die der flüchtigen Erscheinung
zu Grunde liegende, ausgleichende und schönheitwirkende Kraft der Zahl
an sich^* zu erklären. Stellen aus den Werken des Meisters werden heran-
gezogen und dann der Dialog, in dem „die ästhetisch -rationalistische
Grundstimmung des Platonischen Geistes ihren klarsten und umfassendsten
Ausdruck findet ^S der Philebus, eingehend analysiert In einem dritten
Abschnitte werden die wichtigsten Momente der Zahlenlehre, wie sie uns
^
Nene Philologische Rnndschan Nr. 5. 108
durch Aristoteles übermittelt sind, hervorgehoben und mit dem Erörterten
in Einklang gebracht.
Man siebt aus allem, dars Verf. der Zahlenlehre im Systeme der Pla-
tonischen Philosophie eine grofse Bedeutung beilegt, eine gröfsere als ihr
vielleicht beizumessen ist (vgl. Zeller, Philos. d. Griechen, 4. Aufl., U, 1,
S. 685). Auch dürfte, wenn man die Zahlen nicht blofs als den sym-
bolischen Ausdruck ansehen will dafür, dafs „in dem Wirklichen Einheit
und Vielheit organisch verknüpft sein müssen (Zeller a. a. 0.)*S sondern
als selbsttätige, im metaphysischen Sinne völlig indivualisierte „ Monaden ^^
auffafst, die psychologische Grundlage für diese Lehre durch einen Hin-
weis auf den Entwicklungsgang der Platonischen Philosophie kaum
genügend erklärt sein; die Frage wird nicht zu lösen sein, ohne zuvor
die Grundgedanken des älteren Pythagoreismus genetisch entwickelt und
erklärt zu haben, in welcher Beziehung wir auch noch nicht über den zwar
geistreichen, aber doch immerhin gewagten Versuch W. B. Bidgeways
(Glass. Beview X, 1896), dafs Pythagoras durch die Beobachtung der
mathematischen Gestalt natürlicher Kristalle zu der Meinung, die Welt
sei aus Zahlen aufgebaut, veranlafst sei, hinausgekommeu sind.
In der sorgfältigen und anregenden Studie ist zu tadeln die durch-
gehends gebrauchte Schreibung Pythagoräer, Pythagoräismus u. s. w. statt
Pythagoreer (Tlvd^ayögeioi) ; in der Schreibung des Namens wird zwischen
Piaton und Plato gewechselt; es möchte sich empfehlen jene überall an-
zuwenden.
Ein nicht minder schwieriges und gleichfalls schon vielfach erörtertes
Thema behandelt Pierre Bovet, indem er das Verhältnis Piatons zur Be-
ligion und zu Gott klar zu legen sucht. Zu diesem Zwecke stellt er in
der Beihenfolge der Dialoge, wie sie Lutoslawski 1897 festgesetzt hat,
alle Stellen, in denen von Gott und den Göttern die Bede ist, sorgßltig
zusammen und kommt zu dem Besultate, dafs in den Dialogen der Ideen-
lehre (Eratylus bis Phädrus) von Gott als dem Schöpfer der Welt und
dem höchsten Wesen in monotheistischem Sinne noch nicht die Bede ist
und erst aus den späteren Dialogen (Sophistes, Politikus, Philebus, Timäus
u. s. w.) sich das Verhältnis Piatons zur Gottheit entnehmen läfst. An-
genommen die Chronologie Lutoslawskis sei richtig, was in manchen
Punkten zweifelhaft bleiben mufs, so ist doch von Bovet zu viel behauptet ;
denn einerseits ist, was Bovet selbst zugibt, ein Gottesbewufstsein und ein
Götterglaube auch in den Ideendialogen nicht zu verkennen; auch fehlt
104 Nene FhOologiflohe Bnndichan Nr. 6.
68 nicht an Stellen, an denen Oott als der Bildner nnd Schöpfer der Welt
angedeutet ist, nnd es ist auch Bovet nicht gelungen, uns fiber sie hin*
weg zu bringen, mehr aber zu sagen, war nicht die Aufgabe und nicht
die Absicht des Philosophen. Anderseits ist auch aus den späteren Dia-
logen keine positive Qotteslehre mit Bestimmtheit zu entnehmen, und es
wird somit auch fernhin schwierig bleiben, zu sagen, was Piaton sich
unter Oott in unserem Sinne gedacht hat, da Piaton selbst es unterlassen
hat, uns fiber die Yermittelung zwischen seinen religiösen Vorstellungen
und seinen wissenschaftlichen Begriffen n&her aufzuklären. Dafs die Idee
des Outen mit der Oottheit identisch ist, was wohl die am meisten ver-
breitete Meinung ist, weist Bovet entschieden zurfick und definiert Oott
als die vollkommenste Seele, vornehmlich deshalb, weil die Seele das
Prinzip des Lebens und der Bewegung ist; wie wir uns aber unter dieser
vollendeten Seele den WeltschOpfer und Weltenbildner {dTjfiiov^ög) vor-
zustellen haben, ist auch bei ihm nicht ersichtlich und durch keine Stelle
belegt
Wird man so auch Bedenken tragen, sich dem Besultate Bovets an-
zuschliefsen, so verlohnt es sich doch der Mfihe, dem Oedankengange des
von greiser Sachkenntnis zeugenden und ungemein anziehend geschriebenen
Buches nachzugehen; man wird die Schrift nicht aus der Hand legen,
ohne reiche Anregung ans ihr empfangen zu haben, und so sei sie hier-
mit dem Studium angelegentlichst empfohlen.
Helmstedt K. Liado.
63) HeiiriouB yan Herwerdeiii Lezioon Oraecnm Bnppletoriam
et dialecticam. Lugduni Batavorum apud A. W. Sithoff,
MDGGGGU. X u. 973 S. 8.
(Schlufo).
Oleich zu An&ng vermisse ich jede Bemerkung fiber a st i} im
tragischen Trimeter, worfiber Burlen eine Dissertation geschrieben hat,
Bonn 1872. — Die Schreibung a 9k. ai begegnet öfter in den Papyri
der Ptolemäerzeit (xo = xcr/, yeyQOTtra s= yiyQaTetai, nt^x^nfumara s=
xBXftifidviaTai). — dßiiMp^ Dis(sertationes) Hal(enses) XH, S. 186. —
äßaqunAv Meister H, Nachträge und Berichtigungen zu S. 241, 5 und
zu S. 264 f.— äßßäg kirchlicher Titel, Ornrhynchus^Pap. 1, 146). — i^i^q
Meister 1, 111 in. — S. v. äßkigc^^ ist Hippokr. hinter ßh^Q^ ^u setzen;
sehr aasfQbrlich bandelt fiber das Wort Oerstenhauer Diss. Hai. XII, 201 ff. —
-^
Neue Philologische Bnndschan Kr. 6. 1Ö5
dyava bei Meister n, 447 liyava, — Zu äyioiim fflge man %ä äpniiva aus
Dem. (Jacobitz u. Seiler). — Die Etymologie Yon äyi^w^og war schon bei den
Alten strittig, deren Ansichten Ebeling in seinem Homerlexikon zusammen-
getragen hat. Eine neue hat Bergk zu Alkm. fr. 122 aufgestellt. —
Ffir dyritdQ und äyrjfcÖQia scheint der Spiritus nicht gesichert. — Das
Med. äyogeöea^ai in der Herodotstelle hat nichts Auffälliges, sobald man
es kausativ fafst zur Bezeichnung der Handlung, die das Subj. in seinem
Interesse vornehmen läfst „ausrufen lassen ^^ — Zu Sygu gibt Meister
I, 174 noch TuxTÜyeei Sapph. 43; 4, 3 (nach Bergk, für das unäolische
naTaQQei). Mehr fiber das Yerbum ebendort 182. — Zu dem meta-
plastischen Uywvov gehört auch die unter „Dativus plur.^^ Abs. 2 extr.
stehende Form dydfvoiQ, ebenso bei Meister H, 60, während ich mir dem
Dialekte von Elis entsprechend dytbqoiq notiert habe ; vgl. indes driftögiog
(S. 939). — Gegen die eleische Herkunft von Uöuqbv erklärt sich Meister
ausdrücklich. Dessen Buch ist überhaupt viel zu wenig ausgenutzt; vgl.
Udeioq II, 249; ddiTciaai I, 180. Sapph. 1, 20 lautet die Überlieferung
ddiTLi^y demnach ist jedenfalls ddi^yu/ju zu betonen; aufserdem ist die Eon-
junktivform ddi^Ti (Meister I, 278) nachzutragen. — Zu dem „verbum
ignotum^^ adixofy geben alle Wörterbücher ddiyuxndq, — at st. ei findet
sich in ägypt. Pap., z. B. ßleipaij eyyaitav. — aifiiovog M. I, 82 {alfiiaifav
findet sich unter den Nachträgen), AiaAodoq I, 83. — diaxofSv in Prosa
noch Her. 3, 69 u. 127 (Pape) und dann wieder Dio Ghrys. (Schmid,
Der Attizismus I, 148). — ätcag Diss. Hai. XII, 204. — aix^fxpdqog
auch D. Hai. 2, 13. — d^eöeiv M. II, 231 und Searles in Studios in
dassical Philology 1898, S. 10 f., ä^gog ebenda; diese Schrift ist, wie der
Artikel dvdT(og zeigt, offenbar gar nicht benutzt. — dKtidla: die Erklärung
von a)tij% Bekk. An. 364, 21. — dfidvdaXog Alk. fr. 123. — Zu Ac-
centus Winer-Schmiedel § 6 und über die merkwürdige Akzentuation in
den Papyri von Oxyrhynchus Liter. Zentralbl. 1898, S. 1076. — Zu Acc.
plur. der 3. Dekl. auf eg gibt Schmid (lY, 19) aus den ägyptischen Ur-
kunden aus dem k. Museum zu Berlin acht Nummern an. — oy als
Endung des Acc. sing, der 3. Dekl. erscheint, aoalog r^v bei den Eigen-
namen auf rig, vereinzelt schon bei den Klassikern, z. B. Jjfjfiritqav PL
Gratyl. 404 b, um später eine ungemeine Verbreitung nicht blofs auf In-
schriften, sondern auch bei den Autoren zu gewinnen. Den zahlreichen
Belegen bei Winer-Schmiedel § 9, 8 füge ich noch aus den Handschr.
von Bonnets Acta Thomae ywatyLOv^ dvyaxiqav^ xAQinav^ X^^Q^'^f X^^~
106 Kene I%ilologiBobe Rnndfiofaan Kr. 6.
fTtirtitctv, Blars allerdings N. T. (§ 8, 1) erklärt sie der Aufnahme
nnwfirdig. — Zu äycT^ÖQ Tgl. auch die Bemerkung Thumbe betreffs des
gef&lschten Dekrets Ober den Musiker Timotheos von Milet (S. 37). —
aXaeit Eenyon. — äldiqy schon im N. T. und bei Dioskorides, Eenyon
Pap. I, 98 (3. Jahrh. n. Ohr ). — Auch älg äfifitaviaycdg ebenda 78. 90
(3. u. 4. Jahrh.) — ciju/ion^mx^y bei Dioskorides — verdient Erwähnung.— äfifia
auch bei Hero v. Alex., hebr. Wort, Th. 103. — Hfifias Th. 112. —
SfMWfiüg auch bei Asch. — tTber das Fehlen von äv beim Potentialis
Schmid lY, 89. av st. -aat auch bei Eirchenschriftstellern. — dva-
diw auch bei PL, daber von Schmid unter die allgemein attischen Wörter
gerechnet; Philostr. II hat es sechsmal — üvalTug auch bei Xen. —
dvaTVBiQuv Mach, bei Ath. 349 c. — dpoTtlsiiecv A. Bb., Opp. u. a., wie aus
Schmids Begisterband ersichtlich, auch bei Phil. II. Hier wird es aller-
dings am richtigen Platze (IV, 391) vermiTst. — d^aggcmnlvai intrans.
Stob. Flor. 7, 53* — Die Dualform äve&hav auf einer choregischen In-
schrift aus Orchomenos (C. I. G. 1580) vermutlich aus dem 1. Jahr-
hundert n. Chr., aber arcliaisierend. — dnonlvuv nach dem Vorgänge
Herodots (4, 70) auch Philostr. 11, B. 253, 20. — äTvonw^Avead^ai auch in
Arriaui Dissertationes Epicteteae. — äTtoaqxilXead^ai. Her. 6,5, 1 seht
einfach statt des in diesem Sinne gewöhnlichen Simplex. — dfldrikog
kaum jonisch, es findet sich aufser bei Her. bei Sim., A. Bh., Arr. und
Dio Ghrys. — Über einen anderen unmotivierten Gebrauch des Mediums
von äqfid^eiv u. a. (die Beispiele aus Luk. und den Attikisten bei Schmid
I, 239 f.) handelt Hatzidakis, ebenderselbe über die aktiven Future
irMiütOy ^ota u. a. — d((avtiyid Th. 115. — ^'Aqxapiig Th. 46. — Über
-A^XJiq und -aq^oq in Kompositis in der fibrigen Literatur Winer-Scfamiedel
§ 8, 9. — düiv^g Diss. Hai. XII, 201. — Das Subst. dtaa»aXia sogar
bei Xen. (An. 4, 4. 14). — Uti^vig Th. 114. — Bezüglich der Verwechs-
lung von av und ev im römischen Zeitalter ist nach Th. (S. 26) besondere
Vorsicht am Platze, da, zumal in Eleinasien und Ägypten, gelegentlicher
Einflufs nichtgriechischer Sprachen in Betracht kommen kann. — avrllg
ßgag „sofort" Berl. Äg. ürk. 615. — avroijevig dürfte so wenig fehlen
als ovlrjfiig. — Bei BegevUri vermisse ich die gewifs seltene Erscheinung
der Dialektform gleichzeitig neben der allgemeinen väg B^q^Ur^ auf
einer christlichen Inschrift. — ßdqoTov eine Gedernart, Diod. 2, 49. —
Den Acc. PI. ßof^g und den Aor. icDvifjadfiriv erklärt [PlutJ vit. Hom.
11^ 12 für attische Formen so gut wie ix^dg und ec^^ctfy. — yaßiTdva Qren-
-^
New Phflologiiohe Itodichaa Nr. 6. 107
feil Pap. I, 63, 88 (4. Jahrhundert n. Chr.) bedeutet dem Sinne oach „He-
t&re" oder „Ehebrecherin''. — ydi^og Dias. Hai XII« 216 f. — Das ro
ylvofiai Bemerkte ist nach der Note bei Schmid II, 29 iu doppelter
Weise zu modifizieren. — ylctx(i(v) Fritzsche zu Theokr. 6, 66. — yfii^Oy
bei Sapph. „Schmuckkästchen'', bedeutet spftter „Tand", in welch letzterem
Sinne das folgende Subst., das freilich in der Urkunde selbst mit x an-
lautet. — yvw^ scheint auf attischen Grabsteinen neben dem Oen. des
Namens des Mannes nie zu fehlen. — ytoQvjdg auch bei Lykophr. und
Luk. — dalg auch bei Xen. und sehr häufig bei den Attikisten (1 Ael.,
7 Philostr. II). — dänedw Ahrens Dial. Der, p. 80 und Herrn, zu Asch.
Prom. 80. — Ein weiteres Beiq)iel flir den Dai absol. bietet ^tvutf
Airvhff ratio MaffMÜÄf indwoig (Soph. Lex. p. 44). — ol dtanöawai
in der Plutarchatelle ist Weifsenberger entgangen; indes schwankt nach
Fape die Leeart; dagegen scheint Find. P. 4, 967 die Femininform ge-
sichert. Man vgl. zu diesem Phänomen auch TrQger in dem Burghauser
Frogr. 1899, S. 20. — Zu Mvavog Dieteiich 187. — Neben den Vul-
garismus di%€ stelle man nqiad^^ Le Bas III, 2235. 2600; umgekehrt
rbv Syiop ßiafibv ^y^Q^ij K&fa9ijv6g ib. 2343. — Die unter d^ea^ai
aus römischer Zeit aufgefDhrte Form öep^fiBi^og nennt Scbmid eine späte
Künstelei. — diä t^ ^HqcnßX^idov xai fi9f6xfov rgaiti^rfg (Oxyrhynchus
Pap. 98) entspricht als Äquivalent unserem ,,H. & Co." — Zu äiäövm
die Form iidov^9 Th. 25 f. — didvfimdmg auch bei Gallimachos und
anderen Dichtern. — diwxiotv wm %oXät^uv auch Ael V. H, 76, 16
und 161, 12; auf eine ganz neue Bedeutung dieses Verbums wurde
schon oben hingewiesen. Statt ägfivalog ionice =>$ iifiviatg Her, V, 77
mufs es heifsen difivi(os Her. V, 77 m» difivalovg. — ditp^iqa (bei Her.
wohl diq>&iQri) ist nach Bofs (Rhein. Mus. 8, 293) orientalischer Her-
kunft. — diWQtiyiQv Th. 74. — dodiiiog s=a dd^fiog auf Pap. Blafs
N. T.' S. 157 med. — Der Dual verschwindet auf den Inschriften seit
Anfang des 4. Jahrhunderts zunächst in den Verbalformen. Babrius hat
zwar keinen Dual, aber dieser Numerus ist trotz Aristot. poet. 1457 a 20
im Gebrauche der epischen Poesie nie erloschen. Vgl. noch Pezzi, La
lingua greca antica p. 463. — Philem. anerkennt eine Dualform d^f
dvoiv und eine Pluralform ddo, dvai(vy Letztgenannte Form ist sehr
verbreitet im N. T. und den Apokryphen und erscheint auf neun In-
schriften des G. I. 0. Sie begegnet nach Schmid zuerst bei Anaiim.,
dann oft bei Aristot. (bemerkenswert polit. 1287 b. 27 ivoiv S/ujuaa^ yuxi
108 Nene Fbilolo^sobe Bnndsolian Nr. 6.
dvalv äyLoaig) nnd auch sonst. Während sie unter den Jonikern Hippocr.
hat, fehlt sie bei Her. Die Arrianstellen bei BOhner, Acta semin. Erlang.
IV, 17. Die Form dveiv dient auch als Dativ. Sehr viel Material für
diesen Artikel findet sich in den verschiedenen Bänden von Schmid, eine
orientierende Übersicht zu Anfang des Zweibrficker Programms 1894 von
Dahl. — Weitere Beispiele za e st. a sind TiaaeQsg aus dem Buche selbst,
ebenso zeaüigeig, Tiaaeqay TeaaeQiycowaf ferner aus ägyptischen Texten fiehara
(Th. 138), TeteyfievoQf iJQyeXoßtptörogy beide aus dem 3., öftof^ÖKefiev aus
dem 2. Jahrhundert v. Chr., eQceviyid aus dem Testamente eines Eyren&ers;
vgl. noch Th. 76. — € st. o: ro^oßeXlaig. — Da die jonischen Inschriften
die Eontraktion von ee und eet aufweisen, so entsteht die Frage, ob die
unkontrahierten Formen bei Her. als jonisch festzuhalten sind. — Zu ehai
mit Part, bei Her. bietet weit mehr Beispiele die Sammlung von Heikel
S. 136 f. Über die weitere Entwickelung dieses Phänomens Schmid I,
117 ff. nebst Zusatz, II, 99 mit Zusatz und besonders III, 112 ff. und
Eontos in '^^v(? X, 3. Über den Gebrauch im N. T. Blafs Gr.> § 62, 2.
Die Eonstr. beleuchtet trefflich Aristot.: oidev diaq>iQ8i tö Hv^qwTtog
iyiaiviov iartv ^ rd Uv^qwnoq iyiaivBu — Area u. a. Winer-Schmiedel
S. 111. — hjSvMg heifst auf ägyptischen Urkunden der Mann als Bechts-
beistand der Frau. — h^xtaq als Appellativum Sapph. 157. — Im An-
schlufs an iXAaaovg mag auf die Wiedergabe von quominus durch ^
eXaaaov in einem Senatsbeschlufs des 2. Jahrhunderts hingewiesen sein. —
^EXldvios Th. 59. — efinleog auch bei PL u. a. — Zu he^e und ^exo
notiere man noch die seltsame Form heMv auf einer sehr späten Inschrift
aus Bithynien (Athen. Mitteil. XXIV, 446 n. 42) und vgl. den Artikel
IV^oy in den Nachträgen — ina^da Blafs N. T.' 9. — iTtiTfÖTtrig
Fritzsche zu Theokr. 29, 35; aufserdem liest dieser 7, 146 ega^ey 2, 166
et^ijAog, 64 iotaa; dazu seine Doris § 113. — eqBvväv erscheint in den
alt- und neutestamentlichen Schriften ungemein häufig, dagegen in den
Apokryphen einzig Barn. 4, 1 cod. k. Die Eonjunktivform eqrig beruht
blofs auf Eonjektur. — eqov Diss. Hai. XII, 185. — evaldcKarog ist
natürlich nicht blofs äolisch, sondern auch dorisch. — ev^ia Le Bas
III, 107. 547 (beide Inschriften aus römischer Zeit); Berl. Pap. IN. 81,
16. 23. — ^if9og (Properispomenon !) nach dem ausdrficklichen Zeugnisse
der Alten ein ägyptisches Wort — Kühtt^jq auch bei Pind. und den Tra-
gikern und dann wieder Paus. ff. — Zu ijviycav fQge man mxov aus
einem Pap. (Wilamowitz, Oött. gel. Anz. 1898, S. 688), wohl Jonismus. —
^^
Nene Philologiiehe Bondflehaa Nr. 5. 109
iJTtiog vereinzelt auch bei Dem. und im N. T. — Zum Qen. von fJQ
Schmid III, 20. — ijrw = carw Schweizer 177. — d st. r auch in nd&vfi
(st. q>dmi). — Über die LokalsufBxe -d^a und '&ev Gerstenhaner Diss.
Hai. XII, 184 f. — »Bq^ov»Lg und »ißei^gTh. 112.— Weitere Beispiele
zu t st. 61 aus den von Eenyon edierten Pap. des Brit. Mus. eöty hCivOy
ISiv. Xeyig. Die Unsicherheit des i von ai, et, oi vor Vokalen ist ja in
verschiedenen Stadien des äolischen, jonischen und attischen Dialekts kon-
statiert Auf den attischen Inschriften ist nileog die ältere Form, wäh-
rend riXeios erst vom 2. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung an nachweis-
bar ist. Aus den Par. Pap. notiert Schmid iicoi^aaTo, Ugeag (st. UQelag),
TteTt&qyceVf Tcertoijfie&a, TtQi^aawog, Ttoqiavy neben xbv ßaaiXeia und ßoiri-
96». Im N. T. wird, sieht man von TtUov ab, nur ffir ^Qetiadijaav der
Ausfall des t verzeichnet. Über Verwechslung von i und e in klein-
asiatischen Inschriften {yiyoveg in Phrygien, ävayBvdtayuovteg in Armenien
u. dgl.) Eretschmer in Wschr. f. Uass. Philol. 1899, 4. In gleicher
Weise erklärt Th. derlei Formen in den ägyptischen Inschriften {yCLiiij
yux'vdyufißp eydi, Ttfiö&ig und Ti/i&i^igy KwTe[a]v6g = Quintianus S. 138
u. 178) durch den Einflufs der einheimischen Sprachen. — Zu i falso
adscriptum Winer - Schmiedel S. 31; ebenda viermal äerw (ohne i
adscr.). — Beispiele für i protheticum vor a impurum aus galatischen
Inschriften: iaTlj^Xylflv (bis) und iatoQyfjg. — Der Vogel Ißig vielleicht
zu koptisch kippen Th. 111. — Bei tva fehlt jede Andeutung der Stell-
vertretung IBr ßate oder Inf. — xa^cr hat kein Autor vor Pol. — Neben
xayiOTcdrQida nirtaytdv sollte die zweite Stelle, an der dieses Wort, wenn
auch in anderer Bedcatung, sich findet (Theognis 193), nicht fehlen. —
Die Möglichkeit eines etymologischen Zusammenhanges von ycaldig und
gaUus resp. gaUina ist nicht von vornherein abzuweisen. — Das Frag-
ment des Epicharmos mit ytaytoddyufiog steht bei Ath. 85 e. — yuif^og in
der Übersetzung des Maximaltarifs des Diokletian war ebenso aufnahme-
berechtigt wie VLBqßviaLa. — yuaxavriC.a} Th. 213. — yunagy^dto mit Part.
Heckel S. 134. — Tidtia st. äKana Schmid IV, 683; ebenda roxfj st.
-Mxtoxfjy y^yiOTi^Qiov st. hdoyioTTJQioy. — neiQvXog als attische Form zu
bezeichnen geht nicht an ; dieselbe findet sich ja nur bei Ar. Av. 299 u. 300.-
Aber v. 300 wundert sich gerade Peithetairos über die vorher nie gehörte
Form. Dindorf: „TLCigiilog dicit, ut Sporgilo tonsori nomen accomodet'S
d. h. doch, um den Vogelnamen mit Tteiqeiv, wovon yuyvqeiig, in etymo-
logische Beziehung zu bringen, womit auch die von Kock vorgeschlagene
110 Nene Philologische Rmidaehaii Nr. 5.
Übersetzung „Barbiervogel'^ in Einklang steht. — Bei ^wögimä auf Meister-
hans verwiesen, der das Wort auf Eultinschriften als Jonismus bezeichnet.
Dies ist aber von Tb. angezweifelt worden, ebenso betreffs iTtidiparo und
naqaißdtviQ^ da es sich um archaische und poetische Bestandteile der Kult-
spräche handeln könne. — xZxt ein Ol, von Her. 2, 94 als ägyptisches
Wort bezeichnet, Kenyon Pap. I, 10. 11. 13 (102 v. Chr.). — xlxvg
Diss. Hai. XII, 200. — x/Xti} auf einer späteren pisidischen Inschrift
scheint einen weiblichen Verwandtschaftsnamen zu bezeichnen. — -uwA-
ßafi, auch bei Ael. und Dioscor., Eenyon Pap. 1,91, 110 u. 118 (2. Jahr-
hundert n, Gh.), wohl ein Fremdwort. — TUQycog auch bei Asch. —
üXriTiJQ nach Meier-Schömann die ältere , tcXi^ioq die jüngere Form. —
Tidf&dtDf auch bei PI. u. a., dürfte richtiger als poetisch denn als jonisch
bezeichnet werden. — Gelegentlieh der Form xvi^ri die Bemerkung, dafs
Schmid sich über xvdw^ bzw. xvilj&(o ausschweigt, obwohl das Verbum bei
Luk. an mindestens drei Stellen vorkommt. Da yiv^&to schon bei Arist., lassen
idch für die Folgezeit beide Verba kaum mehr auseinanderhalten. Auch die
Bildung i^^ca schon PI. politicus 289 c. Anders steht die Sache allerdings
bei dlijdxo. — Über xo = lat. qua u. a. Eckinger, Die Orthographie lat. W.
in griech. Inschr. — yi6yi%ivog in dialektischer Beziehung Th. 20 f: —
TLÖfifii =s kopt. kam^, Grenfell, Pap. I, 52 (3. Jahrhundert n. Chr.). —
wf^Cf zu xÖQog in LXX, N. T. u. bei Jos., ein Mafs für Wein, hehr.
Wort. — nQ&adahag, daneben auch KQeodalrag, — TLQfjg wird auch von
Gregor von Eorinth „de dialecto Dorica'' als dorische Form heuBxigt. —
Der besprochene Gebrauch von Tcgiatg erhellt noch deutlicher aus einer
Stelle bei Diodor (XI, 11), wo das Wort in Verbindung mit äydnf gegen-
sätzlich zu vorhergehendem fidxri steht. — Das Fragezeichen hinter xirai-
v$iv aus dem Alkäusfragment ist unmotiviert. Zu derselben Ansicht wie
Hoffmann gelangt Gerstenhauer unter Berufung auf Vogrintz, Gramm, des
hom. Dialekts. Vgl. die Formen ^Taviovra, luxtaKtaiovaiy ycoTaKravieaS-ai
in der Dias. — Ulla Th. 112. — Das Auffallende zweier synkop.
Formen von loiiw neben einer offenen bei Her. ist zuzugeben: doch findet
sich dieses Nebeneinander auch bei Ael. und Philostr. (Schmid IV, 604). —
^ nasalis vor Explosivlaut Th. 135 ff. — Dafs das Papyruswort fiako-
Ttaqavay das in einem Verzeichnisse von Pferden vorkommt und schon von
MahaflFsr mit leimoTvdQeiog bei Hesych. verglichen wird, nicht unbedenk-
lich für äolisch erklärt werden kann, zeigt Th. 62 f. — na%hiaiv^ auch
bei Hes. u. a. — Während bei iitd^&ceqog zwei ähnliche Komparativ-
.^
^
Nene Phiblogische Bnndsehaa Kr. 5. lll
bilduDgen aofgefBhrt werden, fehlt ßdltmog (Wschr. f. klaas. Phil. 1899,
S. 534) neben ^Byiax&tavog, — Der ans einer phrygischen Inschrift an-
gefahrten vox hybrida fte^ÖQiov tritt noch die Form fitiAoiqiov aus einer
syrischen zur Seite. Weitere Belege zu iirnxdqiov ,, Grabmal'^ ans Make-
donien zar Eaiserzeit Mitt. XVIII n. 2. 3. 4. 6. — Beispiele fflr die
rhodische Infinitivendnng ^abiv (^ /uey) sind noch ans dem 3. Jahrhundert
ävayQaq>i^fieiv iTvifieXfi&^fiSiVy i^i^pt^iv^ iaifjieiVy ixd-df^eiVy &6fiBiv {bis) (C. I.
Insol. I, 677; 694; 761), — daneben aber erscheint anf der letzten Inschrift
auch schon die iCo<i7^-Form ärtodei^vieiv — und als einziger Beleg aus
dem 1. Jahrhundert n. Chr. eiayQaq>i^fieiv (ib. n. 58). — Zu jAti&eig et
av&eig die problematische Form juij^e^V auf einer delischen Inschrift. —
Mrp^iaüTäv und ein paar Dutzend anderer Vokabeln sind Jahrg. 1898,
S. 611 ff. dieser Zeitschrift von mir zusammengetragen. — iiivöiq und oi
fiivditaiy eine Art Familienrat und die Mitglieder desselben, auf lykischen
Inschr. Th. 119. — Zu fxva- = juvi;- notiere man noch aus einer gala-
tischen Inschrift den Dorismus ^wapirriq Th. 66. — Die Form Moiaa
Bacchyl. 5, 4 wird gestfitzt durch laxoiaav 19, 14. — Zu y paragogicum
Mayser, Gramm, d. Pap. aus der Ptolemäerzeit II, p. 50. — vevftBmti
Th. 73. — vhqov und Utqov finden sich bei Hippokr. nebeneinander. —
0 st. a : ixezo^v. — dXioq = dUyog und verwandte Erscheinungen Hatzi-
dakis ^A»rivä XI, 162 und Gott. gel. Anz. 1899, S. 514. — Theokr.
29, 26 liest Fritzsche dixvAad^', ebenderselbe akzentuiert 2, 62 oa%ia.
Hier merke man noch an data (wie von davdv) Opp. 1, 268; Luk. tragod.
167. — Bei oqna^y oQnri^ vermisse ich jede Bemerkung fiber die dialek-
tische Verschiedenheit von Hqua^ und S^Tiri^, insofern in den mir zugäng-
lichen Texten in der Sapphostelle oqtco^, bei Theokr. 7, 146 Sg/tai gelesen
wird; wo steht denn überhaupt eigentlich o^Ttvi^? — OQjtecov Diss. Hai. XII,
197.— Orthographie und nächstverwandte Formfragen Winer-Schmiedel § 5. —
Zu er st. r: -Mxd-udqoiiaato ^ '/x)U.oijQiov, ohitiq, %Qova6q. — Ein inter-
essantes Beispiel für thessalisches ov st. v ist ^Pov^aloi auf einer Inschrift
zwischen 178 u. 146 v. Chr. — Über die Entstehung von ov als Dativ-
endung Th. 232. — TiAvoL^y seit Theophr. in der Literatur, begegnet in
der Zusammensetzung örcoTtdva^ Grenfell Pap. I, 52, 11 (3. Jahrhundert
n. Chr.). — 7caQ€{i)QiJij auch Hippokrat. — näais „Erwerb'^ Bacchyl.
10, 2 : €t€Qog 3^ iTtl ndai Ttoivukop tö^ov xvxaivUj eine coniectura pal-
maris. — natgiog ist nicht blofs auf attischen Inschriften zweiendig,
auch bei den attischen Schriftstellern ist dieser Gebrauch überwiegend.
112 Nene Philologische ftuodsehaa Nr. 6.
Bei Plnt. gilt dies, wenn anders die Beobachtung Weifsenbergers richtig
ist, fDr alle Adj. mit der Ableitungsendnng log. — n^iuXiaaw nach
Jacobitz und Seiler auch bei PL — ftBqUhxaiq gerade in der Bedeutung
cvrcumvectio bei Hippokr. — Warum „scheint '^ blofs nBqiyuetpalda ein
polybianisches Wort gewesen zu sein? SchweighAusers Lexikon zeigt es
leibhaftig und handgreiflich an drei Stellen und nur an einer vierten
ne(ivMq>dlaiovy und dals es auch andere Autoren haben, lehrt ein Blick in
die allgemeinen Wörterbücher. — Für Tthea&ai hat im6^iriv als attische
Frosaform, iTtrdfiriv bei Fl. und einmal bei Xen. nur als dichterische
Beminiszenz zu gelten. — nivaXog und andere Eigennamen auf einer von
Bendorf und Niemann (Reisen in Lykien und Karien, Wien 1884, S. 77)
veröffentlichten Inschrift, neuerdings abgedruckt in ^, Stemplinger, Studien
zu den '£^ix<i des Stephanos von Byzanz'S S. 31.— TcXAvvfi/ia? Andere
schreiben nXdtvfia. — Die zur orphischen Religion gehörigen nqa^i/ii^ai
auf einer attischen Inschrift (Berl philol. Wschr. 1897, S. 1390). —
TtQdßaiog Th. 213. — nqoi^ofAai „werde '^ Aphth. prog. p. 34: rb donofh^
vöig TtoXlolg vdiiog nqoljXi^ev ifioL — TtiaXog und Verwandtes Th. 75. —
Q^=qq Eönigsb. Diss. von Leitzsch, 1895. — Belege für q st. l aus Attika
Neue Jahrb. f. khiss. Alt. V (1900), 251. — Das sub ^i»oq angefahrte
Eompos. ^»ofiaXidag steht bei Ale. (fr. 150), dem Bergk, Koch. u. a.
auch evdofialidag zuteilen (Diss. Hai. XII, 209 f.). — Zu ^iaw)g (riscus
Ter. Eun. 4, 6, 16, auch bei Hieronymus) noch ^layunpiila^ und ^laxo-
q>vXAyuop. Donatus zur Terenzstelle nennt das Wort phrygisch, Fick
dagegen vermutet galatischen Ursprung, wohl richtig, wie Th. 142 an-
sprechend dartut. — Über das Vorkommen von qq im Anlaut auf attischen
Inschriften Blafs N. T.« S. 11*. — aaqyivri (taqydvri) auch bei Alexis,
Timokl. bei Ath., N. T. — aixTUv und Komposita Dias. Hai. XII, 303 f. —
aeßeviov auch bei Hai. und Hesych. „Hülle der Palmblüte und Frucht'',
vielleicht zu koptisch ssbe^ 8ä)i „arundo, calamus''; ebenso aeßeviog. —
SeoTUt^og Th. 231. — aiq halten andere für eine Abkürzung von ao)-
Ti^q. — aiaöri gilt als Cilizismus, desgleichen Aoriste wie eßaXa. Winer-
Schmiedel, S. 23. — Beherzigenswertes zu Ofiiv&ay resp. afiiv&og bei Th. 145 ;
ebenda 113 andere Ableitung von aoicivov. — Die Entscheidung für das
handschriftliche azikeyfiov oder die Korrektur atikayfiov fällt nicht ganz
leicht. Bergk schreibt atakay^dv. — aTififii Th. 113. — aq>qayida
^eiv Berl. phil. Wschr. 1897, S. 393. — atiqayjog zu awqi^n, eine Trauben-
sorte in LXX. — T st. ^ vereinzelt auch in ^q^yx^Sf worauf hiermit ver-
^
Neae PbilologiMhe Bimdiehaa Nr. 6. 113
wiesen sei. — xhutav = Thrtov (Meister I, 76) fehlt neben %Mw und
^9weg. — TovTLeQov bei Eenjon. — Über verschiedene Verwendungen
des Wortes tQaytfdla siehe die Note bei Schmid II, 223 f. — TDßi enir
stammt den Pap. von Qrenfell II, 59. — rvq>lii ^fuj „Sackgasse'^ auf
einem Pap. von Oxyrbynchos. — Über die Verwechslang von v mit i, e
und 1] in Eleinasien und Ägypten Th. 139 ff. — t; st. ov: devrinv im Eu-
doxiapap. nennt Th. „inverse^* Schreibung. — Die Konstruktion ind d'e^
-ml Hvd-QtoTtov auf einer halikamassischen Inschrift vom Ausgang des
3. Jahrhunderts will H. verdächtigen. Angesichts der Freilassungsformel
tnö Jicy rtjvy "Hkop in mehreren Urkunden der Pap. von Oxyrbynchos
wird er wohl seine Ansicht ändern. — q>av%A1^Bad'€u auch Eenyon Pap.
1, 112: gxxvra^ofiiyq. — Zu 9)^iov (Akzent?) g>ft[i;l Gallim. Ger. 16. —
X^^oPf Kenyon Pap. n, 298, auch bei Athen., eine Wachtelart, die in
Ägypten eingesalzen wurde. — ^ig>ag und yjiq>og Diss. Hai. Xn, 209. —
^Oaa s= 'vloj yeyovdknv Dieterich 207.
Was schlielslich den Druck anlangt, so ist abgesehen von den schon
oben berflhrten zahlreichen falschen Zitaten auch an anderen Fehlem gerade
kein MangeL Au&er einem halben Hundert fidscher Akzente und Spiritus
und ebensoviel anderen Druck versehen, die der Leser unwillkflrlich selbst
richtig stellt, während der Verf. unter dem Korrigenda einzig ^Aiiq>iiqaog
richtig gestellt hat, bessere man noch und lese S. 14 Z. 30 eum; S. 52
Z. 17 iiifiigi S. 100 Z. 2 v. u. ubi; S. 102 Z. 21 Soph. 0. B.; S. 166
Z. 20 ya»uv\ S. 175 Z. 27 hucusque; S. 188 Z. 9 v. u. Dativus ab-
solutus; S. 256 Z. 23 h.%imnlfvai.; S. 274 Z. 12 ^^xov. — S. 315 Z. 12
iqytnivag Theokr. XXI, 3 = iqydvitig X, 9; S. 331 Z. 15 v. u. diii-
w^g, tifui^LTig, 25; S. 374 Z. 8 filiae; S. 415 Z. 27 xaUoi^; S. 582 Z. 9
dloqwyytiv; S. 621 Z. 17 v. u. cQ^ai; S. 625 Z. 33 ndQaQog u. XV;
S. 645 Z. 17 pendant; S. 897 Z. 21 x^^vwf^ (^gl* Meister, S. 75).
Mflnohen. Ph, Weber.
64) CkmeOle, Le Cid, herausgegeben von Ernst Dannlielfser.
München, Lindauers Verlag, 1902. 101 S. 8.
Diese neue Cid- Ausgabe verdankt ihre Entstehung dem umstand, daTs
in der Lindauerschen Elassikerbibliothek natürlich Gomeilles beste Tra-
gödie nicht fehlen durfte. Für seine Arbeit war der Heraugg. an die für
diese Bibliothek aufgestellten Grundsätze gebunden, die eine sehr kurze
Einleitung, wenige Anmerkungen und ein Spezialwörterbuch , auf welches
114 Nene Philologische RnndBohan Nr. 5.
also auch die Süddeutschen Kollegen nicht glauben verzichten zu kOnnen,
verlangen. Das ist von dem Herausg. geboten, und von Druckfehlem ist
das Buch frei. Über die Zweckmäfsigkeit der befolgten Grundsätze liefse
sich streiten, jedenfalls bleibt bei denselben dem Lehrer im Elasson-
unterricht viel zu tun übrig.
Wernigerode a. H. Drees.
65) O. Stier, Fetites CauBeries fran9ai8e8. Ein Hilfsmittel zur
Erlernung der französischen Umgangssprache. Cöthen, 0. Schulze,
1903. VIII u. 104 S. 8. Ji 1.25.
Das fQr höhere Schulen bestimmte Büchlein nimmt doch zu wenig
Rücksicht auf die besonderen Bedingungen des Unterrichts, welcher eine
Anpassung an das jeweilige allgemeine und grammatische Fassungsvermögen,
eine Verteilung auf die Entwickelungsstufen verlangt.
Ein Buch, das die Aneignung einer Umgangssprache vermitteln soll,
mufs ferner alle die Gebiete umfassen, die zum täglichen Leben gehören;
von Wald, Feld, Dorf, Garten bringt es aber nichts; für ein Schulbuch
ist auch wohl das Kapitel der inneren Einrichtung von Schule und Klasse
nicht gut zu entbehren. Für verfehlt halte ich es auch, wenn der Verf.
bei der Abteilung „ Stadt '^ die Strafsen und öffentlichen Gebäude von
Paris aufzählt, statt eine allgemein gültige Schilderung des städtischen
Lebens zu geben. Auf anderen Gebieten würden die Schulbedürfnisse
eine Beschränkung des Stoffes gern erlauben und Verzicht leisten auf die
Arten der Zähne, die Teile des Zahnes (S. 25), die Arten von Westen
(S. 42), die Teile des Fahrrades (S. 55), auf das ganze Kapitel von dem
Luftballon und der Photographie; auch die Speisezettel für ein d^jeuner
und diner gehören eher in einen Petit Parisien als in ein Schulbuch.
Die Fassung ist im übrigen knapp, sachlich und geschickt, besonders
„Reise'S „Feste u. a. Die Kommasetzung ist ungenau; der Druck
zeichnet sich durch Schönheit, Schärfe und Genauigkeit aus. (Druckfehler
S. 17. 26. 54. 58. 83.)
Flensburg. K. Engelke.
^
Nene Fhilologisclie Bnndsohau Nr. 5. 115
66) M. Enneccems, Versban und gesanglicher Vortrag
des ältesten französischen Liedes. Ein Beitrag znr Lehre vom
rhythmischen Verse. Mit den Handschriftenbildem der Eolalia-
Ueder nnd des Lndwigsliedes. Frankfurt a. M., F. Enneccems,
1901. gr. 8. Ji 8.60.
Die Verfasserin ^) der vorliegenden Arbeit hat sich schon im Jahre
1897 durch eine vorbereitende Arbeit zu ihrem jetzigen Thema bekannt
gemacht, die den Titel ffihrt: Zur lateinischen und französischen Euhilia.
Mit zwei Tafeln im Lichtdruck (Marburg, Elwertsche Verlagsbuchh.). Sie
tritt darin der Frage näher, die Suchier (Gröbers Zeitschr. 1891) auf-
geworfen hatte, ob Huchald die lateinische Eulaliasequenz geschrieben
habe. Die von ihr vorgenommene Handschriftenvergleichung ffihrt zu
einer Verneinung der Frage. Weiterhin bespricht sie die Schlufsstrophe
der lateinischen Sequenz, sowie Einzelheiten des französischen Textes,
die in der Handschrift deutlich zu Tage treten, nicht aber in der
G. Parisschen Heliogravüre. Die neue Arbeit zerf&Ut in acht Abschnitte:
I. Die Nachbildungen der lat. Eulalia-Seqnenz. Die A- Verse. Der Aufbau
der Eul.-Sequ. II. S^uenzenmelodie und Sequenzen text. III. Die Un-
richtigkeit der bisherigen Verslesung. Die lat. C- Verse und die Vers-
schlfisse. IV. Einiges aus der Bhythmik. Die s-E-D- Verse und deren
Spielarten. V. Die Versgliederung und die Versgrundtypen des lat. Eu-
lalialiedes. VI. Wert des französ. Eulalialiedes in Bezug auf Inhalt und
Form. Vn. Die Spielarten der Verse und die Versschlfisse des französ.
Liedes. VHI. Der gesangliche Vortrag des französ. Eulalialiedes. Im
Anhang bespricht die Verf. noch A. Die Legende vom nichttaktmäfsigen
Gregorianischen Gesang, B. zu Bartschs Methode, den Rhythmus älteren
Sequenzenverse festzustellen. Bemerken wir noch, dafs sich die Seiten 94
bis 107 mit dem Ludwigsliede beschäftigen, so geht daraus hervor, dafs
die Arbeit mehr bringt, als der Titel besagt, dafs sie nämlich eine Theorie
ffir den Vortrag der ältesten lateinischen Sequenzen, des Eulalialiedes und
des Ludwigsliedes bringt. Der Kern der Ausführungen besteht in der
1) Im Interesse der sachlichen Klarheit nicht minder als in dem der „Franen-
frage" (um es kurz za bezeichnen), wäre es sehr erwünscht, wenn auf den Titeln
wissenschaftlicher Schriften der volle Name zu lesen wäre, damit der Leser nicht im
Zweifel bleibt, ob ein Mann oder eine Fran die Arbeit verfafst hat. Mag anch jer-
einzelt die Objektivität der Benrteilnng darunter leiden, sicher ist jedenfalls, dal^i durch
wirkliche Leistungen studierender Frauen die „Frage'* um so schneller und in um so
günstigerem Sinne gelöst werden wird.
1X6 Neue Philologische Bnndsohan Nr. 5.
Behauptung, dafs die Texte nicht cum ratione metrica, d. i. in gerader
Taktart, sondern vielmehr sine ratione, in der Taktart der rhythmischen
Daktylen, dem Dreivierteltakt gesungen worden seien; alle Betrach-
tungen über die Gestaltung der Texte, alle etwaige Veränderungen in der
Reihenfolge der Worte bzw. der Zeilen seien daher vom rhythmischen,
nicht vom metrischen Standpunkte aus zu prüfen. Die oben angeführte
Behauptung, die durch vielfache Zitate aus den Musikschriftstellern des
frühen Mittelalters belegt und an den Texten der lateinischen Sequenzen
bei Bartsch u. a. geprüft wird, hat vom musikalischen und auch all-
gemein künstlerischen Standpunkte aus etwas sehr Verlockendes und man
mufs es der Verf. danken, dafs sie zu dieser Betrachtungsweise der betr.
Texte die Anregung gegeben hat. Jedenfalls bietet die rhythmische Le-
sung der beiden Eulaliasequenzen die Möglichkeit, in allen Zeilen dieselbe
Taktart beizubehalten, während bei der bisherigen Anschauung der Takt
achtmal innerhalb der vierzehn Zeilen der ersten Hälfte der lat. Sequenz
gewechselt hätte. Bei der grofsen Zahl von Verbesserungsvorschlägen,
die bei beiden Texten gemacht worden sind und die namentlich bei dem
französischen Gedichte oft zu erheblichen Textveränderungen gefQhrt haben,
ohne in das metrische Gebilde volle Klarheit zu bringen, kann es nicht
geleugnet werden, dafs die hier vorgeschlagene Lesung so gut wie gar
keine Änderungen verlangt und dabei die französisch sinngemäfse Betonung
durchweg zur Geltung kommen läfst, dafs sogar der kirchliche Charakter
des Liedes als Jnbilation nur in dieser Art der Lesung hervortritt. Von
Wichtigkeit ist noch die Bemerkung, dafs neben der rhythmischen Glie-
derung auch die Verteilung der Nebentöne in Betracht gezogen werden
mufs und dafs oft eine nicht unter dem Iktus stehende wichtige Silbe
durch Erhöhung des Sprech tones ihren richtigen Wert erhält, also ein
Grundsatz, der auch in der neufiranzösischen Satzmodulation eine wichtige
Bolle spielt. Auf die vielen feinsinnigen Bemerkungen der Verf. näher
einzugehen, erlaubt der Baum nicht, doch sei nicht verschwiegen, dals
bei der Verf. die Begeisterung für ihre künstlerischen Ideen gelegentlich
sich in übertriebenen Wendungen über den Wert der Einzelheiten ergeht.
Ebenso enegt auch die rein philologische Seite der Arbeit nicht
unerhebliche Bedenken. So u. a. bei der Deutung des Verses Aczo nos
Yoldret concreidre li repagiens, wo die Form aiceo statt eines oro,
aus dem Grunde gewählt sein soll (allerdings erst die zweite Annahme),
weil sie eine Silbe mehr hätte. Auch die Deutung von lo suon Clement
>
Kene f^hilologiBche ftnnclsebaa Ifr. i. lif
gemftb der BOhmerschen geistvollen ÜbersetzaDg iit nicht fiberzengend.
Vielleicht Iftfst sich der Stelle beikommen mit Hilfe der Bedeatangs-
wandlungen des Wortes dement^ die Diels vor einigen Jahren in einer
ausführlichen Abhandlung fiber dies Wort auseinandergesetzt hat Warum
statt heUezone heüiezor zu setzen ist (S. 88), Iftfst sich auch nicht ersehen.
Wenn nun die Verf. zur Erklftrung der rhythmischen Eigentfimlichkeiten
einzelner Zeilen die in der Handschr. vorkommenden grfifseren oder ge-
ringeren Abstände zwischen den einzelnen Worten, femer Punkte u. dgl.
verwendet und damit namentlich bei dem Ludwigslied manche Schwierig-
keiten zu lOsen versucht, so kann man ihr folgen, obgleich sich nicht
leugnen Iftfst, dafs sonst in Handschr. die rftumlichen Verhftltnisse den
Schreiber zu den willkürlichsten Zusammenziehungen bzw. Zerrei&ungen
verführen. Da aber bei dem Ludwigslied keine rftumliche Beschränkung
vorhanden war (vgl. die photographischen Beilagen), so können in der
Tat diese erwähnten Mittel solche Zwecke gehabt haben. Und da die
Eulaliasequenz von demselben Schreiber geschrieben zu sein scheint, so
können auch die gleichen Mittel zur Erreichung gleicher Zwecke an
gewandt worden sein. Anders aber verhftlt es sich, wenn auffällige Wort-
formen buona pulcella u. a. gewählt worden sein sollen, um dem Sänger
rhythmische Eigentfimlichkeiten anzudeuten. Bei rancit, soweit die Stamm-
silbe in Betracht kommt, sowie bei perdesse (abgesehen von dem fehlen-
den -Q wfirde die Wahl noch durch rhythmische Gründe erklärlich sein,
weniger aber bei jener ersten Gruppe. Schwere sprachliche Bedenken aber
regen sich, wenn chief, ruavet zerlegt werden in chi-ef, rtMhvet Bei
nitde handelt es sich nicht um nia-le, das, wie die Verf. meint, in niru-le
zerdehnt worden sei, sondern um ein von vornherein dreisilbiges Wort.
Ehe von selten der Musikhistoriker mehrfache Beispile beigebracht werden
für den ersten beiden Gruppen entsprechende Fälle, mufs dieser Teil der
Arbeit als ungelöstes Problem behandelt werden.
Die Ausstattung des Buches ist in Papier und Typen ausgezeichnet.
Leider ist die Disposition des Stoffes nicht besonders klar, was die Lektüre
recht erschwert; aufserdem mufs der Druck übereilt worden sein, da nicht
blofs auf S. 121 eine Beihe von Berichtigungen stehen, als Fortsetzung
von S. 119, während S. 120 das Inhaltsverzeichnis bietet, sondern weil
aufserdem auch noch ein loses Blatt mit Angabe von Druckfehlem hat
beigegeben werden müssen.
Berlin. B. RMtgera.
118 Neue Philologische Bundschan Nr. 5.
67) W. Scott I Eenilworth. Zum Schul- und Hausigebrauch heraus-
gegeben von H. €^afiiner. München, Lindauersche Buchhand-
lung (Schßpping), 1903. IV u. 148 S. 8.
geh. J6 1.—; geb. J6 1.20.
Der Eenilworth-Text, welcher bei Tauchnitz 488 enggedruckte Seiten
füllt, ist in GaTsners Ausgabe auf den Umfang von 114 Seiten mit grofsem,
weitem Satz gebracht. Der Herausg. hat den Hauptwert auf die Wort-
erklärung gelegt; die sachlichen Anmerkungen nehmen, wenn man
eine englische Lückenerzähluug zu S. 26 abrechnet, nur etwas mehr
als eine Seite ein. Ebenso bringt die biographische Einleitung nur das
AUemotwendigste. In dem alphabetischen Wörterverzeichnis (S. 115 — 145)
könnte die Aussprache hie und da noch etwas genauer sein. Man ver-
mifst z. B. eine UnterscheiduDg der beiden Lautwerte des g (giant, girth),
des ch {Channel, ckaracter), des s (case, to rise\ heseech, possess, reserve)
und des th {that, thick). Bei der „Erklärung der Aussprachezeichen ^^
auf S. 146 findet man folgende Bemerkung: Die Aussprachezeichen geben
beim Wort zugleich die Tonsilbe an (aböüt). Unbetonte Silben u. s. vir.
sind, wenn nötig, in () erläutert. Nach diesem Prinzipe sind eine Beihe
von Bezeichnungen unklar oder falsch: to exculpäte, to extricäte, exigency,
footst^p, foremöst, to frusträte, gätewäy, höüsehöld, impdrt („Bedeutung,
Tragweite^')« infatuäted, to institüte, interSsted, sb. interview, intimäte,
mandäte, to operäte, sb. prelüde, to prosecüte, to reiteräte, slck-b6d,
sle@ping-cüp, to suffocäte, swörd-ärm u. a. m. Fehlerhaft sind auch
allege, änger, assürance (was nach der Lauttafel nur mit s und langem
u ausgesprochen werden kann), assüre, assüred, cörnish („aus GornwalP^
mit kleinem c, envier („Neider"'), justify, to Ornament, to c^veräw, postern-
door, to quälif^, a süite of apartments (suite klingt hier bekanntlich wie
sweet), räpl^r. Der Herausg. hätte bei sorgfältiger Benutzung eines zu-
verlässigen Wörterbuchs diese Irrtümer leicht vermeiden können, -i-.
68) Kipling, Three Mowgli-Stories. Edited for use in schools by
Eduard Sokoll. Leipzig, Rofsbergsche Buchhandlung, 1902.
XL u. 86 U. 44 S. J6 1. 80.
Die vorliegende Schulausgabe beginnt mit einer englisch geschriebenen
Einleitung, welche eine kurze Biographie des Schriftstellers und eine Auf-
zählung seiner Werke enthält. Dann folgen die drei Mowgli-Geschichten:
In the Bukh, Mowgli's Brothers und „Tiger-Tiger^'. Die Auswahl wird,
Nene Philologische Bondschan Nr. 6. 119
sofern es sich um die Yerwendang als ScbuUektflre handelt, nicht jeder-
manns Beifall finden. In the Rukh bleibt, wenn auch die anstöfsigste
Stille ausgemerzt ist, a story for grown-nps, während die anderen beiden
Erzählungen inhaltlich wie sprachlich fKr Knaben geeignet sind. Auch die
Anordnung mufs, wenn sie auch durch die Zeit der Yeröfifentlichung der
betreffenden Geschichten begründet ist, auffallen. Es liegt so ein Wider-
spruch in den auf die erste Erzählung hinweisenden Schlufsworten der
letzten: Tears afterward, he became a man and married. Auch dafs
die letzten Geschichten leichter sind als die erste, spricht für eine Um-
stellung. Die englisch geschriebenen Anmerkungen bieten sachlich alles
zum Verständnis Erforderliche. Ob sie jede sprachliche Schwierigkeit
erläutern, und ob sie selbst alle für den Schüler ohne Wörterbuch ver-
ständlich sind, darf zweifelhaft erscheinen und wird wesentlich von dem
Standpunkt der Kenntnisse des Schülers abhängen. Aber mit dieser
Schwierigkeit wird bei der Verwendung englischer Anmerkungen ja stets
zu rechnen sein. Zur Privatlektüre fortgeschrittener Schüler ist das Buch
zweifellos sehr geeignet.
Flensburg. Adolf Hertlag.
69) Der alte Orient. 4. Jahrgang. Heft 2: Felix Fceiherr
V. Oefele, Keilschriftmedizin in Parallelen. Mit einer
Keilschrifttafel. — Heft 3: Albert Sanda, Die Aramäer.
Leipzig, J. C. Hinrichs, 1902. 31 u. 32 S. 8. k JK—.eo.
Die erste dieser beiden neuen „gemeinverständlichen Darstellungen
der Vorderasiatischen Gesellschaft'' will mir wenig zusagen. Eine Dar-
stellung dessen, was die Keilschriften an Medizinischem enthalten, wäre
eine dankenswertere Gabe gewesen, als die Sammlung von Aphorismen,
wie ich sie nennen möchte, in die alles hineingezogen wird, was entfernt
dazu gehört, mit Ausfällen auf die formenzählenden unpraktischen Philo-
logen u. s. w. Gewifs hat die Medizin der Babylonier auf andere Völker,
nach Osten wie nach Westen, eingewirkt; das Sichere, was der Verf. an
manchen Stellen bietet, wird aber durch das blols Vermutete, wofür die
Beweise fehlen, stark überwuchert.
Die Geschichte der Aramäer von den ersten Spuren an, wo sie als
halbe Nomaden mit den Fürsten von Assur in Berührung kommen (etwa
im 14. Jahrb.), gibt Sanda in übersichtlicher Darstellung. Wenig be-
kannt sind ihre Kämpfe mit den Hettitern, am besten die Geschichte des
12Ö iNeae t^ilologiMiie ftnndschau Kr. 6,
Aramfterreiches in Damaskus. Am Schlafs gibt danda, was wir Aber
Kultur und QOtterlehre wissen, und eine Übersicht der alten aramäischen
Sprachdenkmäler.
Oldesloe. WL. Hansen.
Terlag ron Friedrich Andreas Perthes In Gotha.
Soeben erschien:
Hilfsbüclilein für den lateinisclien UnterridiL
Zusammengestellt von
Professor Dr. R. Schnee.
Erster Teü: FhrasezisaxxuenlvLaLS-
Preis Ulf 1. — .
Zweiter Teil: Stilis'bisohie Reselxi.
Preis: JK —.80.
Für den Sehulgebraueh
erklärt von
Dr. Karl Linde,
Oberlehrer am Herzogl. Gymnaaliuu zu Helmstedt.
Preis: Jü 1.20.
Sophokles* Philokfetes.
Ffir den Schulgebrauch erklärt von
fi^erh. Helnr. Hfiller.
In zweiter, umgearbeiteter A.uflage
herausg'eg'eben von
Dr. Rudolf Hunziker,
Lehrer am Gsannasiiuii za Winterthnr.
Preis: Jü 1.—.
Für den Schulgebrauch erklärt von
Gotü. Stier,
weiland Direktor des Herzogl. FranoiBcenmB in Zerbet.
Erstes Heft. Gesang I-IU.
Zweite Auflage, besorgt von
Dr. Max Seibel.
Preis: .il 1.20.
ZwsKss Hsfft. Gesang IV— VI.
Zweite, verbesserte Auflage, besorgt von
Dr. Max Seibel.
Preis: J$ 1.20.
Zu beziehen durcli alle BachhandlaDgen.
Tlki di« B«daktlon TenuttwortUeh Dr. E. Latfwig in I
Dnek ud YttlAg Ton Frltirlili Aatfrtat PertiMt in attha.
'^
APfi 8 1903
GothA, dl. Kan. Kr. 6, Jahrgang 1908.
Neue
PhilologischeRundschau
HeraoBgegebeD Ton
Dr. O. Wagener und Dr. E. Ludwig
I in Bremen.
Snoheint «llt 14 Tacre. ^ Preis fBr den Jahrgang 8 Mark.
Beetellimgen nehmen alle Bnchhandlnngen, sowie die Postanstalten des In- und Auslandes an
Insertionsgebflhr fSr die einmal gespaltene Petitseile 80 Pfg.
Inhalt: Bezensionen: 70) H. Erakert, Herodas in mimiambis qnatenus coinoe-
diam Graecam respezisse videatar (J. Sitzler) p. 121. — 71) A. Polaschek,
Studien znr grammatischen Topik im Corpus Caesariannm (P. Menge) p. 122. —
72) L. Pread*homme, Premiere ötnde snr rhistoire da teite de Sa6tone: De
▼ita Caesanim (B. Dfipow) p. 128. — 73) G. v. d. Gabelentz, Die Sprach-
wissenschaft (F. Pabst) p. 125. — 74) Wolf g. Passow, Studien zum Par^
thenon (L. Koch) p. 181. — 75) Mitteilnngen der AltertomdEommisnon f&r West-
falen (0. Wackermann) p. 131. — 76) Eonrad Meier, Bacine und Saint- Cyr
(I. H.) p. 137. — 77) Ph. Plattner, Formenbildang nnd Formenwechsel des
französischen Yerbtims (H. Bihler) p. 138. — 78) Gratien Charton, Die
Schwierigkeiten der französischen Spracne (E. Holtermann) p. 140. — 79) B. B e t h ge,
Ergebnisse nnd Fortschritte der germanistischen Wissenschaft im letzten Viertel-
jahrhnndert (H. Spies) p. 142. — 80) Sevin, Elementarbach der englischen
Sprache (Fr. Blame) p. 143. — Anzeigen.
70) H. Erakerti Herodas in mimiambiB qnatenoB oomoediam
Oraeoam respezisse videator. Dissert. inaiig. Leipzig,
B. G. Teobner, 1902. 48 S. 8.
In den Mimiamben des Herodas finden sich zahlreiche Anklänge an
die griechische Komödie. Dies ist bei der nahen Verwandtschaft zwischen
den Literatargattnngen selbstverständlich und gewifs auch von jedem mit
der griechischen Literatur vertrauten Leser der Mimiamben bemerkt, ja
von einigen auch schon offen ausgesprochen worden; aber an einer um-
fassenden Darlegung des Verhältnisses zwischen Mimiambos und Eomfidie
fehlte es leider noch.
Dieser dankbaren Aufgabe hat sich der Verf. der vorliegenden Frei-
burger Doktordissertation, die grofsen Fleifs und gesundes Urteil verrät,
mit Oeachick imd Erfolg unterzogen. Jeder Mimiambos wird von ihm
zuerst im allgemeinen und dann auch im einzelnen auf seine Berührungs-
punkte mit der EomOdie soxgffiltig untersucht; ja, es wird auch nicht
122 Neue Philologische BnndBohan Nr. 6.
versäumt, wo es angeht, Plautus als Ersatz für die verlorenen griechischen
Komödien beizuziehen. Wir sehen jetzt, wie nicht nur im allgemeinen
die von Herodas behandelten Themen, Situationen und Personen mit sol-
chen der Komödie übereinstimmen, sondern dafs sich diese Ähnlichkeit
auch auf einzelne Gedanken und Wörter erstreckt. Aber diese Überein-
stimmung darf man nicht so auffassen, als ob Herodas bei Abfassung seiner
Mimiamben bis ins einzelne Aniehen bei der Komödie gemacht habe;
dies ist auch nicht die Meinung des Verf., obgleich der Titel der Disser-
tation zu diesem Glauben verleiten könnte; vielmehr zeigt sie nur, dafs
zwischen Mimiambos und Komödie hinsichtlich der Wahl der Stoffe und
der Art ihrer Behandlung innige Beziehungen bestanden.
In der Frage, ob die Mimiamben des Herodas öffentlich von Schau-
spielern aufgeführt wurden, nimmt der Yerf. eine verneinende Stellung
ein. Ich glaube, mit unrecht; denn die Annahme der Aufführung ist
von vornherein wahrscheinlich, und was bis jetzt dagegen vorgebracht
wurde, spricht in Wirklichkeit nur daför.
Tanberbischofsheim. J. Sitzler.
71) A. Polaschek, Studien zur grammatischen Topik im
Corpus Caesarianum. Pgr. Floridsdorf, 1902. 23 S. 8.
Dem Zeitwort esse vor allem gilt die eingehende und mühsame Arbeit
des Verf. In dem allgemeinen Teile weist er nach, dafs G. merklich
gesucht hat, die häufige Wiederholung von esse durch variatio zu ver-
meiden. Er ersetzt es durch vollere Verben oder habere oder liefs es
überhaupt aus. üngefiLhr dieser Begel scheint er hierbei gefolgt zu sein:
das für die Darstellung unentbehrliche Verbum sum ist auf die unum-
gänglich notwendigen Fälle zu beschränken, sonst läfst man es aus, wenn
es irgendwie der Text zuläfst (S. 6). Wir vermissen dabei einen Hinweis
auf Dittenbergers Arbeit im Hermes UI, sowie auf H. Meusels Beiträge
zur Kritik von Caesars bellum Gallicum in den Jahresberichten des
philologischen Vereins 1894. Weiter wird das Streben Caesars
nach variatio durch die verschiedene Art der Stellung von esse bewiesen.
Genauer handelt hiervon der besondere Teil. Wir erfahren, dafs G. im
Anfange seiner Kommentare das so bequeme Wörtchen esse am häufigsten
gebraucht. (In der Behandlung der Relativsätze findet sich ein Irrtum;
b. c. I, 42, 1 quod longius erat agger petendus ist quod Konjunktion.)
Weiter behandelt Verf. verschiedene feststehende Verbindungen wie satis
^
NeiM Philologisohe BnncUcliAa Nr. 6. 138
esse, in armis esse, parem esse. S. 21 heifst es: Nor an einer schwer
heilbaren Stelle 5, 34, 2 liest man erani et virtute et nomero pagnandi
pares. Hier läfst sich doch wohl ein Grund fttr diese Wortstellung nach-
weisen. Die drei anderen Beispiele aus G. selbst 1, 40, 7; 4, 7, 5; II,
39, 3 finden sich in verneinten Belativsätzen mit posse, in denen esse rein
enklitisch ist. 5, 34, 2 aber wird erant durch seine Stellung an der Spitze
des Satzes ganz besonders hervorgehoben, wodurch, wie Verf. selbst S. 14
aus Schmalz anfährt, die Wirklichkeit versichert wird. In Wirklichkeit
waren eben die Eburonen an Tapferkeit und Zahl einem Gefechte Mann
gegen Mann (pugnando mit Leidensis I) gewachsen. Durch seine Unter-
suchungen begründet Verf. den sehr wichtigen Satz, dafs die „traditio-
nelle^' Stellung (Subjekt, Prädikatsnomen, esse) auch nicht häufiger vor-
kommt als die „occasionelle^' (S. e. Pn.). Die letzten Gründe für die Wahl
einer bestimmten Wortstellung sind eben rein psychischer Natur. S. 15
Z. 4 ist wohl aus Versehen geschrieben: auch Zahlwörter werden gerne
an esse angeschlossen, statt: auch an Zahlwörter wird gerne esse an-
geschlossen. Ähnliches findet sich Z. 9.
Erfart. Pa«l Mesgo.
72) L. Preud'homme, Premiere ötude sur rhistoire du texte
de Suötone ^^De vita Caesaxum^ Bruzelles, Hayez, 1902.
32 S. 8.
— Dexudöme ttnde. Ebenda. 10 S. 8. (Extrait des Bull,
de TAcad. roy. de Belgique, classe des lettres etc., no. 5, mai —
no. 8. aoflt 1902.)
Verf. hat im Dezember 1896 bei der kgl. belg. Akademie eine Denk-
schrift eingereicht über die Fitige der Vorbereitung einer kritischen Aus-
gabe von Suetons Vita XII Caesarum und beginnt jetzt diese stückweise
zu veröffentlichen.
Die erste der beiden vorliegenden Studien zerßlllt in zwei Teile:
1. Les manuscrits de Bentley. 2. Les manuscrits du XV* si^le.
Im ersten Teile zeigt P., dafs die von Bentley benutzten Handschr.
sämtlich nachzuweisen sind; und zwar sind B und B3 identisch mit den
beiden cod. regius 15, C. III und 16, C. IV im British Museum zu Lon-
don; Si und Sa sind cod. ^^^^-9 und ^i^^.j. in Sion College in
London; L ist in Lincoln College Lat. 93 der Biblioth. Bodleiana in Oz-
/
124 Nene PhilologiBöhe Bandsohaa Nr. €.
ford; M und M« nnd Dd. 10. 41 und EE 6. 24 der Universitätsbiblio-
thek in Oambridge. Zugleich weist Pr. nach, dafs die von Js. Yossius
handschriftlich in einer in der Bibliothek zu Leyden vorhandenen Aus-
gabe angefahrten Lesarten, wie schon Becker vermutet hatte, dem cod. B
Bentleys entnommen sind, und dafs die auf Hendrik C!opes zurfickgehenden
von Qraevius und Burmann angefahrten Lesarten vermutlich aus einem
von ihm verglichenen Gantabrigiensis stammen.
Dafs alle Handschr. Bentleys nicht, wie Ihm (im Sitzungsbericht der
kgl. pr. Ak. d. Wiss. zu Berlin, 1901, XXYII) behauptet, mit Ausnahme
von B minderwertig sind, sondern genauer studiert zu werden verdienen,
will Pr. demnächst nachweisen.
Im zweiten Teile zeigt Pr., dafs Smith und Howard, die im XH. Bande
der Harvard Studies in classical Philology, 1901, Aber einige Sueton-Hand-
Schriften des 15. und 14. Jahrb. geschrieben haben, im Irrtum sind, wenn
sie behaupten, dafs diesen ein wenn auch nur geringer Wert fQr die Eritik
beizulegen sei, vielmehr werde die von ihm bereits fertiggestellte und
in kurzem zu verfiffentlichende Elassifikation der Sueton-Handschriften
beweisen, dafs alle diese Handschr. des 15. Jahrb., wie schon Both erkannt
habe, ohne jede Bedeutung seien.
In der zweiten Studie behandelt Pr. die sogen. Excerpta Listaeana,
Ouiadana, Bongarsiana. Bisher nahm man an, dafs Bongars eine Eollation
eines sonst unbekannten cod. Guiacianus gemacht und dafs Lislaeus eine
Abschrift von dieser gehabt habe, von der er Auszfige an Casaubonus und
an Lipsius geschickt habe. Pr. weist nun nach, dafs die von Bongars
benutzte Handschr. ein von ihm im Jahre 1895 verglichener Eodex der Stadt-
bibliothek in Soissons ist; wenn man bisher geglaubt habe, es sei ein
Guiacianus, so sei dies eine nicht zu beweisende Annahme, die durch einen
Irrtum Burmanns entstanden sei. Auch seien die beiden CoUationes des
Lislaeus und Bongars unmöglich eine von der anderen abgeschrieben, son-
dern es seien das vermutlich zwei voneinander unabhängige Eollationen des
codex Suessionensis gewesen aus dem Ende des 16. Jahrh.
Bergedorf. R. Düpow.
^
Neme FbilologiBobe Bundflohan Nr. 6. IM
73) Gteorg von der Oabelentz, Die Spraehwissensohafty
ihre Aufgaben, Methoden und bisherigen Ergebnisse. Zweite,
vermehrte und verbesserte Auflage, herausgegeben von Übreoht
dtnt Ton der Schulenbnrg. Leipzig, Chr. H. Tauchnitz,
1901. XXI u. 520 S. 8. geh. Ji 15.—.
Leider ist es G. von der Oabelentz nicht mehr vergönnt gewesen,
die zweite Auflage seines Werkes selbst fertigzustellen« Der Herausg.
derselben, ein Neffe des Verewigten, hat in pietätvoller Weise „das Oe-
schaffene, soweit es irgend anging, mit schonender Hand erhalten und
nur da, wo der Fortschritt der Wissenschaft es dringend verlangte, Ände-
rungen und Erweiterungen vorgenommen". So findet man mit ganz ge-
ringfügigen Ausnahmen (auf S. 53, 173, 232/3, 263, 267/8, 387, 395/6)
in der neuen Auflage wfirtlich den Text der alten wieder — an nicht
wenigen Stellen aber ist dieser Text durch Einschfibe und Zusätze er-
weitert worden. Das Ganze ist sehr geschickt redigiert, sodals man nur
hie und da (z. B. auf S. 190 und 390) ohne Vergleichung mit der ersten
Ausgabe die Einschaltungen bemerkt. Der Mehrzahl nach bringen die
Zusätze Verdeutlichungen und Ergänzungen: an vielen Stellen z. B. werden
abstrakte Auseinandersetzungen in dankenswerter Weise durch konkrete
Beispiele verständlicher gemacht; gelegentlich finden wir einen hinzu-
gefägten Bfickblick auf ein Kapitel (S. 12 und anderwärts) oder eine AxAr
wort auf Bezensionen der ersten Ausgabe (S. 53 u. 170); auf S. 15—17
ist die Frage Aber die Stellung der Linguistik zu den Naturwissenschaften
noch näher erOrtert; S. 140 werden die Endziele der einzelsprachlichen
Forschung und der allgemeinen Sprachgeschichte in ihrer Verschiedenheit
ausfährlicher klargelegt; S. 204—208 steht ein grfifserer Nachtrag Aber
Sandhi-Erscheinungen und Bevorzugung oder Verwahrlosung in der Arti-
kulation, S. 250—252 ein wichtiger Zusatz fiber Nach- und Neuschaffung
von Wurzeln und Wortstämmen, und auf S. 297—301 findet sich ein
längerer Paragraph fiber Laut- und Sachvorstellung mit höchst inter-
essanten Belegen ffir Unsicherheit der Lautbilder bei den Eabylen und
Basken (vgl. S. 296). Hie und da, z. B. auf S. 328—334 u. 338—343,
werden Zitate aus der fechwissenschafUichen Literatur jetzt in gröfserer
AusfQhrlichkeit mitgeteilt; S. 409—411 bemerkt man einen längeren
Einschub fiber den Konsonantismus der semitischen Stammbildnngen; auf
S. 475/6 ist ein neuer Paragraph „Der Stil*^ hinzugekommen, und auf
S. 481 ein Absatz fiber sprachwissenschaftliche „Typologie"'. Von be-
126 Nene Philologisobe Rnndsohan Nr. 6.
sonderem Interesse ist auch eine Einschaltang anf S. 39, in welcher der
Verf. ein sehr ehrliches Geständnis fiber sein Verhältnis zu der fach-«
wissenschaftlichen Psychologie ablegt. „Ich weifs nicht", sagt er, „ob
ich es den angehenden Sprachforschem empfehlen soll, sich lange beim
systematischen Stadium dieser Wissenschaft aufzuhalten. Ich fQr meinen
Teil bedaure, dafs ich für diesen Teil der Philosophie nie viel Ausdauer
gehabt und meinen Bedarf an Seelenkunde mehr aus der Praxis des Le-
bens und aus feinsinnigen Charakterschilderungen bezogen habe, als aus
den Theorieen fachgelehrter Psychologen. Doch das mag individuell sein;
Andere haben meines Wissens solchen Studien mehr Oenufs und Oewinn
zu verdanken gehabt/^ Auf S. 51 steht ein bemerkenswerter Zusatz fiber
das Neben- und Nacheinander beim Neuerlernen von Sprachen. „Da
mufs ich nun ... aus eigener Er&hrung vor einem naheliegenden Fehler
gegen die geistige Diät warnen. Man möchte am liebsten gleich mehrere
Sprachen neben- und durcheinander treiben. Dadurch erschwert und ver-
zögert man sich die Arbeit, steckt sich beim Fortschreiten selber den
Stock zwischen die Beine. Denn jede dritte Sprache, mit der man sich
beschäftigt, verlangsamt die Erlernung der anderen." Der Verf. berührt
sich hier wie auch in den sehr treffenden Bemerkungen über das Über-
setzen beim methodischen Sprachunterricht (S. 71 f.), welche schon in der
ersten Auflage stehen, eng mit den Bestrebungen der neuen Schulpäda-
gogik. — Von Interesse ist endlich auch auf S. 239 ein Zusatz über
Synonymkomposita, mit einem Ausblick auf die Wurzelbildung; man vgl.
dazu S. 242.
Soviel über die Nachträge der zweiten Auflage. Es sei uns gestattet,
noch einige zwanglose Bemerkungen anzuschliefsen. Da die Neuausgabe
keine prinzipiellen Änderungen aufweist, können sich unsere Band-
glossen natürlich nur auf mehr oder weniger nebensächliche Dinge be-
ziehen.
Auf S. 190 hätte die lautgesetzliche Erklärung für die besondere
Behandlung des {) bei den demonstrativen Pronominibus und Adverbien
des Englischen etwas deutlicher angegeben werden müssen. Vgl. Sweet,
New Engl. Grammar I, § 861. Was auf S. 195 fiber den Wechsel zwischen
/ und p gesagt ist, bedarf der Erweiterung. Der gegenseitige ümsprung
von fxmip (an dem sich auch die palatale undTelare Spirans ;( beteiligt) ist
eine in den verschiedensten Sprachen auftretende Erscheinung. Die Bussen
nennen bekanntlich das 0, welches sie noch in griechischen Lehnwörtern
•^
Nene FhOologisohe Bondiehaa Nr. 6. 197
und Eigennamen schreiben, fitd und sprechen es stets wie f aas (vgl.
Feodor); im Schottischen findet man Foarsday fftr Thursday, und im
VnlgärengUscheu nuftm ffir nothing. Näheres u. a. bei Varnhagen im
Anz. f. d. Altert. IX, 179 (mit ausführlichen Literaturverweisen), und
mit besonderer Bezugnahme auf franz. seif in der Zs. f. roman. Philol.
X, 298 (weitere Literatur über soif bei Körting, Lat.-roman. WOrterb.'
Nr. 8754); Storm, Engl. Philologie' I, 2, S. 826; Kluge in Pauls
Grundrifs' I, 1008 und im Etymologischen Wfirterbuch unter „finster**;
Noreen, Altisländ. u. altnorweg. Gramm.*, § 200; Sommer, Handbuch
der latein. Laut- u. Formenlehre, S. 194 f. Der Wechsel von / mit %
ist namentlich bekannt aus dem Englischen {laugh, rough u. s. w.), aus
dem Niederdeutschen und Holländischen {Schachi, Schhickt, sacht, hoUd.
hracM, gracht u. s. w., nach Kluge, Etymol. Wörterb.^ auch bei Juchten
för hochdeutsches Juflen aus russischem jußt, neben dem allerdings jetzt
auch eine [aus dem Niederdeutschen zurfickentlehnte ?] Form jucJUt exi-
stiert, und in weitem umfange findet er sich bei deu arabischen Lehn-
wfirtem des Spanischen und des Portugiesischen, bei welchen letzteren
aufser dem Hinterweichgaumenreibelaute ^ auch der ähnlich klingende
Stimmritzenreibelaut h und das einfache h in Betracht kommen (Seyboldin
Gröbers Grundrifs I, 402; Baist, Die arab. Hauchlaute u. Gutturalen
im Spanischen, S. 5flf.;^Zimmern Vergleichende Grammatik der se-
mitischen Sprachen S. 8). Als ein frappantes Beispiel für den Wechsel
zwischen palatalem x ^^^ P ^^^Q ^^^ Ortsname KeigUey (Torkshire,
West Biding) angefahrt werden, der am richtigsten k^* ausge-
sprochen wird. Jedenfalls ist der ümsprung bei den drei Spiranten
schon aus akustischen Gründen nicht sehr aufßLllig, mag es sich da-
bei um Lautsubstitution bei Lehnwfirtern oder um wirklich organischen
Lautwechsel innerhalb der Sprache selbst handeln. — Der auf S. 195
erwähnte Übergang von m- zu n- in nespola ist nicht so vereinzelt wie
es nach dem Gesagten scheinen könnte, vgl. Diez, Gramm, der Boman.
Spr. ^ S. 176. — Das h in huit (S. 196) ist doch wohl rein graphisch,
wie in allen Wörtern, die sonst mit Wr an&ngen würden {Huidne: Ido-
nia, huile: oleum, huis: ostium, huissier: ostiarius, huUre: ostrea); viel-
leicht wollte man durch das h verhüten, dafs vi- gelesen wurde (siehe
Diez a. a. 0., S. 366 u. 367); der Anlaut ui ohne h findet sich jetzt
nur in dem populären uist! , futsch!^ Dafs man vor huit nicht bindet oder
elidiert, erklärt sich hinreichend aus dem Charakter des Wortes als Nu-
198 NenA Fhilologitehe Rnndiohan Nr. 6.
merale; ist es doch ebenso bei onee und TielfiEich bei un, wenn dieses
nicht unbestimmter Artikel, sondern wirkliches Zahlwort ist, vgl. z. B.
Plattner, Aosffihrl. Gramm, der fianz. Spr. I, § 39 Anm. nnd § 167. —
Neben dem anorganischen v iq>BhivaTiyt6v und den firanzGs. Pataqute-
Erscheinungen hätte auf S. 198 auch das h&TsIiche r erwfthnt werden
können, welches gewisse Amerikaner zur Tilgung des Hiatus einschieben,
weil das auslautende r in den Wfirtem, wo es wirklich historische Be-
rechtigung hat, jetzt soweit verschliffen ist, dals es nur noch in der
Bindung deutlich zum Ausdruck kommt — Auf grammatische Anbildung
an Formen wie finiM, dart^, rompt-ü und aimait-ü, nicht aber, wie
Verf. S. 202 sagt, auf das lat. t in amai ist das Hiatus4 in aime-Uü
zurflckzofahren. Vgl. Körting, Formenlehre der franz. Sprache I, 100
und 0. Paris, Bomania 6, 438. — Zu der mitteldeutschen Assimilations-
und Eompronufsform mvr statt mr (S. 203) finden sich bemerkenswerte
Parallelen im Altnorwegischen, wo durch den Einflufs des Auslauts der
häufig vorausgehenden dazugehörigen Verbalform aus vit (veQ ,wir zweiS
vir ,wir*: mitimef) und mer, und aus ü ,ihr zwei*, 4r ,ihr^: pit und
ßir entstanden sind (Noreen a. a. 0., § 218, § 393 Anm. 5 und § 394
Anm. 5). Das in Mitteldeutschland fibliche Herüberziehen des r in Er-
eignis erklärt sich jedenfalls rein mechanisch wie in eritmem, erobern,
hercm, herein, darin, iwraus, und nicht, wie Verf. meint, durch den
Einflufs von erreichen. Vgl. G. Hempl, Oerman Orthography & Phono-
logy I, S. 69, § 89. — Im Anschlufs an das auf S. 215 Gesagte kann
auf einen interessanten Fall der Bedeatungsent Wickelung bei einem Suffixe
im Englischen hingewiesen werden. Das Lateinische besafs die beiden
Wörter hracchiäle „Spange am Oberarm" und frontale „Stirnschmuck"
(der Pferde u. s. w.). Im Altfranzösischen wurde daraus hracel „Arm-
spange", frontal, frontet „Stimschmuck (-band, -reif)", und mit einem
Verkleinerungssuffixe, dabei aber im wesentlichen mit unveränderter Be-
deutung, bracdet und fronidet. Die beiden letzteren Formen, die uns
hier besonders interessieren, wanderten (mit bracel, frontal, frontet)
fiber den Kanal und begegnen in dem alten Sinne (andere Bedeutungen,
die im Laufe der Zeit hinzugekommen waren, können hier unberflcksich-
tigt bleiben) in englischen Schriftstflcken des 15. Jahrb. {bracdet, wie das
Oxforder Wörterbuch nachweist, zuerst 1438, fronflet seit 1478). Seit
1535 findet sich dann im Englischen als Synonym von bracelet auch
noch armlet, in dem lieüeichi armil[l]ä „kleines Armband" (belegt erst
-^
Nene Philologische Bondsohan Nr. 6. 129
1658; vom altfraDzös. armiUet, Diminutiv von armille = lat. armiJla
„Armband, Armspange**) und engl, arm „der Arm** so verschränkt sind,
dars man sich das an und fQr sich etymologisch unverständliche armüia
nach dem Master des gleichbedeutenden hracelet und des sinnverwandten
fronüet, bei welchem letzteren der erste Bestandteil als Bezeichnung des
den betreffenden Schmuck tragenden Körperteils im Englischen selbständig
vorkam (s. d. Oxf. Wtb. unter front I, 1), als eine Ableitung von aarm
„der Arm** deutete. (Übrigens existierte auch sporadisch hrckce mit der
Bedeutung „der Arm*- selbständig, vgl. das Oxf. Wtb. unter hrace sb,*).
Damit war der Stein ins Rollen gekommen: das den drei Wörtern fronÜet,
hracelet und amdet gemeinsame Element 4et wurde zum Elassensuffix
für ringf(5rmige Schmuckgegenstände (bzw. für Bänder und Binden) überhaupt,
und man bildete nun flottweg von ear: earlet (1609 belegt), von ankle: anUet
(1832), von legi legtet (1836), von wristi wrisOet und von necTci necktet,
welches seinerseits wieder halb und halb durch das synonyme necMaee
suggeriert worden sein kann. Bradley (Oxf. Wtb. VI, Spalte 216*) meint
(allerdings nicht ohne auf armülef) hinzuweisen), schon armlet könne
wie die zuletzt genannten Wörter nach dem Muster von frontlet direkt
von arm „der Arm** abgeleitet worden sein. Man vergleiche auch
Wundt, Völkerpsychologie I, 2, S. 15ff. Das Suffix -Id blieb nebenher
auch reines Verkleinerungssufßx (vgl. Diez a. a. 0., S. 675; die altfranz.
Orundform -elet geht in diesem Falle zumeist auf -eUu- + -ettu-, nicht
auf -ofo- + -ettu- zurück), und so haben wir neben earUt „Ohrring"
auch ein ganz anders entstandenes 6arZe^ = „anything resembling a small
ear'* (Oxf. Wtb.), neben Uglet „an Ornament for the leg** noch legtet
„a little leg** (ebenda, belegt seit 1821) und neben amüet „Armspange**
armlet „ kleiner Meeres- oder Flufsarm ** (nach Murray sub verbo soll schon ein
altfranz., aber nicht ins Englische übergegangenes hracelet [= bras -|- elet, bzw.
*bracchiellettum?] mit dieser Bedeutung existiert h2Lheii);fingerlä ist nur ein-
mal von W. Johnson 1854 als Oelegenheitswort gebildet worden und be-
deutet bei ihm „a small or delicate finger**. Doch kehren wir von
dieser Abschweifung zu Oabelentz' Buche zurück. Nach dem auf S. 217
Gesagten soll bei rossignol, rouxindl u. s. w. aus ^lusciniolus der Mäuse-
dorn rtiscum von Einflufs gewesen sein. Das ist wohl ziemlich gesucht. Es
handelt sich jedenfalls um eine einfache Dissimilation, wie sie gerade
bei mehrfachem l im Lateinischen gang und gäbe ist (Sommer a. a. 0.,
S. 299). — Dafs die Afformative des semitischen Perfekts ursprünglich
130 Nene Philologische Bnndschan Nr. 6.
possessiven Charakter gehabt hätten (S. 391), wird jetzt nicht mehr
angenommen; vielmehr fafst man dieselben als verkürzte Nominative
des Personalpronomens auf (Zimmern, Vergleichende Gramm, der Semi-
tischen Sprachen , S. 98 ff.). Auch die Pronominalsuf&xe mit Akknsativ-
bedentung, wie sie an das Verbum antreten, kann man kanm mit Gabe-
lentz (S. 413) als possessiv bezeichnen; allerdings sind Genitiv und
Akkusativ bei dem suffigierten Pronomen im allgemeinen nicht verschie-
den, und die bei der 1. Pers. Sing, (sowie im Assyrischen auch noch sonst)
auftretenden Abweichungen zwischen den Nominal- und Verbalsuffixen
verdanken wohl erst einer sekundären Differenzierung ihren Ursprung
(Zimmern a. a. 0., S. 64), aber die logische Auffassung ist doch, wie
Gabelentz S. 413 Z. 20 ff. selbst zugibt, beim Nomen und Verbum für
den Semiten zu verschieden, da er sonst den Besitzer einer Sache und
das Objekt einer Handlung scharf auseinanderhält. — Auf S. 393 ist zu
modifizieren, was über franz. nous, span. nos mit oder ohne atäres, ctros
gesagt ist, da es jetzt nur noch für das Französische (und Italienische)
pafst. Im Spanischen kommt die Form nos nur noch als Pluralis maie-
staticus in Erlassen hochgestellter Personen oder Kollegien vor, während
sonst durchweg nosotros, -os (wie auch vosotros, -o«) gesagt werden mufs
(Wiggers, Gramm, der span. Spr. § 25, 2). — Die auf S. 433 an-
geführte HerleituDg des englischen good-bye von good be ye ist jetzt
ebensowenig mehr aufrecht zu erhalten, wie die sonst gewöhnlich ge-
gebene von Gad he with yau, seitdem W. Franz in den Engl. Studien
24, 344 ff. nachgewiesen hat, dafs dem Ausdruck die Formel God huy you!
„Christus erlöse dich!'^ zu Grunde liegt.
Zum Schlufs seien noch einige zum Teil sinnstörende Druckfehler
berichtigt: S. 171, Anm. 1 lies: Vemer'scken, S. 207, Z. 14: Römt>r
(st. Männer)^ S. 213 Mitte: querer (st. guerir)^ S. 217, Z. 6: notion
(st. ncUion, welches hier ganz verwirrend wirkt), S. 244 Mitte: die es
thaen (st. dies thuen), S. 298 Z. 11 lies: sein = stnus, seing = signmn,
S. 313, Z. 5: L'expressian (st. cFexpression\ S. 327, Z. 6 lies d st. t
Die äufsere Ausstattung ist musterhaft, doch hätte das umfangreiche Werk,
das doch nicht nur zum Nachschlagen, soDdem vor allem auch zum zusammen-
hängenden Lesen da sein soll, lieber in zwei handliche Bände von wesentlich
kleinerem Format zerlegt werden sollen. Wie in anderer Beziehung, so gilt
auch vom Formate das Wort des Kallimachos Miya ßißklov fiiya -myubv.
Bremen. F. Pabst.
■^
Neae Philologische BnndBchaa Nr. 6. 1dl
74) Wol^ang FaBSOWy Stadien zum FarthenoiL Philologische
üntersuchangen herausgegeben von A. EiefsUng und ü. t. Wl-
lamowitz-Hoellendorff. 17. Heft. Berlin, Weidmannsche Buch-
handlung, 1902. 65 S. 8. Ji 3. -.
An diesen Studien, zu denen den Verf. die Teilnahme an dem archäol.
Osterferienkursus in Berlin anregte, scharfe Kritik fiben zu wollen, ver-
bietet sich von selbst. Wurde er doch durch den Tod verhindert, an
jene Stellen selbst bessernde Hand anzulegen, die die Herausg. als der
Revision und Vervollständigung bedürftig ihm bezeichnet hatten. Mit
anerkennenswerter Pietät gegen den Verstorbenen haben sie diese seine
letzte Arbeit, freilich nicht ohne erhebliche Abänderungen in ihre
Sammlung aufgenommen, und jedenfalls damit zu einer weiteren Nach-
prüfung der in ihr niedergelegten immerhin beachtenswerten Ergebnisse
angeregt. Behandelt sind im ersten Abschnitt der Tänienschmuck, im
zweiten die Eentaurenmetopen des Parthenon und zwar sowohl die der
Südseite als die der Nordseite und schliefslich das Farthenonpferd , über
dessen GrOfsenverhältnis, Haltung, Gangart und Basse sehr zutreffende
Bemerkungen gemacht werden. So ist es, um nur eines hervorzuheben,
durchaus überzeugend, wenn P. die von ihm als einem guten Pferdekenner
gerügten ünnatürlichkeiten in der Gangart auf künstlerische Willkür zu-
rückfahrt. Hingegen wird der Verf., wenn er meint, auch das GrOfsen-
verhältnis des Parthenonpferdes zu seinem natürlichen Vorbild sei absicht-
lich entstellt, gerechtem Zweifel bei denen begegnen, die das kleine attische
Pferd gesehen haben. Jedenfalls merkt man es besonders der letzteren
Untersuchung an, dafs bei ihr das Interesse des Verf., der schon als Stu-
dent für das Studium der Bildung der Pferde in der antiken Plastik sich
sehr erwärmt hatte, stark erregt war. Die Lektüre dieses Kapitels sei
allen Freunden der Parthenonskulpturen angelegentlich empfohlen.
Bremen. L Kooh.
75) Mitteilungen der Altertumskommission fOr Westfalen.
Heft I. Mit 4 Abbildungen und 9 Tafeln. Mün8t.er i. W.,
Aschendorffsche Buchhandlung, 1899. VUI u. 124 S. 8. Ji 8.—.
Heft IL Mit zahlreichen Abbildungen im Texte und 39 Tafeln.
Ebenda 1901. IX u. 228 S. 8. J6 10.—.
Gleichzeitig mit der Untersuchung des germanisch - rätischen Grenz-
walles hat sich die geschichtlich -philologische, archäologische und mili-
132 Neue Philologische Bnndfichau Nr. 6.
tärische Forschung auch anderen Stellen unseres Vaterlandes mit erneutem
Interesse zugewandt, wo immer der Überlieferung nach die Bömer längere
Zeit sich festgesetzt und durch Anlage von Befestigungen wie bürgerlichen
Niederlassungen Spuren ihrer Anwesenheit hinterlassen haben. Seit langer
Zeit sucht man mit Eifer nach der Stelle des alten Ali so, in wichtiger
Epoche einst der bedeutendsten Position der römischen Eroberung im
nördlichen Germanien, die nach verhältnismäfsig kurzem Bestehen dem
Anstürme der Germanen erlag; und eine stattliche Literatur hat sich
über die Aliso- Frage schon angesammelt. Eine Beihe berufener Forscher,
die sich zu gemeinsamer Arbeit vereinigten, hat nun in den beiden vor-
liegenden Heften die Ergebnisse ebenso sorgfältiger wie umsichtiger For-
schung niedergelegt und, wie wir gleich hier vorausschicken, dadurch
ein wesentliches zur Förderung, ja Lösung dieser Frage beigetragen.
Vielleicht haben schon im Augenblicke, wo wir diese Zeilen schreiben,
neue Grabungen vollkommene Sicherheit und Entscheidung gebracht.
Die am 30. Dezember 1897 eingeseti^^e westfälische Altertums-
kommission stellte sich zunächst die Aufgabe, alle in ihrem Forschungs-
gebiet aus dem Altertume und dem Mittelalter erhaltenen Reste von
Erdbefestigungen einer zusammenhängenden, systematischen Untersuchung
zu unterziehen unter Anlehnung an die bisher betriebenen wissenschaft-
lichen Arbeiten. Naturgemäfs richtete sich diese Aufgabe in erster Linie
auf diejenigen alten Befestigungswerke, welche bis jetzt mit mehr oder
weniger Bestimmtheit als von den Bömern herrührend angesehen worden
waren; und so beschäftigen sich denn die hier vorliegenden „Mitteilungen^^
zum gröfsten Teile mit Überresten von Anlagen aus der Bömerzeit.
Ergeben auch einzelne der für die N. Pb. Bdsch. in Betracht kommenden
Untersuchungen ein negatives Resultat und liefern sie zunächst den Nach-
weis, dafs man an manchen Stellen bisher mit Unrecht römische An-
lagen angenommen hat, so ist doch auch damit der Wissenschaft gedient.
Von den fünf Abteilungen des ersten Heftes fallen die beiden ersten
ganz oder teilweise in das Gebiet der römischen Altertumsforschung. S.l — 3Q
bringt A. Worm stall eine statistische Übersicht über „die vor- und
frühgeschichtlichen Wallburgen, Lager und Schanzen in
Westfalen, Lippe-Detmold und Waldeck (Pyrmont)" mit voll-
ständigem literarischem Nachweis. Die zweite Abteilung beschäftigt sich
mit der Untersuchung römischer oder für römisch gehaltener Befestigungen
in Westfalen. Mit Interesse lesen wir zunächst einen „offetfen Brief
^
Neue Philologische Bandschau Nr. 6. . 133
über das Varuslager im Habicbtswalde'S in dem sich Fr.
Jos t es gegen Enokes Annahme eines Varnslagers bei Stift Leeden (Kreis
Teeklenbarg) wendet und dies „ärmliche Wallgebilde'' der Zeit der ersten
Markenteilung (1668) zuweist, woraus sich auch die „porta principalis
sinistra'' und „deitra'' und das „praetorium'' ungezwungen erklären
läfst. Wenn man unbefangenen Auges den Darlegungen Jostes' folgt, der
nicht blofs den klassischen Philologen und Altertumsforschern, sondern
auch erfahrenen und mit den Verhältnissen der Gegend und der Geschichte
der Marken vertrauten Forstleuten und Landwirten das Wort einräumen
möchte, so kann man nicht umhin, dem Urteil Schuchhardts, des Verfassers
der demnächst folgenden Abhandlungen, beizupflichten, dafs Enokes „Varus-
lager im Habichtswalde" erst mit diesem Aufsatze aus der Welt geschafft
sei; denn „dafs eine Sache nicht römisch sein könne, beweist man erst
vollkommen, wenn man dartut, was sie denn wirklich ist".
Die sich anschlieliseuden Abhandlungen C. Schuchhardts über
Ausgrabungen und Aufnahmen an der Lippe sind insofern
grundlegend fQr die weiteren Untersuchungen, als in ihnen dargelegt wird,
dafs eine Reihe von zum Teil recht ansehnlichen Lippebefestigungen in
der römischen Liste nicht weiter gefQhrt werden dürfen, dafs man über-
haupt von einer fortlaufenden befestigten Linie der Lippe fortan nicht
mehr sprechen kann. Manche der irrig für römisch gehaltenen Beste
sind durch Anlage und Fundstücke der merovingischen oder karolingi-
schen Zeit zuzuweisen, für einen derselben wird es in einem Aufsatze
des zweiten Heftes von E. Bitterling bestätigt und ergänzt; manche Be-
festigung kann der Anlage nach römisch gewesen sein, läfst sich aber
als solche nicht beweisen, sofern kein einziges römisches Stück unter
den Funden sich zeigt. Allein auf dem St. Annenberge bei dem Städt-
chen Haltern (Ereis Coesfeld, in der Mitte der Bahnlinie Münster— Wesel),
an dem nördlichsten Punkte des Lippelaufes gelegen, wo die Einmündung
des Stever (von rechts) die Wassermasse des Flusses fast verdoppelt, ist
durch zahlreiche Fundstücke und erkennbare Überreste der Befestigungsanlage
ein römisches Lager mit Bestimmtheit festzustellen. Auch die von hier aus
in der Bichtung nach Gastra vetera führende Heerstrafse läfst sich an vielen
Stellen und auf lange Strecken erkennen. Die gro&e Anzahl der hier ge-
fundenen Waffen u. s. w. läfst mit Grund vermuten, dafs das Eastell nicht
freiwillig von den Bömern verlassen, sondern durch Sturm erobert und die
Besatzung niedergemacht ist. Die aufgefundenen Münzen (deren keine
184 Neue Philologische Rundschau Nr. 6.
einzige mehr von Tiberius) setzen die Eroberung gegen das Ende der
Begierung^ des Angnstns. Liegt es nicht nahe, an die Katastrophe der
Varusschlacht und was mit ihr zusammenhängt zu denken? Jedenfalls
hat auf dem St. Annenberge bei Haltern ein römisches Kastell gestanden;
eine stattliche römische Niederlassung, von hier gegen die Stadt Hal-
tern sich hinziehend, ist schon gleichzeitig mit dem Kastell vorhanden
gewesen und ist noch lange nach dessen Untergange in reger Beziehung
zu den römischen Kolonieen am Bheine geblieben. Ffir alle diese Schlufs-
folgerungen war die Grundlage gegeben.
Nachdem man von der Lippelinie als der bis zum Quellgebiet hinauf
mit Kastellen besetzten Einfiallstrafse der Bömer hatte absehen mfissen,
nachdem das erste Bömerkastell an der unteren Lippe, 40 km vom Bheine,
mit einem weiten Anhange römischer Besiedelung sich ergeben hatte, war
die Aufgabe gestellt, an diesem Punkte die Untersuchungen wieder auf-
zunehmen. Das Besultat, das diese ergeben haben, ist in dem reicheren
zweiten Hefte der „ Mitteilungen *' niedergelegt, das sich fast ausschliefs-
lich mit Haltern beschäftigt. Zuerst wird (von P. Philip pi) Lippe- und
Steverlauf in früheren Jahrhunderten festgestellt, wobei sich ergibt, dafs
der Lauf der ersteren weiter nördlich ging und die Bömeranlagen un-
mittelbar berührte ; Th. Ilgen untersucht dann die LippeschifiTahrt in
früheren Zeiten und kommt zu dem Ergebnis, dafs die Lippe für die
Schiffahrt (im Mittelalter wenigstens) nicht oder höchstens von der Stever-
mündung an in Betracht kommt.
Die wichtigsten Aufsätze sind die in der dritten Abteilung dieses
Heftes stehenden Arbeiten: „Die römische Niederlassung bei
Haltern." Zuerst werden hier (S. 55—106) die Anlagen am Ufer
der Lippe von F. Koepp (in freilich etwas breiter Weise) besprochen.
Wir lernen das alte Bette des Flusses, üferbauten und Hafenanlagen
kennen und auf einem von Gräben eingeschlossenen grofsen dreieckigen
Platze ein Kornmagazin (das indessen G. Loeschcke in einem späteren
Aufsatze „Vermutungen über dieBestimmung und Geschichte
der röm. Anlagen am Lippe-Ufer" an etwas andere Stelle ver-
legt), zu dessen Entdeckung zunächst das Vorhandensein einer aufser-
ordentlich grofsen Menge verkohlter Weizenkörner führte. Hier am Ufer
wie an anderen Stellen läfst sich eine zweimalige Zerstörung durch Brand
erkennen. Als bestimmt römisch die Anlagen bei Haltern zu bezeichnen
und zugleich einer bestimmten Periode, nämlich der Zeit um den Beginn
-^
Nene PhilologiBche Bandschau Nr. 6. 135
unserer Zeitrechnung, sie zuzuweisen, ermöglicht «nd nötigt die überaas
grofse Zahl von Fundstucken, die f&r jene Periode charakteristisch sind:
Münzen, Wa£Een, Werkzeuge, Geräte und vor allem Töpfergeschirr, grofse
und kleine Töpfe, Yorratsgefäfse, Lampen u. s. w., auf S. 107—174 be-
sprochen und bestimmt von E. Bitterling. Wir erhalten hier, weil
die Zeit sich so genau bestimmen läfst, ein durch spätere Bestandteile
ungetrübtes und verhältnismäfsig vollständiges Bild von dem Inventar des
römischen Bheinheeres, namentlich auf keramischem Gebiete (etwa die Hälfte
der Sigillata-Stempel zeigt den Namen des Ateius, dessen Fabrikate in Pompeji
so häufig sind), zu den Zeiten des Drusus, Tiberius, Varus und Germa-
nicus, und damit einen bestimmten Mafsstab far andere Funde; darin
beruht die hohe allgemeine Bedeutung der bei Haltern gemachten Einzel-
entdeckungen.
Das schon vorher bekannte, aber noch keinesw^ allseitig bestimmte
Kastell auf dem St. Annenberge hat G. Schuchhardt nochmals
vollständig durchforscht (S. 175 — 198), nachdem eine Kommission des
archäologischen Instituts von dem Stande der Untersuchung Kenntnis ge-
nommen und das Beich Mittel zur Weitergrabung verwilligt hatte. Die
Gestalt des Kastelles stellte sich als ein greises, nahezu gleichseitiges
Dreieck mit abgestumpften Ecken dar. Die aufserordentlich feste Anlage,
auf der Höhe an sich schon dominierend, umschliefst ein Kastell fast
dreimal so grofs als die Saalburg. Unterhalb der Höhe, unmittelbar bei
dem Orte Haltern und dicht an dem alten Lippebette, liegt ein — der
eingehenden Durchforschung noch wartendes — viel gröfseres Lager,
dicht mit römischen und zwar einheitlich augusteischen Besten besetzt
Schon jetzt darf Schuchhardt die Vermutung aussprechen, dafs der Anna-
berg das Kastell, die^itadelle geblieben sein wird, das Winter und Sommer
gehalten wurde, während die unteren Anlagen dem Aufmarsch und der
Verproviantierung dienten.
Man hat die Haltemer Grabungen nicht begonnen, um Aliso zu
finden, aber bald sich genötigt gesehen mit der Annahme zu rechnen,
dals hier, nicht in Elsen bei Paderborn, das alte Aliso zu suchen ist. In
einem besonderen Aufsatze, „die Aliso-Frage^S vermag Schuchhardt
diese Vermutung fast bis zur Evidenz zu bringen, und auch 0. Dahm,
der in einem Nachtrag noch einige interessante Einzelheiten beibringt,
kommt zu dem Schlüsse, dafs wir hier Aliso vor uns haben ^). Die aufser-
1) Inzwischen hat 0. Dahm im vergangenen Herbst die Untersuchnngen an dem
136 Nene Philologische Bondsohau Nr. 6.
ordentliche Oröfse des unteren Lagers, wo unter den Funden durchaus die
italische Sigillata vorherrscht, wo also Legionen, nicht Auxiliaren (mit
gallischem Fabrikat) gelegen haben, der Hafen mit den Magazinen be-
weisen eine aufsergewöhnliche Station. Auch die Überlieferung über Aliso
stimmt hiermit überein, und in unbefangener Prüfung, ohne in den Fehler
der Elsen- Verehrer zu fallen und alles zu gunsten von Haltern zu wenden,
kommt Schuchhardt zu dem Ergebnis, dafs Aliso an der unteren Lippe
gelegen haben mufs und dafs dieses Aliso überhaupt die einzige be-
deutende Station der Bömer an der Lippe gewesen ist. Mit H. Del-
brück, dem Hauptverfechter der Elsen- Aliso-Hypothese, setzt er sich mit
Bestimmtheit — und den Leser überzeugend — auseinander. Auf die Frage :
war das eigentliche Aliso das obere Kastell oder das untere Lager? —
antwortet Schuchhardt: keines von beiden; das eigentliche Aliso war eine
beim Eindringen der Bömer schon vorhandene germanische Ansiedelung,
nach der sie ihre Anlage castellum Aliso nannten.
Die sachverständigen, umsichtigen Grabungen bei Haltern, die klaren
und sorgfältigen Fundberichte, die vorsichtigen, besonnenen und zuverläs-
sigen Folgerungen und Kombinationen sichern den hier besprochenen
„Mitteilungen der Altertamskommission für Westfalen '' au sich ihren
wissenschaftlichen Wert. Die Bedeutung der gemachten Entdeckungen,
die nicht abgeschlossen sind, sondern im Gegenteil einen ungeahnt grofsen
umfang anzunehmen versprechen, liegt auf der Hand. Sie wächst noch,
wenn man dem vorsichtigen Hinweis Ritterlings (und Schuchhardts) auf
den merkwürdigen umstand mit dem Blicke folgt, dals bei Höchst am Main
auffällig gleichartige Funde gemacht worden sind wie bei Haltern, dals
an beiden Stellen die Gesamtlage der örtlichkeit ganz gleichartige Ver-
hältnisse aufweist. Welch ungeahnte Perspektive auf die Kriegführung
und die Eroberungspolitik der Bömer, in erster Linie des Drusus, wenn sich
Höchst und Haltern- Aliso als Bruderkastelle erweisen sollten! Denn dafs
man sich hier in Haltern auf den Spuren des Drusus und Germauicus
bewegt, darüber sind alle Forscher, die in den „Mitteilungen'^ das Wort
ergriffen haben, bei all ihrer Zurückhaltung im Ziehen von Schlüssen
einig. Indessen Schuchhardt sagt ganz richtig: „der Weg, auf dem wir
einmal zu festem Aufbau der Bömerkriege gelangen werden, ist nicht der
groÜJBen Lager fortgesetzt ond, wie man schon jetzt vemimmt, aoüserordentlich wichtige
nene Entdeckungen gemacht, über die wir vielleicht demnächst zu berichten in der
Lage Bind.
/^
Neu» Philologiiche Bnndielum Nr. g. IST
der strategischen Hypothese von oben herab, sondern der bescheidenere
und mflhsamere der Ifaulwurfisarbeit von unten herauf **; nur murs, so
fBgen wir hinzu, die Strat^e die Probe abgeben auf das Exempel, das
die „Maulwurfisurbeit^^ geltet hat. Gern stimmen wir bei, daTs „bei
weiterem Hand in Hand gehen die Untersuchungen am Main wie an der
Lippe uns hoffentlich gut und leidlich rasch voranfflhren werden**.
Hanau. O.
76) Konrad Meier, Racine und Saint-Cyr. Sonderabdruck a. d.
Neueren Sprachen. Marburg, N. 0. Elwert, 1903. 71 8. 8.
jM 1.20.
Der Verf. führt einen von den Litterarhistorikem bisher unbeachtet
gelassenen Satz Michelets an, dafs Bacines „Esther et Athalie sont deux
machines de guerre qui agissent en cadence avec les tentatives contra
Guilhume**. Auf Omnd gleichzeitiger Memoirenwerke und der ins ein-
zelnste gehenden Darstellung Macaulays sucht Meier den Beweis f&r die
Richtigkeit der Micheletschen Behauptung zu erbringen. Zwar ist von
jeher die in Esther gegen Frau v. Montespan und ihren Beschfitzer Lou-
vois hervortretende Feindseligkeit anerkannt worden, doch zeigt Meier
durch viele wichtige Stellen, „dafs dieses Stfick mit Vorbedacht darauf
zugeschnitten war, eine hochbedeutende Hofangelegenheit mit weittragenden
politischen Folgen zu werden". Schwieriger ist es, in der Athalie die
zeitgeschichtlichen Absichten nachzuweisen. Hier mangelt es ganz an
ftu&eren geschichtlichen Zeugnissen aus den Jahren der Entstehung dieser
Tragödie, doch sucht Meier aus inneren Gründen darzutun, dals in dem
Stücke der erhoffte Sieg der vom Throne gestürzten und vertriebenen
Stuarts über Wilhelm von Oranien und seine Gemahlin verherrlicht werden
solL Die Auslegung der Bacineschen Charaktere in übertragener Bedeu-
tung ist nicht einwandfrei. Nicht Jeder wird an die Identität Jehus mit
Ludwig XIV. glauben wollen. So schweren Tadel wie in Athalie gegen
jenen Fürsten vorgebracht wird, durfte und konnte sich der Dichter
nimmermehr, auch nicht durch die Blume, gegen seinen selbstherrlichen
EöQig erlauben. Das wäre törichte Unbesonnenheit gewesen.
Wie man sich aber zu dem Verf. stellen mag und wenn man auch
nicht meint, dals Athalie als Dichtung in der von Meier als unabweislich
erachteten politischen Beleuchtung höheren Ghinz gewinnt, so bietet der
Aufiaatz doch viel des Anziehenden und mannigfache Belehrung. Allerdings
138 Neue Philologische Rnndsehau Nr. 6.
dem Charakter Bacines wird der Verf. nicht überall gerecht; er stellt ihn
als marslos eitela Bänkeschmied dar and bezweifelt anch die Aufrichtig*
keit seiner Tränen. Aber ein von gutmütiger Leichtgläubigkeit weit
entfernter Kenner wie Sainte-Beuve hat ihn gerade deswegen in dem
rührenden Gedichte „les larmes de Bacine'* besungen. I. B.
'-^:
''^k
77) Ph. Flattner, Formenbfldimg und Formenwechsel des
französischen Verbums. Karlsruhe, Bielefelds Verlag, 1902.
222 S. 8. Jü 8.80.
Dieses zweite Ergänzungsheft zur Ausführlichen Grammatik
behandelt, wie der Titel weiter besagt, das regelmäfsige und unr^el-
mäfsige, unvollständige, unpersönliche und reflexive Verbum, den transitiven,
intransitiven und absoluten Gebrauch, die Bektion. Es bietet eine Fülle
von Beobachtungen und Beispielen aus umfassender Lektüre, berücksich- /"^^
tigt die Volkssprache und streift dann und wann auch die Dialekte. Es ^^^^
sucht auszuscheiden, was veraltet, und festzustellen, was wieder frisch auf- '^^^ i^
genommen worden, eine schwierige Arbeit, da es der Umgangssprache und \ ^ k
den Schriftstellern nicht benommen werden kann , aus Dialekt und ver- ' ^nm
altetem Idiome immer wieder neue Gedankenaustauschmittel zu prägen, um "^ ri^
andere ihrerseits abgenutzte zu ersetzen. Es ist nicht nur interessant, ^^ j^
dem Bienenfleifs des Verf., der offenbar bei seinen zahlreichen Lesestoffen '^^i^^
in erster Linie auf grammatisch Verwertbares sein Augenmerk richtet, zu ^kni ^
folgen und seine vortrefflichen Verdeutschungen sich anzueignen , sondern ^^ ^^
dieses Buch wird sich für jeden Nicht-Franzosen, der französisch schreiben ^7}^ ' '
will, als ein fast unentbehrliches Hilfsmittel erweisen. Wer freie Auf-''/|^i
Sätze machen läfst, dem darf man raten, bei der Korrektur dieses Er^^i^^
gänzungsheft mit seinen Bemerkungen in bequemer alphabetischer Folg.^^
als getreuen Berater zur Hand zu haben , um nicht als inkorrekt anzr ^^
streichen, was ein Franzose eben doch sagen kann. ^
Zugleich eröffnet der Verf. den Fachkoll^en ein ergiebiges Arbeii' '^
feld. Die in Frage kommende Literatur der drei letzten Jahrhunder ^
ist so reichhaltig, das Werden, Wachsen und Vergehen der Sprachmitt^ \*j^
so naturgemäb, dafs es vieler Kräfte bedarf, um alle Möglichkeiten ^ u j|
die verschiedenen Zeiten festzustellen. Das Ergänzungsheft spornt an t^
selbst auf die Suche zu gehen, um sich ein sicheres urteil zu bilden, ono '/^
diese Suche kann Stoff fär gar manche Programmbeilage liefern. r^
Zum Beweise, mit welchem Interesse das Buch gelesen wurde, fBgen . ^.
^ mige Bemetkuagea an 0^^^^=^^=^=--:=^ i«o
(Mraktenokü nicht imm„. 'a ^' »'» lii8toW.T^^"""=='==*^
die ÜSnmye, so haben Itl ^^''"^* *^««.^ 1?^"' "'**• -J»»«, C
S-2. Ann..: „Die C^^" *»-«- *aöf„ «.,?'^^ «fe« ^on.
l«h«müich durch die w ^^''''' «'«e ünrZ^^''^'"^^mf^,,
^ote . Fehlerhaft ^!LT" '^'^^^'''^^ *« S
>^l k«gt: »Cbncoi^anJ^^J:^ ^"^^««^e "S^^'* «*•" Das
«IwraÄs dtfpendant de prono«,-«« , '"^^rtait dan« J ^ ^^ *o«reia
««it Mn qn'iJ Wenne, wie '1 '""* '"' «o'il C/ .V"'''""'ei
»*»te. Übrigens ist vie^r. T "^ ''^«'»e« &!,^' ^ «icht ü
^e»«fche.derGege,^^'^-«»'««nheit. ^tUe!^
»•26: „ftaher Änd sjofc t^^ , ,oyon es sich ^^Ilt
'^^Tn finden diese Safe«4 ter Sache mii
"w-ft Unt 8'en faqt /«atimmend (bestimmt?)
*h«i nag, c'est-JUdioe wie: Les gendarmes l'<»^
*^9»'il »e hntmam. S. 20: „en wird fera^^^ ^^ '^^^ tie^'^'c
^•«•«w plns c^rtee &hren: voyager en cha^J^tJ»»^ ,^tö^V,ft** J
"««i Uodm in .„enn man yon der Blohtamg,ittÖ^^6\„ "^^ ^e?*^ ^ \«»
^'*^^ Ge^dezu unrichtig ^foJ^^.^^^l. ^"^^ ^^^"C^^^'
Jn=.5[omp.Tativ8&teen) der mJ^'^ \^\^^'^^"^^ ^^e, ^*^''
f'^i'tetikel en nicht erforJ^'^tv^V ^"^^^^"^^ * ,e 0?-^
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138 Neue Philologische Bnndsehan Nr. 6.
dem Charakter Bacines wird der Verf. nicht überall gerecht; er stellt ihn
als mafslos eiteln Bänkeschmied dar and bezweifelt anch die Aufrichtig-
keit seiner Tränen. Aber ein yon gotmQtiger Leichtgläubigkeit weit
entfernter Kenner wie Sainte-Beuve hat ihn gerade deswegen in dem
rfihrenden Gedichte „les larmes de Bacine'* besungen. I. H.
77) Ph. Plattner, Formenbildung und Formenwechsel des
französiBchen Verbums. Karlsruhe, Bielefelds Verlag, 1902.
222 S. 8. Ji 8.30.
Diesem zweite Ergänzungsheft zur Ausführlichen Grammatik
behandelt, wie der Titel weiter besagt, das regelmäfsige und unregel-
mäfsige, unvollständige, unpersönliche und reflexive Verbum, den transitiven,
intransitiven und absoluten Gebrauch, die Bektion. Es bietet eine Fülle
von Beobachtungen und Beispielen aus umfassender Lektüre, berücksich-
tigt die Volkssprache und streift dann und wann auch die Dialekte. Es
sucht auszuscheiden, was veraltet, und festzustellen, was wieder frisch auf-
genommen worden, eine schwierige Arbeit, da es der Umgangssprache und
den Schriftstellern nicht benommen werden kann, aus Dialekt und ver-
altetem Idiome immer wieder neue Gedankenaustauschmittel zu prägen, um
andere ihrerseits abgenutzte zu ersetzen. Es ist nicht nur interessant,
dem Bienenfieifs des Verf., der offenbar bei seinen zahlreichen Lesestoffen
in erster Linie auf grammatisch Verwertbares sein Augenmerk richtet, zu
folgen und seine vortrefflichen Verdeutschungen sich anzueignen, sondern
dieses Buch wird sich für jeden Nicht-Franzosen, der französisch schreiben
will, als ein fast unentbehrliches Hilfsmittel erweisen. Wer freie Auf-
sätze machen läfst, dem darf man raten, bei der Korrektur dieses Er-
gänzungsheft mit seinen Bemerkungen in bequemer alphabetischer Folge
als getreuen Berater zur Hand zu haben, um nicht als inkorrekt anzu-
streichen, was ein Franzose eben doch sagen kann.
Zugleich eröffnet der Verf. den Fachkollegen ein ergiebiges Arbeits-
feld. Die in Fn^e kommende Literatur der drei letzten Jahrhunderte
ist so reichhaltig, das Werden, Wachsen und Vergehen der Sprachmittel
so naturgemäfs, dafs es vieler Kräfte bedarf, um alle Möglichkeiteu für
die verschiedenen Zeiten festzustellen. Das Ergänzungsheft spornt an,
selbst auf die Suche zu gehen, um sich ein sicheres Urteil zu bilden, und
diese Suche kann Stoff für gar manche Programmbeilage liefern.
Zum Beweise, mit welchem Interesse das Buch gelesen wurde, fügen
-^
Nene Fhilologisebe Bondtchaa Nr. 6. 189
wir einige Bemerkungen an. S. 1: „Im historischen Perfekt ist der
Gharaktervokal nicht immer derselbe wie in der neueren Sprache gewesen.
Auch in der ersten Konjugation war er i neben a, so dafs neben -ai, -as,
-a, -ämes, -ätes, -^rent (oder -arent) auch die Bildung -is, -it, -f mos, -ttes,
-irent stand/^ Sollte nicht folgende Fassung zutreffender sein? Wie
die Infinitive, so haben auch die Perfekte beim Übergang aus der römi-
schen Volkssprache ins Bomanische Schwankungen zwischen den Kon-
jugationen durchgemacht, und Spuren davon haben sich erhalten.
S. 2, Anm.: „Die familiäre Sprache ersetzt sie (die Formen auf-asse)
einfach durch den Konjunktiv Präsens, eine ünregelmäisigkeit, die jetzt
bekanntlich durch die Leyguesschen Beschlüsse sanktioniert ist.'' Das
könnte zu Fehlerhaftem verleiten. Der endgültige Erlafs vom 28. Februar
1901 besagt: „Concordance ou correspondance des temps. — On tol^rera
le pr^nt du subjonctif au lieu de Timpar&it dans les propositions sub-
ordonn^es d^pendant de propositions dont le verbe est au conditionnel
pr^seni Ex.: il faudrait qu'il vienne ou qu'il vinf Also nicht il
aurait fallu qull vienne, wie man aus Plattners Bemerkung schUelsen
könnte. Übrigens ist vienne auch sachlich begründet, da faudrait der
Bildung nach zwar ein Tempus der Vergangenheit, der Bedeutung nach
aber ein solches der Gegenwart ist.
S. 25: „Früher fand sich tant s'en faut ganz in der Weise des la-
teinischen tantum abest ut . . . ut gebraucht.'' Dazu ein Beispiel aus
Vaugelas. Wir finden diese Satzwendung in Faguet, Dix-huitiime Si^le,
wieder: Et tant s'en faut qu*il soit besoin d'une foule de personnages,
tous bien saisis, c'est-^dire d*une multitude de renseignements sur les
hommes, qu'il ne faut pas mSme des personnages trop complexes, sous
peine de n'gtre plus clair, und wir benutzen dieselbe gerne, wenn es gilt,
über den Modus in Konsekutivsätzen zu sprechen.
S. 32: „In dem Satze n'est pire valet que celui qui raisonne (P.-L.
Courier) fehlt offenbar das neutrale il", und
S. 37: „Endlich ist in Sätzen wie N'y monte pas qui veut das gramma-
tische Subjekt il zu ergänzen, während das logische Subjekt in dem Subjekt
des Belativsatzes zu erblicken ist", geben beide die richtige Erklärung nicht.
Vergleicht man damit G^ruzez: Elle (la foule) ne se mattrise pas elle-
mSme et ne la mattrise pas qui veut , so ergibt sich aus der kreuzweisen
Stellung, dafs qui veut nachgestelltes grammatisches, nicht logisches Sub-
jekt ist. Noch deutlicher wird das durch ein Beispiel aus Legouv6: Oh!
140 Neue Fhilologiiche Bundsehan Nr. 6.
' . . . . .1. , a
la langne fran9ai8e! la poAne frBD9ai86! ne la calomnient qae oeux qui
ne la comprennent pas.
S. 221 : „Vooloir qe ä qn (z. B. yoaloir du bien k qo) hat anch die
Bedeutung „von jem. etwas wollenes aber nur bei Personalpronomen:
Que peut-elle alors me youloir?^ Dabei dfirfte doch bemerkt werden,
dafs Moli^re im Misanthrope sagt: Elle (cette grande nddeur des yertus
des vieux ftges) veut aux mortels trop de perfection.
Preiburg i, B, H. Blhler.
78) Oratien Ohartoiiy Die Schwierigkeiten der firanaöeiBehen
Sprache. Gebrauchsanweisung von: „en, ne, y und Subjonctif/*
München, Hermann Martin, 1902. 62 S. 8. Jf 1.—.
Es ist gewifs mit Freuden zu begrfifsen, wenn ein in Deutschland als
Lehrer tätiger Franzose, aus der Ffille seiner Sprachkenntnis und Belesen-
heit schöpfend, es unternimmt, deutschen Schülern die Hauptschwierig-
keiten der französischen Grammatik vorzuführen. Denn auch in unseren
bfifißeren Schulgrammatiken findet sich ja bekanntlich manches ungenaue
und Veiürite^ Leider scheint aber der Verf. der obigen Schrift zur Zeit
noch nicht die'ltlb^ii^ solches Unternehmen notwendige Kenntnis der
deutschen Sprache zB^^^^^''^^°* ^ findet sich in dem Büchlein eine
Menge von undeutschen inuiy^^^^btisoi^ Wendungen und Ausdrücken, von
denen die auffallendsten hier ^f^ öoden mögen.
Vorwort: „Das Btlehlein soltt^ ^^® Behauptung in Erfüllung
gehen lassen." — S. 5: „Es gibt sechslS^^^ ^° welchen en als pronom
relatif (sie) gebraucht wird. Von diesen sec^« Fällen werden im Deut-
schen die drei ersteren übersetzt, die drei ancft^''®^ '^^^^'^^'* gänzlich un-
übersetzt." S. 8: „Der Winter naht heran, wir l^*^^ J^*®^ ^« ^^^^«^
Vorbedeutungen (indices)." S. 9: „en regier!' ^a» W^";*» welches
anzeigt, wozu eine Person beschäftigt ist." S. 9: „\^®^^ ^ geschäft-
lich beansprucht sind." S. 16: „In zwei Stunden "^J^e^d«» ^^ »^
dem Gipfel des Berges sein können (nous pourrons),"^ ^- ^^* "^^®
Handlung . . ., wovon es sich handelt." S. 18: „Er ist so^^"^^®^ gelaufen
(taut couru)." S. 19: „Er steht nicht mehr in Gnade, abS^ ^^^^ f
Ungnade (il n'est plus en faveur, mais bien en disgräce)." S. \*^^* "^®
toten Sprachen sinken immer mehr herab (tombent de plus eS^ ^'^^ ®^
dtoidence)." S. 19: „Als Christus in den Himmel stieg, fielV^ ^"*®
Apostel in Exstase (lorsaue le Christ monta dans les cieux)." V' ^*-
Kene Phflologiiehe Bnndicbaa Nr. 6. 141
„Ohne welche Besdehong zum Vorhergehenden und ohne etwas Er*
gänztes zu bezeichnen, wird en gebrancht/^ S. 23: f,Üben Sie seinen
Willen ans (faites sa volontQ." S. 24: ,,Wenn en ein Hauptwort regiert,
wird es fast nie gefolgt von dem bestimmten Artikel/^ S. 28: „Ich
kann nicht glauben, dals er heute abend fortfährt (qu*il part ce soir).''
S. 30: „Die Eigenliebe ist das Einzige, dessen man nie mächtig wird
(dont on ne vient jamais ä bout)/* 8. 30: „Der Hund ist das einzige
Tier, dessen Treue auf Probe gestellt ist (dont b fidflit^ seit ä
Tepreuve).'* S. 30: „Die Gegenwart ist das einzige Gut, über welches der
Mensch wahrhaftig Herr ist (dont Thomme seit vraimerU le ma!tre)/'
S. 39: „Das Indikatir, das Subjonctif/* AuflEallenderweise bezeichnet der
Verf. femer en als pronom relatif ; in firanzGs, Grammatiken, wie Larousse
oder der Grammaire Nationale, habe ich diese Bezeichnung nicht finden
können.
Auch die Eassung der Segeln könnte mehrfietch klarer und treffender
sein; YgL S. 5: „en wird gebraucht als Einschaltung in einen Satz, der
unmittelbar darauf folgt, oder in einen solchen, der noch nicht ganz aus-
gesprochen wurde/' Charten meint solche Sätze wie: N'en doutez pas
ils cMeront, si yous montrez de la formet^, wo statt der hypotaktischen
die parataktische Konstruktion gewählt ist. S. 16: „en regiert das Wort,
welches anzeigt, unter welchem Gesichtspunkte die Sache, die Eigenschaft
oder die Handlung angeschaut wird, wovon es sich handelt, z. B. la
räcolte en vin n'a pas 6iA trte abondante/' 8. 17: „en bezeichnet im
allgemeinen die Beziehung einer Sache mit dem Innern einer anderen.
Es ist weniger bestimmend (bestinmit?) wie dans.^' Der Verf. denkt
an solche Sätze wie: Les gendarmes Tont mis en prisan; j'en avais la
preuve en mam. S. 20: „en wird ferner gebraucht zur Übersetzung
des Zeitwortes fiihren: vojager en chemin de fer.^' S. 20: „Das deutsche
nach, wenn man von der Sichtung und von einem Lande spricht, wird
durch en fibersetzf
Geradezu unrichtig ist folgende Kegel, S. 51 : „Wenn in solchen Sätzen
(Komparativsätzen) der Hauptsatz verneinend oder fragend ist, so ist die
Partikel en nicht erforderlich/* Es soll heifsen: muls fehlen, z.B.
Son zUe n*est pas si grand que vous le vantez. Mitunter auch passen die
gewählten Beispiele nicht recht zu der verangehenden SegeL S. 6 heiM
es: „en anstatt de, gefolgt von einem Subst. für de cela (!).'* Hierzu
das Beispiel: Get enfant m'a frappö, j*en ris. ib. „en wird gebraucht
142 Nene Philologische Bunclschaa Nr. 6.
vor einem pronom ind^fini oder Zahlwort '^ Hierzu das Beispiel:
A-t-il des protecteors? II en a de trte paissants. Wo ist das pro-
nom ind^fini? ib. ,,en wird gebraucht, wenn auf das Zeitwort ein
Komparativ folgt/' Hierzu das Beispiel: Get ouvrier ne travaille pas;
j'en suis tous les jours moins satisfait Hier hängt doch en von satisfait
ab. S. 10: „en regiert das Wort, welches das Besultat einer Natur-
veränderung anzeigt.'^ Hierzu die Beispiele: il telata en stmgkits, nous
fondtmes en hrmes. S. 23: „en bezeichnet mit dem part. pr6s. auch
die Art und Weise, wie etwas geschieht Dazu das Beispiel: Sa
maladie va en augmentant. S. 42 verfällt Charten in den pädagogischen
Fehler, den Schfilem erst das Unrichtige vor Augen zu fBhren, bevor er
das Richtige gibt: „Es heifst also nicht: II disait qu'il eöt 6iA iijk hier
ici, sondern: il disait quMl avait 6iA etc."
Von Druckfehlern sind mir aufgefallen S. 7: tenus secret; S. 8:
Combien de livres avez-vous achet^? S. 11: ätraient für ^taient.
Übrigens mufs lobend hervorgehoben werden, dafs der Verf. für die
aufgestellten Kegeln eine Fülle von im ganzen passend gewählten Bei-
spielen beibringt , sowie dafs er einige Kapitel recht scharf und treffend
behandelt hat, besonders den Gebrauch des Subjonctifs. Eine ähnliche
Behandlung anderer Schwierigkeiten der französischen Sprache wird gewifs
auf den Beifall der Fachgenossen rechnen können, vorausgesetzt, dafs der
Verf. vorher seine Arbeit von einem sachkundigen Deutschen revidieren läTst
Münster i. W. K
79) Bichard Betl^^e, Ergebnisse und Fortschritte der ger-
manistischen Wissenschaft im letzten Vierteljahr*
hundert Im Auftrage der Oesellschafb für deutsche Philologie
herausgegeben. Leipzig, 0. B. Beisland, 1902. X* u. LXXVIII
u. 618 S. Jk 12. -.
Am 4. Januar 1902, dem Geburtstage Jakob Grimms, konnte die
„Gesellschaft für deutsche Philologie^' in Berlin die Feier ihres
25jährigen Bestehens festlich begehen. Ein Yierteljahrhundert war ver-
gangen, seitdem zuerst fünf Schüler Müllenhoffs zur Gründung einer Ver-
einigung zusammengetreten waren, die sich die Pflege deutscher Philo-
logie zur hohen Aufgabe gesetzt hatte, zunächst aus persönlichem Interesse
an der Sache in ihrem bescheidenen Kreise, späterhin zu Nutzen der ger-
manistischen Forschung durch Herau£fgabe von Festschriften in zwangloser
^
Nene Philologische Bondschaa Nr. 6. 148
Folge und des Jahresberichts aber die Erscheinungen aus dem Gebiete der
germanischen Philologie. Mit jugendfrischer Begeisterung und treuer
Hingabe an die Wissenschaft war die Gesellschaft im Sinne der Lach-
mannschen Schule, unbeirrt durch die Gunst oder Ungunst der Unastände,
durch gute und schlechte Zeiten gewandelt, und als sich der Tag der
Gründung zum 25. Male jährte, legte sie sich und der germanischen
Wissenschaft als 17. Festschrift ein neues, gewaltiges Werk auf den Ge-
burtstagstisch: „Ergebnisse und Fortschritte der germanistischen Wissen-
schaft im letzten Vierteljahrhundert.''
Unter steten Verweisen auf die einzelnen Bände des Jahresberichtes
wird hier von der Feder sachverständiger Fachgelehrten (im ganzen 23)
eine zusammenfassende Darstellung alles dessen gegeben, was in den letzten
(rund) 25 Jahren auf den einzelnen Gebieten der germanischen Sprach-
und Literaturwissenschaft geleistet und erreicht worden ist. Das Werk
erweist sich somit als eine bibliographisch-kritische Obersicht ersten Banges.
Es wird dem im praktischen Schuldienst stehenden Lehrer nicht weniger
als dem Gelehrten ein unentbehrliches Hilfsmittel sein, zumal dem ersteren,
der die Fflhlung mit den Fortschritten der Wissenschaft durch das Ober-
wuchern praktischer Schulfragen nur zu leicht yerliert und nun durch die
neueste Festschrift der „Gesellschaft für deutsche Philologie" ein höchst
bequemes, wenn auch streng wissenschaftliches Mittel der schnellen Orien-
tierung an die Hand bekommt, das ihn vieles mühsamen Suchens und
unsicheren Tastens überhebt.
Berlin. Helarieh Bples.
80) Sevixiy Elementarbnch der englischen Sprache nach der
analytischen Methode bearbeitet. Erster Teil: Lautlehre; der
einfache Satz nebst der regelmäfsigen Formenlehre.
Zweite, völlig umgearbeitete Auflage. Karlsruhe, Bielefelds Ver-
lag, 1902. 166 S. 8. geb. Jü 1.80.
Das vorliegende Buch stellt einen Fortschritt gegenüber seiner vor
vier Jahren erschienenen ersten Auflage dar, besonders in dem propä-
deutischen Kursus (S. 1—22) und der vom Lesestoffe getrennten Gram-
matik. Die Lesestücke selbst (S. 27—78) sind englischen Quellen ent-
nommen und zumeist Fabeln, Erzählungen, Beschreibungen und Gedichte ;
leider führen sie zu wenig, entgegen der Forderung der Beformmethode,
in speziell englisches Leben ein, tragen also nicht zur Kenntnis von Land
144 Nene PhÜologisehe BnndseliaQ Nr. 6.
und Leuten bei. Aofierdem sind Sprechfibnngen über Oegenstände des
täglichen Lebens nnd der nächsten Umgebung eingestreut und vertreten
so das Prinzip der Anschauung. Die Qrammatik (S. 79—124) bringt
die Aussprache, die regelmäTsige Formenlehre und die Elemente des ein-
fachen Satzes zur Darstellung; dann folgen grammatische Übungen (Um-
formungen, Bilder von Sätzen und Übersetzungen im Anschlufs an die
vorangehenden englischen Texte) und endlich ein Wörterverzeichnis zu
den LesestBcken. — An einzelnen Stellen bin ich mit dem Verf. nicht
einverstanden; z. B. S. 82: „abweichende Pluralbildung durch Änderung
des Vokals (Ablaut)'', statt „Umlaut'*; S. 83: „Der bestimmte Artikel
lautet immer the"; S. 86: „Die 3. Person Singularis wird durch An-
fttgung eines s an die 1. Person gebildet", und S. 89: „Bei den regel-
mäfsigen Verben wird das Imperfekt durch Anfügung der Endung -ed ge-
bildet", wobei nicht gesagt wird, wie dieses -«und »ed ausgesprochen wird.
Ein abschlie&endes Urteil fiber das Buch, das auch in der ersten
Auflage kein Vorwort über des Verf. Standpunkt enthält, kann billiger-
weise erst nach dem Erscheinen des zweiten Teils gef&llt werden.
Dt- Wilmersdorf. Fr. Biomo.
Paul yeff Verlag (Carl Bflchle) In Stuttgart
mMmm mMmm
In unserem Verlag ist komplett erschienen die
Zehnte Auflage
von
Christoph Fr. Griebs
Emlltcli-DeBttcliBB aml BBiticIi-EinliicIieB Wflrterliiicli
mit besonderer Rücksicht auf Aussprache und Etymologie
nen bearbeitet imd vermehrt
von
Dr. Arnold Schröer
ord. Professor an der Handelshochscliiüe zu Köln
well. ord. Professor der eng;llBohen Philologie an der Universität Frelbuzg i. B.
160 Bogen dreispaltiger Satz in Or.-Lei. 8^.
I. Band: II Band:
eleg. in Halbleder geb. M. 14.— eleg. in Halbleder geb. M. 12.—
Ich habe mich dnrch Prttftmg von der streng wissenschaftlichen, eingehenden nnd sn-
verllsslgen Krörtenmg, wie anoh von der nngemem praktischen Anordnung des mitgeteilten
Wortschatzes überseugt
Dr. J. Seklpptr, ord. Professor der engl. Philologie an der Uslvertltlt Wien.
gUT* Zu haben In allen Bnohhandlnno^n "VS
Fttr Sehnlen Tergiknutig^ngen bei gleichzeitigem Beeng einer gröfseren Anzahl
von Bzemplaren.
Tftr die BedaUlOB Teniitwortlicli Dr. E. LniwlB in BresM.
Draek ud Verlag Toa FrlHrleü AatfrtM PtrtkM AktüngeseUsekan fletta.
/
^
y
APh 20 19tc *
Gotha. 4. April. ITr. f, Mahlgang 19Ö3.
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PhilologischeRundschau
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Erscheint alle 14 Tage. — Preis ffir den Jahrgang 8 Mark.
Bestellnngen nehmen alle Bachhandlangen, sowie die Postanstalten des In- and Aanlandes an.
Insertionsgebfihr fDr die einmal gespaltene Petitseile 80 Pfg.
Inhalt: Zu Agrippa d'Anbign^s „Tragiques" ans Anlalk neuerer Ausgaben (Carl
Friesland) p. 145.
Bezensionen: 81) Ed. Kammer, Ein ästhetischer Kommentar zu Homers
Uias (L. Koch) p. 160. — 82) Heinr. Nissen, Italische Landeskunde. Zweiter
Band: Die Städte. Erste Hälfte (£. Ziegeler) p. 152. -<- 83) Walter Altmann,
Architektur und Ornamentik der antiken Sarkophage (L. Koch) p. 155. —
84) Transactions and Proceedings of the American Philological Association 1900,
▼Ol. XXX (W.) p. 156. — 85) S.. Frankfurter, Begister zu den arcbäologisch-
epigraphischen Mitteilungen aus Österreich- Ungarn, Jahrgang I— XX (0. Schult-
heis) p. 159. — 86) A. Mennung, Jean-Fran9ois Sarasins Leben und Werke (G.S.)
p. 160. — 87) His Honour ludge Webb, The Mysteiy of William Shakes-
peare (F. P. V. Westerholz) p. 164. — Anzeigen.
Zu Agrippa d'Aubignes ,,Tragiqaes'' ausAnlaüs
neuerer Ausgaben.
Von Carl Friesland.
Von dem Hauptwerk des hngenottisehen Dichters gab es bis jetzt noch
keinen kritischen Text. Die Ausgaben und Handschriften, die daf&r in
Betracht kommen, sind folgende: 1) die 1616 anonym erschienene editio
princeps: Les Tragiqnes, donnez an public par le larcin de Promethee.
An Dezert par L. B. D. D. ^) [bezeichnet mit A] ; 2) eine ohne Be-
zeichnung des Ortes und der Zeit erschienene zweite Ausgabe: Les Tragiques
ci-devant donnez au public par le larcin de Promethee et depuls avouez
et enrichis par le Sr d'Aubign6 [B] ; 3) ein handschriftlich erhaltener Text,
welcher sich auf dem der Familie Tronchin gehörigen Schlosse Bessinges
(bei Genf) befindet, von einem Sekretär geschrieben ist, aber Yer-
1) SS Le bouc du d^sert, ein d'Aubign^ von seinen Glaubensgenossen gegebener
Spitzname.
146 Nene Philologische finndschan Kr. 7.
bessenmgen von der Hand des Verf. enthält [T]; 4) eine Handschrift im
Britischen Museum in London. Dieses Material ist von den bisherigen
Herausgg. der Tragiques folgendermafsen benutzt worden: 1) Laianne
hat fflr seine Ausgabe (Paris 1857) A und in geringerem MaTse B be-
' nutzt; 2) Bead's Ausgabe (Paris 1896) gibt T wieder, ebenso die grofse
sechsbändige d'Aubign^-Ausgabe von B&iume und de Gaussade (Paris 1873
bis 1892). Von einem kritischen Text konnte' also nicht die Bede sein.
Diesem Zustande ist zum Teil wenigstens ein Ende bereitet worden.
Die Fakultäten zu Paris und zu Lyon verlangen von den Kandidaten der
Licence ha lettres auch eine genauere Bekanntschaft mit dem ersten Buch
der Tragiques. Da nun die bisherigen d'Aubign6- Ausgaben den Studieren-
den nicht leicht zugänglich waren, lag es nahe, durch einen kritischen
Text des betreffenden Buches dessen Studium zu erleichtern. Einige ehe-
malige Schüler der ]^ole normale sup^rieure, Bourgin, Foulet, Garnier,
Maitre und Yacher haben sich nun dieser Aufgabe unterzogen (Paris, Colin,
1896). Durch befreundete Fachgenossen waren den Herausgg. Kollationen
von T und der Londoner Handschr. zur Verfügung gestellt worden, wobei
sich fQr T ergab, dafs die bisherigen Abschriften nicht fehlerfrei ge-
wesen waren. Nachdem so sämtliches Material zur Stelle war, galt es
zu konstatieren, welcher der vier Texte der Au^be zu Grunde zu
legen und inwieweit den Lesarten der übrigen Rechnung zu tragen sei.
A trat von vornherein zurück, da man in B eine vom Verf. selbst
verbesserte Neuauflage des ursprünglichen Textes besitzt. Femer ergaben
die Untersuchungen der HerauE^. für die Londoner Handschr., dals sie
nichts weiter als eine Kopie von T ist, also für die Konstituierung des
Textes fortfiQli Von T selbst wurde schliefslich erwiesen, dafs sie jünger
ist als die editio princeps. Zu erledigen blieb demnach noch die Frage
nach dem Verhältnis von B zu T, und hier sind die Herausgg. zu folgendem
Ergebnis gekommen. Den ursprünglichen Text der Tragiques hat d'Aubignä
einmal einer Durchsicht unterzogen, und diese Textgestaltung ist uns in
T erhalten. Um dem Drucker seine Aufgabe zu erleichtern, trug er in ein
Exemplar der editio princeps die Verbesserungen aus T ein, wobei er sich
kleine Abänderungen erlaubte. So entstand B, die demnach als letzte
Textgestaltung zu betrachten und einer kritischen Ausgabe der Tragiques
zu Grunde zu legen ist. Daneben sind hauptsächlich die Lesarten von T
zu berücksichtigen. Das Ergebnis dieser Untersuchung wird dadurch gestützt,
dals man zur selben Zeit von anderer Seite zu dem gleichen Resultat
^
Nene Fhäologische fiimdBchaa Nr. 1, 14?
gekommen ist (Bulletiii de la Soci^t^ des Hmnanistes fran9ais, 23 mal
1896).
Die dem eigentlichen Text voraosgeschickte Einleitung beginnt mit der
Biographie des Dichters, deren Nachrichten der Vie ä ses enfiints, der Histoire
universelle und den Oeuvres po^tiques entnommen sind. Daran schliefst
sich eine kurze Charakterisierung der Tragiques, in der ihre literarische
Stellung besonders berBcksichtigt wird. Die dann folgende Bibliographie
der Werke d'Aubign^ und der diese betreffenden Schriften ist im ersten
Teile vollständig ^), im zweiten fehlt die Abhandlung J. Levallois^ Agrippa
d'Aubign^, Les Tragiques (Miseres), die sich in der Instruction publique
1886, p. 604. 617. 643 ff. abgedruckt findet. Praronds Pontes historiens
sind aufserdem 1876, nicht 1873 erschienen. Den Schlufs der Einleitung
bilden jene die Gestaltung des kritischen Textes betreffenden Unter-
suchungen, deren Ergebnisse ich bereits mitgeteilt habe. — Nachdem
das Handschriftenverhältnis richtig erkannt, war die eigentliche Text-
konstituierung keine schwere Aufgabe mehr ; man hat aber auch hier den
Eindruck, dafs sich die Herausgg. mit Takt und Verständnis ihrer Arbeit
entledigt haben. Der Text liest sich recht gut; wesentliche Ausstellungen
habe ich daran nicht zu machen. Von einer orthographischen üniformie-
rung hat man mit Becht Abstand genommen. Abgesehen von dem Va-
riantenapparat befinden sich unter dem Text zahlreiche Anmerkungen, die,
literarischer, sachlicher oder sprachlicher Art, das Verständnis des nicht selten
dunklen Textes erleichtem sollen. Die Stileigentflmlichkeiten d'Aubign&i
werden durch Parallelstellen aus anderen Schriften des Dichters und aus
denen der übrigen Autoren des 16. Jahrh. gut erläutert, und die Ab-
weichungen seines Sprachgebrauchs von den ofBziellen, durch die Gramma-
tiker (Malherbe, Vaugelas) vertretenen Begeln im einzelnen konstatiert.
Erleichtert wurde diese Arbeit bedeutend durch das 1892 erschienene
um&ngreiche Glossar der grofsen Ausgabe, das auch sonst gute Dienste
geleistet hat. Auch die Anlehnungen an den Bibelstil sind vollständig
vermerkt. Die Erklärungen zu Anspielungen auf Zeitereignisse sind präzise
und innstruktiv; es ist dabei gelungen, in manches Dunkel mehr Licht
zu bringen. So sind z. B. die Verse 979 — 988 durch Hinzuziehung einer
zeitgenössischen Münze klargestellt. Auch die sprachliche Seite ist nicht
vernachlässigt, doch zeigt sich hier öfter die bei französischen Heraus-
1) Da den Heransgg. nur ein Exemplar von B bekannt ist, sei hier mitgeteilt, dafs
sich ein zweites anf der Göttinger Universitätsbibliothek befindet
14Ö Ken« ^hiloiogiflche änndschaa Üi, 1,
gebem beliebte Manier, die sprachliche Erklärung durch nenfranzÖBische
Übertragung zu ersetzen. Das ist als Liebenswflrdigkeit gegen etwaige
philologisch nicht gebildete Leser gewils zu loben, aber bei der Bestim-
mung des Yorliegenden Buches sind solche doch ausgeschlossen. So mrd
z. B. in y. 203 des maris assommez ou bannis pour leur bien der letzte
Begriff richtig mit k cause de leurs richesses flbersetzt, aber es gehört doch
dahin ein Hinweis auf die Verbreitung der kausalen Bedeutung von pour.
Auch in V. 674, wo dont durch d'oü, und in Y. 608, 1215, wo es durch
k la suite de quoi erklärt wird, vermirst man ein paar Worte Übet die dort
hervortretende ursprflngliche und etymologisch allein berechtigte örtliche
Bedeutung des Wortes. Die Schlüsse, die aus den Beimen ffir die da-
malige Aussprache gezogen werden konnten, sind nur teilweise angemerkt
worden; zu manchen Erscheinungen können die Beispiele aus dem Text selbst
noch vermehrt werden. So fehlen in der Anmerkung zuY. 19 die Beime
treuve : espreuve (729), louve : trouve (925), zu V. 38 droict : vendroit (247),
droict : veudroit (1231), zu V. 947 en Tair : parier (587), recercher : docher
(839), coSffer : le fer (1167). ünberficksichtigt geblieben sind die Beime
moSUe : cervelle (153) und moSUes : chandelles (913), sowie testes:Pro-
phetes (637), testes : debtes (1049) einerseits und tempeste : reste (373)
anderseits. Das zu Y. 50 vermerkte Zusammenwerfen von consommer und
consumer findet sich auch noch im 17. Jahrb. (vgl. Livet, Lexique de la
langue de Meliere s. v.). Zu dem zu Y. 592 erwähnten Yolksglauben, dafs
die Wunden eines Toten aufbrechen, sobald der Mörder sich naht, hätte
die Erwähnung paralleler Stellen nahe gelegen (vgl. Orimm, Deutsche
Bechtsaltertflmer, S. 930 (Bahrgericht), wo auch eine Eabliau-Belegstelle
angefahrt wird; Chevalier au Lyon, herausgeg. von Holland, Anm. zu
Y. 1183; Corneille, Horace Y, 2). Zu Y. 991 tel fut cetV autre peste
meinen die Herausgeber: grammaticalement on attendrait teile und suchen
das Maskulinum, so gut es gehen will, zu erklären; es ist demgegenfiber
aber darauf hinzuweisen, dafs der Gebrauch von tel als Femininform sich
noch bei Moli^re findet, also hier gar nicht auffällig ist. An Druckfehlem
bessere man: S. 37 Hugenottengestalt; S. 61 (Anm. zu Y. 225) 225;
S. 81 (in Y. 606) en; S. 84 (Anm. zu Y. 651) linteolum; S. 130 Ffirsten.
Ohne Zweifel wird die vorliegende Ausgabe den Zweck, fQr den die
Herausg. sie bestimmt haben, trefflich erfSllen ; empfehlen möchte ich sie
aber auch für die Übungen unserer romanischen Seminare. Der Text
bietet gegenflber der Chrestomathie-Lektflre immerhin etwas Ganzes, läfst
^
Nene PhflologiBobe Rnndfloban Nr. 7. 149
sich in einem Semester erledigen und ist zur Einffihmng in das Oebiet
der Textkritik besonders geeignet. Aufserdem gehört er der mittel-
französischen Epoche an, gestattet also sprachliche Ansblicke nach rfick-
und vorwärts und wird deshalb das Verständnis der Studierenden fttr
historische Sprachentwickelung in hohem Mafse zn fordern vermögen. Und
das soll ja im Seminar vor allen Dingen erreicht werden.
Einen zweiten Herausg. hat das erste Bnch der Tragiques in Mennier
gefunden (Paris, Delalain, 1896). Dieser folgt weder einer Handschr. allein
noch liefert er gar einen kritischen Text, sondern er beobachtet ein eklek-
tisches Verfahren. Nun bedeutet sein Text ganz gewifs einen Fortschritt,
z. B. gegen die Au^be von R&iume-de Gaussade, die die vielen schlechten
Lesarten von T noch aufweist, aber man vermifst doch das treue Festhalten
an einer Handschr., von der man nur dann abgehen soll, wenn absolut
zwingende Orfinde vorliegen. Meunier verwirft aber den Text der Handschr.
B, die auch seiner Ausgabe im wesentlichen zu Grunde liegt, an Stellen,
wo nur^rein subjektive Erwägungen ihn zur Aufgabe ihrer Lesart veranlafst
haben können. So liest er V. 38 connoistre (T), 192 ont eu (AT), 258 gaignee
(T), 265 Meu de; faim et de rage Pour n*avoir peu trouver que piller
au village (A), 887 naseaux (T), 974 noirs dessins (A), 1293 ces grands^
(T), 1302 Haussent dedans le ciel et le marbre et Talbastre (A), 1313
oü Ton (T). Nur an einer Stelle möchte ich Meuniers Lesart vor der der
Golinschen Ausgabe den Vorzug geben, nämlich in V. 223, wo offenbar
die Worte Pressent ä Testomach leurs enfans esperdus (A T) eine Reminis-
zenz an Virgil sind (An. VU, 518). Ein Variantenapparat fehlt ganz,
über eigene Emendationen gibt Meunier weiter keine Bechenschaft (vgl
V. 190 Cadmecienne, 1338 gehennes). Die V. 199 — 210, 997 — 1000,
1015—1016, 1105—1110, 1130 (Hälfte) sind in usum Delphini aus-
gelassen. Sollte das wirklich bei jungen Leuten, die sich zur Licence
vorbereiten, noch nötig sein? Lästig ist auch das Fehlen der Verszählung,
sehr praktisch dagegen, dafs vor neuen Abschnitten Überschriften ein-
gefügt sind, durch die der Text an Übersichtlichkeit gewinnt; in der
Golinschen Ausgabe vermifst man solche Überschriften sehr. Die An-
merkungen enthalten meistens Texterklärung; sprachliche und metrische
Fragen berflhren sie nur selten. Mit wenigen Ausnahmen sind sie sach-
lich gehalten. Was soll z. B. zu den Versen 97—130 (Fils saus piti^)
die sentimentale Bemerkung: Le cceur d'un bon citoyen saigne dans cette
peinture oü la France est compar6e ä une mhxe d^hiräe par ses enfants?
150 Nene Philologische RimclBohaii Nr. 7.
Oder wozu zu den Verseil 1203—1240 und 1241 — 1268, in denen Papsttum
nnd Jesuiten angegriffen werden, die Entschuldigung: On n'oubliera pas, en
lisant ces vers et ceux qui suivent sur l'ordre des j^mites, que d'Aubign^
6tait un Protestant fougueux et volontiers passionn^? Auf S. 57 fehlen
die für V. 1355—1376 bestimmten fKnf Anmerkungen; man verbessere
aufserdem S. 10 q>aiv6a&ai, S. 53 Anm. 3 page 52. — Meuniers Aus-
gabe mag fQr die Philosophie eines Lyoee, falls man dort d'Aubign^ trak-
tiert, ausreichen, aber fQr junge Leute, die sich auf die Licence vor-
bereiten wollen, genügt sie nicht.
81) Eduard Kammer, Ein ftsthetitscher Kommentar am Ho-
mers Ilias. 2., neubearbeitete Aufl. Mit einem Lichtdruck-
bilde. Paderborn, F. SchOningh, 1901. 346 S. 8. Jf 4. — .
Nachdem Kammer in sehr gründlichen Untersuchungen der Sprache
Homers mit der Fähigkeit, originalen und entlehnten Ausdruck zu unter-
scheiden, auch die Zuversicht gewonnen hatte, den echten Homer von
fremden Ein- und Zudichtungen trennen zu können, schlug er in seinem
zuerst 1889 veröffentlichten Homerkommentar entgegen der Gewohnheit,
auf den Gymnasien den ganzen Homer zu lesen, vor, den Schülern nur
*das Edelste der Dichtung in geschlossener Form zu bieten. Der Gedanke
hatte eigentlich alles für sich. Auch wer die zahlreichen Widersprüche
und Bätsei der Ilias, die von philologischen Interpreten wie von kon-
genialen Freunden Homers seit Horaz bis auf H. Grimm zugestandenen
Schwächen der homerischen Epen mit dem Umstände erklärt, dafs der
Dichter sie in einer Zeit der Gärung gedichtet habe, die fortwährend
neues brachte, wird dem Vorschlag Eammers beipflichten müssen. Denn
ohne Frage wird die Kenntnisnahme einer abgeschlossenen Komposition
und die eindringende Behandlung einer Auswahl ihrer poetisch wertvollsten
Teile auf die Jugend eine nachhaltigere Wirkung ausüben als die kursorische,
für sie noch dazu mit mehr Arbeit verbundene Lektüre nach der Über-
lieferung in buntem Wechsel aneinandergereihter ungleichwertiger Partieen,
die unbedenklich an jeder beliebigen Stelle abgebrochen wird. Die neuen
Lehrpläne haben diese veränderte Anschauung zur Geltung gebracht, und
eine ganze Anzahl von Ausgaben der Klassiker in Auswahl veranlafst.
Für die Ilias hat Kammer die Grundlage gegeben, die selbst demjenigen
eine willkommene Stütze sein wird, der mit Homer auf vertrautem
Fufse steht. Denn nicht jedem ist zu aller wissenschaftlichen Tüchtigkeit
^
Neae Fhilologisdie Bimdfloliaa Kr. 7. 151
ein 80 feines poetisches Verständnis ffir die Schönheiten der Dichtung
gegeben, ein so guter Geschmack und scharfer Blick f&r das dichterisch
Zulässige zu eigen, wie ihn E. an zahlreichen vielumstrittenen Stellen
glänzend bewiesen hat Damit ist natürlich nicht gesagt, dafs man sich
durchweg von seiner Entscheidung binden lassen wird. E. läfst auch
selbst fiir Meinungsverschiedenheiten — wie es auf so schwierigem Boden
angebracht ist — , den weitesten Spielraum.
Vielleicht ist es nicht fiberflflssig, den Inhalt seiner Schrift, die vor
zehn Jahren in erster Auflage erschien, noch einmal kurz anzudeuten.
E. gibt zunächst eine dramatisch gegliederte Darstellung der ursprfing-
lichen Dias, wie sie ihm erscheint, und entwirft sodann ein Bild des ho-
merischen Menschen in seinen Beziehungen zur Natur und Tierwelt. Es
folgt eine ganz vortreffliche Charakteristik der einzelnen Figuren, Hektor,
Agamenmon, Diomedes, Aias u. s. w., darauf eine Analyse der allgemeinen
Naturanlage des homerischen Menschen. Der zweite Hauptteil des Buches
enthält zu sämtlichen Gesängen der Dichtung Einzelkommentare, deren
ümfong und Tiefe sich nach der Zugehörigkeit des Gesanges zur ürilias
bemifst.
In diesem Teile nun, in dem der Verf. seine ästhetische Eritik ans-
äht, scheint mir der Hauptwort der Schrift zu liegen. Denn gewifs ist
alles, was E. fiber die Gleichnisse in der Dias als Gegenbilder mensch-
licher Handlungen und Stimmungen, über das NaturgefQhl des homerischen
Menschen im Gegensatz zur modernen Naturbetrachtung über die Volks-
seele geschrieben, für die Interpretation eine äufserst anregende und will-
kommene Beihilfe; auch dals er sich mit Bhodes Psyche, die schwerlich
von jedem, der Homer zu erklären hat, studiert worden ist, so eingehend
auseinandersetzt, verdient volle Zustimmung. Aber abgesehen davon, dals
ich mir fKr die Bedeutung des rhetorischen Elements in der Ilias, für die
Physiognomik u. a. m. des Verf. Aufmerksamkeit in höherem Mafse ge-
wünscht hätte, so besitzen wir auch in anderen Schriften derartige charak-
terisierende Zusammenstellungen, die dem Lehrer eine Fülle von Material
zur Erläuterung gewisser schwieriger Stellen bieten. Dagegen fehlte es
an einer jeden einzelnen Gesang so hell im einzelnen ästhetisch beleuch-
tenden Eritik. Von sprachlichen Untersuchungen, die des Verf. Urteil
dabei geleitet hätten, wird der Leser nicht viel gewahr. Dagegen wird
die Bedeutung der einzelnen Episoden für die Entwickelung der Hand-
lung, die schärfere oder schwächere Elarheit in der Zeichnung, die Fülle
152 Kene Ftdlologiflobe Rundschau Nr. 7.
oder der Mangel an Kraft in der Anschanlichkeit der Gleichnisse, die
Tiefe oder Flachheit in der Auffassung der Charaktere bestimmend fKr
die Wertung der einzelnen Gesänge. Es mufs anerkannt werden, dafs in
dieser sehr schwierigen Arbeit E.s Urteil von einer bewundemswOrdigen
Besonnenheit und Festigkeit ist, dafs andrerseits die Kraft der Überzeugung
von der GrOfse echt homerischer Dichtung im ganzen Buche einen Aus-
druck gewinnt, der im Gegensatz zu der heute vielfach wahrzunehmenden
Flauheit in der Würdigung der Antike sehr wohltuend wirkt.
Bremen. L. Koeh.
82) Heinrich Nissen, Italische Landeskunde. Zweiter Band:
Die Städte. Erste Hälfte. Berlin, Weidmannsche Buchhand-
lung, 1902. IV U. 480 S. 8. Jt 7.—.
Im Jahre 1883 erschien der erste Band von Nissens Italischer Landes-
kunde. Der eigentfimUche Wert des Buches beruht darin, dafs sich hier
Philologie und Naturwissenschaft vereinigen, um uns zu zeigen, wie Italien
zur BGmerzeit, insbesondere zur Zeit des Kaisers Augustus aussah. Das
Werk hat denn auch überall die wohlverdiente Anerkennung geftinden;
wer sich forschend oder lehrend mit Italien beschäftigt, betrachtet es
längst als unentbehrliches Hilfsmittel. Es gehört zu den Bflchem, die
sich nicht durch einmalige Lektflre ausschöpfen lassen : die Fülle der mit-
geteilten Tatsachen, die knappe, manchmal lapidare Schreibart zwingen zu
immer neuer Betrachtung. Nun ist nach 19 Jahren vom zweiten Bande
die erste Hälfte erschienen, und wir dürfen hoffen, in nicht zu femer
Zeit das ganze Werk vollendet zu sehen. Methode und Darstellung zeigen
dieselbe Eigenart : Geographie, Geologie, Statistik und beschreibende Natur-
wissenschaften unterstützen die Philologie bei ihrem Bemühen, ein Bild
von Italiens Landschaften zu geben, und was der Forscher gefunden hat,
das weifs er mit klarer Kürze ohne rhetorischen Schmuck mitzuteilen.
In den kurzen Vorbemerkungen, die jedem Abschnitt vorausgeschickt sind,
wird eine Charakteristik der betreffenden Landschaft gegeben; dann folgt,
was die trümmerhafte Überlieferung, was eigene Anschauung und neuere
Spezialuntersuchungen über Lage und Geschick der Städte zu sagen gestatten.
Manchmal will es scheinen, dafs der Verf. in der Anführung der Lite-
ratur und in der Formulierung seiner gedrängten Sätze bis an die
äufserste Grenze bedeutsamer Kürze gegangen ist — für Bavenna z. B.
sähe man gern das wertvolle Programm von Finsler, Bavenna in der
^
Nene Philologische BundBchan Nr. 7. 168
römischen Eaiserzeit, Zflrich 1885, zitiert, und die grorsartige Lage
von Alba Fucens kommt in der DarstelluDg S. 467 n. f. nicht ganz zu
ihrem Bechte. — Im allgemeinen aber sind die zahllosen Städte- und
Landschaftsbilder dieses Teiles mit meisterhafter Klarheit entworfen. Man
lese z. B. auf S. 320 die treffliche Schilderung der Schlacht am Trasi-
menus, oder S. 453, wo der antike Stollenbau vom Fucinersee nach dem
Liris mit folgenden Wort-en charakterisiert wird: „Ohne Magnetnadel,
ohne Sprengmittel, mit Meisel und Schlägel ist hier ein Tunnel her-
gestellt worden, dessen Länge erst seit der Durchbohrung des M. Cenis
flbertroffen ist.^' Wer ferner das zerrissene Tafeiland Etruriens aus eigener
Anschauung kennt, wird folgender Schilderung seinen Beifall nicht ver-
sagen: „Der Wanderer erblickt eine Stadt in absehbarer Entfernung und
vermeint sie in einer kurzen Spanne Zeit zu erreichen, bis er an der
Schlucht angelangt wider Erwarten zu einem stundenlangen Umweg ge-
nötigt wird, um zum Ziel zu gelangen, das ihm schon so lange greifbar
vor Augen gaukelte ^^ (S. 326). Überall ist die Vergangenheit mit der
Gegenwart in lebendige Verbindung gebracht, wie wenn S. 340 die Li^e
des antiken Balneum Begis, östlich vom Bolsenersee, folgendermafsen
beschrieben wird: „Der vulkanische Boden, auf dem der Ort ruht, wird
durch den Begen erweicht und stürzt herab; man kann den Verfall
von Jahr zu Jahr, ja von Monat zu Monat verfolgen. Der Stadthflgel
schrumpft infolgedessen ein; er hing 1864 nur durch einen schmalen
Isthmus, der in Bälde völlig durchsägt werden wird, mit der breiten Hoch-
fläche zusammen; die Einwohner (bis auf 150 Seelen) hatten auf ge-
sicherte Stätte nach dem heutigen Bagnorea flbersiedeln mflssen. Wie die
Halligen unseres heimatlichen Meeres geht die Civitä antica ihrem Unter-
gang durch unerbittliche Naturgewalten entgegen/^ Von Veji heifst es
S. 357: „In Weide- und Ackerland ist die Stätte der langjährigen Neben-
buhlerin Boms umgewandelt; daneben liegt Isola Farnese, ein von kaum
100 fiebergelben Menschen bewohnter Weiler.^^
Der Beschreibung der Landschaften und Städte hat Nissen eine Ein-
leitung von 100 Seiten vorausgeschickt, die überaus lesenswert ist, weil sie
die allgemeinen Gesichtspunkte für die dann folgende Beschreibung bietet.
Der erste Abschnitt bespricht Oröfse und Einteilung des Landes; er schliefst
S. 7 mit den die ganze Entwickelung trefflich charakterisierenden Worten :
„Wie Italien im Laufe der Zeiten sein Pflanzenkleid verändert, hat es
auch die ehenmligen bäuerischen Lebensformen gegen städtische um-
164 Keue Philologisclie Bimdaehaii Nr. 7.
getauscht. Hellenen und Etrnrier haben das Werk begonnen, die B6mer
haben planmäfsig am Ausbau fortgearbeitet. Als es zuletzt an Alters-
schwäche zu Grunde ging, gelangte das Bauerntum durch die Germanen
wieder zu Ehren. Aber das r&mische Städtewesen feierte seine Auf-
erstehung und machte Italien abermals zu einem Land der Städte/^ Nach-
dem in § 2 die römischen Landgemeinden dargestellt sind, wird in § 3
durch einen Vergleich mit deutschen und griechischen Verhältnissen höchst
einleuchtend gezeigt, wie sich im alten Italien aus der bäuerlichen An-
siedelung allmählich die Stadt entwickelt, teils durch Handel und Wandel,
teils durch den Druck der Eroberung, namentlich der römischen. Ffir
die sich selbst verwaltende Landstadt, die nicht ohne Anteil am römischen
Burgerrechte bleibt, haben die Bömer den Namen municipium. § 4 bietet
nicht nur eine Aufzählung der römischen Eolonieen, sondern zeigt auch,
wie sie entstanden sind. Ganz vortrefflich ist der folgende Abschnitt,
der in knpper Form die Entwickehmg der Städte, die Erbauung und den
Verfall ihrer Mauern, die Anlage ihrer Häuser und öffentlichen Bauten,
ihrer Strafsen und Wasserleitungen schildert. In § 6 wird nachgewiesen,
dafs die dem römischen Landstrafsenbau gezollte Bewunderung im all-
gemeinen vollauf verdient ist. In der Wahl gerader Linien, in dem Be-
streben, die Entfernungen durch Brücken, Dämme und Durchstiche abzu-
kürzen, bietet das römische Strafsennetz manche Vergleichungspunkte mit
den heutigen Eisenbahnen. Seinen Ursprung dankt es militärischen Er-
wägungen, seine immer fortschreitende Erweiterung und Vervollkommnung
wirtschaftlichen Interessen. Eap. 7 behandelt Mafs und Münze. Wir
erfahren, weshalb die anfängliche ünbestimmtheil von Mafs und Münze
allmählich festeren Normen Platz machte, lernen die hierbei tätigen frem-
den Einflüsse kennen und überzeugen uns durch eine zahlenmäfsige Dar-
legung, wie Bom seit dem hannibalischen Kriege immer mehr auf Einheit
in diesen Dingen hinarbeitete. Ein noch gröfseres Interesse beansprucht
Eap. 8 „Die Volkswirtschaft ^^ Es geht von der Tatsache aus, dafs
im heutigen Italien nur die Hälfte des Bodens bebaut oder bebaubar ist
und dafs das arbeitende Volk „trotz Fleifs und Geschick, Geduld und
Mäfsigkeit buchstäblich am Hungertuche nagt'^ Zu diesen bedauerlichen
Zuständen hat schon der Kapitalismus des Altertums den Grund gelegt;
das zeigt Nissen in Kap. 8 auf das einleuchtendste. Im letzten Abschnitt
wird das Steigen und Sinken der Bevölkerungszahl erörtert, wofür die seit dem
3. Jahrh. immer zuverlässiger werdenden Zensuszahlen einen Anhalt bieten.
^
Kene Fhilologiaehe Bandsohaa Nr. 7. Ifi5
Während ich diese Anzeige schliefse, gelangt die zweite H&lfte des
zweiten Bandes in meine Hände. Wir haben allen Anlafs, uns der VoUen-
dang des trefflichen Werkes zu frenen and dem Meister unseren Dank
ffir mannigfache Belehrung auszusprechen.
Bremen. Erast Ueselar.
83) Walter Altmann, Architektur und Ornamentik der
antiken Sarkophage. Mit 33 Abbildungen im Text und
2 Tafeln. Berlin, Weidmannsche Buchhandlung, 1902. 112 S. 8.
Ji 4.—.
Die Schrift ist eine Erweiterung der von dem Verf. frflher unter
gleichem Titel in lateinischer Sprache verfafsten Dissertation, zu der ihn
sein Lehrer Carl Bobert, der Herausfg. der antiken Sarkophagreliefs, ver-
anlafst hatte. In dem Abschnitt fiber die Architektur schildert Verf. zu-
nächst die im Orient übliche anthropoide Form, die Hausform, die Theke,
die Elinai, die Altarform, die geriefelten Sarkophage und die Säulen-
sarkophage. Der Teil aber die Ornamentik beschäftigt sich mit den
griechischen und römischen Ouirlandensarkophagen, stellt den Unterschied
zwischen den griechischen und römischen Sarkophagen der Eaiserzeit fest
und kommt nach einer Behandlung der Schmalseiten und Deckel der
Sarkophage zur Datierung der Sarkophagtypen.
Der Verf. hat die Aufgabe, die er sich gestellt, in durchaus be-
friedigender Weise gelöst. Es fehlte uns bisher an einer Monographie
die den gewaltigen Stoff in fibersichtlicher Anordnung bearbeitete. So sehr
sich nun Altmann dieser Übersichtlichkeit zu Liebe auf die Mitteilung
des Wesentlichen fiber jede Gattung der Sarkophage beschränkte, er läfst
doch die Vollständigkeit nicht vermissen und bietet durch ausreichende
Angabe des Quellenmaterials jedem Interessierten Gelegenheit zu sorg-
fältiger Nachprfifung. Besonders dankenswert sind seine Ausführungen fiber
die Ornamentik detr griechischen und der römischen Sarkophage, und
glflcklich der Gedanke, die römischen Gippi ffir die Entwickelung der
römischen Ornamentik heranzuziehen. Nur wird schwerlich, wie der Verf.
meint, eine Einzeluntersuchung, wie fiber die Entwickelung des Bukranions
ohne weiteres imstande sein, die „ bestehenden irrigen Ansichten aus der Welt
zu räumen, als sei die ganze römische Kunst nur ein verflachter Abdruck der
hellenistischen ^^ Der Verf. wird doch nicht; weil er in Dekorationen an
Erzeugnissen eines „fabriksmäfsigen Handwerkes'^ eine gewisse Selbständig-
156 Nene Fhilologiscbe Rnndschan Nr. 7.
keit im einzelnen entdeckte, die Abhängigkeit der griechisch-römischen
Kunst von der hellenistischen leugnen wollen, die so recht die perga-
menischen Funde, namentlich der Telephosfries glaubhaft gemacht haben?
Für eine neue Auflage, die wir der Schrift baldigst wflnschen, dürfte eine
Durchsicht und Besserung des nicht immer einwandfreien Stiles am Platze
sein (so S. 3, 5, 13 u. a. a. St.).
Bremen. L. Kooh.
84) TransactionB and Froceediogs of the American Fhflo-
logical Association 1900. Vol. XXXI. Boston, Ginn & C!o.;
Leipzig, 0. Harrassowitz. 250 u. CVIII S. gr. 8. $ 2. — .
Der erste Teil, der den Transactions gewidmet ist, enthält folgende
Abhandlungen: 1) J. C. Rolfe, The Formation of Substantives from
Latin Oeographical Adjectives by Ellipsis (S. 5 — 26). Es handelt sich
um Wörter nach Art von Arduenna sc. silva, Greta sc. terra, Molossus sc.
canis u. s. f. — 2) C. Bonner, The Danaid-Myth (S. 27—36). Die
Danaidensage ist nicht mit Preller u. a. als Naturmythus zu erklären;
vielmehr handelt es sich um eine alte Yolkserzählung , die bei anderen
Völkern deutliche Parallelen hat. Die Bestrafung der Danaiden hat mit
der ursprünglichen Sage nichts zu tun. — 3) H. N. Fowler, Pliny,
Pausanias and the Hermes of Praxiteles (S. 37—45). F. erhebt Einspruch
gegen die Hypothese der Miss Seilers (Oazette des Beaux Artes 1897,
119 ff.), dafs der Hermes von Olympia nicht ein Werk des Praxiteles (so
Pausan. lY 17, 3), sondern vielmehr des älteren Eephisodotos (so Plinius
N. H. 34, 87) sei; erstens ist es nicht ausgemacht, dafs Plinius den
Hermes von Olympia meint, denn der bezeichnete Typus war gewifs ver-
breiteter, sodann aber wissen wir, selbst wenn die angenommene Be-
ziehung zutreffend wäre, nicht, welche Olaubwflrdigkeit der Quelle
des Plinius (anonymer Eünstlerkatalog nach Ealkmann) zukommt. —
4) 0. Showerman, Was Attis at Bome under the Bepublic? (S. 46
bis 59). Die Frage ist zu verneinen, da in der Stelle aus Varros Menip-
peischen Satiren Attis erst durch Lachmanns Konjektur eingesetzt ist, da
ferner die Deutung einer Nebenfigur auf der Münze eines Gethegus sehr
unsicher ist, da endlich zur Zeit, als die Magna Mater Deum nach Rom
fibergefflhrt wurde, mit deren Kult in Kleinasien kein Attis-Kult ver-
bunden war. Zwar war die Sage von Attis gegen Ende der Bepublik
durch griechische Yermittelung ohne Zweifel auch in Born bekannt ge-
^
Nene Philologische Bnndsohan Nr. 7. 157
worden, der Eult ist aber erst seit Kaiser Claudias dort heimisch. Gatolls
Attis ist der Typus eines Cybelepriesters. — 5) J. B. Carter, The Cogno-
mina of the Ooddess Fortuna (S. 60—68). Besprechung der auf In-
schriften und in der Literatur (haupts. Plutarch.) vorkommenden Bei-
namen. — 6) Ch. F. Smith, Traces of Epic Usage in Thucydides
(S. 69 — 81). Zusammenstellung der Ausdrücke, die sich entweder direkt
oder indirekt auf Homer und die anderen Epiker zurflckfQhren lassen. —
7) Th. D. Seymour, Notes on Homeric War (S. 82—92). S. bespricht
die eigentümliche Bolle, die das Heervolk bei Homer im Gegensatz zu
den Führern spielt; von einem eigentlichen Krieg kann gar nicht die
Bede sein, da jede Heeresorganisation, jede gemeinsame Aktion unter plan-
voller Leitung fehlt. 'The earliest form of the Iliad very possibly knew
only of a small expedition, ande one which remained only a short time
before Troy The Iliad contains few allusions to the earlier battles
of the war, even where we might expect these*. — 8)A. Gudeman,
The Sources of the Germania of Tacitus (S. 93 — 111). Der Verf. der
Germania schildert nicht aus eigener Anschauung; nichts spricht für
diese immer noch vertretene Annahme, wohl aber vieles dagegen.
Seine Nachrichten erhielt Tacitus teils von Freunden und Bekannten,
die in Germanien gewesen waren, teils schöpfte er aus literarischen
Quellen. Abgesehen von Cäsars Comm. de hello Gallico, die nur ganz
wenig benutzt sind, ist schwerlich eines der erhaltenen Werke (Yelleius,
Mela, Plinius N. H u. s. w.) unter den Quellen des Tacitus zu suchen;
in Frage kommen des Plinius Bella Germaniae und besonders das Werk
des Poseidonios von Apamea (dieser ist auch der erste^ der den Namen
'Germanen erwähnt bei Athen. lY p. 153 e; S. 109 Anm. 2), daneben
vielleicht noch Yarro, Aufidius Bassus und eine Karte, vermutlich die des
Marines von Tyrus. — 9) E. Capps, Studios in Greek Agonistic Inscriptions
(S. 112 — 137). C. behandelt hauptsächlich 'The Choregic Inscriptions of
Dolos' und 'Tbe Soteric Inscriptions of Delphi'; seine Ergänzungen und
Yerbesserungen sind auf S. 137 zusammengestellt. — 10) W. G. Haie
Is there still a Latin Potential? (S. 138—162). Das Besultat der sehr
eingehenden, das Griechische reichlich berücksichtigenden Untersuchung
ist die Bejahung der Frage; der Aufeatz ist hauptsächlich gegen Eimer
gerichtet — 11) W. A. Heidel, On Plato's Euthyphro (S. 163—181).
H. gibt eine Analyse dieses Dialogs, sucht seine Stellung zu anderen
Schriften Piatons zu bestimmen, behandelt die Frage nach der Echtheit
158 Nene Philologische Rnndsohaa Nr. 7.
und der Entstehungszeit und bedauert schliefslich, dafs er in amerikani-
schen Schulen wenig gelesen werde. — 12) G. Hempl^, The Salian Hjmn
to Janus (S. 182—188). H. gelangt zu folgender Fassung:
coceulGd orieso* omnia u6röd patula coemis.
es ianos cüsistios. duonos ceros es *
duonos ianos ueniet. potimos (oder potissimos) meliösom recom.;
dazu gibt er eine englische Übersetzung, die also lautet:
Gome forth with the cuckoo! Truly all things dost thou make open.
Thon art Janus Curiatius, the good creator art thou.
Good Janus is coming, the chief of the superior rulers. —
13) G. D. Chase, Sun Myths in Lithuanian Folksongs (S. 189—201). —
14) H. L. Wilson, The üse of the Simple for the Compound Verb in
Juvenal (S. 202—222). W. bespricht die einzelnen Fälle; die Erschei-
nung Mst sich zurfickführen auf den Gebrauch in sakralen und gesetz-
lichen Formeln, auf die Umgangssprache, auf eine Vorliebe für alliterierende
Wendungen, vor allem aber auf die poetische Diktion, die durch derlei
Mittel belebt wurde. — 15) Ch. E. Ben nett, The Stipnlative Sub-
junctive in Latin (S. 223—250). B. versteht darunter ^a subordinate
subjunctive clause designating primarly some agreement, compact, or under-
standing under which the main act takes place\ Unter diese Eat^orie,
die nach B.s Meinung bisher völlig verkannt worden ist, gehören u. a.
die Sätze, die man ffir gewöhnlich als restringierende oder einschränkende
Konsekutivsätze bezeichnete (so z. B. Kühner und Dräger), eingeleitet
durch ita, ea lege, ea condicione . . . ut (ut non, ne, ut ne); aber damit
ist der umfang der Gruppe noch lange nicht erschöpft. Da ein weiteres Ein-
gehen auf die interessante Abhandlung, die nicht nur für die syntaktische
Forschung, sondern auch für die Kritik und Exegese der Texte wichtig
ist, an dieser Stelle leider ausgeschlossen ist, so sei weniptens nachdrück-
lich darauf hingewiesen.
Aus dem zweiten Teil des Bandes sei auf folgende Artikel aufmerk-
sam gemacht: W. N. Bates, Emendations to the Tenth Book of Pau-
sanias (S. vi); E. T. Owen, A Bevision of Pronouns with Especial At-
ention to Relatives and Belative Clauses (S. ix); W. A. Merrill, Some
Lucretian Envendations (S. xii); E. G. Sihler, On a Certain Matter in
the Earlier Literary History of Aristophanes (S. xni); L. J. Bichard-
son, On the Form of Syllables in Classical Greek and Latin Foetry
(S. ziv); B. B. Steele, On the Greek in Cäcero's Epistles (S. xyi); H. C.
^
Kene Philologifiobe Bundflcban Nr. 7. 169
Tolman, Historical Notes od Herodotus 1 106 (S. xxii); F. B. Tarbell,
An Inscribed Proto-Corinthian Lecythus [im Museum of Fine Arts in
Boston Mass. ; Aufschrift i7t;^og pi enoUaev 'Ayaailefd] (S. zu); Gh. H.
Shannon, Etymologies ofSome Latin Words of Will and Desire (studeo,
amo, oro] (S. xxiv); Tb. G. Burgess, The ßaaihxdg Uyog (S. xxvu);
W. G, Haie, The Genitive and Ablative of Description [gegen Wölflflin-
Edwards] (S. xxxi); E. P. Harrington, Tibullus as a Poet of Natnre
(S. xxxiv); W. A. Heidel, Interpretation of Gatullns YUI (S. xzxix);
F. S. Dann, Juvenal as a Humorist (S. xux); H. M. Hopkins, Dra-
matic Satura in Belation to Book Satnra and the Tabula Togata (S. l); Gl.
Price, Gommands and Prohibitions in Horace (S. lx); endlich sei er-
wähnt die Bede von B. J. Wheeler über das Thema 'The Place of
Philology' (S. LI— Lvii).
Br. W.
85) S. Frankfurter, Register zu den ArchAologisch -epigra-
phischen Mitteilungen aus Österreich-Üngam, Jahrgang
I— XX. Wien, Alfred Holder, 1902. XII u. 188 S. 8.
Fflnf Jahre nach der Herausgabe des letzten Bandes der „ Archäo-
logisch-epigraphischen Mitteilungen aus Österreich-Ungarn '^ erscheint ein
Begister zu allen 20 Bänden von Dr. S. Frankfurter, gegen 200 doppel-
spaltige Seiten, eine äufserst mühevolle Arbeit. Wir begrflfsen sie mit
dem wärmsten Dank an den Bearbeiter; denn eine Zeitschrift ohne Be-
gister tut bei weitem nicht die Dienste, die sie tun könnte. Erst ein
Begister zeigt, welche Fülle wertvollen Materials in ihr enthalten ist. Aber
nicht blofs fQr die Besitzer der Zeitschrift selber, sondern für Archäo-
logen, Epigraphiker und Philologen überhaupt ist dieser Begisterband ein
vorzügliches Nachschlagewerk. Dank der geschickten und übersichtlichen Ein-
teilung ist z. B. der Index zu den griechischen Inschriften wichtig f&r die
Typenlehre und Mythologie. Der Epigraphiker wird aufser dem „Sach-
und Wortregister der griechischen Inschriften" (S. 153 ff.) auch im In-
dex L eine höchst dankenswerte Aufzählung von Steinmetzfehlern, be-
merkenswerten Buchstabenformen und selteneren Ligaturen finden. Dem
Grammatiker empfehle ich denselben Index L, der aufser Epigraphischem
auch Grammatisches und Orthographisches verzeichnet. Natürlich kann
ein solches Begister kein vollständiges Verzeichnis aller Wörter geben,
das hätte auch keinen Sinn; aber das Verzeichnis der „sonstigen be-
160 Neue Philologische Bundschau Kr. 7.
merkenswerten Wörter und Wendungen" (S. 178 flf.) führt alles Wesent-
liche auf. Es liegt in der Natur der Sache, dafs man ein Register nicht
nach einem blofsen Durchblättern beurteilen kann, sondern erst nach
längerem Gebrauche. Der vorliegende, auch typographisch vortrefflich
ausgestattete Band macht aber den Eindruck sorgfältigster, gediegener
Arbeit. Zahlreiche Stichproben haben diesen Eindruck durchaus bestätigt,
so dafs ich das Werk aufs wärmste zur Anschaffung empfehlen kann.
Frauenfeld (Schweiz). Otto Sohnltheft.
8 6) Albert Mennung, J6an-Fran9ois Sarasins Leben und Werke,
seine Zeit und Gesellschaft. Kritischer Beitrag zur französischen
Literatur- und Kulturgeschichte des 17. Jahrhunderts, unter
Benutzung ungedruckter Quellen. I. Band. Mit einer Helio-
gravüre Sarasins. Halle a. S., M. Niemeyer, 1902. XXXI u.
435 S. gr. 8. Jk 12. -.
Es ist eine als Mensch und Schriftsteller ebenso interessante und
eigenartige wie den weiteren Kreisen unbekannte Erscheinung in der
französischen Literatur- und Kulturgeschichte des 17. Jahrhunderts, welche
— inmitten ihrer Zeit und Gesellschaft — uns hier nahe gerückt wird,
und es ist sicherlich dankenswert und verdienstlich, dafs mit dieser Studie
der Verf. die Aufmerksamkeit der Fachgenossen auf Jean-Fran9ois Sarasin
von neuem gelenkt hat.
Das Gebiet der Sarasin-Forschung war bisher nur wenig betreten und
auch wenig wegsam. Selbst die biographischen Daten bedurften der
Bichtigstellung; von den wenigen, welche üzanne in der Pr^face sur la
vie et les OBUvres de Sarasin zu seiner Ausgabe der Po4sies vom Jahre
1877 eruiert hat, ist kein einziges genau und das Geburtsjahr gänzlich
falsch. Auch in der von Petit de JuUeville herausgegebenen Histoire
de la langue et de la littärature fran^aise finden sich unter den über
Sarasin mitgeteilten vier Daten drei falsche : nicht nur den Namen schreibt
der Verf. unrichtig San*asiu, er läfst den Dichter auch „vcrs 1604" ge-
boren werden und 1655 sterben, während in Wirklichkeit er von 1611
bis 1 654 lebte. Von einer ähnlichen Oberflächlichkeit und Kritiklosigkeit
wie die meisten biographischen Angaben, zeugen nicht wenige literarhisto-
rische Urteile über Sarasin und seine Werke, ja mancher Literarhistoriker
will Sarasin kaum kennen und nennen. Es ist dies um so auffallender,
als der Name des „geistessprühenden, schönen Sarazenen" sehr eng mit der
^
Neue FhilologiBche Bandeohan Nr. 7. 161
Geschichto der Literatur und Gesellschaft seiner Zeit verlrnfipft ist, in
deren vornehmsten Kreisen und exklusivsten literarischen Zirkeln er eine
bedeutende, ja glänzende Bolle zu spielen berufen war. Seine freund-
schaftlich-literarischen Beziehungen zu Descartes, Manage, Ghapelain, Ben-
serade, Scarron, Sorel, Mairet, Pellisson, Conrart, Boisrobert, Gassendi, zu
den beiden Scud^ry, Desmaretz und Dupuy, zu Hugo Grotius, Balzac,
Bussy-Babutin und vielen anderen wissenschaftlich oder schöngeistig her-
vorragenden Persönlichkeiten dieser Epoche, seine politische Bolle in der
Fronde, seine bevorzugte Stellung in den Hotels der Ghavigny, Glermont
d'Entragues, Cond6, Conti und Longueville, seine fahrende Bolle unter
den Preziösen, die Vielseitigkeit und Aktualität seiner literarischen Be-
tätigung, kurz der „Gesamteinflufs seiner einzigartigen Individualität auf
sein Zeitalter*^ lassen ihn als Dichter und Mensch eines ernsten und ein-
dringenden, mit Umständlichkeit notwendig verbundenen Quellenstudiums
wahrlich nicht unwert erscheinen, und eine nicht mit Umrissen sich be-
gnügende, sondern gewissenhaft bis in die Einzelheiten sich vertiefende,
möglichst erschöpfende Darstellung und Würdigung Sarasins bedarf schwer-
lich einer Bechtfertigung, besonders wenn sie, wie Mennungs Arbeit,
eine Lücke in der französischen Literaturgeschichte auszufüllen vermag.
Ein echtes Kind seiner vom Wellenschlage der Benabsance noch
immer bewegten Epoche, steht Sarasin, wenn er auch gelegentlich aus
der spanischen und italienischen Literatur ^) Anregung schöpfte, in erster
Linie unter dem mächtig befruchtenden Einflufs des klassischen Altertums.
Davon legen seine Schriften ein beredtes Zeugnis ab, so ganz besonders seine
1644 erschienene Satire: Mtici Secundi G. Orhilius Musca sive Bettum
parasiHcum. Der Name Atticus Secundus, den Sarasin hier annahm,
stand in engster Beziehung zu seiner literarischen Beschäftigung; der
Atticus [Primus], als dessen Nachfolger sich der Dichter gleichsam an-
sah, ist zweifellos Titns Pomponius Atticus, dessen Biographie er aus dem
Cornelius Nepos in das Französische übertragen hatte. Die dem Alter-
tum entstammenden Quellen, welche in dieser Dichtung ebenso geschickt
wie zahlreich verarbeitet sind, kreuzen sich derart, dafs sie nicht mit
Bestimmtheit voneinander losgelöst werden können : Sarasin selbst vermied es
geflissentlich, seine Quellen zu nennen. Die Fülle der mit kunstsinniger
1) Ygl. Gustave Langen: Etades gar les rapports de la litt^ratore fraii9aiBe
et de la litt^ratnre espagnole an XYll« si^cle = Beyne d'histoire litt^raire de la
France, Vm, 1901, 395-407.
163 Nene Philologische Rundschau Nr. 7.
Hand ausgestreuten Zitate gaben ihm eine willkommene Gelegenheit,
seine Belesenbeit in den klassischen Autoren an den Tag zu legen. Den
wörtlich beibehaltenen Zitaten stehen solche gegenfiber, welche dem je-
weiligen Sinne durch eine witzige Änderung angepafst sind. Bewunderung
jedenfalls verdient die spielende Leichtigkeit, mit der er sein poetisches
BOstzeug handhabte. Ffir den Entwickelungsgang des Dichters ist das
Bellum parasiticum sehr charakteristisch: in ihm begegnen wir zum ersten
Male „einem der ureigensten Bestandteile seiner Individualität, dem sati-
risch-heiteren und burlesk -komischen Element '^ Ob Sarasin übrigens
„die wichtigste Anregung^* zu diesem gegen Montmaur gerichteten Er-
zeugnis eines köstlichen satirischen Humors und einer ungebundenen, aber
gestaltnngskrftftigen Phantasie „sicherlich", wie Mennung annimmt, der
Satire Cervantes' Viage al Pamaso verdankte, ist sehr fraglich. Noch
zu einer zweiten Satire sollte der raffinierte und berüchtigte Parasit Pierre
Montmaur dem Dichter Stoff und Anlafs geben. Dieses fünfzehn achtzeilige
Strophen umfassende Gedicht ist „Le Testament de Ooulu" betitelt und
tragt ein wesentlich anderes Gepräge als das Bellum parasiticum, ohne
deshalb weniger witzig und bissig zu sein. Gerade ffir die burleske Dich-
tung eignet sich trefflich die hier benutzte Form der „Testamente'S
Über diese Gattung der Satire gedenke ich demnächst eine kleine Arbeit
an anderer Stelle veröffentlichen zu können: darum will ich hier auf
Mennungs Ansfährungen über die „ Testamentssatiren '^ nicht näher ein-
gehen.
Vier Jahre nach dem Erscheinen der beiden genannten Satiren ent-
stand Sarasins bekannteste Dichtung, die gewissermafsen den Höhepunkt
seines literarischen Buhmes bildete: La Pompe fun^bre de Yoiture, ein
kleines Meisterwerk der französischen Literatur. In ihm entfaltet er die
ganze Grazie und Eigenart seines Geistes; trotz aller Anlehnung an seine
italienische Quelle, die Esequie di Mecenate von Gesare Gaporali, bleibt
er durchaus originell: „er hat es mit feinem Gefähl verstanden, die Mängel
derselben zu vermeiden und ihre Vorzüge in ein helleres Licht treten zu
lassen.'* Der Dichter führt hier den grofsen, verwöhnten, bei seinem Tode
weit über Gebühr gefeierten Schöngeist der hohen Gesellschaft, seinen
sogen. Bivalen, Yoiture, den Zeitgenossen in seiner wahren Gestalt im Hohl-
spiegel der Satire vor. Gewidmet ist die „Pompe fun^bre'* Manage,
der auf jenen zwei rühmende Epigramme gedichtet hatte. Balzac nannte
sie „la plus belle lecture du monde"; Pellisson betrachtete sie als „chef-
•^
Nene Fbilologiscfae Bnndseban Nr. 7. 168
d'oduvre d'esprit, de galanterie, de d^licatesse et d'invention^S Saradus
Diebtang regte alsbald zu äbnlicben an, so za Scarrons Belation v^ritable
sar la mort de Yoiture. Weit bedeutungsvoller und nachhaltiger jedoch
war der Einfluis, den diese burleske Satire in formaler Beziehung auf die
Literatur des 17. Jahrhunderts ausgefibt hat; beginnt doch mit ihr die
Mischung von Prosa und Versen eine beliebte Eunstform zu werden.
Bereits im Bellum parasiticum begegnete uns diese eigenartige Mischform.
Malherbe und Yoiture war diese Mischung noch fremd, wiewohl sie hin
und wieder einzelne Verse, meist Zitate, ihren Briefen einstreuen. Sarasin
griff auch hierin auf das klassische Altertum zurück, nämlich auf die
Menippeische Satire, gab zugleich dieser Eunstform den wahren Gehalt,
der ihr, so lange sie bestand, verbleiben sollte, und wurde so zum Schöpfer
der heiteren, pikanten, oft satirisch gefärbten Lettre jener Zeit, in wei-
terem Sinne des aus Prosa und Versen gemischten Berichtes, der inhalt-
lich alle möglichen Variationen gestattete. Er fand aulserordentlichen
Beifall und eine Unzahl von Nachahmungen. Wie sehr auch kein Ge-
ringerer als Lafontaine von der neuen Eunstform beeinflufst worden ist,
ersehen wir, wie Mennung ausfahrt, nicht nur aus seinen Lettres, sondern
nicht minder aus den beiden grofsen Dichtungen Les Amours de Psycho
et de Cupidon und Songe de Vaux; letztere erinnert übrigens durch ihre
Traumform zugleich an das Bellum parasiticum. Gleich stark wie auf
Lafontaine war Sarasins Einfiuls auf den Akademiker Pavillon, einen seiner
eifrigsten Verehrer, und auf den Abb^ Gotin. Von den 31 Lettres in den
Oeuvres des ersteren sind alle bis auf einen aus Prosa und Versen ge-
mischt, und die Oeuvres galantes des letzteren enthalten eine noch gröfsere
Anzahl, darunter einen Tableau de la douleur ou la mort d'Iphis. In die
so beliebt gewordene Form werden immer neue Stoffe gegossen. Auch
Voltaire hat sich ihrer bedient und beispielsweise seinen Temple du Goüt
in ihr abgefafst.
Im Erscheinungsjahre der Pompe fun^bre steht der d7jährige Sarasin,
berühmt als Schöngeist und Dichter, hochgeachtet und verehrt von den
gröfston Gelehrten seiner Zeit, am Ende einer bedeutsamen Epoche seines
Lebens und seines Entwickelungsganges; mit demselben Jahre — 1648 —
schliefst der erste, in würdiger Ausstattung vorliegende Band des Men-
nungschen Werkes. Zahlreich sind die Proben, die uns von des Veif.
sorgsamer und umsichtiger Sammlung des ausgedehnten Stoffes sowie von
seiner eindringenden und fruchtbaren Beschäftigung mit seinem Gegen-
IM Nene Fhflologisohe Rundschau Nr. 7.
Stande hier gegeben werden. Mennung bat einerseits die Quellen fQr
Sarasins Leben und Werke mit möglichster Vollständigkeit zu sammeln
und kritisch zu sichten, anderseits die Entstehung, Entwickelung und
literarhistorische Stellung seiner Schriften klarzulegen sich ebenso
ernstlich wie erfolgreich bemfiht. So ist es ihm in strenger Arbeit ge-
lungen, ein grundlegendes Werk zu schaffen, das den Ausgangspunkt
jeder weiteren Forschung über Sarasin bilden wird. Leider macht sich in
der mitunter unnötig ausf&hrlichen, um nicht zu sagen breiten Darstellung
namentlich ein Mangel an schriftstellerischer Kunst besonders fühlbar:
wir vermissen nämlich jene anspruchslose, aber darum nicht weniger
fesselnde Form, hinter der gediegenes Wissen, gründliche Gelehrsamkeit
und subtile Forschung sich gewissermafsen verbirgt.
Über das umfangreiche, an den verschiedensten Fundorten zerstreute,
ungedruckte wie gedruckte Quellenmaterial wird der durch Gewissenhaftig-
keit, Ausdauer und begeisterte Hingebung sich auszeichnende Forscher in
einer Bibliographie im zweiten Bande seines Werkes Aufschlufs geben.
Dort werden zugleich auch die Fundstellen und Bibliothekssignaturen f&r
alle selteneren Erscheinungen namhaft gemacht werden. Wir geben der
Hoffnung Ausdruck, dals der zweite Band ebenso wie die bereits an-
gekündigte kritische, mit einem Kommentar versehene Ausgabe der Werke
Sarasins, welche Mennung veranstaltet und so den Plan, den schon Sal-
lengre im Jahre 1715 gefalst hatte, verwirklicht, nicht allzulange auf
sich warten l&bt. O. S.
87) Hi8 Hononr ludge Webb, The Mystery of William
Shakespeare. London, New York and Bombay, Longmans,
Green and Co., 1903. 302 S. 8. Sb. 10.6 nei
Die Baconianer erinnern an das bekannte Einderspielzeug, die sogen.
„Stehaufmftnnle'S Sie mögen noch sooft „umgeworfen*^ werden, immer
erheben sie sich wieder samt ihren „ Argumenten *S meist alten Bekannten,
die freilich, ungleich dem Wein, durch das Ablagern weder st&rker noch
besser geworden sind.
Auch der Verf. des vorliegenden Buches fSbxt in der Hauptsache die
„altbewährten^' Geschütze auf. Da ist zunächst der negative Beweis: der
ungebildete Schauspieler, „the young man who came up from Stratford^S
kann unmöglich der Verfasser der Shakespeareschen Dramen sein, in denen
das gesamte Wissen ihrer Entstehungszeit sich spiegelt«
^
ileue Philologische fiundschau Itr. 1, 166
Zwar die Möglichkeit, dafs ein aufgeweckter Jflngling mit nn-
gewöhnlicheo rezeptiven Fähigkeiten und starkem Gedächtnis im Verkehr
mit Männern verschiedenster Berufsklassen ganz wohl imstande gewesen
sein könnte, die Lücken seines Schulsackes auszufällen, gibt auch der Verf.
zu, um schliefslich mit einem kategorischen „the world is not made up
of might-have-beens '^ diese ihm unbequeme Eventualität wieder fallen zu lassen.
Shakspere der Schauspieler und Shakespeare der Dichter mflssen nun
einmal zwei verschiedene Personen sein. Dies leugnen hiefse ja an dem
Fundamentalsatz der Baconianer rfitteln. In dieser Beziehung ist es nur
konsequent, wenn der Verf. 6reene*s Pamphlet „A Groatsworth of Wit*^
wohl auf den player, aber beileibe nicht auf den Dramendichter bezieht.
Die bekannte Anspielung auf Heinrich VI, 3 in den Worten „a tygers
heart wrapt in a plajers hide'^ kümmert Verf. anscheinend nicht weiter;
er findet in derselben lediglich einen Hinweis auf den unliebenswflrdigen
Charakter des Schauspielers, des Mannes mit dem „Tigerherzen ^^ Wenn
aber nicht Shakspere = Shakespeare, nun dann ist offenbar Shakespeare
= X und X == Bacon. Und nun vergegenwärtige man sich folgendes: Der
Dichter Algernon Swinburne hat in seiner „Study of Shakespeare^^ im
Gegensatz zu den Aussagen der Schauspieler Heminge und Gondeil und Ben
Jonson*s die Ansicht verfochten, Shakespeare habe an seinen Dramen viel
geändert und gefeilt, manche derselben sogar völlig umgeschrieben. Aber
auch Bacon bekennt, „I ever alter as I add'' und sein Kaplan Bawley
bestätigt, dafs vom Novum Organen wohl ein Dutzend verschiedener Manu-
skripte vorgelegen haben „de anno in annum elaborati et ad inendem
revocati". Wer möchte da noch an der Richtigkeit der obigen Formel
zweifeln I
Fast sollte man meinen, es bedürfe der mannig&chen „Überein-
stimmungen'^ in den Werken beider Autoren, von denen der Verf. gleich-
wie seine Vorgänger eine ganze Anzahl beibringt, gar nicht mehr, um
uns zu überzeugen. Es möge genügen, zwei der „ evidentesten'^ Fälle hier
anzuführen.
In seiner Schrift „De Dignitate et Augmentis Scientiarum'' sagt Bacon,
dafs der Krieg gegen Brutus und Cassius ein Kampf „ob vindictatn'* gewesen
sei, und Antonius in Shakespeares Julius Cäsar: „And Gaesar's spirit
ranging for revenge etc." Beide also sprechen anläfslich des Mordes von
„Bache'*; es ist doch schwer zu glauben, dals sie unabhängig voneinander
auf diesen gleichen Gedanken gekommen sein sollten!
166 Kene Fhilologische fttmdscliaQ Nr. 1.
Oder nehmen wir die Eingangsworte von Shakespeares „Twelfth Night" :
„If music be the food of love, play on!
Oive me excess of it, that sorfeiting,
The appetite may sicken, and so die!
That strain again! It had a dying fall!
0, it came o'er my ear like the sweet sonth
That breathes upon a bank of violets,
Stealing and giving odour!"
und vergleichen damit die folgenden Bemerkungen ans Bacons „Historia
Naturalis'^ (in Verf.s englischer Übertragong) : „music feedeth the dis-
Position of the spirits that it findeth"; oder „discords falling npon con-
cords make the sweetest stndns" und ans den Essays den Ausspruch, dafs
„the breath of flowers is far sweeter in the air, where. it comes and goes
like the warbling of music", so ist es offenbar schwer, sich der Kongruenz
der Gedanken zu verschliefsen , die in der Übereinstimmung der Worte
food — feedeth, strain — strains, breath — breathes ihren Ausdruck
findet!
Ffir denjenigen aber, der sich etwa nicht entschliefsen könnte, diese
BeweisfQhrung des Verf. ernst zu nehmen, mufs noch kurz auf die Be-
urteilung verwiesen werden, die Ben Jonson's bekannter Hymnus auf
den „Schwan von Avon" seitens des Verf. findet. Den Kennern von
Ignatius Donnelly's „Great Gryptogram" bietet freilich auch diese unfrei-
willige Komik kaum neues.
„Soul of the Age!
The Applause! delightl the wonder of cur Stage!
My Shakespeare rise!"
apostrophiert Jonson bekanntlich den Dichter, und der Verf. bemerkt hierzu:
„This, certainly, was not the Shakespeare of the Players. Their Shake-
speare could with no appearance of plausibility be described as the Soul
of the Age in which he lived. He was not a great statesman, who had
influenced the fortunes of the state; he was not a great philosopher who
had revolutionised the philosophy of the schools; at best he was nothing
but a playwright at a time when plays were scarcely regarded as Utera-
ture, and when players were banned and branded by the law."
Wenn es dann weiter heifst „thou art alive still" so meint Verf.
hierzu „words which could not possibly be applied to the dead player."
Den erklärenden Zusatz zu den Worten: and art alive still — nämlich:
^
Keue Phflologiflehe ftimdfchan Kr. ?. 167
while tby book doth live empfiiidet der Verf. als einen „Doppelsinnes
mit welchem Jonson „palters os like the joggling fiend of Macbeth *^
Und endlich die Worte:
„Sweet Swan of Avon! what a sight it were
To see tbee in om: waters yet appear^S
geben dem Verf. zn folgenden klassischen Bemerkungen Anlafs: If Shak-
spere was ever regarded as the Swan of Avon, he was in bis grave;
and tbough the song of the dying swan is a favourite fiwcy with the
poets, no poet that ever lived would be mad enough to talk of a swan
as yet appearing and resuming its flights npon the river some seven or
eight years after it was dead.
Möge es damit genug sein des „grausamen Spiels ^S und nur der
Ordnung wegen sei noch erwähnt, dafs auch die bekannten „ Beweisartikel *'
des Baconischen „Fromus'^ und der „Northumberland Papers** — beide
hier als Anhang gegeben — nicht vergessen sind.
Eine ernsthafte Widerlegung der Ansichten des Verf. wird an dieser
Stelle niemand erwarten, nachdem Schipper, Kuno Fischer, Engel, Mrs.
Stope u. a. in besonderen Schriften eine solche erfolglos — wie das vor-
liegende Buch nebst anderen seinesgleichen beweist — versucht haben.
Im Anschlufs an Bacon zitiert der Verf. den Salomonischen Spruch:
„Non accipit stnltus verba prudentiae nisi ea dixeris quae versantur in
corde eins/* Das mfifste die Kritik entwaffnen, wenn sie nicht schon
vorher den Kampf als aussichtslos aufgegeben hätte. Wie sagt doch Boileau
in bezug auf den „bienheureux Scud^ry^^ und die Erzeugnisse seiner
„fertile plume'*: „Quoiqu'on en puisse dire, ils trouvent tocgours un
marchand pour les vendre et des sots pour les lire.^'
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Inhalt: Bezensionen: 88) Jobannes Barnet, Piatonis Bes publica (E. Linde)
p. 169. — 89) Seth G. Gifford, Panli Epistolas qua forma legerit Joannes
Gbrjsostomus (Eb. Nestle) p. 172. — 50) Michael Fanlhaber, Hobelied-,
Proverbien- nnd Prediger -Katenen (Eb. Nestle) p. 172. — 91) A. Müller,
Attisches Bübnenwesen (K. Weüsmann) p. 173. — 92) Studios in Honor of Basil
L. Gildersleeve (W.) p. 176. — 93) H. A. Hamilton, The negative Compounds
in Greek (H. Ehrlich) p. 178. •— 94) £. Fabricius, Die Entstehung der rö-
mischen Limes -Anlagen in Deutschland (0. Wackermann) p. 179. — 95) J. As-
bach, Zur Geschichte und Kultur der römischen Bheinlande (0. Wackermann)
p. 180. — 96) 0. Weifsenfels, Kernfragen des höheren Unterrichts (K. Lösch-
horn) p. 182. ^ 97) H. Knauth, Latein. Übungsbuch ffir Sekunda (E. Krause)
p. 183. — 98) V. Thumser, Schule und Haus (Edm. Fritze) p. 184. —
99) G. Pellissier, Pr^cis de Thistoire de la litterature fran9aise (K. Friesland)
p. 185. — 100/101) M. V. Metzch-E. Wasserzieher, Perduepar Henry Gr6ville;
E. Wasserzieher, Strasbourg par Paul et Victor Margueritte (Fr. Blume)
p. 186. — 102) Sachs-Villatte, Encyklopädisches Französisch-Deutsches und
Deutsch-Französisches Wörterbuch (W. Böhrs) p. 187. — 103/104) A. Zapp,
The natural method for teaching foreign languages. English; Ders., Methode na-
turelle pour Fenseignement des langues ^trang^res. Fran9ais (Bahrs) p. 188. —
105) L. Sütterlin, Das Wesen der sprachlichen Gebilde (J. Keller) p. 190. —
Anzeigen.
88) Joannes Bnmet, Flatonis Res publica. BecognoYit breYiqae
adnotatione critica instruxit. Oxford, darendon Press, 1902.
IV u. 411 S. 8.
Die englischen Philologen sind in der Herausgabe der Werke Piatons,
im besonderen des Staates, ungemein rührig. Erst 1894 n. fg. erschien
die grolse dreibändige Ausgabe der Bepublik von B. Jowett und Lewis
Campbell, und 1897 veröffentlichte James Adam eben&Us eine kritische
Ausgabe der Platonischen Bepublik. Ihnen schliefst sich Bumets Ausgabe
würdig an.
Joannes Burnet l&fst seit 1899 die Werke Piatons in einer kritischen
Ausgabe neu erscheinen; der erste Band, Oxford 1899, enthält die beiden
ersten Tetralogien; der zweite, ebenda 1901, umfafst die dritte und vierte
1?0 Ifeue t^lologiflcbe Rnndschau Kr. g.
Tetralogie. Es ist nicht ersichtlich, ob die vorliegende Ausgabe der Be-
publik neben der geplanten Gesamtaasgabe der Werke Piatons bestehen
bleiben soll, innerhalb welcher sie, dem Programme des ersten Bandes
entsprechend, mit dem Eleitophon, dem Timäus und dem Eritias den
vierten Band bilden müfste. Die Vorrede sagt darüber nichts; und doch
sind sowohl die Prinzipien als auch das Äufsere dieser Ausgabe genau
dieselben, wie sie im ersten und zweiten Band der Gesamtausgabe vor-
liegen : der Text bietet nicht die Wiedergabe einer besonders bevorzugten
Handschrift oder Handschriftenfamilie, sondern eine Überlieferung, wie sie
unter sorgfältiger Benutzung aller handschriftl. Hilfsmittel und der Zitate
bei den Kommentatoren und Schriftstellern als die richtige angenommen
werden mufs, wobei überall auf die neuesten Yergleichungen des hand-
schriftl. Materials zurückgegangen oder neue Yergleichung geboten wird
(z. B. beim Marcianus [T nach Schanz] für Phädon und Politikus u. a.);
bei der Aufnahme guter Konjekturen, ohne die wir vielfach gar nicht
auskommen können, ist grofse Vorsicht beobachtet, doch auch keine über-
triebene Ängstlichkeit, ebenso bei der Annahme und Ergänzung vor-
handener Lücken, sowie bei der Ausscheidung etwaiger Glosseme, an denen
unsere Platon-Überlieferung ja reich ist. Die Fufsnoten unter dem Texte
enthalten die Abweichungen in den besseren Handschr. und den Zitaten
der Alten, sowie eine Auswahl der beachtenswertesten Konjekturen. In
der Seitenzahl folgt B. der Ausgabe von Stephanus und zwar so, dafs da-
neben weitere Zahlen zur Bezeichnung der Seiten nicht angewendet sind,
was die Übersicht und die Benutzung ungemein erleichtert, zumal da die
Zahlen durch den Druck angenehm hervorgehoben und statt der grofsen
Buchstaben ABGD die gefälligen kleinen gewählt sind. Die Einteilung
nach Kapiteln ist unterlassen, dagegen sind Bede und Antwort jedesmal
durch Absätze kenntlich gemacht. In sprachlicher Beziehung sind die
Fortschritte auf dem Gebiete der griechischen Grammatik eingehend
berücksichtigt und aufgenommen, selbst da, wo man noch zweifeln könnte,
(z. B. bei (leiywfic st. fiiyw(iiy dTto^Axelw/ii st. -ktIvw/jH, xaco st. xaeoi
u. s. w.), und in orthographischer Hinsicht ist strenge Konsequenz beobach-
tet (wvd^, äyad'iy änav u. a. st. v^ dijy c5 äyad'if & top, überall avv- st.
^W" u. s. w.).
Man wird sich mit den Grundsätzen der Textesgestaltung gern ein-
verstanden erklären und sich freuen, dafs mit dem Prinzipe der ausschliefs-
lichen Bevorzugung bestimmter Handschr. immer mehr gebrochen wird.
^
^
Neue Fhaolog^Bche Bandschan Nr. 8. 171
Was nun den vorliegenden Text der Bepublik im besonderen anbetrifft,
so ist Ton B. auiiser dem schon von Schanz neben dem Parisinus A in
seine Bechte eingesetzten Yenetus B (= IT nach Bekker) und dem Mala-
testianus, den Lewis Campbell neben jenen beiden als Vertreter einer
dritten Handschriftenklasse hinstellte, eine Wiener Handschr. (F bei Schnei-
der), herangezogen. Eine eingehende Untersuchung (vgl. Gl. Beview XVI,
1902) hat B. zu der Ansicht geführt, dafs diese Handschr., auf deren
Besonderheiten schon Schneider hingewiesen hatte, aus einem Archetypus
stamme, der älter sei, als alle übrigen Platonhandschr. Aufserdem sind
von B. die Zitate bei lamblichus, Qalenus, Stobftus u. a. in ausgedehn-
terem Mafse herangezogen, als es in den früheren Ausgaben geschehen
war; die Wichtigkeit dieser Zeugnisse für die Textesgestaltung bei rich-
tiger Benutzung derselben ist inzwischen allgemein anerkannt, so dafs man
sich auch hiermit wird einverstanden erklären müssen; für B. hatte ihre
Heranziehung noch einen besonderen Wert, da sie mit dem von ihm em-
pfohlenen Wiener F merkwürdig übereinstimmen.
Somit bedeutet die Ausgabe B.s einen grofsen Fortschritt. In Einzel-
heiten wird man ja vielfach anderer Meinung sein können, z. B. S. 259 d. e.
würde man besser bei der übereinstimmenden Lesart der Handschr. bleiben,
wo B. Bywaters schwer verständliche Konjektur aufgenommen hat; 528 c
ist ftiv hinter in:d in F beachtenswert und sollte uns zu der Umänderung
des entstellten ircd de x&v Ürjroikwv in rdh^ de ^ijt. veranlassen (vgl.
Lit. Zentralbl. 1898, Sp. 297); 529 b vermifst man bei idv te zvg einen
Hinweis auf die Abweichung bei Bekker, Stallbaum, C. Fr. Hermann, wie
man wohl noch mehrfach in den Fufsnoten einen Hinweis auf diese oder
jene andere Lesart gern gesehen hätte.
Wir wünschen, dafs Burnets Ausgabe des Piaton rüstig weiter schreiten
und uns auch bald die noch fehlenden Dialoge bringen möge; auch in
Deutschland bürden wir sie freudig begrüfsen müssen, da es uns ja noch
immer an einer vollständigen neueren Gesamtausgabe der Platonischen Werke
fehlt. Wie man hört, wird in England nach Burnets Ausgabe ein ge-
nauer Index ausgearbeitet; auch dieses begrüfsen wir mit grolser Freude,
da Asts Lexikon inzwischen veraltet ist.
Helmstedt. K. Lfaade.
172 Neue t^hilologisoke ttmidschau Üi, 8.
89) Seth O. Oiffordi Pauli Epistolas qua forma legerit Jo-
annes Chrysostomus. Dissertationes Philologicae Halenses.
Vol. XYI. Pars I. Halis Saxonum, Max Niemeyer, MDGCCGIL
88 S. 8. ^2.40.
„Wenn den Philologen und Naturforschem ein Arbeitsfeld offen stfinde,
das auch nur annähernd so reiche Ernte verspräche, wie etwa das Studium
des Chrysostomus — ähnliche Vorwürfe hat die Theologie zu hunderten —
von welchen Scharen, mit welchem Eifer und Erfolge wurde es bebaut
werden/' So schrieb vor 15 Jahren Lagarde; es gilt zum Teil auch
heute noch« Die vorliegende Dissertation hat eine der Aufgaben in An-
griff genommen, die Chrysostomus bietet. Vielleicht hätte sich noch mehr
aus ihr machen lassen, als es hier geschehen ist. Zu der Form, in wel-
cher Paulus dem Chrysostomus vorlag, gehört doch auch das ganze paläo-
graphische Gebiet; aber dies ist gar nicht berfihrt, die Arbeit beschränkt
sich darauf, die Lesarten zusammenzustellen, die von unserem Texte ab-
weichen. Innerhalb dieser Grenzen ist die Arbeit sichtlich mit grofsem
Fleifs gemacht. An etwa 30 Stellen kennt Chrysostomus Varianten. Am
merkwürdigsten ist wohl die Lesart 1 Kor. 6, 20 äQctve top d^sivy die
schon Marcion und Tertullian kennen. Noch in der neuesten Auflage des
Wörterbuchs der neutestamentlichen Gräzität fehlt jede Bücksichtnahme
auf diesen Sprachgebrauch. Der Thesaurus gibt einige Belege für die
Bedeutung extoUo verbis, laudaiione. — Ein weiteres Eingehen wird an
diesem Orte nicht nötig sein.
Maulbronn. Eb. Nestle.
90) Michael Fanlhaber, Hohelied-, Froverbien- und Frediger-
Katenen untersucht. (Auch unter dem Titel: Theologische
Studien der Leo-Gesellschaft, herausgegeben von Albert
Erhard und Franz M. Schindler. Hefk 4.) Wien, Mayer & Co.,
1902. XV u. 176 S. 8.
Hier die Fortsetzung der Untersuchungen über die Propheten-Eatenen,
die der Unterzeichnete 1899, Nr. 2, zur Anzeige brachte, vgl. auch 1901,
Nr. 26. Aber wie ist inzwischen dem Verf. das Material gewachsen.
Während sich die Untersuchung der Propheten-Eatenen wesentlich auf
römische Handschr. beschränken mufste, nennt das Begister der neuen
Arbeit 20 Städte mit etwa 240 Handschr., die untersucht wurden, von
Basel, Berlin, Brüssel, Eonstantinopel, bis Salamanka, Turin, Venedig,
^
Neue Philologiflche Bnndscban Nr. 8. 178
Wien, Zaragoza. Die Eatenen, d. h. die aneinander geb&ngten Exzerpte
ans den älteren Erklftrern der biblischen Bficher haben nicht &a sich
selbst Wert, sondern wegen der Bmchstficke ans sonst verlorenen Schriften,
die sie nns erhalten haben. Um sicher zn gehen, mnis das Verhältnis
der nns erhaltenen Handschr. zn einander genan nntersncht werden. Dies
ist in dem vorliegenden Heft für die im Titel genannten drei Schriften
mit der gröfsten Sorgfalt geschehen. Nnr hinsichtlich der Proverbien ist
dem Verf. entgangen, dafs die wichtigen Scholien des Origenes von Tischen-
dorf 1860 aus einer Patmoshandschr. des 10. Jahrh. in seiner NotiHa
Codicis Sinaüici veröffentlicht worden sind. An dieser Stelle ist ein
näheres Eingehen auf die far Theologen wichtige Schrift nicht nötig.
Mavlbronn. Eb. Nestle.
91) Albert MtUler, Das attische Btthnenweseni kurz dargesteUt.
Mit 21 Abbildungen. Qfltersloh, Bertelsmann, 1902. YII n.
117 S. 8. Jf 2.80.
Das griechische Bfihnenwesen — so könnte der Titel des vorL Bfich-
leins trotz der Beschränkung des 1. und 2. Kapitels auf Athen auch lauten —
einer auf den neueren Untersuchungen aufgebauten Behandlung zu unterwerfen,
war wohl niemand so geeignet als Albert Mfiller. Er, der Ver&sser des besten
Handbuches der Bühnenaltertümer, hat der Begründung dieser Disziplin
nahegestanden, er hat aber auch an dem Kampfe um den Ausbau derselben,
welcher in den letzten 15 Jahren tobte, in den vordersten Beihen teil-
genommen. Wer, wie er, die Fülle der durch diesen Kampf hervoigemfenen
Schriften kennt, weifs, wie es dem der Bühnenkunde femer stehenden Philo-
logen in dem Gewirre der widersprechenden Meinungen zu Mute ist, um
von den gebildeten Laien, soweit sie für das antike Theater Interesse haben,
gar nicht zu reden. Für diese Klarheit zu schaffen, dazu hat er das Büch-
lein geschrieben. Wenn man auch einwenden könnte, dafs gerade die
gegenwärtige Zeit für eine Art abschliefsender Behandlung nicht geeignet
sei, da gerade jetzt der Streit über die Bühnenfrage aufs neue heftig ent-
brannt sei, so mufs man bedenken, dafs ein Ende dieses Streites nicht
abzusehen ist. Klarheit der Anschauung aber, auch wenn sie sich nur
auf Vermutungen stützen sollte, ist vor allem für die Schule notwendig.
Daher ist auch an dem Büchlein neben der Vollständigkeit des In-
halts die leicht verständliche, klare und anziehende Behandlung aller ein-
schlägigen Fragen rühmend hervorzuheben. Dieser Vorzug ist ungleich
174 Neue Philologische Bundschaa Nr. 8.
wichtiger als die Frage, ob die oft an Stelle von sicheren Tatsachen vor-
zutragenden Meinangen auch die gröfste Wahrscheinlichkeit ffir sich haben.
Wenn der Bef. nun im folgenden gleichwohl die eine oder andere Vermutung
M.'s zurückweist, so geschieht dies nur, um zur Klärung der Sache bei-
zutragen. Gegenfiber den früheren Arbeiten M.'s ist ein grofser Fort-
schritt in der vorsichtigen, kritischen Behandlung des späteren schriftlichen
Quellenmateriales zu konstatieren, ein deutliches Zeichen des Einflusses
der Spezialuntersuchungen der letzten Jahre. Mit Nachdruck betont auch
M. wieder, dafs wir für die Kenntnis der Bühnenverhältnisse des 5. Jahr-
hunderts fast ausschliefslich auf die erhaltenen Dramen angewiesen sind.
Zu dem 1. Kapitel, in welchem unter der tJberschrifk „Die Ver-
waltung des Bühnenwesens^^ die Arten, die Vorbereitungen und der Ver-
lauf der Aufführungen in Athen behandelt werden, habe ich zu bemerken,
dals die Vermutung, Aischylos sei wohl als Schöpfer der trilogischen bezw.
tetralogischen Komposition zu bezeichnen, mir unwahrscheinlich vorkommt;
vielmehr glaube ich, dafs diese sich mit der Einsetzung des äydn^j tlie
doch wohl schon vor Aischylos erfolgte, und die dadurch notwendig ge-
wordene Zusammenziehung der Stücke eines Dichters von selbst ergab;
denn dalB die vorher auf drei oder mehrere Tage verteilten Auffuhrungen
in innerem Zusammenhang standen, ist bei dem damals völlig religiösen
Charakter der Spiele als sicher anzunehmen. Wie lange mag es gedauert
haben, bis sich diese von dem Mythos des Dionysos lösten! Bei Aischylos
liegt aber diese Tatsache vor, also haben wir eine lange Entwickelung
vor ihm anzusetzen. — Dafs in dem schwierigen 2. Kapitel „das Theater-
gebäude" es M. gelungen ist, dem Leser die verschiedenen Veränderungen
des Dionysostheaters klar zu machen, ist besonders hervorzuheben. Doch
wäre es vielleicht geratener gewesen, bei der Anführung der Gründe, welche
Furtwängler in der Frage der Entstehung des Dionysostheaters gegen
Dörpfeld geltend macht, ebenso kurz zu sein wie bei denen Puchsteins
(S. 36); denn die Sache ist noch nicht spruchreif. — In der Bühnenfrage
(3. Kap.) nimmt bekanntlich M. eine vermittelnde Stellung ein: er weist
den Schauspielern eine „schwerlich über Im" hohe Bühne zu, um einer-
seits das unzweifelhafte Zusammenspielen von Chor und Schauspielern zu
ermöglichen, anderseits das Auftauchen von Personen aus der Tiefe mit
den ebenso unzweifelhaft vorhandenen Andeutungen, aus denen das Er-
steigen einer Erhöhung durch Schauspieler oder den Chor klar wird, zu
verbinden. Ob sich diese Andeutungen aber auf einen besonderen Spiel-
^
Nene Ffailologische Bimdsobaa Nr. 8. 175
platz der Schauspieler oder auf die Orchestra beziehen, das ist eben die
ungelöste Frage. Es gereicht der von M. vertretenen Anschauung nicht
zur ünterstfitzung, dafs er die bekannte Stelle in Enrip. HeraUes, wo der
Chor über die Steilheit des Weges klagt, we^elassen hai Erkennt er
dieser Stelle weniger Beweiskraft zu, als der von ihm aus der Lysistrate
des Aristophanes angeführten? Hier hätte wenigstens die Ansicht Dörp-
felds und seiner Anhänger angeführt werden mfissen, wonach in dieser wie den
anderen Stellen auf den 2 m betragenden Niveauunterschied zwischen dem Erd-
boden und der Fläche der Orchestra angespielt werde. Ich verweise fibri-
gens noch auf eine, soviel ich sehe, bisher nicht beachtete Stelle in Eur.
Phoen. (V. 834 ff.), wo mir die Situation dieselbe zu sein scheint wie im
Jon (V. 725 ff.). Teiresias klagt hier, wie im Jon der Fädagog, fiber die
Anstrengungen des Weges: Phoen. V. 851 aiTtog hßaXwv d3o€ vergleiche
mit Jon V. 739 aiTtBiva toi fiovreia; Y. 847 erinnert der Vergleich mit
dem Wagen an Herakl. V. 120 ff. ; endlich scheinen in Y. 836 die Worte
Xevgdv nidov auf Aischylos' Hiket. V. 507 XevQÖv älaog^ worunter die
Orchestra zu verstehen ist, hinzuweisen. Danach glaube ich, dafs Teiresias
vor den Augen des Publikums, bevor er den Spielplatz erreicht, mfihsam
eine Erhöhung hinaufsteigt. Diese realistische Ausnfitzung der gegebenen
Verhältnisse ist echt euripideisch ; wer sie als eine blolse fingierte, sprach-
liche Ausschmfickung ansieht, der verkennt den Geist des Dichters. Anders
steht es mit der von M. (S. 56) aus der Ars poetica des Horaz angeführten
Stelle: „Aeschylus et modicis instravit pulpitum tignis'S diesen mufs ich
jede Beweiskraft absprechen.
Zum 4. Kapitel, „Die Elemente der Aufführung'^ möchte ich fiber
die Stellung des Chores während des Dialoges bemerken, dafs die Auf-
stellung in Halbchören höchst wahrscheinlich ist; darauf scheint der Ein-
zug des Chores in zwei Teilen von zwei verschiedenen Seiten in Eur.
Troades hinzuweisen und noch mehr der Umstand, dafs Personen in den
Dialogpartieen ohne weiteres die halben Chöre nach den beiden entgegen-
gesetzten Sichtungen dirigieren können, so in Soph. Aias und Eur. Elektra.
Auch mit der Aufstellung des yiOfvq)äiog in der 3. Botte scheint man dem
Zwecke der Teilung des Chores Bechnung getragen zu haben ; es war eben
dieser Platz der günstigste, wenn der in ^vyd aufgestellte, dem Publikum
zugewandte Chor durch eine Viertelschwenkung rückwärts jeder seiner beiden
Hälften um die äufseren Achsen die Stellung von Halbchören einnehmen
sollte, insofern der Chorführer bei einer Teilung der mittleren Botte nach
176 Nene Philologische Rnndschan Nr. 8.
Unks und rechts den Schauspielern zunächst kam und gleichsam frei wurde.
Auch die Wiedervereinigung der beiden Ghorhälften war so leicht mög-
lich. — Zu der Bemerkung (S. 101), dafs wir für das hellenistische
Theater aus Plautus ersehen, dals die im Hintergrund dargestellten Häuser
durch Gäfschen (angiportus, ctevamög) getrennt waren, um Schauspielern
zum Abgehen Baum zu gewähren, darf man woU nachtragen, dafs auch
in der Schlufsszene der Thesmophoriazusen ein solches Gäfschen vorhanden
zu sein scheint. Als der Skythe fragt, welchen W% sein entronnener
Gefangener eingeschlagen habe, antwortet der Chor, der ihn natfirlich irre
leiten will, V. 1223: 6q9^v Uvio dlome (seil, r^ 6d6v). Er mufs also
im Hintergrund verschwinden, in ein Haus kann er aber nicht eintreten. —
Was den 5. Abschnitt des 4. Kapitels betrifft, so gestehe ich gern,
dafs ich mich schon länger von der Irrigkeit meiner frfiheren Annahme,
das griechische Theater der klassischen Zeit habe den Gebrauch eines Vor-
hanges gekannt, fiberzeugt habe; das moderne Empfinden, welches in der
Tat die Quelle dieser Annahme war, glaube ich jetzt dem griech. Drama
gegenüber, los zu sein. —
Schliefslich darf nicht unerwähnt bleiben, dafs die beigegebenen Ab-
bildungen, welche sich bei dem bescheidenen Preise des Buchleins natfirlich
auf das Notwendige beschränken, die Anschauung wesentlich unterstfitzen.
Es kann daher jedem, der sich fiber den gegenwärtigen Stand der Buhnen-
kunde rasch und doch grfindlich unterrichten will, das Bfichlein aufs wärmste
empfohlen werden.
Schweinfart. K. Wellhmaan.
92) Stndies in Honor of Basil L. Gfldersleeve. Baltimore, The
Johns Hopkins Press, 1902. IX u. 517 S. gr. 8. S 6.—.
Der stattliche, auch äufserlich vornehm ausgestattete Band ist dem
verdienten amerikanischen Gelehrten, dessen Bildnis beigegeben ist, von
seinen Schfilem zum 70. Geburtstag dargebracht worden. Die FfiUe des
Inhaltes, die ein herrliches Zeugnis ablegt von den vielseitigen An-
regungen, die von dem Gefeierten ausgegangen sind, verbietet uns
leider auf die einzelnen Beiträge näher einzugehen, da sonst der zu Ge-
bote stehende Baum weit überschritten werden mfifste. Wir beschrän-
ken uns daher notgedrungen auf eine Inhaltsangabe. Gh. A. Briggs,
The Apostolic Oommission; W. F. Mustard, Homeric Echoes in Mat-
thew Arnold's 'Balder Dead'; W. H. Kirk, Ad Catull. XXX 4 — 5;
M. Bloomfield, The Symbolic Gods; N. L. Wilson, The üse of the
'>
Kene Philologische RnndBchan Nr. 8. 177
Simple for the GompouDd Verb in Persios; G. W. L. Johnson, The
Motion of the Voice in Connection with Accent and Accentual Arsis
and Thesis; E. G. Sihler, Augustus Princeps; Ch. A. Sa vage, The
Athenian in his Belations to the State; B. S. Radford, üse of the
Suffixes -änus and -Inas in forming Possessive Adjectives from Names of
Persons; Chr. Johnston, The Fall of the Assyrian Empire; H. C.
Eimer, ^Ne emisses', ^ne poposcisses' and Similar Expressions; G. J.
Laing, Notes on the Latin Verbs of Bating; E. H. Spieker, The
Pentapody in Greek Poetiy; G. L. Hendrickson, Horace and Lucilius:
A Study of Horace Serm. I 10; W. J. Alexander, The Aim and Be-
sults of Plato's Theaetetus; A. S. Haggett, On the Uses of the Pre-
positions in Homer; E. W. Fay, An Erroneous Phonetic Sequence; H. E.
Fairclough, The Connection between Music and Poetry in Early Greek
Literatare ; H. L. E b e 1 i n g , Some Statistics on the Order of Words in Greek ;
M. Carroll, The Athens of Aristopbanes; G. Lodge, On theTheoryof
thiS Ideal Gondition in Latin; J. W. Kern, On the Gase Gonstruction of
Verbs of Sight and Hearing in Greek; J. W. Basore, The ScenicValae
of the Miniatures in the Manuscripts of Terence; E. F. Smith, Papula
duplex; G. V. Edwards, ^Ingenium' in the Ablative of Quality and the
Genitive of Quality; M. C. Sutphen, Magic in Theokritos and Vergil;
A. T. Murray, The Interpretation of Euripides' Alcestis; B. B. Steele,
Chiasmus in the Epistles of Cicero, Seneca, Pliny and Fronte; F. G.
Allinson, On Causes Gontributory tho the Loss of the Optative etc. in
Later Greek; J. A. Ness, The Etymology and Meaning of the Sanskrit
Boot id; Th. B. Price, The Technic of Shakspere's Sonnets; 0. F.
Long, The Attitüde of Alcuin toward Vergil; D. A. Penick, Notes
on Lucian*s Syrian Goddess; E. M. Pease, The Greeting in the Lettres
of Cicero; W. A. Montgomery, Oration XI of Dio Chrysostomus.
A Study in Sources; E. B. Lease, The Use of ^atque' and'ac' in Silver
Latin; J. E. Harry, IndicativeQuestions with /u^ and Sqo fii^; B. J.Vos,
Bime-Parallelism in Old High German Verse; H. N. Sanders, Did
Euripides write awSfzvwv Hipp. 1276?; G. M. Bolling, The Participle
in Apollonius Bhodius; E. L. Green, IM^ forov before Lucian; J. A.
Scott, A Tragic Fragment of Jon; J. T. Lees, The Metaphor in
Aeschylus; G. W. E. Miller, The Belation of the Bhythm of Poetry
to that of the Spoken Language with especial reference to Ancient Greek.
Br. W.
178 Ifeue Philologische Rundschau Nr. 8.
93) Hollister Adelbert Haxnilton, The negative Compounds
in Oreek, Doktordissertation von Baltimore. Baltimore, John
Murphy Company Printers, 1899. 62 S. 8.
Die Schrift Hamiltons liefert einen schätzbaren Beitrag zur Lehre
von der griechischen Wortkomposition, schätzbar, weil der Verf. den auf-
geschlossenen Sinn för das Individuelle der Spracherscheinungen besitzt,
der aller Sprachforschung A und 0 ist. An der Oberfläche hält sich die
indogermanistische Behandlung des verneinenden Präfixes (S. 6 — 15); die
Kenntnis der sprachwissenschaftlichen Literatur leidet an Lücken: die
Dehnungen in dd^dvatog und in ijvefiöeig konnten nicht in Parallele gestellt
werden, wenn Schulzes Quaestiones epicae bekannt waren; Wackernagels
(nicht erwähntes) Dehnungsgesetz macht uns vijvefiog verständlich. Ffir
ävdedvog ist nicht Verdoppelung des Präfixes anzunehmen; sie hat kein
Beispiel an dvadfifiogog, d. h. „arg unglücklich". Man denke an eine
Variante *aBdvov, die neben iedvov steht wie neben eigari im Kretischen
äegaa (Hesych). ve^raq ist kaum semitisches Lehnwort (S. 12), sondern
stellt sich, aus ^v^ytaQ entstanden, zu vd}yah>v „Leckerei". Die
Abnormität axio) „mifsachte" (S. 19) scheint mir dem homerischen Vor-
bild atita) nachgeschaflfen ; wiewohl in Wirklichkeit ätit,o} von ütLTog
ableitet wie dTctviaato von äjtiwtog, empfand das Sprachgefühl darin
einen mit a privativum verbundenen Verbalstamm -rt^-. Ein Gesichtspunkt,
der nach einer Anregung der Wundtschen Völkerpsychologie (I, 1 S. 619)
vielleicht für künftige Darstellungen der Komposition noch fruchtbar werden
kann, wird S. 17 berührt. Wortzusammensetzung wie Satzaufbau wird
vom Gesetz der binären Gliederung beherrscht. Damit also ein ä-fivtjaL'
%or/.im dv-e^kyyvog d-lMGut^hfig a-tfBqknovog aufkommen konnte, mufste
zuvor [ivtfvmytAo} etc. zur Verschmelzung eines einheitlichen Begriffs ge-
diehen sein: wodurch uns ein wertvolles psychologisches Datum geliefert
ist. Mit Anerkennung sind unter H.s neun Kapiteln zu erwähnen VI
(Ersatzmittel der negativen Gomposita), VII (Semasiologie) und nament-
lich VIII (die n. C. als Stilelement). Eine zahlenmäfsige Übersicht über
die Verbreitung des Typus zum Schlufs lehrt, obgleich nicht zuverlässig
genug, manches. Im übrigen ist zur Lektüre der flüssig geschriebenen
Arbeit zu raten.
Hannover. Biigo Ehrlioh.
^-^
Nene Philologlsohe BnndBcban Nr. 8. 179
94) Ernst Fabridus, Die Entstehung der römischen Limes-
anlagen in Deutschland. Vortrag. Mit einer Tafel. Trier,
Jacob Lintz, 1902. 18 S. gr. 8. JL —.80.
Nachdem die Arbeiten der Beichs-^Limeskommission in der Haupt-
sache abgeschlossen sind, konnte der Versuch gemacht werden, ein fiber-
sichtliches Gesamtbild der ffir die Geschichte der Bömerherrschaft in
unserem Vaterlande so bedeutsamen Anlage der Beichsgrenze zu ent-
} werfen. Dafs der Verf. der vorliegenden Abhandlung seine zunächst vor
einer Versammlung berufener Fachmänner gegebenen Mitteilungen hier
' weiteren Kreisen zugänglich macht, darf bei dem immer noch wachsen-
den und allgemeiner werdenden Interesse für diese Untersuchungen mit
Dank anerkannt werden. Wenngleich die Arbeit nicht den Zweck haben
kann, irgend neue Ergebnisse der Forschung vorzufahren, so ist doch auch
die Zusammenfassung der Einzelforschung, die Auswahl und Deutung
charakteristischer Erscheinungen und die Feststellung ihres Zusammen-
hanges mit der Überlieferung der Geschichte von wissenschaftlichem Werte.
Wer sich daher, ohne die Arbeiten der Forscher verfolgt zu haben, aber
I die Limesfr^e im allgemeinen und fiber die Bedeutung der ganzen An-
lage unterrichten will, wird hier einen bequemen und zuverlässigen Ffihrer
finden. Trotz des engen Bahmens bringt Verf. doch ziemlich viel. Er
weils die Verschiedenheit der Erscheinungen auf die wechselnde Beichs-
politik im grofsen zurfickzufuhren , die bald militärische bald administra-
tive Zwecke mit der gewaltigen, 550 km umfassenden Anlage verfolgte.
Und so lernt man, wenigstens in grofsen Umrissen, aus der an mehreren
Stellen zwiefach erscheinenden Limeslinie, aus den von Zerstörung und
Wiedererrichtung zeugenden Erd- und Steinkastellen, aus dem alten Grenz-
weg des Domitian, der unter sorgfältiger Berücksichtigung des Geländes
zumeist über die Höhen und die äufseren Abhänge der Gebirge hinweg
gelegt war, aus dem später seit Hadrian oft „mit brutaler Verachtung
des Geländes kerzengerade über Berg und Tal*' gezogenen Limes mit
seinem Falisadenzaun an der Aufsenseite und seinen in regelmäfsigen
Abständen stehenden Kastellen, einer Linie, die vorwiegend für Verwal-
tungszwecke geeignet war — kurz aus allen eigentümlichen Einzelerschei-
nungen lernt man die Bedeutung der gesamten Anlage und ihre Ent-
stehung und Geschichte verstehen, erkennt auch die zeitweilige Bückkehr
zum Domitianischen System (unter Marc Aurel) und die mancherlei Wechsel-
ßlle bis zu der Katastrophe des Jahres 259 oder 260, das sich aus den
180 Nene Philologische Bundschan Nr. 8.
Fandstücken des Eastelles von Niederbieber (bei Neuwied) feststellen labt
und Aber das hinaus kein zuverlässiges Zeugnis des Limes fflhrt: Der
Bhein wird Beichsgrenze. — Der beigefügten Karte liegt das soeben von
der Beichs-Limeskommission für ihre Zwecke hergestellte Glicht zu gründe;
schon deshalb darf sie als völlig zuverlässig und genau betrachtet werden.
Hanau. O. Waokermana.
95) J. Asbaoh, Zur Oeschichte und Kultur der römischen
Bheinlande. Mit einer Karte. Berlin, Weidmannsche Buch-
handlung, 1902. YIII U. 68 S. 8. steif geh. Ji 1.80.
Diese für jeden Qeschichts- und Altertumsfreund interessante und
lehrreiche, aber zur bequemen Orientierung auch für den Fachmann be-
achtenswerte Schrift gibt für ein räumlich abgegrenztes Qebiet eine Zu-
sammenstellung der gesicherten Besultate der Einzelforschung, ein an-
sprechendes Gesamtbild der Entwickelung der keltischen, germanischen,
römischen Besiedelungen und der auf ihrem Boden erwachsenden Kultur
im Bheintale von Mainz bis Njmwegen, und zwar vorwiegend der linken
Bheinseite, auf der ja auch die wichtigen Mittelpunkte der Kultur liegen.
Verf. behandelt die gallisch -römische Mischkultur in diesen Gegenden,
den Götter- und Totenkult, auch die Kunst- und Gewerbtätigkeit, den
Häuserbau, der in den Städten und reichen Landhäusern italischen Mustern
folgte, die Glasfabrikation, die schon vor den Bömern hier heimische Ke-
ramik, die Tracht, von der die Bömer das keltische Sagum entnommen
haben, den Anbau und die Fruchtarten, und kommt zu dem Schlüsse:
„Die üfergelände des Bheins, die Täler des Mains und Neckars, der Mosel
und Saar, das Maifeld, die Ebene bei Düren und Jülich, die Eifel in ihrer
ganzen Ausdehnung sind ein alter Kulturboden, den Kelten, Germanen
und Bömer um die Wette urbar gemacht haben.*' Eine besondere Be-
trachtung hat Verf. der Augusta Treverorum und noch eingehender nachher
der Golonia Agrippinensis gewidmet. Trier war Industriestadt, aber vor
allem Luxusstadt. Die antike Stadtumwallung umschliefst eine Fläche,
die das mittelalterliche Trier um mehr als das Doppelte übertraf. Dem
Nordtor, der frühestens aus dem 2. Jahrh. stammenden Porta Nigra, ent-
spricht ein Südtor, dessen Fundamente ähnlichen Aufbau, Material und
Technik erkennen lassen. Acht Hauptheerstrafsen gingen von dem wich-
tigen Mittelpunkte aus ins Land, nach Andernach, Koblenz, Boppard, nach
Bingen und Mainz, nach Strafsburg, nach Metz redits und links der Mosel,
^
Nene Philologuielid RnndiehMi Nr. 8. 181
nach BeimB, nach Köln, letztere in ihrer Anhige hinaufreichend in die Zeit,
wo Augnstns und M. Agrippa gemeinsam die Verwaltung des Westens
organisierten. Nicht minder bewundernswert sind die Wasserleitungen, die
das frische Qebirgswasser der Eifel an die Stationen am Bhein flUirten
und deren Anlagen gewissenhaftes Nivellement und Kenntnis und Erfährung
in der Hydrostatik voraussetzen. Noch eingehender wie Trier und seine
Umgebung wird die Entstehung und Bedeutung des römischen Köln dar-
gestellt, wobei im wesentlichen die gesicherten Resultate verwertet wer-
den, die in der bedeutenden Arbeit von E. Schnitze und G. Steuemagel
niedergelegt sind, einer Arbeit, die nebst einer Erörterung der historischen
Voraussetzungen von H. Nissen der 43. Versammlung deutscher Philologen und
Schulmänner (1895) gewidmet wurde. Mit diesen Mitteilungen hat Verf.
selbst in fibersichtlicher und zusammenhängender Weise die geschichtlichen
Vorgänge verknfipft, von dem Zeitpunkte an, wo die Ära bei der übierstadt
emrichtet wurde: die Erhebung zur Kolonie, den Hergang der Stadt-
grfindung, Feststellung des ümfEinges und der Einwohnerzahl und die
späteren Schicksale bis zum Einfalle der Franken. Steine und .andere
Spuren sind genug vorhanden, die dem spätgekommenen Historiker er-
lauben, sich ein Bild von der grolton Orenzfestung zu machen. Neuis,
Vetera, Amheim, Nym wegen und eine Reihe Zwischenkastelle zeigen das
Festhalten des linken Ufers, und wenn auch auf dem rechten die weit
vorgeschobenen von den Germanen gründlich zerstört wurden, so fühlten
die Römer sich doch sicher im Besitze des Rheins; er war rechts und
links von ihren Kastellen beherrscht, von ihren Brficken fiberspannt, von
ihren Flotten befahren. Auch in den rechtsrheinischen Gegenden ent-
wickelte sich in den ersten Jahrhunderten innerhalb der seit Domitian
begonnenen Zoll- und Militärgrenze eine lebhafte Kultur, die nicht mit
dem Falle des Limes verloren ging. Auch die Entstehung von Andernach,
ürmitz, Koblenz, Mainz finden Berficksichtigung, letzteres der starke
Schlufsstein in dem grofsen Verteidigungssystem, noch von Julian und
Valentinian als Stfitzpunkt ihrer Unternehmungen benutzt — Eine Abbildung
der Porta Nigra steht an der Spitze des Textes, eine solche der Igeler
Säule am Schlüsse. Eine Zeittafel (von 2000 v. Chr. bis 413 n. Chr. —
Ausbreitung der Franken im linksrheinischen Lande —^reichend), wie sie
Asbach in einer fDr den Leser so bequemen Weise auch sonst historischen
Schriften beiffigt, schliefst das ansprechende Bfichlein. Die beigegebene
Karte zeigt allerdings, dem Inhalte der Schrift entsprechend, vornehmlich
182 Neue Philologische Bandschan Nr. 8.
die linke Bheinseite; rechts ist aofser den Flofsrnfindangen fast nur der
Limes (bis zum Main) eingezeichnet.
Hanau. 0. Waokemiami.
96) 0. Weifsenfels, Eemfiragen des höheren ünteirichts. Neue
Folge. Berlin,B. GaertnersVerlagsbuchhandlung, 1903. IV u. 379 S. 8.
Die Arbeit, welche dieselbe warme Empfehlung verdient wie die
früher vom ßef. in der „N. phil. Bundschau" 1901, S. 276—278 an-
gezeigten Weifsenfelsschen „Kernfragen 'S besteht aus zehn Kapiteln, unter
denen nicht nur die vier ersten wegen ihrer grundlegenden Bedeutung,
sondern auch die sechs anderen infolge ihrer geschickten Übertragung der
in jenen aufgestellten Qrundsätze auf praktische Fälle allgemeine Beach-
tung beanspruchen können.
Alle Ausfährungen des Verf. gipfeln in dem gerade in unserer Zeit
der unterrichtlichen Zersplitterung besonders beherzigenswerten Grundsatze,
dafs jedes Lehren in philosophischem Geiste erfolgen müsse, wenn es nicht
erfo^los bleiben oder selbst zur Verdummung führen solle.
In Nr. 1: „Das Inkommensurable des Unterrichtsproblems" beweist
Verf., dafs die Philosophie dem nach Gewinnung richtiger pädagogischer
Grundlagen strebenden Lehrer den gesunden Mittelweg zwischen der ein-
seitigen Fachwissenschaft und den gewöhnlichen Ansprüchen des prak-
tischen Lebens zeigt. Besonders wichtig und umfangreich sind Nr. 2:
„Die Philosophie auf dem Gymnasium" und Nr. 3: „Der Bildungswert
der Poesie." Letzteres Kapitel bietet infolge eines Zufalles einige An-
klänge an: „W. Münch, Poesie und Erziehung." Neue Folge vermischter
Aufsätze, S. 122 — 146 und an: „A.Biese, Pädagogik und Poesie." Ver-
mischte Aufsätze, ist aber doch als ganz selbständige Leistung zu be-
trachten und fördert den Gegenstand nicht unwesentlich.
In Nr. 3 erklärt Verf. zutreffend die oft so unfruchtbar betriebene
philosophische Popädeutik für entbehrlich, vorausgesetzt, dafs man alles
Unterrichten den Weg zum Philosophischen nehmen lasse, wie auch
A. Fouille, ,iLa räforme de l'enseignement par la Philosophie 'S fordere.
Nr. 4: „Die philosophischen Elemente unserer klassischen Literaturperiode
nach ihrer Verwendbarkeit für die Schule" empfiehlt Lessing und nament-
lich Schiller als Philosophen für den Lernenden und wünscht mit Recht,
dafs, wenn möglich, Schillers ästhetisch -moralische Abhandlungen in den
Schulen gelesen und erklärt würden. In Nr. 5: „Die Bedeutung von
^
Nene Philologiscbe Bandscbau Nr. 8. 183
Ciceros rhetorischen Schriften för die Schule*' wird der Orator scharf-
sinnig als sehr geeignet för das Gymnasium bezeichnet, dagegen der Brutus
so gut wie gar nicht empfohlen. In Nr. 6 verwirft Weifsenfeis mit
Becht die Verherrlichung, welche G. Boissier den Briefen Ciceros an-
gedeihen läfst, aber auch g^en Aly und Bardt ihre Schullekture über-
haupt, bezeichnet in Nr. 7, S. 290/91 die Synonymik als geeignetste
philosophische Popädeutik und tadelt in Nr. 8, S. 323 mit guten Gründen
das auf Schule und Universität grofsgezogene Bemühen, im Horaz überall
strenge Dispositionen finden zu wollen, wobei er eine beachtenswerte Kritik
an G. Leuchtenbergers sonst tüchtigem Buche: „Die Oden des Horaz fdr
den Schulgebrauch disponiert *' übt. Nr. 9 entwickelt in einer Bepetition
geschickt den Begriff der Urbanität aus Hör. ep. I, 7, wobei Verf. S. 325
der Reproduktion des Gelesenen in Prima eine weit gröfsere Bedeutung
beilegt als dem Lesen selbst. S. 379, also am Schlüsse des 10. Kapitels
und des ganzen Buches, finden wir das gesunde Urteil ausgesprochen, dals
die Ästhetik des Horaz stets auf dem festen Grunde des wirklich einer
Erörterung Fähigen und Bedürftigen beharre.
Wollstein. Karl LSsohhom.
97) H. Enauth, Lateinisches Übungsbuch für Sekunda
im Anschlufs an die Lektüre nebst stilistischem Anhang und
Wörterverzeichnis. II. Abteilung. Für Obersekunda. Berlin,
Weidmannsche Buchhandlung, 1903. 128 S. 8. Ji 1.60.
Das Buch zeigt dieselben Vorzüge, wie das für Untersekunda, das
kürzlich hier angezeigt ist. Besondere Bücksicht ist in diesem Teile der
Stilistik gewidmet. Das wesentliche aus diesem Gebiete ist in 50 Regeln
zusammengefafst, welche einen Anbang bilden. Der Einübung dieser Re-
geln dienen teils Einzelsätze, teils zusammenhängende Stücke. Letztere
lehnen sich sämtlich an die Klassenlektüre an (Livius III Dekade und
Sallust lugurtha) und sind so gehalten, dafs sie diese ergänzen und ver-
tiefen. Den Schlufs des Buches bildet ein sehr reichhaltiges Wörterverzeichnis.
Bedauerlich ist, dafs der Verf. auch in diesem Teile unter die ein-
zelnen Textseiten zahlreiche Anmerkungen gesetzt hat, die dem Schüler
die Arbeit allzusehr erleichtern. Braucht man wirklich einem Ober-
sekundaner die Ausdrücke für „Wohlfahrt ^S „es ist allgemein bekannt*',
„der Beiname der Gerechte 'S „lassen'', „ohne zu", „vollends", „zu hoch
als dafs" u. s. w. anzugeben? Für noch bedenklicher halte ich es, wenn
164 Keae Philologisclie Enndschan Nr. 8.
in den Anmerkungen das wiederholt wird, was aus den Begeln des An-
hanges gelernt ist und fester Besitz sein soll (z. B. St. 2,16. 34,1). Auch
Anmerkungen wie die St. 2,6 u. 7 sind nicht zu billigen, da sie den
Schüler zu Gedankenlosigkeit verleiten; wenn im Anhange „Leser qui
legit'^ gelernt ist, mufs jeder Schüler durch eigenes Nachdenken die rieh*
tige Übersetzung für „jeder aufmerksame Leser '^ finden. Der Druck ist
sehr korrekt, mir ist nur auf S. 100 forsitan vituperat aufgefiJlen.
Potsdam. E. Krause.
Viktor Thumaer, Schule und Haus. Populäre Vorträge, ge-
halten an den Elternabenden der E. E. Mariahilfer Gymnasiums
in Wien. Unter Mitwirkung der Professoren Dr. Friedrich
Umlauft, Ferdinand Drefsler, Emanuel Feichtinger
und Dr. Earl Haas. Wien u. Leipzig, Franz Deuticke, 1902.
88 S. gr. 8. Ji 1.80.
In Nr. 21 dieses Blattes vom 18. Oktober 1902 sind drei Vorträge
Yon Viktor Thumser, dem Direktor des E. E. Mariahilfer Gymnasiums
in Wien, welche unter dem Gesamttitel „Erziehung und Unterrichte^ im
Jahre 1901 erschienen waren, angezeigt worden; sie hatten den Zweck
verfolgt, eine nähere Beziehung zwischen der Schule und dem Elternhause
herzustellen, und dieser Absicht zunächst mit allgemeineren Erörterungen
zu dienen gesucht. Jetzt sind nun in dem in der Überschrift genannten
Hefte fQnf weitere Vorträge vom Direktor und vier Professoren desselben
Gymnasiums veröffentlicht worden, in denen der erwähnte Zweck weiter
verfolgt und eine speziellere Verständigung über einzelne Fragen der Er-
ziehung und des Unterrichts ins Werk gesetzt worden ist; die Themata
der fünf Vorträge sind: Die Sprechstunde, die Benutzung der Landkarte
f&r den Schulunterricht und das häusliche Studium, Belohnung und Strafe
als Erziehungsmittel, über den Nutzen der klassischen Sprachen für das
Studium modemer Sprachen, die Poesie in der Schule; sie sind an fünf
Sonnabenden vom 23. November 1901 bis zum 10. Mai 1902 gehalten
worden. Aus ihnen allen spricht dieselbe vornehme und verständige Auf-
fassung der in Frage kommenden Aufgaben, welche dem ganzen Unter-
nehmen zu Grunde liegt; darum werden sie gewifs ihren nächsten Zweck
vortrefflich erfüllt haben und verdienen nicht minder auch in weiteren
Ereisen beherzigt zu werden.
Bremen. Edn. Frltse.
/^
^
Nene Fhilolog^he Bondiehaa Nr. B. 186
99) Georges Felliflsier, TrioB de riuBtoire de la littöratiure
£raii9ai8e. niustr^ de 85 portndts. Paris, Delagrave, o. J.
(1902). 556 S. 8.
Der vorliegende Band ist von einem Pariser Schulmann fOr Schfiler
höherer französischer Staatslehranstalten (Lyc^s) geschrieben. Auf diesen
Schulen ist ähnlich wie bei uns die Geschichte der heimischen Literatur
ünterrichtsgegenstand, und es fehlen infolgedessen entsprechende Bücher
nicht; zum Teil sind sie aber reichlich umfangreich, wie etwa Lansons
vortreffliches Werk; andere wieder sind für die in geistlichen Händen
befindlichen höheren Schulen bestimmt und demgemäfs gefärbt. Diese
Umstände haben Pellissier, der sich als Literarhistoriker schon mehrfach
bekannt gemacht hat, zur Abfassung dieses „Abrisses'* veranlalst. Wenn
der Band immerhin noch recht kräftig ausgefallen ist, so liegt das, ganz
abgesehen von dem gewaltigen Stoff, schon daran, dafs der Verf. ein Buch hat
schaffen wollen, in welchem die Schfiler der oberen Klassen die im Unterricht
behandelten Partieen der französischen Literaturgeschichte fQr sich wirk-
lich nachlesen können. Es gibt ja eine Art von „Abrissen'', welche
aufser Namen und Daten nur knappe und deshalb leicht schiefe literarische
Urteile enthalten. Solche apodiktischen Aussprfiche eignet sich der junge,
unerfahrene Leser nur zu gern unkontrolliert an, da er meint, nun mit-
reden zu können. Diese gefährliche Bfichergattung hat Pellissier glfick-
licherweise nicht vermehrt, sondern ein wirkliches Lesebuch fQr ältere
Schfiler schaffen wollen, das dementsprechend nicht nur unter literar-
historischem, sondern auch unter pädagogischem Gesichtspunkt zu be-
trachten ist.
Der Stoff wird dem Leser in sechs Abschnitten fiberliefert: der erste
zeigt in der Behandlung der altfranzösischen Zeit eine dem Zweck des
Buches entsprechende knappe Passung , ohne dadurch an Anschaulichkeit
zu verlieren. Ähnlich wird im zweiten Abschnitt das 16. Jahrb. vor-
gefahrt. Die klassische Epoche der französischen Literatur ist natfirlich
bedeutend weiteren Um⩾̸ der ihr gewidmete Abschnitt nimmt mehr
als den dritten Teil des Buches ein. Ihr gegenfiber wird das 18. Jahrh
kurz, aber durchaus nicht stiefmfitterlich behandelt, so dafs der Charakter
der Zeit plastisch herausgearbeitet erscheint. Das 19. Jahrh. umfiafst den-
selben Baum wie das 17. und wird vom Verf. in zwei Abschnitten ge-
schildert, von denen der eine (ffinfte) dem Bomantizismus , der andere
(sechste) dem Naturalismus gewidmet ist. Die einzelnen Kapitel, in die
18& Nene Phüologisehe Rnndschaii Nr. 8.
jeder Abschnitt zerfällt, werden durch instruktive, kurze Inhaltsangaben
eingeleitet und geben am Schlufs stets eine Zusammenstellung solcher
Literatur, wie sie sich ein lese- und lernbegieriger Benutzer des Buches
leicht verschaffen kann, eine wirklich lobenswerte und in diesem Falle auch
sachkundig verfafste Beigabe. Gut gemeint sind auch die technisch ziemlich
kfimmerlichen, im Text verstreuten kleinen Porträts von 85 Schriftstellern.
Ist so die allgemeine Behandlung und Verteilung des Stoffes lobens-
wert, seine Darbietung pädagogisch durchdacht, so kann man auch den
einzelnen literarischen Urteilen desVerf* die Zustimmung nicht versagen.
Das Gesamturteil fiber sein Buch kann daher nur gfinstig ausfeilen. Wenn
er in der Vorrede sagt: mon objet principal a 6t6 d*^crire un livre clair,
suivi, m^thodique, so hat er seine Absicht vollauf erreicht.
Peine. K. Frieslaad.
100/101) Ferdne. Far Henry C^r^ville. Allein berechtigte Schulansgabe
von M. V. Metzsch. Vierte von E. Wasserzieher verbesserte
Auflage. I. Teil: Text, VI u. 166 S. II. Teil: Anmerkungen
und Wörterbuch, 45 S. Leipzig, Gerhard, 1902. 8.
^ 1.50 u. «/^ — .25.
— Strasbom^. Far Panl et Victor Hargneritte. F&r das
ganze deutsche Sprachgebiet allein berechtigte Schulausgabe von
E. Wasserzieher. I. Teil: Text, V u. 128 S. IL Teil: An-
merkungen und Wörterbuch, 48 S. Leipzig, Gerhard, 1903. 8.
An guten Sammlungen französischer Schulausgaben ist gegenwärtig
kein Mangel mehr, so dafs neue eigentlich kaum einem „lange gefühlten
Bedfirfnisse^' abzuhelfen brauchen. Die Gerhardsche Sammlung aber scheint
sich von anderen dadurch unterscheiden und auszeichnen zu wollen, dafe
sie bisher noch in keinen anderen Sammlungen veröffentlichte Werke zeit-
genössischer Autoren als Schulausgaben bietet. Das ist dankenswert, zu-
mal der Verlag ffir einzelne seiner Ausgaben diese Berechtigung nur
„unter namhaften Opfern'' hat erwerben können. Da auch der Name des
Herausg., Dir. Dr. Wasserzieher, der seit 1891 dieBedaktion übernommen
hat, Gutes verbürgt, so ist dem Unternehmen der beste Erfolg zu wünschen.
Was die beiden vorliegenden Bändchen anbetrifft, so enthält das erste
(Nr. 5), das die unter dem Fseudonym Henry Gr^viUe schreibende Schrift-
stellerin Durand-FIeury zur Ver&sserin hat, in leichter Sprache und fesseln-
der Form die Schicksale eines mutterlosen jungen Mädchens in Faris; es
^
^
Neae FfailologiB^e BundicliAii Nr. 8. 187
dfirfte dch darum auch wohl mehr Ar Mädchen- als fBr Enabenschulen
eignen. — Das zweite (Nr. 10), deren Verfasser die Söhne des bei Sedan
gefallenen französischen Generals Margueritte sind, ist ein Auszug aus dem
dritten Teile ihres 1896 erschienenen grofsen Werkes f,üne Epoque^S einer
Schilderung des Krieges von 1870/71 in der Form eines Bomans, und
enthält „ im Bahmen einer Familien- und Herzensgeschichte ein anschau-
liches, dramatisch -bewegtes, ergreifendes Gemälde der Belagerung von
Strafsburg durch die deutschen Truppen" (S. iv). Es ist nach Sprache
und Inhalt weniger leicht und darum nur fDr reifere Schfiler geeignet
Die Anmerkungen scheinen mir, besonders fDr Nr. 5, in der Über-
setzung manchmal etwas zu weit zu gehen. Der Druck ist korrekt; nur
in Nr. 5 ist mir gleich auf S. 1, Z. 16 aufge&llen: „comment eile le
sons" (statt commeni eUes sont?).
Dt. Wihnersdorf. Pr. Biomo.
102) SachB-Villatte, Encyklopftdisches Franzödsch-DeutBeheB
und Deutsch- Französisches Wdrterbnch. (Auszug aus
der grofsen Ausgabe.) Neue Bearbeitung. Berlin, Langenscheidt,
1900. 866 u. 1160 S. zu 3 Sp. Beide Teile in einem Band.
geb. ^ 15. — .
Konnte man schon bisher unbedenklich den kleinen Sachs als das
fQr die Schule geeignetste und f&r die meisten Zwecke des ti^lichen Le-
bens ausreichende Wörterbuch empfehlen, so gilt dies mit noch mehr
Recht von der neuen Bearbeitung, zu der sich die Verlagsbuchhandlung
nach langem Warten entschlossen hat, und die seit 1900 fertig vorliegt.
Bei der Oelegenheit sind alle Artikel einer sorgfältigen Durchsicht unter-
zogen worden; viel Neues ist hinzugekommen; manche Ausdrücke sind durch
passendere ersetzt worden.
Einen wesentlichen Fortschritt hat der Verleger in der typographi-
schen Ausstattung erzielt, indem die etwas kleinen Buchstaben der alten
Auflage durch gröfsere ersetzt worden sind. Die vorzfiglich fibersichtliche
Anordnung des Stoffes, wodurch sich schon frflher das Wörterbuch vorteilhaft
vor allen andern auszeichnete, ist dieselbe geblieben, und so kann man den
neuen Sachs als eine vorbildliche lexikographische Leistung bezeichnen.
Nicht recht befreunden kann sich ein Neuphilologe freilich mit den
phonetischen Zeichen von Toussaint-Langenscheidt (fd^ als Lautzeichen!);
iadessen mufste in dieser Beziehung wohl Bficksicht auf phonetisch nicht
geschulte Leser genommen werden.
188 Neue PhUologuiohd Bondflehan Nr. S.
Warum erscheint nun auch nicht bald der grofse Sachs in neuer
Bearbeitung?
Bremen. W. BShrs.
103/104) Arthur Zapp^^The natural method for teaching foreign
languages. English. First bock. Berlin, Carl Duncber,
1901. Vin u. 98 S. Ji 2.26.
Arthur Zapp, Höthode naturelle pour Tenseignement
des langues ötrangeres. Fraufais. Premier livre. Berlin,
Carl Duncker, 1902. Vm u. 132 S. ^ 2.50.
Beide Bücher stellen sich in den Dienst der direkten Methode, also
deijenigen, die unter völligem Verzicht auf die Muttersprache des Schfilers
von der ersten Stunde an nur mit der fremden Sprache arbeitet und auch
den Schüler nur dieser sich bedienen läfst.
Der Lehrer stützt sich dabei zunächst auf die direkte oder indirekte
Anschauung. Am Anfang jeder Lektion, deren das englische Buch 30,
das französische 32 zählt, ist das einzuübende lexikalische und gramma-
tische Material zusammengestellt. Dann folgen Fragen, auf die der Lehrer
zuerst selbst die Antwort gibt, um sie dann vom Schüler wiederholen zu
lassen; bei weiterer Forsetzung dieser Fragen erfolgen die Antworten auch
bald selbständig vom Schüler. So heifst es z. B. in der zweiten Lektion
des englischen Lehrbuchs:
What is this? It is the coat.
What is this? It is the waistcoat.
Is this the coat? No, it is not, it is the dress.
Is this the necktie? Tes, it is,
Oder im französischen Teile in Lektion 8, wo es sich um die Einübung
der persönlichen Fürwörter handelt:
A qui est ce crayon? II est ä moi, c'est le mien.
A qui est ce livre? £st-il ä moi? Non il n'est pas ä moi,
il est ä vous, M. A; c*est le vötre.
Ce livre est-il ä nous? Non, il est ä lui etc.
So wird die regelmäfsige und unregelmäfsige Formenlehre in Frage und
Antwort durchgearbeitet. In ähnlicher Weise wird bekanntlich von Ber-
litz, Sauveur, Stern verfahren, die der Verf. selbst in seinem Vorwort
erwähnt; aber auch in den Frankfurter Anstalten und auch von manchem
Lehrer anderer Schulen wird gelegentlich so unterrichtet, und es ist auch
gewifs nicht zu bezweifeln, dafs diese Methode bei gewissen Kapiteln der
^
l^ene t^hüologigche ftiuidsehaii Kr. 8.
Grammatik zu guten Erfolgen f&hren kann. Das Bedenkliche scheint mir
nur in ihrer ausschlief slichen Anwendung zu liegen. Nach des Verf.
Vorschlag soll aber an gewissen Anstalten der ganze Unterricht in diesem
Frage- und Antwortspiel, wie er selbst die ganze Methode bezeichnet,
bestehen. Das mag an einzelnen Frivatanstalten rein praktischen Charak-
ters, wo der Zweck des Sprachunterrichts lediglich auf die Fähigkeit sich
in der Fremdsprache verständigen zu können, hinausläuft, wohl seine
Berechtigung haben; aber an höheren öffentlichen Anstalten mufs doch
noch allerlei anderes nebenher betrieben werden, und daher empfiehlt wohl der
Verf. am SchluDs seines Vorworts selbst sein Buch ffir besondere an
solchen Anstalten abzuhaltende Konversationsstunden. „Abwechslung ist
der Beiz des Lebens", das gilt auch vom Sprachunterricht. Die Gefahr
des ledernen und geisttötenden Unterrichts besteht bei der direkten Me-
thode nicht minder als bei der rein grammatisierenden und Übersetzungs-
methode, der ich durchaus nicht das Wort reden will. Anderseits aber
vermögen wir nichts Verdienstliches und Nachahmenswertes darin zu er-
blicken, wenn die fremdsprachlichen Stunden, wie der Verf. in einem
Begleitwort sagt, zu „Flauderstündchen" und der Unterricht zu einer
„angenehmen Zerstreuung" wird. Das mag ja gelegentlich einmal so sein,
aber wenn es die Begel werden sollte, so dürfte das mit dem Ernst der
Arbeit, der unsere deutschen Schulen doch sonst charakterisiert, nicht
recht stimmen. Der Verf. hat auch wohl mit diesen Worten nur auf die
Leichtigkeit hinweisen wollen, mit welcher die direkte Methode Kenntnisse
vermitteln kann; und für manche Fälle hat er darin gewifs recht.
Dafs Sprechübungen verschiedensten Inhalts in ausgedehntem Mafse be-
trieben werden müssen, wird jetzt jeder anerkennen, aber neben dieser mehr
materiellen Seite des Unterrichts mufs auch seine wissenschaftliche zur Geltung
kommen, und wenn dabei gelegentlich etwas theoretisiert und durch Ver-
gleiche mit der eigenen und anderen Sprachen die Denkfähigkeit der Schüler
geschärft wird, so werden ihre Eltern darüber wohl nicht ungehalten sein.
Dessau. Bahrs.
105) Ludwig Sütterlin, Das Wesen der spraöhlichen Gebilde.
Kritische Bemerkungen zu Wilhelm Wundts Sprachpsychologie.
Heidelberg, Carl Winter, 1902. VII u. 192 S. 8.
Als Wilhelm Wundts grofses Werk über Völkerpsychologie an-
gekündigt wurde, da hatte man wohl allgemein das Gefühl, dafs es
190 Keae Philologiiche Bnndachan Nr. 8.
zum AbBchlofs der Lebensarbeit des grofsen Psychologen gehörte, das
psychische Wesen des Menschen auch in seinen Erscheinungen auf dem
Gebiete der Qemeinschaft, des Stammes oder Volkes, zu untersuchen, unter
allen umständen mufste dabei die Wissenschaft von der Sprache als der
allgemeinsten und wichtigsten Form sozialpsychiscben Lebens und Wesens
in ihrem psychologischen Fundament völlig erneuert werden. Denn an
Stelle der Anschauungen Herbarts, die bei den Vertretern der Sprachwissen-
schaft meist mafsgebend waren, oder an Stelle der „Vulg&rpsychologie^^ trat
hier die Wundtsche Theorie von den psychischen Funktionen, die sich nur
auf das Experiment und auf die offensichtlichen Tatsachen der Völker-
psychologie stützt. Dafs es Wundt in seinem vorgerfickten Alter nicht
möglich sein würde, sich die volle Herrschaft über das riesenhaft an-
gewachsene sprachwissenschaftliche Material anzueignen, liefs sich voraus-
sehen. Widerspruch konnte also nicht ausbleiben von selten der Ver-
treter der Sprachwissenschaft im engeren Sinn. Zu Delbrücks Auseinander-
setzung mit Wundt ist nun das Buch Sütterlins getreten.
Delbrücks Kritik wendet sich nicht gegen minderwichtige Einzelheiten
und gelegentliche Irrtümer^ sie ist von hoher Warte aus geschrieben und
zieht nur Fragen von prinzipieller Bedeutung in Betracht. Einen anderen
Standpunkt nimmt Sütterlin dem Werke Wundts gegenüber ein. Er geht
allenthalben in die Einzelheiten ein, prüft die Auffassungen Wundts in
allem Detail psychologischer Begründung und durch das ganze sprachliche
Material hindurch, das Wundt zum Beweise seiner Auffassungen beibringt,
oder stellt seinen Beispielen solche gegenüber, aus denen sich andere
Schlüsse ziehen lassen, als Wundt sie gezogen. Man hat in dem Buche
durchw^ das Gefühl, dafs es aus ungleich gröfserer Sachkenntnis auf
sprachlichem Gebiete herausgewachsen ist. Freilich wird man auch das
Gefühl nicht los, dafs Sütterlin dem grofsen Denker gegenüber und an-
gesichts der grofsen Fragen, um die es sich handelt, sich etwas mehr
Mab in der Verfolgung von blofsen Versehen hätte auferlegen dürfen.
An Wundts Stil Ausstellungen zu machen war nicht nötig, und wenn
Wundt wirklich feris ferit statt fers fert geschrieben hat, so könnte man
dem Verf. der „Völkerpsychologie^', eines Werkes^ aus dem jeder Sprach-
gelehrte doch unter allen umständen sehr viel lernen wird, das Beneficium
von ferire lassen, unbeschadet aller Gewissenhaftigkeit der Kritik.
Die Darlegungen Sütterlins schliefsen sich genau an den Beweisgang
Wundts an. und wenn er auch die Absicht gehabt hat, innerhalb der
^
Nene Philologiiebe Rnndicbaa Nr. B. 191
einzelnen Abschnitte diese seine Darlegungen zu einem einheitlichen Bilde
jeweils abzurunden, so merkt man doch durch grofse Partieen des^Buches
hindurch von abgerundeter Darstellung eigener produktiver Erwfigungen
und Oedankengänge vor der FfiUe kritischer Einwände gegen Wundts Auf-
fassungen und Erklärungen recht wenig. Es handelt sich vielmehr um
eine Zusammenstellung aller Behauptungen und Begründungen Wundts,
die von ii^end einer Seite aus angefochten werden können, und dies genau
in der Beihenfolge des Wundtschen Gedankengangs. In manchen Einzel-
heiten hat uns Sfitterlin mit seinen Einwendungen gegen Wundt nicht
überzeugt. Was Wundt z. B. über die Ursache der germanischen Laut-
verschiebung sagt, ist zu natürlich und einleuchtend, als dafs nicht eine genaue
Untersuchung aller Einzelfillle dieser lautlichen Entwickelung erforderlich
wäre, um die Wahrscheinlichkeit jener Ursache wenigstens als eines Haupt-
faktors zu erschüttern. Wenn unsere Alemannen in ihrer Mehrheit jetzt lang-
samer sprechen als der Norddeutsche z. B. der Berliner Gegend, so mufs
dies Verhältnis zu der Zeit, da die Alemannen in der Lautverschiebung
weiter schritten als die Niederdeutschen, nicht auch schon bestanden haben.
Und diejenige geistige Weiterentwickelung der Norddeutschen, die sich in
ihrem raschen Gedankenablauf in der Sprache ausspricht, datiert doch
wohl erst seit den Zeiten der Einführung von Druck und Schriftsprache,
also von Faktoren, die auf alle Lautverschiebung einen gewissen henmien-
den Einflufs gehabt haben müssen. Und was bedeutet das verschiedene
Tempo der lebendigen Bede bei heutigen Bussen und Engländern für die
Zeit, da die Engländer die Lautverschiebung mitmachten? Übrigens sagt
Wundt unseres Erinnems nirgends, dafs die gröfsere Schnelligkeit im Vor-
stellungsverlauf und in der Bede nicht auch in ganz anderer Weise, als
in der der Lautverschiebung, und auf ganz anderen lautlichen Gebieten
ihre Wirkung äufsem konnte. Sütterlin hält es im Gegensatz zu Wundt
noch fQr möglich, dafs „in grauer Vorzeit die Wurzeln einmal selbständige
fertige Wörter" gewesen seien. „Wurzeln" ohne bestimmten Artikel wäre
vorsichtiger gewesen. Denn wer bürgt uns dafür, dafs die erschlossenen
Wurzeln der grauen indogermanischen Vorzeit nicht samt und sonders
aus mehrsilbigen Worten einer noch viel graueren Vorzeit erst entstanden
sind, wie z. B. ein französisches einsilbiges prix, zu dem wir nur zu-
fiQlig den dreisilbigen Stammvater kennen? Wundt eröffnet da dann doch
weitere Perspektiven (vgl. I, 624 f.).
Wir zweifeln übrigens nicht daran, dafs, wenn Wundts grolses Werk
id2
Nene Philolo^risohe Eundachan Nr. 8.
in zweiter Auflage erscheinen wird, manche Einzelheiten darin abgeändert
sein werden, und daTs die sorgfiltige Einzelkritik Sfitterlins dazu viel&ch
den AnlaTs geboten haben wird, und wer Wundts beide Bände durch-
arbeitet, wird unter allen Umständen gut daran tun, die parallel laufende
Kritik Sfitterlins dabei ständig mit in Betracht zu ziehen.
Lörrach. J. Keller.
Siniia|ial'|tllU0tl|fk. $erau9geg. bon ®t^mn.tD6erI. $ugo ^offmann.
amt 42 «bbtltwitflen. 1,80 SW. (36. $tft bei ©t>mn.=«ibt)
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well. ord. Professor der englischen Philologie an der Universität Freibnrg 1. B.
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Dem Anfänger kann man meines Eraohtens keinen besseren Dienst erweisen, als ihm
den Ankauf des Qiieb-Sohröerschen Wörterbuches auf das wärmste zu empfehlen — er ge-
winnt damit eine sichere Basis seiner Studien und eine Quelle der Belehrung fürs Leben.
Dr. Emil Koepptl, ord. Professor der engl. Philologie an der Univertitit Straribiri I. E.
tl^ Zii haben in allen Biichhandliingen "9^
Für Behnlen TersOnatlifiuigeii bei gleichzeitigem Bezug einer grödseren Anzahl
von Exemplaren.
Fftr di« Bedaktlon reruitwortlioli Dr. E. Lldwlg in I
Driek nad Verlftg tob Friedrick Andreas Perthea, AktiengMellsckaft, Ootha.
y^
^.
KAY 1 1:
»r
Gotha, 3. Mai Nr. 9, Jahxgaag 1908.
Neue
PhilologischeRundschau
Herausgegeben von
Dr. C. Wagener und Dr. E. Ludwig
in Bremen.
Knoheint alle 14 Tage. — Preis fflr den Jahrgang 8 Mark.
BesteUnngen nehmen alle Bnchhandlnngen, sowie die Postanstalten des In- nnd Auslandes an.
Insertionsgebflhr fDr die einmal gespaltene Petitxeile 80 Pfg.
Inhalt: Bezensionen: 106) G. Pierleoni, XenophoDtis Cynegeticas (M. Wiesen-
thal)p.l93. —107) KBaehof, Erläaterangen zu Xenophons Anabasis (B. Hansen)
p. 194. — 108) A. P. Ball, The satire of Seneca on the apotheosis of Clandins
(A. Ghambala) p. 195. — 109) Traosactions and Proceedings of the American
Philological Association 1901. Vol. XXXIl (W.) p. 200. — 110) G.L. Hendrickson,
The nroconsulate of Jnlins Agricola (Ed. Wolff) p. 203. — 111) Fecht nnd
Sitzler, Griech. Obungsbndi für Untertertia (F. Nenbnrger) p. 205. —
112) P. Caner, Palestra Yitae (Edm. Fritze) p. 207. — 113) L. Appel, Auswahl
franz. Gedichte p. 208. — 114) E. Despr^anx, Histoire abr^g^ de la litt^ratare
fran9aise (B. Mollweide) p. 209. — 115. G. Pfeiffer, Die neogermanischen Be-
standteile der franz. Sprache (H. Schmidt) p. 211. — 116) Fritz HoUeck-
Weithmann, Zur Qaellenfrage von Shakespeares Lustspiel „Mach Ado Aboat
Nothing«' (H. Jantzen) p. 212. — 117) P. Krüger, Memoiis (E. Teichmann)
p. 213. — 118) B. Kipling, Just So Stories; for little Ghildren (A. Herting)
p. 214. — 119) LevinL. Schücking, Stadien über die stofilichen Beziehungen
der englischen Komödie zur italienischen bis Lilly (-tz-) p 215. — Anzeigen.
106)Xenoplionti8Cyn^eticii8rec. Glnus Plerleoni. Berolini apud
Weidmannes, 1902. YII n. 98 S. 8. Jü 3.-.
Das Hauptergebnis der verdienstlichen Kollationen des Herausg. er-
scheint aufserordentlich überzeugend : zwei codd., ein Yindob. s. XVI (A)
nnd ein Yatic. s. XIII (B) bieten eine Überlieferung, die einen Text herzu-
stellen gestattet, der wesentlich echter ist als die minderwertigen sonstigen
Handschr. (0). Aufser dem Onomastikon des Pollux waren bisher von
besonderer Bedeutung Emendationen und Lesarten, welche die Baseler
Ausgabe von 1559 und Stephanus boten; es bat sich nun gezeigt, dafs
ein Teil dieser geschätzten Noten aus derjenigen Klasse von codd. stammte,
von der uns AB erhalten ist. Auch die zahlreichen Anf&hrungen
bei antiken Schriftstellern verstärken zumeist die Autorität dieser codd.
Mit Recht ist der Herausg. sehr zurückhaltend mit eigenen Konjek-
turen gewesen. Dagegen hat Diels — unter dessen und Ficcolominis Ägide
auch diese Ausgabe erscheint (vgl. N. Ph. B. 1903, Nr. 3) — manches
194 Nene Philologische Bnndschan Kr. 9.
beigesteuert, auf anderes, das noch der Heilung bedarf, wenigstens den
Finger gelegt. Dabei möchte ich eine Beobachtung nicht unterdrficken,
die vielleicht den Weg zu weiteren Emendationen zeigt Die Klasse 0
scheint mir mehr&ch dadurch entstellt, dafs für eine weniger bekannte
Form eine gebräuchlichere, z. B. 33, 18 Flur, statt Dual, statt eines un-
gewohnten Wortes eine Übersetzung ins Vertrautere eingesetzt wurde, z. B.
3, 9 oYowai statt eq>aaav. Wenn wir nun an der heiklen Stelle 2, 13
bei A äfplypf^ bei 0 fiy Hyoifii finden, so köonte man ein ursprüngliches Si^
q>airiv erschlielsen. Womit diese Stelle freilich noch nicht gebeilt ist.
Der kleinen Schriften Xenophons gibt es noch eine Beihe, und die
Verbesserung ihres Textes ist ein sehr verdienstliches Werk. Sie schafft
erst die Grundlage fQr die höhere Kritik, die sich bei Xenophon auf um-
&ngreicheren stilistischen und lexikalischen Untersuchungen wird aufbauen
müssen, ehe man ihren Ergebnissen vertrauen kann. Aber hoffentlich
haben Diels und Piccolomini noch manchen wackeren Streiter auf den Plan
zu stellen. Vivat sequens!
Bannen. Max WIesenthaL
107) Ernst Bachof, Erläuterungen zu Xenophons Anabasis.
För den Schulgebrauch. Erstes Heft. Buch I— 111. 2. Auflage.
Paderborn, Ferdinand Schöningh, 1902. 148 S. 8v Ji 1.60.
Über die erste Ausgabe dieser Arbeit habe ich in dieser Zeitschrift,
Jahrgang 1889, S. 109 berichtet. Die neue, in etwas kleinerem Formate
und daher anscheinend ausführlicher, ist tatsächlich etwas gekfirzt; einige
Bemerkungen sind weggelassen, andere präziser gefafst; man merkt fast
auf jeder Seite die bessernde Hand. Erhebliche Abweichungen habe ich
in den von mir geprüften Abschnitten nicht gefunden; da die Erklärung
des Textes, abgesehen von einigen Stellen, wo mehrere Ansichten sich
rechtfertigen lassen, feststeht, so läfst sich schwerlich etwas wirklich
Neues vorbringen. — I, 4, 8 : Tralles gehörte ursprünglich doch zu Earien,
nicht zu Lydien. — I, 9, 30 : es fehlt die Bezeichnung des zu § 31 ge-
hörenden Absatzes. — I, 8, 29: lies 2, 27 statt 2, 21. — II, 1, 11:
yylTtei wie auch § 8 begründende^ gehört unter § 8 als: „^^ra begrün-
dend, auch § 11.''
Die Brauchbarkeit der Arbeit habe ich a. a. 0. hervorgehoben.
Oldesloe. B. HaasoB.
o
Nene Philologiaohe Rnndichau Nr. 9. 195
108) Allan Perly Ball, The Mtire of Seneoa on ihe apoiheoeis
of daadins, commonly called the ^AncfMhwivtwaiq. New*Tork,
ibe Columbia ODiversity press; ibe Macmillan Company, agents
(London, Macmillan & Co., Itd) 1902 (November). VII u. 266 S. 8.
S. 1.25.
Eine Doktorarbeit (S. v) der Eolombia-üniTersität, in der alles steht,
was fiber die Spottschrift auf des Elaudios Himmel- und Höllenfiüirt zu
sagen ist: eine geschichtliche literarische Einleitung von 112 Seiten, der
letzte Bfichelersche Text (der Petronausgabe von 1895) auf S. 113—131
eine (englische) Übersetzung (S. 131 — 154), Anmerkungen (154 — 246)
und ein alphabetisches Namen- und Sachregister (247—256). Die Ein-
leitung betrachtet zunächst (S. 1 — 22) die Schmähschrift im Zusammen-
hang der Zeitgeschichte. Dies (Ahrt (S. 23—48) auf die Feststellung, dab,
wie handschriftlich fiberliefert, der jfingere Seneka, der Erzieher Neros,
der Verfasser ist, dafs aber die von Dio (60, 35) als „Yerkfirbissung^^
angefahrte Schrift Senekas nicht die unsere, sondern vielmehr die amtliche
laudatio funebris ist (S. 48—57). Der Titel der Schmähschrift ist viel-
mehr nach der besten Handschrifk, der in St Oallen (S. 86): Divi Glaudii
Apotheosis Annaei Senecae per saturam. Der hier genannte Gattungsname
satura leitet Aber zu einer Wflrdigung der satura Menlppea von Ennius
bis auf Seneka (58—66) und zu einer Untersuchung des volkstfimlichen
Stils unserer Spottschrift (68—74). Es folgt eine Betrachtung der Nach-
ahmungen unserer Schrift besonders durch Lukian (74—78) und E^iser
Julian (S. 78), aber auch durch Neuere bis auf Scarron und Byron (S. 84).
Eine Übersicht fiber die Handschriften (S. 86—92) und Ausgaben (S. 94
bis 104) und eine ziemlich vollständige Bficherschau (S. 105—112) bilden
den Schlttls des allgemeinen Teils. Aus der Bficherschau ist zu ersehen,
dafs von neueren Schriften nur zwei Programme von Friedländer (Königs-
berg 1873) und von Eraffert (Verden 1888) und ein Au&atz von üssing
in der Tidskrift for Pbilologi 1861 Ball nicht zu Gebote standen. Das
gesamte fibrige Material ist in der Einleitung und in den sehr reichhaltigen
Anmerkungen aufs sorgfältigste verarbeitet Die Anmerkungen besprechen
u.a. die sämtlichen in den Handschriften und den Druckwerken vorgetragenen
Lesarten und begrfinden zum Schluis die eigene. Nur an etwa 30 Stellen
weicht Ball von Bficheler ab, gibt aber die Bfichelerschen Lesungen in den
Fufsnoten zu seinem Text und vereinzelt (z. B. Eap. 2 Gedicht, letzte
Zeile: carpebat)in den Anmerkungen. Seine Wertschätzung der Überlieferung
196 Nene Philologische RnndBchan Nr. 9.
besonders des Sangalleiisis geht so weit, dafs er eigne BesserangsvorschlSge
(z. B. fiat statt faciat, Kap. 8 Ende) nnter die Anmerkungen versteckt.
Bei der Übersetzung ist ihm Lesbarkeit wichtiger als Genauigkeit.
Den richtigen Sinn (z. B. bei „non passibus aequis^' Kap. 1) bietet yiel-
fach erst die Anmerkung. Auch ist die Übersetzung f&r die Schmutz-
schrift des Seneka zu anständig. Anima z. B. hat Kap. 3 und 4 tat-
sftchlich den Nebensinn „Blfthung^^ (ventus, crepitus ventris), was Ball
dem alten Bhenanus (im Kommentar zur editio princeps der beiden Seneka,
Basel 1515) yergeblich abstreitet. Wäre Balls Buch deutsch verftM, so
könnte ich hiermit meine Besprechung schlie&en. Bei dem englischen,
in Amerika erschienenen Buche werden mir vielleicht manche Leser dank-
bar sein, wenn ich kurz hervorhebe, worin mir Ball die mit der Schmäh-
schrift zusammenhängenden Fragen gefördert zu haben scheint. Zunächst
in der Feststellung der Yerfiissers. Ball teilt die gegen Senekas Urheber-
schaft vorgebrachten Orfinde in 7 Oruppen (S. 26) und widerlegt sie ein-
gehend (S. 27—56). Niedrigkeit der Gesinnung und Kleinlichkeit auf
Seiten des Verfassers der Schmähschrift ist zuzugeben; aber Seneka sagt
ja selbst (ep. 7, 1), er fibe nicht die Tugenden, die er preise. Die Un-
vereinbarkeit in der Beurteilung des Klaudius mit der „Trostschrift an
Polybius^^ wird scharf hervorgehoben. Aber die letztere Schrift, eine Lob-
liudelei auf Klaudius ist doch nur zu dem Zwecke verfiEifst, die Zurfick-
berufung Senekas aus der Verbannung durchzusetzen (S. 31 — 37). Dafs
Seneka seine Absicht nicht erreichte, war f&r ihn ein Omnd mehr, den
Kaiser in allen späteren Auslassungen (auch in den Schriften De beneficiis,
de dementia und de superstitionibus, S. 43—45) mit grimmigem Hals
und ausgesprochener Verachtung zu behandeln. Dafs es fär den Hofmann
Seneka unklug gewesen sei, eine staatlich-hOfische Einrichtung wie die
Vergöttlichung des Herrschers zu verspotten, ist nur teilweise richtig. Aller-
dings konnten Äu&erungen wie Krassus sei einfältig genug, um Kaiser
zu werden (Kap. 11) und Anspielungen wie die auf des Klaudius Un-
kenntnis der Vorgänge im eigenen Heim (Kap. 8) von Nero und Agrippina
übel genommen wurden. Aber hier ist offenbar der Höfling mit dem
Pamphletisten durchgegangen: im allgemeinen war die Spottschrift ganz im
Sinne der Begierenden. Der Zweck der Schrift (S. 18—22) ist teils persönlich,
teils philosophisch, teils politisch. Persönlich will Seneka seine Bachsucht
befriedigen, als Freigeist macht er sich in der Form und im Sinne der
italischen Atellane fiber die Vergöttlichung von Menschen (auch der Dru-
^
I
^
Nene Philologische BnndBohan Nr. 9. 197
silla, Kap. 1) und die veralteten Götter überhaupt lustig. Staatsmännifloh
sucht er durch Verhöhnung des vergifteten Kaisers fiber die näheren Um-
stände seiner Ermordung hinwegzutäuschen und die Anhänglichkeit an
Britannikus zu ertöten (S. 19—22, 37—40). Natflrlich gibt er die amt-
liche Darstellung vom Tode des Elaudius, trotzdem er den wahren Her-
gang genau kennt Auch dafs die politischen Ansichten der Schmähschrift
von denen Senekas abweichen, erklärt sich aus dem Zweck der Schrift
Der Elaudius der Spottschrift ist der geschichtliche Elaudius (bei Tacitus,
Sueton, Dio [S. 3—6] und Seneka selbst [S. 43—45]), nur werden seine
körperlichen und geistigen Schwächen mafslos flbertrieben, seine Vorzfige und
guten Absichten ins gerade Gegenteil verkehrten. Daher wird die beabsich-
tigte Ausdehnung des Bflrgerrechts auf Griechenland, Gallien u. s. w. vom
Standpunkt des bevorrechteten Bömers getadelt, während der aufgeklärte
Staatsmann Seneka, der selbst aus Spanien stammt. Aber diesen Funkt
sonst freier denkt (S. 41). Ähnlich widerl^ Ball (S. 42—43) die aus
der Verschiedenheit der staatsmännischen und philosophischen Ansichten
hergeleiteten Grfinde gegen die Urheberschaft Senekas. Was die Bedenken
aus dem Stil angeht, so weist Ball eingehend (S. 66—73) nach, dalB und
warum die meisten Prosaabschnitte in Yolkslatein Fetrons gehalten sind.
DaÜB sonst die Sprache der Schmähschrift die des jfingeren Seneka ist, be-
zeugt Haase (Sen. op. I p. VI). Die Verse, besonders die Hexameter, sind
ganz in der Art Senekas geschrieben (S. 74). Schwerer wiegt der Ein-
wand, daüs Tacitus, Sueton, Juvenal und die beiden FUnius die Schmäh-
schrift nicht erwähnen. Ball erklärt dies (unzureichend) aus dem Ificken-
haften Zustand der erhaltenen Literatur. (Tnd wenn er gar behauptet
(S. 47), wir wufsten nicht, ob die Schrift in weiteren Ereisen bekannt
geworden sei, so widerspricht er damit dem wiederholt (S. 19 u. 39) be-
haupteten politischen Zweck der Schrift Doch hat Ball natfirlich recht,
dals ein argumentum e sUentio nicht allzu schwer wiegt Dafs Dio (60, 36)
mit den Worten awidijM . . . ö Ssyhag aiyyqotinia äTtoyuohii^Aytiaaw
avTÖ ßcTteQ zivä d7ta9av(kwv ivo/j^iaag nicht unsere Schrift, sondern
die amtliche Leichenrede gemeint hat, wird aus formalen und sachlichen
Grflnden eingehend nachgewiesen (S.48 — 66). Nach Ball ist„Verkflrbi8Sung^^
ein zeitgenössischer Ealauer (Senekas oder eines Hörers der Leichenrede)
statt der amtlichen „Vergöttlichung *^ Die Verherrlichung der Geistesgabe
des Elaudius in der von Seneka verÜEÜsten amtlichen Lobrede des Nero (Tac.
ann. XIII, 3) wurde mit Gelächter aufgenommen. Efirbiskopf (yLÖXwtof^
198 Nene PhflologiBche Rnndsohan Nr. 9.
Cucurbita) ist in der Volksprache gleich Dummkopf. Da war es allerdings
ein billiger Witz anstatt von einer Vergöttlichung von einer Verkflrbissung
des dummen Teufels Elaudius zu sprechen (S. 56). Ebenso ansprechend
ist Balls Vermutung, mit der Bede des Diespiter (Kap. 8) und der Oegen-
rede des Augustus persifflire Seneka die entsprechenden Abschnitte seiner
amtlichen Leichenrede. Dafs Abschnitte der Schmähschrift einander direkt
widersprechen (S. 66), beweist nur die sorglose Abfassung der unmittelbar
nach Elaudius' Tod eilfertig hingeworfenen Schmähschrift (S. 2, 3, 166).
Auljser der Verfasserfrage scheint mir die Begründung der Abweichungen
von BQchelers letzter Textgestaltung besonders wichtig zu sein. Mit Un-
recht unter den Text gesetzt hat Ball den Satz (Kap. 3 Mitte) constituerat
. . . videre, den Bficheler als Einschiebsel des Schriftstellers in die Bede
der Elotho einklammert, während Ball ihn der Elotho in den Mund 1^
(S. 167). Eeine Abweichung ist es auch, wenn Ball, wie immer, ein
Scholion der editio princeps (Bom 1503) wegläfst, während Bficheler es
im Text einklammert (Eap. 13 Talthybius deorum [nuntius] = Merkur).
Wichtiger ist, dafs Ball vier Stellen ffir echt hält, die Bficheler ffir unter-
geschoben erklärt. Becht hat Ball hierbei mit der Apposition aeque
Homericus (Eap. 5), mit den Objekten illud „es^^ (Eap. 4) und sententiam
(Eap. 9 videbatur Gaudius sententiam vincere), und mit den Sätzen quod
viderit (Eap. 1) und aut . . . . üqovqa (Eap. 9). Eap. 6, wo der San-
gallensis liest tu autem, qui plura loca calcasti quam ullus mulio perpetuarius
Lugdunenses scire debes multa milia inter Xanthum et Bhodanum Inter-
esse, ist weder mit Bficheler Lugdunenses einzuklammern, noch mit Ball
zwischen debes und multa ein et einzuschieben, sondern mit Oertz mulio
. . . Lugdunensis zu verbinden. An den folgenden Stellen kommt Ball
der Überlieferung näher als Bficheler: Eap. 2 Oedicht, Vers 1 ortum statt
orbem, Vers 6 carpebat statt der unnötigen Vermutungen Bfichelers spargebat
oder rapiebat; Eap. 4 Zeile 26 primos (= frfihmorgens) axes statt pronos
(S. 171); Eap. 5 Anfang ne excidant quae [Objekt!] memoriae; 6 Anfang
Marci (nämlich Antonii triumviri) mnnicipem == Lugdunensem ; 7 Ende con-
tulerim statt tulerim; 8 Anfang Ttqäyfia [Ball druckt nqAy^a S. 122, 19
u. 189, 1] ^%u Tl.; 9 Anfang non licere ohne das selbstverständliche se-
natoribus; 9 Mitte vivat statt vivebat; 9 Ende quis (= qui) optimo iure;
13 avyxaigwfi&f [absichtlich statt des ind. im Osirislied]; 14 Ende: ve-
teribus [statt veteranis] missionem dari; 3 Zeilen weiter: spem statt speciem.
Besonders glficklich ist (Eap. 2) die Lesung sunt statt Bfichelers cum.
-^
w^
Neize Fhilologlielie RondBohaa Nr. 9. 199
weil dadurch das folgende at der Handscbriften beibehalten werden kann
(nimis msticel inqnies, sunt omnes poetae . . . at). Der Überlieferung zn-
liebe verzichtet Ball auf die giftnzende Änderung Bfichelers (Kap. 7) Ti-
buri statt des handschriftlichen tibi, weil er zwar ihre sachliche Bichtigkeit,
nicht aber ihre formale Notwendigkeit zugibt. An vier anderen Stellen
hat Bficheler gegen Ball Überlieferung und Becht fQr sich (2, Oedicht,
Vers 6 iusso statt viso; 9 Mitte: mimum fecistis statt fecisti; 14 Ende:
Sisyphum satis (statt si nimium) diu laturam fecisse; 6 Zeilen weiter: sive
effectu (statt sive fine et eflfectu). Entgegen der von Bficheler verteidigten
Überlieferung ist Ball (Kap. 15, 5. Zeile vom Schlufs) im Becht mit seiner
Lesung illum viderant ab ipso . . . vapulantem statt [illum] ... ab illo . . .;
aber Bficheler trifft noch sicherer das Sichtige, wenn er wenige Zeilen
vorher (Gedieht, Vers 4 statt der von Ball beibehaltenen Überlieferung
lusuro) fusuro verbessert. Ebenso liest Bficheler (Kap. 10 An&ng) richtig
semper meum negotium ago. sed (statt et) non possum . . . Weder Ball
noch Bficheler treffen das handschriftlich Bichtige: Kap. 11 Ende (Ball:
ad inferos [a caelo] unde negant redire quemquam; Bficheler [ad inferos] a
caelo illuc unde . . .). Zu lesen ist: ad inferos a caelo, illuc unde . . .
Zweifelhaft bleibt die Stelle Kap. 8 Mitte, wo Ball liest: „quare^S in-
quis — quaero enim — „sororem suam?*' Dafs Ball aus Achtung vor
der Überlieferung eigene Vermutungen in die Anmerkungen verweist,
wurde schon erwähnt. Bemerkenswert ist hier seine Änderung (Kap. 8
Anfang): si mehercules a Satumo petisses (statt petisset) hoc bene-
ficium, cuius mensem toto (statt mense in toto) anno celebravit Sa-
tumalicins princeps, non tulisset (Saturn) illum deum ab love, quem
(statt lovem qui) quantum . . . Einige Zeilen weiter verteidigt er das
handschriftliche oro per quod in der Anmerkung (S. 191), setzt aber
das landläufige propterea quod in den Text. — Ich konnte noch auf die neuen
Erklärungen Balls eingehen, desgleichen auf die zahlreichen Stellen, die auch
Ball nicht zu erklären oder zu verbessern vermag, indes genfigt das Bei-
gebrachte zum Beweise, wie umsichtig und zurfickhaltend Ball mit seinem
Stoff umgegangen ist Die Kolumbia-Üniversität in New Tork kann mit
einer solchen Doktorarbeit zufrieden sein, die Wissenschaft auch.
Köln. Avgvflt Cbambal«.
900 Nene FhilologiBohe BuidBohau Nr. 9.
109) TranBaotionB and Froceedings of fhe Amerioan Philo-
Iqgical ABBodation 1901. Vol. XXXII. Boston Mass.,
Ginn & Co; Leipzig, 0. Harrassowitz. CLXXXIV. 217 S. gr. 8.
if^2.50.
Den Beigen der Abhandlungen eröffnet B. J. Wheeler mit einer
Untersuchung fiber 'The Gauses of üniformity in Phonetic Change^ (S. 5 — 15);
er vertritt, im Gegensatz zu Paul (Prinzipien d. Sprachgesch.) und in
Übereinstimmung mit Tarbeil und Whitney die Ansicht, dals sich der
Lautwechsel von Wort zu Wort vollzogen habe, freilich nicht so, dafs ein
Wort, bei dem sich die Veränderung schon vOUig vollzogen hatte, die Ver-
anlassung fOr die Veränderung in solchen WOrtem wurde, die vordem mit
jenem durch die nämlichen Elemente verbunden waren — zwischen dem
aus häm entstandenen home und stän gab es keine Brücke mehr; — vielmehr
mulB der Wechsel sich vollzogen haben zu einer Zeit, wo die neue Form
als Variante neben der alten bestand, sodafs sich bei den WOrtem mit
gleichen Lautbedingungen gleiche Varianten bildeten, die allmählich die
Oberhand gewannen, bis sich der Wechsel in der ganzen E[at^orie von
WOrtem einer Sprache vollzogen hatte. — Es folgt (S. 16—42) ein Auf-
satz von E. 6. Clapp über 'Pindars Accusative Gonstructions', d. h. die-
jenigen Fälle, wo Pindar in der Verwendung dieses Kasus vom allgemeinen
Sprachgebrauche abweicht; die entsprechenden Stellen werden, unter Bei-
fBgung von Parallelen aus der übrigen Literatur, übersichtlich vorgefahrt
und am Schlüsse zahlenmäfsig dargestellt. — E. T. Merrill gibt (S. 43
bis 68) 'Some Observations on the Arch of Trajan at Beneventum', eine
Kritik der Ansichten von Petersen, v. Domaszewski und Frothingham über
die Anordnung der Reliefs im ganzen und ihre Deutung im einzelnen. —
Zweck der ErOrterangen von J. E. Harry, ^A Misunterstood Passage in
AeschyW (S. 64—71) ist, darzulegen, dafs die Stelle des Prometheus
V. 119 ÖQäre deafifb%ipf fie fhücnoxiiov &s6v von den Erklärem bisher
falsch aufgefafst worden ist, wenn sie öqäxB als Imperativ nahmen; viel-
mehr muTs es Indikativ sein, und so hat Härtung (Leipzig 1852) die Stelle
richtig übersetzt: „Ihr seht in Banden einen unglficksergen Oott.^^ —
Bei der Untersuchung von S. B. Franklin, betitelt 'Public Ap-
propriations for Individual Oflferings and Sacrifices in Oreece' (S. 72 — 82),
handelt es sich um eine Erklämng des ^dg dvalav yuxi ^ad^fiava dof^vai
XiUag dqax^dq im Archinos-Dekret bei Aeschines III 187. —
Über 'Greek and Soman Rain-Oods and Bain-Charms' verbreitet sich
^
Nene Philologische Bnodschan Nr. 9. 901
M. N. Morgan (S. 83—109) und gelangt am Ende seiner sehr inter-
essanten Aosffihrungen zu dem Besoltat, daTs Oebete nnd sonstige Ver-
anstaltungen, um Hegen herbeizufBhren, bei Griechen und BSmem
in ihrer besten Zeit, d. h. bei jenen im 5. und der ersten Hälfte des
4. Jahrb., bei diesen 60 Jahre vor und nach Christi Geburt ungebräuch-
lich waren; in Zeiten der Trockenheit wandte man sich wohl eher an die
Quellgottheiten als an den 2kbg ihiog^ ofißqiog bezw. den Juppiter Pluvius,
welch letztere Bezeichnung anscheinend überhaupt nur dreimal vorkommt
(Tibull 17, 26; Statins Theb., IV 758 und Biese, Anthol. Lat 395).
Von Interesse sind auch die Bemerkungen Qber die von Tertullian zwei-
mal erwähnten ^Nudipedalia' und Aber den von Festus-Fftulus, Nonios,
Servius Dan. und Fulgentins genannten 'Manalis lapis^ ; die Angaben über
den letzteren gehen wohl alle auf Varro (de vita pop. Bom. lib. I zitiert
Nonius) zurück. — 'On Some Ancient and Modem Etymologies' ist die
Überschrift der nun folgenden Abhandlung von M. Warren (S. 110 — 120).
Er fuhrt zunächst ^peiero' über 'periero^ 'periuero' auf ^p^riouero' zurück,
indem er das Monestod' der Forumsinschrift heranzieht; der Ausfall des
r in operiere' war wohl veranlaTst teils durch die schwierige Aussprache
von Formen wie 'perierare' mit 3 r, teils durch die Analogie von ^deiero^
und 'eiero', wozu noch die volksetymologische Verknüpfung mit ^peius*
kam. Im nächsten Abschnitt ist die Bede von den Etymologieen des An-
tistius Labeo, der 'soror' von 'seorsum' ableitete, und des Nigidius Figulns,
der ^frater = ^fere alter' setzte. Derselbe Nigidius erklärte angeblich
^saltem' aus 'si aliter sc. ^non potest', was W. auf die Vermutung führt,
dafs es aus ursprünglichem 'si alitem' (das Adverb analog zu 'item') ent-
standen sein konnte. Zum Schlüsse bemerkt W., dals ^frequenter im älteren
Latein ganz gebräuchlich gewesen sein müsse, wenn es auch Plautus undTerenz
nicht verwenden, denn 'rarenter' sei offenbar eine Analogiebildung da-
zu. — Es folgt Gh. D. Adams mit einer eingehenden Untersuchung über
^The Harpalos Gase' (S. 121 — 153), um festzustellen, welche Bolle
Demoethenes in dieser Affäre gespielt hat. Der Verfasser wendet sich be-
sonders gegen die Aufstellungen von Holm in seiner Griech. Geschichte
in. Kap. 26. — Über 'Anaphora and Ghiasmus in Livy' handelt eingehend
B. B. Steele (S. 154—185), über „The Variant Bunes on the Franks
Gasket' G. Hempl (S. 186 — 195); GL P. Bill gibt 'Notes on the
Oreek QexaQdq and &mqla' (S. 196 — 204), während H. G. Eimer in
seiner Abhandlung 'On the Subjunctive with Forsitan' seine Auffassung
202 Nene Philologische Bandschan Nr. 9.
des KoDJunktiys bei diesem zum Adverb gewordenen Ausdruck gegen Haie
(Transact. and Proceed. XXXI 138 ff.) verteidigt. — Bei dem reichen
Inhalt des zweiten Teiles müssen wir uns darauf beschränken, die
wichtigeren Artikel anzuführen. Hierher gehören: 0. D. Kellogg,
Gritical Notes on Giceros' Letters; B. S. Badford, Bemains of Syua-
pheia in Horace and Boman Tragedy; M. Ca r roll, The Athens of
Aristophanes; S. B. Platner, The Archaic Inscription in the Boman
Forum (krit Bemerkungen zu den Erklärungen von Enmann, Thurneysen
und Gomparetti); G. A. HarstrOm, The use of Sense-Epithets in Poetry;
E. P. Harrington, Propertius as a Poet of Nature; H. A. Sanders,
The Tounger Ennius; H. Schmidt- Wartenberg, Further Gontributions
to the Lithuanian Accent Question; W. A.Hammond, Aristotle's Theory
of Imagination ; L. H. Gray, Notes on Indo-Iranian Phonology; B. B. Steele,
The Ablative Absolute in Livy; W. S. Scarborough, Iphigenia in
Euripides, Bacine and Goethe; B. S. Badford, The Judgement of Gaesar
upon the 'Vis' of Terence; W. A. Heidel, Gatullus and Furius Bibaculus;
Fr. G. Babbitt, Question with /u^; 0. M. Johnston, The Episode of
Tvain, the Lion and the Serpent in Ghr^tien de Troies; E. M. Fease,
Note on Hör. Sat. I 16 'nauta atque viator'; E. Flügel, Some Notes on
the History of Philology during the MiddleAges (Johann vonSalisbury, Boger
Bacon, Dante); W. A.Merrill, Educare, educere and educate; H.B.Lathrop,
The Indebtedness of Fielding to Gervantes; L. J. Bichardson, On the
Form of Horace's Lesser Asciepiads; J. Elmore, Notes on the Text of
Plautus; G. D. Ghase, Latin Verbs in -cinari; G. G, Fiske, The Poli-
tics of the Eatrician Glaudii; W. N. Bat es, The Early Greek Alphabets
in the Light of Becent Discoveries in Egypt (m. Tafel); H. W. Magoun,
Notes on Tacitus and Vergil; S. B. Platner, The Gredibility of Early
Boman History; A. W. Hodgman, On Variation of Gender in Plautus;
S. G. Ashmore, On the So-called Prohibitive in Terence, Andr. 392,
and elsewhere; A. Ingraham, Subjunctive Meanings and a Science of
Belations; W. S. Eiden, Notes on the Gonditional Sentence in Horace;
W. E. Waters, An Horatian Gloss; H. G. Tolman, The Temple of
Zevg Bfjkog, Herodotus I 181; M. L. Earle, Notes on the Nominative
of the First Person in Euripides; E. G. Sihler, As to Gaesar's Personal
Gulture: his Afißnity for Menander; H. W. Magoun, The Metrical Bea-
ding of Latin Poetry; A. Fairbanks, The Gesture of Supplication im-
plied in yowofffÄai^ yovpä^ofxaij yowCiy Xaßeiv etc. in Homer; H. G. Eimer,
^
^
Neue Philologiiehe Bandsohau Nr. 9. 908
Is there still a Latin Potential? A reply to Professor Haie (Transact.
and Procead. XXXI 138 ff.); W. G. Haie, Leading Mood-Forces in the
Indo-Enropean Parent Speecli; W. N. Bat er, The Dating of the 'Iphi-
genia in Tanris' of Enripides; H. A. Sanders, Some Explanations and
Emendations to Livy; L. H. Gray, Armenian Dialectology; F. B. B. Hellems,
Lex de Imperio Vespasiani; E. H. Stnrtevant, Gontraction in the Gase-
forms of the Latin {o and to-stems and of deus, is and idem; E. L. Green,
nig in Thncydides, Xenophon and the Attic Orators; E. P. Harrington,
The Birth Tear of Tibnilus (48 a. Chr.); A. St Gooley, Zens the
Heaven.
Br. W.
110) O. L. Hendrickson, The proconsnlate of Julius Agrioola
in relation to history and to encomium. Chicago, XJniversity Press,
1902 (Decennial Pablications voL VI p. 29—59) 4.
„Der Agrioola ist mehr eine biographische Lobschrift und
ein öflfentliches Denkmal, das an einen edlen Mann erinnern sollte . . •
Daher ist sein Charakter blos von der Lichtseite aufgefafst, daher wird
gerade seine tatenreiche Laufbahn am meisten hervorgehoben, daher
steht alles mit so viel Bestimmtheit, Anhänglichkeit und Glanz vor den
Augen des Lesers . . . , daher ist selbst seine letzte kriegerische Tat am
Graupiasberge mit so viel Kraft und Leben, mit so viel malerischer Schön-
heit und ästhetischer Kunst dargestellt, dafs man wohl einsieht, es sollte
diese Biographie kein blofser treuer Schattenrifs, sondern ein anziehendes
Gemälde von diesem Manne werden, das einen gewissen Totaleindruck
von sittlicher GrOlise hinterlassen sollte . . . Doch demungeachtet weifs
Tacitus mit seiner grofsen Kunst dem Verdacht ganz aus-
zuweichen, als wolle er blos loben^' . . .
Dieses Urteil, vor etwa 100 Jahren von einem deutschen Gelehrten
(Artzt, Übersetzung des Agrioola, Meifsen 1800, S. 92 ff.) niedergeschrieben,
deckt sich seinem Kerne nach vollkommen mit den im vorliegenden Auf-
satz vertretenen Anschauungen. — Nachdem H. einige der am meisten
divergierenden Ansicbten über Charakter und Tendenz des Agr. berührt
hat, entwickelt er, von Leos Buch „Die griechisch-römische Biographie'*
ausgehend, seine mehr vermittelnde Auffassung : das Werk habe allerdings
gewisse Elemente mit den als „laudatio funebris'* und als ßaaihxds löyog
bezeichneten Gattungen des Enkomions gemeinsam, und nur durch allzu
204 Neue Phüologisohe RnndBcbaa Nr. 9.
starke Betonung der einen oder der anderen Seite seien irrige Meinungen
und MilBvergtändnisse verursacht worden. H. findet, gleich anderen, die
Absicht des Autors unzweideutig ausgesprochen in den Worten E. 3 non
tarnen pigebit — excusatus; „the work is thus expressly dedicated to the
honor of Agricola; its subject-matter is hmestas as exemplified in him". —
Nun war es ganz natfirlich, dafs Tacitus sich dieser ihm von Pietät und
Sitte diktierten Aufgabe durch die traditionelle Form einer enkomiastischen
Xiebensschilderung zu entledigen suchte. Die besonders gearteten Zeitumstände
indessen geboten eine gewisse Vorsicht; es galt manche Empfindlich-
keiten zu schonen und Anstofs zu vermeiden; insonderheit bei der Schilderung
der Eroberung und Verwaltung Britanniens, worin Agricolas Persönlichkeit
am glänzendsten hervorragt. Denn das Bagende war den Zeiiigenossen über-
haupt verhaTst. Mit feinster Kunst hat es Tacitus verstanden, durch den
Anschein historischer Objektivität Neid und Eifersucht zu entwaffnen. H.
zeigt in einer ausführlichen Darlegung, deren Einzelheiten hier fibergangen
werden mfissen, wie der Autor sich der ihm aus langjähriger Schulung
vertrauten rhetorischen Technik geschickt und zielbewufst bedient habe,
wie im Agricola namentlich die Eunstregeln der a^^ig, der n;aQiiXBixpigf
der naqaßoh^ oder aiipLQiaig und der eiynifila (günstige Auslegung eines
scheinbaren Tadels, z. B. ^r acerbitas) an verschiedenen Stellen zur An-
wendung gekommen seien. Wären uns des Tac. Historien vollständig er-
halten geblieben, so würden wir in der Lage sein, aufs klarste zu erkennen,
worin der unterschied rein historischer und biographisch-eulogistischer Be-
handlung derselben Geschehnisse und Leistungen besteht. Ein lehrreiches
Beispiel für solche verschiedene Darstellungsarten bietet uns in der grie-
chischen Litteratur bekanntlich Xenophon mit seiner Schilderung des Agesi-
laos im Enkomion und in den Hellenika.
Zu den im Appendix (S. 30—33) zusammengestellten Erörterungen
gehört auch der Versuch H.s, die verzweifelte Stelle Agr. 9, 10 auf eine
besondere Art zu erklären, ohne den überlieferten Wortlaut in grOfserer
Ausdehnung abzuändern. Er möchte mit ürlichs lesen: nihil ultra: po-
testatis personam, zugleich aber die folgenden Worte unverändert lassen;
er meint, hier wie E. 21 a. E. habe der Satiriker Tacitus dem Historiker
oder vielmehr der strenge Historiker dem Enkomiasten einen kleinen Streich
gespielt insofern, als er dem Agricola die gleichsam traditionellen Eigen-
schaften römischer Provinzverwalter zuschrieb, ohne zu bedenken, dafs schon
die blofse Erwähnung der „tristitia, arrogantia, avaritia*^ das Bild seines
-^^
Neu« Fbilologiiohe Bimdaehaii Nr. 9. S06
Helden etwas zu trflben geeignet war. Ähnlich gachte ja auch Qndeman
sich durch die ans dem überlieferten Text entspringenden Widersprfiche
und Ungereimtheiten hindurchznwinden — vergebens! Ohne Zweifel be-
zeichnen die genannten Worte Eigenschaften, die den Provinzialen fast regel-
mäfsig in ihren römischen Statthaltern verkörpert vor Augen standen. Und
dals Agricola jene Untugenden nicht anhafteten, dafs er fast wie ein
weifser Babe von den übrigen Frokonsuln abstach, das gerade will der
Lobredner geltend machen. Die von Hendrickson für seine Auslegung
angez(^ne Parallele aus Isokrates, Euag. 78, ist deshalb nicht glücklich
gewählt; denn wer „als erster und einziger unter den Reichen und Mäch-
tigen nach Denken und Tätigkeit sich sehnt'S dem wird nicht ein be-
dingtes, sondern volles Lob gespendet.
10, 6 will H. spatio und caelo als Dative (= spatio caeli) von ob-
tenditur, Germaniae und Hispaniae als Genetive von spatio ac caelo abhängig
erklären, was ihm jedoch niemand glauben wird. — Zu 10, 18 sed mare
pigrum . . . pexhibent bringt er zutreffende Parallelen aus Seneca rhet
Suas. 1 Deliberat Alexander an Oceanum naviget; 2 extr., 10, 16. — Zur
Erklärung und Rechtfertigung der Verbindung 18, 28 qui naves qui mare
exspectabant wird von Fräulein Eatharine Allen an Hist.n 12 i. A. erinnert:
possessa per marze et naves maiore Italiae parte. H. fQgt noch hinzu Ti-
bull. I 3, 50 nunc nMre nunc leti mille repente viae, wo mare prägnant
für „nunc maris et navigationis pericula^' stehe. — Einfach und ansprechend
ist auch die Interpretation von 41 , 18 sie Agricola . . . agebatur. Diese
Worte, meint H., schliefsen lediglich eine atSyxQioig ab, die mit 41, 6 et
ea insecuta tempora beginnt Vgl. Cicero de imp. Pomp. 67: quasi On.
Pompeium non cum suis virtutibus tum etiam alienis vitiis magmm esse
videamus.
Frankfurt a. M. Bdiiard Wolft
111) K Feeht und J. Sitsler, GriechiBches Übungsbueh für
Untertertia. Vierte, verbesserte Auflage. Freiburg L B.,
Herdersche Yerlagshandlung, 1902. YHI u. 194 S. 8. ull.60;geb.l.80.
Das vorliegende Übungsbuch bringt in Bezug auf die Anordnung des
grammatischen Stoffes einige Neuerungen. Es ist jetzt allgemein üblich
geworden, weil es sich aus praktischen Bficksichten empfiehlt, die 0-de-
klination der A-deklination vorangehen zu lassen. So ist es auch hier
geschehen. Innerhalb dieser beiden Deklinationen gelangen die Akzente
206 Neud Philologisebe BnndBchan Nr. 9.
stufenweise zur Einübung. Auch bei der Behandlung der dritten Deklination
ist streng darauf Rücksicht genommen, dals der Schüler allmählich vom
Leichteren zum Schwereren geführt wird. Eine wesentliche Abweichung
von der landläufigen Anordnung tritt nach der Komparation ein. Auf
dieses Kapitel pflegt man das Zahlwort, dann das Pronomen folgen zu
lassen. Hier aber schliefst sich an die Komparation das verbum purum
non contractnm an. An dieses reiht sich das Pronomen an, dem Pronomen
folgen die übrigen Yerbalklassen, den Schlufs endlich bildet das Zahlwort
Zur Einübung des Zahlwortes und zugleich zur Wiederholung des gesamten
Übungsstoffes wird ein Auszug aus Xenophon, Anab. I, 1 und 2 vorgelegt.
Einige Kapitel, wie die attische Deklination und die sog. ünregelmäfsig-
keiten der Konjugation, sind ausgeschieden und für das Pensum der Ober-
tertia zurückgestellt. Empfehlen würde es sich unseres Erachtens, hierin
noch etwas weiter zu gehen und auch die korrelativen Pronomina und
Adverbia der Obertertia zuzuweisen. Ihr richtiges Verständnis setzt syn-
taktische Kenntnisse voraus, die man von einem Durchschnittsschüler der Unter-
tertia nicht erwarten kann. Als einen Vorzug des Buches darf man es be-
zeichnen, dafs schon mit den Deklinationen eine Reihe von Konjugations-
formen eingeübt wird, in der Weise, dafs für jede derselben ein besonderes
Übungsstück eingefügt ist. Hierdurch wird frühzeitig eine gröfsere Frei-
heit und Mannigfaltigkeit im Übersetzen erzielt. Auch wird es auf diese
Weise mOglich, dem Schüler nach kurzer Zeit neben den Einzelsätzen auch
zusammenhängende Lesestücke zu bieten. Solche folgen von der A-dekli-
nation ab jedem gröfseren Abschnitt als Wiederholung mit sehr anregendem,
der Fassungskraft eines Schülers dieser Klasse geschickt angepafstem In-
halt Auf die Korrektheit des griechischen Ausdrucks ist hier die gröfste
SorgMt verwendet Bei einigen derselben ist freilich die Zahl der Nach-
hülfen so beträchtlich grofs, dafs man über ihren Wert doch wohl im
Zweifel sein kann, so z. B. 38, TL p. 48 (Aschenbrödel), wo auf llVs Zeilen
15 Verweisungen auf Anmerkungen unter dem Text nötig sind. Syn-
taktische Regeln sind so weit verwendet, als es die Bezugnahme auf die
in dieser Klasse vorauszusetzenden Kenntnisse im Lateinischen gestattete.
Man mufs es anerkennen, dals die Verfasser sich hierin weise Mäfsigung
auferlegt haben. Den Übungsstücken ist ein Vokabularium zum Memorieren
angefügt. Die Vokabeln sind aufser ganz wenigen der Anabasis entnommen.
Auf bereits gelernte, etymologisch verwandte Wörter wird stets hingewiesen.
Diese Verweisungen würden vielleicht besser wegfallen. Man beachte, dafs
y\
Neae Fhilologisclie BimdBchaii Nr. 9. 207
die Wörter vor ihrer Erlernung mit den Scbfliem gelesen werden, und
deshalb scheint es doch richtiger, die Schfiler den etymologischen Zusammen-
hang selbst finden als aus dem Buche herauslesen zu lassen. Das angefügte
alphabetische Wörterverzeichnis soll den Schfiler bei der häuslichen Prä-
paration unterstützen.
Sollen wir unser Urteil über das Buch zusammenfassen, so stehen wir
nicht an zu behaupten, dafs es den besten dieser Gattung sich würdig zur
Seite stellen darf. Wir wünschen, dafs ihm diejenige Verbreitung zuteil
werde, die ihm gemäfs seiner Yorzüglichkeit gebührt.
Konstanz. P. Noiibvrgar.
112) Faul Cauer, Falestra vitae. Eine neue Aufgabe des altklassischen
Unterrichtes. Berlin, Weidmann, 1902. — VII u. 156 S. gr. 8.
Geb. Jf 3. 40.
Diese sehr lesenswerte und sehr beherzigenswerte Schrift des rührigen
Vorkämpfers des humanistischen Gymnasiums ist eine Erweiterung des im
Jahre 1900 erschienenen Programms der beiden unter Gauers Leitung stehen-
den Düsseldorfer Anstalten „Wie dient das Gymnasium dem Leben ?^^
sie sucht durch HerbeischafiEung von allerlei charakteristischem Material
darzulegen, in welcher Weise der Gedanke in der Praxis des Gymnasial-
lebens zur Verwirklichung gebracht werden könne, den man als die Formel
der heutigen Auffassung vom Bildungswerte der Schöpfungen des Alter-
tums bezeichnen kann und dem ich in meinem Vortrage über das so-
genannte Beformgymnasium den folgenden Ausdruck verliehen habe : „Wer
das reiche und in vieler Beziehung geradezu verwirrende Leben der mo-
dernen Welt verstehen will, kann die Typen des staatlichen, des sozialen,
des künstlerischen, des wissenschaftlichen Lebens in den Institutionen und
Schöpfungen dieser (der alten) Völker erkennen; was sich Tag für Tag im
modernen Leben vollzieht, ist nur eine, allerdings reichere und kom-
pliziertere, Wiederholung der politischen, sozialen, künstlerischen und wissen-
schaftlichen Vorgänge in dem Leben der Völker des Altertums'^ (n^^
humanistische Gymnasium'* 1899, Heft III/IV S. 135). Wenn nun die
Erklärung der antiken Schrift- und Kunstwerke und überhaupt die Be-
sprechung aller Erscheinungen des antiken Lebens in diesem Sinne geübt
werden, dafs man in ihnen die nicht mustergültigen, aber den Typus der
Gestaltungen darstellenden Vorläufer des modernen Lebens erkennen lehrt,
so mufs sich daraus eine Fülle von intellektuell bildenden , den Blick er-
208 Nene Philologrisclie Bandschan Nr. 9.
weiternden, die AngchauuDg bereichemdeD Elementen ergeben. Ffir die
zu diesem Behufe einzuschlagende Praxis gibt Gauer die dankenswertesten
Fingerzeige, und es braucht denen, die ihn kennen, nicht weiter gesagt
zu werden, daTs seine Ausführungen fiberall nicht nur von reichen und
tiefen Kenntnissen, sondern auch von einer geistvollen Erkenntnis, von
einer philosophischen Durchdringung der behandelten Gegenstände und von
einer freien, fiber alle engherzige Schulmeisterei erhabenen Anschauung
zeugen. Nur möchte ich nach meinen Erfahrungen wünschen, dafs er sich
noch ausdrücklicher gegen diejenige Behandlung der „Realien", die sie in
einem Überma&e zum Gegenstände der gedächtnismäfsigen Aneignung
macht, ausgesprochen und seinem Satze: „Man darf nur nicht denken,
dafs ,Bildung^ dasselbe sei wie ,E6nntnisse^", (S. 67) die praktische Spitze
gegen eine derartige Verwertung des den Alten zu entnehmenden Materials
gegeben hätte; auch hätte sich zu den Wünschen, die er auf S. 129 ff.
hinsichtlich der Verwirklichung seines Ideals ausspricht, noch der gesellen
sollen, dafs man bei der mündlichen Prüfung der Abiturienten in den alten
Sprachen nicht eingepaukte Bealienkenntnisse abfragen möge, sondern nur
die Fäh^keit des Verständnisses der antiken Schriftsteller an noch nicht
gelesenen Proben festzustellen versuche.
Bremen. Edm. Fritzo.
113) Ludwig Appel, Auswahl fraiizöBiBcher Gedichte.
München, Lindauer, 1902. 91 S. 8. geh. Jt —.80.
Die Sammlung empfiehlt sich durch die hübsche Ausstattung, billigen
Preis und einen yerhältnismäfsig reichhaltigen Inhalt. Die gewählten
Gedichte sind für die Schullektüre wohl geeignet; als weniger glücklich
gewählt fallen auf von Batisboune Le coBur d*une mke , wo das Wieder-
beleben einer gestorbenen Mutter durch das Lächeln ihres Lieblings zu
unnatürlich erscheint, und Le fils ingrat, wo Quelle und Flufs ein
ungeeignetes Bild für das Verhältnis von Mutter und Sohn bilden. Doch
dürfte es schwer sein, aus dem Büchelchen auch nur einige Qrundzüge
für die Entwickelung der neueren französischen Lyrik und fßr das Wesen
einiger ihrer Hauptvertreter zu gewinnen, da die gewählten Proben mei-
stens nicht gerade bezeichnend sind weder für die Strömungen der Lite-
ratur noch ffir die Eigenart der einzelnen Dichter. So fehlt bei B^ranger
jede Beziehung zu Napoleon L, bei Victor Hugo, abgesehen von den leisen
Anklängen in La grand* m^re, jede Anspielung auf das Romantische und
Nene Phflologifohe Bondsobaa Nr. 9. 909
Patriotische, bei allen Dichtem von ausgesprochen provinziellem Charakter,
wo er in den Bemerkungen des Anhanges hervorgehoben wird, jede Probe
fflr diese Eigenart (vgl. Brizeux, Qrandmougin). Zu bedauern ist auch
die etwas willkfirliche Verstümmelung mancher Gedichte wie A TAUemagne
von V. Hugo, das durch den Wegfall des Schlusses mit der Beziehung
auf Frankreich einen ganz anderen Charakter erhält; das BruchstOck aus
den Nuits von Musset: Si reffort est trop grand erscheint als geschlossenes
Ganze und in einer dem Original fremden strophischen Gliederung. In den
Notizen über die Verfasser wird versucht, jeden Dichter zu charakteri-
sieren; etwas biographisches Material über die bedeutendsten Dichter w&re
dankenswerter gewesen, zumal aus den Charakteristiken meistens nicht die
Stellung und Bedeutung des Dichters für die Literatur zu erkennen ist (vgL
(lautier, Lamartine, Musset) und die gewählten Proben oft der Charak-
teristik, wie schon gesagt, nicht entsprechen. Die Bemerkung, da& An-
drieux seinen Buhm insbesondere der „hübschen Erzählung des Meunier
Sans^Souci verdanktes mufs in dem Schüler eine falsche Vorstellung von
der Bedeutung dieses harmlosen Gedichtchens erwecken, der dieser Dichter
doch nur seine Berücksichtigung in deutschen Gedichtsanunlungen verdankt.
Trotz dieser Mängel dürfte das Büchelchen w^en der im Eingang hervor-
gehobenen Vorzüge manchen Schulen als Ergänzung der Prosalektfire will-
kommen sein.
114) E. Despröaux, Histoire abrdgöe de la littöratnre fran-
9ais6 ä Tusage des ätrangers. Riga, N. Kymmel, 1901. 297 S. 8.
Das Buch soll Ausländem einen kurzen und übersichtlichen Über-
blick über die französische Literatur von ihren ersten Anfingen bis zur
neuesten Zeit geben. Der Verf. hat sich mit Erfolg bemüht, das Studium
der französischen Literaturgeschichte angenehm und reizvoll zu machen
durch eine klare und geschmackvolle Darstellung, die sich begreiflicher-
weise bis zur Benaissance auf das Allgemeinste und Notwendigste, beschränkt,
aber doch scharf und deutlich die verschiedenen Entwickelungsstufen zeigt,
die zur klassischen Literatur hinführen. Mit Becht ist der Darstellung
der neueren und neuesten Literatur ein verhältnismäfsig grolser Baum
gewährt worden. Der Verf. stützt sich natürlich auf die literarhistorischen
und literarkritischen Arbeiten seiner Vorgänger, besonders Saint-Beuves,
Bruneti^res, Faguets, Lemaitres, Doumics u. a., zeigt sich aber nament-
lich in der neuesten Literatur als einsichtsvoller und selbständiger Be-
210 Nene Pldlologiflclie Bnndschan Nr. 9.
urteiler der einzelnen Erscheinungen nnd Persönlichkeiten, der umfassende
literarhistorische Kenntnisse nnd richtiges Urteil sowie guten Geschmack
an den Tag legt. DaTs er es nicht jeden recht macht in der Auswahl
und Ausdehnung des StofiFes, und dafs sich auch manches Unrichtige und
Schiefe in der Darstellung vorfindet, ist bei der Ausdehnung und dem
Umfange des Oebietes leicht erklärlich und wird niemanden wunderneh-
men, der die Schwierigkeiten einer solchen Aufgabe kennt. So wird
S. 8 die Bedeutung der griechischen Eolonialstädte im Sfideu Galliens
für die kulturelle Entwickelung, wie vielfach, sehr unterschätzt. Die
Ausführung S. 10 über die Entstehung von Doppelformen im Französischen
aus lateinischen Wörtern hätte etwas ausführlicher und mit Berücksich-
tigung der verschiedenen Dialektformen durch mehr Beispiele erläutert
werden sollen. Die Angabe über die weite Verbreitung des Altfranzösi-
schen in England, Portugal, Ungarn und Polen entspricht nicht den histo-
rischen Tatsachen, die über die provenzalische Literatur S. 11 hätte etwas
bestimmter und ausführlicher sein sollen. Die chronologischen Angaben
über Babelais' Werke sind ungenau, als Todesjahr Bacines S. 111 ist
falsch 1669 angegeben und ebenso S. 242 Vignys Übertritt zur romanti-
schen Schule. Bei manchen Schriftstellern sind gerade literarhistorisch
bedeutungsvolle Werke nicht erwähnt worden, wie z. B. S. 253 die Vie de
36suB bei Benan. Auch recht viele Druckfehler sind übersehen. So ist
zu schreiben: S. 17 une arSte, repr^senter, 21 et, 26 qu'il, 67 elle-mSme,
79 le passage, 89 moi comme, 92 oppos6, 94 Fexpression, 98 attentif,
133 de, 156 aux instances, 161 d'^gayer, 165 Cyclopedia, 173 philosophes,
175 c'est, 178/179 J.-J. Bousseau, 181 inconsciem-, 182 franjais, 187
Tarm^e, 188 d^veloppe und immense, 201 originalit^, 202 fixer, 207 Tocque-
ville, 213 disparaissent, 215 d*un charme, 230 r^alit^, 234 absolument,
258 philanthropique, 266 verres, 275 des Deux-Mondes, 288 les poites,
292 bruisser, quelques-uns, 297 d^licieux.
Aber trotz dieser Ausstellung trage ich kein Bedenken, das Buch zu
empfehlen, besonders auch deswegen, weil es wegen seiner einfachen und
dabei doch leichtflüssigen, eleganten, korrekten und idiomatischen Sprache
und wegen der durchsichtigen und übersichtlichen Gruppierung des Inhalts
mir recht geeignet erscheint, daraus Stoff zu kleinen mündlichen Yor-
trSgen und schriftlichen Beproduktionen und Au&ätze zu entnehmen.
Strafsburg i. E. B. MoUwoMe.
^-A
Nene PhilologiBehe Bundsohaa Nr. 9. 811
115) Gnfitav FfeifliBr, Die nengermanisohen Bestandtefle der
£ranzö8iBcheii Spraehe. Stuttgart, Qreiner & Pfeiffer, 1902.
108 8. 8. Jf 2.—.
Der Zweck der vorliegenden Schrift ist, die ins NenfranzOsische ein-
gedrungenen germanischen Elemente zusammenzustellen. Sie ist aus dem
Nachlafs des leider zu frflh verstorbenen Verfassers von G. Gröber der
Öffentlichkeit übergeben worden.
Nach einer kurzen Übersicht Aber die Wirkung des Akzents wird in
einer ausführlichen Lautlehre nachgewiesen, dafs auch die modernen
Entlehnungen in der Form, wie sie im Französischen vorliegen, im all-
gemeinen lautgesetzlich richtige Bildungen sind. Durch diesen Nachweis
erfährt die Wirkung der Volksetymologie, die in einem weiteren Kapitel
behandelt wird, mannigfache Einschränkung. Es folgen dann ein Abschnitt
über Bedeutungswandel und eine kulturhistorische Skizze. Den Schluls
bildet eine besonders wertvolle alphabetisch geordnete Übersicht über die
Wörter, die aus dem Deutschen, Niederländischen, Englischen und Skandi-
navischen in neuerer Zeit in die französische Sprache fibergegangen sind.
Die Lautgruppe hn möchte ich nicht so unbedingt ffir unfranzösisch
erklären, wie es der Verf. tut (S. 9). Sie ist zwar selten in der Schrift
{Jcnefle hwuf)^ kommt aber, wenn die umgebenden Konsonanten es ge-
statten, in Zusammenziehungen (que + n) vor. Wenn an derselben SteUe
angenommen wird, dab hlaclcbouler einmal zu llaguebouler werden wird,
so ist zu bemerken, dafs dieser Übergang schon jetzt lautlich vollendet
ist, da der Franzose die Konsonantenverbindung 1ü> der Schrift in der
Aussprache als gh wiedergibt. Die S. 25 erwähnte und besonders von
der Volkssprache geltende Neigung der französischen Sprache, anlautendes
h deutscher und englischer Wörter zu eliminieren, zeigt sich auch ziem-
lich häufig in der Schriftsprache; z. B. findet man neben de Hegel auch
d'Hegel, nebst den Ableitungen d'h^g^lianiser, Th^^lianisme; Tilot d*Helgo-
land, THamlet, cet Heathfield, THyde Park neben le Hyde Park u. a. m.
In der lexikalischen Übersicht, die rund 1000 Wörter umfafst, wird
man manches vermissen. Allein es wäre unmöglich, hier Vollständigkeit
zu verlangen ; denn so eifHg auch von vielen Seiten für die Reinheit der
Muttersprache und gegen die Fremdwörter gekämpft wird, der heute
herrschende und sich von Jahr zu Jahr reger gestaltende internationale
Verkehr bedingt, dafs Wörter der einen Sprache in den Wortschatz anderer
Sprachen immer aufs neue eindringen.
219 Neae Philologiflehe Bnndaehan Nr. 9.
Nur weniges sei hier erwähnt Galenr bedeutet auch Gelegenheits-
arbeiter. Neben boobnaker kommt auch die abgekflrzte Form book vor.
Statt le fiye o*cIock tea sagt man auch kurz le five. Neben leader und
kading articie findet sich leading article. Auch hat leader die Bedeutung
Ffihrer; so wird z. B. Jaurds in französischen Blättern le leader socialiste
genannt. Ffir ticket ist die Bedeutung Eisenbahnbillet angegeben; es
bezeichnet aber besonders die Eintrittskarte für Ausstellungen, Zirkus-
vorstellungen u. s. w. Auch hätten vielfach Ableitungen hinzugeffigt werden
können. So z. B. zu schloff, schnick, clown, globe-trotter, lunch, match,
sport, toast, jacht die folgenden Formen: schloffer, schniquer, schniqueur,
Clownerie, globe-trotteuse, luncher, matcher, sporter (= Sport treiben),
toaster, yachting, yachteman. Jingo, jingolste, jingolsme fehlen; ebenso
rowing (Buderefport). Fflr tub wird die Aussprache tob gegeben; ich
kenne nur die mit offenem Ö-Laut.
Die fleifsige und tfichtige Arbeit sei aufs wärmste empfohlen.
AltonarOttensen. H. Sohmidl.
116) Fxiti HoUeck-Weifhmami, Zur Quellenfri^e von Shake-
speares Lustspiel ,,Much Ado About Ifofhing'^
(s3 Kieler Studien zur englischen Philologie, herausgegeben von
Dr. F. Holthanaen. Heft 3.) Heidelberg, G. Winters üni-
versitätsbuchhandlung, 1902. 92 S. 8. JH 2.40.
Das Quellenverhältnis von Mtich Ädo Ahmt Nothing ist bisher noch
nicht ganz aufgeklärt. Zwar weifs man längst, daCs eine Novelle Ban-
dellos den Stoff dazu bot; wie aber Shakespeare zu dessen Kenntnis ge-
kommen sei, ist ungewifs. Dafs er Bandellos Text nicht unmittelbar
benutzt hat, ist allgemein anerkannt. Einige Forscher meinen nun, er
habe ihn aus der französischen Bearbeitung Belleforests kennen gelernt,
andere aus einer englischen Übersetzung, deren Vorhandensein aber nur
vermutet werden kann, da uns keine erhalten ist; dafs eine Episode aus
Ariosts Orlando Furiose vom Dichter benutzt worden ist, ist nicht un-
möglich, obgleich nicht viel daffir spricht. Endlich hat man noch an-
genommen, dafs Shakesfpeare ein älteres, uns freilich auch verlorenes
Drama als Vorlage gehabt habe, und diese Annahme dfirfte schlieMich
die gröfste Wahrscheinlichkeit ffir sich haben, wie vor allem das Ver-
hältnis des Lustspiels zu Jakob Ayrers Comedia von der schonen Phänieia
erweist. Schon 1817 hat Tieck die Vermutung auEigesprochen, daüs das
'^
Neo« FbilologiMbe Rnndflchaa Nr. 9. 1118
deatsche and engliache Stficl nach einem gemeinsamen Vorbilde Ter&Ibt ist
Diese letzte Annahme wfthlt nnn unser Verf. zum Ausgangspunkt einer
neuen Untersuchung der Frage. Auf Orund einer eingehenden und ge*
nauen Vergleichung der Stflcke Ayrers und Shakespeares und einer auch
für die deutsche Literaturgeschichte wertvollen Betrachtung der ganzen
Arbeitsweise des Nürnberger Dichters kommt er zu dem Ergebnis, dafs
tatsächlich Ayrer und Shakespeare ein englisches, auf der Novelle Ban-
dellos fufsendes Drama gekannt und gesehen und danach ihre Stflcke ab^
ge&Ist haben. Ayrer hat sicher in NQrnberg englische EomOdiantenspiele
besucht und sie mehrfiich bei seinen zahbreichen Dramen verwertet. Bei
der Phänicia ist das auch der Fall, auüserdem hat er aber da auch noch
die Übersetzung der Bandelloschen Novelle, die MauriHus Brand 1594
nach der Fassung des Belieferest angefertigt hatte, benutzt. Ein weiteres Ka-
pitel behandelt dann noch die vom Tode erweckte Phänicia, Tragicomoedia
von Michael Kongehl (1680); auch dieses StQck geht im letzten Grunde
auf Bandello, mit einer Zwischenstufe aber ebenfalls auf ein älteres eng-
lisches Drama, vielleicht noch eine Moralität, zurfick. Im einzelnen ergibt
sich als Schlufsfolgerung folgender Stammbaum: Aus Bandello floüs un-
mittelbar ein altes, verlorenes englisches Drama x, das Shakespeares un-
mittelbare Quelle ist; neben x gab es noch andere Fassungen x^ und Xf^
die englische Komödianten in Deutschland spielen mochten. Aus x^ schöpfte
Kongehl, aus Xf Brand und Ayrer; da Ayrer nun auch Brand, dieser aber
auch Belieferest benutzt, so wird auf diese Weise mittelbar der Zu-
sammenhang mit der Urquelle Bandello fSr Ayrer hergestellt. — In einem
Nachtrage weist der Verf. noch darauf bin, dals er in voller Unabhängig-
keit in der Hauptsache zu denselben Ergebnissen gelangt ist, wie Fumess
im Variorum Shakespeare Bd. 12 (Philadelphia 1899).
Breslau.
117) Paul Krüger, Memoirs. London und Leipzig, T. Fisher ün-
win, 1902. 2 Bde. 472 S. 8. ul3.-.
Wer aufmerksam den Berichten gefolgt ist, die während des letzten
sfidafrikanischeu Krieges von den Tageszeitungen und Wochenschriften
gebracht worden sind, der wird in diesen Memoiren Krflgers wenig Neues
finden. Und wer etwa sensationelle Enthfillungen zu erhalten glaubte,
der wflrde erst recht nicht befriedigt werden; diese wflrden ja auch nur
wenig zum CJharakter des Verf. gepabt haben. In einfitcher, ungekfinstelter
214 Neu« Philologische BimdBehaii Nr. 9.
Sprache erzählt er sein Leben and sein Wirken von seiner Jugend an.
Und da er bei Abfassung des Werkes wohl noch mit kindlichem Ver-
trauen an den Sieg seines Volkes glaubte und nicht annehmen konnte
und wollte, dafs Gott die gerechte Sache im Stiche lassen könne und dfirfe,
so hat er nirgends zu viel gesagt Die wenigen Stellen, an denen fiber
die wohlbekannte Treulosigkeit und unersättliche Ländergier der Engländer
geredet wird (vgl. S. 136. 145. 159. 166. 176. 249), wfirden diese selbst
unbedenklich und selbstbewulst von sich gedruckt und verbreitet haben,
besonders jetzt, nachdem das reiche Qold- und Diamantenland in ihre
Hände fibergegangen ist. Und was Eruger in kurzen, treffenden Worten
fiber Bhodes (S. 218), Ghamberlain (S. 283. 303 u. 307), Milner (S. 290)
gesagt hat, ist viel milder, als diesen Henkern der sudafrikanischen Re-
publiken von eigenen Landsleuten gesagt worden ist.
Die eigentlichen Memoiren Erfigers reichen bis S. 373; dann folgen
noch auf weiteren 99 Seiten Beden, Bundschreiben und Proklamationen.
Das Englisch des Buches ist durchsetzt von holländischen Wörtern,
nebst sfida&ikanischen n. a. ungewöhnlichen Ausdrfioken wie outspanned
und inspanned (S. 34. 36 u. a. 0.), to commandeer (S. 98), dem see-
männischen the commando was sighted (S. 99), the moot-points = Streit-
sache (S. 101), evenings in laager (S. 125), to fall through (S. 135. u. 180),
Zulu impis (S. 150) und indunas (S. 214), the ammunition gave out
(S. 182), to drag in (S. 261) und inponring foreigners (S. 328).
Der Druck dieses lesenswerten Buches ist schön deutlich, trotz des
etwas durchlässigen Papiers, und druckfehlerfrei, abgesehen von dem Satze
I let go of my horse (S. 30).
Borna. E. Toiohmana.
118) Rudyard Kipling, Just So Stories; for litüe Children.
London, Macmillan & Co., 1902. 249 S. 8. geb. 6 sh.
Der grofse und wohlverdiente Erfolg der Dschungelbficher ist es wohl
gewesen, der Kipling veranlafst hat, sich aufs neue den Tiergeschichten
zuzuwenden. Die Just-so-stories sind für kleine Kinder bestimmt, was
u. a. in der auf die Dauer ziemlich unerträglichen Sprache der zwölf Qe-
schichten sehr aufdringlich zum Ausdruck kommt Inhaltlich befassen
sich diese der Hauptsache nach mit der Erklärung verschiedener
Naturerscheinungen, z. B. mit der Frage, warum das Dromedar einen
Höcker, der Elefant einen Bfissel, das Känguruh lange Hinterbeine hat
Nene PbilologiBohe Bondgcbau Nr. 9. 216
u. s. w. Die Geschichten kssen an Märchenhaftigkeit und Unmöglich-
keit nichts zn wünschen flbrig , und es wird nicht jedermanns Oeschmack
sein, wenn z. B. Ebbe nnd Flnt anf das Hin- nnd Herkriechen des
riesenhaften ür- Taschenkrebses znrüd^efflhrt werden. Manchen Erzäh-
lungen soll der Humor nicht abgesprochen werden. Ob englische Kinder
dafür das erforderliche Verständnis besitzen, vermag Ref. nicht zu be-
urteilen. Für Deutsche kommt das Buch schwerlich in Betracht. Be-
sondere Erwähnung verdienen indes die von dem Verf. selbst herrührenden
Zeichnungen. Sie sind nebst den dazu gehörigen Erklärungen im höch-
sten Grade originell und unterhaltend.
Plensburg. A4olf Hertias.
119) Levin L. Schücking, Stadien über die stofflichen Be-
ziehungen der englischen Komödie zor italienischen
bis Lilly. (= Studien zur englischen Philologie, herau^egeben
von L. Morsbaeh. IX.) Halle a. S., Max Niemejer, 1901.
109 S. 8. JiS.-.
Der Verf. hat sich mit seiner Arbeit einen dankbaren und anziehen-
den, aber auch etwas schwierigen Stoff ausgesucht und ihn gewissenhaft
und sorgfältig bearbeitet, sodafs er eine ganze Reihe schöner Ergebnisse
vorlegen kann. In einigen Fällen freilich, wo das Material etwas un-
sicher und seiner Art nach nicht recht ergiebig für scharfe Beweis-
führung ist, hat ihn wohl manchmal nur der Wunsch, Beziehungen zwi-
schen italienischen und englischen Motiven zu finden, solche sehen lassen.
Kapitel I behandelt unter dem Titel „Fragliche Beziehungen^^ CaUsto
cmd Meliboßa, ThersUes und Eaisier Doister, bei denen gelegentlich an-
genommener italienischer Einflufs abzulehnen ist, während er sich im
Misogmus schon schwach in der Verlegung des Schauplatzes nach Italien
zeigt. Im II. Kapitel dagegen, „Oascoignes Suppases'', die aus Ariosts
Stück Oli Suppositi, allerdings unter Benutzung zweier verschiedener
Fassungen, übersetzt sind, kann der Verf. deutlich eine ganze Menge be-
zeichnender, wirklicher Beziehungen nachweisen, und dasselbe geschieht
im folgenden Abschnitt, der die Bugbears behandelt ; dieses Stück ist in
ganz ähnlicher Weise von Orazzinis La Spirüata abhängig und hat in
einer Fülle von einzelnen Zügen den italienischen, ja den florentinischen
Lokalton treu gewahrt Kapitel IV erörtert die viel umstrittene Frage,
ob es in England ein wirkliches Stegreifspiel, wie man es sehr wohl aus
äl6 Nene Philologische Rundschau Nr. 9.
der italienischen commedia dell' arte kannte, als echt heimisches Gut ge-
geben hat, und beantwortet sie mit guten Grfinden verneinend. Im n&ch-
sten Abschnitt, „Verarbeitung fremder Motive '* ist zum grö&ten Teil von
Maskenspielen die Rede, über die wir jetzt durch Brotaneks treffliches
Buch (Wiener Beitrage z. engl. Philol., hrsg. v. Schipper 1902 ; vgl. dazu
Beil. z. Mflnch. Allg. Ztg. Nr. 185, 1902) genauer unterrichtet sind. Das
Schlo&kapitel endlich weist „Italienisches bei Lillys* auf, und zwar in
GaUathea, Loves Metamorphosis und Mofher Bombie. — Wenn Schfickings
Arbeit auch nicht in allen Einzelheiten strenger kritischer Nachprüfung
stand hält, wie z. B. Bang in seiner Besprechung im Shakespeare -Jahr-
buch 38, S. 276 ffl (1902) gezeigt hat, so ist sie im ganzen doch als
eine gründliche und beachtenswerte Leistung zu bezeichnen. -tz-.
Yerlag von Friedrich Andreas Perthes, Aktiengesellschaft, Gotha.
Cornelii Tacifi
Hi6itoifia]n].iii libiri qui eupei^emit.
Für den Schulgebrauch erklärt von
Prof. Dr. K. Knaut,
Direktor des Könlg-WillielmB-GymiiaBinnui zu Magdeburg.
I. Bandcken: Back I.
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Von Dr. Edmund Fritze,
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Erstes Biindehen:
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Zu beziehen durch alle Buchhandlungen.
Flir die Bedaktion Terantwortlieli Dr. E. Latfwli in I
Dnek und Yerlag toa Frledrieli ▲ndreas Perthes, AktirageseUsehaft, Gotik».
^.kY ^" .903 ^
Oofha, 16. Mal. Kr. 10, Jahrgang 1903.
Neue
PhilologischeRundschau
Herausgegeben tob
Dr. 0. Wagener und Dr. E. Ludwig
in Bremen.
Eraoheint alle 14 Tage. — Preis ftir den Jahrgang 8 Mark.
Bestellnngen nehmen alle Buchhandlungen, sowie die Postanstalten des In- und Auslandes an.
InsertionigebOhr fflr die einmal gespaltene Petitzeile SO Pfg.
Inhalt: Bezensionen: 120) Fr. Lillge, De elegiis in Maecenatem qnaestiones
(G. Wörpel) p. 217. — 121) Herrn. Hirt, Handbuch der griechischen Laut- und
Formenlehre (H. Meltzer) p. 219. — 122) A. Fuchs, Die Temporalsätze mit
den Konjunktionen „bis" und „so lange als" (Ph. Weber) p. 222. —
123) G. Hol seil er, Palästina in der persischen und hellenistischen Zeit(B. Hansen)
p. 227. — 124) F r. G e y e r , Topographie und Geschichte der Insel Euböa (E. Hansen)
p. 228. — 125) Führer, Übangsstoff zum Übersetzen ins Lateinische (E. Krause)
p. 229. — 126) Fr. Koldewey, Jugendgedichte des Humanisten Johannes
Oaselius (K. Löschhom) p. 230. — 127) Fr. Aly, Humanismus oder Historismus
(Edm. Fritze) p. 232. — 128) J. B. Segall, Corneille and the Spanish Drama
(Goerbing) p. 233. — 129. E. Lavisse^ Histoire de France depuis les origines
jusqu' a la revolution (J. Jong) p. 233. — 130) L. Levrault, Les Genres
Litteraires (C. Friesland) p. 235. — 131) K. Engelke, Cahier de Notes
(W Böhrs) p. 236. — 132) L. Hasberg, Englische Lieder (H. Niemer) p.237. —
133) Ch. Turley, Godfrey Master Schoolboy (C. Beichel) p. 238. — 134) JuL
Biegel, Pädagogische Betrachtangen eines Neuphilologen (Fiies) p. 239. —
Vakanzen — Anzeigen.
120) Friedrich Lillge^ De elegiis in Maecenatem quaestioneB.
Dissertation. Breslau 1901. 72 S. 8.
Für die chronologische Fixierung der Gedichte der appendix Virgiliana
ist noch mancherlei zu tun, und man wird deshalb jede auf diesen Gegen-
stand gerichtete Untersuchung yrillkommen heifsen. Dies gilt in hohem
Mafse von der zu besprechenden Abhandlung, welche den bündigen Beweis
erbringt, dafs die beiden Mäcenas-Elegieen nicht etwa das Machwerk
eines Halbwissers der Renaissance, sondern das eines Dilettanten der
augusteischen Zeit und nicht lange nach des Mäcenas Tod verfafst sind.
Bisher hatte man nur die Zeitanspielungen in Betracht gezogen, die in
der Tat den Beweis liefern, dafs der Dichter den geschilderten Ereignissen
nahe, jedenfalls nicht allzufem gestanden hat, Lillge erwirbt sich ein
unverkennbares Verdienst, indem er die endgültige Entscheidung in dieser
Frage durch sorgfältige und hingebende Beobachtung des Sprachtypus
herbeiführt. Seine Untersuchung gliedert sich in drei Kapitel. Zunächst
218 Nene Philologische Rundschau Nr. 10.
deckt er (S. 13—36) zahlreiche Anklänge auf nicht allein in der Phraseo-
logie, sondern auch in Motiven und Situationen an TibuU, Vergil, Horaz,
vornehmlich aber an Ovid und Properz, die in der damaligen Zeit am
liebsten gelesen wurden; zugleich gibt er einen Beitrag zu einer gerech-
teren Beurteilung und Würdigung des Dichters: wir haben es nicht sowohl
mit einem schamlosen literarischen Freibeuter zu tun, der mit Bedacht
zusammenstoppelt und nichts weiter als ein Gewebe fremder Phrasen
liefert, als vielmehr mit einem Manne, der von der Lektüre und dem
Studium der Augusteer erfüllt ist, um nicht zu sagen überladen, und da
ihm die Fähigkeit selbständiger poetischer Konzeption völlig abgeht, bei-
nahe unbewufst seine Vorbilder reproduziert, wenngleich es an Beispielen
bewufster Imitation nicht ganz fehlt. Die reichsten Beziehungen bietet
ferner die hellenistische Elegie (S. 37 — 47), aus der unser Dichter jedoch
kaum auf primärem Wege, sondern höchstwahrscheinlich erst durch Ver-
mittelung eines römischen Elegikers geschöpft hat. Nicht minder reich
ist auch der Ertrag, den ihm die Sepulkral- und Eonsolationsliteratur
namentlich für die zweite Elegie geliefert hat (S. 47—59). Vgl. jetzt
auch Lier, Topica carminum sepulcralium Lalinorum. Greifsw. Diss. 1902
S. 16. Die Kette der angeführten Beweisstellen ist eine sehr lange: aber
nirgends findet sich eine unkritische Häufung treffender und unpassender
Parallelen, wodurch sonst so oft der Wert und die Brauchbarkeit der-
artiger Untersuchungen beeinträchtigt wird. Dafs die Anklänge, die L.
statuiert, auf Zufall beruhen, entbehrt jeder Wahrscheinlichkeit, sie sind
vielmehr als Imitationen aufzufassen und gestatten so einen Schlufs auf die
Zeit der Abfassung unserer Gedichte. Endlich zeigt die Zugehörigkeit des
Dichters zur augusteischen Schule der Umstand, dafs er mit einem
starken Anflug von Rhetorik schreibt. Die erste Elegie entspricht nach
Plan und Anlage den übrigen köyoi naqafjLvd^iyuoij leidet an un-
natürlichem Aufputz und ist durchsetzt mit Musterbeispielen und T&toi
aus der Rüstkammer der Bhetorenschulen. Weniger Deklamatorisches
findet sich in der zweiten Elegie. In einem epimetrum gibt L. noch
einige Nachträge zu Skutsch' Artikel über das epicedion Drusi bei Pauly-
Wissowa IV 933.
Von dem, was der Verf. zur Erklärung einzelner Stellen beisteuert,
scheint mir S. 10—12 seine — teilweise schon von Ziehen, Rhein. Mus.
52, S. 450 gebrachte — Interpretation von el. I 57 ff. höchster Be-
achtung wert zu sein, wenn diese auch, wie wir sogleich sehen werden,
o
i^ene Philologisclie Rtindschaa Nr. 10. 2l9
einer kleinen Modifikation unterliegen mnfs. Diese Stelle ist mit so stark
individuellen Zfigen ausgestattet, dafs wir nicht umhin können, „der
mythologischen Exemplifizierung eine persönliche Nebenbeziehung zu geben ^'
und eine Teilnahme des Dichters an einem politischen Ereignis und zwar
einem Dionysostriumphe des Augustus zu Ehren des Sieges über die Inder
anzunehmen, in welchem der Kaiser selbst als Bacchus auftrat. Lillge
vermutet, dafs dies — übrigens sonst nicht ausdrücklich bezeugte — Fest
im Anschluls an die von Ptolemaios Philadelphos im Jahre 280 gestiftete
Penteteris eingerichtet sei. Das ist höchst blendend, zumal wenn man
des Eallixenos Bericht bei Athen. V 195 ff. über die TtoiiTtij des Jahres
275/4 nachliest, dennoch kann ich mich eines gewichtigen Bedenkens
dagegen nicht erwehren. Augustus vermied es prinzipiell geflissentlich,
den Eindruck zu erwecken, als seien die von ihm geschaffenen Institutionen
— wenigstens soweit sie Rom betrafen — blofee iTtorvTCibaeig imd Ko-
pieen der hellenistischer Dynasten. Nicht an die Ptolemäerdynastieen,
die für ihn tot sind, vgl. Sueton Aug. 18, sondern an Alexander den
örofsen, den rex xar i^ox^, den allein er als sich wesensverwandt an-
erkannte, knüpft der römische Imperator an. Nun ist bekannt, dafs
sich Alexander nicht ungern mit Dionysos verglich und sich von seiner
Umgebung viog Jidwaog nennen liefs. Nur von hier aus verstehen wir
es, wenn Augustus in der Öffentlichkeit als Bacchus auftrat, eben in
bewufster Anlehnung an sein grofses Vorbild. Auf dasselbe Fest bezieht
sich, wie L. sehr scharfsinnig erkannt hat, Horaz. c. II 19, wo die Worte
„Bacchum vidi docentem^^ bisher allgemein von einer Vision verstanden
wurden, die in Wahrheit aber sinnlich zu fassen sind und sich auf ein
tatsächliches Erlebnis des Horaz beziehen: describit antrum Bacchi, quod
in pompa vidit. Vgl. Athen, p. 200 b.
So legt denn die angezeigte Schrift ein günstiges Zeugnis ab von den ein-
dringenden Studien des Verf. und macht durch umsichtige Sorgfalt, rechte Be-
sonnenheit und treuen Fleifs einen in jeder Hinsicht wohltuenden Eindruck.
Kiel. OutaT W5rpol.
121) HernL Hirt, Handbuch der grieohiBchen Laut- und
Formenlehre. Heidelberg, G. Winters Universitfttsbuchhand-
lung, 1902. XIV u. 464 S. 8. ^ 8. ■-.
Es ist ein Buch von erfrischender Eigenart und Selbständigkeit, das
uns der temperamentvolle Verf. der Studien über den idg. Akzent und
Nene l^hÜoiogische feundschan iTr. 10.
■^
den idg. Ablaut hiermit geschenkt hat. Er tnt darin einen entschlossenen
Schritt hinaus über die bisherigen Darstellungen, auch die von Brugmann,
und läTst Richtungen, die bisher mehr auf Nebenstrafsen einherzuziehen
schienen, wie insbesondere die von A. Fick und Joh. Schmidt, mit ins
Vordertreffen einrücken: damit trügt er eine Dankeschuld ab, zumal an
dem ersten der beiden Forscher, ohne dessen geradezu grundlegenden und
vielfach entschieden unterschätzten Aufsatz in den Gott Gel. Anz. vom
Jahre 1881 das heute Erreichte kaum zu vollbringen gewesen wäre. Hirts
Hauptstärke liegt in einer neuen Fassung und folgerichtigen Durchführung
der Lehre vom Ablaut. Die „Wurzeln ^^ erhalten den Laufpafs, an ihre
Stelle treten die (meist mehrsilbigen) „ Basen ^^; aus ihren vornehmlich
durch Akzentverschiebungen herbeigeführten Wechselformen erklärt sich
eine grofse Reihe früher unvereinbarer Bildungen mit einer oft über-
raschenden Einfachheit und Evidenz: so sind die dritte Deklination einer-,
die erste und zweite anderseits nichts als das Ergebnis verschiedener
Ablautsfälle und ganz ähnlich steht es beim Zeitwort. Perssons media-
nische Wurzelvariationstheorie wird überwunden ebenso wie Brugmanns
Ansatz von t^, r u. ä. m. Vorsichtig wird mit der sonst so leicht mifs-
brauchten Analogie umgegangen und besonders in Befolgung eines von
G. Curtius seinerzeit nachdrücklich gestellten Verlangens nach einem ge-
nügenden Angriffspunkte für sie gesucht. Natürlich fehlt es nicht an
kühnen Aufstellungen, doch beschränke ich mich auf ganz weniges: die
Basen mit unverminderter Lautfülle dürften nicht minder hypothetisch
sein als die nunmehr verpönten Wurzeln, insofern der Akzent die nicht-
betonten Silben stets schwächen mufste, vorausgesetzt, dafs er nicht rein
musikalisch war. Das Iktusproblem hat auch Solmsen nicht gelüst: es
gipfelt in der Möglichkeit, dafs wir es mit einem reinen Notierungszeichen,
gleich unserem Taktstrich, zu tun hätten. Bei den lat. Wörtern wäre
sorglichere Beachtung der Quantität zu wünschen. Die syntaktischen (rich-
tiger: semasiologischen) Bemerkungen fallen aus dem Rahmen des Buches
heraus und stehen meines Erachtens auch nicht durchweg auf dessen
sonstiger Höhe: der krampfhafte Versuch, die sogen, grammatischen Casus
lokalistisch umzudeuten, ist wohl ein Rückschritt, Imperfekta mit punk-
tueller (d. h. perfektiver) Bedeutung (S. 393) enthalten einen Wider-
spruch, ecTTpf (ebenda) heifst nicht stand (eicrn^xet), sondern „trat^^ Aus
der Formenlehre greife ich nur eines heraus.
Doch angesichts des Buches als eines Ganzen verbietet sich das
w^
Nene Phüologiiche Bimdiohaii Kr. 10. 291
Mfickenseigen von selbst: es ist aus einem Gnfs und trSgt eigenes Ge-
präge. Soviel scheint mir sicher, dals eine Fülle der Anregung davon
ausgehen wird und ich wfinsche, dafs auch die klassischen Philologen
davon recht ausgebreitete Kenntnis nähmen: soweit sie auf dem Stand-
punkt von Blals stehen, wfirden sie daraus ersehen, daTs die von diesem
Gelehrten in der Vorrede zu Eühners Griech. Sprachlehre der Sprach-
wissenschaft als unknackbare Nässe aufgegebenen Yexierfragen durch Hirts
Ablanttheorie tatsächlich gelöst sind und dafs ein wirklicher Einblick in
die Gesetze der griechischen Formenbildung ohne die vergleichende Methode
nicht gewonnen werden kann.
Cannstatt. H
122) Albert Fuchs, Die Temporal8&tM mit den Konjunktionen
„\m** und 1,80 lange als'^ Wfirzburg, A. Stnber (G. Ea-
bitzsch), 1902. 130 S. 8. Jü 8.60.
Vorliegende Untersuchung bildet das 14. Heft der von Prof. Dr. M.
V. Schanz herausgegebenen „Beiträge zur historischen Syntax der griechischen
Sprache ^^ Da bedarf es wohl nur eines kurzen Hinweises einerseits darauf,
dafs, soll eine Arbeit der Aufnahme in diese Sammlung seitens des Herausg.
gewürdigt werden, absolute Vollständigkeit des auf Grund eigener Lek-
tfire zu gewinnenden und unter erschöpfender BerOcksichtigung aller
einschlägigen Vorarbeiten zu behandelnden Materials unerläfsliche Vor-
bedingung ist, anderseits auf das ungemein günstige Urteil, das über die
bisher erschienenen Hefte hinsichtlich der befolgten Methode, welche mit
minuti(yser Exaktheit in der Würdigung aller in Betracht kommenden
Gesichtspunkte übersichtliche Gruppierung des Stoffes zu verbinden und
in lichtvollen Erörterungen zu im ganzen wohl unanfechtbaren SchluTs-
ergebnissen zu führen versteht, von der Kritik des In- und Auslandes
ausnahmslos gefUlt worden ist, um glaubhaft die Versicherung abzugeben,
dafs auch dieses neueste Glied in der Kette den übrigen an Gediegenheit
und Wert nicht nachsteht und in gleichem Malse dem Herausg. wie dem
Verf. rühmenden Beifall einbringen wird.
Die materiell dem 3., 4. und 5. Heft am nächsten stehende Ab-
handlung erstreckt sich gleich ihren Vorgängerinnen auf die ganze vor-
aristotelische Literatur einschliefslich der attischen Inschriften, jedoch mit
Ausschlufs von Hippokrates, und bdiandelt diese in 10 Kapiteln (rich-
tiger 11, da aus Versehen sowohl die Bedner als Flato je als „Kapitel VH'^
322 Neue Philologische BnndBchau Nr. 10.
bezeichnet sind). Den einzelnen Autoren pflegt Fuchs noch Beispiele
anderer Arten Zeitangaben, namentlich für „bis^' und „zugleich mit*^
einleitend vorauszuschicken und dabei hauptsächlich auf die Präpositional-
ausdrücke mit und ohne Partizipien sovne auf die Verbindung von fjiivw
und seinen Eompositis mit Inf., mit Substantivobjekt oder mit fiixQi tivdg
u. dergl. hinzuweisen.
Eap. I, das umfangreichste, behandelt auf 31 Seiten Ilias und Odyssee.
Der Verf. legt zunächst dar, wie entsprechend der allen Sprachen im
frühesten Stadium eigenen einfacheren Anreihung nach Art der U^ig eifo-
fisvri auch diese Sätze aus ursprünglicher Parataxe erst allmählich zu der
schon als eine Art neQißoXij zu charakterisierenden Stufe der Hypotaxe
sich weiter entwickelt haben, wie aber daneben Belege für die eigentlich
nur mit der Parataxe in Einklang zu bringende Gegenüberstellung der
verbundenen Sätze auch noch aus der Zeit der Hypotaxe, und zwar nicht
nur aus Homer und den Hymnen, sondern auch aus Herodot und Thuky-
dides sich erbringen lassen; vgl. S. 123. Umgekehrt zeigt sich wiederum
die Geltung des ursprünglichen Behauptungssatzes darin, dafs ein mit ig
8, S(og oder iate eingeleiteter Nebensatz bei indirekter Rede im Inf. er-
scheint; vgl. S. 72 u. 75. Da wir Heft IV S. 10 gezeigt haben, wie
der Relativstamm in seiner ursprünglich anaphorischen Bedeutung das
erste Mittel der Hypotaxe bot, so stellt Fuchs mit vollstem Rechte bei
Behandlung der drei Eoojunktionen , mit denen Homer die im Bereiche
dieser Untersuchung liegenden Temporalsätze einleitet, den formelhaften
Relativausdruck elg 6' xe an die Spitze. Dieser hat sich von Hause aus
so gut wie auf temporale auch auf modale und lokale Verhältnisse be-
zogen — wir haben selbst bereits far Od. 12, 460 auf die Möglichkeit
auch finaler Übersetzung hingewiesen — und mutmafslich in Genus und
Numerus mit seinem Beziehungsworte übereingestimmt. Um letztere An-
nahme zu stärken, wird auf die Herodotstelle tdv %q6vov ig rdv ^iv du
7, 8 d verwiesen, wie ja auch äft l^g mit Beziehung auf ein durch Ordi-
nale bestimmtes i^jue^ an zwei Herodotstellen das frühere Leben des
erstarrten dn (dtp) oS bezeuge. Indem sich nun dg 8 X6 meist auf
ein Zeitverhältnis und sehr oft auf ein Neutrum bezog (vgl. bes. S. 67 f.),
bildete sich die unveränderliche Form, in der es, und das bezeichnet den
letzten Schritt in der Entwickelung, auch ohne Korrelativ als temporale
Konjunktion verwendet wurde. Nach diesen Ausführungen werden die
einzeben Stellen rücksichtlich des Modus und Tempus näher untersucht
^
V
Neue Philologisclie Rundschau Nr. 10. 223
Dabei werden solche Stellen, die bezüglich des Tempos eine Abweichung
von der regelrechten Norm zeigen, unter ungescheuter Verlassung des streng
grammatischen Standpunktes mit Zuhilfenahme psychologischer Momente
und sinngemäfser Ergänzungen interpretiert, eventuell auch eine Änderung
verlangt; so soll z. B. Her. 4, 160 das nach der Regel nicht zu recht-
fertigende Imperfekt iyiveto dem Aor. iy&fero Platz machen. Ebenso
finden sich allenfallsige Beobachtungen von besonderem Interesse regel-
mäfsig herausgehoben, so z. B. hier die Verbindung dg Ike xc, welche indes
S. 43 in etwas andere Beleuchtung gerückt erscheint Übergehend zur
Partikel ogp^a, welche deutsch bald mit „so lange als^S bald mit „wäh-
rend'', bald mit „bis 'S bald mit „damit", „auf dafs" zu übersetzen ist,
lenkt Fuchs die Aufmerksamkeit zunächst auf deren Grundbedeutung, um
meine seinerzeitigen Ausführungen dieses Betreffs noch genauer zu präzisieren,
bzw. in einem Punkte richtiger zu stellen. Indem ich nämlich unter
ausdrücklicher Betonung der dunklen und strittigen Etymologie des Wortes
versuchsweise von der Bedeutung „so lange" anfing, mnfste ich zur
Annahme mehrerer nacheinander folgenden Bntwickelungsstufen fflr die
verschiedenen Bedeutungen gelangen, nämdich 1) „so lange als" = „wäh-
rend'*, auf deren allerdings mitunter sich ausschliefsenden Bedeutungs-
nuancen im Deutschen näher einzugehen ich, nebenbei bemerkt, nicht
den geringsten Anlafs hatte, 2) „(so lange) bis", 3) „damit". Dieses
Nacheinander nun beseitigt Fuchs mit Hilfe eines aus 0. 547 gewonnenen
positiven Substrats. Hier ist nämlich wpga fiiv in ganz gleichem Sinne ge-
braucht wie z. B. eltog jucV 0. 277 (nach Fuchs erscheint dieses demonstrativ-
indefinite i'tog in Dias und Odjssee je an drei Stellen), also = „eine Zeit
lang", „die Zeit über". Unter Zugrundelegung dieser Bedeutung ist es
nun möglich, aus ihr alle übrigen Bedeutungen von wpqa unmittelbar
abzuleiten. Man wird wohl nicht umhin können, der S. 14 ff. vorgetragenen
Erklärungsart einer Nebeneinanderentwickelung der verschiedenen Bedeu-
tungen von ofpqa beizupflichten, nicht blofs, weil sie an und für sich
etwas Bestechendes hat, sondern weil sie noch durch eine andere Erwägung
wesentlich unterstützt wird. Das Bedürfnis, bei der Übersetzung ver-
schiedene Konjunktionen anzuwenden, ist nämlich erst aus der Hypotaxe
erwachsen; in der Periode der naiven Parataxe dagegen tritt das durch
o^Qa bezeichnete Zeitverhältnis, welches zwischen den zwei aneinander-
gereihten Sätzen besteht, gegenüber dem in den Vordergrund gerückten
Gegensatz zwischen Personen oder Handlungen vollständig zurück. Noch
224 Nene Philologisohe BundBchan Nr. 10.
etwas scheint mir der Erwähnung wert Ich habe bereits darauf auf-
merksam gemacht, dafs sich unter den Finalkonjunktionen og>Qa am
meisten gegen die Verbindung mit fiij sträubt. Unter 39 negierten voll-
ständigen Finalsätzen bei Homer finden sich nur drei mit Sgp^a fiij. Auch
von den sämtlichen temporalen ogp^a- Sätzen ist kein einziger negativ.
Allerdings haben sich fönf Stellen, weil falsch zitiert, der Kontrolle ent-
zogen; es sind dies S. 20: IL 8, 666 f.; 17, 120; S. 23: Od. 1, 136;
S. 24 : n. 5, 528; 21, 588 (wohl 558). Übrigens steht der Konjunktiv nach 09)^0
„bis^^ (S. 24) an 30 Stellen, da ja doch II. l, 523 u. 524 zwei nicht
zusammengehörige Perioden sind. Das fiber Bedeutung, Entwickelung und
Gebrauch von ^ga Gesagte gilt im allgemeinen auch fflr stog. Diese
beiden Partikeln übertreffen hinsichtlich ihrer Verwendbarkeit dgS tls iß
doppelter Beziehung, insofern nämlich letzteres auf die Bedeutung „bis^^
und ein auf die Zukunft hinweisendes Satzgefüge beschränkt ist; nur an
zwei Stellen (11. 9, 60 f. = 10, 89 f.) wird die Bedeutung „so lange als"
auf Grund deutscher Anschauung des Inhalts des Satzgefüges angenommen.
Die Stelle Od. 9, 376 ist S. 34 für „bis 'S S. 37 für „damit'' in Rech-
nung gesetzt. Auf die eigenartige Bildung Swg in (S. 29) wird erst in
der Fufsnote S. 43 aufmerksam gemacht.
Das gleiche Verlahren wie im ersten Kapitel wird, natürlich durch
Verweisungen auf bereits Erörtertes entsprechend abgekürzt, die folgenden
Kapitel hindurch beobachtet. Jedem Kapitel ist eine statistische Tabelle
über Frequenz und Bedeutung der darin auftretenden Konjunktionen an-
gehängt. Das zweite behandelt Hesiod und die homerischen Hymnen.
Hier wirkt besonders anregend die verständige Art, wie über die Ent-
stehung von ^are gehandelt wird. Daneben werden die Singularitäten
kg % dviAwa und Icrxe fidxrfi^ai besprochen. Das dritte um&Cst die
lyrischen, das vierte die szenischen Dichter. Die Zitate bei den Lyrikern
beziehen sich vermutlich auf Bergk. Bei ihnen begegnet zum ersten Male
f^exQi oS. Das nur an einer einzigen Stelle neben oq>Qa erscheinende Sw
wird mit zureichenden Gründen beseitigt. Bei Aristophanes hat einmal
ÖTt&ve den Sinn „so lange als" und ebenfalls einmal Stotv die Bedeutung
„bis". Bei Sophokles steht an einer Stelle verstärktes ^wg neu Stfy wo
indes hätte angemerkt werden sollen, dafs diese Lesart auf einer Ver-
besserung Beiskes beruht, einmal ^/xa „so lange als" und einmal ein
Relativsatz mit dg Saoy für „bis". Letztere Stelle istS. 124 irrtümlich
der Bedeutung „so lange als" zugezählt. Was sodann die Stelle aus
-^
Neue Philologische Rundschau Nr. 10.
Aias 729 f. (S. 54) anlangt, so lesen alle Ausgaben, in die ich Einsicht
nehmen konnte, ohne Variantenangabe nicht eg t\ sondern üüt „und so*^
Dagegen fehlt unter den Stellen mit süts „bis'' (S. 54) Aias 1031:
IxyctTrW oliv, lax äniipv^ey ßiov „ er ward unaufhörlich geschleift, bis
er sein Leben ausgehaucht 'S ferner unter €wg Trach. 601 und 687; swg
äy äQzixQiOTov äQfioaaif^i tcov. Zu den Gründen für die ünechtheit des
f^^^XQ^S <^ bei Sopb- (Seite 55) ist noch hinzuzufügen, dafs die ältere
Tragödie einen solchen aus 2 Wörtern gebildeten Anapäst nicht kennt.
Nun folgen die Prosaiker in der Weise, dafs Herodot, Thukydides, die
Redner, Plato und Xenophon je ein Kapitel füllen. Bei Behandlung der
Bedner sind Antiphon, Andokides, Isäus, Hyperides, Ljkurg, Dinarch,
Gorgias, AIcidamas, Antisthenes und Äschines, weil nur wenig Material
liefernd, zusammengenommen, während Lysias, Isokrates und Demosthenes
gesonderte Besprechungen beanspruchen. Bei Herodot erscheint ig 8
an 65 Stellen, darunter 49 mit Beziehung auf die Vergangenheit,
also ohne xp.. Da sich nun dg 8 ne und ig 8 aufser bei Homer uod Herodot
nur noch bei Hesiod und einmal in den Hymnen findet, erscheint ihre
Bezeichnung als „bis "-Konjunktion des jonischen Dialekts nicht eben
unpassend. Bei Herodot begegnen auch neben 7 f^exQ'^ oS 2 fiixQh 1 fi^^t
8aov und 1 äxQv od. Bei Thukydides und Demosthenes finden wir je 2,
bei Plato 4, bzw. 5 oder 6, bei Xenophon 3 KelatiYsätze für die Zeit-
angabe „so lange als", unter den 17 Stellen, welche die 10 zusammen
besprochenen Rednejr aufweisen, sind für die Bedeutung „so lange als"
2 mit 6t£, 1 mit ^tyia eingeleitet. Bei Xenophon liegt ein derartiger
Fall mit 8ve vor, bei Isokrates 3, an 3 weiteren Isokratesstellen ist
diese Übersetzung möglich, desgleichen bei ^/xa an 3 Stellen des De-
mosthenes und einer des Plato. Bei Xenophon hat ?a)g an 4 Stellen die
Bedeutung „während"; bei Lysias korrespondiert diese Partikel dreimal
mit vorangehendem ad tiqöteqov, ist also gewissermafsen Stellvertreter von
TtQiv; auch andere relative Beziehungen zu ^(og lassen sich öfter wahr-
nehmen, insbesondere bei den Rednern und bei Plato. Bei letzterem
begegnet ferner mit einer einzigen Ausnahme stets die verstärkte Form
/xexQi^ ^BQ äv, daneben sechsmal ^cog TteQ Sv, das noch zweimal bei Xeno-
phon Hell 6, 5, 12 extr. und 7, 2, 23 erscheint, ferner die ver-
einzelten Phänomene l'wg r Sv ^fjre und riwg = „so lange als";
bei Isäus eine Stelle mit Scog od, wo anzumerken, dafs früher auch
Her. 2, 143 so gelesen wurde, während es Xen. Anab. 4, 8, 8 noch
^6 ^eue Philologische Rundschau Nr. lO.
als Y. 1. vorkommt. Bekanntlich zeigen diese Verbindung auch die
Papyri, und die Vulgärsprache scheint nur sie behalten zu haben;
über ?tog oi und ?ft)g Svov im N. T. s. Blafs« 129 und 223 f. In
einer Xenophonstelle steht lar Sv abwechselnd und ganz synonym mit
8rav „jedesmal wenn". Von diesem Autor werden ferner, wie die
S. 119 f. angefahrten Beispiele zeigen, f^exQi, f^i^XQ'' ö^> i"^©^ So^ot; und
äxQt oS neben der temporalen auch in lokaler Bedeutung gebraucht. Von
der Stelle fxixQt evTa€&a (Anab. 5, 5, 4) dagegen ist als einer nicht von
Xenophon herrührenden analog der bereits von Elmsley als interpoliert
erklärten Sopboklesstelle mit fiexQig oi wohl abzusehen. Wenn es S. 101
heifst, dafs die Anwendung von ?wg als Präposition in der Qesetzes-
stelle bei Dem. 18, 106 nicht übersehen werden dürfe, so sei hiermit
auch auf die v. 1. Xen. Anab. 2, 5, 36 aufmerksam gemacht. Diese Ver-
wendung wird von Aristoteles ab häufig.
Wie oben bei den Dichtern sind auch hier noch einige übersehene
Stellen aus Prosaikern nachzutragen: aus Andokides 1, 134 ^wg mit Indik.
Aor.; 1, 69 ?wg &v mit Konj. Präs.; 3, 15 ewg av mit Konj. Aor, aus
Plato Phaedo löl D und Theaet. 155 a, beidemale S'oig mit Opt in einem
Potentialen Satzgefüge; Menex. 245 a und Tim. 61 biiiax^t;au3 Dem. 2, 31;
8, 41 u. a. aus Xenophon Cyr. 2, 3, 22; 3, 3, 39; Hell. 1, 1, 24 (drei
futurische Fälle mit ewg üv und Konj. Präs.); Cyr. 5, 3, 53 itag äyyelog
ll&oc (futur. Fall in or. obl. nach hilevev); Cyr. 1,3, 11 ?wg Ttaga-
reivacfAi (Opt. durch Attraktion eines Potentialis) ; ferner Scog Cyr. 3, 3, 49 ;
Hell. 4, 5, 16; 5, 2, 8; 4, 9; 6, 6, 17; Besp. Ath. 2, 14; Anab. 4, 3,
9; y^g av Hell. 3, 4, 5; Mem. 2, 1, 13; 4, 2, 8; 5, 9; Hell. 3, 1, 15
6 d' dneKQivaTO qyvl&TTBtv avTa, eav &v avrdg il&wv oi>v aitf^ hiEivip
Mßii rä d(0^a; Cyr. 8, 8, 9 ptex^i ro^vov ead-lovzeg Ttat Ttivovreg, €ütb
Tteq Ol dipiait&Toi ycoiiidffievov (ungewöhnliche Attraktion des Part., etwa
zu vergleichen mit Isokr. 4, 21 8aov diaq>iQovaav) zugleich mit Korrelativ;
ferner eare Anab. 3, 3, 5 ; Ag. 2, 13 ; ear av Anab. 2, 3, 9; Oec. 1,23 ; Resp.
Lac. 5, 3; iäIxql Anab. 7, 1, 1 (bis); Hell. 1, 1, 3;f>iexQiS aVHell. 1, 1, 27.
Eine selbständige Durcharbeitung der Inschriften hat Fuchs nicht
unternommen, bezieht sich vielmehr auf die Grammatik von Meisterhans.
Von den sechs Paragraphen des Schlufskapitels , in denen die hauptsäch-
lichsten Ergebnisse kurz zusammengefafst werden, verdienen der vierte und
fünfte über den Gebrauch der Tempora und Modi als besonders dankens-
wert rühmend hervorgehoben zu werden.
o
Neue Philologische RondBchan Nr. 10. 227
Ein schlimmer Druckfehler ist es, wenn wir S. 101 Z. 2 y. ü. ,,bi8^*
st. „so lange ^^ lesen. Im fibrigen ist der Druck recht sorgffiltig. Ä.ur8er
einigen bereits oben angedeuteten Versehen und etwa elf Unebenheiten
in Akzent und Spiritus bedürfen noch zwei Angaben der Bichtigstellung.
Man lese nämlich S. 12 Z. 1: 609; S. 24 Z. 12: 17, 298.
Mfinchen. Ph. IRTeber.
123) OuBtav Hdlscher, Palästina in der pendachen und
hellenistischen Zeit. (Quellen und Forschungen zur alten
Geschichte und Geographie, herausgegeben von W« Sieglin.
Heft 5.) Berlin, Weidmann, 1903. 99 S. 8. jM 3.-~.
Zweck der auf eingehenden und sorgfältigen Studien des Verf. be-
ruhenden Arbeit ist es, die Entwickelung der territorialen Yerhältnisfle
Palästinas von der Perserzeit bis zur Einrichtung der römischen Provinz
darzustellen. Bei dem geringen hiabNrischen Material, das dazu vorliegt,
und bei der Kritiklosigkeit der meisten alten Schriftsteller in der geo-
graphischen Nomenklatar mufs die Kombination der dürftigen Quellen-
angaben und Vermutung die Lficken möglichst ausfallen. Ich glaube,
dafs die meisten Schlüsse des Verf. das Bichtige treffen. Der Stoff nötigte
zu Einzelabhandlungen, deren Hauptergebnisse ich kurz zusammenfasse.
Die Satrapie des Darius, zu der Palästina gehörte, der 5. vd^Aog des
Herodot, reichte nördlich etwa bis zum Euphratknie, Nordostgrenze war
Thapsakus; ihr alter Name war „jenseits des Flusses ^^ (Euphrat). —
Gölesyrien: dieser Name für Syrien westlich vom Euphrat findet sich
erst nach Xenophon, zuerst bei dem Periegeten Skylax und zwar von diesem
offenbar aus einer Vorlage übernommen, die etwa um 385 entstanden ist.
^H ytoikri 2vQia bezeichnet im Gegensatz zu ^ tevu> 2vQia («s Mesopo-
tamien und das Gebiet westlich davon bis ans Meer) das westliche Syrien,
der Name l^aavgia verschwindet. Später wird der Name erst beschränkt
auf das Tal zwischen Libanon und Antilibanon. — Der Zusammenbruch
der Philister ist gegen 400 erfolgt, wo den Phöniziern Askalon überlassen
wurde. In das südliche und südwestliche Palästina sind etwa seit 600
arabische Stämme eingerückt; Herodot nennt die palästinischen Syrer
beschnitten, während die Philister im Alten Testament oft als unbeschnitten
bezeichnet werden. Die Idumäer, ein arabischer Stamm, sind nach der
Katastrophe von 586 Herren im Süden geworden. Das Nabatäerreich
um Petra scheint gegen Ende des 5. Jahrh. gegründet zu sein. — Die
228 Nene Philologische Bundschan Nr. 10.
Ausdehnung des Gebietes der Juden nach Nehemias Zeit läfst sich durch
die Bficher der Chronika näher bestimmen, in denen die späteren Zu-
stände auf alte Zeiten übertragen sind. Das samaritanische Schisma, jünger
als der Abschlufs des Pentateuchs, fällt in die Zeit um 350, wo der
Eriegszug des Artaxerxes Ochus viel Unheil über das Land brachte; auf
dies Schisma bezieht sich der Tritojesaias (Kap. 56 — 66). — I/v^ÖTtoXig,
in dem heidnisch gebliebenen Gebiet nordöstlich von Samaria, hält Yerf*
nicht für Sukkot, sondern mit älteren Autoren für eine Stadt der Skythen'
die bei dem grofsen Skythenzug um 600 hier sitzen geblieben sind. —
Den Fall Jerichos unter König Artaxerxes setzt Verf. mit sehr grofser
Wahrscheinlichkeit um 350 unter Artaxerxes III. Ochus an ; die Juden haben
sich sicher an dem grofsen Aufstande der Mittelmeerküste beteiligt. —
Unter den Diadochen erfolgte eine neue Satrapieneinteilung durch Seleukus
Nikator; die Bezirke waren jetzt viel kleiner: in Syrien sind es Idumäa,
Samaria, Phönice, Cölesyrien, zusammen auch Gölesyrien genannt, und
Apamea, Laodicea, Seleucia, Pieria, zusammen = Seleucis. — Der eigent-
liche Gründer griechischer Städte ist Seleukus Nikator; auch die nach
Alexander dem Grofsen benannten Orte sind erst nach dessen Zeit, meist
von Seleukus gegründet. Gröfstenteils waren es nicht Neugründungen,
sondern Bildung selbständiger Kommunen. — Das Gebiet von Jericho,
das um 350 den Juden verloren ging, ist durch die Makkabäer wieder-
gewonnen und zwar durch Johannes Hyrkanus 134. — Der Name Judäa
für die Landschaft ist erst in der Makkabäerzeit sicher zu belegen, Galiläa
bereits in der Septuaginta, Gälil ist aber der alte Name des Gebietes vor der
Seleucidenzeit. — Der letzte Abschnitt behandelt die Tyrannis in Palästina
nach der Erhebung der Makkabäer und die Einrichtung der römischen Provinz.
Diese kurze Zusammenstellung mag genügen, um auf die in dem
Hefte steckende Fülle von Arbeit und die reichen, hie und da vielleicht
anfechtbaren, aber doch bemerkenswerten Ergebnisse hinzuweisen.
Oldesloe. Reimer Baasen.
124) Fritz Oeyer^ Topographie und Oeschichte der Insel
Euböa. I. Bis zum peloponnesischen Kriege. (Quellen
und Forschungen zur alten Oeschichte und Geographie, heraus-
gegeben von W. Sleglin. Heft 6.) Berlin, Weidmann, 1903.
124 S. 8- Ji 4-.
Diese eingehende Untersuchung verwertet vor allem das inschrifUiche
Material, bei dessen höchst mühseliger Sammlung Hiller v. Gärtringen
'^
Neae Philologische Rondsehaii Nr. 10. 229
dem Verf. Dienste leistete. Leider reicht der Stoff nicht immer aus, nm
die alten örtlichkeiten mit neueren zu identifizieren, und man mufs sich
öfter mit Vermutungen begnfigen. Geyer behandelt zunächst das All-
gemeine (Qröfse, Gebirge und Flfisse, Namen der Insel, Produkte, Be-
völkerung, Übersicht der Geschichte), dann die Topographie und Geschichte
der einzelnen Ortschaften von Mittel-, Nord- und Süd-Euböa. Die Arbeit
erforderte riesigen Sammelfleifs, zahllose kleine Notizen aus der neueren
fhilologischen u. s. w. Literatur mufsten verwertet werden. Ich kann
auf Einzelheiten hier nicht eingehen , betone nur noch , dafs auch für die
allgemeine Geschichte, nicht blofs für Lokalgeschichte, durch erneute
Prüfung alter Überlieferung und neuerer Vermutungen manches abfällt.
Die Fortsetzung wird hoffentlich in nicht zu langer Frist erfolgen.
Oldesloe. R. Baasen.
125) Ftlhrery Übui^^sstoff zum Übersetzen ins Lateinische
im Anschlufs an Ciceros Beden für S. Boscius, über den Ober-
befehl des Gn. Pompejus und für den Dichter Archias. Münster,
Aschendorff, 1903. 55 S. 8. Ji 1.10.
Während man eine Zeitlang infolge einer Bestimmung der früheren
Lehrpläne die Aufgaben zum Übersetzen ins Lateinische so eng an die
Lektüre anzuschliefsen pflegte, dafs die Gedanken des Schriftstellers nur
mit anderen Worten und Wendungen einfach wiederholt wurden, ist man
neuerdings zu der Einsicht gekommen, dafs ein solches Verfahren bei dem
Schüler notwendig Überdrufs und Langeweile hervorrufen mufs. Man be-
müht sich daher jetzt fast allgemein die Texte so zu gestalten, dafs zwar
die Beziehung zur Elassenlektüre gewahrt bleibt, die Schriftwerke aber
nicht durch öde Umschreibungen und Variationen verwässert, sondern durch
andere Gruppierungen des Gedankeninhaltes und geschichtliche Erläuterungen
dem Verständnis des Schülers näher gebracht werden.
Nach diesen gesunden Grundsätzen ist auch die Sammlung Führers
gearbeitet, und es gibt wenig Bücher, in denen sie mit solcher Folge-
richtigkeit und solchem Geschick im einzelnen durchgeführt sind. Mit
grofser Anschaulichkeit werden die Verhältnisse, unter denen die drei
behandelten Beden gehalten sind, geschildert, die historischen Anspielungen,
die sich in ihnen finden, sorgfältig erläutert, der Inhalt der Beden selbst
scharf gegliedert, die einzelnen Teile durch passende Überschriften hervor-
230 Nene Philologische Bandschau Nr. 10.
gehoben — kurz es ist nichts verabsäumt, um dem Schüler ein gründ-
liebes Verständnis dieser Schriftwerke zu erschliefsen.
Ebenso hoch stehen die Stücke in sprachlicher Beziehung. Sie zeichnen
sieh durch klare, frische und echt deutsche Ausdrucksweise aus, so dafs
man beim Durchlesen fast vergessen kann, zu welchem Zwecke sie ge-
schrieben sind.
Doch der Verf. selbst verliert diesen Zweck nie aus dem Auge. Es
werden nicht nur die wichtigsten grammatischen Regeln reichlich geübt,
sondern auch einzelne stilistische Regeln, besonders über Verbindung der
Sätze, Unterordnung statt deutscher Beiordnung u. a. zur Anwendung ge-
bracht. Dabei wird aber mit richtigem Takte ein Häufen von Schwierig-
keiten, das den Schüler leicht mutlos macht, vermieden. Auch nach
dieser Seite verdient die Arbeit uneingeschränktes Lob.
Zum Schlüsse sei es mir gestattet auf ein Versehen aufmerksam zu
machen. Im St. 52 ist L. Lucullus Propraetor statt Prokonsnl genannt.
Im St. 38 ist der Ausdruck: „Die Leute betrachteten Pompejus wie einen
vom Himmel Herabgefallenen^' verfehlt.
Potsdam. E. Krause.
126) Fr. Eoldewey, Jugendgedichte des Humanisten Johannes
Caselius. In Auswahl und mit einer Einleitung herausgegeben.
Braunschweig, Job. Heinr. Meyer, 1902. XLVI u. 48 S. 8.
Die gediegene Arbeit verdient die allgemeinste Beachtung der Philo-
logen, trotzdem man in unserer Zeit, wenn auch irrtfimlich, lateinische
Verskunst als nutzlose Spielerei und Zeitvergeudung zu betrachten pflegt
und nicht bedenkt, dafs gerade die hervorragendsten Dichter der Huma-
nisten zugleich auch die wissenschaftlich und sittlich tüchtigsten waren.
Sie zerfällt in zwei dem Umfange nach fast gleiche Teile. Der erste
beschäftigt . sich mit dem Lebens- und Entwickelungsgange des 1533 zu
Göttingen geborenen und 1613 zu Helmstedt als der letzte grofse Vertreter
des untergehenden Humanismus, wie Verf. S. ii treffend betont, gestorbenen
Johann Kessel bis zu seiner Immatrikulation in Wittenberg (1551) und
nimmt auch auf die Schicksale des Vaters und der Mutter des Dichters
Sficksicfat. Ersterer mufste wegen seiner fortwährend geringen und un-
sicheren Einnahmen, sowie wegen vielfacher konfessioneller Anfeindungen
als Gegner des Interims achtmal sein Amt und seinen Wohnsitz wechseln,
bis er 1580 in GOttingen in leidlicher BuhQ starb.
i^ene Philologisdie Randschaa Nr. 10. 231
Der zweite Teil des Baches gibt eine recht gediegene, etwa die HUfte
der carmina puerilia nmfassende, ffir den Dichter sehr charakteristische
Auswahl in chronologischer Reihenfolge, nämlich 64 längere and kürzere
Gedichte, welche im allgemeinen ein glänzendes Zeagnis von der Gewandt-
heit des Gaselias in der Behandlang nicht nar heroischer, elegischer and
jambischer, sondern aach verschiedener lyrischer Versmafse, sowie seiner
grofsen Herrschaft über den Sprachgebraach and seiner Belesenheit in den
römischen Dichtern abgeben. NatQrlich sind seine Gedichte, die vielfach
allerlei biblische Abschnitte, Gebete, christliche Ermahnangen a. ä. in
Yerse kleiden, aach seine persönlichen Verhältnisse behandeln oder, wie
Nr. 1—6 and 9, Streitgedichte aaf das von seinen Lehrern and auch ihm
selbst gewaltig gehafste Interim sind, nicht frei von den dem Humanismos
überhaupt, wie Verf. S. 35 und 36 eingdiend ausführt, eigenen prosodi-
schen und metrischen Fehlem. So mifst er falsch /oc Nr. 28, 62 und
Nr. 64, 3 ; quötüKänum Nr. 10, 43, guöfidtäna nach Gatull 68, 139 (vor
Lachmann) Nr. 48, 10, dagegen wieder qtioticKüna Nr. 59, 7 ; agendö und
effkiendö Nr. 17,51, bez. 57, 31; eoangelivm Nr. 58,3; er vemadi-
lässigt auch den üblichen Einschnitt zwischen den beiden Choriamben im
asclepiadeus minor Nr, 11, 5 und 7 und selbst bis in sein höchstes Greisen-
alter die Cäsar zwischen dem akatalektischen Tetrameter und dem Ithy-
phallikus in archilochius major, wie Nr. 12, 1. 3. 5. 9. Gering ist da-
gegen die Zahl der bei Caselius vorkommenden, schon damals als solche
angesehenen, wirklich groben metrischen Fehler, wie die unmögliche Cäsur
in Atque mari, adversa or | ta tempestate coactam oder gar ad | versa orta
tem|pestate Nr. 28, 24 nebst den Messungen inhiai, änimo, domicüia, Itä-
Ucos, perts, lücere und mülisri in der nicht mitabgedruekt^ Paraphrase
des 113. Psalms.
Als Meisterwerk der Verskunst wollen wir namentlich hervorheben
die schon oben erwähnten Nr. 2—6 und 9, meist sehr gewandte Akro-
stichen, Nr. 10, das Vaterunser zum erstenmal in sapphische Strophen
gekleidet, Nr. 17, Paraphi-ase von Rom. 8, 31, Nr. 18, Paraphrase von
Psalm 52, Nr. 22, „Christ ist erstanden** in fünf verschiedenen Versarten
(in phaläcischen Versen, sapphischen Strophen, jambischen Trimetem,
Distichen und einzelnen Hexametern), Nr. 24, Epitaphium scholae Theo-
politanae, auf die grause Vernichtung der vom Dichter besuchten Göttinger
Schule bezüglich, die tief religiösen Gedichte Nr. 40 — 60 und unter ihnen
namentlich die beiden längeren Elegieen Nr. 47, Ad Ebrium, und Nr. 53,
Nene Philologische Rundschau ^r, lO.
Epicnreorom Gogitationes, ferner Nr. 50, sapphische und elegische Verse
unter der Bezeichnung Fortuna pii doctoris zusammengefafst , dem wegen
seiner Glaubenstreue so vielfach angefeindeten Vater gewidmet, und Nr. 51,
eine innige Bitte fQr den erkrankten jüngsten Bruder. Becht charakte-
ristisch ist auch Nr. 49, Distichen über die Quatuor sectae philosophorum
enthaltend, in denen er die Hauptgrundsätze und Unterschiede der vier
wichtigsten Systeme, der der Peripatetiker, Epikureer, Stoiker und Aka-
demiker, im engsten Anschlufs an das Kompendium der Dialektik von
Melanchtbon kurz darstellt und sich als Anhänger des Aristoteles zu er-
kennen gibt.
Wollstein. K. LSsohhora.
12 7) Friedrich Aly, HumanismuB oder HiBtorismus. Marburg,
N. G. Elwert, 1902. 31 S. gr. 8. Ji -.60.
Diese kleine, vom 3. Mai 1902 datierte Schrift wendet sich g^en
die obligatorische Einführung des von Ulrich v. Wilamowitz-Moellendorff
herausgegebenen griechischen Lesebuches und berührt sich daher in manchen
ÄufseruDgen und namentlich in ihrem Grundgedanken mit meiner Be-
sprechung jenes Buches^ wie ich sie, ohne damals schon Alys Schrift zu
kennen, in Nr. 18 dieses Blattes vom 6. September 1902 veröffentlicht
habe; Aly hat in einer Broschüre selbstverständlich sowohl etwas weiter
ausholen als auch etwas näher auf die einzelnen Bestandteile des Lese-
buches eingehen können, als mir das in einem Artikel möglich war. Dafs
er zu demselben ablehnenden Ergebnisse gelangt, kann mir natürlich nur
zur Genugtuung gereichen, aber mit der Art seiner Darlegung bin ich
nicht überall ganz einverstanden. Mitunter fafst er mir etwas zu derb
zu oder ergeht sich, z. B. in dem, was er über den „Historismus" oder
über die Stellung des Gymnasiallehrers zur Wissenschaft sagt, in nicht
vollkommen klaren Wendungen. Insbesondere vermag ich nicht zu glauben,
dafs mit dem neugepri^ten Begriffe des Historismus und seiner Entgegen-
setzung gegen den des Humanismus der Kern der Streitfrage ganz genau
bezeichnet sei; die Vertreter der humanistischen Bildung empfehlen diese
doch gerade, weil sie nicht blofs eine philosophische, sondern auch eine
historische Schulung sein soll, nur wollen sie diese historische Schulung,
soweit sie durch die Betreibung der alten Sprachen und speziell der grie-
chischen beschafft werden soll, durch die Vorführung von Typen, nicht
durch eine polyhistorische Unterweisung geben. Das ist auch Alys Mei-
Nene Fhilologieehe BnndaebM Kr. 10. S88
" * ■ ■■ ■ ■■■'■- -■—■—■ . ,,-,.,..»^ ■ , . ■ . ._-■■,.»■■■ I. j... . ... ...-1 .. .. — --^g~»
nuDg, aber sie ist durch den kflnsüich geschaffenen Gegensatz , wie er in
den beiden Wörtern des Titels liegt, eher verdunkelt als ins rechte Licht
gestellt worden.
Bremen. Edm. FrUmm.
128) J. B. S^all, Corneille and the Spaniah Drama. New
Tork, The Macmillan Co. 147 S. 8. geb.
Das Buch ist ein erfreuliches Zeichen daftlr, dafs die Teilnahme
Amerikas an der philologischen Arbeit im Wachsen begriffen ist, trotzdem
diese auf dem Weltmarkt noch immer so niedrig notiert wird.
Es bietet eine Reihe von Essays fiber Dramen Gomeilles, die durch
den steten Ausblick auf die spanischen Parallelen zu einem Ganzen ver-
einigt werden. Der Verf. ist bemüht, so vollständig wie möglich zu sein.
Deshalb geht er von einer kurzen Erörterung des spanischen Einflusses auf
das französische Geistesleben und von der Entwickelung Gomeilles aus, um
dann die unter direkter spanischer Einwirkung stehenden Dramen genauer
zu betrachten und mit ihrer Quelle zu vergleichen. (Dies sind nach
Segall Cid, Le menteur, La suite du menteur, Don Sanche d' Aragon.
H^raclius beruht seiner Ansicht nach nicht auf Galderon.) Dabei sucht
er in die Motive für Gomeilles Behandlung des Stoffes einzudringen und
diese zu würdigen.
Die Arbeit zeugt von Verständnis und urteil Es fehlt die Heran-
ziehung resp. die Angabe ihrer Vorlagen und Hilfsmittel. Der Anordnung
mangelt verschiedentlich der überlegene Gedanke. Die Resultate bieten
im wesentlichen nichts Neues.
Wernigerode. Ctoerbfaf.
129) E. LavisBe^ Histoire de France depuisles origines jusqu' k
la revolution. Publice avec la coUaboration de MM. Bayet etc.
Tome cinqui&me I : Lee guerres dltalie, La France sous Charles VIII,
Louis XII et Fran^ois l** (1492—1547) par Henry Lemomiler,
professeur k Tuniversit^ de Paris. Paris, Librairie Hachette et de.,
1903. 393 S. 4.
Dieser ^eil der Geschichte Frankreichs führt uns die auswärtigen
Unternehmungen zu Ende des 16. und zu Anfang des 16. Jahrh. vor,
da die italienischen Staaten schon nicht mehr imstande waren, sich selb-
ständig den Türken gegenüber zu behaupten, vielmehr in ihrer Uneinig-
keit und Zersplitterung einzelne daran dachten, sich mit den Türken zu
284 Neae PhilologiBche Bundsobau Nr. 10.
verständigen. Es ist die Zeit der Päpste Alexanders VI. und Julius' IL,
die uns vor kurzem mit sehr gemehrtem Material L. Pastor im dritten
Bande seiner „Geschichte der Päpste seit dem Ausgang des Mittelalters'^
gesdiildert hat. Auch der französische Verf. spricht von der Tätigkeit
Savonarolas in Florenz, da diese den Unternehmungen König Karls VIII.
in Italien zu gute kam. Nach dem Abzug der Franzosen unterlag Savo-
narola den Medici und der römischen Kurie (1498). „Aprte sa mort, la
place restait libre en Italie ä la Papaut^ temporelle comme ä tous les ätrangers/'
Nicht ohne Interesse ist die „ allgemeine *' Bibliographie, die der Verf. ffir
sein „erstes Buch*', das eben „die Kriege in Italien '* behandelt, anfAhrt.
Er nennt das Werk von J oh. Janssen, Bd. I, worin die allgemeinen Zu-
stände des deutschen Volkes beim Ausgang des Mittelalters geschildert
sind (18. Aufl. 1897), „traduction fran9aise de E. Paris sur la 14® Edition,
1887"; H. ülmanns Kaiser Maximilian; Pastors Päpste, wovon die
dritte Auflage erschienen ist: „traduction fran9aise de Furcy Baynaud, sur
une Edition ant^rieure'^ Dann mehrere französische Werke: Perrens,
Histoire de Florence, depuis la domination des M^dicis jusqu'ä la chute
de la räpublique, t. 1, 2, 3 (1888—1890); Boissonade, Histoire de la
räunion de la Navarre ä la Castille, 1893. Bott, Histoire de la repr^
sentation diplomatique de la France aupr^ des cantons Suisses, 1. 1(1900).
Himly, Histoire de la formation territoriale des fitats de TEurope cen-
trale, 2 vol., 2"" Edition, 1894.
Man lernt auf diese Weise die Wertschätzung kennen, deren sich
deutsche Werke in Frankreich erfreuen, und französische Literatur, von
der die, welche die inneren Angelegenheiten Frankreichs betrifft, wieder
besonders ins Gewicht fällt. Ffir das Studium der allgemein europäischen
Geschichte hat jeder Band des Sammelwerkes von Lavisse seine eigen-
tümliche Bedeutung. Während der letztpublizierte erste Teil des vierten
Bandes (1902), den A. Goville bearbeitet: „Die ersten Valois und der
hundertjährige Krieg (1328—1422)'' mehr den inneren Krisen des fran-
zösischen Reiches gewidmet war, behandelt der vorliegende erste Teil des
fünften Bandes fiberwiegend die auswärtige Politik, wodurch Frankreich
neben Spanien, König Franz I. neben Kaiser Karl V., in die erste Linie
vorrfickte. Daneben werden aber auch der König und sein Hof, die Aus-
bildung des monarchischen Systems, ferner die Einflüsse der Benaissance
(ein interessantes literar- und kunsthistorisches Kapitel), die Einwirkung
der Beformation, die veränderten ökonomischen Verhältnisse, überhaupt die
^^
Neue Philologische Rnndaehm Nr. 10. 285
Anf&Dge der „modernen*^ Zeit in gelaogener Weise dargestellt Auf Einzel-
heiten näher einzugehen, ist hier nicht der Ort Es genfigt, den Eindruck
im allgemeinen zu konstatieren.
Prag. J. Jobs.
130) Lten Leyranlty Lea Oenres Littörairea. (Involution des
Genres.) 12. La Poesie Lyrique 160 S. — L*£pop^e
112 S. — Le Roman 116 S. — La Gom^die 125 S. —
Drame et Tragödie 132 S. Paris, Delaplane.
PreiB jedes Blndohens geh. fr. — . 75.
Bereits im Jahrg. 1902 dies. Zeitschr. ist auf den Seiten 207 und 568
fiber die Eompendienreihe berichtet worden, die der Delaplanesche Verlag
aus dem Gebiete der Philosophie, der Pädagogik und der französischen
Literaturgeschichte herausgibt Mir liegen ffinf solcher Bftndchen vor, alle
literarischen Inhalts und sämtlich von dem Gymnasialprofessor L. Levrault
in den Jahren 1901/2 veriarst Sie behandeln die lyrische Poesie, das
Epos, das Lustspiel, das Schauspiel und Trauerspiel sowie den
Born an. Dafs in jedem Bändchen eine Literaturgattung für sich be-
handelt wird, hängt mit dem Zweck der ganzen Publikation zusammen,
die in erster Linie zur Examensvorbereitung bestimmt ist. Da in üni-
versitätsvorlesungen die einzelnen Literaturzweige derselben Epoche meist
nebeneinander besprochen werden, ist es zur genauen Einprägung des
dort vorgetragenen Stoffes sicher förderlich, wenn dieser den Examinanden
einmal in einer ganz anderen Anordnung geboten wird. Dinge, die er
zuerst im Querschnitt kennen gelernt hat, werden ihm entschieden ver-
trauter, wenn er sie im Längsschnitt noch einmal betrachtet, unter diesem
GesichtEfpunkte sind die Bändchen als durchaus praktisch zu bezeichnen.
Da aufserdem der Verf. das Wichtige vom unwesentlichen zu trennen
weifs und eine glatte Darstellung mit tfichtiger Sachkenntnis vereinigt,
so wird seinen Kompendien der buchhändlerische Erfolg nicht fehlen.
Das Aufsere des Textes liefse sich allerdings wohl noch zweckentsprechender
gestalten. Bei Einprägung jedes Lernstoffes ist das Auge ein sehr wesent-
licher Faktor. Dem mfifste durch konsequentere Benutzung des fetten
Druckes Bechnung getragen werden. Die praktische Verwendbarkeit seiner
Kompendien wflrde Levrault sicherlich bedeutend erhöhen, wenn er nach
einem gewissen System Schriftsteller, Werke und andere wichtige Tat-
sachen auch äufserlich als wesentlich kennzeichnete.
Peine. Carl Friotlaad.
N«ae Pbilologigcbe Bundaehan Nr. 10.
13t) K Engelkei Cahier de Hotes. Stilistisches Hilfis- und Merk-
buch des FranzGsischeD ffir Schüler der Oberklassen , eingerichtet
zur Aufnahme von weiteren im Unterrichte voigenoounenen Be-
obachtungen und idiomatischen Ausdrficken. (}otha, Friedrich
Andreas Perthes, 1902. 192 S. 8. geb. Jf l.bO.
Einen an sich nicht Qblen Oedanken hat der Verf. in diesem Buche ver-
wirklicht Von der Tatsache ausgehend, dafs nichts so bildend wirkt als
das selbst Erarbeitete, und daTs eine Phrase ihre rechte Bedeutung erst
im lebendigen Zusammenhange zu zeigen vermag, will Engelke den Schiller
selbsttätig zur Mitarbeit, zum Beobachten und zum Sammeln des Sprach-
materials heranziehen. Er hat sich daher im allgemeinen auf einen
kleinen Stamm von Beisrpielen beschränkt, den der Schiller selbständig
oder unter Anleitung des Lehrers vermehren kann. Zu diesem Zwecke
ist das Buch reichlich mit leeren Blättern durchschossen, und der Schfiler
ist so in der Lage, die aus der Lektfire neu gewonnene sprachliche Be-
lehrung an passender Stelle einzutragen, das Neue in ein System von ähn-
lichen und bekannten Ausdrücken einzugliedern und es so vor dem
häufigen Schicksal des schnellen Yergessenwerdens zu retten. — Das ganze
Werk ist aus allmählichen Aufzeichnungen des Verf. hervorgegangen, wie
man ihm noch deutlich anmerkt Es ist dadurch recht Verschiedenartiges
zusammengeraten: stilistische, synonymische, orthographische, lexikalische,
grammatische, etymologische, historische und phraseologische Bemerkungen
fallen die verschiedenen Bubriken, ein reiches Material, das an einigen
Stellen noch besser hätte geordnet werden können. So wäre S. 45 bei
den Wörtern mit leicht zu verwechselndem Geschlecht wenigstens alpha-
betische Reihenfolge zu beobachten gewesen. Die stilistischen Batschläge
sind etwas äufserlich ausgefoUen. Wenn z. B. S. 8 ohne weiteren Zusatz
der Gebrauch des historischen Infinitivs angeraten wird, so mufs das dem
Schfiler einen ganz falschen Begriff von der Verwendbarkeit dieses Stil-
mittels geben. Auf S. 68 ist die Begierungszeit Ludwigs XIV. falsch
angegeben.
In der Hand verständiger Schfiler, die einige Anleitung in der
Einrichtung solcher Sammlungen erhalten haben, könnte sich das Heft recht
nfitzlich erweisen.
Bremen. W. BBhrs.
:>
iteae J^lologischd RnndBcbaa Nr. 10. ^BI
132) Ludwig HaBbei^y Ei^liaohe Lieder mit Singnoten nnd
Wörterbnch. Leipzig, Rengerscbe Bachhandlnng, 1902. 80 S. 8.
geb. J$ 1. ~.
Das Bändchen entbUt auf S. 3— 6 eine aasfäbriicbe Vorrede, die
beeondeTB darauf hinweist , dafs die Lieder und Melodieen einer solchen
Sammlang ffir jede Elassenstufe praktisch nnd bequem verwendbar ge-
gewählt sein müssen, dafs das Singen fremdsprachlicher Lieder nnd Oe-
diehte eine lautlich reine Aussprache vermitteln sowie das Lernen von
Vokabeln und Bedewendungen erleichtem, dafs es nutzlich und angenehm
ist, wenn die Schfiler ein fremdsprachliches Liederbuch durch alle Elassen-
stnfen hindurch in ihren Händen haben. Auf S. 7—11 befinden sich
„kurze Vorbemerkungen 'S die einfach und klar gehalten sind und aus
folgenden Abschnitten bestehen: 1) Erst der Laut und dann die Schrift,
2) Stimmhafte und stimmlose Laute, 3) Kurze Bemerkungen Qber die
englische Aussprache, 4) Die Bindung im Englischen, 5) Das Singen eng-
lischer Lieder.
Dann folgt auf S. 12 und 13 das Inhaltsverzeichnis der Lieder, auf
S. 14 das Verzeichnis nach Melodieen, auf S. 15 — 57 der Text der Lieder
und die zu jedem Liede oder jeder Liedergruppe gehörigen Singnoten; auf
S. 58 befinden sich die Lautzeichen und deren charakteristische englische
Schreibweise nebst tre£Eenden Beispielen, wobei au, ai, oi konsequenter
durch a^, a^, <A wiedergegeben wäre. Auf S. 59—80 findet sich das Vokabu-
Lirium und zwar so, dafs fär jedes Lied gesondert die den Schfilern etwa
unbekannten Wörter, Wendungen und Verbalformen angegeben sind. Die
Aussprache, allerdings ohne Angabe des Wortakzentes, ist zum Teil bei-
gefOgt, in manchen fällen sogar überflfissigerweise (z. B. bei but, äo,
steep etc., die schon als MnsterwOrter in der Lauttabelle stehen), in an-
deren Fällen aber ohne Orund unterlassen (z. B. bei shepherdess, beauti-
fiä, unharmed etc.).
Die Liedersammlung enthält Lieder und Oedichte, die englischen
Liedersammlungen entnommen sind, oder die der Verf. selbst im Auslande
gesaaimelt hat, daneben auch elf Übersetzungen bekannter deutscher Lieder.
Die Wahl der ersteren ist zweckmäfsig geschehen, die Zahl der letzteren
scheint mir dagegen zu grofs, eins oder zwei als Probe englischer Über-
aetzong hätten auch genügt, da man wohl kaum Übersetzungen wie The Watch
on the Bhine, The Linden Tree, When the Swallows homeward fly etc. lernen
und -singen lassen wird, wenn einem englische Originale zu Gebote stehen.
Nene PhilologfÜMsbe Bandsehaü Nr. 10.
Abgesehen von einigen leichten Drackfehlern in der Aussprache-
bezeiehnnng des Yocabnlary entspricht das Bändchen in seiner ganzen
Ausstattung allen Anforderungen und kann somit allen Freunden des Ge-
sanges fremdsprachlicher Lieder beim Unterricht empfohlen werden.
Lauenbnrg (Pommern). Hugo NIemer.
133) Charles Turley, Oodfirey Märten Schoolboy. London,
W. Heinemann, 1902. 338 S. 8. 3 s. 6 d.
Das Buch schildert das Leben und Treiben eines Schulers einer eng-
lischen public school und einiger seiner Freunde. Es gibt jedoch nicht
— und hierin liegt meines Erachtens einer seiner Hauptnachteile —
grofse, abgerundete Schilderungen der verschiedenen Seiten des englischen
SchuUebens, etwa in der Art wie Tom Brown's Schooldays sie bietet, und
gerade solche sucht doch der deutsche Leser in derartigen Büchern be-
sonders. Vielmehr erzählt es die Erlebnisse jedes term, manchmal ein-
zelner Tage in tagebuchartiger, oft ermüdender Ausführlichkeit. Daher
ist zum Verständnis einige Kenntnis der Organisation einer public school
und besonders der englischen Nationalspiele cricket und FufsbaU nötig.
Natürlich hat diese Ausflihrlichkeit auch ihr Gutes, da sie ein getreues
Bild des alltäglichen Lebens, des Denkens und Fühlens eines englischen
Schülers gibt. Besonders interessant ist das Buch auch nach der sprach-
lichen Seite hin, es ist in ganz ^.miliarem Stile gehalten und vermittelt
so die Kenntnis zahlreicher Ausdrücke des school slang.
Der Inhalt läfst sich schwer wiedergeben. Wir sehen den Helden
Freundschaften schliefsen, einige fights mit seinen Feinden unter den
Schülern und zahlreiche rows mit der Jugend der benachbarten Dörfer,
mit Bauern und sogar mit Wilddieben bestehen, wegen deren er beinahe
von der Schule weggejagt wird. Wir erfahren, wie er und andere Kricket
und FufsbaU spielen, und der Verlauf zahlreicher matches wird uns vor-
geführt, wobei wir in die Eifersüchteleien und Feindschaften zwischen den
einzelnen boarding houses der Anstalt Einblick erhalten. Das Verhältnis
der Schüler zueinander und zu den Lehrern, besonders zu dem an der
Spitze des Hauses stehenden wird eingehend dargestellt. Das Gefühl der
Zusammengehörigkeit unter den Schülern desselben Hauses, das sich aller-
dings auch manchmal gegen die Lehrer richtet, der Abscheu vor Angeberei
aber auch vor der Lüge tritt deutlich hervor. Freilich stöfst uns manches
ab, wie z. B. die Art der Aufrechterhaltung des Disziplin durch Prügel,
^^
Üeue Philologische Bnodschau Nr. lo.
die von dem Lehrer und den älteren Scbfilem, den prefect, reichlich
ausgeteilt werden. Auch das urteil des Verf. über die Lehrer ist sehr
freimütig, besonders in einem Falle, wo einer von ihnen als absolute idiot,
süperb brüte etc. bezeichnet wird. Zu kurz kommt auch die Schilderung
des Lebens der Oesamtschule und der wissenschaftlichen Arbeit der Schfiler,
die ja in England überhaupt erst in zweiter Linie steht. Aber auoh die
Lichtseiten der englischen Erziehung zeigt dieses Buch klar : die Erziehung
zu körperlicher Gewandtheit, Ausdauer, Mut und Entschlossenheit, die Er-
ziehung zum gentleman und zu freiwilliger Unterordnung und die Selbst-
zucht, die die Schüler untereinander ausüben.
Breslau. Onri Bolehel.
134) Jul. Siegel 9 Pfidagogische Betrachtungen eines Heu-
philologen. Ein Beitrag zur Schulreform. Göthen, Otto Schulze,
1903. VII u. 62 S. 8.
Der Verf. bittet im Vorwort „davon überzeugt zu sein, dafs redliches
Streben nach Wahrheit sein steter Grundgedanke war'S und seine Aus-
führungen machen in jeder Zeile den Eindruck, dafs wir es mit einem
ernst strebenden, für seinen Beruf begeisterten und nur das Beste der
Schule wollenden Lehrer zu tun haben. Wenn auch vieles mehr für die
bayerische Heimat des Verf. bestimmt und aus den besonderen Zu-
ständen der bayerischen höheren Schulen erwachsen ist, so darf das Schrift-
chen doch Anspruch auf allgemeine Anerkennung machen, da es so manche
Frage berührt, die für alle Schulen gilt und überall und immer ihre Be-
deutung behält. Allerdings tritt dabei der „Neuphilologe" oft in den
Hintergrund, um dem praktischen Schulmann im allgemeinen den Vortritt
zu lassen; und wenn das auch mit dem eigentlichen Ziele des Verf. im
Widerspruch steht, so wird ihm doch mancher Anfänger für die zahl-
reichen Winke und Belehrungen dankbar sein. Einem älteren Schulmann
wird nicht viel neues gesagt, trotzdem wird auch er einzelne Kapitel
wegen der Frische der Darstellung und der Ehrlichkeit der Überzeugung
des Verf. gerne lesen. Ein bedeutender Beitrag zur Schulreform ist die Schrift
nicht; der Verf. scheint sehr nach der Seite der „Beform" zu neigen,
wenn er auch für die grammatische Methode hie und da eine Bemerkung
übrig hat. Soll indessen wirklich (S. 33) die alte grammatische Methode
bequemer sein, die Denkkraft der Schüler und die physischen und psychi-
schen Kräfte des Lehrers mehr schonen als die sogen, neue? Ich hab^
Q
240 Kette l^hildogisclie ttundschaii Kr. 10.
die Vorteile und Nachteile der ,, Beform '^ am eigenen Leibe kennen ge-
lernt nnd beantworte heute diese Frage mit einem fiberzengten Nein.
Ebenso fiberlasse ich neidlos den Beformem (S. 14) ,,die von einigen der-
selben berichteten, zum Teil ganz fabelhaft klingenden Erfolge '^ und freue
mich fDr meine Person Qber jeden wirklichen Erfolg, mag er noch so
bescheiden sein.
Kauen. Fries.
Vakanzen.
Attendorn, G. Obl. Math. Bürgermeister.
Brandenburg^ G. Obl. klass. Phil. Magistrat.
Danzlg, H.M.S. Obl. N. Spr. Magistrat.
— Stadt. G. Obl. Math. u. Turnen. Magistrat.
Dortmund, O.B.S. zwei Obl. 1) Math. 2) N. Spr. Gesch. Schulkaratorium.
Elblng^ Augusta-Viktoria-Sch. (H.M S.) Obl. Deutsch. M^istrat
Eschwege, G. Obl. klass. Phil. Kuratorium.
Frankfiirt a. M., Elisabethsch. (H.M.S.), Direktor. Kuratorium d. höh. Seh.
Cl^raudenz, O.B.S. zwei Obl. l) Math. 2) N. Spr. oder Deutsch u. Gesch.
Magistrat.
Itzehoe, B.S. Direktor. Kuratorium.
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Inhalt: Die Mailänder Demostbenes-Handschrift D 112 sap. (J. May) p. 241.
Bezensionen: 135) A. Zingerle, Livi ab arbe condita libri; YlL Faso. HI.
Liber XXXXIII (F. Laterbacher) p. 251. — 136) M. Hodermann, Unsere Armee-
sprache im Dienste der Cäsar -ÜbersetzuDg (Broncke) p. 252. — 137) W. Frei,
h err von L an dau, Die Stele von Ajniitb (B. Hansen) p. 253. — 138) G. Tropea-
Nnmismatica Messano-Mamertina (0. Hey) p. 254 — 139) A. Waldeck, Praktische
Anleitung zum Unterricht in der lateiniscnen Grammatik (E. Köhler) p. 254. —
140) K Scbnee, Hil&bflchlein f&r den lateinischen Unteiricht (M. Kleinschmit)
p. 255. — 141) P. S tapfer, Victor Hugo et la Grande Poesie Satiriqae en
France (Erich Meyer) p. 256. — 142) H. Scherer, Une Familie pendant la
Gnerre 1870/71 par Mme B. Boissonnas (E. Werner) p. 258. — 143) F. J. Wers-
hoven, Frankreich (Ad. Wad^erzapp) p. 259. — 144) J. Koch, Geo£Erey Chancer,
The Pardoner*s Prologne and Tale (H. Jantzen) p. 260. — 145) F. Bentsch,
Talks abont English Life (Ad. Wackerzapp) p. 262. — 146) Ph. Hangen,
Englische Übnngsbibliothek. Nr. 4: Gutzkow, Zopf und Schwert (H. Hofibcbnite)
p. 262. — Vakanzen. — Anzeigen.
Die Mailander Demosthenes-Handschrift
D 112 sup.
Von J. Hay (Dnrlacb).
Da schon längere Zeit keine Fortsetzung der Kollation dieser Handschr.
erschien, so sei wiederholt, dab behnfs Yereinfachong des Materials nicht
mehr die zahlreichen mit FQ Qbereinstimmenden Lesarten, sondern nur
die allerdings nicht zahlreichen Stellen verzeichnet sind, an denen D von
FQ abweicht. Wenn also bei Dindorf oder Blafs die Bezeichnung FQ
erscheint, so gilt dies auch fflr D, falls nichts Besonderes bemerkt ist.
Im übrigen beweist auch die folgende Kollation zu den Beden 45. 46.
47. 48. 49, dafs D mit den besten Handschriften konkurriert
Bede 45.
^Yftöd'eaig Toff ytarä Sveq>dvov xpevdogiaQtvqi&v i^yov. Überschrift
der Bede selbst:
242 Neue Philologiacbe Rundschau Nr. 11.
Kaxä Sr9q>dy(w xpevdofioQtvfUSv Xdyog fCQörog.
1 61 dtiMxatal ^). 2 alaxqo-Mqdlav ') (pr. 2). vfy^ %b tohcv nw.
(F2Q). — 8 noklj& ') &yav. — 6 Sfiq^avog oiroal *). — nunB/ia^viS-
iptfiB. xai % — 6 eddvdmav elaiiyai •). — ^iv oft' ^ — 8 *^fi-
q>lag (Q). — 9 cäa&dvBO&i mw gegen FQ. — 11 fii^ /uc d'iXuv. —
ädi du axoTceUe ^. — tivog Sv etvsKSv. Dazu Bandbemerkung: yq. yuxi:
roCf Tig fiv *). — 13 TtQÖg dv rö Tr^tfyfia"). — 16 äyayeiv TtQÖg ifißg. —
16 0^ eifeaviv^^) hart. — l%w noC «■.%.— 17 *^Si^un. — hti
Toütiav ija^^). — 19 Idße^^) (40i. {¥). — KjBq>dJitavoQ (BFQ). — 21 ro€f
^fioü Ttqg. — 22 eidad'ai. — 23 rmciy SHtav (v. corr. 2). — 24L Sy
a
1) An anderen Stellen ist gesolnieben: o» «fixaerTa/; das obige Zeieben ftber o» be-
deutet «f. So liest D überall, also immer & äv^Qis itxaarat und nicht & iiMaarai,
§ 3 ist S äpSQ€s ^ixaaral ausgeschrieben. Nach 2 ist aber in § 1 i&c äpigeg U^-
vaZw zu lesen.
2) Diese Form in D immer.
8) So schreibt D nicht selten den Dativ dieses Wortes. An sich wäre ja eine
volleic Fonn vor &yav. erwünscht, aber disr Dati? statt des passenden Akk. des In-
halts ist sehr zweifelhaft
4) Ebenso xarä St^tp, 6 § 1. in § 18 sogar yfyon StiqmfOi o^oifi.
5) An noch anderen Stellen fehlt in D am Schlüsse des Satzes y, so § 85 na^-
taxiiSaae; xal, § 49 igoVai. itxäaiiv. Ebenso vor kleineren Interpunktionen (Komma).
6) Der Dativ, obwohl er bei Isäus steht, scheint nicht Demosthenischer Sprach-
gebrauch zu sein, denn Bede 84, 4 heüst es auch ei^v&utiav eladtfra.
7) So trennt D bei dieser Form immer, ebenso ohe ovp,
8) An der Stelle scheint die Interpunktion nicht richtig zu sein. Der Satz &X£ &
bis ävofyHv ist Vordersatz zu Ad% Sij axoneZre, also Komma nach ävoiye&vi Ich
sage noch nichts darüber, ob dies Testament wahr oder falsch ist; ich werde euch so-
gleich darüber belehren, sondern was sie bezeugt haben, dab ich das Dokument
nicht eröffiien wollte, erwäget folgendermafiaen : „sed illud, quod testati sunt me ta-
bulas aperire noluisse sie considerate" (H. Wolf - Schäfer). Auch in dieser Übersetzung
also sind beide Sätze zusammengenommen. Nimmt man dies an, dann pafiit besser
d>&i iet axoTtitv. axon€Zr€ kann aus miÜBverständllcher Lesung entstanden sein, denn
axoTtitv wird handschriftlich so geschrieben, daCi man es für axoneire lesen kann:
axoTtitrC.
9) Wenn entores Sinn haben soll, dann wäre auch llg>ivyw nötig, denn der Bedner
spricht von sich.
10) Ist zweifellos richtig, denn erstens geht rd ngäy/Aa voraus, zweitens ist der
Ausdruck ganz allgemein: quocum mihi res erat.
11) Wird von den Bednem gern gebraucht.
12) Jedenfalls ro^ot^, aber ^ deckt sich mit £ und Bsiskes Konjektur y«. In D
fehlt nur iota subscr.
18) D akzentuiert immer so.
^-^
Nene Pbilologiidie BundaehMi Nr. 11. 248
Uetiiaag^).— döSg (¥). — ij fA^ ^njalp^ (FQ!)- — 26 hainog^). —
3j fiijy q>. (P). — 27 iji' yäq (BF2Q). — roAtm *) fCfCiffW fih. —
iomTia dta9^fi. — Sniag fiij iöau — 30 ii & t^d. (Q). — 81 Xdßß
A; iUOt(F). — 33 9^8iy (BF2Q).— fiOXloif ävau — 34 wu %ä älXa ^).—
i§Bipai di{S). — ftcerreXOg dij;ioi(BF2Q). — xoT^JU^e(F2Q). — 37 xa2 6 —
eldßiij (BFQ). — 39 hukeQog rib % — y9fqamiha irtb TOtkov ^). —
alaxfSyriy roaaövip %ai Vßqw ^ ^L• — 41 I6aai ^) xot xa^\ — 42 iii-
99iaaiQ (2Q). — 43 änlC^ adr<S>^^). — «l if hmv Ij fiij, walka oödiy
aßv^ fCfoailjiui cxoTteh^^). — 44 ßikrunw yAq hsti}^. — nffoauftih
(F). — r6 % 6lni^% — 47 yuaxiatoi (2). — 48 ^ o6d^ hefiv ye. —
51 tilg yQogftJg (F). — 63 yeyqafAfiiyovg ö r. Svd-q. fiSvw rdfiOvg^*). —
55 d'WfAviljaTav (Q). — 67 ^icciy (corr. S). — hoikrop r^ hJ'VV* —
1) Wie Wolf und Beiake geinmit haben.
2) „Omiiino afifamaf
8) ITie Wolf.
4) iDteresBant ist, dab SchSfer zu den folgenden xvqti^ y, bemerkt: „DaÜTnm
(arv^) tnerer, bIt. 19 (das itt eben die Torliegende Stelle) scfiptnm eaeet: i)y— roOro
4>oqfiiuv& nQßTw fikv." Nnn eteht hier der ¥<m Schäfer Terlangte DatiT, also
wird obige Lesart richtig sein.
5) Sonst immer t&XltL
6) Steht iwar IX^ am niehsten, ist aber anch nidit mehr weit ¥on der WoUbohen
Konjektur entfernt
7) Ist die bessere Stellang.
8) Die SteUnng wird wohl richtig sein.
9) So aksentniert D immer; das folgende nal bedeutet „sogar" und verstärkt
10) Zn betonen ist» da& Gegensatz und Nachdruck nicht in airög und ixitvw
liegt, sondern in raüra fikv und rä «T äXXa. a^6g ist Koi^ektar Wolfii, a^6 B^,
was natfirlich unmöglich ist. Das Natfirlichste wäre nun, da unmittelbar vorher Phor-
mion genannt wird und das Subjekt au qnfau Stephanos ist, {änXBg) oitog zu sagen,
womit der Gegner bezeichnet wird. Es geht aber auch ohne ausdr&cklliohe Bezeich-
nung aus dem Znsammenhang herror, dals Stephanos als Subjekt zu denken ist. £twa
auf Grund der Lesart von D «ütf?
11) Diese Interpunktion hat viel f&r sich, dann aber aör^ nffoa^jßuv. Der Satz
ist wirksamer ohne auomZv,
12) D interpungiert nach ivtUduav, wahrscheinlich um yäq zu erklären; yd^ ist
aber unmöglich, wenn nicht nach &va(d, etwas ausgefiülen ist.
18) Kommt natürlich auf nichts anderes als auf x6j qIv hinaus. Es ist aber die
Frage, ob rdrc heilst: zweitens oder damals und ob Umna xal als der dritte Fall an-
zunehmen ist rdrc ist aber nicht der richtige Ausdruck, um den zweiten Punkt zu
bezeichnen. Wenn aber rdrc damals bezeichnen soll, so weils man nichti wann? In
r6t€ scheint ein Fehler zu liegen.
14) Bei dieser Stellung ist ^drov^ unmöglich.
iU Nene Fliilologiiche BondBcban Nr. 11.
59 roOtor SUm. %ov (F2Q). — 60 ^wfiiaaa^B. — 62 inlav. lonnrij). —
o&c liy idi^oTO ^ (PQ). — d&tj&ivTog rov djoijaai Jiy »). — 68 dobg d»
d. »). — ^iM avriß. *) (F). — ida *). — 64 tä nL rä (2). — vä
tpevdfl 64 jMOv q>av. oSrwg •). — 65 fiij SXlo (PQ) /uijdei^ OMnüv (Q)
jf/roig ttA^ ?fei '). — 66 Xeirovqylav edgarav (P). — 67 Tcrg lovrdb. —
69 addiva ®) Ä^. — 70 roüvov ^gieig. — 78 tag •) d^ dg %. n. —
81 eig riva Sv vaCta di^ayeg; — 82 ifiOÜ d^ ücfiro»^®). — 84 ^'
Sv adriy^^) d-avfiü^ead-ai. nq. — 86 o^ ixcrydi»**) rb ßdtOQ. — lavtb^
Oiij*«/ij"). — 87 nqbg hiaatw om. wxl (P2Q). — t/j ofc' ij (P). —
88 tfjg Sy€t¥ X. (geg6ii P2Q).
Bede 46.
*Y7t6dwig ToC luxtä atiq^Avcn) tpevdofiaQtvQi&v löyov B.
TtQoaeiadyetai,^*).
Katä OT&pivov rpBvdoiAafjTvqiöv Xo B.
3 rag di dcadi^yuxg fii) ^^eiv (P2Q). — olde (B). — dia^ßfihfov^^) roV
1) äv wird nach einem Zwischensatz und gerade nach oCx formelhaft h&afig
wiederholt; es ist wirklich kein Grand, es zu tilgen.
2) Ans demselben Gmnde wie vorher ist äv hier berechtigt, nnd rov, das Beiske
▼ermntet, während es in D steht, wird anch von Schäfer verteidigt.
3) Blab behält äv mit Recht bei, das gesetzt ist, am anzadeaten, da& das hypo-
thetische Verhältnis sich aach aof das Partizipiom bezieht.
4) fikp häaft die Kttrzen.
5) Nor notiert, weil es aach Schäfer and Beiske tan. D akzentaiert aber
meistens so.
6) oüriog vor Konsonant and zwar vor ».
7) nkipf fehlt, and die anderen Lesarten sind konstroktionswidrig.
8) Wie Wolf.
9) Ist oflfonbar kein Schreibversehen , sondern gesagt als Gegensatz za dem vorher-
gehenden ras eh ifittvtdv iandpas, »ai 8aa ist verallgemeinernd, and za beiden ge-
hört noM.
10) Pafst sehr gat, denn es ist doch sicher nicht anzanehmen, daCs der Redner in
Vorder- and Nachsatz die gleiche Partikel angewendet hat.
11) Scheint mir deswegen besser, weil der Gegensatz za roikovs schärfer her-
vortritt.
12) Diese Lesart stimmt mitBlafs flberein, der 8y ebenfalls streicht. — ^ Sv td
ist allerdings nicht Demosthenisch.
13) Ich glaabe nicht, daljs diese Lesart aaf einem Ifiüsverständnis beraht. Aller-
dings pafst das Partizip. Ttmop&dr« nicht Es ist möglich, daCi das an and für sich
sehr passende oltiMti samt seiner Konstr. daro h &elfi verdrängt worden ist.
14) Wie Wolf.
15) Nach § 2 dMn&i(iivifi -- nagayivito maus maa allerdings das Präs. erwarten.
^
Nette Kllologlecht Rnndacbw Nr, 11. S45
^ifS- — 4 9roy di xal tobg /liQtvifag TtaQiaxijvm ^). — 6 ^AfupUav *)• —
6 (iU' S &V eidiji >). — 8 nf&motB . . . fi^ % — 9 foftfi i* aivdg ^). ~
Ttijoavijaafiivoig^, — tmu %at& ToCfro^). — 11 yeyfafi/Aivovg (Q corr.
¥). — tva d VI ßavlqdij — ijy «). — 13 xai oi idlXloig •). — ^jocr-
STti^kthuas. — dwn^ae. — 17 diyvi}% — 23 ijßo6le%o (2). — 25 gw»/-
yij* (B). — 26 'Brfy rtg awustStai}^ — awiatäu — k xä XJÜ* (F). —
27 i}d^ais To/jw. — 28 Sri dia^xij^ (2QWolf).
Bede 47.
'YTtöd-eaig toC luxtä EUqyov xai Mmfpißoiijov tffeviofiaQTVQl Uyov.
1 vawi^xijr yQfig>etai xpi^q>ia(4a^*). — Jvi(AO%iqri (F). — 2 /riL dJU
h/jL hfkuvav (P2). — %ai %a% &XU^) (P2). — 3 cSg yjevaofiivoig
(P2). -
Jfoträ Ediqyov xul Mmffißailov tlmvdofiafWfiöy.
3 tfrriq>laea&B. — 5 Nach i^di^ /«i^ i}y steht o^oZ^ (2). — wl vüp di
lyUt nachdrfickliche Wiederanfoahme des vorhergehendea AoBdraekSi die wegen
des folgenden toijtois nicht nnwahracheinlicb ist.
2) In der yorbergehenden Bede liest D *4fi(pias,
8) Wie nahe D mit JIT oft sieb berfibrt, eiebt man ancb bier. D nnprfinglicb wie
S pr. bloÜB äp, dann ist aber in D A, wie oben angegeben, darüber geschrieben.
4) Solche Basnren, in £ bänfigi sind in D sehr selten; es sollte nss wnndem,
wenn in ^ an derselben Stelle nicht anch Basnr wäre.
5) Richtig und notwendig (Hiatus). — H. Wolf-Schäfer flbersetxea: re ipsa verOi
wie wenn ik im Text stände. Die Lesart ^^91 <f bietet sich von selbst. In der Begd
heifst es aber sonst noch nQ6<paa&v fih,
6) Ist nattbrlich nnrichtig; höchstens ngoarfiaafAivtfi zn a^f.
7) Ans dem folgenden a^o roikov mnls man allerdings scblielseni dab ar«f
u^6 roCfro' besser ist
8) ,,notanda oonstmetio" sagt Schäfer. Festznsteilen ist, dafs ngoa^t yorans-
geht; tva mit J dem Imperf. wäre aber nur möglich, wenn es Ttgoalfitep hielbe. Der
Eonj nach el ist zwar sehr selten, kommt aber doch vor. Belassen könnte also Bl-fiov-
Xtid^ werden, aber ^ nicht Statt dessen: ^.
9) So geschrieben, bedeutet sber keine Verschiedenheit von o^ ällo&s.
10) Hierbei kommt es ganz darauf an, ob man unter t^ — i6ytt Pasion versteht.
In diesem Fall ist alte Lesart richtig. Versteht man aber unter der in Frage kom-
menden Person Phormiouy'^dann ist die Lesart von Blafo besser.
11) Zu ifwtatfiTM sdueibt Wolf „quasi esset ßoQfkmfw ifwiatofAa&, ävwl roO
ifvptaTärtu". In D steht ^also diese Form.
12) Es fehlt also bier Miu mt. rq. xaX. Das gibt auch einen guten Sinn, da
18) Wolf schlägt vor jmiI »ot äU^lw «f/xa; ämfpiyMap ahtiae, was sehr beach-
tenswert ist.
Nene Pbilologigcbe BandaobAn Nr. 10.
13 t) K Engelke, Cahier de HotM. Stdlistisches Hilfis- und Merk-
buch des FranzösiBohen ffir Sohfiler der Oberklassen, eingerichtet |
zar Aufnahme von weiteren im Unterrichte voigenommenen Be- |
obachtongen und idiomatischen Ansdrficken. Gotha, Friedrich |
Andreas Perthes, 1902. 192 S. 8. geb. Jf LbO. \
Einen an sich nicht üblen Oedanken hat der Verf. in diesem Buche ver- i
wirklicht. Von der Tatsache ausgehend, dafs nichts so bildend wirkt als
das selbst Erarbeitete, und dafs eine Phrase ihre rechte Bedeutung erst
im lebendigen Zusammenhange zu zeigen vermag, will Engelke den Schüler
selbsttätig zur Mitarbeit, zum Beobachten und zum Sammeln des Sprach-
materials heranziehen. Er hat sich daher im allgemeinen auf einen
kleinen Stamm von Beispielen beschränkt, den der Schiller selbständig
oder unter Anleitung des Lehrers vermehren kann. Zu diesem Zwecke
ist das Buch reichlich mit leeren Blättern durchschossen, und der Schfiler
ist so in der Lage, die aus der Lektfire neu gewonnene sprachliche Be-
lehrung an passender Stelle einzutragen, das Neue in ein System von ähn-
lichen und bekannten Ausdrücken einzugliedern und es so vor dem
häufigen Schicksal des schnellen Yergessenwerdens zu retten. — Das ganze
Werk ist aus allmählichen Aufzeichnungen des Verf. hervorgegangen, wie
man ihm noch deutlich anmerkt. Es ist dadurch recht VerschiedenartigeB
zusammengeraten: stilistische, synonymische, orthographische, lexikalische,
grammatische, etymologische, historische und phraseologische Bemerkungen
fallen die verschiedenen Rubriken, ein reiches Material, das an einigen
Stellen noch besser hätte geordnet werden können. So wäre S. 45 bei
den Wörtern mit leicht zu verwechselndem Geschlecht wenigstens alpha-
betische Reihenfolge zu beobachten gewesen. Die stilistischen Ratschläge
sind etwas äufserlich ausgefallen. Wenn z. B. S. 8 ohne weiteren Zusatz
der Gebrauch des historischen Infinitivs angeraten wird, so mufs das dem
Schüler einen ganz falschen Begriff von der Verwendbarkeit dieses Stil-
mittels geben. Auf S. 68 ist die Regierungszeit Ludwigs XIV. falsch
angegeben.
In der Hand verständiger Schfiler, die einige Anleitung in der
Einrichtung solcher Sammlungen erhalten haben, könnte sich das Heft recht
nützlich erweisen.
Bremen. W. BShrs.
\
itene llulologuche RondBchau Nr. 10. ^Si
132) Lndw^ HaBbei^y Englische Lieder mit Singnoten und
Wörterbuch. Leipzig, Rengersche Bachhandlang, 1902. 80 S. 8.
geb. Ji 1. —.
Das Bändchen enthUt auf S. 3—6 eine ausführliche Vorrede, die
besonders darauf hinweist, dafs die Lieder und Melodieen einer solchen
Sammlung fflr jede Elassenstufe praktisch und bequem verwendbar ge-
gewählt sein mfissen, dafs das Singen fremdsprachlicher Lieder und Ge-
dichte eine lautlich reine Aussprache vermitteln sowie das Lernen von
Vokabeln und Bedewendungen erleichtem, dab es nützlich und angenehm
ist, wenn die Schfiler ein fremdsprachliches Liederbuch durch alle Elassen-
stufen hindurch in ihren Händen haben. Auf S. 7—11 befinden sich
„kurze Vorbemerkungen", die einfach und klar gehalten sind und aus
folgenden Abschnitten bestehen: 1) Erst der Laut und dann die Schrift,
2) Stimmhafte und stimmlose Laute, 3) Kurze Bemerkungen fiber die
englische Aussprache, 4) Die Bindung im Englischen, 5) Das Singen eng-
lischer Lieder.
Dann folgt auf S. 12 und 13 das Inhaltsverzeichnis der Lieder, auf
S. 14 das Verzeichnis nach Melodieen, auf S. 15 — 67 der Text der Liedw
und die zu jedem Liede oder jeder Liedergruppe gehörigen Singnoten; auf
S. 58 befinden sich die Lautzeichen und deren charakteristische englische
Schreibweise nebst treffenden Beispielen, wobei au, ai, oi konsequenter
durch a^, a^, ai wiedergegeben wäre. Auf S. 69—80 findet sich das Vokabu-
larium und zwar so, dafs fär jedes Lied gesondert die den Schfilern etwa
unbekannten Wörter, Wendungen und Verbalformen angegeben sind. Die
Aussprache, allerdings ohne Angabe des Wortakzentes, ist zum Teil bei-
gefügt, in manchen Fällen sogar Qberflüssigerweise (z. B. bei hd, do,
steep etc., die schon als MusterwOrter in der Lauttabelle stehen), in an-
deren Fällen aber ohne Orund unterlassen (z. B. bei shepherdess, beauti-
fuly unharmed etc.).
Die Liedersammlung enthält Lieder und Gedichte, die englischen
Liedersammlungen entnommen sind, oder die der Verf. selbst im Auslande
gesammelt hat, daneben auch elf Übersetzungen bekannter deutscher Lieder.
Die Wahl der ersteren ist zweckmäTsig geschehen, die Zahl der letzteren
scheint mir dagegen zu grofs, eins oder zwei als Probe englischer Über-
setzung hätten auch genfigt, da man wohl kaum Übersetzungen wie The Watch
on the Bhine, The Linden Tree, When the Swallows homeward fly etc. lernen
und singen lassen wird, wenn einem englische Originale zu Gebote stehen.
240 Kette ^hildqgiflche Bundschan Kr. 10.
die Vorteile und Nachteile der „ Beform ^^ am eigenen Leibe kennen ge-
lernt and beantworte heute diese Frage mit einem überzeugten Nein.
Sbenso fiberlasse ich neidlos den Beformem (S. 14) „die von einigen der-
selboi berichteten, zum Teil ganz iabelhaft klingenden Erfolge '^ und freue
mich fBr meine Person Qber jeden wirklichen Erfolg, mag er noch so
bescheiden sein.
Kauen. Friae.
Vakanzen.
Attendorn, 0. ObL Math. Bfirgermeister.
Brandenburg^ G. Obl. kbss. PhiL Magistrat.
Danzlg, H.M.S. Obl. N. Spr. Magistrat.
— Stadt. G. Obl. Math. u. Turnen. Magistrat.
Dortmund, O.RS. zwei Obl. 1) Math. 2) N. Spr. Gesch. Schulknratorium.
Elblng^ Augusta-Viktoria-Sch. (H.M S.) Obl. Deutsch. M^istrat
Eschwege, G. Obl. klass. Phil. Kuratorium.
Frankfiirt a. M., Elisabethsch. (H.M.S.), Direktor. Kuratorium d. höh. Seh.
Graudenz, O.B.S. zwei Obl. 1) Math. 2) N. Spr. oder Deutsch u. Gesch.
Magistrat
Itzehoe, B.S. Direktor. Kuratorium.
Kattowltz, O.B.S. Obl. Math. Nat. od. N. Spr. Magistrat.
EOln, Stfidt. G. u. B.G. Obl. klass. Phil. u. Gesch. Oberbargermeister.
Wesel, H.M.S. Direktor. Oberbürgermeister.
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Professor Dr. R. Sclinee.
Elrster Teil: FlxTasexisfli rr\ nulmi g«
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Zureiter Teil: Stilistisolie ZlecelaL.
PreiB: Ji —.80.
HetMscIier Lebrer- Kommentar zn lenoplions Anabasis.
Bearbeitet von Dr. ficimer Hansen.
1. Heft: Buch I. Preis: Ji 3.
HetMscIier Lehrer -Kommentar zn Ovids Metamorphosen.
Bearbeitet von Dr. Adolf Lange.
1. Heft: Booh I— Y. Preis: J$ 4.
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Fftr dU S«dAktioii ▼•rantworüieh Dr. E. Lidwli in Brtati
ui VtrlAf Ton Fri«drieli ABdzM» PwtkM, AktitiifftMUfleliafl, Gotti*.
Gotha, 30. Mai Hr. U, Jalugaag 1908.
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Bestellangen nehmen alle Bnchhandlongen, sowie die Postanstalten des In- und Aoslandes an.
Ittsertionsgebtthr für die einmal gespaltene Petitxeile 80 TU»
Inhalt: Die Mailänder Demostbenes-Handschrift D 112 sap. (J. May) p. 241.
Bezensionen: 135) A. Zingerle, Livi ab nrbe condita libri; YlL Faso. HI.
Liber XXXXIII (F. Lnterbacher) p. 251. — ld6)M. Hodermann, Unsere Armee-
sprache im Dienste der Cäsar -Übenetzung (Bmncke) p. 252. — 137) W. Frei,
herr von Landau, Die Stele von Ajniitb(B. Hansen) p. 253. -- 138) G.Tropea-
Nnmismatica Messano-Mamertina (0. Hey) p. 254 — 139) A. Wal deck, Praktische
Anleitung zum Unterricht in der lateiniscnen Grammatik (E. Köhler) p. 254. —
140) B. Schnee, Hil&bflcblein f&r den lateinischen Unteiricht (M. Kleinschmit)
p. 255. — 141) P. S tapfer, Victor Hngo et la Grande Poesie Satiriqae en
France (Erich Meyer) p. 256. — 142) H. Scherer, Une Familie pendant la
Gnene 1870/71 par Mme B. Boissonnas (E. Werner) p. 258. — 143) F. J. Wers-
hoven, Frankreich (Ad. Wad^erzapp) p. 259. — 144) J. Koch, Geo£Erey Chancer,
The Pardoner*8 Prologne and Tale (H. Jantzen) p. 260. — 145) F. Bentsch,
Talks abont English Life (Ad. Wackerzapp) p. 262. — 146) Pb. Hangen,
Englische Ubnngsbibliothek. Nr. 4: Gutzkow, Zopf und Schwert (H. Hofibchnite)
p. 262. — Vakanzen. ^ Anzeigen.
Die Mailänder Demosthenes-Handschrift
D 112 sup.
Von J. Hay porlach).
Da schon längere Zeit keine Fortsetzung der Kollation dieser Handschr.
erschien, so sei wiederholt, dab behnfe Verein&chang des Materials nicht
mehr die zahlreichen mit FQ übereinstimmenden Lesarten, sondern nur
die allerdings nicht zahlreichen Stellen verzeichnet sind, an denen D von
FQ abweicht. Wenn also bei Dindorf oder Blals die Bezeichnung FQ
eTBCheint, so gilt dies auch ffir D, &lls nichts Besonderes bemerkt ist.
Im fibrigen beweist auch die folgende Kollation zu den Beden 45. 46.
47. 48. 49, dafs D mit den besten Handschriften konkurriert
Bede 45.
*Yft6&B(fig ToO ytarä Sveqxhov tpeväo(4a(jtvQiöv i^yov. Überschrift
der Bede selbst:
242 Neue Philologiflche Bnndgehan Nr. 11.
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Ka%ä SfBqnhwf yßevdofAantvdiöif X6foq ftf^og.
1 Ol ivMunal *). 2 aia%(iOMqdUxv *) (pr. 2). vfyf %b to6tav no9.
(F2Q). — 3 ftol!U&^ äyar. — 6 Jk^avog ofeari*). — nunefictft^
ff/ae. luxl •). — 6 svdvdiyUar daihat •). — tjiftt» (A^ '). — 8 Wfi-
iplag (Q). — 9 cia9Avw»i nta gegen FQ. — 11 ijh^ lu »iXur. —
&de du (nLOTteiTB *). — rirog Bk ävenm. Dazu Bandbemerkang: yg. nuxi:
ToC Tig & •). — 13 nfög dv td nQäyfiä^^ — 16 dyayäy ^qAq ifiäg. —
16 o&c tnaTiv^^) havr. — 1?« noü t. %. — 17 *A9^iau — hcl
tohm ^a"). — 19 Uße^^) fioi (P). — Keq>dlmos (BFQ). — 21 w«
^fioß nqg. — 22 ddadtti. — 23 vinor SXlof^ (y. oorr. 2). — 24 fi^
1) Ab anderen Stellen ist gesollrieben: » dumnat^ das oUge Zeiehan fiber m be-
deutet 6, So liest D ftberall, also immer & Svdqtt StMwnai nnd nicht i dumsttd,
§ 3 ist f5 ä^qiQ dmaarai ausgeschrieben. Nach S ist aber in § 1 «^ aM^c *A^
vaio& an lesen.
2) Diese Form in D immer.
8) So schreibt D nicht selten den Dati? dieses Wortes. An sich wSre ja eine
▼ollere Form Tor Ayav. erwfinscht, aber der Dativ statt des passenden Akk. des In-
halts ist sehr iweifelhaft
4) Ebenso xarä Sntp. B § 1. in § 18 sogar yiyoift St^popot o^od.
5) An noch anderen Stellen fehlt in D am Schlosse des SatMS y, so § 86 nm(f-
taxtiktat ; «al. § 49 i^i>a$. Suiäottv. Ebenso vor kleineren Interpunktionen (Konuna).
6) Der Dativ, obwohl er bei Isans steht, scheint nicht Demosthenischer Spraoh-
gebraneh an sein, denn Bede 84, 4 heüst es auch tt^vdutitnß ckrtdrro.
7) So trennt D bei dieser Form immer, ebenso otx ovr.
8) An der Stelle scheint die Interpunktion nicht richtig an sein. Der Sati iiH B
bis &vo^ytir ist Vordersatz zn A&l i^ mtondtiy also Komma nadi äpoiytwi Ich
sage noch nichts darüber, ob dies Testament wahr oder füseh ist; ich werde eoch so-
gleich darüber belehren, sondern was sie beiengt haben, dab ich das Deknment
nicht erOffiien wollte, erw&get foIgendermaOaen : „sed illnd, qnod testati snnt me ta-
bnlas aperire nolnisse sie considerate'' (H. Wolf-Schftfer). Auch in dieser Obenetsnng
also sind beide S&tze zusammengenommen. IHmmt man dies an, dann pa(st besser
dt^ 6iZ tncontiv. OMonitu kann aus miüBverstftndlicher Lesung entstanden sein, denn
axoTulv wird handschriftlich so geschrieben, dab man es fikr axonitti lesen kann:
axontZTC
9) Wenn erstqres Sinn haben soll, dann wäre auch Hipivyop n6tig, denn der Redner
spricht von sich.
10) Ist zweifellos richtig, denn erstens geht t6 ngäyfia voraus, zweitens ist der
Ausdruck ganz allgemein: quoeum mihi res erat.
11) Wird von den Bednem gern gebraucht.
12) Jedenfails roCro»', aber ^ deckt sich mit J? und Bdskes Xoigektar 9«. In D
fehlt nur iota subscr.
18) D akzentuiert immer so.
Neue Fhilologbflhe Bandadu« Nr. 11. 2i8
H^iaag ^y — d6Sg (F). — ij A*^ W*» *) (FQ2). — 26 haivwg »). —
1j fii^ q>. (F). — 27 ^ yäf (BF2Q). — roi^oii ^) ^^oy fiir. —
^otxvZa dia^i]. — &raif /ui) ASkrc, — 30 di' 8 «1^ d. (Q). — 31 JiA߀
A; /uoi (F). — 38 9^y (BF2Q).— fidfUoy elrai. — 34 xoi ir^ Slka »). —
ile&ot di(S). — /royraAiSs ih}Xoi(BF2Q). — xaTiJU7r«(F2Q). — 37 xat d —
elde/i} (BFQ). — 39 hukeQog tib % — ytyQctfifiiifa inb to^ov ^). —
autffivrp XQQoAvcp xai ^^w ^y%. -^ AI i6am ^) xoi xo^'. — A2 fUr-
c&taaig {IQ^. — 43 änlOg aiwö^^ — d i" hniv ^ M^f ^(^ct Miy
aiw^ TtQoa^jxu awTtüi^^). — 44 ßUvtatay ydf iari^. — nQoauftBiP
(F). — %6 % oÄy"). — 47 wnAaxoi (1). — 48 äl£ o«' feejA' ye. —
51 vfjg Y9ogft}g (F). — 63 YB/Qafifihovg 6 t. Sp^q. h^vow v6fiOvg^% —
55 &90fiy^ov (Q). — 67 ^um^ (corr. S). — h^ofkrw t(p h^rv* —
1) Wie Wolf und Beiike getmuit haben.
2) y^Onmino afibmat"
8) Wie Wolf.
4) IntereBsant ist, dab Scb&fer za den folgenden xvqU^ y. bemerkt: ,,DatiTnm
{xvffi^) tnerer, eiT. 19 (das ist eben die vorliegende Stelle) aoriptun eiaet: ijr^rolhro
^oQfiiuv$ ngOrw füv." Nnn steht hier der von SohSfer verlangte Dativ, also
wird obige Lesart richtig sein.
5) Sonst immer tiXUu
6) Steht swar 2Xt am nächsten, ist aber aich nicht mehr weit von der Wolibohen
Konjeiktiir entfernt
7) Ist die bessere SteUnng.
8) Die SteUnng wird wohl richtig sein.
9) So akzentniert D immer; das folgende «al bedentet „sogar" nnd ventirkt
10) Zn betonen ist, dafii Gegensats nnd Naohdmck nicht in a^6g nnd ÜMi^o»
liegt, sondern in taffwa fikv nnd tä ^ äUa, a^6s ist Koqjektar Wohb, a^6 BiSQ,
was natürlich nnmOglioh ist Das Natflrlichste wäre nun, da unmittelbar vorher Phor-
mion genannt wird nnd das Subjekt zn ^f^i$ Stephaaos ist» {änJMg) ohof zu sagen,
womit der Oegner bezeichnet wird. Es geht aber auch ohne ansdrfickliohe Bezeich-
nung ans dem Zusammenhang hervor, dals Stephaaos als Subjekt zu denken ist Etwa
auf Qmnd der Lesart von D a^^?
11) Diese Interpunktion hat ^ ffir sich, dann aber adr^ n(foaifKi$v. Der Satz
ist wirksamer ohne <txon€lv.
12) D interpungiert nach ^raAfcMtr, wahrscheinlich um y&Q zu erklären; ydQ ist
aber unmöglich, wenn nicht nach inmld, etwas ausge&Uen ist
18) Kommt natürlich auf nichts anderes als auf rdr* ow hinaus. Es ist aber die
Frage, ob r(ir< heilst: zweitens oder damals nnd ob lm»ra na\ als der dritte Fall an-
ist rdrt ist aber nicht der richtige Ausdruck, um den zweiten Punkt zu
Wenn aber x&t^ damals bezeichnen soll, so weils man nichts wann? In
rdr< seheint ebi Fehler zu liegen.
14) Bei dieser StelluBg ist /«drovc unmöglich.
Neu« Philologisch« RimdBchaii Nr. 11.
weifs er, was er in dieser Bicfatong voraussetzen darf. Folgt man dieser
Methode der Auswertung der LektQre bis zur Oberprima hinauf, so wird
man fBr jede Klasse eine sichere Kenntnis eines fest umgrenzten Wort-
und Phrasenschatzes erreichen kOnnen. Der Nutzen wird in den Extem-
poralien bald zu Tage treten: die Dürre und Unsicherheit im Ausdruck,
die auch bei grammatisch gut herangebildeten Klassen sich zeigen,
werden von Jahr zu Jahr mehr schwinden. Aber ich glaube, dals auch
die Lektfire selbst durch das konsequente Festhalten und Wiederholen der
gelesenen Bedewendungen gewinnen wird. Schliefslich noch eine Be-
merkung: da die vorliegende Phrasensammlung dem Qange der Lektfire
nach Kapiteln folgt, so ist sie geeignet, den SchQler auch bei der häus-
lichen Vorbereitung wirksam zu unterstfitzen.
Im zweiten Teile behandelt der Verf. auf 81 Seiten die wichtigsten
stilistischen Begeln und belegt sie mit zahlreichen Beispielen aus den in
der Schule gelesenen Schriften. Wer in der Praxis steht, wird erkennen,
dafs gerade die Qebiete, deren Erfassen dem Schfiler die grSfsten Schwierig-
keiten bereitet, vom Verf. am ausführlichsten besprochen worden sind.
Hamburg. M. Kleiasolimit.
141) Faul Stapfer, Victor Hugo et la Orande FoöBie Sar
tirique en France. Paris, Paul Ollendorf, 1901. 349 S. 8.
fr. 8.50.
Der behandelte Gegenstand hat augenscheinlich auf die Art der Be-
handlung eingewirkt: das ist ein Buch so langatmig und eintönig wie
Victor Hugos Poesie selbst, und das wirklich Wertvoile verliert sich wie
einzelne Weizenkömer in der Spreu. Wertvoll ist eigentlich nur der
letzte Abschnitt, der den Beziehungen zwischen Victor Hugo und Agrippa
d*Aubign£ nachgeht. Dafs mancherlei Fäden von dem Satiriker des 16. Jahrh.
(1550 — 1630) zu dem des 19. herQberleiten , liegt ja auf der Hand.
Stapfer deckt sie systematisch auf und erklärt sie in zutreffender Weise.
Grundbedingung ist natürlich eine Ähnlichkeit der Charaktere. Dann aber
liegt entschieden ^ine Einwirkung des Älteren auf den Jüngeren vor, da
Victor Hugo ihn in seiner Jugend gelesen hat Wie fest solche Lese-
frflchte in Hugos Erinnerung safsen und wie sie ihm wieder in die Feder
liefen, ohne daä er sich bewufst war, eine Anlehnung zu suchen oder gar
ein Plagiat zu begehen, dafür erzählt Stapfer aus eigener Erinnerung ein
Erlebnis, das alles Ähnliche weit hinter sich lälsi Das Hauptverdienst
1^
Nene Fhilologiscbe Bnndicbaii Nr. 11. 257
der flbrigen acht Abflchnitte ist eigentlich nur, dab man an der Hand
eines Kündigen einen groben Teil der Hngoschen Lyrik in einem be-
stimmten Sinne durchwandert und sich so ihrer Merkmale wieder erinnert;
irgend etwas Neues wird nicht zu Tage gefördert. Gegen die These des
ersten Abschnittes, dab vor Hugo die Satire in nnpersOnlicben Sitten-
predigten bestanden habe, das Persönliche erst von ihm hineingebracht
sei, gibt es mancherlei Einwftnde: man denke nur an Anbign^. Biditig
aber ist, dals Victor Hngo, wie fiberhaapt, so auch in seiner Satire rieh
als das Mafs aller Dinge hinstellt Auch das wird man zugeben, dab
ihm niemand gleichkomme „im Ausdruck der heftigen und dfisteren Leiden-
schaften, der Empörung, des Zornes, des Hasses, der Verachtung '^ Sicher-
lich entcfpracb auch, wie Stapfer ausfahrt, diese satirische Lyrik am voll-
kommensten seinem Wesen, insofern er mehr und be wulster als andere
Dichter das Bedfirfiüs geq^flrt hatte, zu belehren, und den — nach unserer
Meinung freilich ohnmaditigen — Wunsch, umgestaltend in die EntwidLO-
lung der Dinge einzugreifen. Im Anschluis an diese Auseinandersetzungen
aber wirft Stapfer noch die Frage auf, wie man sich dazu stellen solle,
dals Victor Hugo, der strenge Sittenrichter, in seinem eigenen Hause so
wenig auf Beobachtung der Sittengesetze gehalten habe. Eben jetzt
erscheinen in der Bevue de Paris (Fövrier 1903) die erbaulichen Dokumente
seines bigamischen Lebens. Natfirlich weils Stapfer auch weiter nichts
zu sagen, als dab ein Satiriker kein Heiliger zu sein brauche, und dafs
die gepredigten Tugendlehren darum nicht weniger wahr und erhaben
seien und was dergleichen Verl^enheitsauskOnfte mehr sind. So enüftbt
dieser Abschnitt den Leser mit einem peinlichen GefDhl, das weit entfernt
wieder zu schwinden, stetig zunimmt. Es gibt wenig Schilderungen, in
denen Hugo so klein erscheint, wie in dieser, obschon Stapfer ihn ge-
wissenhaft immer den „Qrofsen Dichter'* nennt. Ffihrt er doch selbst
so viele Beispiele seiner Unzulänglichkeit an — bekannte und weniger
bekannte — dafs man Seiten damit f&Uen könnte: Hugo ist kein Denker,
er ist kein Philosoph, er ist in seinem Hafs stets blind, indem er unter-
schiedslos ganze Klassen und Stftnde verfolgt, er „kennt sich selbst gar-
nicht'S er steckt voll kindischer Selbstfiberhebung, er scheut vor den
fadesten Albernheiten ebensowenig zurfick, wie vor den unedelsten Schimpf-
wörtern, er verwickelt sich in ungezählte Widersprüche — wo bleibt da
die Oröfse , ja wie kann dabei Hugo auf literargeschichtliche Bedeutung
Anspruch erheben? Das Positive gegenfiber all diesen ehrlich gemachten
846 Nene Philologische Bnndsehaii Nr. 11.
fi. (S). — 6 oddi T&ve (Q). ~ 7 g>eÖYUv di fiBl). — 9 ftqon^iQyptai
(2Q). — 14 rCfv d^ amiytbv ^ih fimaQtiS(npMxg. — Sp&QtOftov fiiXXwv
di Ttfoyuxleladixi fteql t. d. (BFQ). — diX od ■). — 16 i9ilm TtaQa-
öMpai •). — 16 Sftov BlaiJYayeg vijy düww Ttfdg td d. ■). — 18 ^a-
Ttcan^ag %. d. dllct x. v. ß. (SyQ.B)^). — 19 TQiriQiTui (F2Q). —
20 ¥rvx9y hLnXovtfCiv TQiijQCiP ^. — atvnma ^. — 21 ol t&v v&aqUa¥
i. «). — TQUiQ^oxaig (Q pr. 2). — toifg iq>dX. rtanaXaßäv (P). — ijwfy-
xa^e om. %b {yq. B, Wolf). — 23 efmQoa&ei^ (P). — 26 iiBiiaqtiipfM •). —
26 £/rj^ ^/uoff. — Ttanä^^) Tfjg ß. {yQ. B). — 88 ^idUrprw (F). —
32 tevelLevTfiyLirog toü J. (mg. 2). — 83 Tr^ooq/aoy^^). — 84 vwBiin^ihog
(/?• Q ^« § 3ö)' — 37 o^dw dfi' »iUytoq. — 38 iTtiiiafWQdfiwog {S). —
39 ol/uai dfiTy (BFQ). — 1j»eXev ÖecJy.^«). — V «^V^ Sl^ns^)- — ^0 9aBv
£(|i2t %uq<Shf ddiwav nq6veQa^% — fia^rvfla^^) (2). — MTtireQa h
%(jf iiyu ft.^% — 44 MAqftvn^Q^'^). — hdkevof» (2Q). — 46 dniftdo-
1) So scheint auch Z zu lesen, doch erkennt man es ans der Notiz hei Dindoif-
Blafii nicht recht.
2) Es ist wohl möglich, dats D, nm die H&nfoog der ^i zn Termeiden, äX£ od
schrieb st. äXXov. Dann dürfte freilich nicht gleich wieder ^i {aot) folgen.
3) Vgl. § 47 Srt ifAaQTrS^aav i&iUiv nagodiddvM tdv O. r^y äp^gamot^.
4) €ia^. nQÖs t6 &. anch am SchlnTk des §. Sonst § 24. 26. 27. 28. 81. 89
9laay. oder tiaeX&tZv iig t6 ^., aber nie äyny allein, anch nicht in Verbindung mit
iif tipf AyoQdp. Deswegen wird die Lesart D richtig sein.
5) Hier also gegen FQ6. Schäfer bemerkt zn der Stelle: „Sunt aliqnot hnins
orationis loci Inxati et a' traiectione Terbomm comipti.'' Das trifft nicht blois bei
dieser Bede, sondern, wie schon einmal bemerkt, bei allen Beden zn.
6) Natürlich rQ&iJQtov, ixnXovaap weist aber anf Z hin {ixnMoatv),
7) Wird verschieden geschrieben und wie scheint anch verschieden akzentuiert
8) Bestätigung der Koojektnr Balten. Die Behörde (^ fiky &gx^ sind eben ol
9) Es ist dnrchans nicht notwendig, am Satzsdünb gegen die Handschriften v
i<pelie, zn setzen, wie Bekker hier tnt.
10) Wenn dies richtig, so ist I» r. ä^X' nachher begreiflich.
11) Ijiaav jonisch.
12) So vielleicht znr Vermeidung der EOrzen, vgl. 58 »vfAßiop Oi6ip.
18) Ist jedenfalls die ursprüngliche Lesart, wobei aus Versehen dittfis in ^(xas
geändert winde. Da aber der Akk. Fl. unrichtig is^ so wollte Blafs den Dat. Fl. Die
Lesart D ist aber passender.
14) Stellung wie in 2: gegen FQ, aber ng6n^ ist falsch.
15) In D ist » adscr. durchstrichen, also gleich 2,
16) Sonst natürlich ttg tb <f., aber auch § 6 äXXo^ — na^Mfiivop.
17) AUein richtig, denn die Überschrift entspricht doch jeweils der vorhergehenden
Bezeichnung: fiagr^Qoc i). naqi^ofiat.
Neu« Fhilologisoha BimdBohaa Nr. 11. 247
xaXeaafiipov ^) (2). — 48 edu didiifoi dU^K — r^iij^a^dh^ '). —
50 uAiäfuxxos {2 ya* B). — luleöoi (S yQ. B). — tij^ vctfh^ om. ratkfpf
(BFQ). — 51 iyä» vi/v iiiv vq. — 53 ä7t9xi&(pnaw (F). — yLotaßaXövres
gegen FQ. — 54 ti^ yäQ oiady fioi tötb •). — 55 naiiUw. — t/t^j. —
htav. aivil (F). — 56 Melj oioa» fii} di n %dijv ifiifr y^yofiivtp^ xat
Ttaidaywyiif % — oJS^ot om. xat (2BQ). — 58 rd miißüo^ ^). — M. äddir-
q>dg (2Q). — 59 Ttihw. — 60 6q. TtOfd'OVfiivTpf vi^ oixiay t. L —
hL tljg oiyuag. — 61 Ma^nflai ^ {BS). — 62 ßaöXowai (BFQ). —
63 diafiaQzvQafiivov. — u %iva h %^ TtQoriQf (Q). — 67 xat iatfobg
(F). — äyayäfv fidfWQag (F). — äa^. xöi oimhi oddip '). — äg di
dlridij Xfyw (FQ) 8). — 68 «ig •) Toi>g i^tff. — n&^eQa (BQ) iSrn^ovrai
(2Q). — avfißovXffSaowJiv^^ — 70 du)ju€t (2). — d<$^M$ elyat tto^
1) Vorher aber ngoaixoL
2) YgL § 21. Die Lesarten schwanken zwischen der ftlteien und der jüngeren
Form.
8) So D allein; die anderen Handschr., die diese Lesart haben, schreiben nan
tdre ist aber ricbtiger.
4) rir&fi hier nnd nachher wieder anders akzentuiert als vorher. Es kann dies
daher kommen, daÜEi der Schreiber das Wort flberhanpt fiüsch Terstanden hat, wie man
, aus der Trennnng der beiden Silben sieht Dnroh Mtfj owretp wird in eklatanter
Weise Wolfii Koigektor bestätigt: „sna ratione hie mascnünnm plnrale ponator, cnm
sententia postnlet singulare femininnm (de nna enim anicnla vidna loqnitiir) Mifj
ovaav, me non intdligere fiiteor." Aufüallend ist ferner xa\ naid. Das weist deut-
lich darauf hin, daCi der Redner sagen wollte: ich konnte sie nicht der Armut preis»
geben, die meine Amme nnd Erzieherin gewesen war. xol ist aber nicht möglich,
wenn i^rfik vorausgeht Es schreiben deshalb die Herausgeber mit 2 yg. Q /iijrc —
fiiiTB. Seager will nfp yt r. L y. Ich möchte : Meij ovaop t^y t€ titSriv i/iittf yip.
xai n. Dies scheint mhr den Sinn am deutlichsten auszudrücken.
5) So immer.
6) Nat&rlich, da der Plural auch unmittelbar vorher gebraucht ist
7) FQ o^kv ointirt. Die Lesart D ist besser, wie auch die von Blafii zitierte Stelle
ans Eur. Ale. 887 beweist: &£ ohtit oidkv ovoav. Etwas anderes ist v. 390 oidiv
iifA in.
8} FQ lassen taVra vor Xiyu mit Becht weg. Blals führt dabei einige Stellen
an, wo es steht und fehlt Es gibt aber noch viel mehr ähnliche Stellen, unter
den 34 Stellen in den von mir bis jetzt verglichenen Beden ist keine einzige, die der
gewöhnlichen Lesart an unserer Stelle entspricht Dagegen häufig &s AXti&fl Ifym mit
Weglassung von taVra, Wenn aber taifra steht, dann immer vor ilti&H, Steht es
aber nach, dann wird raVra durch xal hervorgehoben vgl. B^de 40, 35 Srt xoivw
äXff&il xal taüta L 40, 52 &g f &Xti&^ xal raüra A. An allen anderen Stellen ist
entweder taOra ganz weggelassen oder steht voraus.
9) Ist gerade bei den Bednem eine beliebte Wendung.
10) D ist mit dem Futur, avfiß. wenigstens konsequent.
248 Neae Philologiiclie Bnndmbaa Nr. 11.
73 8 %t Ttqoa. (Beiske). — 73 oi yäq ofkwg (2). — ävayv^awm (Q
corr. P Blafe). — 76 hvfy/yBiXa (yp. FQ). — 11 ^ %ä h — diayuooiaq
deKatQug. — 78 ij üTQmriydg *). — el de ii^ i%. o\ fiaftvfiljaayveg Ag
1j9ekB ft. (Yd. FQ). — 80 yuat äTtflXSw (2). — 81 htaf/elX. 8i fiov. —
XiL öictKoalag dnunqüg wie § 77. — 83 & ^ toitwv mc %
Bede 48.
^Y7t69wig %oe nun ^OXvfiftiodiiQOv BXAß^ hdyog.
§ 4 ßovUfim)!. (P2) om. wivfj «). — tdv fJv 'O. — tiv de IL
(F2). — hJielfteiv (F2). — 5 to0 ^filaavg (F). — 6 avwe9eiiiivoi{¥B). —
Kavä ^OXvfifciodi&fov BUßnig.
§ 1 difapu iavlv latog. — y£fv avfiß. (Q). — fieya id. (F2Q). —
4 W ^OL — 5 BOTi yäq (AFr). — Kdiitav (Ar pr. 2) so immer. —
6 xat a^dv r. jw, — %^ ävaia%vvtia¥ (F). — 8 xöt o^d^ ^. (F), —
&y om. (F2Q). — T<Sy ifxawoC naldwv. — 10 öfion. om. fiiv (F2Q). —
8s äme^iMi om. (2Q). — xo2 nuoivfj (F2Q). — 12 xöt aw». (F2Q). —
xaJ irc^ äkla wie 2^ sonst rdfUa. — dg %. ohuodoiiipf ^. — 14 %al
8fl ®) «r6 c?ßy. — 16 o&og 6 ol%. 6 Jf. om. — 16 iq)elleto (F2Q). —
19 ro€f dv^d^Ttcv (2) st. Tiii'^;. — airihf Toüvoy (2Q). — 24 aBnj ^
(F2Q). — 30 ^OX. oiroal (F2Q). — ^y& vor xarÄ om. — 82 ducTtQaid-
fievog (Felicianus). — 34 dvaylv. di^ gegen F2Q. — 36 ovSe »iUu —
%ä airä (2). — 37 TtoQä toü aitoe äv. — 38 Iri vvvl (F2Q). —
89 vafhpa htivoia oddefila iaviv' — 41 Sti del difj (F2Q). — 42 xat
ahlat (F2Q). — 46 äg yv. (F2Q). — &v Uyei, am Band: yj. xai: ög
Acycft. — 48 %h ^eQW (F2Q). — 48 iyygajpaf^ipavg (AFQr). — 49 Tafh;a
ifiof^ (JS) »). — 51 i7criyyeihi(j.ifiv (BFQ). — o^d' S,w oiSi' ciyqcota^«
1) Gute Stellung.
2) So auch yg. FQ und Wolf.
3) St. nqoaijiiuv,
4) DaÜEi dies möglich, zeigt Arietoph. Eccl. 491. 500.
5) ändtfitop sehr nonötig; denn der Plnr. tojkaiv bezieht sich auf die zwei Ponkte
xßv n Xix^' xal rSiv fia^, Dazn aber braucht man ändvr. nicht.
6) Gerade die Ungewilsheit, wohin xoivy zu ziehen, labt Zweifel an der Bichtig-
keitzn. Zn awTi&iirai gehört es nicht, denn § 4 heiikt es: xoip^ xiä awTB&ufiivo&,
also zn flovUvöfi. J^otwendig aber ist xoivy überhaupt nicht.
7) Gilt sonst als späteres, unattisches Wort.
8) Unmittelbar darauf xalff^xal; es ist nicht anzunehmen, dafo in so unmittelbarer
Folge dieselben Eoigunktionen stehen. Einmal lassen das zweite xal auch Ar weg
und zwar an zweiter Stelle.
9) Diese Lesart von ^D scheint die richtige zu sein.
\
Nene Philologiache Rundschau Nr. 11. 249
(F2Q) *). — 63 raf^a ohog (F2Q). — diwiaanes ärcaneg *). — 58 nun
aMj hmv. — 64 iTtif aivod (F). — 66 '0. fiiv TOiovroai (F2Q). —
oidelg rtiSmw oi 7ta(f9q>f. — hoiiod'ititflB 26lm Avai. — 67 ixerei$OfMy
Bede 49.
*Yft69&ng toü nfög Tifidd'eov iftiq X8^ I6ydb*
irig^db'). — tolg &td (BS). —
ÜQÖg Tifidd'ew iftig XQ^*
3 iftovfyfato ona, b nar/JQ *). — TLOgÄiaaü^ai (F2Q). — 6 rrf w Aijy-
»ivra (gegen FQ). — 6 hiiJievaB XQ^cti om. oA%^ ^). — xot d. hilfvw
(BQ2). — 7 ^ xeÄwJaag •). — 8 filav diJ' Ä/JoXcö (B2Q). — 10 mari-
%a% Sy (F2Q). — fiöXig om. juw (F2Q). — 11 6 fj.ip h (FIQ). —
12 dvianoMv in der Panse. — 14 di4X7tel^vrtav tOv arp. ^. — 15 oin
l TtaQOfiivuv (A2r). — 17 TtfoaJiym (F2Q). — 18 X9^ (ABF2Q). —
difjffe gegen FQ •). — 19 di fiov aivöi •). — xataddöiniiviiirai (F). —
20 iddyeiae^% — 21 o^r^)") y«. — 22 'iftrcodafieug (Harpocrat), —
23 TO0 ck. «rolJrov (F2Q). — 8 jfw (F2Q). — 26 dv awlarriaiv^). —
27 eÖTtaS^Oy^^). — 29 xai vor TtQoaeli^. om. (2). — 30 äTtayQdhparo de
(FIQ). — ^ liXiü»iyovg. — 31 Awtot;«^. (F2Q). — 32 ii Tifioo^i-
1) In D fehlt aho itv. Es ist schon möglich, dab dieses äv in &pixf^a&i steckt
nnd o^ örM>€fy ^ (f//our^£ oder änadixoia^i zn lesen ist.
2) Ist unrichtig.
8) Dann ist das Wort von Auxv^s abgeleitet.
4) Der Bedner hatte im folgenden Satz kanm schon wieder das Wort gesetzt
wenn er es im vorhergehenden gebraucht h&tte.
5) Ist unnötig, vgl. § 8: r^ x€Ui5€favTa /^(Tcm 7%fid&,
6) Ist so besser. Beiske, der auch eine andere Verbindung mit dem Vorhergehenden
wünschte, schrieb 6 xal xiMaag, Die Lesart D ist einfacher.
7) So auch Blafs: „alterum nq&viQw delererim".
8) Stand fdi^« da, ist aber in Mijfti korrigiert.
9) Bestätigung der Eoigektur Wolfs. ai%&p, das F^ haben, kommt von dem
milsverstandenen » adscriptum.
10) So auch Bekker. Aulser der Pause.
11) Kommt S am nächsten.
12) Wahrscheinlich durch Mifsverständnis aus awiatnaiv entstanden. Dafs aber
auviOTfi ebenso falsch ist, scheint mir sicher. Was soll das Imp. von einer vor-
Tergangenen Handlung? Vgl. vorher avariiaas 4» und § 28.
13) Ist wahrscheinlich durch Mifsverständnis entstanden, denn es ist nicht anzu-
nehmen, dafs die Ableitung tou iina^Btv dem Sinne entsprechen wftrde, obgleich
iina^iZv auch heilten kann: von jem. Gutes erfahren.
(B:^. .— .35 arg. ,ToCf /{fwa. (?). — ^ Mwt -- itat «^jd^
, (F^). — Äös Sv^inpfihwo *). — .37c:€&g..ai8jRÖF^ (r)^ — 88, w<Jr«t;./
(ABÄ). — daXvaw ^ Ag (F2Q). ^,89,l?ta&(J ti^ <BSQ). — .41,H«Ua
dvoiy 9AuBqov ovdeyi* ddä)g. — i§if^it§ig. ij (Xu iäy (2) dwtidiji^). —
42 h€keva^^),yuzL — "Oßxot^.(AB). — AS Oqa^ifiQtd. ^ {AlQ) beide
Male. — 43 T(p di *) Oq. — 44 xai Evyipqßjiog. ^— ^f^ lai;T0Cf,.<5). —
46 Sre xfiAwJffCTC (2). r— 49 ,aiiJL7tav%ot (F^) ^eUy^ag «). — 60 Trcp«-
jMÄwaiy, (P^). — 81 d^iTiJy qpajat (APQr). — olx. t. J/M<öv.^F:5ft). —
53.xat r/yog &exa;^ Jtote'^). — 54 8^ dün/fvai [2).'^ 55 ird^ IwföCf
.(2). — adriy. ^i^ojcoy^ (F;SQ). —/äg, iL ovwgg Qm.^(F). Dann ftbrt D
in mner. Bandbemerkapg toYti,6.y c^ve ^g eXwS^iQOv Si^^^ff^oCf/iai^^/-
Äovog ®). — 66 iTpt tcöi^c ®) ( Ar). — ^ rtaqc^dfitgu G^^S^. — ,67 »OT9fgx»
; 1) S<> >^viiider walinMbeinlroh<ge8pioeli6n, «o^dali^ der spiritaa aftper nicht Idrbar mir.
>^>.Mtnk^t labch. .Ebensogut als z.>B. (eini voiwisgfiieiider Qp(»ttv^#)it\äyjftiif
eimen im Optat. stebenden NebenaiM^. mit, |q>C' wirken, Jcum^,, so .i|J!s diesem. el>e]tfalls
mit £y verbimden wurd, ebenso ist in einem' hypothetischen Satzrerhältnis tmg üv mit
^d^n I&diipaHv indj^ch.
o9> Üs ^igeriBeht.bier (qjkuget Yopirisnuig. l ^^ 8ch];eiheE M»iuKh ^^tthe^ov ^bfori »nf
das zweite oddcvl abgeirrt. Die Auslassung von 4 Tor Mint findet sich auch noch
In anderen Handschriften, z.B. in B; ebenso die Einschiebnng von J) oder ij vor otei.
^ijijchtjg. ]^t^AV0r.jeden&Ua<pnr^4 vor ^^A^;riuildie>AQ9lasfH^ig^T4»nl)<oieri4iTor>ofc«. —
<fvi7}^ O, also ist D g«paner,<in4er>i)inr.4imn.b^eo;,QaAd|8chKi^
Lesart: Swr^s,
4) Unrichtig wäre dies nicht.
-^Ti^iw.A (Seiiger, ^cüb«fer)VrT*#?/tl?lg<^W^ 90 «i^oia^Jk a^rf&^X. ent-
sprechen soll, so ist dies eine gezwungne; BespaniSdB^^ *DWBln^>wvQtvdiei Lesart A Jipch
vorzuziehen, da &h auch; ewn. ffn^ptfifttz »eialeitea fainnTv
6). Dasselbe Wort ßxifih F„ ^ber mit anderem. Akzent. Afif^^^^^^ dab »it d»m Weg-
fall von aif durch (T^^;?««?« .an«h ein, JV^it$^ipium, (Ifcl^^ lerbnoden äst. rDas
zweimalige ai/ — xal ak ist überhaupt nicht Wj^. > Sa »t n^^w^ndiA «»ck ^x rffiv
avfifittx^ ein Yerbum ausgefaUen i^t,. daa<4as fyal^sm IQr den^)|^ Wi^-
7) Besta^'gupg:der Lesart DindQ]:fs.
8) y€ würde bedeuten: „denn er hat ja weder ",MW8.mPgli<5hiV«'f®- ^Wa Stelle
selbst, aber mit d&h, steht auch so ^, woraus sie die. Hen^sgebecgl^^^''^^ haben.
Übrigens ist die Auslassnng mit F und anderseits wieder.die.Hin^QMi^'^^^''' ^^
auch 2X) haben, aber wie ye beweist, aus einer .u»deBen<luelle,! wk.wF^ Beweis der
Selbständigkeit V(on D. Die £l«sse FQQrD.ist^ zwar veifwaiidj, aber P* »**^ *^^
selbständig da.
9) SoiinerBt,. d«nn in Täv^i^kot^^fpfirt, «Jfan 9i(»bt|,al8o,,,dftbs4er .Sc^^^^ ^^^ ^
weh nocb,wdere.yQrJ^n bfttte als den*A5cbfitypvVonri?Q<ÄZ Ud ,4jS\«'^«»»®'8t
diesem folgte, nur ganz selten .A r.
»^
N^e PiiüMo^ftedi6'^BtiiidMfaini * Nr. 1 1; 251?
^pW*y^-"' — 58 xtt^7iot^(lQ)i— 58'T. ^är;(^. <J7ro*o€frtftv — 59"iinr-»-
ert<re'gög6n"P«JMW"c^^n^ lesen. — 60'irÄ "y. Td>i*''|.' (F2Q);- —
61 »«V a^Ä «WA.-— 6« jTiJör;^ om; (iiv (APQr). — dfteiiSato (PS!?): —
d^üiovwg r&v *y — r/jMi)i' om.' Ti}r'(F2Q)'. — 61 x^^ot^ ao* ift.^ —
Trpdff /Jacrr (2Q); — 65 €>Är-*TOftoi^ (2Q)l — xat adtfÄg^ c/e« (P2Q).^ —
fior^i^^icor^omtii» l/kof^ (2Q); — 66^^ ohn^ Littira:* — adtg^ aiipiati
vöts om; (F^.* — 68 YÄ'VJ^.'<iy.^
185) Mitontiid ZbigerM; 1% Iivl^aV'iürb>)* oöndtliä'libHb' Pars
Vit. Pl^m. Lib«r^XXXXm. EdiUo maior. Lipskle somptoi
fcfcit XSKi Ftejftag, MtXXXXXI.^ IT« u.» 30 S.^ 8. ^<-. 50i
D^y yerdkntetHtepatisgi^ des Llvni8< baifr aneh' fBr di^'lfldr^riiftft
efhaltbwtBtMh die» einzige «EbndsGhr.t in Wien auft^ geniMLestovefglichfH
nni d]ii*<'E^iiP}eicittren'd6^^Gtoklir(^ sehjr* gcrwteMihaft zasammeagetragen;
DteoAblrt^ng 'dieses ^MstterMs) e^g^: einen'^Tejrt,(d0r»an'-3&^^tM^- vet»
WkifiMibJnfn^Mflliekrs ^Atisgaib#«db^iclii
If 9'fiötßo fmouAä»i>^it¥Mre «ind 4ie Adjektive diuek^^liie vcvbiuid«»
(B«ßbjHei1ai)i(— 6/ 11 istT^^die^ZMttmmeMkettinigrCdh^^ •
iniiäWfi^'dtircihnddbt'BMBat^^'I^^ J. M<H0i);;V-^
7, t5 ihetfs« 4fl^'Ha«pt d^ Oeflattdtschalt Yen» ChMci^^^ K^ Mi-
ciw))) iiiie»))ai^0noiiiiien>witti;)^iiei jener Mcythiei/ dctt^<23' Jiibfe < veibev
diO'Sieiie* der^BOttier' in )ObM<mi^ gegen die Itoüet und Antioebm^^yei^
fdehU -^ 16, 8 i£Ä aufgenonoauen } ita ius iumnäum' exigdmnt (]EK (mK^
gAani^ n«di H. J« Mtiler. — 18, 11 ist das 'anverstantißiohe prmtun
(ö/tmia^-ademil) ^\kvAi^*^if!XkZ\isak\A^ 19,^14 hof^
tamtk^ CtenHim m> amidtiam^ . . iungmdam ist idie notwendige Ee^*
rektar od eingeBetzt j
NätOrlioh sind taiir»ane]iiBriiieD8telleii'ZweM!ri>gegen>die« von fingerte
gewlMte^^^Leeartiaofi^stofsen. 2, 6 ist fiberliefert: cumiM.'Tiimi» pHmm
. . . recuperatares sumps&runt. Nov&k verlangte ^enm^ nnd Z. bat dies
ai^g^enmenj Der Aosdmok „die Siebter verbandeln mit dem «Beklage
ten** scbeint mir sonderbari Der Pr&tor Oannleins batte den Anftrag«
dala er reeup^atarea- exardme $enatorio daret. Wenn er Bichter gab, so
ly.EÄ Terdient herroigehoben zu werden, daÜEi D hier aUein mit einer Bandleiart
der enften fla!nd in 2: l&bMiiiBtiintnt. '
2) Y^nehta' ^- joHov,
Neue Philologische BnndBchaa Nr. 11.
waren die Kläger die Nehmer. Der Angeklagte konnte sich dorch frei-
williges Exil (§ 10) dem Gericht entziehen. Titinins blieb in Born; also
liefsen sich die Kläger mit dem M. Titinins zusammen ein Gericht be-
stellen. — 5, 8. Meines Erachtens waren zwei Brilder des Oindbilns
nach Bom gekommen. Alle anderen Gesandten erhielten das übliche
Geschenk (vgl. 6, 10 u. 14) , diese aber nicht, sondern praedpua. Die
Meinung Weifsenboms, et comitibus . . . fieret beziehe sich auch anf die
anderen Gesandten, ist fidsch. duobus fratribus regtdi (Madvig), ,,zwei
Brüdern des Häuptlings 'S scheint mir richtig. — 7, 10 liest Z. mit Emesti,
Yahlen, Giübauer: apoUa sacrüegis C. Lucrelium nambu» Antium de-
vexisse. Es scheint unpassend, die Schiffe als 'tempelräuberisdi' zu be-
zeichnen. Vollends das Epitheton sacrüegis durch die Stellung vor C. Lu-
cretium mit Nachdruck hervorzuheben, ist ein rhetorischer Fehler. Die
Stelle scheint mir von Weilsenbom so gut als mißlich hergestellt zu
sein. — 12, 8. Die Zahl XYI wird durch sexdecim wiedergegeben; ich
ziehe sedecim oder decem sex vor. — 13, 1. qua ist nicht mit Madvig in guia
zu ändern. Die eine neglegentia ist, dafs man nicht mehr an Warnungen
der Götter glaubt, die andere, dals die Prodigien nicht mehr beachtet
werden. Die beiden Glieder mit negpie . . . neque sind nur eine Art der
neglegentia: es werden keine Prodigien mehr gemeldet und selbstverständ-
lich auch keine mehr aufgezeichnet. Zwei Prodigien wurden nach § 6
nicht gesühnt, weil das eine in private loco, das andere in loco peregrino
geschehen war. Also mufs 42, 2, 4 in Veienti apud Bementem lapidcOurn
eine öffentliche Stätte gemeint sein. Nach Nissens italischer Landeskunde
(U 360) gehörte das Weichbild des zerstörten Yeji zur Tribus Tromen-
tina. Man schreibe also apud Tramenhm; dies wird der Ort gewesen
sein, nach dem die Tribus genannt wurde, v 30, 3 qua unda harharus
inaps inpeUi ad heUum non poterat. Es scheint mir möglich, unda als
Best eines Gerundivs aufiEufassen: qua neganda, bei dessen Verweigerung.
Burgdorf bei Bern P, Lviorbaohor.
136) Max Hodermann» Unsere Anneesprache im Dienste
der Cftsar- Übersetzung. Zweite, umgearbeitete und ver-
mehrte Auflage. Leipzig, Dfirrsche Buchhandlung, 1903. 53 S. 8-
Jt 1. -.
Als ich die erste Auflage dieser Schrift (1899) in der N. Ph. B.
besprach, naunte ich sie ein höchst willkommenes Hil&mittel zur Ofisar-
\
Nene Phflologitehe Bondsehan Nr. 11. 268
ErUänug, die jetzt vorliegende zweite Auflage mOohte ich nach den viel-
fachen Besseningen und Umarbeitungen als ein fbr Lehrer unentbehr-
liches Hilfsmittel bezeichnen. Namentlich die Kollegen, die selbst
Beserveoffiziere sind oder gewesen sind, werden aus eigener militftrischer
Erfahrong und nach dem Studium der von H. S. 7 angefahrten Schriften
(Exerzierreglement f. d. Infanterie, Die Felddienstordnung, die Schriften
Moltkes und die Veröffentlichungen des Grofsen Oeneralstabes) das vom
Verf. eingeschhigene Verfahren prflfen und nach besten Kräften im Unter-
richt betätigen können. Werden aber unsere Schfiler als Tertianer daran
gewöhnt, die deutsche Armeesprache nach Möglichkeit und mit Verständnis
für die CSäsar-Übersetzung zu verwenden, so werden sie daraus auch grolsen
Gewinn fQr die spätere Livius- und Tacitus-Lektüre ziehen. — Hoffent-
lich findet der Verf. Zeit und Gelegenheit, seine Durchforschung der deutschen
Armeesprache nicht blofs ffir Cäsar nutzbar zu machen, sondern audi auf
die anderen in der Schule gelesenen Klassiker auszudehnen. Er würde
sich dadurch unstreitig ein gro&es Verdienst erwerben, insonderheit auch
der Benutzung billiger und schlechter gedruckter Übersetzungen der Schrift-
steller vorbeugen. Eine Schrift: „Unsere Armeesprache im Dienste der
Klassikerübersetzung '^ wäre mit Freuden zu begrfilsen. Ausstellungen und
Besserungsvorschläge für diese zweite Auf hige der Hodermannschen Sdirift
habe ich nicht zu machen.
WolfiBnbflttel.
137) Wflhelm Freiherr v. Landau, Beitrage zur Altertmns-
ktmde des Orients. IH. Die Stele vonAmrith. Die
neuen phönizischen Inschriften. Leipzig, Ed. Pfeiffer,
1903. 29 S. 8. Jü 1.80.
Der Verf. vergleicht die 1881 bekannt gewordene Stele von Amrith
mit einer Darstellung in den Torskulpturen von Sendschirli und versucht
die Deutung der mythologischen Figuren. Die Inschrift ist später hinzu-
gefügt, die Säule aus der Zeit, wo noch hethitische Einflüsse in Phönizien
vorhanden waren. Dann gibt Verf. die neuesten 28 phönizischen In-
schriften, aus Phönizien, Ägypten und (13) Karthago mit Übersetzung
und Anmerkungen, Grab- und Votivinschriften auf Krügen, Vasen, Amu-
letten u. s. w.
Oldesloe. Reiflier Banflea.
2ft4'> Neu» FhMologMM Banisoiu» Nr. 11.
18«) /GiaiMmo«. Ttop»a^v NmmigBiAtldft^ MMSMMHlianieytiimufi
[Qi8tiiatta> ddr. Ar43faivio Storio§:. MesshieBe . 11 . 3/44, Measki»«
1902. 43 S. 8.
Der Verf. sagt in der Vorrede, dafs er es für ntitzlich'befdnden, allcis,
was ihm von messiriesisctaen Mdnztypen des Altertums (5.-2. Jahrh. v. Chr.)
erreichbar war, za sammeln. Es sind 166 Nummern, von de'hen fünf
(Nr. 57, ein Subäeratüs von schon bekanntem Typus, und Vier Bronzen:
76. 77.' 130. 139) noch nicht publiäert zu sein scheinen; wünschenswert
wftrie es gewesen, wenn T.' diese abgebildet hätte: statt dessen fifiden wir
die Brosch&fe mit' einigen Holzschnitten von sehr zweifelliafter G'fltd nach
bekannten Münzen ausgestattet. Trbpeas Serie der messinesischen Mfinzen
darf übrigens keinen Anspruch darauf machen , vollständig zu sein ; denn
wenn der Verf. auch* sagt,^ däfs er alles berücksichtigt habe-, was seit Parutsl
(1612) über sizilische Mänzküden erschienen, so hat er doch zwei' deV
wichtigsten Publikationen der letzten Jähre übersehen: die Aüfsät'sie von
A.' J. Evans in der Nümismatic Chronicle (1890, 91,' 94, 96)^utld
A.' Holms GFeschichie des sizilischen Mtinzwesens* im Anhaug zu seiner
Geschichte Sizüiens (IIT 543— 787y.; Sei weifs ' denn T! ' nidtik von dem
interessanten Incusus ältisister Prä^ng (HöIm NV. 5; vgl.' auch NK 6)
und zitiert ' die Mtfnze mit dem Pan (Hdlmi JJr. 170 Tafel * VI 'l6 ^ —
übrigens audi' bei Head bist.' num. S.' 135) noch nach E6khMs''Dbcti1na.
Zu dem w^en der anachronistischen Legende ZJ^iVSL^dfJ/ZO?^* bemerkens-
werten SCftck (Nr. 36) empfehlen wir dem Verf., die ausführliche Er-
örterung von Holm zu lesen; hier ist auch der beigegebene Holzschnitt
gflM'u&zulifiaglitlkc dia 'Mtts(Ae)'uift0rhalb^ des vDe^lns' undr^a» ^/Qir
Liegend<^ «ini- auf Hblibs Ptotot^ie'deutUdl^silsbftar\^wäKt0tt^^8)^ auf dem
Bflitoehnitif (dito »Madchel auch in » d^ B^sdil^bBng) fdilen;'
Auf « weitere Einzelheiten einzugehen verlohnt'essidi' nicht. Für
sädliiKdie^ Sainmler eti^ ' mag das BüdiMn ganz * bhntehbär seinv es ist
jed^ifktyMUigitiiid mSA kann^BeitieMAiixefii das»^ bestimmeKniifd trduM;
dMtKer -^hlnaus'^lik^fhftt^^es' keineii"VMit.
Miich*n. . 0.< B^f) •
1 SO)' Aldgturt W^diöeki' FraküMlib AUelttiiig ztimiJiiMxYitdil
ixi der lät^infsehen Orammatik nach' den neuen Lbhr-
pMhra.^ ZWeitid, verbessert«! Auf läge.»' Hftttcla;iSj; BbeUiMdlti^g
des Waisenhauses, 1902. 217 8. 8. JtfB^^.
DieBe^^oclif i4Men erste Auflage mir nicht zu Händen gekommen ist,
müehte ich allen Lehrern der alten Spraehen, namentlich aber den Anftngem
K
' Neae Fhilologiitohe Buiidgchaa* Nr. 11. *5ft5
nüd' jflngeren'Eolhefen, dringehd empfehlen. Die 'darin üiedergelegtet Be-
* handlnngsweise der Segeln kann nrtttlich oiid soll, -irie'der^Tefrf.'-flelbst
biBtont/ keine Schablone znm metehatn^ehen^^Nachmatehen sein, 'soadern jMer
Lehrer mag dieselben nüt itorlbsiäüdigem ' urteile nsteh «einer Bigenort
modifizieren. Aber die ganze Terfahrensart -wird /dabei zn t^raade zu
legen sein. 'Der Verf. yertrftt mit Nafßhdnfck,'nild gowifs ntit-Belsht,
das induktive' Ter&hren, irobei Wetdings, wie er tselbst S; 2d"flagt, dieses
nicht istots niid flberafllmafi^beAd sein kann. Induktion und DMuktion
werden einander ergänzen müssen; das iAdtiktiTe^ V<^faren -^ird nii»hr in
den uhteren und mutieren Klassen, das' dMhktiTO mehr in den oberen- zur
Geltung' kommen, ftber nicht aus^tehliefslich herrschen. — 'Der^'grMMre
Teil des Buches ist dem prtiktischenTJhberricfate gewidmet, *uAd' hier z^
silBh der erfkhrene Schulmann. !Bs ist hier der ganze llifeiniäche' Unter-
richt in seiner ' Entwitkidlung ron TP bi£rrduithgenommen,uiidlBer^'#ird
ein j^der, der das Buth aufmerksam durchalrbeitet, mag er aueh* Vi'elleieht
4sllBlbst ' in Ihnlidier Weise rerfiihren, oder hie* und da sich'aUehMnd
verhlEtlten, viele neue Anregungen ud^d Fingerzeige emp&ngen. 'AüßSinAl-
heiten* profund contra hinzuweisen, kann ich mir ersparen: ^möge^^ jeder
selbst prüfen; jedenfalls möchte ich meine Empfehlmig dieser wirklich
i<prakti86heai.ADiilitu]ig ^deshdäen.
Bißkehurg. tS-hV 5Uor.
140).B. Schnee, HiUabüchlain fOr. den lateinischen Vnter-
. rieht. Erster .Teil: .Phrasensammlung. .Gotha, . Friedrich
Andreas PMhiSS 1903. VI u. 103 8. 8.
geb. M 1. — .
'Der Verf. stdllt einen Kanon der wichtigsten laieinistohen Ausdrücke
uüd Phrasen auf und verteilt den Stoff auf die einafeloen Klassen des
Gymnasiums. Für die unteren Klassen schöpft er ihn aus* Busch -^ Fries
und Müller -Ostermann, für die anderen lediglich aus der Lektüre. Er
benutzt nur die in den "Gymnasien am meisten gelesenen Sehliften des
Altertums. 'Vielldcht könnten später noch verwertet werden das'Somnium
Scipionis, de öfficiis lib.'I und das erste Buch der Historien des 'Tacitus.
Der praktische 'Nutzen der sorgfältigen Arbeit ist meines Brachtens
eihleuchtend : wenn die aus der Lektüre gewonnenen' Phrasen systematisch
gelernt und wiederholt werden, so witd der Lehrer derhüheren Klasse
in der' Lage sein, auf 'diesem feisten gründe wiaiter zu^ bauen raufseMem
256 Neu« Philologische RuidBchaii Nr. 11.
weifs er, was er in dieser Bicfatong voraussetzen darf. Folgt man dieser
Methode der Auswertung der LektQre bis zur Oberprima hinauf, so wird
man für jede Klasse eine sichere Kenntnis eines fest umgrenzten Wort-
und Phrasenschatzes erreichen können. Der Nutzen wird in den Extem-
poralien bald zu Tage treten: die Dürre und Unsicherheit im Ausdruck,
die auch bei grammatisch gut herangebildeten Klassen sich zeigen,
werden von Jahr zu Jahr mehr schwinden. Aber ich glaube, dals auch
die Lektfire selbst durch das konsequente Festhalten und Wiederholen der
gelesenen Bedewendungen gewinnen wird. SchlieMich noch eine Be-
merkung: da die vorliegende Phrasensammlung dem Qange der Lektfire
nach Kapiteln folgt, so ist sie geeignet, den SchQler auch bei der häus-
lichen Vorbereitung wirksam zu unterstfitzen.
Im zweiten Teile behandelt der Verf. auf 81 Seiten die wichtigsten
stdlistischen Begeln und belegt sie mit zahlreichen Beispielen aus den in
der Schule gelesenen Schrifben. Wer in der Praxis steht, wird erkennen,
dals gerade die Gebiete, deren Erfassen dem Schfiler die grSfsten Schwierig-
keiten bereitet, vom Verf. am ausführlichsten besprochen worden sind.
Hamburg. M. Kleiasolimit.
141) Faul Stapfer, Victor Hugo et la Orande FcöBie Sa-
tixique en France. Paris, Paul Ollendorf, 1901. 349 S. 8.
fr. 8.50.
Der behandelte Oegenstand hat augenscheinlich auf die Art der Be-
handlung eingewirkt: das ist ein Buch so langatmig und eintönig wie
Victor Hugos Poesie selbst, und das wirklich Wertvoile verliert sich wie
einzelne WeizenkSmer in der Spreu. Wertvoll ist eigentlich nur der
letzte Abschnitt, der den Beziehungen zwischen Victor Hugo und Agrippa
d*Aubign£ nachgeht. Dafs mancherlei Fäden von dem Satiriker des 16. Jahrb.
(1550 — 1630) zu dem des 19. herüberleiten, liegt ja auf der Hand.
Stapfer deckt sie systematisch auf und erklärt sie in zutreffender Weise.
Orundbedingung ist natfirlich eine Ähnlichkeit der Charaktere. Dann aber
liegt entschieden ^ine Einwirkung des Älteren auf den Jfingeren vor, da
Victor Hugo ihn in seiner Jugend gelesen hat Wie fest solche Lese-
frflchte in Hugos Erinnerung safsen und wie sie ihm wieder in die Feder
liefen, ohne dafii er sich bewuM war, eine Anlehnung zu suchen oder gar
ein Plagiat zu begehen, dafür erzählt Stapfer aus eigener Erinnerung ein
Erlebnis, das alles Ähnliche weit hinter sich l&lsL Das Hauptverdienst
k
Nene Fhilologiiohe Bimdiehfta Nr. 11. 257
der fibrigen acht Abflchnitte ist eigentlich nur, dab man an der Hand
eines Eondigen einen groCsen Teil der HngOBchen Lyrik in einem be-
stimmten Sinne durchwandert und sich so ihrer Merkmale wieder erinnert;
irgend etwas Neues wird nicht zu Tage gefördert. Oegen die These des
ersten Abschnittes, dals vor Hngo die Satire in unpersönlichen Sitten-
predigten bestanden habe, das Persönliche erst von ihm hineingebracht
sei, gibt es mancherlei Einwände: man denke nur an Aubign^. Biditig
aber ist, dals Victor Hugo, wie Oberhaupt, so auch in seiner Satire sich
als das Mafs aller Dinge hinstellt Auch das wird man zugeben, dals
ihm niemand gleichkomme „im Ausdruck der heftigen und dflsteren Leiden-
schaften, der Empörung, des Zornes, des Hasses, der Verachtung ^^ Sicher-
lich entsprach auch, wie Stapfer ausffthrt, diese satirische Lyrik am voll-
kommensten seinem Wesen, insofern er mehr und bewulster als andere
Dichter das Bedfii&is gespflrt hatte, zu belehren, und den — nach unserer
Meinung freilich ohnmächtigen — Wunsch, umgestaltend in die Entwicke-
lung der Dinge einzugreifen. Im Anschluß an diese Auseinandersetzungen
aber wirft Stapfer noch die Frage auf, wie man sich dazu stellen solle,
dals Victor Hugo, der strenge Sittenrichter, in seinem eigenen Hause so
wenig auf Beobachtung der Sittengesetze gehalten habe. Eben jetzt
erscheinen in der Bevue de Paris (Fivrier 1903) die erbaulichen Dokumente
seines bigamischen Lebens. Natfirlich weils Stapfer auch weiter nichts
zu sagen, als dals ein Satiriker kein Heiliger zu sein brauche, und dafs
die gepredigten Tugendlehren darum nicht weniger wahr und erhaben
seien und was dergleichen Verlegenheitsauskflnfte mehr sind. So entlälst
dieser Abschnitt den Leser mit einem peinlichen Oefähl, das weit entfernt
wieder zu schwinden, stetig zunimmt. Es gibt wenig Schilderungen, in
denen Hugo so klein erscheint, wie in dieser, obschon Stapfer ihn ge-
wissenhaft immer den „Grofsen Dichter'^ nennt. Fährt er doch selbst
so viele Beispiele seiner Unzulänglichkeit an — bekannte und weniger
bekannte — dafs man Seiten damit fDUen könnte: Hugo ist kein Denker,
er ist kein Philosoph, er ist in seinem Hafs stets blind, indem er unter-
schiedslos ganze Klassen und Stände verfolgt, er „kennt sich selbst gar-
nicht", er steckt voll kindischer Selbstfiberhebung, er scheut vor den
Mesten Albernheiten ebensowenig zurfick, wie vor den unedelsten Schimpf-
wörtern, er verwickelt sich in ungezählte Widersprflche — wo bleibt da
die Gröfse , ja wie kann dabei Hugo auf literai^eschichtliche Bedeutung
Anspruch erheben? Das Positive gegenüber all diesen elirlich gemachten
258 l^ene iPhilologisehe Bnndschan Nr. 11.
Ansstellnngen ist verbfiltnismftrsig gering. Wenn ans ein Abschnitt bei-
spielsweise verspricht, uns in die „Gesetze der Vorstellungskraft Hogos*^
einznfBhren, so erwarten wir, wenn anders Hugo wirklich der „Grobe
lichter** ist, hier in die Geheimnisse des schaffenden Menschengeistes
schlechthin eingeführt zu werden. Und was er&hren wir? Eins dieser
angeblichen „ Gesetze '^ sei die „Antithese 'S ein anderes „dieÜbertreibung'^
Das wfirde man doch h(k^hstens „rhetorische Mittel, durch die er Wir-
kungen zu erzielen sucht'S nennen können. Ein weiteres „Gesetzes das
in diesem Genius lebendig war, soll dann sein, dafs „die Worte in seinen
Augen ein wirkliches Leben annehmen '^ Um mit den Worten plastische
Vorstellungen zu verbinden, braucht man noch nicht einmal Dichter zu
sein. Und dann werden zwei gänzlich negative Eigenschaften seines dich-
terischen Wesens unter diesen „ Gesetzen'* genannt, nftmlich gänzliche
ünflUiigkeit zur Selbstironie und Mangel an psychologischem ünterschei-
dungsvermOgen, mag auch immerhin das letztere positiv ausgedrfickt sein:
la Edmplification extrfime des choses que les mots repr^ntent. Man muls
sagen: entweder ist Stapfer nicht in die Tiefe von Hugos Wesen ein-
gedrungen, oder diese Tiefe ist überhaupt nicht vorhanden. Und dafs das
zweite der Fall sei, ist der bedauerliche Eindruck, den dies Buch hinter-
läfst. Es beweist, dafs man auf diesem Wege Hugos unleugbare Bedeutung
nicht fiissen kann. Man vrird immer von dem Zugeständnis ausgehen
müssen, dafs er keiner von den Grofsen, keiner von den Führenden ge-
wesen ist, sondern unter dem grofsen Haufen der nach wechselnden Zielen
drängenden Menge einer der lautesten Bufer und unermüdlichsten Kämpfer
nicht mehr und nicht weniger.
WefanaY. Crloh
142) H. Scharar, Una Familla pandant la Ghierra 1870/71
par Mme B. Boissoiinas. Im Auszug zum Schulgebrauch heraus-
g^eben. München, J. Lindauersche Buchhandlung (Schöpping),
1902. 92 S. 8. brosch. Ji -.80, geb. Ji 1.-.
Die von Madame Boissonnas veröffentlichten Erlebnisse einer fran-
zösischen Fkmilie während des Eriegsjahres erfreuen sich als Schullektüre
zunehmender Beliebtheit. In der Tat bietet das Werk eine soldie Fülle
anziehenden Stoffes, der für die Zwecke des französischen Unterrichts und
vom ethischen Gesichtspunkte aus in gleichem Mafse wertvoll ist, da(s es
schwer fällt, auf den für eine Schulausgabe verfügbaren Baum sich zu
k
Nene FhiklogiMhe Baadidiiii Nr. 11. SM
beschrSnken. In vorliegender Auagabe fehlen leider die fegaelnden Briefe
von Flau v. ThienUni die ein anaehauliohes Bild der Beziehungen zwischen
Deutschen und Franzosen bieten. Daf&r ist die abenteuerliche Flucht des
CSapitaine Herbauld mit aufgenommen.
In den ,, Einleitenden Bemerkungen'* ist das Nötigste enthalten.
Übrigens ist nicht nur die Bezeichnung des Gutes, „Les Flatanes'S son-
dern auch der Name der Familie, de Vineuil, wülkfirlich gew&hlt
Zeilenzählung am Bande des Textes ist nicht vorhanden; daher muf^
durch bdgefttgte Ziffern auf die Anmerkungen verwiesen werden. Diese
(S. 66—73) sind fast ausschlieMich geschichtlicher oder geognphischer
Natur. Einige davon sind wohl entbehrlich: „Die Loire entefpringt auf
den Cevermes und ist bei einer L&nge von 1002 km der grO&te Fluls
Frankreichs.'* (Ähnlich unter Seine, Bretagne, Larraine.) — „Quühiume.
Friedrich (sie!) Wilhelm 1797—1888, König von Fteufim, seit 1871
Deutscher Eaiser.^^
Das Wörterverzeichnis (S. 76—92) enthUt fast gar keine AusEfprache»
bezeichnung, obwohl bei WOrtem wie babjf, eneaigmure, eaMiM, fmä
efaie solche wfinsdienswert wilre.
Durch Beigabe einer Kartenskizze der Umgebung von BuriSi vielleicbt
auch des Kriegsschauplatzes an der Loire, wflrde die Brauchbarkeit der
Ausgabe wesentlich gewinnen. Der Text bietet eine willkommrae Lek-
tfire IBr Sekunda; (Ox Obertertia wflrde sich der Mangel an Übersetzunga-
hilfen wohl stSrend bemerkbar machen.
Baden-Baden. B. Wfl
143) F. X Werahoven» Frankreieh. Bealienbuch fBr den fran-
zösischen Unterricht Dritte verbesserte Auflage. GSthen, 0. Schulze,
1903. Vm u. 224 S. 8.
Das Buch will nicht Stoffe zu Sprechflbungen Aber Voigftnge und
Verhflltnisse des wirklichen Lebens bieten, sondern solche fBr freie
Arbeiten u. s. w. Aber Geschichte, Literatur und Kultur des französi-
schen Volkes. Es ist eine ziemlich bunte Zusammenstellung, die ja
manches Brauchbare enthalten mag, aber nichts besonders Wertvolles.
Von der Flfichtigkeit der Arb^t erhält man einen netten Begriff, wenn
man sich das Verzeichnis der Druckfehler ansieht, welche die Besprechung
in der, Zeitschr. f. lateinlose höhere Schulen 1902, S. 102, aufrählt. Dabei
liegt ciie „dritte verbesserte Auflage'' vorl Ein solches Buch darf man
SgQ Nene Phüologiaelie Bnndechan Nr. 11. ^
ja deo Schfilern gar nicht in die Hand geben. — Anmerkungen nnd
Synonyma zeigen geradezu angenverderbenden Druck. Quellennachweise sind
nur zum Teil vorhanden.
Viersen.
144) John Koch, QeoSrey Chauoer, The Fardoner'a Pro-
logue and Tale. A Critical Edition. (=s Englische
Textbibliothek, herausgegeben von J. Hoops, 7.) Berlin,
E. Felber, 1902. LXXII u. 164 S. 8. J$ 3.-.
Alle sechs frflheren Bände dieser schönen und zweckdienlichen Samm-
lung sind in deutscher Sprache erschienen, wie es sich ffir das Unter-
nehmen eines deutschen Gelehrten und eines deutschen Verlegers geziemt.
J. Koch ist der erste, der diesen Grundsatz durchbricht. Ganz geheuer
scheint es ihm freilich selbst ursprünglich dabei nicht gewesen zu sein,
denn er fQhlt sich verpflichtet, die Prefatory Note mit folgenden charak-
teristischen Worten einzuleiten: The first question asked by numy on
openmg Üiis book toiU perhaps be, ^Why was it wriUen in English, üs
authar hemg a Qermanf Dann gehts nicht minder bezeichnend weiter:
The piain answer is, *Ai ihe Suggestion of ihe leamed Editor of this
CoJlection, who, like the author, ihinks that in this shape (he book wül
find more friends among ihe EngUsh-^eakmg natUms, for whom it is
OS much intended as for German students^. Also gewöhnliche Nfitzlich-
keitsbestrebungen oder Liebedienerei vor dem Auslande fahren noch immer
bei ^ms zu Erfolgen, wie sie kein anderes Volk der Welt aufzuweisen hat.
Ich habe noch keine deutsch geschriebene germanistische Abhandlung oder
Ausgabe eines Franzosen oder Engländers gesehen, selbst Tschechen und
Ungarn schreiben Fachaufsätze und wissenschaftliche Bflcher in ihrer
Muttersprache, der deutsche Gelehrte aber mufs seine Schriften fiber eng-
lische Philologie getreulich in englischer Sprache abfassen; denn auf das
bifschen Deutsch kommts ja nicht an, wenn nur die Herren Engländer
und Amerikaner die Gflte haben, so ein Werk mit herablassendem Danke
hinzunehmen und es ihrer Beachtung zu wfirdigen. Es wäre dringend zu
wünschen, dafs auch in der Wissenschaft etwas mehr nationales Selbst-
bewufstsein zum Vorschein käme und Erscheinungen wie die vorliegende
allmählich von der Bildfläche verschwänden. Denn die deutsche Wissen-
schaft, besonders auch die Anglistik, hat doch wahrlich das Recht, auch
in deutschem Gewände vom Aushind beachtet zu werden. Geschieht das
k
Nene Fhiloloc^lie Bimdsefaaa Nr. 11. S61
dennoidi nidit, wie es in Biigland freilich fest Begel ist, sa bleibt der
Sehaden anf Seiten derer, die da za bequem sind, deutsch m lernen.
Wegen solcher Bequemlichkeit Fremder aber, die nicht selten in Hochmut
ausartet, so ohne weiteres auf die Muttersprache zu Terzichten, das
ist nicht würdig. (Vgl. hierzu auch die Bemerkungen Aber Holthausens
Sammlung Old and JÜUddOe EngUsh Texts im Jahig. 1901, S. 187 dieser
Zeitschr.).
Bein sachlich betrachtet ist das Buch natfirlich eine Musterleistung
eines deutschen Gelehrten, ja man könnte ihm vielleicht fBr seine Zwecke
— hauptsächlich soll die Sammlung zum Gebrauch an üniTersiatBsemi-
naren dienen — etwas weniger Gelehrsamkeit wfinschen. Denn die Seiten
der Ausgabe sehen in der Begel so aus, dals 4 — 7 Zeilen Text darauf
stehen und der ganze Best von den Handschriftenvarianten eingenommen
wird. Das ist ja nun zweifellos ein Zeichen von grober Gründlichkeit
und Genauigkeit bei der kritischen Herstellung und Bearbeitung des Textes,
aber ob das in dem Mafse und gerade bei Chaucer notwendig oder fBr den
Studenten auch nur nützlich ist, ist doch wohl eine Frage, Ober die man
geteilter Meinung sein kann. Denn aUzugrofse Fülle kann bekanntlich
auch verwirrend wirken und unter den 55 für die Pardoner^s Tale in
Betracht kommenden Handschriften und Drucken läfst sich, wie Koch ja
selbst in seiner Einleitung zeigt, eine verhältnismftisig einfache Gruppierung
erzielen, die wohl unschwer noch etwas mehr Knappheit in der Gestaltung
des Variantenapparats ermöglicht hätte. Das ist indessen, zum Teil wenig-
stens, Ansichtssache. — Die umfangreiche Einleitung enthält nun im ein-
zelnen im ersten Kapitel eine kritische Übersicht über die früheren Aus-
gaben der Pard. Tale, die übrigens hier zum ersten Male allein in einer
Sonderausgabe erscheint, das zweite gibt die notwendigen Bemerkungen
über die Anhige und Einrichtung der Ausgabe, Kap. III beefpricht di^
Stellung der Pard. Tcde im Bahmen des Gesamtwerkes, wobei Koch sie
auf 1390—91 datiert, Kap. IV bringt eine Übersicht über das Quellen-
verhältnis, Kap. y eine Charakteristik des Pa/rdonery und Kap. VI end-
lich (S. XXX — Lxxu) besteht aus einer ungemein eingehenden und sorg-
samen Untersuchung über die Handscbriften und Drucke der Erzählung,
ihren Wert, ihre Beschaffenheit und ihr Verhältnis zueinander; ihr End-
ergebnis besteht wiederum darin, dafs das EUesmere- Manuskript sich
als die beste Überlieferung darstellt und als Grundlage eines kritischen
Textes dienen mufo. Auf den Text folgeu dann noch die auch sehr reich-
Nene FhiiologiBelie Bnndsebaii Nr. 11.
K
haltigen Notes (S. 94—160), die mit gro&er Gründlichkeit alle möglichen
Fragen, sadiliche, sprachliche, grammatische, vergleichende, solche der
Aussprache, Metrik n. a. m. erörtern, und öfter auch eine deutsche
Übersetzung oder Erklärung bieten.
Breslau.
145) F. Bantsch, Talks about EngliBh Life. Göthen, 0. Schulze,
1902. XVI u. 301 S. 8.
Nach dem Titelblatto ist das Buch auch fflr höhere Lehranstalten
bestimmt (auDserdem f8r Fortbildungsschulen, Pensionate und zum Selbst-
studium), dedialb mag hier eine kurze Besprechung am Platze sein. An
ridi ist das Buch nicht sohlecht, aber far höhere Schulen ist es kaum zu
verwenden. Qanz abgesehen von der weitlftufigen Anhige vieler Kapitel,
enthält es Verschiedenes, das wir doch nicht gut unseren Schfllem vor-
zulegen brauchen, so den köstlichen Abschnitt Aber die Vorzfige des Jung-
gesellentums, denjenigen Aber Herren- und Damentoilette u. s. w. Am
errten wird sich das Buch zum Selbststudium empfehlen, allenfalls auch
f&r Mftddienpensionato« — Druck und Ausstattung sind gut.
Viersen. A. Waokersapp.
146) Ph. Hangen, Englische Übnngsbibliothek zur Benutzung
an höheren Lehranstalten sowie zum Privatstudium. Dresden,
L. Ehlermann (o. J.). Nr. 4: Gutzkow, Zopf und Schwert.
5. Aufl. 124 S. 8. geb. ^1.20.
Über die im Verlag von Ehlermann erscheinende Übungsbibliothek
; ist in diesem Blatte Jahrg. 1901, Nr. 26, schon gesprochen worden. So
I wie dort der Wert einzelner Bändchen dieser» Sammlung gebfihrend her-
I vorgehoben vrurde, so darf auch an dieser Stelle die fünfte verbesserte
[ Auflage der Bearbeitung des Gutzkowschen Stuckes allen denjenigen em-
pfohlen werden, die, sei es im Unterrichte, sei es zum Privatstudium,
die Übertragung eines echt deutschen Schriftwerkes ins Englische ins
Auge gefalst haben.
Münster i. W. ■• BofRiohvUo.
Nea« Phllologiflelie BnnaMbM Nr. 11. 868
Vakanzen.
Braunsehwelg, H.M.S. ObL N. Spr. Stadtmagiatrai
Cassel, B.S. Zwei Obl. 1) N. Spr. ; 2) Bei., Deutsch tu Gesch. Magistrat
Dortmund, O.B. ObL 1) Math ; 2) N. Spr. Scholkaratoriam.
Eschwege, G. u. RS. Obl. Alte Spr. n. Deutsch. Kuratorium.
Guben, G. Hil&I. Gesch. u. Deutsch. Dir. Dr. Hamdorff.
Halle a. S., G. Obl. Elass. PhiL Magistrat.
EOln, O.B. u. B.G. Obl. Math. u. Nat. Dir. Dickmann.
Harienburg, H.M.S. Obl. Deutsch u. Gesch. oder Bei. u. Gesch.
Dir. Dr. BSmstedt.
Sehwerte, Prg. Obl. N. Spr. Kuratorium.
Yiersen, G. Hilfsl. Alte oder N. Spr. Dir. LOhrer.
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Nr. 16B. Hlstolre de FExp^dltion d'Egypte, tir^e de THistoire de
la BSvolution fraD9ai8e par A. Thlers. Edition annot^e ä Tusage
des classes par Charles Beckmann, Professeur au Gymnasium
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Nr. 34 B. F. H. Bumett. Llttle Lord Fauntleroy. (1866.) Edited
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Nr. 40 B. Hademolselle de la Seigltöre, com^die par Jules Sandeau.
(1851.) Vitien pr^dfe de notices biographique et historique
et accompagnäe de notes par E. Engelke, Docteur en Philoso-
phie et professeur k la Oberrealschule de Flensburg.
Gebunden Jd 1.60. — Wörterbuch dazu J( —.20.
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Oberlehrer an der Oberrealschnle m Flensburg.
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weil. ord. Professor der englischen Philologie an der Universität Freibnrg i. B.
160 Bogen dreispaltiger Satz in Gr.-Lex. 8®.
I. Band: n Band:
eleg. m Halbleder geb. IL 14.— eleg. in Halbleder geb. M. 12.^
Die Ansspraoheangaben Schröers verdienen das gröfste Lob. Mit welcher Vorsicht der
Verfasser vorgeht, ist besonders daraus zu ersehen, aaflB er von vielen Wörtern swei nnd
mehr verschiedene Aussprachen angiebt. KatlirUoh wird die an erster Stelle stehende als
die beste empfohlen. Prsf. Dr. Ellln|sr, Trsppau, in der „As|lla".
pgr Zu haben In allen Buchhandlungen "VI
Für SchnleB Hvr^fia^mt^sanwfi'^ bei gleichzeitigem Bezug einer größeren Anzahl
von Exemplaren.
fftr die BsdakttoB vonatworilieh Dr. E. Luiwl| in BffMta
Dnek «Bd Verlag von Friadrleh AadTMU Perthes, Aktitngeaellscliftfl, Qotlia.
^
tu
o.-'i9C3
Ctotha, 13. jTnm. ]ffr. 12, Jahrgang 19Öd.
Neue
PhilologischeRundschau
HeraiugegebeD tod
Dr. C. Wagener und Dr. E. Ludwig
in Bremen.
Encheint alle 14 Tage. — Frei« fOr den Jahrgang 8 Hark.
Bestellnngen nehmen alle Bachhandlangen, sowie die Postanstalten des In- and Aaslandes an.
Imertionsgebflhr Rlr die einmal gespaltene Petitzeile 80 Pfg.
Inhalt: Bezensionen: 147) Ch. W. Peppler, Comic Terminationes in Aristophanes
and the Comic Fragments (Pb.Weber) p. 265. — 148) Fred. H. M. Blay des, Spici-
legiam Aristophaneom (Pongratz) p. 26b. — 149) Jacob vanderValk, De
Lucretiano carmine (H. Schröder) p. 268. — 150/152) W. Dörpfeld, Das
Homerische Ithaka; Hago Michael, Das Homeriscne nnd das heutige Ithaka;
N. K. IlavXdxov 4>ttQfJLttxifag , ^H ulrj&iis *I9'äxri toO ^OfiriQou (B. Menge)
p. 270. — 153) L. Hervienx, Notice snr les fahles latines d'origine indienne
(Fr. Heidenhain) p. 275. — 154) P. Yarese, II calendario romano all'eta
della prima guerra punica (P. Lnterbacber) p. 275. — 155) M. Wetze j, Griech.
Lesebnch (F. Adami) p. 276. — 156) üppenkamp, Aufgaben zum Übersetzen
ins Lateinische imAnschluIs an Tacitus (£. Krause) p. 279. — 157) A.Brofsmer,
Aigar et Maurin (M. Goldschmidt) p. 280. — 158) M. Hoffmann, Guy de
Maupassant (A. Bohr) p. 281. — 159) B. Lade, Henri Malln, ün CoUegien
de Paris en 1870 (K. Pusch) p.282. — 160) £. Goerlich, Hilfsbuch far den franz.
Unterricht (A. Wackerzapp) p. 283. — 161) V. Kerb, The Valiant Welsh-
man by B. A. Gent (-tz-) p. 284. — 162) H. L obre, Von Percy zum Wunder-
horn (T.) p. 285. — 163) M. Steffen, Einfuhrung in den englischen kauf-
männischen Briefwechsel (Bahrs) p. 287. — 164) H. Fischer, Der Neuhumanismus
in der deutschen Literatur (T.) p, 288. — Anzeigen.
147) Charles William Feppler, Comic Terminations in Ari-
•topIianeB and the Comic Fragmente. Parti: Diminutives,
Charakter Names, Patronymics. Baltimore, John Murphy Com-
pany, 1902. 53 S. 8.
Der Überschrift entefprechend zerf&llt die hiermit angezeigte Disser-
tation in drei Teile, und zwar dergestalt, daTs die gute erste Hälfte der
Abhandlung von den Deminutiven handelt, während die beiden anderen
Wortklassen sich in die Besthälfte teilen. Diese Ungleichheit des äufseren
ümfangs in der Behandlung der drei namhaft gemachten Erscheinungen,
die, wie man sofort begreift, Spezies einer und derselben Art sind, insofern
bei allen der komische Zweck durch Änderung der gewöhnlichen Endung
in eine neue und unerwartete erreicht wird, dfirfte zu der mehr oder
weniger häufigen Anwendung dieser Mittel behufs Erzielung der beabsicb-
äeä Nene t^hilologisclie Rnnclschan Nr. 1^.
tigten Wirkung im richtigen Verhältnis stehen. Jedenfalls treten gegen-
über den Deminutiven die beiden anderen weit zurfick. Wurzelnd in der
täglichen Umgangssprache des Volkes dienen die Deminutive dem an der
Unterhaltung regen Anteil nehmenden Gemüte je nach den Umständen
zum Ausdruck der ungeheuerlichsten Stimmungskontraste; leihen sie ja
doch der liebevollsten Teilnahme und dem stärksten Abscheu gleich be-
redten Ausdruck, sind ebensogut Kosenamen als verächtliche Benennungen.
Die Komiker allerdings wenden sie hauptsächlich in letzterem Sinne an.
Nach einer kurzen Einleitung bespricht der Verf. zunächst Zweck
und Wirkung der Deminutiva, soweit sie im Sinne hyperbolischer Ver-
kleinerung verwendet werden, und belegt seine Ausffihrungen theoretisch
durch Grammatikerstelleu, praktisch durch nicht aus griechischen Komikern
ausschliefslich , sondern auch aus Plautus, ja selbst Cicero u. a. entnom-
mene Beispiele, ein Verfahren, das er die ganze Arbeit hindurch ziemlich
gleichmäfsig beibehält. Der nächste Abschnitt handelt von der über-
triebenen Anwendung der Deminutive, die wieder doppelter Art ist,
erstlich eine Vervielföltigung (richtiger Verdoppelung!) der Deminutiv-
suffixe {TtatdiGTuiQiov, x^anax/(^tov, IlQiafiiXXildQioVf JtjfiayLidiov, womit
zu vergleichen pedüasteUtis , gravastellus) ^ zweitens eine Häufung von
Deminutiven. Ausdrücke wie parvulum pdlliölum und aureola oratiun-
cula sind als äquivalent mit der an erster Stelle genannten Verdoppe-
lung zu betrachten. Das reichlich angezogene Material läfst in diesem
Teile deutlicher als in anderen Partieen Vertrautsein des Verf. mit den
Quellen und Vorarbeiten ersehen. Während indes später dvldiov, x^eAi-
xog, acevdaXlayiog , anceUayiOQj meduUula, imtdus, mcUicMus, erudi-
tuius als &7ta^ dy^iiva bezeichnet sind, fehlt dieser Zusatz hier bei
JrifjiayUdiov, Was vollends %q^%og anlangt, so möchte es trotz der
Analogie der beiden nächsten Wörter meines Erachtens doch geratener
sein, einstweilen noch an der Form y^^etayiov festzuhalten ; es ist ja richtig,
dafs die beiden anderen Maskulinformen von Neutris gebildet sind, aber
Rock (zu den Fröschen V. 405) findet diese Bildung „sehr auffällig".
Nunmehr folgen die Deminutive liebkosender Zärtlichkeit und Schmeichelei,
wo indes der angeführte Gebrauch von q>il6tiiig in der Anrede mit nichten
auf die zitierte Platostelle beschränkt ist, und im Anschlufs hieran die
der Verächtlichmachung, bei welchen die von Aristophanes an der Sprache
des Euripides geübte Kritik als recht ergiebige Fundgrube sich erweist.
Der zweite Teil, der eine bemerkenswerte Vorliebe der Griechen für Spott-
k
Itene JPhUolOgiBche Kündscbaa ^r. 12. 26?
namen erkennen läfst, geht der Reihe nach die Endungen -(ov, -iW, -c^,
'iQj lag (zu dig>&eQiag ist noch Varr. r. r. 2, 11 zu vergleichen), -äg
(und 'dg: Jioifüg) und -3^ durch, unter dem aus II. 10, 68 f. entlehnten
Motto bildet endlich die Betrachtung der Patronymika den Schlufs. Bei
letzteren wird, wie dies eingehender schon bei den Deminutiven der Fall
gewesen ist, auch der etwaige Einflufs des Metrums auf Anwendung oder
Nichtanwendung solcher Wörter einer ziemlich eingehenden Besprechung
gewürdigt. Ob die dabei geäufserten Vermutungen einen über die statisti-
schen Feststellungen noch hinausgehenden Wert haben, muls dahin ge-
stellt bleiben.
Gilt es nun schlieMich, die Arbeit, welche stellenweise mehr den
Charakter einer Betrachtung als einer Abhandlung an sich trägt, in einem
zusammenfassenden Urteile zu werten, so können ihr Vorzüge mancherlei
Art gewifs nicht abgesprochen werden. Mit Klarheit und Übersichtlich-
keit der Gruppierung verbindet sich verständige Sichtung der einschlägigen
Literatur und mafsvoUes Abwägen des Für und Wider. An manchen
Stellen tritt auch selbständige Durchforschung der Quellen zu Tage, sodafs
Poppers in der erfreulichen Lage ist, die Beispielsammlungen anderer
durch kleine Beiträge zu vermehren; öfter freilich verläfst er sich auf
fremde Feststellungen. Wenn man jedoch noch weiter einerseits die
Schwierigkeiten bedenkt, die sich erheben, sobald man in einem be-
stimmten Falle entscheiden soll, ob das hier in Frage kommende Wort
dem Komischen zuzurechnen ist oder nicht, zumal da es sich um eine
fremde und noch dazu tote Sprache handelt, deren ümgangsidiom, welches
doch das eigentliche Gebiet hierfür ist, bei dem allgemeinen literarischen
Schiffbruch, um ein Bild Wyttenbachs zu gebrauchen, im Vergleiche zu
dem Bestände der auf uns geretteten Literatursprache gröfstenteils über
Bord ging, anderseits darauf hinweisen kann, dafs keine der von Peppler
in Betracht gezogenen Stellen zur Opposition herausfordert, so darf man
wohl in dieser vorsichtigen Beschränkung auch eine Art Meisterschaft
erblicken.
Druckfehler haben sich nur wenige eingeschlichen. Man verbessere
und lese S. 11 Z. 30 7CwUqiOV\ S. 18 Z. 26 'Aqiov\ S. 19 Z. 30 7t6-
aviov; Z. 32 MvQQividiov; S. 50 Z. 28 7tolv€Tijg.
München. Ph. Weber.
^ÜS itene t^hilologisehe ifeundschan itr. 1^.
148) FredericuB H. M. Blaydes, SpioU^um Ariatophaneum.
Halis Saxonum, in orphanotrophaei libraria MDGCGCII. 136 S. 8.
Jü 3.—.
Das Büch bildet eine Ei^nzung zu des Verf. bekannter Aristophanes-
au^abe. Es zeigt, wie wenig sieb Blaydes genng tun kann in AnfQhrong
von Parallelstellen, eine Eigenheit, die nicht allerwärts Anklang gefanden
hat Am Schiasse sind noch Bemerkungen beigefügt zu anderen Komikern
und ganz zuletzt noch einmal Addenda zu Aristophanes, sodafs ein ge-
wissenhafter Benutzer von Blaydes* Aristophanesausgabe an drei Orten sich
Bats erholen mufs.
Amberg. Pongratz.
149) Jacob van der Valk, De Lucretiano carmine a poeta
perfecto atque absolute. Disputatio litteraria. Gampisapud
Ph. Zalsman, MCMII. YUI u. 171 S. 8.
Die herrschende Lukrezkritik verdankt ihre Eigenart der Hieronymus-
stelle, nach welcher der Dichter in lichten Zeiten zwischen Wahnsinns-
perioden eine Beihe von Büchern verfafste, die dann Cicero herausgegeben,
und einer Vermutung Lachmanns, wonach dem Herausgeber als Hinter-
lassenschaft des Dichters, aufser dem unfertigen Werke, auf Eonzeptblättern
einzelne Stellen in späterer Bearbeitung übergeben worden seien, die er
dann schlecht genug in den laufenden Text eingefügt. Sie findet also
ihre Aufgabe nicht mehr in der Beseitigung von Interpolationen — höch-
stens ein Vers gilt noch für unecht — sondern sie sucht den Text her-
zustellen, wie Lukrez ihn gestaltet haben würde, wenn es ihm vergönnt
gewesen wäre, unter den hinzugekommenen Fragmenten Auslese zu halten,
das Wertvolle passend unterzubringen und die Kommissuren glatt zu über-
brücken. Neben Verwerfungen von einzelnen Versen und Versgruppen
und Lücken sind spätere Einschiebsel und doppelte Bedaktionen in erster
Linie Gegenstand der Aufmerksamkeit, das Ergebnis aber Ausgaben, die,
so hoch sie sonst stehen, äufserlich durch verwirrende Verszählung, An-
deutung von Lücken und Athetesezeichen den Eindruck machen, als
habe Peerlkamps Geist, aus der Horazkritik glücklich gebannt, sich bei
Lukrez eingenistet.
Demgegenüber will v. d.Valk die Annahme, dafs der Dichter sein Werk
nicht vollendet und nicht selbst herausgegeben habe, widerlegen. Er zeigt,
indem er des Arnobius und des Laktanz Schweigen betont, zum Teil mit
X
Neue Fhilolofi^iBehe Bnndschaa Nr. 12.
Brieger, im ganzen aber mit dem besten Sachverständigen in solchen Fragen,
W. Teuffei, zusammentreffend, dafs, wie der biographische Teil der Hie-
ronymusstelle keinen Glauben verdient, so auch Giceros Herausgeberschaft
aus den Fingern gesogen ist. Dann prfift er die auf Hieronymus mittelbar
oder unmittelbar fnfsenden Hypothesen älterer Zeit, um endlich auf die
Lachmannsche zu kommen, die, während jene praktisch überwunden sind,
bei ihrer noch weiterzeugenden Kraft es beansprucht, dafs alle in ihrem
Sinne ausgesprochenen Vermutungen geprüft werden. Keine Mfihe hat der
Verf. gescheut, unter beständiger Berücksichtigung der Ausgaben von
Lachmann, Bemays, Munro, Brieger, Giussani, Bailey und Heinze das in
Zeit- und Gelegenheitsschriften verstreute Material heranzuziehen und das
Für und Wider bei allen beanstandeten Stellen abzuwägen. Da ist er
denn in der Lage, bei etwa 80 Stellen sich bald auf einen, bald auf
mehrere Eideshelfer berufen zu können ; übernimmt er bei über 50 Stellen
selbst die Bettung und bespricht endlich noch über 30 Stellen, wo er die
erhobenen Bedenken mehr oder weniger teilt, aber teils anders als im
Sinne der Lachmannschen Hypothese, teils durch Annahme von Lücken
und Zulassung von Umstellungen beseitigt. So sind zwar Lücken (25),
Wiederholungen von Versen (18) und Verwerfungen (40) zuzugeben; aber
sie haben, meint der Verf., nichts Befremdliches bei Handschr., die alle
auf einen und denselben Archetypus zurückgehen. Dagegen ist kein Ab-
schnitt wegen Störung des Zusammenhanges herauszuheben, somit die
Zetteltheorie widerlegt. Fragt man noch, wie der Verf. über den Schlufs
des sechsten Buches denkt, so ist er der Ansicht, dafs durch Beschädigung
des Archetypus am Ende ein Abschnitt verloren gegangen sei, in dem der
Dichter sein V, 155 gegebenes Versprechen einlöste und im Anschlufs an
die Pestschilderung den Satz: deorum potestatem nil ad nos pertinere
bewies, wie am Ende von Buch III gezeigt worden ist: mortem nil ad
nos esse.
Der Verf. weifs gediegene Kenntnis des epikureischen Systems wie der
Sprache und Metrik des Lukrez mit Scharfsinn und guter Methode zu
verwerten. So wird seine Arbeit Eindruck machen, freilich nicht so weit,
dafs alle seine Beweisführungen für gelungen und alle Bätsei, auf denen
die Existenz der Lachmannschen Hypothese beruht, für gelöst gelten
könnten; ist doch auch die Zahl der zugegebenen Lücken und Ver-
werfungen unverhältnismäfsig grofs. Abschlielsende Resultate sind viel-
mehr erst zu erwarten, wenn der Gebrauch der Übergangspartikeln sowie
270 Nene Philologisch» Bniidschaa Nr. 12.
die Übergangs- und Verweisargsformeln allseitig beleuchtet, ferner das
Verhältnis der jeweiligen Anordnung bei Lukrez zur Disposition der je-
weiligen Vorlage, endlich auch die sprachliche Abhängigkeit von den
griechischen Vorlagen, deren sich gewifs noch mehr als bisher abseits von
den Epicurea nachweisen lassen, genügend ins Licht gestellt sein werden.
Abschliefsende Resultate werden sich auch eher dem einstellen, der bei
allseitiger Bearbeitung jedes Buches f&r sich den Grundsatz festhält, auf
die durch Lachmann nahegelegten Auswege ganz zu verzichten, als wer
die in Betracht kommenden Stellen einzeln prüft, wobei, der isolierten
Stelle gegenüber, leicht Meisterung des Sinnes durch vorgefafste Meinungen
platzgreifii. So verweist v. d. Valk wiederholt mit Olück auf Parallelismen
in Gedanken und Form; das verleitet ihn aber, wie wenn es sich um
Strophe und Antistrophe handelte, dazu, in der Stelle über die Mond-
finsternisse den Vers menstrua (sc. luna) dum rigidem coni perlabüur
umbras (V, 764 = 771) dort zu tilgen, wo es sich um iTciTtgogd-erijaiQ,
und ihn dort zu halten, wo es sich um aßiaig handelt, nur um Eben-
mafs in den Verszahlen (5 -|-4 und 5-|-4) herzustellen; wovor er sich
im Zusammenhange exegetischer Durcharbeitung des ganzen astronomi-
schen Abschnittes wohl gehütet hätte. Solcher Ausstellungen liefsen
sich noch mehr machen; aber das ist sicher, dafs v. d. Valks Arbeit
an ihrem Teil dazu beitragen wird, dafs das Beispiel Heinzes, durch
dessen erfolgreiche Bearbeitung des dritten Buches v. d. Valk doch wohl
zu seiner Arbeit angeregt und ermutigt worden ist, wie seine grundsätz-
lichen Bemerkungen sowohl in jener Ausgabe als auch in der inhalt-
reichen Besprechung des Lukrez von Giussani (Gott. Gel. Anz. 1897)
gebührende und erspriefsliche Nachachtung finden.
Strafsburg i. E. Hans SohrSdor.
150/152) W. Dörpfeld, Das Homerische Ithaka. Sonderabdruck
aus Milanges Perrot. Paris, Thorin & fils, 1902. S. 79—93. gr. 8.
Hugo Michael, Das Homerische und das heutige Ithaka.
Wiss. Beil. des Gymnasiums in Jauer, Ostern 1902 Jauer, Oskar
Hellmann. 28 S. 4 und drei Kartenskizzen. Ji 1. 50.
NixoXdoo K. IlaüXdToo Oap[iaxea)(;. 'H dXY]d9)(; 'IddxYj xoo
' O|ii^poo. ü//ß;^atoAoyt)t^ (ÄeXhri. "jExdoaig devriga. 'Ev l^^-
vaig, BY. ToCf tvnoyqaq)eiov rfjg Koqiwrig, 1902. 30 S. 8.
Die Ithaka-Frage beschäftigt wieder einmal weitere Kreise: aber jetzt
handelt es sich nicht mehr darum, ob der Dichter der Odyssee das Hei-
1
Nene Philologiaehe Bandschau Nr. 12. 271
matland des Odysseos gekannt habe, sondern welche der jonischen Inseln
das älteste Anrecht auf den Namen Ithaka habe, ob das heutige Ithaka
oder Lenkas. Kein Geringerer als Dörpfeld hat sich in der oben bezeich-
neten Schrift fOr Lenkas ansgesprochen in derselben Weise, wie er es in
der Jnlisitznng der Archäologischen Gesellschaft zu Berlin im Jahre 1902
getan hatte. Bis jetzt hatte man von dieser seiner Ansicht schon öfter
gehört und gelesen, jetzt liegt sie endlich in seiner eigenen Darstellung
gedruckt vor. Oafs er schwerwiegende Grfinde hat, Iftfst sich von yom-
herein annehmen: es fragt sich nur, ob sie alle die Zweifel aufzuwiegen
vermögen, die gegen seine Meinung sich geltend machen. Hierüber i&fst
sich zu einem abschliefsenden Urteile noch nicht kommen, da seine Ab-
handlung fast nur die geographische Lage der Insel und fast nicht die
vom Dichter genauer ausgemalten Ortlichkeiten und ihre vorausgesetzte
Li^e zueinander behandelt. Zunächst erörtert er, dafs Leukas schon im
Altertum eine Insel vrar, nicht eine Halbinsel, wie andere annehmen, und
dafs es die vierte Insel der vom Dichter genannten vier Inseln Ithaka,
Dulichion, Same und Zakynthos sei. Dann behandelt er die auf das heu-
tige Ithaka nicht recht passende Stelle Od. IX, 21—26, nach der die
Insel
mß^CLptaXfi TtawTtedvdtfi dv äli yußixai
TtQÖg ^6q>0Vf ai di % äpsv&e Ttqbq ijö r ijili6y ve.
Er setzt ^6q>og = Westen. So liegt aber Leukas nicht im Verhält-
nisse zu den anderen Inseln. Es mufs mit einem Irrtum der Alten ge-
rechnet werden, nach deren Meinung die Küste des Festlandes gegenüber
diesen Inseln nicht von Norden nach Süden, sondern von Westen nach Osten
verläuft. Wenn freilich hierbei herauskommen sollte, dafs der Dichter
die Lage von Leukas -Ithaka ähnlich angenommen habe, wie sie auf
der Karte nach Ftolemaios angegeben ist (s. H. Kiepert, Neuer Atlas
von Hellas und den hellenischen Kolonieen, in 15 Blättern, Berlin 1872,
Karte 13), dann müfste bestritten werden, dafs er die Insel je selbst ge-
sehen hat. Denn dort liegt sie westlich von der Nordhälfte Kephallonias
und weit vom Festlande entfernt. Dann würde aber auch die Deutung
von x^^f^^^f ^i^ Dörpfeld dem Worte gibt, nicht passen. Er meint
nämlich, indem er von der Bedeutung „x^afAaUg = niedrig*' ausgeht:
„Eine Insel liegt für den Dichter niedrig im Meere, oder unten im Meere, wenn
sie sich sehr nahe am Festlande befindet Das liefse sich an sich gewifs
erwägen, aber nimmer mit der Lage in Einklang bringen, die Ftolemaios
272 Neae Philologische Bundschaa Nr. 12.
der Insel Leukas zugewiesen bat. Im Gegenteil würde es nach Ftolemaios*
Karte eher zu Ithaka passen. Sollte aber endlich Homer Leukas-Ithaka für
die westlichste der jonischen Inseln gehalten, aber ihre Lage zum Fest-
lande richtig gekannt haben, dann ist es wunderbar, dafs dies Verhältnis
zum Festlande, das für Leukas so sehr bezeichnend ist, bei dem Dichter
nicht greifbarer hervortritt. Ja, ist es denkbar, dafs er die Worte eiv &U
dazugesetzt haben würde, wenn er die Insel sich als am Festlande liegend
vorgestellt hätte? Zwar, wenn man mit Göbel glaubt, dafs Slg =
Eüstenmeer, so würde x^aiialfi ... dv &Xi KeiTai den erwünschten
Sinn geben; aber diese Deutung des Wortes Slg ist wohl nicht allgemein
angenommen. So scheint mir die oben erwähnte Odysseestelle und
somit die Frage, ob Ithaka = Leukas sei , noch nicht hinreichend geklärt.
Denn die von Dörpfeld weiter aufgeführten Dinge, die Fähre, die öfters
wiederholte Bemerkung „du bist doch nicht zu Fufs hierher gekommen^*
u. a. sind nicht von durchschlagender Bedeutung. Mehr Gewicht 1^
D. selbst dem Umstände bei, dafs als die Insel Asteris, wo die Freier
dem Telemachos auflauerten, die südöstlich von Leukas gelegene Insel
Arkudi mit mehr Recht angesehen werden könne als das der homerischen
Beschreibung wenig entsprechende Daskalio zwischen dem heutigen Ithaka
und Eephallonia. Aber, wie soll es sich erklären, wenn Leukas das alte
Ithaka ist, das jetzige Ithaka aber das homerische Same, dafs aus dem letz-
teren bei einem Flächeninhalt von 94 qkm 24 Freier zugegen sind, aus
ersterem aber, das gegen 290 qkm mifst, nur 12 (Od. XVI, 249 f.)? — Dafs
während der ganzen klassischen Zeit das heutige Ithaka für das homerische
gegolten habe, zieht D. nicht in Zweifel. Die Übertragung des Namens
sei erfolgt im Zusammenhang mit der Völker- und Namenverscfaiebung,
welche die dorische Wanderung mit sich gebracht habe. Im Schiffis-
kataloge, dem jüngsten Teile der Ilias, sei Ithaka schon das heutige Ithaka.
So verquickt sich diese Einzelfrage mit der grofsen Frage nach der Ent-
stehung der homerischen Gedichte.
Als Dörpfelds entschiedener Gegner, der dessen Ansichten allerdings
blofs aus den Mitteilungen anderer kennt, tritt H. Michael auf, ein Mann,
der um so mehr gehört zu werden verdient, als er seinerzeit mit dem um
die Erforschung der jonischen Inseln so verdienten Partsch fQnf Tage auf
Ithaka verbracht hat. Partsch hat zwar im 98. Ergänzungshefte der
Petermannschen Mitteilungen nachgewiesen, dafs der Dichter das heutige
Ithaka vor Augen gehabt hat, und mein Aufenthalt dort hat mich dasselbe
k
Kene Philologische ßanclschan llr. 12. 27^
gelehrt (s. „Itbaka nach eigener Anschauung geschildertes Gütersloh,
Bertelsmann), aber nachdem Dörpfeld eine andere Ansicht aufgestellt hat,
ist es doch willkommen, dafs die Tatsachen noch einmal geprüft werden,
wie es von Michael geschieht. Er gibt drei Kapitel: 1) die Lage der
Insel, 2) die Beschaffenheit der Insel, 3) die vom Dichter genannten ört-
lichkeiten der Insel. Zunächst weist er darauf hin, dafs ngdg ^6g>ov nicht
bedeute „nach Westends sondern „nach dem Dunkeles also „nach Norden
hin''. Der Dichter behauptet also Od. IX, 26: „Die Insel Ithaka liegt
weiter nach der Seite des Dunkels, also nach Norden, als seine Nachbar-
inseln, was auch der Lage des heutigen Ithaka entspricht/' Für x^a/uaA^
hält er an der Bedeutung „niedrig, flach" fest, gibt zu, dafs dies auf Ithaka
nicht passe, und möchte deshalb am liebsten die zwei oben angefahrten
Verse gestrichen sehen, zumal sie auch zu dem Vorhergehenden in Wider-
spruch stehen. Unter Dulichion versteht Michael, wie auch schon andere,
den westlichen Teil der Insel Eephallonia, der vom östlichen, in dem er
das homerische Same sieht, fast ganz abgesondert liegt. Hierfür ];iätte
er einen Beweis auch in dem Texte Homers finden können, der Dulichion
und Same immer durch ve-Te zu einer Einheit verbindet, der er Zakynthos
als andere Einheit gegenüberstellt z. B. 9, 24 JovXixi6v re 2<ifiri te xal
ili^eaaa ZdyLvvd-og. Scheint solche Deutung etwa künstlich, so ist zu
bemerken: Einfacher wird die Benennung der jonischeu Inseln auch nach
Dörpfeld nicht, da dieser S. 93 auch einräumt „Im Schiffskatalog ist
Ithaka das heutige Ithaka". Wir können nicht verfolgen, wie Michael
weiter die Behauptungen Döi*pfelds zu entkräften sucht. Nur von der
Insel Asteris sei noch die Bede. Michael weist darauf hin, dafs ^oQd^fÄÖg
= Überfahrtstelle, Meerenge, Sund wohl auf den Kanal zwischen Ithaka
und Eephallonia passe, nicht aber auf das zynschen Leukas und Ithaka
liegende Meer, auf das es von Dörpfeld bezogen wird. Die Insel Daskalio
entspreche freilich nicht genau der Beschreibung des Dichters — früher
soll sie nach Strabo II 356 dies getan haben — , aber auf die Insel Ar-
kudi, die äufserlich ähnlicher ist, passe des Dichters Erzählung nicht.
Schon die für die Beise des Telemach angedeuteten Entfernungen stimmten
nicht zu Leukas. Weitere Einzelheiten mufs man in dem Schriftchen
selbst nachsehen. Im zweiten Teil desselben wird nachgewiesen, dafs die
vom Dichter über die Beschaffenheit der Insel gemachten Angaben auf
Ithaka sehr wohl passen, nicht aber auf Leukas. Wie weit Dörpfeld auch
die vom Diehter genauer bezeichneten örtlichkeiten auf Leukas wieder-
274 Neue thilologische Runiscliaii itr. 12.
findet, ist mit Ausnahme der nöhgy die er — beiläufig — in die Ebene
von Nidri neben den Hafen von Vlicho verlegt, noch unbekannt. Michael
kann abo auch hier keinen Gegenbeweis antreten, sondern nur nachweisen,
dafs diese Ortlichkeiten sich auf Ithaka finden. Nur ob er die von Thiersch,
und auch von mir und ebenso von Beisch (Serta Harteliana, Wien 1896,
im Aufsatze Nr. 24 „Ithaka 'S S. Iö7) als Nymphengrotte bezeichnete
Stalaktitengrotte als solche anerkennen soll, ist ihm zweifelhaft, da nach
dem Dichter die Grotte näher am Stmnde gelegen hat Im übrigen ist
Michael so fest davon fiberzeugt, dafs das heutige Ithaka die Heimat des
Odysseus sei, dafs er schliefst: „Selbst wenn die auf Leukas veranstalteten
Ausgrabungen das Vorhandensein einer Stadt aus der mykenischen Periode
erweisen sollten, so wird dies der kleinen Insel (Ithaka) den seit Jahr-
tausenden besessenen Buhm , das Vaterland des Dulders Odysseus zu sein,
nicht nehmen können ^)."
Gleichen Zweck wie Michael verfolgt der Ithakasier Paulatos, dessen
Abhandlung in erster Auflage übrigens schon früher erschienen ist.
Er bringt ähnliche Gründe wie dieser gegen Dörpfeld vor. Im Anfange
betont er besonders, dafs von Leukas doch unmöglich Od. IX, 22 f. ge-
sagt werden könne, dafs dfig)i viele Inseln liegen; wenn dies äfiq>i aber
von den Gegnern als nXrfliov gefafst werde, dann vertrüge sich wieder
damit die alsbald folgende Angabe nicht, dafs diese Inseln fern liegen.
Über die Verteilung der Inselnamen, den noQd-fiögy nqbg Utpovy die Insel
Asteris, die Beise des Telemach, äufsert er sich in gleichem Sinne wie
Michael. Bei seinen Beweisen berücksichtigt er besonders die Angaben der
Überlieferung und zeigt dabei gute Literaturkenntnisse. Wenn er die Lage
der Aev-mg nerqa (Od. XXIV, 11) auf dem Pfade der zum Hades wan-
dernden Seelen gegen Dörpfeld geltend machen will, so ist dieser ihm
inzwischen ausgewichen, indem er S. 86 seines Aufsatzes die Stelle
mit Partsch anders deutet, als P. annimmt. Der Verf. fahrt seinen
Kampf gegen Dörpfeld natürlich nicht blofs mit Verstandesgründen, son-
dern er ist ihm auch Herzenssache. Aber er läfst sich durch das Gefühl
1) Auf einige kleine Veraehen in Michaeb Abhandlang macht mich Professor
Hennings in Hasum aufmerksam: S. 6 letzte Z«.'ile lies statt 17 129: 17 189: S. 8 Mitte
-W38 st. M 381 ; S. 19 bei iMeieXog fehlt | 344; S. 20 Z. 9 lies st. T201: r201;
S. 24 Mitte lies st. a 398, tt 425: ß 390, n 325; S. 25 unten st. o, 495: n 325;
S. 27 Mitte st. « 188: X 188.
\
Nene Philologifche BondBcban Nr. 12. 375
den Verstand nicht trüben and verdient daher Beachtung, nm so mehr,
als er ja mit den örtlichkeiten vertraut ist wie keiner.
Auch in griechischen Zeitungen, von denen mir einige zugegangen
sind, vertritt er seinen Standpunkt mit Nachdruck und Geschick, und
er hat auch die Topographie Ithakas selbst gefördert. In der Zeitschrift
^i MoCaaiy 1892, Nr. 226 (Zakynth d.i. Sept.) macht er es sehr wahr-
scheinlich, dafs er die Stelle genauer bestimmt hat, wo des Laertes Landgut
gelegen hat. Sie führt noch heute den Namen Agri, der recht wohl zu-
sammenhängen kann mit der Bezeichnung ^Ayqbg {Aaiqtao)^ und ent-
spricht den Andeutungen des Dichters.
Oldenburg i. Gr. Bad. Meas^.
153) Leopold Hervieux, Notice sur les fables latmes d'ori-
gine indienne. Paris, F. Didot, 1898. 78 S. 8.
Diese Schrift ist, wie der Verf. selbst sagt, eigentlich nur die Vor-
rede zu einem Buche, nämlich zu einer Ausgabe von dem Directorium
humanae vitae des Johannes von Oapua und dem Baidos, der ihn in Prosa,
wie dem des Raymond aus B^ziers, der ihn unter Zugabe poetischen Schmuckes
nachahmte. Was an den anderen Werken H.s gerühmt wurde (vgl. N. P. B.
1900, Nr. 7), die peinliche Sorgfalt, die umfassende Darlegung des Tat-
bestandes, das vorsichtige Urteil: alle diese Eigenschaften zeigt auch das
vorliegende Büchlein. Anschaulich erzählt H., wie das Pantscha^tantra
der Indier zu den Persern, von diesen zu den Arabern kam, um schliels-
lich, wie so viele andere Werke des Orients, von den stammverwandten,
zugleich aber dem Abendlande angehörenden Juden in das Lateinische
übertragen zu werden und so in den Besitz der europäischen Völker über-
zugehen: und der eingehenden Darlegung des Nachlebens, dessen sich die
indische Fabelsammlung in dem Latein des Mittelalters erfreute, ist H.s
Arbeit gewidmet. Mit ihr fügt er ein neues wertvolles Stück in den nach grofsem
Plane von ihm entworfenen Bau einer Geschichte der lateinischen Fabel.
MarienbuTg (Westpr.). Pr. Beldeahalii.
154) Frospero Varese, II calendario romano all'etä della
prima guerra punica (= Studi di storia antica, publicati
da Oiulio Beloch. Fascicolo III). Boma, Ermanne Loescher,
1902. 74 S. in 8 gr. 4 lire.
Varese revidiert die Chronologie der Jahre 263—229 v. Chr., von
denen er am Schlüsse eine Tabelle nach dem julianischen Kalender ent-
276 Nene Philologische Bandschan Nr. 12.
wirft. Die Triumphe der EodsuId fallen alle in die Zeit von An&ng
Oktober bis zum 13. April. Danach glaubt V., dafs der Antritt ihres
Amtes am 1. Mai stattfand. Sicher ist, dafs Gn. Fulvius 227 bei seinem
Triumph am 21. Juni pro consule war.
Besonders behandelt wird das Datum der Schlacht bei den Ägatischen
Inseln. Polybius sagt I, 68, 8: hoifÄaad-ivTiav diayLoaiiov nloimf nev-
tniqiKu&v axqaxriybfv "Karaat'i^aavTsg Fiiov ^wdtLOv i^eneiixpav dgxofiiyrig
Tfjg d^egeiag. Das bedeutet: Von den beiden Konsuln, deren Amtszeit
vom 1. Mai 242 bis zum 29. April 241 lief, erhielt Catulus den Ober-
befehl der Flotte. Die Schlacht war nach Eutrop am 10. März, also 241.
Indem V. den Bericht fiber den Feldzug des Catulus durchgeht, kommt
er zu der Überzeugung, dafs die Schlacht gegen Ende unseres Monats Mai
stattfand, dafs also damals der römische Kalender um 2—3 Monate hinter
dem astronomischen Jahreslauf zurück war. Der Amtsantritt der Konsuln
am 1. Mai fiel also in den Hochsommer. Y. bekämpft 1) die Annahme
von Beufs, dafs die Schlacht ins Jahr 242 zu setzen sei, 2) die Meinung
von Fränkel und Seipt, dals der damalige Kalender dem julianischen um
2 — 3 Monate voraus war und die Schlacht in unseren Dezember fiel,
3) die Ansicht Soltaus, dafs der Kalender damals mit dem julianischen
übereinstimmte. — Sodann wird die Chronologie des ersten punischen
Krieges und der folgenden Zeit bis 218 nach Polybius, den römischen
Autoren und den Fasten besprochen. Da jedoch die Chronologie des galli-
schen Krieges eng mit der des zweiten punischen Krieges verbunden ist,
so hat er sie für eine spätere Erörterung aufgespart, in der er auch nach-
weisen will, dals die Verlegung des Amtsantrittes der Konsuln vom 1. Mai
auf den 15. März zu Anfang 222 bei der Abdankung des C. Flaminius
erfolgte.
Burgdorf bei Bern. F. Lnterbaohor.
155) Wetzel, OriechiBcheB Lesebuch mit deutschen Übungsstücken
für Unter- und Obertertia. 5. durchgesehene Aufl. Freiburg
i. Br., Herdersche Verlagshandlung, 1900. XI und 228 S. 8.
geb. J$ 2.25.
Das Buch enthält: I. in 110 Paragraphen griechische und deutsche
Übungsstücke. IL 15 deutsche Übungsstücke, in. Vokabularium zu I
u. n. IV. Grammatische Bemerkungen zu l. V. Übersicht von Beispielen
\
Nene Philologisehe Rnndschaa Nr. 12. 377
des LesebachoB zu syntaktischen Begeh. VI. Verzeichnis der griechischen,
deutschen Wörter und der Eigennamen.
Za I. In den ersten 33 Stficken, in denen alle Deklinationen, vom
Yerbam Praes. Imperf. Fat. Aor. Akt. behandelt werden, wiegen Einzelsätze
vor; von Stfick 34 ab, mit dem die Komparation einsetzt, flberwiegen
dnrchans die zusammenhängenden Stttcke im griechischen Text sowohl wie
in den sich dem voranfgehenden griechischen Text stets anschliefsenden
deutschen Stficken. Von den Stficken mit Einzelsätzen behandeln 47, 56,
101 Erscheinungen, die ohne Efinstelei kaum in einen zusammenhängenden
Text hätten geprefst werden können, nämlich Fron. SXlog, ^Taxarogy n6-
aog etc., Opt. Eonj. Imper. Praes. Med. und Pass., üfil und Komposita;
61, 67, 106 enthalten Sentenzen und können, da ihr Übungsstoff im näch-
sten Stfick wiederkehrt, fibersprungen werden, aus gleichem Grunde auch
78 (Gutturalstämme), und 108 — 110 (Nachtrs^: ati zweite Dekl., Fem auf cei,
Dual). So trägt das Buch mit Recht den Namen eines griechischen Lese-
buches. Von den Lesestficken selbst aber sind die meisten zu lang geworden ;
durch Streichung unwesentlicher Zfige in der Erzählung können die meisten
erheblich gekfirzt werden, ohne dafs der Übungsstoff darunter litte, z. B. 49, 51,
53, 67 u. a.; auch die Verba pura contracta sind zu breit behandelt;
ganz entschieden aber mfissen die Verba auf fn in kfirzeren Texten vor-
gefahrt werden, selbst wenn eine der Taten des Herakles kfirzer erzählt
werden oder ganz wegfallen mfifste. Sprachlich wäre in 49 der seltene
Superlativ ia^Utajog durch Sqiatog zu ersetzen, das seltene clW
mit seinem ganzen Satze kann wegfallen; nicht gut ist 34 äzi
ßaqvxiqa Ylyveraiy 72 nXelw ifidvia nogelv ; dot;A(0/uai 74 will nicht
im Munde des Mardonius passen. Inhaltlich sollte Stfick 43 geändert
werden, das, nach Plato Apol. 20 E gearbeitet, dem Sokrates die bekannte
delphische Entscheidung in allzu breiter und, da der gröfsere Zusanunen-
hang fehlt, prahlerisch wirkenden Bede in den Mund legt; man lasse
etwa den Ghärephon erzählen. Die spartanische Jugenderziehuog verdient
sicher nicht die Bewunderung und Hochschätzung, die ihr 72/73 zu teil
wird. Im fibrigen hat sich der Verf. bemfiht, innerhalb des vorgeschrie-
benen Stoffkreises „der griechischen Geschichte und Sage^* möglichste
Abwechslung zu bringen. Becht passend fänden hier einige Stficke etwa
aus Strabo fiber Britannien und Gallien und ihre Bewohner (vgl. Wila-
mowitz, Lesebuch IV) Aufnahme; die preufsischen Lehrpläne auch von
1901 schreiben jenen Stoff kreis ja auch nur „im wesentlichen** vor, und
278 Nene Philologische Rnndschaa Nr. 12.
das Lesebuch wfirde so neben der Unterstützung der Ovidlektflre auch fflr
die Gäsarlektüre dankenswerte Ergänzungen bieten.
Zu II. 15 zusammenhängende Stücke paraphrasieren Xenophons Anab.
bis n, 4 ; einzelne bringen als B auch Einzelsätze. Als Übungsstoff liegt
eine erweiternde Wiederholung der Formenlehre zu gründe.
Der IV. Teil bringt 174 grammatische Bemerkungen, die an&ngs
auch aus der Formenlehre, später vorwiegend aus der Syntax die Erschei-
nungen besprechen, so wie sie zum ersten Male in den griechischen Lese-
stücken vorkommen. Bei weiterem Auftreten wird dann durch Fufsnote
auf die betr. Begel verwiesen. In diesem Teile finden sich durchaus alle
wichtigen Erscheinungen behandelt, sodafs er den Gebrauch der Gram-
matik völlig entbehrlich macht und den Schüler veranlassen wird, immer
wieder auf sein Lesebuch zurückzugreifen. Dabei ist nicht versäumt, auf
parallele Erscheinungen im Lateinischen und wiederholt auch im Fran-
zösischen (37, 47, 76, 162) hinzuweisen. Bei 46 hätte noch an den Unter-
schied im Gebrauch des französischen Imparfait und Pass^ däfini erinnert
werden können; die lateinischen Hinweise wünschte man vollständiger:
31 Abi. instr., 57 militis est, lOö talis -^ qualis, 110 Abi. modi, 157 ponere,
ducere etc., 170 ad venire, nuntiare eto. Die Hinweise auf unter sich enger
zusammengehörige Begeln sollten mehr angewandt sein, besonders bei 147
auf 113, bei 126 auf 111, 83 u. a. verwiesen werden. Die Fassung der
B^el 69 über c^te — Te, 117 (auditoi) ist nicht klar; bei 64 empfiehlt
es sich vor: IcU.: existima ... „dagegen*^ einzuschieben, die Bezeichnung
Charakter buch Stabe für das a des Fut. u. Aor. 45 ist sicher nicht gut
Zu VI. In dem griechischen und deutschen Wörterverzeichnis wird
dem einzelnen Worte nicht die Übersetzung beigegeben, sondern auf das
Stück hingewiesen, in dem es zum erstenmal behandelt ist, ein Verfahren,
das ebenfalls dazu beitragen wird, den Schüler in seinem Buche heimisch
zu machen.
Der Druck ist besonders in den griechischen Texten etwas matt; in
der Verbindung von Spiritus lenis und Akzent gerät der Akut oft zu
kurz, der Zirkumflex bleibt oft fast ganz aus. Der Druck von VI mufs
entschieden gröfser werden auf die Ge&hr hin, den umfang des Buches
etwas zu vergröfsern. Gleich im Anfang fehlt 5 S. 6 Akz. u. Sp. bei 12,
34 Z. 5 bei ^.
Zum Vorteil gereicht es dem Buche, dafs die Pensen für unter- und
Obertertia zu einem Bande und zu einem Ganzen gearbeitet sind, ein
K
l^eue Philologische fiandschau Nr. l2. 279
Znrfickgreifen auf frfiher Gelerntes also jederzeit möglich ist. Dies und
die ganze Anlage, besonders des II. und VI. Teiles verspricht die beste
Wirkung auf den Schfiler : er mrd heimisch in einem Buche werden, aus
dem er sich auch später für alle wichtigen Fragen sicher und rasch Bat
zu holen weifs.
Laubach (Hessen). _J_ P. Adaml.
156) Uppenkampy Aufgaben zum Übersetzen ins Lateinisclie
im Anschlufs an Tacitus. Münster, Aschendorff, 1902. Teil I
44 S., Teil II 40 S. 8. k Ji -. 75.
Der erste Teil dieses Werkchens, der für die Hand des Schülers
bestimmt ist, enthält den deutschen Text, der zweite die lateinische Über-
setzung und die Angabe der benutzten Stellen, damit dem Lehrer die
Nachhilfe und da, wo es gewünscht wird, die Erweiterung des Stoffes er-
leichtert wird.
Die Aufgaben haben nicht nur die Bestimmung, als Anleitung
zum Übersetzen ins Lateinische zu dienen, sondern sollen vor allem den
Primaner in die reiche Gedankenwelt des Tacitus einführen. Zu dem
Zwecke hat der Verf. Aufserungen und Urteile des grofsen Historikers
über gewisse Eulturzustände und allgemein menschliche Verhältnisse ge-
sanunelt, nach bestimmten Gesichtspunkten geordnet und teils durch Über-
arbeitung der Schriftstellen, teils durch Hinzufügung eigener Bemerkungen
zu zusammenhängenden Gedankenreihen verknüpft. Auf diese Weise er-
geben sich 13 Abschnitte, die folgendermafsen überschrieben sind: I. Ge-
schichtschreibung. II. Religiöse Ansichten des Tacitus. III. Verfassung und
Regierung des Staates. IV. Gesetze. V. Das Majestätsgesetz. VI. Schmei-
chelei und sklavische Unterwürfigkeit der Vornehmen. VII. Charakter des
gemeinen Volkes. VIII. Die Eriegszucht. IX. Üppigkeit und Habsucht.
X. Ehrgeiz und Herrschsucht. XI. Neid, Hafs und Zwietracht. XII. Glück
und Unglück. XIII. Sitten der alten Germanen.
Wie diese Übersicht schon zeigt, hat man es hier mit einer ganz
eigenartigen Arbeit zu tun. Das landläufige Verfahren, durch Variation
einzelner Schriftstellerkapitel Übersetzungsstoff zurechtzumachen, ist auf-
gegeben und der Versuch gemacht, unter Berücksichtigung der gesamten
Produktion eines Schriftstellers dem Schüler ein Bild von der ganzen
Persönlichkeit desselben und von dem Ideengehalte seiner Werke zu ver-
mitteln. So bietet das Werk unter dem bescheidenen Titel von Aufgaben
2to \HeJxe ^hilologisclie ttnndscliati ITr. 12.
zum Übersetzen die reifen Frfichte eindringender Tacitusstndien, die man
kaum in derartigen Übnngsbfichern zn finden erwartet.
Freilich darf anderseits nicht verschwiegen werden, dafs gerade diese
Eigenart des Werkchens seine Brauchbarkeit für Stilübungen etwas beein-
trächtigt. Denn trotz der grofsen Geschicklichkeit, mit der der Verf. die
einzelnen Aper9ns zusammenzufügen versteht, ist es ihm doch nicht ge-
lungen, einen so innigen Zusammenhang herzustellen, dafs das Ganze wie
aus einem Gusse erscheint. Eine fiiefsende und gleichmäfsige Darstellung
ist eben bei solcher mosaikartigen Zusammensetzung von Gedankensplittern
nicht zu erreichen, zumal wenn man sich, wie der Verf., scheut, durch-
greifende Änderungen an dem VT^ortlaute der Schriftstellen vorzunehmen.
Daher wird der Primaner aus dem Buche weniger Gewinn für die Bil-
dung seines Stils und die Befestigung seines grammatischen Wissens
ziehen als für die Vertiefung seiner Einsicht in die unsterblichen Werke
des Tacitus. Dieser Gewinn ist aber ein so eminenter, dafs ich nicht
anstehe, das Buch trotz der hervorgehobenen formalen Mängel auf das
wärmste zur Benutzung zu empfehlen. Denn es ist jedenfalls wert-
voller, wenn der Schüler den Tacitus als Denker und Geschichtsphilosophen
begreifen lernt, als wenn ihm an flachen, inhaltsleeren Sätzen stilistische
Feinheiten vorgeführt werden.
Potsdam. B. Kraiuie.
157) Alfred Brofsmer, Aigar et Maurin, Brachstücke einer
Chanson de geste nach der einzigen Handschrift in Gent neu
herausgegeben. (Separatabdruck aus „Romanische Forschungen''
Band XIV, Heft 1.) Erlangen, Fr. Junge, 1902. 103 S. 8.
Aigar et Maurin ist eins der wenigen provenzalischen Volksepen,
das, wenn auch nur in Bruchstücken, auf uns gekommen ist. In der
Genter Bibliothek im Jahre 1877 auf dem Inneren der beiden Deckel
eines Foliobandes aufgefunden, wurde es noch in demselben Jahre von
A. Scheler herausgegeben. Da diese Ausgabe vergriffen ist, so hat sich
Brofsmer durch die Neuherausgabe des wichtigen Textes unstreitig ein
Verdienst erworben. Er hat die Handschr. aufs neue vei^lichen, Kon-
jekturen von Tobler, Bartsch, Hentschke, soweit sie ihm als Verbesserungen
erschienen, aufgenommen, selbst einiges zum Verständnisse beigefügt, so
dals der Text nun lesbarer ist als zuvor. Trotzdem ist auch jetzt noch
recht vieles dunkel.
Nene Philologische Bondschau Nr. 12. 281
In der EiDleitung spricht der Herausg. von der Handschrift, f&hrt die
literarischen Zeugnisse an (die früheste Erwähnung fällt in das Jahr 1182),
sucht die Zeit der Entstehung zu ergründen (nach der Mitte des 12. Jahrh.),
gibt ausführlich den Inhalt der Dichtung, behandelt die literargeschicht-
liche Stellung der Dichtung und stellt die Laute und Flexionen zusammen:
letzteres besonders dankenswert, da auch Aigar et Maurin, wie verschiedene
der ältesten Dichtungen Frankreichs, in einer seltsamen halb französischen,
halb provenzalischen Mischsprache abgefafst ist. Dafs ein solches Misch-
idiom wirklich einmal gesprochen wurde, meinen manche Gelehrte.
P. Meyer aber und mit ihm unser Herausg. zweifeln daran. Nach ihnen
habe der provenzalische Dichter Formen angewendet, die der Sprache
des benachbarten Landes, in diesem Falle der französischen, entnommen
seien, um so nicht nur seinen Landsleuten, sondern auch den Nordfranzosen
verständlich zu sein.
Ein Verzeichnis der Eigennamen, sowie ein Wörterverzeichnis bilden
den Abschlufs des Heftes. Das letztere hätte man gern etwas vollständiger
gesehen.
Wolfenbüttel. M. Ooldsohmldt.
158) Max HofEinaniii Guy de Maupassant Verse. In deutscher
tTbertragung. Mit einer Einleitung des Übersetzers, einem Briefe
Gustave Flauberts und dem Bildnis des Dichters. Breslau, Schle-
sische Verlagsanstalt von S. Schottlaender, 1902. XVII u. 103 S. 8.
Ji 2.—.
Der Übersetzer, der Sprachgewandtheit und dichterisches Verständnis
schon bei mehreren anderen Gelegenheiten bewiesen hat, legt]^ uns hier
eine Verdeutschung von Maupassants Des Vers vor, die (in erster Auflage)
bereits 1884 erschienen sind und teilweise die frühesten Leistungen des
Dichters enthalten. Bef. mufs gestehen, dafs er an Übertragungen aus dem
Französischen stets mit Zögern und Mifstrauen herangeht, besonders wenn
das dürre Geklapper des einförmigen deutschen Alexandriners droht: diese
Arbeit aber hat ihn sehr befriedigt. Die fünffüfsigen Jamben — nur stellen-
weise sind in Anlehnung an die Vorlage andere Versmafse gewählt —
lesen sich -durchaus wie ein Original, dabei sind die Gedanken fiberall
sinngemäfs, mit fast philologischer Genauigkeit wiedergegeben. Wie
treffend ist z. B. der Vers:
Ö82 Nette Philologfische Kundachaii Nr. 12.
Ma mere esi briüa/fUe, et la nuit est brune
(aus la Chanson du rayon de lune) mit:
Meine Mutter steht schimmernd im nächtlichen Saal
fibersetzt! Nur ausnahmsweise kann man auf Freiheiten stofsen wie in
dem Yerspaare:
So £ällen seinem toüden Wüten
Zum Opfer Stieglitz, Hänfling, Fink,
während es im Original heifst:
Oü tombent, camme une avdUmche (= scharenweise)
Linots, pinsons, cha/rdonnerets (aus TOiseleur).
Und solche Beime wie:
dafs
Ich beinah' unbewufst und nicht zum Spafs
Verliebt war, — — — — —
kommen nicht wieder vor. Dafs bei dem letzten, einem dramatischen,
Gedichte (Histoire du vieux temps) der anmeldende Diener ausgelassen
ist, wird wohl niemand bedauern; aber das Fehlen der an Frau Gomman-
ville gerichteten kurzen Widmung könnte eher unangenehm empfunden
werden.
Strasburg (Westpr.). A. Bohr.
159) Bernhard Lade, Henri Malin: Un Collögien de Paris
en 1870. Ffir den Schulgebrauch herausgegeben. Leipzig, Frey-
tag, 1903. IV u. 95 S. 8. Ji 1.25.
Wbrterbuch dazu 40 S. .4 -. 50.
Das kleine Buch erzählt die Erlebnisse eines siebzehnjährigen Gym-
nasiasten Fernand Oridennes. Dieser hat bei Ausbruch des Krieges in
der ersten Begeisterung ins Heer einzutreten versprochen, wie drei seiner
Kameraden. Aus Bficksicht auf seine Eltern, besonders seine kränkliche
Mutter verschiebt er sein Vorhaben. Er erntet dafür den Spott seiner
Freunde, die ihn in Uniform besuchen. Während der ersten Monate des
Krieges lebt er mit seinen Eltern im Seebade Le Orotoy. Nach der
Bückkehr von dort schliefst sich Fernand der Association des pupilles an
und zeichnet sich in dieser als Krankenträger aus. Seinem bei Arcueil
als Nationalgardist schwer verwundeten Vater rettet er das Leben. Dann
macht Fernand die Schrecken der Beschiefsung von Paris mit. In einem
Ballon verläfst der junge Mann Paris, landet nach gefahrvoller Fahrt
\
Nene PhUologiMlie Bondaebau Nr. Id. 388
— der Ballon wird beschossen — in Hardeilles. Dort hat er Gelegen-
heit, mit der Waffe dem Vaterlande zn dienen in einem Kampfe zwischen
Preolsen and Franctireors, der zu gnnsten der Preoüsen endet. Diese
jubeln Ober die eben eingetroffene Nachricht von der Obergabe von Paris,
w&hrend Fernand mit seinem Gefährten Aschaler, dessen Schicksale eben-
falls erz&hlt werden, betrübt das Weite sacht.
Das B&ndchen empfiehlt sich durch seinen ansprechenden Inhält, der
zu Unterhaltung in französischer Sprache reichlich Gelegenheit bietet und
sein gefälliges sprachliches Gewand. Die Anmerkungen, meist sachlicher
Art, sind sorgfältig gearbeitet, ebenso das Wörterbuch. Die Aussprache-
bezeichnung ist nach Hatzfeld-Darmesteter, Dictionnaire gänäral gegeben.
Eine Obersicht fiber dieselbe findet sich im Bändchen und im Wörterbuch.
Druck und Einband sind vorzfiglich.
Hildbnrghausen. EU Pv0oh.
160) E. Ctoerlioh, Hüfsbucli ftür den französiflchen Unterricht
in den oberen Klassen. (Mit Karte von Frankreich und Monu-
mentalplan von Paris.) Leipzig, Benger, 1902. XII u. 330 S. 8.
brooh. Jf 4. — .
Ein umfiEmgreiches, gut angelegtes Lesebuch, welches im vollen Um-
fange nur an Bealanstalten und auch an diesen zum Teil nur durch
Privaüektfire voll ausgenutzt werden kann. Die ersten Teile bieten die
fiblichen geographischen, geschichtlichen und literargeschichtlichen Dar-
stellungen in reicher FfiUe, dann auch eine Anzahl Gedichte, Beden u. s. w.,
die fibrigens sorgfältiger ausgewählt sind, als dies bei vielen Werken
gleicher Art der Fall zu sein pflegt. Einige Gedichte entsprechen aber
doch wohl nicht dem Standpunkte der oberen Klassen. Der letzte Ab-
schnitt enthält eine sehr hübsche Anleituog zur Anfertigung von Auf-
sätzen, der Schlufs eine gute Zusammenstellung von Sponymen. Die Karte
von Frankreich ist sorgfältig gearbeitet: der „Monumentalplan'* von Paris
dagegen kann mir ganz und gar nicht gefallen. Bei der Kleinheit des
Mafsstabes, die ja durch den Charakter als Beigabe erklärlich ist, tritt
das Äufsere der Baulichkeiten doch recht wenig hervor. Weshalb denn
nicht Oberhaupt einfach den Onindrifs einzeichnen? Der Schfiler kann
unmöglich nach diesen Skizzen einen rechten Begriff von den Gebäuden
bekommen. Zu tadeln ist die Vergröfserung des Zentrums auf Kosten der
Aufsenbezirke, das heifst denn doch dem SchOler einen ganz fälschen
284 Nene Philologisohe Randschan Nr. 12.
Begriff vom ümfonge der inneren Stadt geben! Das Papier ist gut, aber
der Druck mflMe noch etwas klarer sein, selbst wenn dadurch das Werk
etwas teurer werden sollte.
Viersen. Adolph Waokersapp.
161) V. Eerbi The Valiant Welshman by B. A. Gent
Nach dem Drucke von 1615 herausgegeben (= München er
Beiträge zxxt romanischen und englischen Philo-
logie, herausgegeben von H. Breymann und J. Sehiek^
XXIII.) Erlangen und Leipzig, A. Deichertsche Verlagsbuch-
handlung Nachf. (0. Böhme), 1902. LXXVII u. 88 S. 8.
The Valiant Welshman ist ein in vieler Hinsicht merkwürdiges und
immerhin beachtenswertes Drama der Elisabethanischen Zeit, das bisher
nur ganz gelegentlich in den Ereis der Forschung gezogen worden ist.
Eerb hat sich die nicht undankbare Aufgabe gestellt, es neu abzudrucken
und literarhistorisch zu untersuchen. Das Stück ist nur in wenigen Exem-
plaren zweier Quartausgaben von 1616 und 1663 erhalten, die sich nicht
wesentlich von einander unterscheiden. Der vorliegende sorgfältige Neu-
druck schliefst sich an die älteste Ausgabe — mit Becht auch in der
genauen Beobachtung der orthographischen Eigentümlichkeiten — an und
verzeichnet in den Anmerkungen die Abweichungen der jüngeren. Ästhe-
tisch ist das Drama nicht viel wert. Es ist eine verhältnismäÜBig ge-
schickte Historie, die das Leben und die Taten des keltischen National-
helden CSaradoc behandelt, ohne sehr auf die Charakteristik der Personen
Bedacht zu nehmen. Die Sprache dagegen ist oft recht eindrucksvoll und
stellenweise selbst von wirklichem poetischen Schwünge beseelt, und die
Metrik ist glatt und regelmäfsig, wie überhaupt in den Elisabethanischen
Dramen. Wichtiger als alles dies sind die stofflichen und literarischen
Beziehungen des Stückes. Der tapfere Oaradoc ist nämlich kein anderer
als jener historische Held der Walliser Caratacus (oder Garactacus), der
im 1. Jahrh. n. Chr. sich aufs lebhafteste den Eroberungsgelüsten der BSmer,
insbesondere des Kaisers Claudius, widersetzte, derselbe, von dessen Schick-
salen und Kämpfen Tacitus in den Annalen XH, 31—37 berichtet. Die
Angaben dieses und anderer Gechichtsschreiber sammelt Kerb fleifsig, fär
den Ver&sser des Dramas aber kommt als Quelle, wie er überzeugend
darlegt, gewifs nur die zusammenfassende Darstellung in Holinsheds Chronik
\
itene JPbÜologisclie ttandsoban itr. 12. 28&
in Betracht, nicht aber die einzeken Originalberichte. Die literarische
Qaellenontersachang gestaltet sich sehr viel ergiebiger. Sie berechtigt
nns, das Stfick eine wahre Mosaikarbeit zu nennen. Denn es finden sich
Anklänge and Motive, zum Teil frei, zum Teil auch in sehr engem An-
schlols verarbeitet, ans Spencers Faerie Queene, ans Shakespeares Bape
of Lucrece und Hamlet^ aas Ben Jonsons Alchemist and Eyds Spanish
Trageäy vor, die Eerb alle klarlegt und kritisch beleachtet. Über die
Zeit der Entstehang ist nar so viel za ermitteln, dafs die Abfassnng bald
nach 1610 anzusetzen ist. Grofsen Schwierigkeiten begegnet die Yerfasser-
firage. Auf dem Titelblatt steht nur Jß. A. Gent (d. i. Gentleman). Fast
alle Forscher haben dieses B. A. auf den Dichter und Schauspieler Bobert
Armin — fiber den fibrigens der Verf. bei dieser Gelegenheit eine Beihe
wichtiger Bemerkungen anknäpfl — gedeutet, allein eine kritische Unter-
suchung der Frage läfst doch diese Annahme ziemlich unsicher erscheinen,
und Eerb dflrfte recht haben, wenn er, auf mehrere gewichtige innere
und äufsere Grflnd^ gestützt, meint, ein junger Akademiker sei der Ver-
fasser gewesen. — Eine Einwirkung des Valiant Wdshman auf zwei
spätere Stücke, Beaumont und Fletchers Bonduca (um 1616) und Masons
Caractacus (1777) ist nicht nachzuweisen.
An die alle irgendwie bemerkenswerten Punkte gewissenhaft und
sorgfiltig behandelnde Einleitung schliefst sich dann der Neudruck, dem
eine Anzahl erklärender, meist sprachlicher Anmerkungen beigegeben ist.
Die ganze Arbeit ist eine wertvolle und fieifsige Leistung. «tz-.
162) Hemrich Lohre, Von Fercy zum Wnnderliom. Bei-
träge zur Geschichte der Volksliedforschung in Deutschland.
(= Palaestra, herausgegeben von Alois Brandl und Erich
Selunldt. Band XXII.) Berlin, Mayer & Müller, 1902. XII
u. 133 S. 8. Ji 4. -.
Die vorliegende, sehr gewissenhafte Arbeit, deren Anfang schon als
Berliner Dissertation 1901 erschienen und aus der Schule Erich Schmidts
herrorg^iangen ist, bestimmt die Beziehungen zwischen der englischen
und deutschen Volksliedforschung, um dann die Wiedergeburt des deut-
schen Volksliedes zu behandeln. Sie übertrifft an Gründlichkeit der For-
schung und vor allem an ästhetischem Urteil bei weitem eine frühere,
ähnliche Arbeit, die Heidelberger Dissertation von H. F. Wagener über
das „Eindringen von Fercys Beliques in Deutschland'' (1897). Es kommt
^86 i^ene Phüologisolia ftundschaa ^t, l2.
dem Verf. hauptsächlich darauf an, die Zwischenglieder zwischen den
Hauptetappen, welche durch Percys Beliques, Herders „Volkslieder^' und
Arnims „ Wunderhorn '* gekennzeichnet sind, festzulegen. Der erste kleinere
Abschnitt handelt von der Aufnahme, die Percys grundlegende Sammlung
bei uns fand, und den Übersetzungsversuchen einzelner Balladen aus der-
selben. Die Mitglieder des Oöttinger Dichterbundes waren hier die ersten
Vermittler zwischen England und Deutschland. Boie, Vofs, Miller, auch
Matthias Claudius, ein Freund des Bundes, und besonders Bfirger haben
übersetzend und nachbildend aus Percy geschöpft. Eingehend werden Her-
ders Bemühungen um die Verdeutschung der englisch-schottischen Lieder
gewürdigt, daran schliefst sich die Betrachtung der Übersetzungen von
Fr. ürsinus, Bodmer, Bothe, Eosegarten, Hang u. a. Noch wichtiger als
die Übertragungen aus Percy ist der indirekte Einflufs, den die Sammlung
ausübte, indem sie zum Studium der heimischen, damals kaum bekannten
Volkslieder anregte. In dem zweiten gröfseren Abschnitt schildert der Verf.
die Wiedergeburt des deutschen Volksliedes, die Bemühungen, nach dem
Muster der englischen Sammlung einen deutschen Percy zu schafifen. Der
Verf. beginnt mit Goethe, der auf Herders Anregung als Strafsburger
Student ein Dutzend Volkslieder sammelte, und gibt auch einen Ausblick
auf Goethes spätere Beschäftigung mit dem Volkslied, auch mit dem aufser-
deutschen. In Herders Volksliedern ist die Zahl der deutschen Lieder
verhältnisroäfsig gering, da ihm fast nur die Sammlung des Paul von der
Aelst vorlag, so dafs er sich genötigt sah, mehrfach bei den Eunstdichtern
Anleihen zu machen und volksliedähnliche Lieder wie Simon Dachs „Änn-
chen von Tharau" und gar Goethes „ Fischer*' aufzunehmen. Ihm folgte,
abgesehen von vielen zerstreuten Publikationen einzelner Lieder, die mit
grofser Sachkenntnis aufgezeigt werden, Nicolais „Feyner kleyner Al-
manach'S der eine Persiflage gegen Herder und Bürger sein sollte, aber
die Eenntnis manchen alten Volksliedes vermittelte und der volkslied-
freundlichen Bewegung nicht schadete. Ausführlich werden dann Elwerts
„üngedruckte Beste alten Gesanges'' (1784) behandelt. Die Darstellung
der bezüglichen Forschungen Gräters, die er in der jetzt verschollenen
Zeitschrift „Bragur" veröffentlichte, weitet sich zu einer ausführlichen
Charakteristik dieses jetzt meistens unterschätzten Gelehrten aus. Daran
schiefst sich eine kurze Entstehungsgeschichte der Sammlung von Arnim
und Brentano, die alle früheren Studien zusammen&fst und die Ent-
sprechung zu Percys „Beliques'* bildet Im Verlauf seiner Arbeit hat
k
IJeue Philologiftehe ftundgcbau lir. 12. 2^7
der Verf. mehrfach auf die ünkhirheiten hingewiesen, die mit dem Be-
griff „Volkslied'' verbunden wurden. Wenn wir auch heute ein be-
deutendes Stück weiter sind in der Erkenntnis der Merkmale eines Volk-
liedes, so bleibt doch noch manches aufzuklären, und ich teile nicht ganz
die zuversichtliche Auffassung, die Lohre S. xii äufsert. T.
163) Max Steffen, Einführung in den englischen kauf-
männischen Briefwechsel. 2. Auflage. Leipzig, August
Neumann (Fr. Lucas), 1903. XII u. 166 S. 8. geb. Ji 2.40.
Der Verf. erklärt in der Vorrede zu seinem Werke, dafs dieses sich
in Anordnung und Inhalt eng an die im gleichen Verlage erschienene
„Einffihrung in den französischen kaufmännischen Briefwechsel'' von Dr.
Peters anschliefsi Er will den Schuler der Oberklasse der Handelsschulen
in planmäfsiger und methodischer Weise zur Abfassung von „ Briefen aus
dem Bereiche der wichtigeren Vorfölle des Geschäftslebens'' anleiten, und
man kann nicht leugnen, dafs der Weg, den er zur Erreichung dieses
Zieles beim Unterricht einschlägt, ein sehr praktischer ist. In 16 Kapiteln
werden die Hauptsachen, die in der Handelskorrespondenz in Betracht
kommen können, mit Gründlichkeit und unter Beibringung reichlichen
Materials sowie der verschiedenartigsten Musterbriefe behandelt. Den Ein-
gang jedes Kapitels bildet eine kurze sachliche Erörterung der einschlägigen
Fragen. Ihr folgen die Briefe sowie ein Verzeichnis von Wendungen und
Ausdrücken mit beigefügter Übersetzung, auch Material zur Anfertigung
von Briefen seitens der Schüler, und deutsche Briefe, von denen eine
häusliche Übersetzung anzufertigen ist. Am Schlufs findet sich auch noch
ein deutsch-englisches Vokabular.
Was besonders das kleine Buch von manchen anderen Werken ähn-
licher Art vorteilhaft unterscheidet, ist der Umstand, dafs es nicht nur
die Kenntnis des geschäftlichen Briefwechsels vermittelt, sondern eben
auch zur selbständigen Anfertigung mannigfacher derartiger Briefe
in, wie mir scheint, sehr geeigneter Weise methodisch anleitet. Man
kann es also den Handelsschulen und überhaupt allen Anstalten, die auf
den Gegenstand eine gewisse Zeit verwenden können, nur empfehlen.
Dessau. Bahrs.
iTene IPhilologische ^nndsohan Itr. iä.
164) Hermann Fischeri Der Neuhnmanisrnns in der dentsehen
Literatur. Bektoratsrede, zum Gebartsfeste des Etaigs von
Wfirttembergam 2. Febniarl902 an derUniversitätTübingen gebalten.
Tübingen, H. Lauppsche Bachbandlung, 1902. 31 S. 8. Ji — . 60.
Nachdem der Verf. den Unterschied zwischen dem Humanismus
des 16. Jahrb. und dem sogen. Neuhumanismus des 18. und 19. Jahrb.
angedeutet hat, betrachtet er die zwei auf die Erneuerung der Antike
gerichteten Strömungen unserer Literatur. Die eine mehr formale knüpft
sich an die Namen Elopstock und Yofs. Die andere materiale, die vor allem die
Belebung des geistigen, sittlichen und künstlerischen Gehalts der Antike er-
strebt und schliefslich zum Griechenkultus führt, wird durch Winkelmann und
Herder, Heinse, Schiller und Goethe und Hölderlin vertreten. Der Vortrag
gibt, ohne neue sachliche Gesichtspunkte aufzustellen, in gewählter und ge-
wandter Sprache einen inhaltreichen, auf genauer Kenntnis beruhenden Über-
blick über die wichtigsten hierher gehörenden Erscheinungen. Am Schluls
kann es sich der Verf. nicht versagen, in einem offenen Bekenntnis eine Lanze
fQr das humanistische Gymnasium zu brechen und den modernen Bildungs-
bestrebungen ein Fragezeichen entgegenzustellen. Der letzte Absatz zur Ehrung
des Königs, der mit dem Inhalt der Bede in keiner wesentlichen Beziehung
steht, hätte unseres Erachtens im Druck fortgelassen werden können. T.
Paul y eff Verlag ICarl Bflchle) In Stnttgart°^
jf ■ jf ■
In unserem Verlag ist komplett erschienen die
Zehnte Auflage
von
Christoph Fr. Griebs
Enflllsdi-BeBtschem und DeatscIi-EniilischBni Warterhocli
mit besonderer Rücksicht auf Aussprache und Etymologie
neu bearbeitet nnd vermehrt
von
Dr. Arnold Schröer
ord. Professor an der Handelshochschule zu Köln
well. ord. Professor der englischen Philologie an der üniversitftt Freil/urg 1. B.
160 Bogen dreispaltiger Satz in 6r.-Lex. 8o.
I. Band: n Band:
eleg. in Halhleder geh. M. 14.— eleg. in Halhleder geoT M. 12.—
Erwähnenswert ist es, daTs die Kinleitang das Nötigste über Formenlehre und Orthographie,
namentlich über die Yerdoppelang der Endkonsonaten enthält, nm das Aufschlagen auch ün-
Siübteren zu erleichtern, loh glaube, auch mancher Anfänger wird sich, um die zweimalige
usgahe zu vermeiden, gleich ein Buch „fürs Leben" anschaffen.
Direktor Dr. KrMmmaohor, Kastei, in „Englltthe Stadion".
ggT' Zu haben in allen Buchhandlungen '^H
Für Sclial«H TersfiiMtlsnMseii bei gleichzeitigem Bezog einer grÖAneren Anzahl
von Exemplaren.
Fftr di« Bedaktlon Terutwortlieh Dr. E. Lodwig in BrOHOn
Dnek und Verlag ron Friedrieh AndreM Perthes, AktiengeMlliehaft, Ootha.
K
JUL 9 1903
Gotha, 27. Juni Nr. 13, Jahrgaag 1903.
Neue
PhilologischeRundschau
HerauBgegeben von
Dr. C. Wagener und Dr. E. Ludwig
in Bremen.
Bncheint alle 14 Tage. — PreiB fBr den Jahrgang 8 Mark.
Bestellungen nehmen alle Bnchhandlnngen, sowie die Postanstalten des In- und Auslandes an.
Insertionsgebflhr fDr die einmal gespaltene Petitzeile 80 Pfg.
Inlialt: Bezensionen: 165) A. Börne r^ Homerische Studien (0. Ding^dein)
p. 289. — 166) £. Harrison, Stndies in Theognis together with a text of the
poems {ß) p. 290. — 167) Paul Brandt, Ovidi de arte amatoria libri tres
(G. Schüler) p. 291. — 168) W. A. Eckels, 'nare as an index of style in the
orators (Ph. Weber) p. 294. — 169) Beiträge zur klassischen Philologie, Alfred
Schöne dargebracht (B.) p. 299. — 170) H. Francotte, Formation des Yilles,
des ^tats, des conf(§d4rations et des ligues dans la Gr^e ancienne (H. Swoboda)
p. 301. -~ 161) J. C. H.Matile, Explication de quelques fahles de La Fontaine
(B. Kiessmann) p. 303. — 172) £. Meyer, Emile Augier, Le Gendre de Mon-
sieur Poirier (P. Leja) p. 306. — 173) E. Lehmann, Lehr- und Lesebuch der
englischen Sprache (Bahre) p. 307. — 174) Nietzsches Gesammelte Briefe (E. Neu-
ling) p. 308. — Vakanzen. — Anzeigen.
165) Adolf Bömer, Homerische Stndien. (Aus den Abhand-
langen der k. bayer. Ak. der Wiss. I. El. XXII. Bd. IL Abt.
S. 387 — 451). München, in Kommission des H. Franzschen
Verl^ (L. Both), 1902. 54 S. 4.
Die Schrift ist eine Art Fortsetzung des früher hier besprochenen
Aufsatzes von A. Bümer „Homerische Gestalten und Gestaltungen *S auf
den auch öfter Bezug genommen wird. Den gröfsten Teil der Abhandlung
nimmt Abschnitt I ein: „Zur Eunstbetrachtung des zweiten Teiles der
Odyssee '^ Es soll darin gezeigt werden, dafs dieser Teil in Komposition
und Kolorit, in Erfindung und — um einen Lieblingsaasdruck des Verf.
zu gebrauchen — in Gestaltung in weit höherem Grade Kunstarbeit sei,
als die übrigen Homerischen Gesänge. Er Mst diese Ansicht (S. 399)
in den Satz< „Die Komposition der anderen Gesänge Homers ist äTtlfj^
die Komposition des zweiten Teiles der Odyssee ist im schärfsten Gegen-
satz dazu TtenleyiiiyriJ*^ Von Volkspoesie und einem Volksdichter könne
man da nicht sprechen. — Der Best der Schrift enthält einige Betrach-
tungen über Kritik und Exegese des Textes und der Schollen. V7enn die
290 itene t^bilologisohe ftondscliaii Nr. lä.
Arbeit auch einige treffende Beobachtungen enthält, so kann Bef. in ihr
ebensowenig wie in ihrer Vorläuferin einen nennenswerten Fortschritt in
der Homerforschang erblicken. Eraftansdrficke wie „Unsinn" (S. 408),
„dumme und rohe Interpolationen'' (S. 414), „abscheuliche Interpola-
tionen und wüste Einschübe'' machen die Lektflre nicht erquicklicher.
BQdmgen. O. Dingeldolii.
166) E. HaxriBon, Studies in Theognis Ix^ether wiih a text
of the poems. Cambridge , üniversity Press. London , J. G
Clay & Sons, 1902, XII u. 336 S. 8. 10 sh. 6.
Die gelehrte Forschung hat sich in dem letzten Yierteljahrhundert
eingehend mit Theognis beschäftigt, und es gibt wohl keine auf ihn be-
zügliche Frage, die nicht behandelt worden wäre. Trotzdem konnte eine
Einigung über alle Punkte bis jetzt nicht erzielt werden und wird vermut-
lich auch in Zukunft nicht erzielt werden können ; das liegt einmal in der
Natur der Sache. Aber über einen Punkt herrschte unter allen Forschern
Übereinstimmung, nämlich darüber, dafs die auf uns gekommene Samm-
lung der Theognidea nicht das ursprüngliche Werk des Theognis ist, son-
dern ein späteres Erzeugnis, das Verse verschiedener älterer Elegiker in
sich vereinigt.
Gegen dieses, wie man bisher ghubte, unumstCfsliche Ergebnis der
Theognisforschung läuft jetzt der Verf. der vorliegenden Studien Sturm.
Nach ihm dichtete Theognis alle oder doch fast alle Verse, die jetzt unter
seinem Namen gehen; er teilte sie in zwei Bücher, die nach Inhalt und
Anordnung von den beiden erhaltenen nicht sehr verschieden waren ; daher
hat man jeden Vers, der in einer der beiden Sammlungen steht, schon
aus dem Grunde, weil er darin steht, für theognideisch zu halten.
Wer unsere Sammlung der Theognideen genauer kennt, weifs, dafs
es unmöglich ist, diese Sätze zu beweisen, und so konnte es auch dem
Verf. nicht gelingen. Er mufs annehmen, dafs Theognis alle Verse und
Gedichte, welche die Überlieferung älteren Dichtern zuschreibt, diesen
entlehnt habe, um sie entweder unverändert seinen eigenen Dichtungen
einzuverleiben, oder nachdem er Wortlaut und Sinn mehr oder weniger
abgeändert hat, dafs er ferner in der gleichen Weise auch Verse von sich
selbst, wo es ihm gut schien, wiederholt habe, und dafs er endlich solche
Gedichte nebeneinander gestellt habe, von denen das zweite dem ersten
widersprach oder sonst in irgend einer Weise auf es antwortete. Werden
Nene PhilologiBcbe Enndschaa Nr. 13. 291
diese Annahmen irgendjemand wahrscheinlich oder glaubwürdig erscheinen?
Und selbst wenn dies an sich der Fall sein sollte , so wird man sofort
wieder bedenklich werden, wenn man von dem Verf. h(^rt, dafs man trotz
alledem das Gedicht V. 903—930 als späteres Einschiebsel betrachten
mofs; denn man wird sich sagen, dafs ebensogut, wie diese Verse, auch
alle jene eingedrungen sein können, welche die Alten selbst anderen
Dichtem zuschreiben, welche Wiederholungen früherer Verse, Urteile über
vorhergehende Verse u. s. w. sind. Das Vorhandensein eines Verses in
der Sammlung ist also keine Gewähr dafär, dafs dieser auch wirklich
echt ist.
So läfiit sich das Hauptergebnis, zu dem der Verf. gelangt ist, nicht
aufrecht erhalten. Was er sonst noch in seinen Studien, denen noch acht
Appendices beigegeben sind, vorbringt, ist von untergeordneter Bedeutung,
grOfstenteils nichts Neues, sondern eine oft gelungene, manchmal auch
miMungene Besprechung der Ansichten anderer. Auch der Text der
Theognideen, der den Studien vorausgeschickt ist, bietet kaum etwas Be-
cahtenswertes. /?.
167) Paul Brandt» P. Ovidi NasoniB de arte amatoria libri
tres. Leipzig, Dieterichsche Verlagsbuchhandlung, Theodor Wei-
cher, 1902. XXIII u. 255 S. 8. Ji 8.-; geb. Ji 10.-.
Beinahe binnen Jahresfrist istOvids ara amatoria, die einem Aschen-
brMel gleich solange eine unverdiente Zurücksetzung erfahren hat, in
einem neuen, eigenartigen Gewände an die Öffentlichkeit getreten.
H. Blümner (vgl. Nr. 1 S. 11 f. ds. Jahrgs.) hat sie für einen gröfseren
Leserkreis in gereimte fünffüfsige Jamben gekleidet, und P. Brandt hat
ihren von B. Ehwald hergestellten Text für einen engbegrenzten Kreis
von Fachleuten mit fortlaufenden Erläuterungen ausgestattet. Welchen
Klassen von Lesern Br. mit seiner Ausgabe Hilfe zu bringen gedenkt,
gibt er seiht (S. vi) an: „Zu oft tappt der Leser der Ars im Dunkeb:
sei es nun, dafs er das Oedicht um seiner selbst willen lesen will, so
wird er oft aufgehalten durch die Fülle von Anspielungen auf Antiquitäten,
Kultus, Mythologie, die er sich erst notdürftig zurecht suchen mufs, um
doch bei sehr vielen Stellen unbefriedigt zu bleiben, oder dafs er das
Oedicht benutzen will zu näherer Kenntnis einer kulturgeschichtlich höchst
interessanten Zeit, so fehlt es auch hier immer wieder an dem notwendigen
Material.'' Alle diese Leser werden dem Verf. Dank dafür wissen, dafs
Neu« t^hiloiogische bnndschau J^r. lä.
er mit Geschick und Oeschmack y,da8 Verständnis und vor allem den
poetischen Gennfs des einzig dastehenden Gedichtes '' gefördert hat. Die
Ausgabe zerfUlt in zwei Abteilungen: die erste enthält neben einem Vor-
worte und einer Einleitung den Text und Kommentar, die zweite (der
Anhang) umfafst Zusätze und Ausffihrungen zum Kommentar sowie Indices
(I. Eigennamen, II. Sprachliches, III. Sachliches).
In der Einleitung (S. ix~xxiii) sucht Br. den künstlerischen Wert,
der Ars gebührend darzulegen. — Da er auf die Kritik verzichtet und
nur dem Verständnisse des einmal vorhandenen Textes förderlich zu sein
sich bestrebt, so schliefst er sich eng an den Text der Ehwaldschen Aus-
gabe an. Die wenigen Abweichungen hat er fast ausschliefslich im An-
hange, ganz vereinzelt im Kommentare selbst begründet. Seinen Ände-
rungen wird man im allgemeinen zustimmen können, etwas bedenklich
jedoch erscheint die Abweichung III 270. Hier hat er Blümners Kon-
jektur Phariae vestis statt des überlieferten Pharii piscis aufgenommen
und versteht darunter die im Altertume berühmte ägyptische Leinwand.
Diese Konjektur, die er noch näher zu begründen sucht, hat viel Be-
stechendes, zumal wenn man zugibt, dafs es sich hier „um die geschickte
Wahl der Toilette'' handelt und auch im vorhergehenden Verse (269) unter
„purpureis virgis'' die sogen, vestes virgatae, buntgemusterte, der Länge
nach gestreifte Kleider versteht. Allein die Anweisung (V. 261/2):
occule mendas,
Quaque potes, Vitium corporis abde tui!
scheint in V. 269 sowohl wie in V. 270 mehr die Erwähnung einer Schminke
zu verlangen und einen so gewaltsamen Eingriff in die Überlieferung
unnötig zu machen. Würde nicht eine Schöne mit zu schwarzer Haut
gerade durch ein Gewand aus Linnen vom Ägypterland ihren Schönheits-
fehler nur noch mehr hervortreten lassen? — Lib. I 544 lies iubas
st. inbas.
Jedes der drei Bücher wird durch einen kurzen „Inhalt^' eröfhet,
der dann innerhalb des Kommentars etwas ausführlicher wiederkehrt. Der
Kommentar selbst bietet alles, was zur Erläuterung der einzelnen Verse
erforderlich und zweckdienlich sein kann, in der ergiebigsten Weise. Die
wesentlichsten Zitate sind möglichst vollständig ausgeschrieben, gute Ver-
deutschungen aus den bekannten Übersetzern angefahrt, einzelne Paral-
lelen auch aus unseren deutschen Dichtem zum Vergleiche herangezogen.
Zu III 321 könnte auch auf Horand hingewiesen sein, von dem es in der
Nene Philologiaohe RnodBohaa Nr. 18.
Oudran am Anfiinge des sechsten Abenteuers (Strophe 372 bei H. A.
Junghans) heilst:
„vom Dänenlande der kfihne Degen sang
Mit so schtoer Stimme, dafs es wohl geMen
Mauste aUen Leuten. Davon schwieg selbst der holden YOglein Schallen/'
Selbst mit solchen Stellen, die der Erklärung nicht unerhebliche Schwierig-
keiten verursachen, weifs sich der Verf. ganz geschickt abzufinden. So
vermutete er I 405 f., teilweise wohl auch im Anschlüsse an Blfimner,
dals an dem ersten April, dem Festtage der Venus Yerticordia und der
Fortuna Virilis, die Geliebten von ihren Verehrern Geschenke empfingen,
und sucht aus V. 407 u. 408 zu folgern, „dafs zur Zeit der Satumalien
und vor dem Neujahrstage im Zirkus eine Art Messe oder Jahrmarkt
stattfand, wo die zu Geschenken dienenden Sachen, zum Teil kostbarster
Art (regum opes) ausgestellt waren (poBita8)'^ Es ist demnach ffir den
Liebhaber der Neujahrstag wegen der damit verbundenen kostspieligen
Geschenke der eigentliche dies ater, nicht der (früher liegende) Tag, an
dem sigillaria, an diese denkt der Verf. bei 'sigillis' V. 407, kleine Fi-
guren und Puppen aus Ton, geschenkt wurden. — III 327 zu genialia
mufs es si „fr(^hlich, heiter'' wohl genauer „erfreuend, erheiternd" heifsen,
und III 332 ist vielleicht weniger auf Menander als auf Terenz hin-
gedeutet, in dessen Phormio bekanntlich die beiden Greise Demipho und
Ghremes von dem Sklaven (}eta hintei^angen werden.
Im ganzen ist der gesamte Stoff, der ffir die Erklärung zusammen-
getragen ist, sorgftltig verarbeitet und mit Besonnenheit geordnet Ffir
eine Neuauflage jodoch dflrfte es sich empfehlen, den ganzen Kommentar
nochmals gehörig zu sichten und dann nur das zum Verständnisse Alier-
notwendigste unter dem Texte zu belassen, alles fibrige aber in den An-
hang zu verweisen. Jeder Leser wird es mit Freuden begrfifsen, wenn
er, um das Nötigste herauszufinden, sich nicht immer erst durch so um-
fangreiche Anmerkungen hindurchzuarbeiten braucht.
Das Buch als Ganzes stellt sich als eine recht anerkennenswerte Lei-
stung dar und enthält soviele Vorzüge, dafs vereinzelte Schwächen,
manche kleine Unebenheiten im Stil und Ausdruck u. dgl gar nicht ins
Gewicht fallen. Es wird ohne Zweifel nicht nur bei den Leipziger
Freunden, denen es der Verf. gewidmet hat, sondern auch bei allen den Lesern,
far die es hauptsächlich bestimmt ist, die freundlichste Aufnahme finden.
Wilhelmshaven. O. SohUw.
294 Nene Philologische Bnndichau Nr. 13.
168) William Alezander Eekels, ""'Qoxe as an index of style
in ihe orators. Baltimore, John Murphy Company, 1901.
83 S. 8.
Die Aufgabe, die der Verf. dieser Inauguraldissertation der John
Hopkins Universität sich gesetzt hat, besteht in einer Untersuchung des
Gebrauchs von &ate bei den attischen Rednern. Sie ist insofern eine
doppelte, als sie sich nicht auf die syntaktisch-statistische Seite beschränkt,
sondern ihr Hauptaugenmerk der Prflfung der Frage zuwendet, ob etwa
der dkrre-Satz und die verschiedenen syntaktischen und sonstigen Erschei-
nungen, die er darbietet, rhetorischen Zwecken dienen. Eine diesbezüg-
liche Arbeit hatte schon 1896 Wendelin Berdolt in seiner zu Erlangen
erschienenen Wflrzburger Inauguraldissertation „Der Folgesatz bei Plato
u. s. w.'' in Aussicht gestellt. Dafs diese unterblieb, ist um so bedauer-
licher, als Berdolt im Vergleich zu seinen Vorgängern in der Behandlung
dieser Materie — ich habe in erster Linie die grundlegende Göttinger
Inauguraldissertation von Hermannus Seume, De sententiis consecutivis
Graecis, 1883, im Auge, sodann die Dissertationen von M. Fellmann 1883
und M. Wehmann 1891, deren erstere den Gebrauch dieser Satzart hei
den Tragikern, letztere den bei den Historikern (Herodot, Thukydides, Xeno-
phon) behandelt, schliefslich den Aufsatz des in allen Zweigen der philo-
logischen Wissenschaft aufserordentlich rührigen B. Gildersleve (in Amer.
Joum. of Phil. VII, 161 flf.) — in seiner verdienstvollen Arbeit den Gegen-
stand nicht nur eingehender und anregender zu erörtern, sondern dem-
selben auch neue ungemein fruchtbare Seiten in gröfserem Umfange
abzugewinnen gewufst hat (vgl. Gildersleve ebendort XIV, 240 ff.). Doch
hat Eckeis augenscheinlich, wenigstens bei Behandlung der Modi und
Eorrelativa, die von Berdolt eingeschlagene Methode sich zum Vorbilde
genommen. Die wissenschaftlich wertlose Sammlung von Thukydidesstellen
von Wilde wird mit Becht nirgends erwähnt. Auch die von Bertold so
reichhaltig angefahrte Literatur zu Herodot (S. 20) scheidet hier aus und
bleibt aufser Betracht.
Angesichts der zurzeit so gearteten Sachlage, dafs die Redner allein
auf dem Gebiete statistischer Durchforschung des <Sar€- Satzes keine alle
Erscheinungen desselben umfassende Bearbeitung gefunden hatten — die
wenigstens teilweise hier einschlägige Würzburger Inauguraldissertation
des Schweizers Paul Dessoulavy „Grammatisch -stilistische Beobachtungen
über eine Redensart u. s. w.'' scheint, wohl infolge ihres seltsamen Titels,
X
Nene Philologische BnndBchau Nr. 13. 296
allen entgangen zn sein — mflfste die endlich einmal erfolgte AusfBllnng
dieser „klaffenden Lfioke'S wie sie Berdolt in seinem Vorworte nennt,
selbst wenn sich die vorliegende Untersnchong in dem engen Bahmen
der Statistik bewegte, willkommen geheifsen werden. Allerdings darf dabei
nicht verschwiegen werden, dafs anch schon Seume seine meisten Beispiele
ans den Bednem hergeholt nnd, wie aus dem Satze „qui artissima sen-
tentiarnm per particulam ßate conianctione, in qna magna est vis
oratoria, creberrime utuntnr^' znr Genflge hervorgeht, an die Verwend-
barkeit des dkrrs- Satzes zn rhetorischen Zwecken geglaubt hat. Nicht
weniger unumwunden hat dem gleichen Gedanken Gildersleve Ausdruck
geliehen mit den Worten „it is safe to speak of stylistic effect withen
the ränge of Scrre'^ Eben dieser besonderen stilistischen Verwendung der
Konstruktion gelten die weiteren Bemflhungen des Verf., oder vielmehr
ihre Klarstellung läfst sich als die Hauptaufgabe bezeichnen, welche er
durch diese Abhandlung zu lOsen versucht.
Dafs, will man überhaupt mit solchen Studien ein wirklich stich-
haltiges Besultat erzielen, die rhetorischen Erzeugnisse der Kunstprosa,
vor allem auch die bei den Nichtrednern, vornehmlich den Historikern, sich
findenden gr(^fseren Beden zu gründe zu legen sind, sollte sich doch wohl,
dächte ich, von selbst verstehen. Meines Erachtens schlägt daher Eckeis
hier gleich von vornherein einen nicht ganz einwandfireien Gang der Unter-
suchung ein. Er stellt nämlich zu diesem Behufe zunächst eine Tabelle auf,
in welcher die Frequenz von ßare bei den sieben ersten Bednem des Kanons
(Antiphon, Andokides, Lysias, Isokrates, Isäus, Demosthenes, Äschines)
jener bei den vier wichtigsten anderen Prosaklassikem (Herodot, Thuky-
dides, Plato, Xenophon) schlechthin proportional nach Teubnerschen Text-
seiten gegenflbergestellt wird. Da springt denn freilich sofort die weit
überwiegende Häufigkeit des Vorkommens von &ai;e bei den Bednern in
die Augen. Denn von Xenophon abgesehen werden die drei anderen
Prosaisten sogar von dem niedrigststehenden der Bedner, nämlich Anti-
phon, noch fibertroffen. Aber wie sollte es denn auch anders sein? Oder
vermeinte Eckeis mit diesem Besultate irgendjemand etwas Neues oder
Überraschendes bieten zu können? Parturiunt montes. Also dürfte eine
solche auf blofsen Ziffern fufsende Beweisführung, um ffir die Beurteilung des
Stils^der Autoren schiefslich zu einem negativen Ergebnis zu führen, ver-
dientermafsen wenig oder richtiger gar keinen Anklang finden. Hatte ja doch
bereits Berdolt in dem Abschnitte über die „Frequenz des Konsekutiv-
396 Nene Philologische Rnndschan Nr. 13.
Satzes" gezeigt, dars die FreqaeDzunterschiede in den einzelnen Schriften
Piatos ganz erhebliche sind. So hätten gewifs auch zwischen den geschichtlich
erzählenden und den rednerischen Partieen des Werkes desselben Historikers
angestellte Vergleiche interessantere und besser verwertbare Besultate ge-
zeitigt. Jedenfalls wäre es ein verhängnisvoller Trngschlufs, wollte man
aus der chronologisch angelegten Tabelle und dem im ganzen eine regel-
mäfsige Zu- und Abnahme zeigenden Zififerbild 28 : 36 : 95 : 100 : 69j 46 : 30
eine sich mehr und mehr entwickelnde Sorgfalt in der künstlerischen Be-
handlung der Bede und ein dadurch bedingtes Emporblühen der Sprache
bis zu Isokrates als dem das Stadium der Beife bezeichnenden Höhepunkte
und einen von da ab wieder eintretenden Verfall ablesen ; es würden ja in
diesem Falle die gefeierten Werke, die den Namen des Demosthenes und
Äschines tragen, einen gewaltigen Bückschritt bedeuten, ganz abgesehen
von dem Bedenken, das schon darin läge, dafs die Vertreter zweier ganz
verschiedener Stilgattungen, nämlich Isokrates, das Muster des überladenen
(„fiorid") Stils, und Lysias, der Hauptrepräsentant des genus tenue, in
der häufigen Verwendung dieser Konjunktion sich so nähern, dafs man
nahezu von einer völligen Übereinstimmung sprechen kann, und dafis oben-
drein die Vergleichung zweier demselben Verfasser, aber verschiedenen
Stilgattungen angehörender Beden ebenfalls mit negativem Besultate ab-
sehlielBi Und so läfst sich denn auch das Besultat der Untersuchungen
Eckeis nach dieser Seite dahin zusammenfassen, dafs die Häufigkeit des
Vorkommens der Konjunktion im allgemeinen als charakteristisches Merk-
mal des Stils nicht erachtet werden kann, ja dafs nicht einmal dem Ge-
brauche der Modi in dieser Hinsicht ein irgendwie beIangreiches[]^Qewicht
beigemessen werden darf. Einem Satze indes, den Eckeis aus dem Bilde
dieser Frequenztabelle ableiten zu können glaubt, möchte «ich, allerdingB
nur im eingeschränktesten Wortverstande, beipflichten. Es scheint näm-
lich bei den auf Lysias und Isokrates zeitlich folgenden Bednern sich eine
gewisse Beaktion gegen den fast bis zur Manieriertheit entarteten aus-
gedehnten Gebrauch von öiave geltend gemacht zu haben. Die Anfänge
dieses Bflckschlags will der Verf. schon in den letzten Werken des Iso-
krates erkennen und bringt dafür Belege, die aber, da sich diese Erschei-
nung auch noch anders erklären läfst, zu einer unumstöfslichen Begründung
sich unzureichend erweisen.
Lälst nun auch die Frequenz der Konjunktion an sich keinen Bfick-
schlufs auf die Verschiedenheit des Stils zu, so spiegelt sich letztere nach
\
Nene Philolog^he ftandschan Nr. IB. 2d?
der Behauptung des Verf. um so deutlicher in der Setzung oder dem
Mangel von Korrelativen zu äave, deren Phänomene in ihrem Werte daher
nicht miteisch&tzt werden dfirften. Dies versucht er zunächst im all-
gemeinen zu begrfinden, dann in Bezug auf die Bedner im einzeben
nachzuweisen. Den Ausgangs- und Angelpunkt bildet ihm der gewiia
richtige Satz Gildersleves von der auf den respondierenden Konelativen
beruhenden Folgerichtigkeit („consequentiality*^), die als erster bei seiner
Untersuchung praktisch verwertet zu haben Berdolt sich rfihmen darf.
Während aber dieser seine Urteile nach den Grundsätzen der Vernunft
abwägt und so mit den unerlälslich zu stellenden wissenschaftlichen An-
fordemngen in EinUang bringt und dadurch seiner bahnbrechenden
Arbeit gern gezollten Beifall und Anerkennung erzwii^ stellt sich Eckeis
auch hier wieder vorzugsweise auf den statistischen Standpunkt. Durch
eine zweite Tabelle veranschaulicht er das Zahlenverhältnis des Gebrauchs
von korrektivem und nichtkorrelativem ßarey indem er hier die nämlichen
sieben Bedner den Tragikern (st. Äschylus heifst es irrig Äschines!)
Herodot, Thukydides, Aristophanes und Plato gegenüberstellt Daraus
erhellt, dafs einerseits nur bei Isokrates, Demosthenes und Äschines der
korrelative Gebrauch den nichtkorrelativen überragt, während sich bei den
übrigen Bednern und bei Herodot beide Phänomene umgekehrt verhalten,
jedoch so , dafs selbst die extremsten Verhältnisse (2, 21 : 1 bei Isokrates
und 1 : 2, 73 bei Antiphon) nur mäfsig differieren, dafs dagegen anderseits
bei den attischen NichtredDern sich das Verhältnis sehr zu Ungunsten der
Korrelation gestaltet (Plato 1:3, 9, Euripides 1 : 4, 5, Sophokles 1 : 6,
Äschylus 1:6 und gar erat Aristophanes 1:10 und Thukydides 1:11).
Das namentlich bei Herodot so beliebte verwachsene („coalesced") oBT(og
äaT€y das Berdolt ausgeschieden hat, dürfte dabei wohl mitgerechnet sein.
Wenigstens sagt Eckeis S. 12: „I inclined, on the whole, to dass itO."
Wie nun in beiden Tabellen Isokrates zugleich als H(^he- und Mittel-
punkt erscheint, so hat ihn Eckeis auch zum Angelpunkt seiner Abhand-
lung gemacht, weil diesen Bedner neben seinem peinlichen Streben nach
technischer Vollendung auch Erwägungen praktischer Art hierzu am ge-
eignetsten erscheinen liefsen (vgl. S. 12). Dies geschieht nun in der Weise,
dafs der Gebrauch von Gotb bei Isokrates zunächst mit jenem der anderen
Bedner, dann hinsichtlich der verschiedenen Stilgattungen, deren fünf
unterschieden werden: die epideiktische, die philosophische, die politische,
die gerichtliche und die ermahnende, ferner innerhalb verschiedener Beden
2Öä iiea« Phiiologiseiie ttnndscilaa iTr. lä:
derselben Gattung nnd schliefslich nach den Terschiedenen Teilen ein und
derselben Bede verglicben und des näheren erOrtert wird. Es wfirde hier
zu weit ffihren, wollte ich alle dabei gemachten feinen Einzelbeobachtungen,
die teils den Folgesatz als solchen und seine Modi, teils die Korrelatiya zu
äarey beziehungsweise die Unterlassung der Korrelation, teils auch die
Ersatzmittel dieser Wechselbeziehungen angehen, reproduzierend vorfQhren.
Sie verdienen volle und ungeteilte Anerkennung, obzwar manche derselben,
z. B. die in der Fufsnote S. 15 als bemerkenswert hervorgehobene Erschei-
nung, sich schon aus Dessoulavy ersehen lassen. Gegenflber Fuhr gestatte
ich mir hier noch anzumerken, dafs die Formel eig to^to fjMiv bei Isaios
aufser 1, 2 — einzig diese Stelle kann er im Auge haben — auch 4, 24
und 6, 43 vorkommt, aufserdem noch üg roCvo dipvyiiivoi daiv 3, 60
u. dg Tofhro fil&ov 6, 39, ferner bei Demosthenes dg toüto ^auv 4, 27;
18, 22; 19, 72; 36, 46 u. 48; 45, 73; dg ToaoüTO ngoi^ytsiv 51, 19
u. 13 synonyme Ausdrucke, bei Pseudo- Demosthenes dg toCto ^miv
12, 20; 17, 12; 25, 49; 40, 28 u. 49; 52, 28; 56, 3 u. 11 analoge
Wendungen,
Was dagegen den Versuch der Verwertung der Frequenz des korre-
lativen Sarc-Satzes als Gradmesser stilistischer Bedekunst anlangt, so ist
derselbe meines Erachtens nicht gelungen und auf diese schablonenhafte
Weise überhaupt nicht einer gedeihlichen Lösung zuzuführen. Um hier
zu einem positiven Ergebnis zu kommen, müfsten aufser Echtheit und
ünechtheit noch so viele andere Gesichtspunkte in Betracht gezogen wer-
den, dafs schliefslich die Frequenz resp. das Verhältnis zwischen korrela-
tiven und nichtkorrelativen Folgesätzen, in der Kette der Beweisführung
überhaupt keine ausschlaggebende Bolle mehr spielt, also auch kein rich-
tiges Bild zu liefern vermag. Dies tut es nur insofern, als mit derEnt-
Wickelung der Sprache, wie die Periodenbildung im allgemeinen, so
auch die im Folgesatze zunimmt, was aber heutzutage keines weiteren
Beweises mehr bedarf, sondern für die meisten Satzarten schon bis zur
Evidenz nachgewiesen worden ist und erforderlichenfalls leicht belegt
werden kann. Was aber soll und kann denn eigentlich gegenüber den
zahllosen Mitteln, wie sie dem theoretisch geschulten und praktisch ge-
übten Bedner zwecks Erzielung von Effekten zu Gebote stehen, eine so
gewissermafsen natürliche Einzelerscheinung besagen? Zur Ermöglichung
eines annähernd richtigen ürteilsergebnisses müfsten doch wohl zum min-
desten auch alle anderen korrelativen Perioden in Berücksichtigung ge-
\
Nene Philologische Rnndsohaa Nr. 13. 299
zogen werden, dienen sie doch ihrerseite gleichfalls der neQißoXilj im Gegen-
satze zur li§ig d(fOfiivfiy und zwar sind sie in einem noch viel hSheren
Grade dazu geeigenschaftet, insofern ja bei ihnen durch die Satzstellung
aA, die Xenophon sogar bei den Sätzen mit S(og nni^eate hat, oftmals
ein „interiectional effect*', eine „surprise*^ in einer Weise erreicht werden
kann, wie sie dem in die Stellnng A a gebannten konehtiven Serrs- Satze
versi^ ist. Nach disser Seite eine umfassende Prfifung anzustellen, dfirfte
nicht nur interessant, sondern auch lohnender sein, und fOr eine solche
wäre der zweite Teil vorliegender Untersuchung eine nicht zu verachtende
Yorarbeii
Eine andere Achillesferse haftet ferner der Arbeit dadurch an, dafs
sie, indem sie Isokrates zu ihrem Alpha und Omega macht, einen wesent-
lichen Gesichtspunkt aulser acht lassen mufs. Gerade von diesem Badner
heifst es bei Cicero (Brut 8) „luce forensi caruit et intra parietes alnit
eam gloriam^^ Seine Werke sind daher neben den Erzeugnissen eines
Isftus, Demosthenes, Äschines u. a. gewissermafsen mehr als Aufsätze
denn als Beden zu beurteilen. Oder sollte Eckeis wirklich so blind auf
den Buchstaben des von ihm am Ende seiner SchluTsbemerkungen zitierten
Satzes des übrigens von anderen Leuten, die auch etwas von der Sache
verstehen, durchaus nicht für unfehlbar gehaltenen Meisters Blafs schwören,
dafs ihm etwa der § 27 der Bede neffi toC ^eiiyovg mit seinem, man
halte mir den Ausdruck zu gute, Überstil der Kulminationspunkt stilistischer
Kunst dfinkt? Dann allerdings hat Isokrates als attischer Überredner
zu gelten.
Der Druck ist recht sauber. Aufser dem bereits oben verbesserten
Fehler (S. 11 Z. 23) habe ich nur noch in der Stelle adv. Euth. 6 (S. 11)
Druckversehen bemerkt, hier allerdings gleich drei.
München. Ph. Wobw*
169) Beitrage zur klaBdsehen Phflologie, Alfred Schöne
dargebracht. Kiel, Bobert C!ordes, 1903. 42 S. 8. Jf 1.50.
Dem von der Christian-Albrechts-Üniversität zu Kiel scheidenden
Vertreter der klassischen Altertumswissenschaft, Prof. Schöne, haben
einige seiner Schüler als Zeichen ihrer Dankbarkeit eine würdige Gabe
dargebracht Die Schrift enthält vier Abhandlungen, deren erste, „De
Cicerone et Torquato Epicureo^' betitelt, von Joseph Kaussen
verfa&t ist: dieser behandelt das persönliche Verhältnis zwischen Cicero
300 Nene PhilologiBche Kondscban Nr. 18.
und dem jungen Torquatos (de fin. I—- II), den die foszinierende Macht
der Persönlichkeit Epikurs zu einem Fanatiker des Epikureismus gemacht
hat. An seinem fQr diese Weltanschauung entschiedenen Willen prallen
alle rhetorischen und dialektischen Efinste des Siteren Freundes ab. Er
ist als blinder Anhänger dieses philosophischen Systems fQr YernunftgrQnde,
fttr wahre Aufklärung und bessere Belehrung nicht mehr zugänglich. Die
Darstellung ist einfach und fibersichtlich und hebt mit geschickter Hin-
weisung auf das psychologische und persönliche Moment die Hauptpunkte
der Giceronianischen Technik klar hervor. Es wäre eine lohnende Aufgabe,
auch den anderen in Giceros philosophischen Schriften auftretenden Epi-
kureer C. Velleius einer besonderen Betrachtung zu unterziehen. Vielleicht
entschliefst sich der Verf., der uns hierffir wohlvorbereitet erscheint, dazu,
dies bei Oelegenheit nachzuholen. (Druckfehler S. 5: illo philosophia
statt illa.)
Alle fibrigen Aufsätze haben den Herausgeber der Schrift Gustav
WOrpel zum Verfasser. Zunächst gibt er einige Einzelbemerkungen zu
Juvenal VH, 40 ff. Mit Becht lehnt er Jessens Änderung von partas in
poreas ab und erklärt V. 41 lange, das bislang als gleichbedeutend mit
diu aufge&fst wurde, in lokalem Sinne. Eine bekannte cruz philologica
bildet der Eigenname Macula, dem Altertum wie Jetztzeit ratlos gegen-
flberstanden. Wörpel zeigt in überzeugender Weise, dals sich jede Ände-
rung der bestb^laubigten Lesung verbiete und dafs die Entscheidung fiber
den richtigen Sinn der Stelle lediglich von der Etymologie dieses Wortes
abhänge. Das Resultat, zu dem er auf Grund eines reichen sprachlichen
Materials gelangt, ist, dafs Maculo eine vox barbara in klassischem Kostüm
ist und mit dem hebräischen mahlon zu kombinieren ist. Damit sind in
sehr scharfidnniger Weise alle Schwierigkeiten gelöst und die behandelten
Verse in ein völlig neues Licht gerückt.
Höchst interessant sind die nun folgenden Ausführungen über die Deu-
teroskopie bei Homer. Der Verf. bringt den Nachweis, dafs es sich in
der TheoUymenos- (v. 345 ff.) und Xanthos- Episode (T. 404 ff.) um die
Vision des secand sigkt handele, dafs mithin die Kenntnis der ekstatischen
Mantik dem Dichter zuzusprechen sei, was von Lobeck und Bhode be-
stritten wird.
Der letzte Aufsatz ist dem pseudovergilischen Gedicht Giris gewidmet,
das in neuester Zeit durch Skutsch Buch „Aus Vergils Frflhzeit*' den
Gelehrten ergiebigen Stoff zu Kontroversen geliefert hat. Aufser text-
\
Nene PbUologiMhe BondMliM Nr. 18. 8(A
kitischen und exegetischen ErSrteruDgen gibt WOrpel einige wertroUe
BeitrSge zur Kenntnis der änfseren Lebensomstftnde nnd des poetischen
Charakters des Verf. Eine genaue Yei^leichnng zwischen Ovid Mei YIII
nnd der Giris gibt eine Handhabe znr chronologischen Fixierung der letz-
teren; denn der Cirisdichter setzt die Ovidische Schilderung von Scylhis
Verwandlung als bekannt voraus und beabsichtigt nur, ein Supplement
zu dieser zu liefern.
Das angezeigte Bfichlein, das ein so schOnes Zeugnis ablegt fBr die
piet&tvolle Gesinnung der Verfasser gegenüber ihrem scheidenden Lehrer
verdient Beachtung. B.
170) Henri Franootte, Fomation des vUIm, des Atats, des
oonfMAratioiui et des lignes dans la Gzftce ancieime.
Paris, &nile Bouillon, 1901. 66 S. 8.
Der Verf., der durch sein Werk L'Indushrie dans la Orece ancienne
in den Kreisen der fachgenossen vorteilhaft bekannt ist, macht in der
vorliegenden Abhandlung, welche zuerst in den Bulletins der königlich
belgischen Akademie erschien, den ansprechenden Versuch, zu einer An-
sicht Aber die Bildung des griechischen Staats zu kommen, liefert also,
wie er selbst betont, einen Beitrag zu dem griechischen Staatsrecht der
Zukunft Bei aller Anerkennung fOr seine Intention wird man aber dodi
gegen seine Aufstellungen einige Bedenken äufsein müssen. F. selbst
spricht davon, dals er sich von der induktiven Methode leiten lasse; nicht
ganz im Einklang damit steht, dals er von einigen Voraussetzungen aus-
geht, welche er als gegeben betrachtet, die aber fraglicher Natur sind.
Eine der wichtigsten davon ist, dats die Griechen bei dem Einrficken in
ihr Land in noHons geteilt waren, die wieder in peuplades zerfielen — es
ist schwer, einen entsprechenden deutschen Ausdruck dafar einzusetzen.
Es ist richtig, dab E. Meyer eine ähnliche Ansicht aufstellt, wah-
rend Beloch eine gegenteilige nnd durchaus nicht unverftchtliche An-
schauung vertritt. Was wir von der Geschichte der griechischen Stamm-
bildung, speziell in Eleinasien, wissen, spricht nicht für F.s Ansicht, viel-
mehr erscheint unter den griechischen Stämmen von An&ng an nur der
dorische als geschlossene Einheit Auch die weitere Ansicht, dafs die
Gliederung in Phylen, Phratrien und Geschlechter ursprünglich und dafs
sie überall vorgekonunen sei, ist nicht richtig; ich weise darauf hin, dafs
Nene Fhilologisehe Bnndsohaa Nr. 13.
Szanto, der in einer zu gleicher Zeit mit F.s Schrift erachienenen Ab-
handlung „Die griechischen Phylen^^ (Sitzungsberichte der Wiener Aka-
demie, phiL-hist. Klasse, Bd. 144) ähnlichen Problemen nachging, sie
aber unstreitig viel tiefer gefafst hat, nachwies, dafs die Teilung in
Phylen durchaus nicht fiberall in Griechenland anzutreffen ist. Ander-
seits ist auch das yhoq in seiner charakteristischen Besonderheit als Adels-
verband unzweifelhaft erst ein Produkt des griechischen Mittelalters, darin
ist E. Meyer vollstftndig beizustimmen.
Als die mafsgebende Form ffir die Entstehung eines Staats erscheint
F. der Synoikismos, was auch wieder fraglich ist, wenn man nicht
unter „Synoikismos^' einfach den Voigang verstehen will, dals mehrere
offene Niederlassungen mit einem Mauerring umgeben und dadurch zur
Stadt wurden. Dagegen ist zuzugeben, dafs die Analyse der verschiedenen
Formen des Synoikismos nach den historischen Beispielen durch den Verf.
gut durchgeführt ist, was auch von deren relativer Altersbestimmung gilt.
Die darauf folgende Untersuchung fiber das Verhältnis der gentilizischen
Verbände zum Staat leidet an dem schon berührten Mangel, dafs was
eigentlich nur für den dorischen Stamm gilt, auf das gesamte Griechentum
ausgedehnt wird und die Wandlung der Phylen aus ursprflnglich territorialen
Einteilungen zu gentilizischen Verbänden, die dann wieder von örtlichen
Bezirken durchkreuzt wurden — wie dies Szanto so treffend dargelegt
hat — nicht erkannt ist. Das Verdienst der Abhandlung F.8 liegt meines
Erachtens mehr in der Erörterung der Einzelheiten, obwohl auch da
Manches nicht richtig aufgefafst ist. So erscheinen die Bemerkungen Aber
die Gliederung von Kos und Samos nicht als ausreichend; was Samos
anhingt, so hätte F. ffir die geschichtliche Beurteilung der „ Ge-
schlechter'* einiges meinem Aufsatz in der Festschrift ffir Benndorf ent-
nehmen können, der ihm entgangen ist. Bei Elis wäre es besser gewesen,
das Kollegium der Frauen ffir die Frage nach den Phylen ganz aufiser
acht zu lassen; und was Rhodos betrifft, so ist es doch höchst fraglich,
in den uToivai keine örtlichen Bezirke zu sehen.
Knapper sind die beiden Kapitel fiber die Sympolitien und den
„Perioikismus"'. In dem ersten fiel mir die höchst unwahrscheinliche
Annahme auf, dafs jemand Bundesbfirger sein konnte, ohne Bfirger einer
Bundesstadt zu sein. Was das boiotische Synedrion anhingt (GIGS. 1 2418),
welches F. streift, so ist es der Bat der, wenn man so sagen darf, weiteren
Verbfindeten Boi oticus, hauptsächlich in Mittelgriechenland, gewesen (Rhein.
\
Hene Philologische ttondBehaa ^r, 18. 303
Mns. LV 467 ff.) und hat mit der staatsrechtlichen Organisation des boio-
tisdien Staats nichts zu tnn.
Prag.
171) J»C. H. MatUe, Ezplication de quelques fables de La
Fontaine. Oroningne, P. Noordhoff, o. J. [1902]. 184 S. 8.
fl. 1. 50 s fr. 3. 25.
Das Bach ist geschrieben ä Vusage de ceux gui se prSparent aux
examens de franfais en HoUande. Es erhebt nicht den Ansprach anf
strenge Wissenschaftlichkeit, sondern will, nach den Worten der Vorrede,
nnr einen Yersach über die Art nnd Weise darstellen, wie man die Fa-
beln Jean de La Fontaines studieren könnte. Vierzehn bunt ausgewählte
Fabeln sind mehr oder weniger eingehend behandelt worden; zwei andere
sind mit einem Questionnaire versehen worden, das einen Anhalt zu
selbständigem Studium geben soll.
Im voraus will ich bemerken, dafs neben den wichtigsten Bemerkungen
zum Verständnis der Fabeln La Fontaines, die sich ja schon in den
frfiheren, von Matile erwähnten Kommentaren finden, auch allgemeine,
Gallizismen, Wortgeschichte, Synonyma u. s. w. behandelnde Exkurse auf-
genommen worden sind. Ich habe die Schrift nicht ohne Interesse durch-
gelesen und gebe im folgenden, den Seitenzahlen nach, meine Bemerkungen.
S. 2 zur Fabel VII, 3 sind die Bedeutungen von Ugende unvoll-
ständig angegeben; es fehlt l^nde = erklärende Unterschrift bei Land-
karten, Mfinzen u. s. w. Die unterschiede der verschiedenen holländer Käse und
die Anekdote, die im Anschlufs an die yyUie de tnort" erzählt wird, inter-
essieren uns wenig. Weitschweifigkeiten finden sich auch S. 4 ff. Ist
Dieu vaus assiste, Dieu vau8 b6ni$se als Zuruf an Niesende wirklich all-
gemein fiblich? (S. 9.) Bei den Verben, die mit dem Akkusativ und
Dativ verbunden werden , fehlen einige der wichtigsten (S. 9 f.). In der
Fabel I, 12 ist zu V. 6 der juristische Ausdruck de leu/r chef nicht er-
klärt, wozu man du chef de la femme zu vergleichen hat. Pädagogisch
&lsch ist es, S. 14 zu sagen : Bemarqueg qu^an dit: je me le rappeUe je me
rappeße une ehoae ...et non pas: je me rappdle ät%me chase ... V. 16
war ä mains = pour une cause maindre zu deuten ; in V. 21 kann
man chef als dichterisch oder scherzhaft (Lubarsch) gebraucht erklären,
ich möchte darin eine archaistische Anwendung des Wortes erblicken,
&0i Mene ^hilologisclie ttundschaa Nr. td.
XI, 8 wird im ganzen recht ansprechend interpretiert, nnr hätten m
Y. 17—21 die oft zitierten Verse von Maucroix Brwfthnnng finden kOnnen.
Die überaus breite Einleitung zu XII, 6 mufste viel knapper gestaltet werden.
Zu welchem Zwecke hat der Verf. die ganze franz(3sische Weidmann-
aprache in Bewegung gesetzt? (S. 23 ff.; vgl. a. u. S. 116 ff. Aber die
Abrichtnng der Falken.)
Die nächste Fabel ist nach der sonst Ablieben Zählung I, SO. S. 33
war lapidaire auch in der Bedeutung Steinbuch anzugeben. Auf den
Parallelismus der beiden Strophen dieser Fabel war hinzuweisen. Im
QuestUmnaire zu XI, 4 finden sich manche recht flberfifissige Fragen;
einige sind zu elementarer Natur, während bei anderen den holländischen
Kandidaten die Antwort recht schwer fallen dflrfte. Bei V. 151 ce qui
vieni de la fltUe s^en reioume cm tamhaur beachte man die Verwertung
des Sprichworts in E. Bestands Cyrano de Bergerac IV. Anläfslich der
Besprechung von IV, 5 verweist der Verf. richtig auf Ars poetica V. 386.
Er hätte nur das
Tu nihü invUa dices faciesve Minerva
gleich mit hinsetzen sollen. Das Zitat aus Virgil auf der folgenden Seite
ist unvollständig, es mufs heifsen VI, 129.
S. 48 ff. finden sich wieder viele Weitschweifigkeiten, die zum Teil
die einfachsten Dinge umständlich erOrtem. Comment prononce-t-on les
mots: dessatts, dessus, ressort, vraisembäble, iransüian. — Racantef!
gtielque ehose sur Vtdüiid des animaux domestiques. Wichtigeres fehlt;
so war bei Hciä, Martin-bälan (zu S. 55) auf Rabelais III, eh. XII (ed.
Molaud S. 238) aufmerksam zu machen. Übermäfsig breite, ganz elemen-
tare Fr^en behandelnde Ausführungen stören u. a. S. 57 ff. (Fabel IV, 13);
um so seltsamer berührt die Aufforderung (S. 63): Ea^liqueis, par la
grammaire historiqtie, les irregtdarites aciueUes du verbe pouvoir. Der
Verf. erspart sich die Antwort, die, wenn sie erschöpfend ausfallen soll,
gar nicht einfach ist. In V. 20 war zu beachten, dafs meiüeur Adverb
ist. Die nächste Fabel wird meist als IV, 19 (nicht 20) zu finden sein.
Par bSnefice d^inventaire war aus benefidum inventarii zu erklären. Von
dem Questionnaire zu X, 2 gilt das oben Gesagte.
LeBatet TEtMre wird — wohl irrtümlich — als VIII, 8 — statt 9 —
angeführt. Die etwas zu eingehenden naturhistorisohen Bemerkungen über
die Austern (S. 90), die stark medizinischen Ausführungen über das 0e-
bim (S. 91), wie später über das Auge (S. 155) und S. 167 zu iäiot,
K
Nene PhilologiBche BiiDdsehaa Nr. 13. 805
hatten ebensowohl wie die Erklftning der eau de javdle ond die nach
den Leyguesschen Beformen fttr die Zwecke des Buches kanm notwendige
sorgsame Behandlang der Fartizipialyerftnderang bei Verben wie vahir,
peser, coüter (S. 93) wegfallen können. Bei den vielen Gallizismen mit
numt gebflhrte auch dem Mant-de-pUtS ein Platz (S. 96). Dafs Tethys
in der Poesie oft metonymisch für „Meer" gebraucht worden ist, brauchte
nicht erst umständlich durch ein Zitat aus M*"* Deshoulikers bel^ zu
werden. Die guten Ausffihrungen zu y,sire'* (S. 99) hätten schon S. 12
eingefiBgt werden können. Bei V. 16 verweisen die Konmientatoren ge-
wöhnlich auf Babelais I, 66 (ed. Moland S. 66). S. 106 und 107, 110
und 120 können wesentlich gekürzt werden. Bei S. 112 zu V. 12 u. 13
war ein Hinweis auf Phädrus III, 18^^ angebracht: augurmn carvo, laeoa
comici omina sdl data sunt. War parte-malheur erwähnt (S. 112),
so konnte auch porte-banheur (vierblätteriges Kleeblatt als Anhängsel, Arm-
band mit Inschrift u. s. w.) genannt werden. Die Zusammenstellung der
Verben mit dem Präfix d^s) (S. 117) und ähnliche sich öfters findende
Gruppierungen haben kaum irgend welchen Wert. Die poetischen Lizenzen
sind S. 119 unvollständig angegeben. In V. 39 erforderte las Berfick-
sichtigung. Die letzten Verse, die (seltsam genug bei La Fontaine) in
düstere Melancholie ausklingen:
Ne sentkai-je plus de charme gpH m'arrite?
Äi-je passS U temps d'aimer?
scheint M. nicht mehr erklärt zu haben, ebensowenig wie die Einleitung
zu X, 10 S. 149fr. unter dem Titel „Un souper ckea Jean de La
Fontaine'' ist (S. 126) ein literarhistorisches Fragment eingefügt worden,
das leider zu sehr als Torso wirkt, so hübsch es sich sonst der Fabel von
den beiden Tauben anschliefst.
Zu V. 9 der Fabel von den pestkranken Tieren war ein Hinweis auf
„mawra/nte vie" Ciorneille Cid III, 4 am Platze. Die Anekdoten S. 135
u. 148. 174 können fehlen. Die Seiten 138-146. 164. 165 mögen in
einer späteren Ausgabe auf einen geringen Bruchteil ihres jetzigen üm-
&ng8 reduziert werden.
in, 1 V. 71 war in der Konstruktion zu erklären, wozu man bei
Lubarsch (Berlin, Weidmann, 1881) den Verweis auf Mätzner § 136, 10 e
findet. Das Zitat der nächsten Fabel (soll I, xvi heifsen) ist unvoll-
ständig. Der empfehlende Hinweis auf einige Veröflfentlichungen des
F. Noordhofbchen Verlages (S. 174) stört, da bibliographische Hinweise
306 Neae Philologische Bandflchan Nr. 13.
dieser Art sonst fehlen. Die machine ronde des V. 8 ist nebenbei bemerkt
auch in Le Chartier embourbri VI, 18 Y. 17 erw&hnt Der Sinn von V. 16 ist
fibrigens nicht so ein&cb, wie M. meint; das Nähere mag man in der
Ausgabe Lnbarsch nachlesen. Zum Schlnfs druckt M. eine Fktbel einer
Urenkelin La Fontaines ab, die Madame Elisabeth, der Schwester Lud-
wigs XVL, 1780 in Ghäteau-Thierry vorgetragen wurde, und in der das
arme Mädchen den Schutz der grofsen Dame anruft. Ein Index schliefst
den Band.
Alles in allem ein Buch, das die schon bekannten, zum Verständnis
notwendigen Erklärungen des La Fontaineschen Textes verständig vorträgt,
ansprechende Ausblicke lexikalischer und phraseologischer Art bringt,
Synonyma n. s. w. sowie die Etymologie malsvoll berficksichtigt, leider je-
doch an einer nicht selten hervortretenden Weitschweifigkeit krankt. Die
wenigen Druckfehler sind leicht zu bessern.
Bemburg. B. KiefkmaBtt.
172) Erich Meyer I Emile Augier, Le Oendre de Monrienr
Feiner. Gotha, Friedrich Andreas Perthes, Aktiengesellschaft,
1901. (Perthes' Schulausgaben englischer und französischer Schrift-
steller. Nr. 28.) 8. geb. Jd 1.60.
In der rflhmlichst bekannten Sammlung der Perthesschen Schulausgaben
englischer und französischer Schriftsteller ist dankenswerterweise auch Augiers
Lustspiel Le Gendre de Mr. Poirier aufgenommen worden. Wer unsere
Schfiler mit einem modernen französischen Lustspiele bekannt machen
will, wird gern dieses Augiersche Stuck wählen, das gehaltvoll und wohl
gegliedert in seiner leicht und gefällig dahinfliefsenden Eonversation eine
Fülle interessanter Kenntnisse vermittelt und eine überaus ergiebige Quelle
für Bereicherung des Wortschatzes und für die Veranstaltung von Ge-
sprächen liefert. In der vorliegenden Ausgabe geht dem Text eine deutsch
geschriebene Einleitung voraus, die aufser den üblichen biographischen
Notizen über die Tendenz des Stückes einige kurze, aber zutreffende Be-
merkungen bringt. Die am Ende des Buches beigegebenen Anmerkungen
sind nach jeder Sichtung wertvoll, indem sie nicht blofs präzise Sach-
erklärungen geben, sondern auch idiomatische Ausdrücke und Wendungen
treffend verdeutschen (so z. B. troupier fini, Eommifssoldat ; faire Courier,
Bennpferde halten, ä feraU beau voir, es wäre ein schöner Anblick u. a. m.).
Indes könnten rein subjektive Bemerkungen wie die über den französischen
V
Nene PhilologiBcfae Bmidschaii Nr. 13. 307
Adel zu duc I 1, 23 oder über die Ehrenlegion zu etoüe des braves
I 2, 75 besser fortbleiben. Ein Wörterbuch als besonderes Heftchen hebt
auch für schwfichere Scbfller alle Schwierigkeiten bei der Vorbereitung auf.
Die Aufgabe sei für die Primalektüre bestens empfohlen.
Neustadt (O.-Schles.). P. Lc|Ja.
173) Ernst Lehmaim, Lehr- und Lesebuch der englisohen
Sprache. Nach der Anscbauangsmethode mit Bildern bearbeitet
6. Auflage. Mannheim, J. Bensheimer, 1902. XY u. 246 S. 8.
geb. Jd 3.—.
Das Charakteristische des Buches ist, dafs es in umfangreicherer Weise,
als es sonst der Fall ist, die Anschauung in den Dienst des Unterrichts
stellt. Den 34 Lektionen, die seinen Hauptteil ausmachen, ist ein reich-
liches Bildermaterial heigegeben, so dafs aufser einigen wenigen, die sich
wie Schulzimmer, Kleidung u. s. w. auf direkte Anschauung stützen oder
ihrem Charakter nach weitere Yeranschaulichung entbehren kOnnen, jede
Lektion ihr Bild hat. Sämtliche Lektionen bestehen einfach aus Lektüre-
stoffen. Die ersten 20 beschäftigen sich mit Dingen aus dem alltäg-
lichen Leben und der; nächsten Umgebung des Schülers, dann folgen an-
sprechende kleine Geschichten, während in den letzten sechs Lektionen in
ziemlich eingehender Weise die vier Jahreszeiten, Industrie und Krieg so-
wie der Mensch und die Erde behandelt werden. Dabei werden in passender
Weise naturgeschichtliche und geschichtlicbe Stoffe herangezogen, dann
und wann untermischt mit harmlosen aber doch lehrreichen Anekdoten.
Der Lektüre jedes einzelnen Stückes empfiehlt der Verf. eine kurze
Besprechung des entsprechenden Bildes vorangehen zu lassen, an die Lek-
türe aber grammatische^^Erörterungen unter Benutzung der einen weiteren
Teil des Lehr- und Lesebuches bildenden Qrammatik^anzuschliefsen und
endlich eine eingehendere Besprechung des Bildes vorzunehmen.
Man braucht nicht zu bezweifeln, dafs bei diesem praktischen Be-
triebe, bei dem natürlich Lehrer und Schüler sich der Muttersprache so
wenig wie mOglich bedienen, das Buch unter der Leitung eines erfahrenen
Lehrers auch im Klassenunterricht einen guten Erfolg erzielen wird.
Die am Schlufs auf 47 Seiten zusammengefafste Grammatik bringt
das wichtigste aus Formenlehre und Syntax; es ist — dem Bericht-
erstatter sehr sympathisch — eine Grammatik in Beispielen, die den sehr
d08 Nene Philologische Rundschau Nr. 18.
knapp gehaltenen Text in englischer Sprache, aber in so einfacher Weise
gibt, dafs er auch schwächeren Schülern keine Schwierigkeiten machen kann.
Etwas zu umfangreich für den vorliegenden Zweck ist dagegen meines
Erachtens die voraufgeschickte ebenfalls in englischer Sprache abgefa&te
Lautlehre ausgefallen. Auch würde sie an Einfachheit und Deutlichkeit
entschieden gewonnen haben, wenn der Verf., anstatt für jeden Buch-
staben die verschiedenen möglichen Aussprachen anzugeben, den Laut zum
Ausgangspunkt gemacht und dazu die möglichen Darstellungen in der
Schrift in Beispielen aufgezählt hätte. Das würde auch einen greisen
Teil der diakritischen Zeichen, die auseinander zu halten dem Schüler
bisweilen schwer werden wird, entbehrlich gemacht und überdies der
ganzen Methode des Verf. mehr entsprochen haben. Im einzelnen er-
wähne ich noch, dafs der Yokallaut in Wörtern wie up, hut, san nicht
genügend beschrieben und dafs Wörter wie braneh, dance zurzeit in London
und im ganzen Süden Englands wohl mit dem „Italian a^S gesprochen
werden.
Hinsichtlich der Bilder wäre endlich noch zu wünschen, dafs sie
— namentlich die der vier Jahreszeiten — bei einer weiteren Auflage, die
wir dem trefflichen Buche wohl wünschen und gönnen möchten, teilweise
wenigstens durch solche mit etwas künstlerischerer Ausführung und
etwas modernerem Charakter ersetzt würden.
Dessau. Bahrs.
174) Friedrich Nietzsches Oesammelte Briefe. Erster Band:
Briefe an Finder, Krug, Deufsen, Freiherrn von Gersdorff, Carl
Fuchs, Frau Baumgartner, Frau Louise 0., Freiherrn von Seydlitz u. a.
Herausgegeben von Elisabeth FSrster- Nietzsche und Peter
ftast. 3. Auflage. XXVI u. 602 S. 8. — Zweiter Band:
Briefwechsel mit Erwin Bohde. Herausgegeben von Elisabeth
FSrster- Nietzsche und Fritz SchSU. Berlin und Leipzig,
Schuster & Loeffler, 1902. XXVIII u. 628 S. 8.
Es erscheint gar nicht leicht, fßr diese Anzeige den richtigen Ton
zu finden, den Ton nämlich, aus dem die Leser dieser Zeitschrift, doch
wohl ausschliefslich Philologen, heraushören könnten, welche Ausbeute
gerade sie aus einem Studium der angezeigten Schriften sich versprechen
dürften. Denn dafür läfst sich schlechterdings keine allgemeine Formel
finden, und ein Versuch, sie durch Anhäufung von Details zu ersetzen,
\
Keae l^hüolog^uohe bandicfaaii itr. 18. 809
mii gleichfalls zu keinem befriedigenden Ziele f&hren. Es würde ein ganz
falsches Bild geben, wollte jemand etwa addieren, was fftr mannig&che
Oebiete der Philologie als in jenen Briefen des ansf&hrlicheren behandelt
oder leichter hin gestreift, der Bericht aufzählen wfirde. In dieser Be-
ziehung entbehren selbst die eingehenderen Untersuchungen in den Brief-
sammlungen des Abschlusses, da im ersten Bande nur Nietzsches Fragestellungen
und Meinungen enthalten sind, nicht aber der Adressat zu Worte konunt,
ein Mifsstand, an dem ja alle einseitigen Brief^nblikationen kranken. In dem
Briefwechsel mit Bohde aber treten aufßlligerweise die rein philologischen Aus-
sprachen schon nach dem ersten Drittel so gut wie ganz zurück, um Platz zu
machen einerseits der gegenseitigen Versicherung gemeinsamen Begeiste-
rungsrausches für Schopenhauer und Richard Wagner, anderseits der Auf-
richtung und schliefslich tragischen Zerbröckelung eines Denkmals er-
hebendster Freundestreue. Und das dürfte vielleicht für alle Leser die
Quintessenz des Ganzen sein, dafs sie, wenn sie die Bücher aus der Hand
legen, sich nicht bereichert fühlen werden durch Aufklärung über Sachen,
sondern durch den Einblick in Menscbenseelen, Bohdes und Nietzsches
selber zumeist. Das ist freilich ein Oewinn und Genufs, der die an-
gewandte Mühe reichlich lohnt: Mühe mufs man es sich allerdings kosten
lassen, sich über manche Ode Strecken hin genufsfähig zu erhalten. Hier
hätten die Herausgeber wohl etwas mehr im Interesse eines gröfseren
Leserkreises diesem entgegenkommen können. So wird der Zwang, fast
bei jedem Briefe in den erst am Schlufs des Bandes zusammengestellten
Anmerkungen sich Rats erholen zu müssen, der noch dazu allzu häufig
ausbleibt, schwer empfunden, und ebenso, da Ausmerzungen nicht zu
umgehen waren, hätten die Herausgeber wohl noch bedeutend mehr aus-
lassen dürfen. Das bezieht sich sowohl auf ganze, völlig belanglose Briefe,
als auf Einzelheiten in den Briefen. Zu solchen wünschenswerten Strei-
chungen rechne ich in allererster Linie die — ich stehe nicht an zu
sagen — unqualifizierbaren Epitheta, mit denen gewisse, noch lebende
Gegner Rohdes und Nietzsches signiert werden. Sie resultieren aus dem
Temperament und der damaligen Eämpferstellung der beiden Freunde,
machen aber als posthume FuTstritte einen den Leser quälenden Eindruck,
auch für den, der, wie ich, sich zu den dankbarsten Schülern und wärmsten
Verehrern Rohdes zählt. „Briefe sind eben subjektive Stimmungsbilder''
(an Deufsen I, 73). „Auch ist es eine edle Kunst, in solchen Dingen
zur rechten Zeit zu schweigen. Das Wort ist ein gefthrlichoß Ding
älO Kene Philologisohe ftnndschau Kr. 13.
und selten bei derartigen Anlässen das rechte. Wie vieles darf man nicht
aassprechen '^ (an von Gersdorff I, 188). „In mir gährt jetzt sehr vieles,
nnd mitunter sehr Extremes und Gewagtes. Ich möchte wissen, bis wie
weit ich solcherlei meinen besten Freunden mitteilen dürfte? Brieflich
natürlich überhaupt nicht ^* (an denselben I, 283). „Wir anderen Sterb-
lichen haben kein Becht, Briefe zu veröffentlichen, wir wären denn affek-
tierte Narren und wollten dies öffentlich zur Schau stellen '^ (an G. Fuchs
I, 349).
Diese kleine Blutenlese aus Nietzsches eigenen Worten berührt selbst-
redend nicht den hier angezogenen Fall, und ich weifs wohl, ihr stehen
andere Stellen gegenüber wie II, 84 an Bohde: „Wenn sich zwei Freunde
unserer Art Briefe schreiben, da freuen sich bekanntlich die Engelchen '',
aber sie gibt doch dem oben ausgesprochenen Wunsche einen kräftigen Für-
sprecher.
Es mag übrigens Zufall sein, dafs die paar hier wörtlich gegebenen
Zitate gerade denjenigen Briefgruppen, d. h. wenn man die Briefe nach
ihren Adressaten gruppiert, entstammen, die mir wenigstens beim Lesen
den nachhaltigsten Eindruck hinterlassen haben. Obenan steht natürlich
der Briefwechsel mit Erwin Bohde. Er ist ja schon nach Verdienst
benutzt und gewürdigt in dem prächtigen Buche von Otto Crusius über
Bohde, auf das in den Anmerkungen fortlaufend verwiesen wird. Es
erübrigt daher hier vielleicht nur noch, auf die interessante Tatsache
hinzuweisen, dafs Bohde (von dem Nietzsche übrigens eingesteht (II, 514),
dafs jener „schärfer und schneller denke ^' als er selbst) bereits in eioem
Briefe von 1868 (II, 102) den Freund auf die innigen Berührungen ihrer
Weltanschauung mit den Bomantikern aufmerksam zu machen beginnt, die
Earl Joel im diesjährigen Maiheft der Neuen Deutschen Bundschau so
ausgiebig für das Verständnis Nietzschescher Philosophie verwendet. Und
auch für die Weiterbildung, oder richtiger für den Umschlag Nietzschescher
Probleme, bleibt Bohdes Brief vom 16. Juni 1878 ein bedeutsames Zeugnis,
dafs er bei der Lektüre von „Menschliches, Allzumenschliches *^ aufrichtig
seine schmerzliche Überraschung bekennt (II, 544); B6e, den Ver-
fasser von „Ursprung der moralischen Empfindungen*', in jenem Buche
hören zu müssen glaubt, und dem Freunde direkt vorhält : an diese „Un-
verantwortlichkeit wird mich niemand jemals glauben machen, kein Mensch
glaubt daran, auch Du nicht 't
Im ersten Bande sind die Briefe an den Freiherm von Oersdorff die
\
Kene t^Uologisefae Emidsohan Nr. 13. 311
vielseitigsten. Bei ihnen besonders wird der lebhafte Wunsch rege, die
Einwirkungen auf und die Anregungen von dem Adressaten kennen zu
lernen. Am meisten philologisches Interesse erwecken die Briefe an den
Kieler üniversitätsprofessor Faul Deufsen. Bei ihrer wiederholten Lektfire
kam mir der Gedanke, man solle sie, nicht alle gerade, fflr sich allein
drucken lassen und als Vademecum jungen Philologie Studierenden in die
Hand geben. Sie würden nach vielen Richtungen hin segensreich wirken ;
darin stecken Körner reinsten Goldes, fflr deren Mitteilung dem ersten
Besitzer Hochachtung und Dank zu schulden ist. Denn mag auch Nietzsche,
der Grflnder des philologischen Studentenvereins in Leipzig und spätere
Philologieprofessor in Basel, in seiner dritten „ünzeitgemäfsen Betrach-
tung'^ uns „Philologen und Schulmänner die gebildetsten und eingebildetsten
Gelehrten von Berufs wegen'* nennen, dort und in diesen Briefen an
Deufsen entbehrt seine gallige Kritik nicht jeder Berechtigung, und was er in
den letzteren an positiven Forderungen vorbringt, ist wohl der Nacheiferung wert.
Fflr die unreifen Jungen wird Nietzsche der Philosoph mit seiner
Voltaireischen Niederreifsungswut eine ständige Gefahr bedeuten. BQckt
ihn aber erst eine objektive, historische Betrachtung aus dem vermeintlichen
Zielpunkte in den ihm tatsächlich gebflhrenden Durchgangspunkt, wo er fflr die
Kultur im letzten Drittel des 19. Jahrh. charakteristisch und als Gegengewicht
gegen die flbertriebene soziologische Humanitätsduselei notwendig erscheint,
dann wird dieSammlungseinerBriefe erst in ihrer ganzenBedeutung alsDokument
fflr Nietzsche den Freund und Nietzsche den Menschen empfunden werden.
Bremen. Eriuit Neuling.
Berichtigung.
S. 55 d. Z. ist zu lesen carminum amatoriorum.
Valcanzen.
Arolsen, Rpg. Obl. Math. N. Kuratorium. Dortmund^ G. Obl.
Kl. Ph. u. Deutsch. Kuratorium. Elberfeld, BG. Obl. Math. Nat.
Kuratorium. Frankfurt a. M«, RS. zu Sachsenhausen: zwei Obl. N.
Spr. Kuratorium d. H. Seh. Frankfurt a.M., Klinger -O.R.S. Obl.,
1) Physik u. Chemie, 2) N. Spr. Kuratorium d. H. Seh. (jtartz, G. Obl.
Klass. Ph. Kuratorium. Herne, R.S. u. Prg. Obl. Kl. Ph. Kuratorium.
HSehst a. M., G. u. RS. Obl. Math. u. Nat. Kuratorium. Kattowltz,
H.M.S. Obl. N. Sp. Magistrat. K81n, G. u. R.G. Obl. Geogr. u. Gesch.
Oberbflrgermeister. Lfibeek, H.M.S. Obl. Franz. u. Deutsch. Dir. Hoff-
mann. Bixdorf, R.G. Obl. N. Spr. Magistrat. Bttttenscheid, Prg. i. B.
Obl. N. Spr. Bgmstr. Held. Schoeneberg, R.G. u. RS. u. H.M.S. Obl.
Nat.; Obl. N. Spr.; Obl. Math.; Obl. Latein. Magistrat. Zaborze, G. Obl.
Ey. Rel. u. kl. Ph. Dir. Dr. Drechsler.
312 t^ene t^ologisohe ftnndsohan Kr. 18.
Yerlag tob Friedrich Andreas Perthes, Akttengesellsehaft, O^othä.
Für den Sehulgebraueh
erklärt von
Dr. Karl Linde,
Oberlehrer am HerzogL Gymnaeium za Helmstedt.
Preis: Jd 1.20.
jIVI. Tulli Ciceronis
pro
Für den Sehulgebraueh
erklärt
von
Prof. Dr. L. Reinhardt,
Direktor des Königl. Gymnaelnms zu Wohlau.
Preis: Jü 1.
Hilfsbuchlein für den lateinischen Unterriclii
ZusammeDgestellt von
Professor Dr. R. Schnee.
EiTster Teil: Fb,rasexisn m mlu.xig,
Preis: ^ 1.—.
Z^veiter Teil: Stilistische ZlegelsL.
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Stilistisches Hiifs- und Mericbuch des Französischen
für Sehüler der Oberklassen,
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lichen Beobachtungen und idiomatischen Ausdrücken
von Dr. K. Bngelke,
Oberlehrer an der Oberrealsobule eil Flensburg.
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Dr. Hans Dütschke,
Professor am Kgl. Joacbimsthaler Gymnasium su Berlin.
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Mp" Zu beziehen durch alle Buchhandlungen.
Fftr di« Bedaktion Teraatwortlieb Dr. E. Ludwig in I
Prmek ud Verlag toa Friedriek JUdxMi Sertkei, Aktiesgasellialiaft, Gotha.
X
UMiV.ur mcn.
JUL 841903
Goiha, U. JnlL Hr. 14, Jahrgang 1908.
Neue
PhilologischeRundschau
Henuugtgobeo ton
Dr. O. Wagener und Dr* E. Ludwig
in Breznexu
Bnoheint alle 14 Tht«- — Prtii für den Jahrgaiif 8 Ifark.
BatteUnngen nehmM alle Bnehhandlnnf*!!, Mwie die PocUngtalteo des In- und Annluides ao.
IneeiÜoiiigebllhr für die einmal gespaltene Petitseile 80 Vfg»
Inhalt: Bezensionen: 175) Th. Birt, Der Hiat bei Plautos (W.) p. 313. —
176) M^langes Perrot, Becneil de M^moires conoemant Tarch^logie elassiqiie,
la Utt^ratore et Thittoire anciennes (J. Jung) p. 318. — 177) Eine neue Er-
Uanmg der Apokolokyntosis (A. Chambaln) p. 822. — 178) B. Hirzel, Der
Eid (0. Wackermann) p. 822. — 179) J. Ackerknecht, Wie lehren wir die
neuen VereiD&changen des Französischen? (M. Krüger)p.826. — 180) J. Klapperioh,
London old and new (A. Herting) p. 329. — 181) £. Heyer und B. Afsmann,
Hilfiibflcher för den Unterricht in der englischen Sprache (H. Niemer) p. 330. —
182) M. Trantmann, Kleine Lautlehre des Deutschen, Französischen und Eog-
lisehen (H. Schmidt) p. 334. — Vakanzen. — Anzeigeu.
175) Th. Birt» Der Hiat bei Flautos und die lateinische Aspi-
ration bis zum 10. Jahrhundert n. Chr. Marburg, N. Q. Elwert,
1901. IV U. 375 S. 8. ui 9.60.
Das erste Buch handelt von dem h der Zeit der Bepublik; es ist da
-zunächst die Bede vom auslautenden h in oh, ah, vah ('stolsende Aus-
brache mit gehauchtem Yobilabsatz'), vom nachkonsonantischen h (in der
iLlteren Zeit Aspiration nur nach Gutturalen, cf. Qellius II 3, If.; Gic.
Orat. 160), vom Schwund des echten h zwischen (gleichen) Vokalen, von
dem scheinbar als Dehnungszeichen verwendeten h (in aha, vaha, oho
^langer zweigipfeliger Vokal mit Exspirationsstofe in der Mitte') sowie von
dem Verhalten des h im Inlaut vor Jot und vor i-Vokal {h vor i=j [£%],
also Spirans, cf. abhicio = abjicio, tragiiur = trajüur = trahitur; folgte
auf hi ein Konsonant, fiel h aus, cf. ahü s= agü :=iaü, traicus^^trofi-
<n4s, oft hielt es sich aber auch zähe, et uechicülum u. ä.). Die Hauptsache
kommt in Kapitel 7 u. 8, in denen vom anlautenden h gehandelt wird. Birt
stellt hier vier Möglichkeiten auf: 1) A=cA, 2) A = Mittelstufe zwischen c&
und griech. Spiritus asper, S) hs=s neuhochd. h, i) hs=s griech. Spiritus
lenis. Bei Plautus Truc. 252 läfst sich auch de frumento \ dnseres messen
314 Neo6 Philologische BundBchaa Nr. 14.
aus der Aspirata i^ ist echtes italisches h entstanden, vgl. x^os J^ortus^
Xidltv hiems, danach ist zn xfy^ hanser zu stellen ; da nun bei obiger Messung
Hiat entstehen wflrde, so wird Plautns hanseres gesprochen haben. Dann
mnfs aber das A im Anlaut hörbar gewesen sein und mindestens zwischen*
^ und deutschem h gestanden haben, ^ein Eehlkopfreibegeräusch mit ge-
wisser palataler Artikulation (S. 34). Eine Bestätigung daffir findet Birfc
einmal in Gleichungen wie habeo «== capio (nach B.), sodann besonders in
dem c. 8'4r des Gatull, wo ein gewisser Arrius verspottet wird, der chom^
moda und hinsidias sprach , was Gatull vermutungsweise auf Vererbung
in der mfitterlichen Familie zurückführt. Durch seine Interpretation dea
Gedichtes gelangt B. zu dem Schlüsse, dafs Arrius das h nicht Meniter
et leviter' sprach, dafs es vielmehr ein ^h forte et durum^ war; dafs ferner
Gatull diese Aussprache nicht im allgemeinen, sondern nur die Aspiration
am falchen Platze tadelte (das war nach Nigidius Figulus eine Eigentüm-
lichkeit des ^rusticus sermo') ; dafs endlich durch GatuUs Bemerkung über
den Grofsvater des Arrius dieser Fehler bis an das Ende des 2. Jahrh.
V. Ghr. zurückdatiert wurde. Belege für diese rustikaue Gepflogenheit sucht B.
nun u. a. bei Flautus und Terenz zu ermitteln, indem er Schreibungen wie cui
für hui (Terenz Hec. 283 in allen Handschr.) u. ä. zunächst dem Archetyp und
dann dem Autor selbst zuweist Also sprach auch Flautus das ^h forte',,
das Position macht und den Hiat verhindert. Aber nun elidiert aucb^
Flautus über h hinweg, und das ist sogar das Vorwiegende; wie ist dies^
zu erklären? ^Des Flautus Wesen ist die Inkonstanz, und er zeigt uns
in vielen Funkten einen Zustand des Überganges' (S. 61); sogut er Formen»
wie aibai und aiebai nebeneinander gebrauchte, und die Jambenkürzung^
ganz ad libitum verwendete, so ist auch eine zweifache Wertung der
Aspiration bei ihm anzunehmen. Der alte Satumier bat noch das^
echte lateinische h, aber durch das Studium der griechischen Originale-
machte sich der Einflufs des Griechischen geltend, wo der Spiritus asper
meist quantitätslos und dem Spiritus lenis gleich behandelt war; latein. fi^
und griech. Spiritus asper wurden aber gleich gesetzt (Hercules ^Hqu-
TiXfjg). So wurde h im Anlaut eine schwankende Grölse, wie s im
Auslaut, und verlor durch den Einflufs der griechischen Wertung in der
Eunstpoesie seine prosodische Geltung; die klassische Verskunst der
Bömer kennt kein ^h forte'. Während aber die Aussprache des ^ in der
republikanischen Zeit wirklich gelitten hatte, war das beim h keineswegs^
der Fall (S. 64).
\
Nene Philobgitehe RondsohM Nr. 14. 815
Das zweite Buch bringt üntersachangen Aber das h der Kaiserzeit.
Durch die archaisiereiiden Pofiten wurde auch das h wieder belebt, wo^
durch ein bewulster volkstfimlicher Archaismus erzielt wurde (S. 105).
Die Metriker und Grammatiker des 4. Jahrb. erkennen ein Schwanken
der Aufibssnng an, indem ihnen h bald 'consonans*, bald 'nota adspira-
tionis' ist; jenes ^h consonans' wird beschrieben als ein Exspirationsstob,
der dem Vokal voraufgeht, während der Spiritus erst mit dem Tokal selbst
einsetzt (S. 108). Von den beiden Lehren, die nebeneinander gehen, ist
die, welche ht. Adem Spiritus asper gleichsetzt, aufVarrozurflckzufflhren,
der ^h inter litteras non esse disputavit', d. h. nach Birts Meinung, eine
Yulgftraufibssnng bekämpfte, der h ffir eine littera galt; die andere Lehre,
daTs h auch consonans sein könne, möchte B. auf Bemmius Palaemon
zurfickführen (S. 113 — 115). Wir finden aulserdem bei den Artigraphen
die Angabe, dafs man h ^vulgo' zu den mutae rechnete. Aus alledem
folgert B., dafs h nicht nur die ganze Eaiserzeit fiber hörbar gewesen sei,
sondern auch stärker als der Spiritus asper: *es war Konsonant im La-
teinischen wie im Oermanischen' (S. 122).
Die beiden nächsten Kapitel gelten dem ^h omissum' und % spurium'.
Aus gelegentlichem Fehlen des h in der Schrift ist kein Schlufs darauf
zu ziehen, dafs es auch nicht mehr gesprochen wurde. Das Fehlen in
der Schrift geht auf die Lehre der Schule zurfick, die lat. h griech. Spi-
ritus asper gleichsetzte, sodafs in Nachahmung des Griechischen, wo der
Spiritus nicht auf^edrfickt wurde, auch in lateinischer Schrift h weg-
gelassen werden konnte. Der griechisch erzogene Römer brauchte kein
geschriebenes A, wohl aber der Bauer, der angebildete Mann ('opicus'
Ter. Scaurus, 'rusticus* Nigidius): 'Der Bauer hatte gleichsam eine Be-
gierde auf das h und kann es nie genug sprechen (S. 129), daher die
falsche Aspiration, wie sie auch GatuU an Arrius tadelt. Der Schwund
des anlautenden h ist teils eine Folge etymologischer Kombination (Varro;
hclera = olera : Ma\ hortus = ortus : oriri)^ teils verursacht durch Ho-
monyma {hoc = ac : ac). Die letzteren haben aber anderseits auch das
Vordringen des h spurium begünstigt, das schon 'von frfih ab den Trieb
hatte, den Anlaut zu fiberwuchern' (S. 150; nach B. haud = aud von
ab = iw; also auch hob gesprochen) und dies um so mehr tat, jemehr
die Busticitas der Sprache fiber den Einflufs der Schule siegte. Dafs das
unechte h keinesfalls ein stummer Laut war, bezeugt nach B. wiederum
CatuUs Gedicht.
316 Neue Philologische Bnndschaii Nr. 14.
Im dritten Buch spricht B. über lateinisches h im 7. bis 10. Jahrh. Die
beiden eben geschilderten Prozesse, Verlust des echten h nnd Prothese des
unechten, zogen sieb nach B. bis ins 10. Jahrb. hinein und erstreckten
sich auch auf die romanischen Sprachen: h spurium wie h genuinum
wurden beide wirklich geq[)rochen. Das Erloschen des italienische und
französischen h hängt mit dem des griechischen zusammen und schreitet
durch die Jahrhunderte von Sflden vor (S. 295). Die Lehre von ^h muette'
und % aspir^' stammt von den Gelehrten des 16. Jahrh. (S. 294); vorher
ist nirgends von einem stummen h die Bede (S. 162 f.).
Mit dem vierten Buch kehrt B. wieder zu Plautus zurfick: ^Spiritus
lenis in der Yerskunst des Plautus" ist es fiberschrieben. B. erinnert
zunächst daran, dafs ^h consonans' den Hiat verhindere, und meint, auch
die fibrigen Fälle mfifsten sich aus der Pronuntiaüo erklären lassen, näm-
lich aus der Beschaffenheit des Spiritus lenis im Latein. Aus Auct. ad
Her. lY 18 und Cicero Orat. 150 ff. erweist B., dafs 'das Sprechen mit
Hiat rustican war (S. 361); dieser volkstümliche Hiat ist aber nichts
anderes als die Ablehnung der Synaloephe durch die Kraft des Anlautes.
Dieser kann von viererlei Art sein: entweder leiser Einsatz wie im Fran-
zösischen, oder fester Einsatz wie im Deutschen (mit 'hustenartigem,
knackenden Geräusch'), oder mit Aspiration verbunden, wobei entweder
der Hauch dem Yokal vorangeht, wie bei deutschem h mit folgendem
Vokal, oder ihn begleitet, so beim griech. Spiritus asper. Die erste und letzte
Art eigneten der griechischen Sprache, die beiden anderen der lateinischen,
die sonach mit der deutschen fibereinstimmte. Das, was die gebildeten
Bömer, die sich möglichst der griechischen Sprachweise befieifsigten, als
rustikan bezeichneten, war eben der feste Vokaleinsatz. Naevius und
Plautus verwendeten nun nicht nur das griechische h neben dem italischen,
sondern auch den hauchlosen leisen Einsatz der Griechen neben dem festen
der Italiker (S. 303) ; dieser letztere aber hinderte den Hiat, er bewirkte,
dafs zwischen zwei aufeinander folgenden Vokalen ein kleines Zeitintervall
entstand, das die Zeit des sonst vokal-trennenden Konsonanten ersetzte,
weshalb auch keine Verkfirzung eines langen Endvokals eintrat.
Auf dem Eintreten einer neuen Exspiration beruht der Hiat in den
Diäresen der gestreckten Langverse wie bei Personenwechsel; aber wie
Plautus hier auch verschleifen konnte und es der Begel nach tat, so erklärt
sich auch im sonstigen Text seine Inkonsequenz in Bezug auf Hiat und
Synaloephe. Als besonders wahrscheinlich bezeichnet es B., dafs Plautus
\
Neue PhilologiBche Bnndschaa Nr. 14. 817
in solchen FUlen von der biattilgenden Beschaffenheit des nistikanen,
echt italischen Yokaleinsatzes (Spiritas lenis) Gebrauch gemacht habe, wo
sich später mit Vorliebe das h spurium einstellte: in erster Linie bei
Wörtern, die mit ab (a), av und in beginnen (vgl. GatuU 'hinsicUae),
dann aber auch da, wo im vierten Kapitel des zweiten Buches das h spurium
in späterer Zeit nachgewiesen worden ist. Andere Gelegeoheiten zu starkem
Vokaleinsatz bieten fremde Eigennamen und LehnwOrter, Pronomina mit
i- unter dem Versiktus, Sprechpausen und die ursprünglich konsonantisch
anlautenden Pronominaladverbien (tä, übi, tmde, usque etc.). Damit sind
freilich noch nicht alle Fälle erschöpft; auch wo sonst Hiat auftritt und
der Text ohne Anstofs ist, mufs die Beschaffenheit des Spiritus lenis im
Lateinischen die Erscheinung erklären, sodafs jeder Versuch, durch Emen-
dation den Hiatus zu beseitigen, von vornherein abzulehnen ist. Anhangs-
weise werden eine Anzahl Plautusstellen auf Grund der vorgetragenen
Theorieen geändert.
Fassen wir das Resultat zusammen, so lehrt B., dalB jeder Hiat bei
Plautus in Versen, die gut Qberliefert und inhaltlich ohne Anstand sind,
zu behalten ist, denn entweder ist es nur ein scheinbarer Hiat, nämlich
vor hy das dann eben konsonantische Geltung hat, oder es liegt bei voka-
lischem Anlaut der feste, italische Einsatz vor, wir haben dann also den
berechtigten volkstümlichen Hiat. Mit dieser Lehre und der Proklamation
der Inkonstanz des Plautus wäre ja nun die Hiatfrage glücklich erledigt —
wenn sich nicht zu viele Bedenken gegen die ganze Theorie erhöben.
Da ist zunächst die Hypothese von dem konsonantischen h, die auf recht
schwachen Ffifsen steht; die Art, wie das spöttische GatuUgedicht aus-
gelegt, richtiger ausgeprefst wird; die Art, wie Lesarten später Hand-
schriften über den Archetypus auf den Dichter selbst zurückgeführt wer-
den; die Art, wie Dinge, die B. selbst als unsicher bezeichnen mufs,
schliefslich doch mit in der Argumentation verwendet werden: das alles
erweckt doch lebhafte Zweifel an der Bichtigkeit der Theorie. Unter der
Überfülle von Belegen, die B. zusammengetragen hat, figurieren eine ganze
Menge Lesarten einzelner Handschr. (so z. B. für Plautus die Bezension der
Palatini oder einzelne Handschr. wie der Vetus allein), aus denen Schlüsse
gezogen werden, die man schwerlich als berechtigt anerkennen kann, denn
sie nehmen auf die Textgeschichte viel zu wenig oder gar keine Bflcksicht.
Weiterhin ist es sehr schwer alle einzelnen Belege auf ihre Bichtigkeit
zu prüfen — das würde beinahe ein Spezialstudium erfordern — , und
8t8 Nene Philologische Bimdaohaa Nr. 14.
wenn man so gelegentlich dabei auf unzutreffende Angaben stSfst, wie
z. B. S. 69 zu Terenz Ad. 946 o. 947 (vgl. Eauer im Anhang z. d. Si),
80 wird man doch zn einiger Vorsicht gemahnt. Gelegentlich muls B.
selbst zugeben, dais nicht alles stimmt. So wird S. 153 aus GatuU auf
rustikanes hin fßr in geschlossen und diese Prothese des h spurium mit
Hilfe desselben Gedichtes zwei Menschenalter zurückdatiert, auch unter
Anführung von Bacch. 386, wo tatsächlich Hiat überliefert ist, dem Plautus
vindiziert; aber S. 271 heifst es dann 'Auffallend ist darum, dafs die
Schreibung hin in Wirklichkeit verhältnismäfsig so selten sich belegen
läfst; und nach einer ausreichenden Erklärung hierfür suche ich ver-
gebens!' Sollte das nicht am Ende daran liegen, dafs B. etwas schnell
bei der Hand ist, aus Einzelfilllen allgemeine Schlüsse abzuleiten? —
Auf der anderen Seite aber müssen wir, um nicht ungerecht zu sein, auch
betonen, dafs manches, was B. vorträgt, recht plausibel erscheint, und dafs
jedenfalls sein Buch eine Fülle von Anregung gewährt, durch die der
Leser zu aufrichtigem Danke verpflichtet wird.
Br. W.
176) Mölanges Ferrot^ Secueil de Mömoires oonoemant
Tarchöologie olasflique^ la littörature et rhistoire
ancieimes, d£di6 ä Georges Perret, membre de Tlnstitut,
directeur de T^cole normale sup^rieure, professeur honoraire ä la
faculte des lettres de Tuniversit^ de Paris. A Toccasion du 50"^
anniversaire de son entr^e k r£cole normale sup^rieure. Ouvrage
contenant un portrait en höliogravure, cinq planches hors texte en
phototypie et trente-six illustrations dans le texte. Paris, An-
cienne librairie Thorin et fils, Albert Fontemoing, Miteur, 1902.
343 S. 4. 30 fra.
Gratulationswerke, wie sie nach dem Vorbild der „Ciommentationes
Mommsenianae'' seit einem Vierteljahrhundert üblich geworden sind, bieten
den Vorteil, dafs neben der in unserer Zeitsehriftenliteratur immer mehr
um sich greifenden Zersplitterung doch auch die Zusammenfassung ver-
wandter Disziplinen zum Worte kommt. In dieser Hinsicht ist das vor-
liegende Werk, das in glänzender Ausstattung erscheint, besonders lehr-
reich, um so mehr als es zugleich einen internationalen Charakter an sich
trägt. Es beteiligten sich aufser französischen auch englische und deutsche
Gelehrte, die meisten in ihrer Nationalsprache schreibend, femer die ita-
\
Neae Philologiiche Rnndsehaa Nr. 14. 819
— ■ - - — — ■ -1 ■ I ' ■ ■ ■ .- -■— »
lienische Grftfin Ersilia Gaetani Lovatelli (mit einem Aufeatz
„L'iflola Tiberina^') nnd derOrieche P. Gavaddias, der „aar la gaärison
de malades au hiäron d*]äpidaare** schrieb. England ist vertreten durch
E. Oardner in Oxford (,, Aphrodite with the Goat^^) und durch den
Konservator am Britischen Museum A. S. Murray („An Athenian Ala-
foastos^')- An der Spitze der deutschen Gelehrten eröffnet 0. Benndorf
die Sammlung, indem er eine durch ihre Form auffallende „Grabstele
von Arsada in Lykien^* behandelt, die aus hellenistischer Zeit stammt.
Das Belief zeigt rechts auf einem Stuhl eine Frau, die das Obergewand
über den Kopf gezogen hat, w&hrend Gesicht und Brust dem Beschauer
zugewendet sind; als Nebenfigur ein Mädchen: nach der Inschrift eine
Lykierin namens Sonbrate und ihre Tochter Pladarmate. Die Stele, von
Benndorf im Jahre 1892 gefunden und abgezeichnet, iajb seitdem ver-
:schwunden; sollte sie ins Ausland verkauft sein, so wäre durch Benndorfs
Aufsatz in diesen Mölanges die Aufmerksamkeit darauf gelenkt. Von
Deutschen arbeiteten noch folgende Archäologen mit: W. Dörpfeld
<„Das homerische Ithaka''), A. Furtwängler („Vom Zeus des Phidias''),
E. Loewy („Zum Harpyienmonument^^), Ad. Michaelis („HallenfiSrmige
Basiliken 'Of G. Robert („Le poignard d'AchiUe chez Earipide, et les
^evaux d*Hector sur le vase de Gharte'*), F. Studniczka („Über das
&shauspielerrelief aus dem Piräus^^, G. Treu („Zur Mänade des Sko-
f»s'^). F. Wolters spendete einen Beitrag „Loco sigilli^S über die Art
und Weise, wie auf inschriftlichen Eopieen von Dokumenten die Tatsache
•der Besiegelung zum Ausdruck gebracht wird. W. Hei big behandelt
in methodisch und sachlich interessanter Weise den „currus des römi-
schen Königs", mit Heranziehung einiger Reliefs aus Toscanella und Pi*
tigliano im ehemaligen Etrurien, auf denen der currus zur Darstellung
.rgebracht ist, so dals auch die Nachrichten der römischen Schriftsteller
verständlicher werden ; etruskische und römische Eulturzustände beeinflufsten
:6ich gegenseitig. Da gerade von Etrurien die Bede ist, erwähne ich an
dieser Stelle J. Martha ,^Observations grammaticales sur la langue
etrusque", worin (im Anschlnls an Deecke) von den etmskisch-lateinischen
Bilinguen und dem daraus zu konstatierenden Suffix -al ausgegangen iat^
dann auch andere Suffixe besprochen werden. Der Verf. stellt grammati-
Imlische Eigentflmlichkeiten fest, welche das Etmskische aus der Beihe
4er indoeuropäischen oder semitischen Sprachen ausschliefsen, hingegen
«eine gewisse Verwandtschaft mit den urahütaisdien Idiomen dartun wfirden.
330 Nene Philologiaehe Bmidaehaa Nr. 14.
Von den französischen Gelehrten behandelt weiter L. Heazey „Qaelqüea^
r^les d'interpr^tation ponr les fignres Assyriens''. B. Hanssouillier;
„Insoriptions grecques de rExtrSme-Orient gree'S nämlich griechische In-
schriften ans Babylon und Sosa, letztere durch die Expedition Morgan*
gewonnen, woraus zu ersehen, daTs Susa in seleucidischer und wohl auch
noch in arsacidischer Zeit „Seleucia am Eulaios'' hiefs, während unter
den Sassaniden wieder der alteinheimische Name „Schusch'' hervortritt.
G. Foug^res „Encore le Lyciarque et Tarchiäreus des Augustes'' stimmt
jetzt Mommsen in der Identifikation dieser Würden bei, fttr die im Lande
selbst mit Vorliebe der eine Titel, hingegen von römisch-offizieller Seite^
der andere gebraucht wurde. St. 6 seil gibt eine „Note sur deux anti-*
quitfe puniques trouvies en Alg^rie". P. Paris, „Bijou phMcien
trouvö en Espagne". P. Yidal de la Blache, „Les Purpui*ariae du
roi Juba". Es sind die Inseln, die nach König Jubas IL Bericht im
sechsten Buche des Plinius erwähnt werden und die der Verf. bei
Mogador ansetzt. Der Purpurschnecke halber belebte sich im 1. Jahrh.
n. Chr. wieder die Schiffahrt nach der Westküste Ton Afrika, wodurch
das geographische Interesse, das seit Hannos Periplus diese Gegenden
zeitweise vernachlässigt hatte, neu erweckt wurde. B. Gagnat teilt eine
Inschrift mit, die 1902 in den Buinen des römischen Kastells zu Kherbet*
Ksar-Tir, bei A!n-Melloul südwärts von S6tif (Algerien), gefunden wurde.
Sie meldet, dafs unter Kaiser Gordian (III) das hier gelegene „Gastellum
Yana[rz]anensem" (sie) wieder hergestellt und vergröfsert wurde, zur Zeit
da (der schon bekannte frühere praefectus vigilum) Faltonius Bestitu*
[ti]anus Statthalter (praeses) war, unter Leitung des (Domanial-)Prokurator8;
[Aur]eliu8 oder [A]elius Felix. Aus anderen Inschriften wissen wir, dafs
die Kastelle jener Gegend damals, als nach längerer Unruhe wieder stabilwe
Verhältnisse eintraten, einem aUgemeineren Plane entsprechend repariert wur-
den. P. Gauckler ist durch die Dedikationsinschrift einer römischen
Befestigung bei Ksar*Tarcine im südlichen Tunesien veranlafst, über „oen**
tenarius, terme d*art militaire" sich auszusprechen. Der Ausdruck een^
tenarius, der in den afrikanischen Provinzen schon Ende des 3. Jahrh«
vorkommt, erscheint auch auswärts, z. B. in den Itinerarien; in der No»
titia dignitatum ist von einem „burgus oentenarius" die Bede, eine In--
Schrift aus der Zeit der Kaiser Leo und Konstantin Kopronymus (zwischen.
727 und 741 n. Chr.) nennt (bei Nicäa) Ttiqy^'^ TtewivdQiop; selbst noch
im Liber pontificalis der römischen Kirche findet man saec« YIII den
\
Nene PhilologiBohe Bnndsohan Nr 14. 821
Ansdrack „centenarium'^ Der Verf. vergleicht die Bezeichnang „buigiiB
speculatorius^^ und „centenarins^*; wir haben es hier mit baulichen Varie-
täten des „burguB^^ zu tun, wovon der letztere wohl einem Poeten resp.
einem Kommandanten „von 100 Mann^* entspricht.
Mit der antiken Kunstgeschichte beschSftigen sich, wie zu erwarten,
noch eine Reihe von Beiträgen: S. Beinach, „Becherches nouvelles sur
la ,Yenus^ de MMicis^ Th. Homolle, „Bronze grec de la premi&re
moiti6 du Y* siMe^^ P. Jamot, „Dem petits monuments relatife au
culte de D^m^ter en B^otie^^ A. Joubin, „Statuette en marbre de
r^poque hell6nistique'^ H. Lechat, „Le firont de rjB^rmte^ d*01ym-
pie^^ A. de Bidder, „Yases archalques ä relie&'^ E. Michon, „Vase
et bijoux d'argent trouvte prte d'Al^ria^ E. Pottier, „Petit vase
archalque ä t6te de femme^'. M. Gollignon, „Tfite ffiminine provenant
deTraIle8'^ P. Foucart, „Le culte de Bendis en Attique^^ ROrail-
lot, „MMaillon au type de Cybile^^ P. Perdrizet, „De quelques
monuments figurte du culte d'Ath^na Ergan^^^ Diesen archäologischen
Au&ätzen gehören die meisten der durchwegs vortrefflichen Illustratio-
nen an.
Von den Aufsätzen zur alten Oeschichte und Literatur sind zu nennen:
M. H olle au X, „Le pr^tendu trait£ de 306 entre les Bhodiens et les
Romains ^S dem der Yerf., wie der Titel zeigt, skeptisch gegenfibersteht;
er emendiert danach den Text des Polybius 30, 6, 6, indem er im Jahre
167 V. Chr. das Bfindnis zwischen Bom und Bhodos statt 140 Jahre den
bekannten Tatsachen entsprechend (mit Auslassung von nQÖg %o'ig huatAv)
blols 40 Jahre dauern läTsL — M. Giere, „La bataille de Tauroentum
(Episode du si^e de Marseille par Jules Cäsar) ^ 0. Bloch, „Helenes
et Doriens^^ G. Boissier, „Introduction de la rh^torique grecque it
Bome^ A. Boucbä-Leclerq, „Les reclus du S^raplum deMemphis^S
G. Badet, „Sur un point de Titin^raire d'Alexandre en Asie mineure^'
(in Lykien während des Winters von 334 auf 333 v. Chr. Yergleichung
der Darstellung Arrians und Diodors, mit Zugrundelegung der Oster*
reichischen und Heranziehung der älteren Forschungsberichte von SchOn-
bom, Spratt und Forbes).
Wir notieren zum Schlufs noch die Artikel von mehr philologischem
Inhalt: Ph.-E. Legrand, „L*Oracle rendu ä Chairiphon^ A. Groiset,
„Sur le Mänex&ne de Platon^S P. Guiraud, „Note sur un passage
d'Aristote (Adrpfalwf ftoh%%laY^. P. Girard, „Observations philo-
Nea« Fhilologiaclle BimcUöhaiii Nr. 14.
logiqaes sur Aristophane ^. Am. Haavette, ,tSir un passagd de la
ddnzi^me Pyihiqiie de Pindare^^ M. Br4al, y^Avtaptlfiriütg^*. Y. B<-
rard, yire^^a vd^ia^^. Em. Bourget, yjBviai-&^iw^^. M. Croi^
set, „Date de la troiai^e Ol7nthienne^^ P. Decharme, ^La loi de
Diopeithte^ Th. Beinach, „Un ostrakon litMraire de Theben^ (Ein
erotiflCber Dialog.) H. Weil, ^fNouvelles tablettes greequeB i^venant
d*Bgypte'^ (griechiache SchtlmeiBterpoeBie).
Bei der Unmöglichkeit, alle 63 Artikel zu analysieren, ist dnrcli diese
Aufifthlnng der behandelten l%emen den InteMsenten der beteiligten
Ferschnngsgebiete der Anhalt geboten, selbst nachznsriien.
Prag^Weinberge. J. Jung.
177) Eine neue Brklanmg der ,,Apokolokyntosii'' (zu Nr. loe
dieses Jahrganges).
Herr Dr. Max Maas (Iffinchen) schreibt mar, er habe in einer Et^
kUnitig det neuen Jmvenalverse (Archiv fQr lat. Lexikogr. u. Gramm. 1899,
p. 419) xoAoxtV^ nach Plinius N. L. XIX, 71 (cucurbitamm usus) und
Petron 46 (illa matella), als ein Nachtgeschirr gedeutet, darauf hin habe
LundstrOm im Eranos (Acta philologica Suecana IV, 1) Upsala, Maerz
1900, iim>xoAaxi^^ciHfi$ als Verwandlung des daudius in ein Nacht-
gcBdiirr erklärt Da der Ton der Schmutzschrift zu dieser „un&stbetischen*'
Deutung paTst, stehe ich nicht an, sie einem weiteren Kreise bekannt
zu geben.
Köl». Ang«it Gluaaibala.
178) Rudolf Hinel, Det Eid» Ein Beitrag zu seiner Geschichte.
Leipzig, S. Hirzel, 1902. VI u. 226 S. gr. 8. JH &.-.
So allgemein der Titel dieses Buches klingt, so ist doch die Zeit,
mit der es sich beschäftigt, beschränkt und auch das räumliche Gebiet
begreaztw Verf. bespricht Ursprung, Entwickelung und Bedeutung des Eides
vornehmlich bei den Griechen, doch nicht so, dals er ausschlie&lieh die
Anschauungen dieses Volkes zum Gegenstände nimmt, sondern er verfolgt
dabei die der gesamten antiken Welt, also auch der Bömer bis in die
späte Eaiserzeit, wobei zür Vergleichung nicht selten Germanen, Inder,
Juden herangezogen werden. Auch wird bei der Behandlung kein durch-
gehender und grundsätzlicher Unterschied gemacht zwischen dem jaristisch
formulierten Eidsdiwur und der eidlichen Beteuerung, vrie sie aadi das
K
Neos PMlologtofliie Run jgehan Nf. 14. m
gewOhnliehe Oesprtch bringt Das foU kein Tadel sein, tondeni nur im
allgemeuMin andeuten, waeien sich der LesMr in dem Bache za verieben hat,
da der so allgemein gehaltene Titel zu wenig Anhalt gibt WAnsohen»-
wert wftre es gewesen, Verf. hfttte seine üntersaohnngen in dar Weise
mehr ^tematisch dorchgefflhrt, dafs das aufgerichtete Geb&ude aach
&ulaerlich deutUchor erkennbar gewesen wilre. Indessen das Buch will in
seinem ganzen Zusammenhange gelesen sein, und es verdient eine ein-
gehende Lektfire mit Bücksioht auf dm reiohen Inhalt und auf die wert-
veUen Brgebnisse der gewissenhafken und scharfsinnigen Untersuchung.
Einige Hauptgedanken mOgen hier kurz skizziert werden.
Yerf. geht von den Anschauungen ans, die im Altertum die herr-
sehenden waren. Wenngleich an manchen SMlen dar alten Sohriftstelte
der Eid aussoblieMieh als Vemieherung erscheint, an anderen wiederum
sich nur als QeUbnis aufhssen lUsk, auch sich beide Arten bei den Alten
keineswegs immer aussehlielsen, so ist doch die Unterscheidung des asser«
torischen und pnmüssorisohen Eides, obwohl erst durch Nachdenken enfr«
standen, sehr alt Wie es yerschiedene Arten des Eides gibt, so auch
Yorschiedene Grade; aber auch nach den Menschen, ihren Sitten und
CSiarakteren , unterscheid«! sich die Eide, ein Gedanke, der fBr Athen
besonders ausgefBhrt wird in § 14 („Geringschitznng des Eides in Athen ^0
daher das Wort des Äschylus firg. 394 N*: „Nicht der Eid macht den
Mann gkubwArdig, sondern der Mann den Eid.'^ Es war immer ein
Höheres, Wfirdigeres, ein %liuovy bei dem man schwur; da die Q4tter
nichts Höheres kennen, schwören sie bei sich selbst, bis Zeus der Styz
die Ehre erwies, dals bei ihr geschworen wurde.
Die Griechen waren im ganzen in ihren Bechtsanschauungen weniger
streng als die Bömer; Autolykos und Hermes sind griechische Ge-
stalten. Aber wenn den Bömem der Grundsatz gilt „ins civile Tigilan*
tibus scriptum est^^ (Dig. 42, 8, 24), so ist das nicht viel verschieden
von Piatos Ausspruch (Bep. I 334 A): yüiiTtvi^ ÜQa t^g S dlxaiogy äg
h$n^ nitpavtai. Und so ist auch der sophistische Eid sehr alt und zu
allen Zeiten angewandt; des Enripides Wort (HippoL 612) ij fhSkM
dfidfwxj ij di q>q^ ävdfiovog erlangte sprichwörtliche Bedeutung. Erst
durch manche Irrungen kam man vom bindenden Wort zum bindenden
Sinn des Eides. Aber neben jenor Theorie findet sich auch schon bei
Eoripides die Anschauung, dals den aus Not geschworenen Eiden gegen-
flber die Götter nicht strenges Becht üben; zum gfiltigen Eide gehört
824 Nene PhilologlMlie Bnodgehtu Nr. 14.
nicht blöd rechtliche» Bondem auch geistige Freiheit, and Bechtsverbind-
lichkeit des Eides ist nur da nnd so lange vorhanden, als Bechtsgemein-
schaft besteht; daher Cicero z. B. den Eid gegenfiber Piraten nicht als
rechtsyerbindlich erachtet, eine Anschaunng fibrigens, die in bewegten
Zeiten auch anderswo sich findet.
Doch wenn schon bei Homer und Hesiod wissentlicher nnd unwissent-
licher, absichtlicher und unabsichtlicher Meineid unterschieden wird, so
hat die Frage Aber den sittlichen und rechtlichen Meineid, die Frage, ob
es Meineid sei, zu schwören in der Absicht, den Eid nicht zu halten,
oder erst, wenn der Schwörende das im Eide Oelobte unterläTst, die Stoiker
vidfiEtch beschSfldgt, und einige unterscheiden danach Meineid und Falscheid;
eine &st christliche Beurteilung des Meineides, die indessen merkwflrdiger-
weise schon im 6. Jahrh. y. Chr. der delphische Oott hat (Hdt. VI, 86).
Allein daÜB man Mh fiber den Eid nach seinen verschiedenen Bedeutungen
und Erscheinungen nachdachte, Iftlkt erkennen, dals der Zweifel an seinem
Werte stieg, der Glaube an seine Kraft schwand. Ebenso Mh sind denn
auch die Versuche, den Mi&brauch des Eides abzustellen; in diesem Be-
streben begegnen sich die dem Bhadamanthys beigelegten Beformen und
die Anschauungen des Sokrates. Des Bhadamanthys Theorie wurde nun
aber wieder als eine Überschätzung betrachtet, und in der Opposition
gegen ihn suchte man den Eid zu einem Beweismittel zu machen ganz
gleich anderen; ja es folgen Bestrebungen, ihn ganz abzuschaffen, da er
in zahllosen FUlen doch seine Wertlosigkeit zeigte; und stolze Naturen,
von Achill an, haben als Kennzeichen auch rücksichtslose Wahrhaftigkeit
stets an sich, die des Eides nicht bedarf. Wer schwur oder des Eides
bedurfte, erweckte gerade dadurch Mifstrauen. So wurde der Eid herab-
gesetzt, weil er eigentlich entbehrlich sein sollte; es kamen Zeiten, wo wie
im Mittelalter geradezu als Sprichwort galt: ein Handschhg ist mehr
wert als sieben Eide. Geringschätzung des Eides zeigt sich vornehmlich
in Athen. Daher hat Solon, wenn er ihn auch nicht abschaffte, allerlei
auf diesem Gebiete reformiert; und „wo ein freies Volk durch geschriebene
Gesetze sich selbst regiert, ist er das HauptmitteL, das die Gewissen der
Bfliger zur Erftkllung der Gesetze anhält'^
Der Eid ist aber auch eine Beschwörungsformel, ein Fluch ; und so ist
AeT^Ofwg als Personifikation schon bei Hesiod ein verderblicher Dämon;
er gehört zu dem Geschlecht der unheilbringenden Nacht. In diesem Zu-
sammenhange gibt Verf. eine ansprechende Etymologie von inloq'Mg^ das
\
Nene Fhilologiaohe BnndiohAa Nr. 14.
nacb der Analogie von iTtlfOfiog^ iTtlri/wg eigentlich das Gegenteil von
dem bedeuten mfliete, was es heifst; Inioipuog ist nicht der Eidestrene,
sondern der Meineidige, um den der Bachegeist schwebt In diesem Sinne
aber ist Horkos kein anderer als der Todeogott, der Qrcns der Lateiner.
^Oqyuoif dfivövai hiefs danach nicht sowohl „einen Eid schwören ^S als viel-
mehr „unter Anrufung des ''O^xo^ schworen ^S ganz wie Juxy noauddh^a
dfivivau Dieser zweifellos ursprfinglichen Personifizierung des ''O^xog (ver-
wandt mit Orcus) widmet Verf. eine besonders eingehende Besprechung;
daher auch das hqwv TviSXai bei SchoL Theokr. 3, 22 gegen Meineke und
seine Nachfolger verteidigt wird S. 164 Anm. 1. Es ist nicht blofs
Qleichklang des Wortes, wenn Yeig. Georg. I 277 ff. von Orcus spricht,
wo Hesiod. W. u. T. 802 ff. ^Oqxoq sagt. Verf. vermag einleuchtend darzutun
(bes. S. 169 — 170), dals man uralten beim Todesgott schwur, dals
dieser Schwur der erste und einzige war und dais in weiterer Entwicke-
long der Geschichte des Wortes 8^xo$ dies allmählich die Bedeutung des
Eidschwures schlechthin annahm. — Ein dem alten Schwur beim Horkos
synonymer Eid ist auch in historischer Zeit bestehen geblieben, wenigstens
in der Welt der Dichter. Das ist eben der Schwur bei der Styx, die zu
den Göttern in einem ähnlichen Verhältnis steht, wie der Horkos zu den
Menschen. Auch hier zeigt sich, wie gerade die ältesten und heiligsten
Eide bei den Unterirdischen geschworen werden. — In diesem Abschnitte
des Buches scheint uns der Schwerpunkt der Untersuchung zu liegen.
Der Eid bei der Styx ist ursprfinglich als ein Gottesurteil zu erkennen
nachHes. Th. 760 ff. (wenngleich die Übertragung auf menschliche Verhält-
nisse nicht recht deutlich ist). Man kann zwei Arten Gottesurteile unter-
scheiden: 1) diejenigen, in denen Gott als Schiedsrichter zwischen zwei Par-
teien angerufen wird (Losurteil und Eampfurteil), 2) das Wunder (Bruch
der Naturgesetze) als Gottesurteil. Ein solches Urteil, nicht ein Gericht,
ist auch das Styxurteil. Das Ansehen der Gottesurteile konnte aber bei
einem so kritischen Volke wie die Griechen, zumal die Athener, sich
nicht lange auf der Hohe erhalten; die innere Unvernunft und der
nahe gelegte Mifsbrauch brachte sie zu Falle. So kommt es, dafs in der
Zeit, auf die das Licht der Geschichte fillt, die Nachrichten darfiber
fiberaus spärlich sind. Ein Schatten hat sich erhalten in der Folter der
Sklaven und im Eide, der eben, wie ausgefUirt, ursprflnglich die Be-
deutung eines Gottesurteils hat, wie er denn wirklich von Plato und
Aristoteles als eine x^/atg ^aoCf bezeichnet wird. Das alte Gottesurteil
396 K«ae Fliilologlsohe Bnndieliaa Nr. 14.
▼erlor die Eörperliaftigkeit des Yerfiihrens, tud es blieb das blofse Wort.
Der alte Styxeid sank vom Oottesnrteil herab zum blorsen Eide, behielt
die Bedeutung der Anmftang eines göttlichen Zeugnisses; anderseits wurde
iet Eid ftber den Kreis der Yersichernng eiser Tatsache hinaus übertragen
auf das Gelöbnis — assertorischer und promissorischer Eid — ; aber der
Ausdehnung des Qeltungsbereiches ents^H^icht eine Abnahme der Kraft.
Der Schlufs zeigt einen Ausblick auf die spfttere Zeit, in der in
anderer Form das Gottesurteil fortlebt. Als die alten Götter ihre Hilfe
▼ersagten, galt es den Versuch mit dem neuen Gotte; ihn machten die
jugendlichen Völker der German^.
Da das Buch durchweg anf gleichartige Anschauungen bei anderen
Völkern und in anderen Zeiten Bezug nimmt, bietet es zugleich einen
lehnreichen Beitrag zur Völkerpsychologie.
Hanau. O. Waokermaui.
179) JnUxLB Ackerknecht, Wie lehren wir die neuen Verein-
fttchnngen des Französischen? Abdruck aus der Zeitschr.
„Die Neueren Sprachen". Marburg, N. G. Elwert, 1902. 27 S. 8.
J$ —.50.
Selbst anf die Ge&hr hin, in dieser Zeit allgemeinen Fortschritts,
namentlich auch auf dem Gebiete des neusimchliehen Dnterridits, tBa
rflckatftndig angesehen zu werden, möchte ich einige Bemerkungen über
den VereiBfaohungserlafs des französischen ünterrichtsministers und fiber
die Bfiekwirkungen, die er meines Erachtens auf unsere deutschen Schulen
auafthen sdlte, voraussenden. Gflltigkeit ffir die Franzosen sowohl wie
ftr die Deutschen hat ja nur der Erlafs vom 26. Februar 1901. Es ist
aber doch recht interessant, iha mit dem Mh^en vom 31. Juli 1900
zu vergleichen; wohl verstanden nur den Erlafs, nicht die angeffigte Liste.
Artikel 1 stimmt in beiden fiberein und besagt, dafs die Verstöfse gegen
die Orthographie, welche in der angeffigten Liste anfgefihrt sind, den
Prüflingen nicht als Fehler angerechnet werden sollen. Diese Verstölhe
werden mit mildem Ausdruck als tol^rances bezeichnet, ein Ausdruck, dessen
Stammverwandte äch dann noch öfter auch in der Liste wiederholen. Also
den Prüflingen, nnd dann wird noch hinzugefagt, soweit es sich um Prfl*
fongen handelt, die vom Unterrichtsministerium angeordnet sind: dans
les eiamens oo a concours d^ndent dn Minist^re de rinstruetion publique.
Artikd 2 des alten Erlasses ordnet an, dafs die Gebräuche und Vorschriften,
)i
^Noua PhüologiMhe Rmdichw Nr> 14 WT
welche dem im Anlumge an^eftUurten toMrancee zawider smd« in der
Sdmle nicht als Begeln gelehrt werden Collen. Dies^ Artikel 2 ist nwi
in cter neuen YerflDgüDg nicht enthalten. Das scheint den deutschen ftbet'-
eifrigen Kommentatoren der französische „Simplification^* ganx entgangen
zu sein, denn diese Weglassung sagt doch klipp und Uar^ dafs die bis-
herigen Begeln noch nicht abgeschafft sind, daTs sie noch ihre volle Get
tung haben, und dafs nur einzelne YerstOfse gegen sie als unerheblich
„geduldet^* werden sollen, und zwar dem W<Nrtkut der Yerftgung nach,
nur bei den Prüfungen im Bereich des Unterrichtsministeriums. Demnach
ist der französische Erlafs für die Lehrer, nicht ffir die Schfiler gegeben,
und was machen nun mandie unserer deutsehen Schulmänner aas diesem
einfitchen Tatbestände? Sie erheben das, was der franeOsische Minister
nur als toldranoes bei Prfifungsarbeiten bezeichnet, zu Begeln und wollen
diese flott schon in die deutschen Schulen einfahren. Dies Ver&hren
halte ich für ganz verkehrt. Wir können doch nicht französischer sein
als die Franzosen und nicht ministerieller als der Minister! Madien wir
es doch auch so. Lehren wir ruhig die alten Begeln weiter und „tole-
rieren'* wir bei der Korrektur unserer Schülerarbeiten -* ich konzediere
s(^ar bei allen, nicht blols bei den Prüfungsarbeiten — die in iet Liste
des französischen Ministers als „tdärances** bezeichneten Yerstöfte. So
haben wir es am Gymnasium in Görlitz gehalten, so halten wir es am
Königlichen Bealgymnasium in Erfurt, und so wird es hoffentlich auch an
mancher anderen Anstalt gehalten. Auch ist mir bisher noch keine Yer-
fugung unseres preußischen Ministeriums zu Gesicht gekommen, die einen
anderen Standpunkt anordnete. Übrigei» stellt sich auf denselben auch Gustav
Plötz in der neuesten Gymnasialausgabe E seines Elementarbuches : es
gibt die alten Begeln im Text und die sogen. Yereinfacfaungen in Anmer-
kungen oder in Klammem. — Mit dieser Darlegung will ich nun nicht
abschwören, dafs ich nicht später einmal einen anderen Standpunkt ein-
nehmen werde: das wird aber erst geschehen, wenn die Mehrzahl
der franzöcaschen Sdirifteteller in Büchern und Zeitungen die in dem
übrigens oft recht unklaren Erlafs (vgl Ackerknecht S. 14) bisher nur
geduldeten Yereinfachungen zu Begeln erhoben haben wird. Ein Minister kann
dergleichen schwer befehlen, das sehen wir doch in unserem eigenen Lande.
Die Zeitschrift, in der Ackerknecht fBr die nur „tolerierte** neue französiscbe
Orthographie eine Lanze bricht, kümmert sich in der von ihr beliebten
Orthographie um die durch Yerordnung des preufsiachen Ministers angeerd-
Nene Fhilolof^he BimdBchaii Nr. 14.
nete deutsche Orthographie nicht. Ein seltaames Schauspiel! Und nun
noch einige Bemerkungen zu Ackerknechts Buch, das ich nach dem vorher
Gesagten fflr verfirflht ansehe und, nebenbei bemerkt, auch fQr zu um&ng-
reich. Wenn die Schüler alle die Regeln darin lernen sollen, so bietet
das Buch nicht mehr eine „SimpIification^S sondern ist ein Ansatz zur
Überbürdung. Fort aus unseren deutschen Lehrbüchern mit tme aigle
ramame, deUces, un orgue, une atdomne, orge und vielen anderen in dem
vorliegenden Buche besprochenen Einzelheiten. Das mag der Schüler lernen,
wenn das Wort als Vokabel in der Lektüre einmal vorkommt, das gehört
aber meines Erachtens nicht in eine französisch -deutsche Grammatik.
Solche Quisquilien als Begehi pauken, wäre Bückschritt, nicht Fortschritt
Anders liegt die Sache bei gens. Die bisher geltende Begel, deren
Willkür ich gar nicht bestreite, ist trotzdem eine gute Geistesübung für
unsere Schüler und mufs gelernt werden, da sie bei allen Schulautoren
sich noch in voller Geltung findet und aus den Dichtem sich auch wohl
niemals hoffentlich herausdichten lassen wird: in den eigenen Elaboraten
der Schüler mag man ja dann das Femininum des Adjektivs überall dul-
den. Diesen Standpunkt hat ja nach Ackerknechts eigener Angabe auch
Herr Banderet, sein Kollege französischer Zunge, den er um Bat gefragt
hat, nur mit Widerstreben aufgegeben (S. 4). Auch in bezug auf den
Teilungsartikel „möchte B. die alte gebräuchlichere Form mit blofsem
de — vor Adj. — nicht vernachlässigt wissen. „Ganz meine Ansicht: du
bon vin mag man dulden, de bon vin soll man lehren und üben. Und nun, um
nur noch eins zu erwähnen, das Kapitel der Bindestriche! Ackerknecht be-
spricht dort alle möglichen Fälle, in denen er für Weglassung des Binde-
strichs kämpft, obwohl der Erlafs, der gerade hier besonders unvollständig
und ungründlich ist, diese gar nicht erwähnt. Ich meine, der Bindestrich
ist soviel Sorgfalt gar nicht wert: er ist doch nur fürs Auge da, nicht
fürs Ohr, hat also im Leben der Sprache nur recht geringe Bedeutung.
Es kommt da recht viel auf den Geschmack an, wie auch ein Blick auf
das Englische zeigt. In manchen Fällen möchte ich ihn trotzdem nicht
entbehren. Ich kann ai je gut vertragen, aber nicht a t üy en vaüä t ü.
In der s. Z. von Ackerknecht vorgeschlagenen, dann aber wieder zurück-
gezogenen Schreibung at il sehe ich einen guten Ausweg; aber mit Acker-
knecht behaupte ich, da& es doch nicht die Sache von uns Deutschen ist,
die Franzosen ihre Orthographie zu lehren. Also schreiben wir doch ruhig
arM\ Auf weitere Einzelheiten mag ich nicht eingehen, ich will ja
\
Neae FhUologiaohe BundiefaAQ Nr. 14. 82^
nksht den Erlab, sondern Ackerknechts Schrift anzeigen, and da hat auf
Einzelheiten einzugehen wenig Zweck, da ich eben die ganze Schrift, wie ge-
sagt, als Lehranweisong fBr verfrfiht halte. Ein Gutes mofs ich ihr aber
nachrühmen: sie hat gezeigt, wie wenig yollstftndig, gründlich und genau
der französische Erlafs ist, wie viele Bedenken er dem Philologen in seiner
Akribie err^, und Ackerknecht sagt selbst S. 6: „Meiner ansieht nach
wird daher mit der vorliegenden amtlichen Verfügung in betreff dieses
Punktes (Zusammenschreibung zusammengesetzter Hauptwörter) — und
vielleicht auch bezüglich anderer punkte — noch m'cht das letzte wort
gesprochen sein.^* Also warten wir das letzte Wort erst ab. Noch etwas
Äufserliches! Die vielen Klammern, runde sowohl als eckige, machen die
Lektüre der Schrift Ackerknechts recht mühselig: z. B. 5] (wie bisher)
un anUamne [bisweilen (dichterisch) une automne] oder: 36] Für das
Yor hauptwörtem [sowie in gewissen fällen vor eigenschaftswörtem und
vor Ordnungszahlen — im spracherlafs nicht aufgeführt] und vor für<^
wOrtem stehende „es (dies, das) ist'S 9« es sind'' darf — sogar vor mehr-
zahl «a hauptwörtem [bzw. «-» eigenschaf tswörtern oder «= Ordnungszahlen]
und vor mehrzahl = fClrwörtem der 3. person, anstatt ce sant ■— stets (fest
gesetzt werden [selbstverständlich auch : es war(en) =sc'6taü (statt c^etaient)
u. dgL]
Erfurt.
180) J. Zlapperich, London old and new; history, monuments,
trade, govemment. Mit 11 Abbildungen und einem Plan von
London. YIII u. 112 S. 8. Ologau, Flemming, 1902.
geb. Ji 1.60.
Das Buch bietet in 27 Abschnitten Skizzen aus der Geschichte
Londons, Schilderungen der Hauptsehenswürdigkeiten der gegen wftrt^en
Stadt und einiges über Handel und Verwaltung. Fünfzehn Stücke sind
aus The Story of London (Arnold, London), je drei aus Besant, Histoiy
of London und London past and present (Blackie and Son, London), die
flbr^en aus verschiedenen Schriftsteilem, Lesebüchern u. s. w. entnommen.
Unter den Schulausgaben, die mit den Verhältnissen Londons bekannt
machen wollen, gehört diese zu den besten. Das Buch vermeidet lang-
weilige Aufisahlungen und hfilt durch kurze Betrachtungen oder Hinweise
auf die geschichtliche Entwickelung das Interesse wach. Der Heraus-
geber empfiehlt das Buch fQr das dritte Schuljahr, doch werden seiner
390 Keoe Phflologisehe BimdBchaa Nr. 14.
Yetwendung im zweiten kaam Hindernisse entgegenstehen, vorausgesetzt,
dafs die richtige Auswahl getroffen, bezw. die richtige Beihenfolge be-
obachtet wird. Denn des Herausgebers Bemerkung, dab auf „Einheit-
lichkeit in Sprache, Stil und Darstellung^* Bedacht genommen sei, ist nicht
«0 aufzufassen, dab alles gleich leicht zu verstehen oder zu übersetzen
wäre (vgl. z. B. Abschnitt I und II mit YHI oder X). Wie wftre das
auch möglich bei einem Buch, das aus neun anderen zusammengestellt ist?
tlbrigens ist es auch gar nicht nötig, wenn nur die Unterschiede nicht
gar zu grob sind; und das sind sie hier nicht. Die Anmerkungen sind
kurz und bündig und, soweit wir sehen konnten, zuverl&fsig und voll-
fitftndig. Sie enthalten fast nur sachliche Erläuterungen. Von den
Abbildungen sind die meisten gut, wenige dürftig (z. B. Tower, West-
minster Abbey). An manchen Stellen, wo eine örtlichkeit ausführ*
lieber geschildert wird, vermifst man die Abbildung (z. B. von dem
Innern von St. Paul's, Westminster Hall, Old London Bridge). An Un-
genauigkeiten wurden nur bemerkt die Trennung bet-ween auf S. 66
cmd die Schreibung civilization S. 2 neben civilisation S. 29. Ein Sonder-
Wörterbuch ist nicht vorhanden. Druck und Ausstattung sind gut.
Flensburg. Adolf HertiaK.
181) E. Meier und B. Afsmann, Hilfsbücher fOr den Unter-
richt in der englischen Sprache. Ausgabe fßr Anstalten
mit dreijährigem Kursus. Teil I: Englischer Lehrgang.
Leipzig, Dr. Seele & Co., 1902. 298 S. u. 8 S. Anhang. 8.
Teil II: Englisches Lesebuch. Ebendaselbst. 229 S. 8
und eine Karte.
Teil I: Englischer Lehrgang, ist nach den Grundsätzen des
direkten Verfahrens gearbeitet. Das Vorwort (S. 1 u. 2) gibt Auskunft
Ober die Anlage und Verwendung des Lehrbuches sowie über die Ver-
teiluQg des granmaatischen Stoffes nebst den dazu gehörigen Übungen auf
drei Schuljahre. — Die Einleitung (S. 3 --7) handelt kurz und sachlich
über Ausbreitung, Wesen und Entwickelung der englischen Sprache, über
Notwendigkeit und Nutzen einer guten Aussprache, über die englischen
Sprachlaute und die Lautschrift, über die Sprechtätigkeit des Engländers
und den Standpunkt der englischen Orthographie im Vergleich zur heutigeii
Aussprache sowie über den Gebrauch der grofsen und kleinen englisdien
Buchstaben.
\
Neae PhilalogiMhe Bundflohaii Nr. 14. 831
Pröliminary Lesaon (8. 8—10) bietet die Vorflbiing zur Einffthrang
in die dem Englischen eigentOmlichen Laute und die dafftr gebrauchten
Lautzeichen ohne Verwendung der englischen Orthographie« Hierbei scheint
mir die Erklärung der Laute „a^^ (sun), „e^^ (girl), „i]^' (sing) nicht aus^
reichend.
Die Pronunciation Exercices (S. 11—32) enthalten in 12 lessons
Stoff aus dem Schulleben und nach dem Frühlingsbilde mit Aussprache-
und Sprechöbungen in Satzform. Unter jedem in englischer Orthographie
gedruckten Satze befindet sich die dazu gehörige Lautschrift. Fragen zur
Einübung und Befestigung des Lehrstoffes oder Sätze zur Einübung gram-
matischer Begeln sind nur in der gewöhnlichen Schreibweise gedruckt.
Überflüssig scheint mir hier die Verwendung der Lautschrift neben der
englischen Orthographie. Nachdem die Schüler die dem Englischen eigen-
tümlichen Laute in einem Lautkursus eingeübt haben, müssen sie sich an die
englische Orthographie gewöhnen, bei längerer Beibehaltung der lautschrift
ist nämlich leicht Gefahr vorhanden, dafs sie diese mit der gewöhnlichen
Orthographie verwechseln. Im übr^en wollen die Verf. diese letztere
auch schon zu häuslichen Schreibübungen und Umformungen, zu Diktaten
und Extemporalien verwendet wissen. Weder am Anfang noch am Ende
jeder dieser Obungen finden sich die dem Schüler unbekannten Ausdrücke
zusammengestellt, ihre deutschen Bedeutungen sind vielmehr stets den
betreffenden englischen Wörtern im Texte beigefügt. Die Schüler müssen
daher jeden neuen Ausdruck in ihr Präparationshefb schreiben, wobei
«rfahrungsmäfsig sich leicht und oft Fehler einschleichen. Em Ende jeder
Lesson werden die neuen grammatischen Erscheinungen kurz zusammen-
gestellt und an englischen Sätzen durch Umformen oder Ergänzen ein-
geübt, sodafs der Schüler nach Absolvierung der 12 Lessons bereits einen
beträchtlichen Teil der Formenlehre sich zu eigen gemacht hat.
Auf S. 33 — 50 folgen dann 6 Beading, Writing, and Orammar Exer-
cises. In diesen erst wird die Lautschrift in der üblichen Weise, zur
Angabe der Aussprache fremder Wörter, verwendet. Von der englischen
Schreibweise der Wörter ausgehend, geben die Verf. in übersichtlicher
und knapper Form eine Anzahl allgemein gültiger Ausspracheregeln unter
Beifügung zahlreicher Beispiele nebst deutscher Bedeutung.
Die Orammar Exercises (S. 51—212) enthalten den grammatischen
Stoff nebst Übungssätzen. „Die Spraehregeln sind nicht auf Orund der
Yeigleichung mit den Ausdrucksmitteln der deutschen Sprache aufgestellt»
Nene Philologisdie Buidaehaa Nr. 14.
Bondem unter Zübilfenahme der dem ScbtUer aas dem deutschen und
flremdspraoblichen Unterrichte geläufigen grammatischen Begriflfe/^ Die
Verf. kommen dieser Aufgabe in löblicher Weise nach, die Word-buildii^
Lessons und die fibersicbtiiche Gruppierung der unregelmäfsigen Verben
sind dabei besonders wertvoll. Nur finde ich im dritten Teile dieses Ab-
schnittes die Satdehre zu eingehend und schematisch bebandelt, als daf&
sie in der dazu verfügbaren Zeit erschöpfend behandelt werden konnte.
Die Verf. nehmen allerdings ffir das 2. und 3. Jahr je 2 wOchentliehe
Stunden, die Hälfte der wöchentlichen englischen Unterrichtsstunden, zur
Durcharbeitung der betreffenden Pensen ihres Lehrganges in Ansprucht
f&r die preufsischen Bealgymnasien aber, denen nur 3 Stunden in d«r
Woche zu Gebote stehen, wäre dies nicht angängig, da dann fär die
Lektfire zu wenig Zeit übrig bliebe. Im Anfange dieser Eiercises werden
zuerst die grammatischen Regeln aufgestellt, darauf folgen die Muster-
beispiele, zuletzt die englischen und im zweiten Teile dieses Abschnitte»
auch die deutschen Übungssätze. Wenn zuerst die Mustersätze kämen,
dann die Regeln folgten, wfirde mir diese Reihenfolge vorteilhafter er*
scheinen. Aufgabe der Schiller ist es, die vorangestellten grammatischen
Erscheinungen durchweg durch Umformung und Ergänzung der englischen
Übungssätze einzuüben, die fast durchweg modernen Schriftstellern ent-
nommen sind und daher idiomatischen, praktisch verwertbaren Sprachstoff*
bieten. Die Übersetzung der deutschen Sätze soll zur Einübung schwieriger
syntaktischer Erscheinungen geschehen. Der Übungsstoff ist deswegen so*
reich bemessen, damit dem Lehrer bei Wiederholungen noch ein Teil der
Beispiele übrig bleiben soll Dem ersten Jahre ftllt demnach die Ein-
übung der Aussprache, der Lese- und Schreibübungen und der Konjugation
(Eiercise 1 — 16), dem zweiten der Abschlufs der Formenlehre (Exercise
17—30) und dem dritten die Einübung der Syntax (Exercise 31—63) zu.
Den Grammar Exercises folgen die Gomposition Exercises (S. 213
bis 228), die nach dem Vorworte „Stoff zu Sprechübungen bieten und au
die Schüler die immerhin nicht leichte Aufgabe stellen, den ihnen be»
kannten Stoff in fortlaufender Darstellung schriftlich wiederzugeben, ihn
zu erweitem und durch eigene Gedanken zu vertiefen*'. Die Schwierig*
keit dieser Übungen wird jedoch durch Stellung von Fragen, durch An*
gäbe von Wendungen und kürzeren Sätzen über das betreffende Thema,
oder durch kürzere und längere Dispositionen erheblich vermindert. Id
diesem und dem vorangehenden Abschnitte des Lehrbuches macht sieb
k
Nene PbilokgiBobe BnndBchaa Nr. 14. 8dl
aber das Fehlen eines englisch-deutschen Wörteirerzeichnisses fühlbar, so-
dab es dem Schfiler nicht möglich ist, za Hanse die Bedeutung neuer
oder ihm entfallener Ausdrücke bequem nachzuschlagen. Manche dieser
Oomposition Exercises scheinen mir selbst für Schfiler des 3. englischen
TJnterrichtsjahres zu schwer, Ms nicht eine gründliche Yörbereitui^ der-
selben in der Klasse Torangeht. Die Lehrpiftne verlangen für diese Elassen-
etufe als freie Übungen hauptsächlich nur nachahmende Wiedergaben von
Gelesenem oder Vorerzähltem.
In den Stoffen zu Übersetzungsübungen (S. 229 — 262) befolgen die
Verf. mit Becht den Grundsatz, auf die elementarsten Übersetzungen zu
verzichten und sogleich an das auch nach den neuen Lehrplänen geforderte
Hinübersetzen zusammenhängender Stücke zu gehen. Jedoch dürfen solche
zusammenhängenden Stücke nicht zu schwer sein und müssen sich möglichst
an die Lektüre oder Sprechübungen anschliefsen. Dafs diese Übersetzungs-
übungen des Lehrganges selbst im 1. Teile dieses Abschnittes nicht immer
leicht sind, beweisen schon die vielen Übersetzungshilfen innerhalb des
Textes in Gestalt von in Klammern befindlichen englischen Ausdrücken,
deutschen Umgestaltungen und grammatischen Hinweisen. Vorteilhafter
wäre es auch hier gewesen, die dem Schüler unbekannten Ausdrücke
«inem sich anschliefsenden deutsch -englischen Wörterverzeichnis zu über-
'weisen.
Das Vocabulary (S. 263—281) soll für alle vorangegangenen Übungen
noch ergänzendes Material zu den Sprechübungen bieten und zur plan-
mäfsigen Gewinnung des für die gesprochene Sprache unentbehrlichen Wort-
nnd Phrasenschatzes beitragen. Es enthält den Wortvorrat für das Sommer-,
Herbst- und Winterbild, deren Besprechung nach Vorbild des Fruhliogs-
bildes geschehen soll, sodann noch 13 Gruppen begrifflich zusammen-
gehöriger Wörter und Bedensarten (Animals; Trades; The Human Body;
€lothing and Toilet-making; Stuffs; Gollective Nouns; Tools, Instruments
and Utensils; Plauts; Meals and Food; Work and Gonduct; Time and
Age; The State and Society), die in den ersten 30 Grammar Exercises
^ur Durchnahme gelangen sollen.
Hieran schliefst sich eine Liste der englischen Herrscher vom Jahre
1066 an, sodann folgen Grundsätze für die Verwendung von Satz-
bildern als Erklärung für die im zweiten Teil der Grammar Exer-
dses gebrauchten schematischen Abkürzungen und Satzbilder. Eine Liste
4er Verben mit präpositionalen Ergänzungen, eine alphabetische Liste
384 Nene PhilolpgJBche Rnncbchaii Nr. 14.
der starken Verben und ein Register bilden den Scblufs des Lebrganges^
dem als Anhang noch 11 Lieder mit Singnoten beigefügt sind. Eine
alphabetische Liste der unregelmäfsig schwachen Verben fehlt jedoch; da»
Register hätte ausführlicher sein kOnnen.
Mein Schlnfsurteil über den ,« englischen Lehrgang** geht dahin, dafä
dieser ein äufserst fleifsig und geschickt abgefafstes und gut ausgestal*
tetes Lehrbuch ist, dals dieser aber seiner ganzen Anlage nach haupt-
sächlich für Anstalten mit dreijährigem Kursus pafst, denen mehr al&
drei Unterrichtsstunden wöchentlich zu Gebote stehen und die neben dem
Lehrgange sich eines englischen Lesebuches bedienen.
Teil II: Englisches Lesebuch. Es zerfällt in zwei Teile; der
erste ist erzählender und beschreibender Art und enthält auf S. 1 — 1^
Anecdotes and Fahles, auf S. 14 — 25 Lesestficke über Nature and Seasons,
auf S. 26—44 solche aus dem Every-Day Life, auf S. 49 — 66 solche
über England and the English und auf S. 67—91 Tales. Der zweite Teil
bietet Historisches und Literarisches. Als Anhang findet sich noch eine
Ghronological Table of Englisch History and Literature und eine Karte
von der Umgebung von London. Aus dieser Einteilung und noch mehr
aus den Überschriften der einzelnen Lesestücke ist zu erkennen, dafs die
Auswahl des Lesestoffes, der stets mustergiltigen Autoren entlehnt ist,
eine zweckmäfsige, mannigfaltige und umsichtige ist und die Einführung-
der Schüler in die englische Kultur- und Volkskunde erstrebt. Dafs die
Bemerkungen am Fufse der Seiten nur zu Anfang in deutscher, später
fast ausschliefslich in englischer Sprache gegeben sind, gereicht dem Lese-
buche nur zum Vorteil. Leider sind die Gedichte im Inhaltsverzeichnisse
S. 5 u. 6 nicht, z. B. durch ein Sternchen, kenntlich gemacht.
Das englische Lesebuch, das allen an ein solches gestellten An*
forderungen gerecht wird, kann daher aufs beste empfohlen werden.
Lauenbnrg-Pommem. H. Nlemer.
182) Moritz Trautmann, Kleine Lautlehre des Deutachen„
Französischen und Englischen. Zweite Hälfte. Bonn,
Verlag von Carl Georgis üniversitäts- Druckerei, 1903. X und
S. 81—150. 8.
Der im Jahre 1901 erschienenen ersten Hälfte der kleinen Lautlehre
ist nunmehr die zweite Hälfte gefolgt. Sie bringt die Fortsetzung der
X
Nene Philologische Bnndsobaa Nr. 14. a8&
Darstellnng der Laute des Deutschen und die Behandlung der französischen
und englischen Vokale und Konsonanten.
Das Buch ist auch in seiner zweiten Hälfte nichts anderes als eine
kürzere Darstellung des Inhalts von T.s gröfserem Werk. Wie der
Verf. ausdrücklich im Vorwort erklärt, hat fBr ihn kein Anlafs vorgelegen,,
seine vor etwa 20 Jahren geäufserten Überzeugungen zu ändern.
Auf alle Einzelheiten, in denen T. von anderen Phonetikern abweicht,,
einzugehen, würde zu weit führen. Zur Charakteristik der Stellung, die
der Bonner Gelehrte auf dem (Gebiete der Phonetik einnimmt, verweise
ich auf meine Bemerkungen in dieser Zeitschrift, Jahrgang 1901, S. 621,.
wo ich über den ersten Teil des Buches berichtet habe. Nur eins sei
hier besonders hervorgehoben. T. erklärt, dafs die auslautenden Vokale
des Französischen im tatsächlichen Oebrauche fast alle lang oder
mindestens halblang sind, fügt aber gleich darauf hinzu, dafs z. B. das a
im Zusammhang mit anderen Worten, wie in tas de choses wirk-
lich kurz wird. Ohne mich auf namhafte deutsche Phonetiker zu berufen,,
möchte ich doch erwähnen, dafs auch Zünd-Burguet, ein Schüler des be-
kannten französischen Experimentalphonetikers Bousselot, in seinen lehr-
reichen Schriften die Vokale im Auslaut für kurz erklärt Auf alle Fälle
haben wir Neusprachler in der Praxis des französischen Unterrichts auf
kurze Aussprache zu halten, weil sonst nach deutscher Weise (er ist da!)
sehr leicht Dehnung eintritt, die der Aussprache eine unfranzösische
Färbung verleiht.
Das Bestreben des Verf., fast nur deutsche Fachausdrücke zu ge-
brauchen, hat eine Bezeichnungsart der wissenschaftlichen Ausdrücke er-
zeugt, die manchem gar seltsam vorkommen wird und die von einigei^
Kritikern als eine Schrulle verurteilt worden ist. Im übrigen aber ver-
dient die klare, präzise, zuweilen flott -burschikose Art der Darstellung
alles Lob.
Ich empfehle das Buch allen Fachgenossen, besonders den Kollegen,
die aus irgend welchem Grunde es verabsäumt haben sollten, das gröfsere
Werk des Verf. eingehend zu studieren.
Altona-Ottensen. H. Sohmldt,
:886 Neve PhilologiBohe Bimdaehaii Nr. 14.
Vakanzen.
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Benthen, BS. Obl. ev. Bei. Magistrat.
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Bortmund, HMS. Obl. Bei., Deutsch n. Oesch. Stftdt Schnlkaratorinm.
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Frankfurt a. M», BO. Obl. Deutseh, Lat., Oesch. Kuratorium.
Oartz, 0. Obl. l) Klass. Phil.; 2) Math. u. Phys. Kuratorium.
Ornnewald-Berlln, BO. Obl. Nat. Kuratorium.
Helde^ BS. Obl. 1) N. Sp.; 2) Math. Kuratorium.
Herne, Prg. u. BS. Obl. Klass. Phil. Kuratorium.
Bemscheld, HMS. Obl. Deutsch u. Oesch. Dir. Dr. Stolze.
Saelisenliausen, BS. Obl. N. Spr. Kuratorium.
Velbert, BPrg. Obl. N. Spr. Dirig. Obl. Hinrichs.
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mit besonderer Rücksicht auf Aussprache und Etymologie
neu bearbeitet nnd yermehrt
von
Dr. Arnold Schröer
ord. ProfeBBOT an der HandelBhoohschnle zn Köln
weil. ord. ProfeBsor der englischen Philologie an der Universität Freibnrg i. B.
160 Bogen dreispaltiger Satz in Gr.-Lex. 8».
I. Band: ü. Band:
eleg. in Halbleder geb. M. 14.— eleg. in Halbleder geET M. 12.—
Was die Anordnnne der Wortbedeutungen in den einzelnen Artikeln anlangt , so ver*
iährt der Heransgeber hier nach einem ebenso wissenschaftlichen wie praktisch wertvollen
Grundsatz. Br bringt methodische Ordnung in die verwirrende Masse der Bedeutungen dl«
in andern Wörterbüchern nicht selten planlos und mechanisch aneinander gereiht sind. Sein
Bestreben ist, die Grundbedeutungen möglichst verständlich hervorzuheben und zu erUftren
und daraus die anderen abzuleiten.
In der Tat ein mustergültiges Werk in jeder Beziehung, eine lezikalisohe Leistnne
ersten Ranges.
Dr. J. Hotpt, ord Professor der engl. PhUologie an der Unlvtrtltlt Htidtlberi,
im LittfraturMatt fOr o§raianltob§ ini rtaanitoht Pbiioloolt.
HT" Zu haben in allen Buchhandlungen "VB
FOr SelmleB TergikMtmUgungeMk bei gleichzeitigem Bezug einer grölteren Anzahl
von Exemplaren.
Fflr dit BadakUoB Tenu&twortlieli Dr. E. Liiwl| in Brentn
Dnek und YtrUg toa Friedrich Andrtss PwÜim, AktieDgeftliMkafl, Gotha.
).
..^.
-p^.
■903
Ck>tha, 25. Juli. Nr. 15, Jahrgang 1903.
Neue
PhilologischeRundschau
Herausgegeben von
Dr. O. Wagener und Dr. E. Ludwig
in Bremen.
Erscheint alle 14 Tage. — Preis für den Jahrgang 8 Mark.
Bestellongen nehmen alle Bnchhandlnngen, sowie die Postanstalten des In- und Anslandes an.
Insertionsgehflhr fOr die einmal gespaltene Petitzeile 30 Pfg.
Inhalt: Bezensionen: 183) Hugo Magnus, Die Metamorphosen des Ovid
(G. Schüler) p. 337. — 184) E. Knaut, Taciti historiae. I. Bändchen (Ed.Wolff)
p. 339. — 185) B. Romano, La critica letteraria in Anlo Gellio (F. Lnterbacher)
p. 341. — 186) G. Körting, Latein.- Romanisches Wörterbuch p. 343. —
187) T. Montanari, Ponto per ponto. Dimostrazione della completa assurditä
di tute le vecchie ipotesi intorno alla via d'Annibale dal Rodano al Po (T. Lnter-
bacher) p. 344. — 188) Paul Rissen, Histoire sommaire du Commerce
(P. Weyel)p. 346. — 189) H. Ludwig, Latein. Stilabungen (E. Krause) p.347. —
190) Morceanx choisis de A 1 f r e d d e V i g n y (L. Klinger) p. 348. — 191) K. Bö b m ,
Beiträge zur Kenntnis des Einflusses Senecas auf die in der Zeit von 1552 bis
1562 erschienen französischen Tragödien (A. Andrae) p. 349. ~ 192) E. Hack-
aufy Die älteste mitteleugliscbe Version der Assumptio Mariae (-tz-) p. 351. —
193)George Eliot by LesHeStephen(H.Hofföchulte)p.351.— 194) Pr.Kürschner,
200 englische Geschäftsbriefe (M. Steffen) p. 355. — 195) W. Rein, Encyklo-
pädisches Handbuch der Pädagogik p. 356. — 196) W. Lexis, Die Reform des
höheren Unterrichts in Preufsen (W. Grosse) p. 357. — 197) Meyers Grofses
Konversations-Lexikon p. 359. — Anzeigen.
183) Hugo Magnus, Die Metamorphosen des F. Ovidius Naso.
Für den Schalgebrauch erklärt. II. Bändchen. Buch VI— X.
2. Aufl. Gotha, Friedrich Andreas Perthes, A.-G., 1903. VI u.
194 S. 8.
Durch seine eingehenden „Studien zur Überlieferung und Eritik der
Metamorphosen Ovids" hat M. för die Gestaltung des Textes eine neue
und erheblich festere Grundlage hergestellt. Die Ergebnisse seiner sorg-
fältigen Forschungen sind vor allem der Neuauflage des vorliegenden
Bändchens zu gute gekommen, die der ersten Auflage (1885) gegenüber einen
ganz bedeutenden Fortschritt bezeichnet. Zunächst hat der Text eine
grofse Anzahl Änderungen und Verbesserungen erfahren. Die Abweichungen
Tom Texte der ersten Auflage sind S. m — vi übersichtlich zusammen-
gestellt. Leider fehlt jegliche nähere Angabe über die Herkunft der neu-
Verlag der WEIDMANNSCHEN BUCHHANDLUNG in Berlin.
Neuere Terte der UassMen Mologie nnS AltemoiswisseiiSGliafi.
Die Fragmente der Vorsokratiker. Griechisch und Deutsch von
H. Diels. gr. 8^. (X u. 601 S.) geh. Mk. 15.— in Leinw. geb. Mk. 16,50.
HerakleitOS von EpheSOS. Griechisch und Deutsch von H. Diels. gr. SP,
(XII u. 56 S.) geh. Mk. 2.40.
Beiträge zur alten Geschichte und Griechisch- Römischen
Altertumskunde. Festschrift zu Otto Hirschfelds sechzigstem Geburts-
tage, gr. Lex. 8. (X u 513 S ) geh. Mk. 20.—.
Die griechische Bt}hne. Eine architektonische Untersuchung von Otto
Puchstein. Mit 43 in den Text gedruckten Abbildungen, gr. 4. (VI u. 144 S.)
geh. Mk. 8.—.
Studien zur JliaS von Carl Robert, mit Beiträgen von Friedrich Bechtel.
gr. 8». (Vm u. 591 S.) geh. Mk. 16.—.
Antike Schlachtfelder in Griechenland. Bausteine zu einer antiken
Kriegsgeschichte von Johannes Kromayer. I. Band. Voo Epaminondas bis zum
Eingreifen der Römer. Mit 6 lithogr. Karten und 4 Tafeln in Lichtdruck,
gr. 8«. (X u. 352 S.) - geh. Mk. 12.—.
DlOniS CaSSlI COCCeianiy Historlamm Romanarum quae superunt.
Edidit Ursulus Philippus Boissevain. Vol. III, über LXI— LXXX. Xiphilini
epitome librorum 36—80. Adiecta sunt specimina phototvpica tria libri
Vaticani N. 1288. gr. S^ (XVIII u. 800 S.) Mk. 32.—. Vol. I Mk. 24.—.
Vol. II Mk. 28.—.
Poetarum Graecorum Fragmenta auctore udairico de wiiamowitz-
Moellendorff coUecta et edita. Vol. III faso. prior: Poetarum pKilosophorum
• fragmenta edidit H. Diels. gr. S^ (VIII u. 270 S.) Mk. 10.—. Vol. VI fasc.
1 Comicorum Graecorum fragmenta ed O. Kaibel. Vol. I fasc. 1. gr. 8°. (VIII
und 256 S.) geh. M. 10.—.
Der MimUS* Ein litterar-ent wickelungsgeschichtlicher Versuch von Hermann
Reich. I. Bd., 1. u. 2. Teil. gr. 8^. . geh. Mk. 24.-.-
1. Teil. Theorie des Mimus. (XII u. S. 1-413.)
2. Teil. Entwickelungsgeschichte des Mimus. (S. 414 — 900 mit einer Stammtafel.)
Die Tagesgötter in Rom und den Provinzen. Aus der Kultur
des Niederganges der Antiken Welt von Ernst Maass Mit 30 Abbildungen,
gr. 8^ (VII u. 311 S.) geh. Mk. 10.—.
Italische Landeskunde von Heinrich Nissen. IL Bd. Die Städte. 1. u, 2.
Hälfte, gr. 8^. (10O4 S.) ' geh. Mk. 15.-.
I. Bd. Land und Leute, gr. 8^. 1883. (VIH u. 566 S.) geh. Mk. 8.—.
Der Hannibalweg. Neu untersucht und durch Zeichnungen und Tafeln er-
läutert von Wilhelm Oslander. Mit 13 Abbildungen und drei Karten, gr. 8".
(VIII u. 204 S.) geh. Mk. 8,—.
InSCriptioneS latinae Selectae. Edidit Hermannus Dessau. VoL n.
pars I. gr. 8". (IV u. 736 S.) geh. Mk. 24.-.
Vol. L (VII u. 580 S.) 1892. geh. Mk. 16.—.
Druck von G. Bernstein in Berlin.
Neue Philologische Bnndschan Nr. 15. 839
aber, die zugleich auch Verbesserungen sind, werden sicherlich dem Buche
zu den bisherigen Freunden viele neue hinzuerwerben. Die erste Auf-
lage läfst sich neben der zweiten ganz bequem weiter gebrauchen.
Wilhelmshayen. O. Sohfiler.
184) K. Enaut, Comelii Tadti Historiamm libri qui supersunt.
Für den Schulgebrauch erklärt. I. Bändchen. Buch I. Gotha,
Friedrich Andreas Perthes, 1902. IV u. 102. 8.
Kurz nachdem seine Agricolaausgabe in zweiter Auflage erschienen,
beginnt En. die Gothaer Sammlung durch eine Bearbeitung der Historien
des Tacitus zu yervollständigen, die, nach der vorliegenden Probe zu ur-
teilen, ihrer Bestimmung ebenfalls aufs beste entsprechen wird. — Der
lateinische Text ist im ganzen nach Halms letzter Bezension gestaltet,
fär manche Stellen hat En. aus den Lesarten anderer Ausgaben eine gute
Auswahl getroffen; mit Vorteil sind auch Andresens paläographische Unter-
suchungen (Progr. des Askan. Gym. Berlin 1899 u. 1900) berücksichtigt
worden; so liest der Herausg. 68, 12 infesto agmine, 84, 6 td confusi;
warum nicht auch 39, 4 redire . . . petere? 51, 11 mufste, ebensowohl
wie 21, 5, geschrieben werden rursws. Andresens wohlbegründete Vor-
schläge zu 71, 9 und 74, 3 mögen En. doch noch allzu kühn erschienen
sein. 15, 22 würde ich blanditia et (Quintilian hat nur den Sing.!)
und 55, 16 den blofsen Abi. suggestu beibehalten haben.
Die Einleitung (S 1 — 10) besteht aus einer gedrängten „Vorgeschichte",
einem Abschnitt über die Abfassung der Historien und „Sprachlichen Be-
merkungen'S die natürlich nur auf die wichtigsten Eigenheiten des taci-
teischen Stils, unter Anführung von Beispielen, aufmerksam machen und
als Anknüpfungspunkte für weitere Belehrung dienen sollen. Die zweite
dieser Bemerkungen: „Das zusammengesetzte Verbum wird statt des
einfachen gebraucht'S kann ich in solcher Form nicht ohne weiteres
gelten lassen, am wenigsten in bezug auf die drei angeführten Beispiele;
denn exosculari steht I 45, 3 und II 49, 15 in sehr verstärkter Be-
deutung = zerküssen, brünstig küssen, etwa wie (manus) osculis conterere
(Sen. ep. 118, 3); expostulare hat namentlich I 45, 8 den besonderen
Sinn: die Auslieferung fordern; an anderen Stellen ist es ein nachdrück-
liches, stürmisches postulare. Ementiri endlich findet sich dreimal bei
Tacitus: II 42, 2 exeToitum ementiretur; 2, 66, 5 mortem sponte sump-
tffm ementitur; 13, 47, 10 auctorem eins doli SuUam ementitur — und
340 Nene PhilologiBche Eündschan Kr. 15.
in diesen drei Fällen ist wohl für die Wahl des Eompositams die Bflck-
sieht auf den Wohlklang mitbestimmend gewesen. Vgl. tantam rem
ementiare (Gic.) und tantam rem est mentitus (SalL). Dafs das Simplex
bei Tacitus überhaupt nicht vorkommmt, mufs demnach als etwas Zu-
fälliges betrachtet werden. — Auch die Bemerkung Nr. 10. b) „Adjek-
tiva werden passivisch statt aktivisch gebrauchtes trifft für 34, 7 credulus
und II 101, 8 lubricus meines Erachtens nicht zu.
Der Kommentar, durch zusammenfassende Inhaltsangaben übersicht-
licher gemacht, bringt in leicht fafslicher Sprache die erforderlichen Er-
klärungen uod Winke, diese zuweilen in geschickter Frageform; er gibt
Besultate tüchtiger Studien und ist in vieler Hinsicht reich an feinen
Beobachtungen. Passende Zitate aus Dichtern, namentlich aus Horaz,
werden zur Illustration eingestreut; so läfst sich für die wundervolle
Selbstironie „post fortunam credidimus*' (10, 15) kaum eine bessere Pa-
rallele finden als Hör. carm. HI 5, 1 Gaelo tonantem credidimus regnare
lovem! Die Übersetzung: „erst (so auch Both) nach seiner Thronbestei-
gung^' bringt übrigens meioes Erachtens jene Ironie nicht fein genug zum
Ausdruck; die Zeitpartikel mufs fortbleiben. — Simplicissime 15, 24 wird
durch den Gegensatz duplex ülixes (Hör. carm. I 6, 7), die Art der
„adoratio'' (36, 11) durch eine Pliniusstelle gut kommentiert; bei 15, 18
secundae res ... corrumpimur erinnert En. an Goethes Sentenz „Alles
in der Welt läfst sich ertragen, nur nicht eine Beihe von guten Tagonis
Derartige Hinweisungen auf Aussprüche gedankenreicher römischer wie
deutscher Dichter drängen sich ja überall bei der Lektüre des Tacitus
geradezu auf. Eu. versäumt aber auch nicht, wiederholt daran zu erinnern,
mit welchen rhetorischen Mitteln der Schriftseiler seine Schilderung be-
lebt, wie er z. B. Eap. 45 — 47 den plötzlichen Umschwung in der Volks-
stimmung, nach dem Erfolg des Verbrechens, anschaulich zu machen weifs.
Der taciteischen Breviloquenz und anderen stilistischen Eigentümlichkeiten
wird ebenfalls im Eommentar die nötige Beachtung gewidmet. Vom
pädagogischen Standpunkt aus dürfte kaum eine dieser Art von An-
merkungen als überflüssig erscheinen; hin und wieder vermisse ich eine
Erläuterung oder einen Wink für den Schüler; so werden die Eingangs-
worte des Eap. 8 Et hie (= tam varius, diversus) . . . multitudine, inhalt-
lich erst völlig klar durch einen Hinweis auf Eap. 4: varios motus ani-
morum . . . patres laeti, primores equitum , pars populi clientes libertique
plebs sordida, miles urbanus sqq.; 17, 1 liegt die Frage nahe, welcher
Nene Philologische KnndBchan Nr. 15. 341
Kasus intuentibus sei; vgl. 27, 8 requirentibus; 48, 4 ad hoc in der
besonderen Bedeutung „dazu, daffir^S fast wie 6,17, 2; sonst regelmäfsig
bei Tac. „ überdies ^^ 49, 14 metus temporum ostentui, wie so? —
Nicht ganz zutreffend gibt En. 13, 11 incuriose durch „fahrlässig*' wieder,
statt durch „leichtsinnig". 27, 8 praedia „ein Landgutes richtiger:
„ein Landhaus", nicht nur wegen Sueton und Plutarch (G. 24), son-
dern auch, weil die gewählten Stichworte höchst wahrscheinlich doppel-
sinnig gemeint waren. An das „verdächtig baufällige alte Haus" mufste
ich denken, als ich las, dafs seiner Zeit Orsinis Mitverschworenen die
Parole „acheter une maison" ffir „tuer Tempereur" gegolten habe. —
Zu 31, 10 adulta konnte wohl auf Cicero, Gat. I 12, 30 tarn adulta rei
publicae pestis, zu 34, 1 speciosiora suadentibus mit Fug auf Livius 22,
3, 8 hingewiesen werden: salutaria magis quam speciosa suadentibus. —
35, 7 turbae (= a turba) mit levaretur zu verbinden, halte ich fEir un-
richtig; nicbt von der hereindringenden Menge liefs sich O. forttragen,
vielmehr von seinen gewöhnlichen Sesselträgern; fehlte doch bei seinem
Auszuge auch die Leibkohorte als Begleitung nicht (41, 1 comitatae G.
cohortis). — Als lapsus calami oder Druckversehen, die sich übrigens von
selbst verbessern, notiere ich schliefslich : Einl. S. 3 Z. 15 v. u. und
Komm, zu 1, 15 1. odio st. studio, Komm, zu 6, 5 1. formidolosus, 6, 10
materia, 7, 6 implevit, 17, 10 retinentis, 27, 15 gaudiis, 60, 5 Coniunct.
Perf.; 36, 11 ist die Anm. zu non desum umzustellen.
Frankfurt a. M. Eduard Wolff.
185) Benedetto Romano, La oritica letteraria in Anlo Oellio.
Torino, Ermanne Loescher, 1902. VIII u. 118 S. 8. 2 Lire.
Im 2. Jahrb. trat in der römischen Literatur ein rascher Verfall der
Sprache, des Stils und der Eunstformen ein. Fronte und die Kritiker
seiner Schule bemühten sich, sie wieder zu beleben oder doch ihren Nieder-
gang aufzuhalten. Ein Spiegelbild ihrer literarischen Kritik bieten uns
die Noctes Atticae des Gellius, in denen sprachliche, grammatische, lite-
rarische, philosophische, historische Notizen in buntem Wechsel durchein-
ander gehen. Wenn also die wissenschaftliche und künstlerische Gliede-
rung, welche das Werk des grofsen Kritikers Quintilian auszeichnet,
dem Buche des Gellius fehlt und es so schon äufserlich den Stempel
einer Zeit des Verfalles an sich trägt, so hat es für uns doch einen
grofsen Wert, indem es uns zeigt, welchen Beichtum an literarischen
340 Neue Philologische Eündschan Kr. 15.
in diesen drei Fällen ist wohl für die Wahl des Eompositams die Bück-
sicht auf den Wohlklang mitbestimmend gewesen. Vgl tantam rem
ementiare (Gic.) und tantam rem est mentitus (Sali.). Dafs das Simplex
bei Tacitus überhaupt nicht vorkommmt, mufs demnach als etwas Zu-
fälliges betrachtet werden. — Auch die Bemerkung Nr. 10. b) „Adjek-
tiva werden passivisch statt aktivisch gebrauchtes trifft für 34, 7 crednlus
und II 101, 8 lubricus meines Erachtens nicht zu.
Der Kommentar, durch zusammenfassende Inhaltsangaben übersicht-
licher gemacht, bringt in leicht fafslicher Sprache die erforderlichen Er-
klärungen und Winke, diese zuweilen in geschickter Frageform; er gibt
Besultate tüchtiger Studien und ist in vieler Hinsicht reich an feinen
Beobachtungen. Passende Zitate aus Dichtern, namentlich aus Horaz,
werden zur Illustration eingestreut; so läfst sich für die wundervolle
Selbstironie „post fortunam credidimus" (10, 15) kaum eine bessere Pa-
rallele finden als Hör. carm. III 5, 1 Caelo tonantem credidimus regnare
lovem! Die Übersetzung: „erst (so auch Roth) nach seiner Thronbestei-
gung'' bringt übrigens meines Erachtens jene Ironie nicht fein genug zum
Ausdruck; die Zeitpartikel mufs fortbleiben. — Simplicissime 15,24 wird
durch den Gegensatz duplex ülixes (Hör. carm. I 6, 7), die Art der
„adoratio*' (36, 11) durch eine Pliniusstelle gut kommentiert; bei 15, 18
secundae res ... corrumpimur erinnert En. an Goethes Sentenz „Alles
in der Welt läfst sich ertragen, nur nicht eine Reihe von guten Tagen''.
Derartige Hinweisungen auf Aussprüche gedankenreicher römischer wie
deutscher Dichter drängen sich ja überall bei der Lektüre des Tacitus
geradezu auf. Eu. versäumt aber auch nicht, wiederholt daran zu erinnern,
mit welchen rhetorischen Mitteln der Schriftseller seine Schilderung be-
lebt, wie er z. B. Eap. 45 — 47 den plötzlichen Umschwung in der Volks-
stimmung, nach dem Erfolg des Verbrechens, anschaulich zu machen weifs.
Der taciteischen Breviloquenz und anderen stilistischen Eigentümlichkeiten
wird ebenfalls im Eommentar die nötige Beachtung gewidmet. Vom
pädagogischen Standpunkt aus dürfte kaum eine dieser Art von An-
merkungen als überflüssig erscheinen; hin und wieder vermisse ich eine
Erläuterung oder einen Wink für den Schüler; so werden die Eingangs-
worte des Eap. 8 Et hie (= tam varius, diversus) . . . multitudine, inhalt-
lich erst völlig klar durch einen Hinweis auf Eap. 4: varios motus ani-
morum . . . patres laeti, primores equitum , pars populi clientes libertique
plebs sordida, miles urbanus sqq.; 17, 1 liegt die Frage nahe, welcher
Nene Philologische KnndBchan Nr. 15. 341
Kasus intuentibus sei; vgl. 27, 8 reqnirentibus; 48, 4 ad hoc in der
besonderen Bedeutung „dazu, dafflr^S fast wie 6, 17, 2; sonst regelmäfsig
bei Tac. „ überdies '\ 49, 14 metus temporum ostentui, wie so? —
Nicht ganz zutreffend gibt En. 13, 11 incuriose durch „fahrlässig** wieder,
statt durch „leichtsinnig**. 27, 8 praedia „ein Landgut**, richtiger:
„ein Landhaus**, nicht nur wegen Sueton und Plntarch (G. 24), son-
dern auch, weil die gewählten Stich werte höchst wahrscheinlich doppel-
sinnig gemeint waren. An das „verdächtig baufällige alte Haus** mufste
ich denken, als ich las, dafs seiner Zeit Orsinis Mitverschworenen die
Parole „acheter une maison** ffir „tuer Temperenr** gegolten habe. —
Zu 31, 10 adulta konnte wohl auf Cicero, Gat. I 12, 30 tarn adulta rei
publicae pestis, zu 34, 1 speciosiora suadentibus mit Fug auf Livius 22,
3, 8 hingewiesen werden: salutaria magis quam speciosa suadentibus. —
35, 7 turbae (= a turba) mit levaretur zu verbinden, halte ich fflr un-
richtig; nicht von der hereindringenden Menge liefs sich O. forttragen,
vielmehr von seinen gewöhnlichen Sesselträgern; fehlte doch bei seinem
Auszüge auch die Leibkohorte als Begleitung nicht (41, 1 comitatae G.
cohortis). — Als lapsus calami oder Druckversehen, die sich übrigens von
selbst verbessern, notiere ich schliefslich : Einl. S. 3 Z. 15 v. u. und
Komm, zu 1, 15 L odio st. studio, Komm, zu 6, 5 1. formidolosus, 6, 10
materia, 7, 6 implevit, 17, 10 retinentis, 27, 15 gaudiis, 60, 5 Goniunct.
Perf.; 36, 11 ist die Anm. zu non desum umzustellen.
Frankfurt a. M. Eduard Wolff.
185) Benedetto Romano, La oritica letteraria in Anlo Oellio.
Torino, Ermanne Loescher, 1902. YIII u. 118 S. 8. 2 Lire.
Im 2. Jahrh. trat in der römischen Literatur ein rascher Verfall der
Sprache, des Stils und der Eunstformen ein. Fronte und die Kritiker
seiner Schule bemflhten sich, sie wieder zu beleben oder doch ihren Nieder-
gang aufzuhalten. Ein Spiegelbild ihrer literarischen Kritik bieten uns
die Noctes Atticae des Gellius, in denen sprachliche, grammatische, lite-
rarische, philosophische, historische Notizen in buntem Wechsel durchein-
ander gehen. Wenn also die wissenschaftliche und künstlerische Gliede-
rung, welche das Werk des grofsen Kritikers Quintilian auszeichnet,
dem Buche des Gellius fehlt und es so schon äufserlich den Stempel
einer Zeit des Verfalles an sich trägt, so hat es fflr uns doch einen
grofsen Wert, indem es uns zeigt, welchen Beichtum an literarischen
342 Neue Philologische Bundschan Nr. 15.
Schätzen man damals noch besafs, und uns viele Proben aus unter-
gegangenen Schriften erhalten bat. Eine Schrift über Oellius hat also
ein gewisses Interesse.
Oellius hatte zu Lehrern den Sulpicius ApoUinaris, Antonius Julianus,
T. Castricius und den Philosophen Favorinus; durch sie wurde er auch
bei Fronto eingeführt. Die Schule des letzteren befafste sich nicht streng
mit Bhetorik oder sachlicher Kritik, sondern mehr mit dem Wortschatz
und Stil. Die Ausdehnung des Beiches hatte die Aufnahme neuer Wörter
und Wendungen in die Sprache und Literatur herbeigeführt; die Fronto-
nianer bevorzugten das reine, archaische Latein. Namentlich verwarfen
sie das Übermafs bildlicher Wortanwendungen, durch welche die Präzision
der Sprache litt; so mifsbilligt Oellius die Redensart superesse alicui statt
causam alicuius defendere.
Im besonderen erörtert Romano die Ansichten und urteile des Oellius
über die Bedekunst, Oeschichtschreibung, dramatische, epische und lyrische
Poesie. Er schildert die attische und asiatische Bedegattung, die Vorzüge
und Mängel der Beredsamkeit des alten Cato, des C. Oracchus, Cicero und
Seneca und führt die urteile des Oellius über sie vor. Neben Cicero
schätzt dieser Gates Beden hoch und weist die von Tiro gegen Catos
Bede für die Bhodier erhobenen Ausstellungen geschickt zurück.
Die stilistisch gewandten Oeschichtschreiber der Kaiserzeit, Livius
und Tacitus, wurden von den Frontonianern ignoriert. Sie waren begeistert
für die einfache und kunstlose Erzählung des Claudius Quadrigarius mit
ihren wirksamen Archaismen und für die moralisierende und archaisch
gefärbte Darstellung des Sallust. Auch Catos Origines und Gäsars Kom-
mentare übergeht Oellius mit Schweigen; von Nepos dagegen, der die alte
Sittenstrenge der Verderbnis seiner Zeit gegenüberstellte, erwähnt er vier
Werke. Bomano meint, der lateinische Fabius sei blofs eine Übersetzung
des griechischen; aber nach der Art, wie Cicero den Pictor anführt, war
er ein selbständiger Autor, wenn auch der griechische Fabius seine Haupt-
quelle sein mochte.
Bomano schildert die römischen Dichter der Beihe nach, bespricht
ihre griechischen Vorbilder und führt die Angaben des Oellius über beide
vor. Über Menander urteilt Oellius treffender als über die Bömer, bei
denen er hauptsächlich sprachliche und grammatikalische Einzelheiten
hervorhebt. Die Lyriker Horaz und Ovid ignoriert er bomierterweise und
schätzt Catull und ältere Dichter übermäfsig. Als Epiker wird Virgil
I
Neue Philologische Bandschaa Nr. 15. 343
geziemend gewfirdigt; mit Ennios trieben die Frontonianer einen wahren
Kultus. In der EomOdie schätzt Oellins mit Becbt den Plantus am
höchsten; in der Tragödie weist er dem Pacnvius den ersten Platz an.
In der Togata lobt er den Afranins, in der Atellana den Novius und
Pomponius; im Mimus entschuldigt er die frechen Wortbildungen und
Solöcismen des Laberius mehr als nötig ist. — Aufgefallen ist mir die
übliche Erklärung von Virg. Aen. VI, 763 Süvius, Älbanum nomen, tua
posiuma proles, quem tibi longctevo serum Lavinia coniunx educet sihis.
Die Behauptung des Caeselius Vindex: „postuma proles non eum signi-
ficat, qui patre mortuo, sed qui postremo loco natus est'* ist unwahr.
Sie setzt zudem voraus, dafs Virgil hier der allgemeinen Überlieferung
entgegentrat, und ffihrt zu dem Unsinn, dafs Lavinia zu Lebzeiten des Äneas
im Walde gehauset habe. Also mufs man tibi hngaevo mit coniunx
verbinden: Lavinia, die Gattin deines Alters.
Burgdorf bei Bern. P. Lnterbaoher.
186) Gustav Körting, Lateinisch -Bomanisches Wörterbuch.
Zweite vermehrte und verbesserte Ausgabe. Paderborn, Ferdinand
Schöningh, 1901. VII u. 1252 Sp. 4.
Die erste Auflage dieses ausgezeichneten Wörterbuches ist in dieser
Zeitschrift (Jahrg. 1890, S. 269f und weiterhin Jahrg. 1892, S. 311) an-
gezeigt worden. Dafs schon nach verhältnismäfsig so kurzer Zeit eine
neue Auflage nötig geworden ist, beweist am besten, einem wie grofsen
Bedürfnis das Buch entgegengekommen ist. In der Tat leistet das Lexikon
zunächst der Romanischen Wortforschung die trefTlichsten Dienste durch
die Beichhaltigkeit seines Materials, das in sehr zweckmäfsiger Anordnung
katalogisiert ist, durch die ansprechende und verständige Entwickelung seiner
Ableitungen, durch die Zuverlässigkeit der Beläge und die ausgiebige An-
führung der wichtigsten einschlägigen Literatur. Dafs auch der Latinist
sich mit Vorteil dieses Registers bedienen kann, sei es um Auskunft über
die Quantität eines lateinischen Wortes aus der romanischen Praxis zu
erhalten, oder um Schlüsse auf ehemalige Existenz eines literarisch
nicht mehr zu belegenden Wortes oder einer Form im Latein zu ziehen,
ist hier s. Z. schon ausgeführt worden. Für das Studium des alten wie
des Vulgärlateins, für die Beschäftigung mit dem Mittellatein wie mit den
glossographischen Sammlungen gibt das Wörterbuch Körtings manchen
Anhalt und Wink.
344 Nene Philologische RnndBchan Nr. 15.
Gegen die erste Auflage weist diese zweite eine nicht unerhebliche
Vermehrung des Stoffes auf, insofern die Summe der Stichworte um mehr
als 1500 zugenommen hat und auch innerhalb der einzelnen Artikel
mehrfach erweiterte AusfBhrungen gemacht sind. Hatte die erste Auflage
mit Nachträgen im Hauptteil 828 Spalten, so zählt man jetzt im ent-
sprechenden Abschnitte 950 Spalten; ebenso hat der üm&ng des romanischen
Wortverzeichnisses zugenommen. Dagegen ist das deutsch-romanische fie-
gister diesmal fortgeblieben. Wenn das Werk schon bei seinem ersten Er-
scheinen groCse und wohlverdiente Anerkennung gefunden hat, so gebührt
der zweiten, die sich mit Becht eine vermehrte und verbesserte nennt, das
Lob in gesteigertem Mafse. Bef. ist überzeugt, dafs bei den regen Studien,
die man jetzt der späteren Latinität wie der romanischen Sprachforschung
widmet, die nächste Auflage in noch kürzerer Zeit erreicht werden wird
als die vorliegende.
187) Tommaso Montanari, Funto per punto. Dimostrazione della
completa assurditä di tute le vecchie ipotesi intorno alla via
d'Annibale dal Bodano al Po. Mantova, Selbstverlag des
Verfassers, Via B. Grazioli 11, 1903. 90 S. 8. L. 1.20.
In 46 Abschnitten sucht Montanari die Ungereimtheit aller bis-
herigen Ansichten über Hannibals Weg von der Bhone an den Po zu
erweisen. Nach Avienus or. marit. 683 nannte man einen von der Bhone
gebildeten See vor alters Accion (vgl. Pauly-Wissowa 1, 140). Man hielt
ihn bisher für den einzigen bekannten Bhonesee, den Leman. Nach Mon-
tanari dagegen bedeckte der Accios (?) in ältester Zeit die ganze Ebene
des Departements Vaucluse, die Gegend von Orange, Avignon, Nimes; er
verschwand erst im letzten Jahrh. v. Chr. vollständig. Ein Teil von
Hannibals Truppen sah ihn noch, parvcte insulae circumfusum amnem
Liv. 21, 27, 4. In diesen See flofs die jetzige Durance; zu dieser kam
man zunächst von Massilia her. Man hielt sie für den Hauptzuflufs des
Sees, welcher dem ausfliefsenden Bhodanus entspreche. „Es kann nicht
dem geringsten Zweifel unterliegen, dafs der Bhodanus der alten Massi-
lienser, des Aristoteles, des Polybius die Durance war'* (S. 87). Die
Insula wird nach Montanari von der Durance und dem Verden ein-
geschlossen ; ihre Bewohner waren nach Polyb keine Allobrogen , sondern
sie lebten mit den Allobrogen in Feindschaft. Hannibal fiberschritt die
Bhone unterhalb der Mündung der Durance bei Aramont-Barbentane,
Neue Pbilologiaohe Bnndschaü Kr. 15. 345
folgte dem linken Ufer der Darance, überschritt den Verden und er-
reichte Biez. Dann setzte er über die Bhone = Darance und zog dem
Gebiet dem Vocontier entlang zu den Tricastinern, über Sisteron, Montrond,
Veynes, Qap. Von hier f&llt sein Weg im wesentlichen zusammen mit
der späteren Beiseroute über die Alpis C!ottia.
Diese ganze Konstruktion Montanaris entbehrt jedes soliden Funda-
mentes; sie steht im Widerspruch mit klaren Worten Polybs; sie mutet
Hannibal und Scipio eine unbegreifliche Strategie zu; sie Iflfst unerklärt,
wie der Name Bhodanus von der Durance auf den Ausflufs des Oenfersees
fibergegangen sei.
Für die Existenz eines Sees von Vaucluse in historischer Zeit fehlt
jeder Beweis. Er hätte die Massilienser nicht aufgehalten, mit Schiffen
nach Norden vorzudringen und das Haupttal der Bhone von dem Seitental
der Darance zu unterscheiden, zumal nachdem Pytheas von Massilia ein
Jahrhundert vor Hannibal die Westküste Europas umschifft hatte (Pauly
VI, 331). — Polybius sagt 3, 41, 7: Von den Pyrenäen kam Hannibal,
indem er das Sardinische Meer zur Bechten hatte, an den Bhoneübergang.
Die Bestimmung der Bichtung mag für die zwei letzten Tagemärsche
nicht passen, aber für den ganzen Weg ist sie zutreffend. Montanari
(S. 20) hält es für unmöglich, Hannibal weiter nördlich als bis Aramont
gehen zu lassen, weil er sonst das Meer in den Bücken bekäme. — Polybius
berichtet 3, 42, l, Hannibal sei ungefähr vier Tagemärsche vom Meere
über die Bhone gegangen. Montanari (S. 22) bestimmt die Strecke Mar-
seille— Barbentane auf 89 km und meint, ein nördlicherer Übergang
vertrage sich nicht mit einer Distanz von vier Tagemärschen. Er selbst
setzt die Strecke vom Bhoneübergang bis Vinon am Verden auf 72 römische
Meilen an, == 108 km , und Hannibal erreichte doch die Insel in vier
Tagen. — Nach dem Bhoneübergang zog Hannibal nach Polybius 3, 47, 1
Ttafä vdv Tttyva^bv äitb d'akdvr'qg (hg elg ir^y fieadyaiov zfjg EvQ(&7crigj der
Bhone entlang vom Meere weg gegen das Innere von Europa. Das ist
doch unsere Bhone, nicht die Durance. Nach Montanari dagegen zieht
Hannibal einfach in der alten Bichtung am Sardinischen Meere weiter. An
die Bestimmung dg zfjv ^eadyatov vfjg EÖQ(lf7trig knüpft Polybius seine
Schilderung des Bhodanus. Er läfst ihn nördlich vom Adriatischen Meer
entspringen, nördlich der Alpen und an der Grenze des Oebietes der Äduer
(LiQÖveg) dahinfliefsen. Den Lauf der Durance hatten denn doch die
Handelsreisenden von Massilia insoweit kennen gelernt, dafs man ihre
346 Neue Philologiache fenndBchan Kr. 15.
Quelle nicht nördlich vom Adriatischen Meere ansetzte. Dagegen ist es
begreiflich, dafs man zu Polybius Zeit den oberen Lauf der Bhone nicht
kannte und sich über ihre Länge eine übertriebene Vorstellung machte.
Burgdorf bei Bern. P. Laterbaoher.
188) Faul KiBBon, HiBtoire sommaire du CJommeroe. Paris,
Librairie classique Eugene Belin fr^res, 1902. 384 S. 8.
Während es sich im Geschichtsunterricht in IV bis ü II im wesentlichen
um Einprägung der wichtigsten Tatsachen aus der Weltgeschichte handelt,
hat der Unterricht in den oberen Klassen eine gröfsere Aufgabe. Er
erfordert eine eingehende Berücksichtigung der Ver&ssungs- und
Eulturverhältnisse. Die Lehrpläne und Lehraufgaben für die höheren
Schulen in Freufseu von 1901 verlangen in den „Methodischen Bemer-
kungen für die Geschichte'^ S. 48: „Namentlich wird den Schülern An-
leitung zu geben sein, dafs sie solche Erscheinungen des geistigen und
wirtschaftlichen Lebens, die von wesentlichem Einflufs auf die Volksent-
wickelung gewesen sind, genügend würdigen lernen.'^ Eins der hier zu
behandelnden Kapitel ist die Geschischte des Handels, der auf die Beziehungen
der Völker untereinander von grofsem Einflufs war und ist. Man denke
nur an die Kontinentalsperre Napoleons gegen England und den Zollverein,
sowie an das Verhältnis Englands zu Deutschland im letzten Jahrzehnt!
Mit Becht sagt daher Bissen: „L'histoire du commerce, c'est-ä-dire
de la circulation des produits naturels et fabriquäs, est le chapitre le plus
important peut-Stre de l'histoire g^nörale.'' Das Werk Histoire sommaire
du Commerce des genannten Verfassers ist den Lehrern der Geschichte
sehr zu empfehlen. Es enthält in 49 Kapiteln einen kurzen Überblick über
den Handel von den ältesten Zeiten bis zur Jetztzeit Es behandelt die
Ägypter, die Assyrier und Ohaldäer, die Israeliten, die Phönizier, die
Meder und Perser, Griechenland, das Bömerreich, die Karthager, Gallien,
das byzantinische Beich, die Araber, die Kreuzzüge, den französischen
Handel bis zum hundertjährigen Kriege und während desselben, die Ent-
stehung der Städte in Europa, den Hansabund, Genua, Venedig, Florenz u. s.w.
Vieles davon läfst sich schon im Geschichtsunterricht der mittleren Klassen
verwenden. Für die oberen Klassen ist besonders die Neuzeit, in welcher
der Handel durch die Erfindungen und Entdeckungen einen ungeahnten
Aufschwung genommen hat, von Wichtigkeit. Selbstverständlich steht
hier der Handel Frankreichs im Vordergrund, daneben geben aber auch
Neue Phflologi0oh6 Bnndicbaa Nr. 16. 347
einzelne Kapitel Aufschlafs fiber die Bivalität Hollands und Englands im
17. Jahrhundert, die Eroberung Indiens, den Unabhängigkeitskrieg der
Vereinigten Staaten, den Zustand Europas am Ende des 18. Jahrhunderts,
England von 1815—1850, den Zollverein, die Jetztzeit (1870 — 1901).
Die geschichtlichen Tatsachen sind nirgends au&er acht gelassen, der
Hauptwort ist aber auf den Handel der einzelnen Völker gelegt. Die Oe-
schichte der Eolonieen ist mit besonderer Sorgfalt behandelt. 19 Karten
sind beigegeben.
An realistischen Anstalten (und Handelsschulen) liefse sich das Buch
auch in einer Auswahl mit Nutzen als französische Lektüre verwenden.
Hier kämen natürlich nur die lotsten Kapitel in Betracht. Das Werk
hat vor ähnlichen LektürestoSen den Vorzug, dals es den Einfluls des
Handels auf die Beziehungen der Völker stets im Auge behält und im
Stoff nicht zu sehr ins einzelne geht, wodurch den Schülern ein klarer
Überblick ermöglicht wird. Manche französischen Schulausgaben behandeln
nämlich einzelne Abschnitte des Handels in einer AusfQhrlichkeit, dafs
nicht allein den Schülern, sondern auch dem Lehrer jede Lust daran vergeht.
Crefeld. P. WeyeL
189) H. Ludwig I Lateinisohe Stilübungen für Oberklasaen an
Gymnasien und Bealgymnasien. Stuttgart, Bonz & Co., 1902.
Teil I: VII u. 148 S. 8. — Teil U: Übersetzung. 98 S. 8.
Der Verf. hat den glücklichen Ein&ll gehabt, einen reichen Schatz,
an dem die meisten bisher achtlos vorübergingen, für den Unterricht aus-
zuwerten. In der richtigen Voraussetzung, dafs die Texte, die den Schülern
bei den Reifeprüfungen zur Übersetzung ins Lateinische vorgelegt werden,
meist sorgfältig darauf berechnet sind, möglichst vielseitige Gelegenheit
zur Erprobung der Grammatikfestigkeit und Stilgewandtheit zu geben,
hat er solche Aufgaben in grofser Anzahl (140) gesammelt und ihre schul-
mäfsige Behandlung dadurch erleichtert, dafs er sie mit Verweisungen auf
die Grammatik (von Landgraf) und anderen Anmerkungen ausgestattet hat.
Somit bietet er — und darin besteht die Eigenart des Buches — einen
Cbungsstoff, dessen Brauchbarkeit in der Praxis schon erprobt, ja gewisser-
mafsen amtlich anerkannt ist und der sich durch eine Mannigfaltigkeit
und Vielseitigkeit auszeichnet, die bei Stilübungen, die von einem ein-
zelnen Verfasser entworfen werden, von vornherein ausgeschlossen ist.
Zu bedauern ist, dafs die Sammlung in einer Beziehung doch ein-
348 Nene Ffailologische RnndBohati Nr. 15.
seitig ist. Es haben nämlich in ihr fast nur wfirttembergische Prfifungsthemen
Aufnahme gefunden (135 von 140). Diese Beschränkung dient ihr gewifs
an schwäbischen Anstalten zur Empfehlung, schliefst aber bei der Ver-
schiedenheit des Lehrzieles ihre Verwendung als Lehrbuch in anderen
ünterrichtsbetrieben aus. Trotzdem können die StilQbungen der Beach-
tung jedes Fachgenossen warm empfohlen werden. Denn wenn sie auch,
wie das bei einer solchen lanx satura selbstverständlich ist, nicht in allen
Teilen gleichwertig sind, so bieten sie doch nach Form wie Inhalt eine
Fülle von Anregung und Belehrung.
Auch die lateinische Übersetzung, die der Verf. im zweiten Teile
gibt, verdient alles Lob. Sie hält sich zwar nicht fiberall von VerstOfsen
gegen den klassischen Sprachgebrauch frei und ist mit seltenen, dem
Tacitus oder anderen späten Schriftstellern entlehnten Wendungen durch-
setzt, wiegt aber diese kleinen Mängel durch Frische und Prägnanz des
Ausdruckes reichlich auf.
Potsdam. B. Kraase.
190) Koroeaux choisiB de Alfred de Vigny. Po^ie et Prose.
Paris, Librairie Gh. Delagrave. 504 S. 16. fr. 3.50.
Die vorliegende Auswahl ist ein Gegenstück zu den in gleichem
Verlag erschienenen Morceaux choisis de Victor Hugo. Sie wird eingeleitet
durch eine Biographie des Dichters aus der Feder Louis Batisbonnes, des
treuen Freundes und literarischen Erben des Romantikers, die in ihrem
ersten Teil kurz nach Vignys Tod im Journal des D^bats erschienen ist,
und die Batisbonne bei seiner Ausgabe von Vignys Journal d*un Poite
erweitert hat. Diese Einleitung gibt uns nicht allein die blofsen Daten
von des Dichters Leben und Werken, sie gestattet uns zugleich manchen
Einblick in das Seelec^eben des feinfählenden Dichters, wenn auch hie
und da die Objektivität des Biographen in der Wertschätzung der ein-
zelnen Werke, beispielsweise der Destin^es, durch sein Verhältnis zu
dem Dichter zu stark beeinflufst wird. — Die Auswahl umfafst drei Teile:
Oeuvres po^tiques-Thfttre-Prose. Sie bringt die Werke teils vollständig,
teils gekfirzt unter Hinzufügung einer Einleitung und von Inhaltsangaben
der unterdrückten Teile, zuweilen auch der gar nicht aufgenommenen
Stücke, z. B. von La Mar^chale d'Ancre. Alles in allem kann man sich
mit der getroffenen Auswahl wohl einverstanden erklären: so ist mit
Recht in Stelle der Tod Chattertons weggelassen, dafar aber das Drama
Nene Fhilolo^he Randsehau Nr. 15. 849
Ghatterton fast voIlstaDdig gegeben. Andrerseits vermilist man einiges nnr
nngem: in Eloa, von dem nur der 3. Gesang aufgenommen ist, die Klage
des gefallenen Lucifer, unter den Dramen einige Szenen aus Le More de
Yenise, die Yignys Meisterschaft in der Übersetzung Shakespeares gezeigt
hätten. DafBr konnte die Auswahl aus den poetisch weniger wertvollen
Destinto noch geringer sein. Aus der Novellensammlung Servitude
et Grandeur militaires haben die beiden rührenden Erzählungen Laurette
ou le dachet rouge und La Veill^ de Vincennes sowie die Erzählung
La Yie et la Mort du capitaine Benaud ou la Ganne de jonc Aufnahme
gefunden. Geschickt ist die Auswahl aus dem Journal d'un po^te getroffen,
insbesondere aus den Pens^es et r^flexions diverses, in denen der Dichter
manche Wahrheiten in schöner Form ausspricht, die aber auch die oft recht
pessimistischeLebensanschauung des in seinen Erwartungen vielfach getäuschten
Dichters zeigen, der schon im Jahre 1824 schreibt: II est bon et salu-
taire de n'avoir aucune esp^rance. L'esp^rance est la plus grande de nos
folies. Den Schlufs der Auswahl bilden die Satire auf den Philosophen
Boger-Gollard, der hochmfitig auf den um einen Sitz in der Acad^mie
sich bewerbenden Dichter herabblickt, und auf M. de Barante, der den
Dichter verantwortlich macht fSr Dinge, an denen letzterer [^ völlig un-
schuldig ist, aus Mes visites ä TAcad^mie.
Der klare, wenn auch kleine Druck auf schönem Papier dient eben-
falls zur Empfehlung der Auswahl, wie auch der Umstand, dafs der Text
fast fehlerfrei ist. (S. 6 mufs als Datum der Geburt des Dichters der
27., nicht der 17. März 1797 angegeben werden; S. 132: Lauderdale
statt Landerdale.)
Gleiwitz. L. KUager.
i9i) Karl Böhm, Beiträge zur Kenntnis des Einflusses
Senecas auf die in der Zeit von 1552 bis 1562 erschienenen
französischen Tragödien. Erlangen und Leipzig, A. Deichertsche
Verlagsbuchhandlung Nachf. (Georg Böhme), 1902. XVI und
163 S. 8. (Mfinchener Beitr. z. roman. und engl. Phil. Herausg.
von H. Breymann und J. Schick. XXIV. Heft.) Ji 4.-.
Von den von 1552 bis 1562 erschienenen französischen Renaissance-
Tragödien zieht der Veriiisser sechs näher in den Kreis seiner Unter-
suchungen, nämlich die „Eleopatra'^ und die „Dido*' Jodelles, die „Medea"
des La Perfise, den „Julius Cäsar" Grevins und noch die „Sultanin"
350 Nene Pbilologuehe RaBdaehan Nr. 15.
BouniiiB und den „Aman^* Bivaudeaus, Stficke, welche mehr ane einem
Kolleg über franzöBische Literatar im 16. Jahrhundert ak aus eigener
Lektüre bekannt sind, in denen sich aber, wie auch in der in demselben
Zeitraum erschienenen „Sophonisbe^^ Saint *Qelais\ sehr beachtenswerter
Weise bereits Stoffe bearbeitet finden, die, von dem der „Soltane"
und des „Aman'^ abgesehen, der Weltliteratur angehören und die
immer wieder, von früh bis jetzt, in das poetische Gewand eing^
kleidet sind. So wurde noch vor einigen Jahren, im Oktober 1898,
eine „Mäd^^^^ drame en trois actes, en vers, von Catulle Mendte im
Pariser „Benaissanee-Theater"^ zum ersten Mal aufgeführt, und jetzt auch,
mit gleichem Erfolg, am 20. Juni 1903 im „Th6ätre-Fran9ai8'S Medea,
„la l^gendaire et myst^rieuse enchanteresse qui inspira i6}k Euripide,
S^n^ne, Corneille et bien d'autres'^ Der Verfasser selbst nennt sein
Stück eine „Imitation, trop peu ressemblante, du chef-d*oeuvre d'Euripide'^
Dafs ebenso der Sophonisbestoff bis in die neueste Zeit weiterlebt, be-
weist die fünfaktige Tragödie „Massinissa und Sopfaonisbe'' von Carl
Hardt 1903.
Die Yonmtersuchungen des Verfassers besch&flägen sich hauptsieh-
lich mit der Überlieferung der Seneca- Tragödien, sowie den Drucken und
Aufführungen der französischen Tragödien, und er kommt dann in
vier Kapiteln zu dem Ergebnis, dafs die in Frage stehenden franzö-
sischen Tragödien hinsichtlich ihrer Komposition und Konstruktion
mehr oder weniger nach Seneca gearbeitet sind, dafs sie gleichsam „Kopieen
Senecafi" sind. Für Jodelle, der am selbständigsten ist, kommen auüaer
Seneca noch griechische Vorbilder in Betracht. La Perüse entlehnt eben-
falls bei Enripides, doch folgt er in der Hauptsache der gleichnamigen
Seneca -Tragödie. Ebenso müssen der „C^ar'', die „Soltane'' und der
„Aman'' als Seneca -Kopieen bezeichnet werden. Die Arbeit, wohl eine
Promotionsschrift, ist mit viel Liebe und Fleifs hergestellt. Übertrieben
und teilweise auch überflüssig erscheint uns aber das viele Operieren mit
Zahlen, ganzen und gebrochenen, und Oleicbungen, sodafs man manch-
mal glauben könnte, eine arithmetische Abhandlung vor sich zu haben.
Wilhelmshaven. A«g«st Aiidrae.
\
Nene Philolog^Bohe Bnndfleh«! Nr. 15. 361
192) E. Haekanf, Die älteste mittelenglisohe Venion der
ÄBSumptio Kariae. (= Englische Textbibliothek, heraus-
gegeben von J. Hoops, 8.) Berlin, E. Felber, 1902. XXXUI
n. 100 S. 8. Ji 3. — .
Das hier zum ersten Male kritisch herausgegebene Gedicht von der
Himmelfahrt Marias ist eine der ältesten mittelenglischen Legenden. Es
entstand spätestens um 1250, wahrscheinlich aber schon im zweiten Viertel
des 13. Jahrh. Der Verf. ist sicher ein Geistlicher, vielleicht der Erzbischof
Edmund von Ganterbury, auf den auch die Mundart ganz gut pafst; sie ist
die des mittleren Südens mit kentischer Färbung. Überliefert ist das
Werk in sechs Handschriften, von denen vier noch nicht gedruckt, alle
aber bis auf eine vom Herausgeber benutzt sind. Über ihr Verhältnis
zueinander und das zu anderen mittelenglischen Fassungen der Geschichte
handelt Hackauf im ersten Kapitel seiner Einleitung, wobei er mehrfach
schon ältere Untersuchungen ergänzen und berichtigen kann. Die Form
des Gedichtes ist das kurze vierhebige Beimpaar, das aber mit grolser
Freiheit behandelt ist. Ästhetisch nimmt das Werk keine besonders hervor-
ragende Stellung ein, gehört aber mit seiner Einfachheit und schlichten
Natfirlichkeit noch immer zu den besten von seinesgleichen. Der Text
ist so eingerichtet, dafs V. 1 — 250 nach der besten, aber nur soweit
reichenden Handschr. J., der Best nach dem zweitbesten Manuskript C
wiedergegeben ist, während die Abweichungen der anderen Handschr. im
Variantenapparat verzeichnet sind. Die Anmerkungen erörtern vorwiegend
noch textkritische, dann aber auch metrische, sprachliche und sachliche
Fragen. — Wir halten die handliche kleine Ausgabe, namentlich auch
wegen der verschiedenen Mundarten der einzelnen Handschriften, für sehr
geeignet, in Seminaren zur Einführung ins Mittelenglische wie auch in
die Textkritik zu dienen.
193) EngliBh Men of lettres. Oeoirge Eliot by Leslle Stephen.
London, Macmillan & Co., o. J. [1902]. 212 S. 8. geb. 2 Bh.
Da George Eliot — Mary Ann Evans — zum deutschen Geistes-
leben manche Beziehungen unterhielt und in der schier endlosen Zahl
englischer Romanschriftsteller zu denjenigen ^^Novelists** gehört, die in
Deutschland die meisten Leser und viele Bewunderer gefunden, so wird
vorliegende in der Sammlung der ^'English Men of Letters'' jüngst er-
schienene Darstellung ihres Lebens und Bildungsganges, sowie die
B62 Sega Philologigcha Btmdscbati Wr. 16.
Wflrdigung ihrer Werke auch in Deutschland verständnisvolle Leser finden,
besonders da sie von einem Manne gegeben sind, der schon durch ver-
schiedene gröbere und kleinere Werke literar- und kulturhistorischen
Ciharakters die Gediegenheit seines Urteils bewiesen hat.
George Eliot ist die Schilderin englischen Lebens in der Provinz.
''The Scenes of Olerical Life, Adam Bede, Silas Mamer, and The Mill of
the Flofs, probably give the most vivid picture now extant of the manners
and customs of the contemporary dwellers in the midland counties of
England'' (p. 4). In ländlichen Verhältnissen aufgewachsen ''she deve-
loped slowly, and was many years ignorant of her own truest powers"
(p. 16). Erst 31 Jahre alt, verläfst sie nach dem Tode ihres Vaters
Warwickshire, um nach London fiberzusiedeln, wo Mr. Ghapman, der Eigentümer
der Westminster Beview, sie zum „assistant-editor'' ernannte (p. 40). Unter
den zahlreichen literarischen Gröfsen, deren Bekanntschaft sie machte,
wurden besonders Herbert Spencer und George Henry Lowes, der bekannte
Goethe -Biograph, von gröfstem Einflüsse auf Eliot, die sich in ihrem
philosophischen Denken und Fühlen sehr zu diesen Männern hingezogen
fühlte. Über das Verhältnis zwischen ihr und Lowes ^) sagt Stephen
p. 46: George Eliot held that the circumstances justified her in forming
a Union with Lowes, which she considered as equivalent to a legitimate
marriage. I have not, and I suppose that no one now has, the knowledge
which would be necessary for giving an opinion as to the proper dis-
tribution of pndse and blame aniong the various parties concerned, nor
shall I argue the ethical question raised by George Eliot*s conduct. It
may be a pretty problem for casuists whether the breach of an assumed
moral law is aggrevated or extenuated by the offender's honest conviction
that the law is not moral at all. George Eliot at any rate emphatically
took that Position** (p. 47).
In der ersten Periode ihrer selbständigen schriftstellerischen Tätig-
keit führt George Eliot in Scenes of Olerical Life, Adam Bede, The Mill
on the Flofs, Silas Mamer vielfach Selbsterlebtes vor, und man darf sagen,
dafs in diesen ihren bedeutendsten Bomanen *^the memories of early days
are the dominant fsißtov in her imaginative world*' (p. 112). Selbstredend
1) Lowes had married in 1840. He was at this time liviDg in the same honse
with Thornton Hont, who had edited the "Leader" in co-operation with him. Mrs. Lewes
perferred Thornton Hont to her hnshand, to whom she had already bome children
(cf. Stephen p. 46).
Neae Philologische Bandflchau Nr. 15. 858
ist 68, dals "the effect of her philoBophical studies npon her imaginative
work was very marked'' (p. 51), ohne dafs jedoch behauptet werden
konnte, dafs '' she had changed her novels into Propagandist manifestoes"
(p. 115). '*She had acquired a cordial respect and sympathy for creeds
embodied even in cmde and superstitious dogmas; and she had, therefore,
described many types, which in less thoughtful minds suggested only
absurdities and provoked caricatnres with the intention of laying stress
npon the nobler aspirations of snch hnmble people as Sihis Mamer and
Dolly Winthrop'* (p. 115). — ''Adam Bede placed the author in the first
rank of the Yictorian novelists" (p. 66), wohingegen ''Silas Mamer is
often considered to be her most perfect artistic Performance** (p. 105),
Hervorzuheben sind in ihren Bomanen die Frauencharaktere: ''Her women
are — so far as a man can judge — unerringly drawn. We are
convinced at every point of the insight and fidelity of the analysis; but
when she draws a man, she has not the same certainty of touch*' (p. 97),
Während nun die "spontaneity of the early novels is beyond all doubt**
(p. 118), hat die Ab&ssung ihrer späteren Werke stets viel "study and
labour*' (p. 122) gefordert. Trotz vieler Mühe "to familiarise herseif with
the manners and conversation of the inhabitants of Florence'* (p. 128),
ist es ihr nicht gelungen, sich in das Florenz des 15. Jahrhunderts zurück-
zaveisetzen, wie sie dies in Bomola, ihrem ersten historischen Boman,
beabsichtigt: "She proceeded to get up the necessary knowledge; but with
the result like that which happens when a manager presents 'Julius
CSaesar* or 'Goriolanus* in the costume "of the period**'. The costume
may be as correct as the manager*s archaeological knowledge allows, but
Julius Caesar and C!orioIanus remain what Shakespeare made them, not
andent Bomans at all, but frankly and unmistakably Elizabethans**
(p. 130). Und doch lälst sich manches sagen "for the judgment of the
oontemporary critics who hold that 'Bomola* is one of the permanent
masterpieces of English literature** (p. 136), wenn wir vom historischen
Gewände absehen und nur die Schilderung des Seelenkampfes der Heldin
ins Auge fassen.
Der Mangel an "spontaneity" und das Fehlen des "sense of looking
at the litüe world through the harmonising atmosphere of childish
memories and affections** (p. 151) macht sich auch in "Felix Holt'* fühl-
bar, einem Boman, der uns in die Zeit der inneren Wirren von 1832/3
zurückversetzen soll.
354 Neue Philologische BnndiGhaTi Nr. 15.
Über die Dichterin George Eliot sagt StefiFen : I cannot, indeed, believe
that George Eliot achieved a permanent position in English poetry: she
is a remarkable, I sappose unique, case, of a writer taking to poetry at
the ripe age of forty -four, by which the majority of poets have done
their best work** (p. 171). — Jnbal, die Geschichte des Patriarchen, der
die Musik erfand, scheint ihm *'the nearest approach to genuine poetry"
(p. 170); ihre übrigen poetischen Experimente zeigen ^'great literary
ability, though it is doubtfui whether they show more" (p. 169). Der
Erfolg, den Middlemarch erzielte, war ^^proportioned rather to the author*'
reputation than to its intrinsic merits. It certainly lacks the peculiar
charm of the early work" (p. 177); in Daniel Deronda mufs zugestanden
werden , dafs " the Jewish circle into which Deronda is admitted does not
strike one as drawn from the life*' (p. 188).
Interessant ist, was Stephen mitteilt fiber die Wertschätzung, die
einige Autoren von selten George Eliots erfahren: She seems to have
loved especially the gentler and more serious observers of life, such as
Goldsmith and Cowper and Miss Austen , and venerated such great men
as Dante and Milton C'her demi — god", as she calls him), whose
austerity breathes a lofty moral sentiment. She rarely expresses he
antipathies; bnt one instance is characteristic. Of Byron she speaks with
disgus(, as the "most vulgär — minded genius that ever produced a
great efifect in literature" (p. 198).
Der Name "George Eliot*' wurde von der Schriftstellerin angenommen
"because Lewes's name was George, and "Eliot*' was "a good mouth filling,
easily pronounced word" (p. 54).
Stephens' Darstellung zeigt gründliche Kenntnis der besprochenen
Persönlichkeit; leider setzt Stephen, wie ja die meisten Biographen, beim
Leser dieselbe allseitige Bekanntschaft mit dem Stoffe voraus, die er sich selbst
erworben. Aber wer hat wohl alles, oder fragen wir lieber, wer hat wohl
mehr als zwei oder drei von den Werken Eliots lesen können? Wenige ! Allen
anderen wird aber das Verständnis der Darstellung Stephens dadurch er-
schwert, dafs er sich nicht dazu herabläfst, ganz kurz stets eine rein sach-
lich gehaltene, nur an die gegebenen Tatsachen anknüpfende Inhaltsangabe
des betreffenden Romans der kritischen Besprechung des Werkes voraus-
zuschicken. Eine derartige kurzgefafste Analyse würde vom Biographen
ohne die geringste Mühe gegeben werden können und, wenn geschickt ge-
macht , den umfang des Buches nicht wesentlich vergrOfsern , anderseits
■i
Nene Philologische Rnndschan Nr. 15. 355
aber selbst demjenigen, der die Werke schon gelesen hat, in den meisten
Fällen höchst willkommen sein.
Münster i. W. H. Hoflkohidte.
194) Friedrich KOnohner, 200 englische Gesohfiftsbriefe
und Formularien aus der Praxis in systematisch -methodischer
Anordnung zur gründlichen Erlernung der englischen Handels-
korrespondenz nebst Erläuterungen im allgemeinen und zu jedem
einzelnen Briefe für Handelsschulen und zum Selbstunterricht.
Leipzig, Verlag der Handelsakademie (Dr. iur. Ludwig Huberti),
0. J. Ji 2. 75.
Die Sammlung enthält mit ganz wenigen Ausnahmen nur Original-
briefe aus den letzten Jahren. Hinsichtlich der Anlage weicht das Buch
von den meisten Lehrbüchern der englischen Handelskorrespondenz ab.
Es werden nicht die einzelnen Briefarten nacheinander behandelt, sondern
die Briefe sind in drei Kreisen zusammengestellt und zwar innerhalb jedes
Kreises in der Reihenfolge, in der sich das Geschäft abwickelt Voran
gehen der Briefsammlung aufser der Angabe der wichtigsten englischen
Gewichte, Mafse und Münzen kurze allgemeine Bemerkungen über den
Geschäftsbrief: die Adresse auf dem Briefumschlag und im Brief, die
Anrede, die gebräuchlichsten Briefanfänge und Briefschlüsse. Dann folgt
der erste Kreis, der zehn zwischen zwei Firmen gewechselte Briefe um-
fafst. Der zweite Kreis ist umfangreicher und enthält 75 Briefe, vor-
wiegend aus dem Waren-, Bank- und Speditionsgeschäft. Der dritte Kreis
hat 98 Briefe, darunter Agentenbriefe, Marktberichte, Erkundigungen und
Auskunftserteilungeu , Stellenbewerbungen , Bundschreiben , Kredit- und
Empfehlungsbriefe. Ein Anhang enthält verschiedene Formulare, und den
Schlufs machen die Erläuterungen zu den einzelnen Briefen, d. h. Über-
setzung der wichtigsten Vokabeln.
Wer die Briefe, wie der Verf. will, durch Übersetzung und Bück-
übersetzung gut durchgearbeitet hat, wird dadurch einen beträchtlichen
Schatz von Vokabeln, Wendungen und Redensarten sich angeeignet haben,
der ihn befähigt, einen leichten Haudelsbrief zu schreiben. Zu einem
fertigen Briefschreiber wird den Schüler nur fortgesetzte Übung im Kontor
oder ein längerer Aufenthalt im Auslande ausbilden können. Ihn in den
englischen Briefwechsel e i n z u f ü h r e n ist das vorliegende Buch wohl geeignet.
Bochum. M. StefTen.
Neue PhilologiBohe Bandschan Nr. 15.
195) W. Keiüi Enoyklopadisohes Handbuch der Pädagogik.
Zweite Auflage. I. Band. Erste Hälfte. Abbitte— Beobachtang.
Langensalza, Hermann Beyer & Söhne (Beyer & Mann), Herzogl.
Sachs. Hofbnchhändler, 1902. 512 S. za 2 Sp. 8. Ji 7.50.
Zu wiederholten Malen haben wir in dieser Zeitschrift (vgl. 1899,
S. 616; 1900, S 112; 1901, S. 47. 71. 118. 334; 1902, 8. 310) auf
die Vorzüge der Beinsohen Enzyklopädie hingewiesen. Dafs das Werk
einem wirklichen Bedürfnis entgegengekommen ist, beweist der Umstand, dafs
es nach so kurzer Zeit, unmittelbar nach dem Erscheinen des letzten Bandes,
alsbald vergriffen war und die zweite Auflage in Angriff genommen werden
mufste. Nach dem ursprünglichen Plane sollte das ausländische Schul-
wesen anhangsweise dem Hauptwerke beigegeben werden. Diese Anlage
ist jetzt dahin abgeändert worden, dafs das für den genannten Anhang
bestimmte Material nunmehr im Zusammenhang des Hauptwerkes in Reih
und Glied unter den bezüglichen Stichworten eingeführt wird. Dem-
gemäfs finden wir in diesem ersten Halbbande folgende gröfsere Artikel
vor: Amerikanisches Schulwesen von W. Gh. Bagley in St. Louis
(S. 103—155) und Belgisches Schulwesen von F. Collard in Löwen
(S. 451—490). Der erste Artikel folgt vorzugsweise den „Monographs
on Education in the United Staates. Albany N. T. 1900'' und ist im
historischen Teile nur knapp und kurz gehalten, gibt aber sonst eine gute
Belehrung über das gesamte Volks- und höhere Schulwesen mit Einschluls
der Universitäten, ferner über technische, militärische und kaufmännische
Lehranstalten und andere besonderen Zweige der Facherziehung. Das Eigen-
artige, das die Neue Welt auf allen Gebieten des Lebens zeigt, tritt uns
bekanntlich auch im Unterrichtswesen ihrer Landschaften merklich auf-
fällig und interessant entgegen. Die vorliegende Studie erstreckt sich nur
auf das Lehrwesen der Vereinigten Staaten von Nordamerika. Voraus-
sichtlich werden wir also über die Schuleinrichtungen der anderen trans-
atlantischen Staaten unter den betreffenden Bubriken noch Spezialaufsätze
erhalten. — Für das Belgische Schulwesen lagen dem Verfasser natürlich
schon bedeutendere Vorarbeiten vor, und die Einführung ist demgemäfs
übersichtlicher gehalten. Sehr eingehend werden die staatlichen Anforde-
rungen an Lehrer, Schüler und Studierende dai^elegt, und man erfthrt
mit einiger Verwunderung, wie kompliziert die Beglementierung in diesem
fortgeschrittenen Musterstaate ausgebildet ist. Ist der formale Ausdruck
des Verfassers auch hier und da nicht ganz einwandfrei, so wird man dem
Neue Philologische Bundsehan Nr. 15. 357
Aasländer die gelegentlichen Unebenheiten doch gern verzeihen, da er
sich im ganzen recht unbefangen bewegt und seinen Gegenstand gut
beherrscht.
Alle anderen Artikel begegnen meist in der ursprünglichen Gestalt
der ersten Auflage, doch sind resp. werden alle einer genauen Nach-
prüfung unterzogen, wobei minder wesenliches gegen wichtigeres eingetauscht
wird. — Hinsichtlich der äufseren Ausstattung ist zu bemerken, dafs das
Lexikon diesmal in Antiquaschrift gedruckt ist und damit zweifellos für
den Gebrauch viel gewonnen hat. Dieser Umstand wird auch im
Auslande sehr geschätzt werden, wo man unsere Frakturschrift ungern
liest. Es kann nach diesem Bande und der Mitteilung über die weitere
Ausführung das Werk als vermehrte und verbesserte Auflage empfohlen
werden. Über die Fortsetzung werden wir s. Z. weitere Mitteilung
machen.
196) W.Lexis, DieKefonn des höheren üntexiiehts mPreufsexL
Halle, Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses 1902. XIY u.
436 S. gr. 8. .^12.-.
In 26 Abschnitten hat der Mitarbeiter des Kultusministers in Preufsen
im Verein mit einer grofsen Anzahl bekannter Dozenten, Direktoren und
Oberlehrer ein trefflich ausgestattetes und dem Kaiser gewidmetes Werk
herausgegeben. Alle Ideen, die genau seit einem MenschcDalter — seit
Ostendorfs Vorschlägen in der 1873 von Falk berufenen Konferenz —
die Pädagogik beschäftigten, kommen hier in angemessener Gruppierung so
zum Ausdruck, wie sie nach hartem Kampfe gegen tief wurzelnde Tra-
ditionen sich durchgesetzt haben. Der geschichtliche Bückblick mit den
Etappen v. Zedlitz 1779 („weder Gelehrsamkeit noch geschäftlicher Nutz-
wert") WöUner'sches Edikt 1788 (Abiturientenprüfung), 1825 (Unter-
stellung unter die Konsistorien), 1845 (ProvinzialschulkoUegien), 1859
(Wiese gliedert die Bealschulen in zwei Ordnungen), 1866 (Bildung von
Fächergruppen für die Prüfung pro fac. doc), 1878 (Altona-Schlee), 1891
(Frankfurt- Reinhardt) — ist von E. Bethwisch verfafst. Seit 1890
(Dezemberkonferenz) ist die Zahl der Gymn. u. Prg. von 312 auf 354 ge-
stiegen, die der Bg. u. Bprg. von 173 auf 97 gesunken, die der Ober-
realschulen und Bealschulen von 29 auf 175 gestiegen. Etwa 100 OOQ
S68 Nene Philologische Randschati Nr. 15.
Schüler besuchen ein Gymnasinm, die Hälfte, 50000, eine lateinlose An-
stalt, ein Viertel, 25 000, ein Bealgymnasium. Heynacher- Hildesheim
behandelt den „Unterricht im Allgemeinen". Beligionsunterricht und
Naturwissenschaft geben die unmittelbarste Anwendung der Wissenschaft
auf das Leben. Zur Beform gehört die Zuruckdämmung des „begrifflichen"
Denkens durch das „anschauliche". Der Schüler soll mehr sehen, weniger
lesen, mehr selbst erleben, als fremdes nachempfinden. Waldeck-Eorbach
behandelt das Lateinische. Da unsere Kultur an Umfang und Tiefe über
das Altertum hinausgewachsen ist, so können die älteren Sprachen wohl
vervollständigen und vertiefen, nicht aber ersetzen und schaffen. Die
Einsicht in den Bau einer Sprache mufs dem „Deutschen" vorbehalten
bleiben, v. Wilamowitz behandelt das Griechische und meint der „Geist
des Altertums" sei für Schüler nicht zugänglich, die „ästhetischen
und sittlichen Ideale " der alten Griechen genügen der Gegenwart
nicht. Nur im Zusammenhange der Yölkerkultur interessiere heute
das Werden der griechischen. Diese beiden Aufsätze werden ohne
Frage den lebhaftesten Widerspruch der klassischen Philologen hervor-
rufen. Über die neueren Sprachen läfst sich Mangold-Berlin aus: über
Geschichte Neubauer -Halle, über Erdkunde H. Wagner - Göttingen.
Die unverkennbaren Fortschritte, die dieser Unterrichtszweig gemacht hat,
seitdem es seit 1875 an jeder Hochschule einen Ordinarius für Erdkunde
gibt, sind wohl von allen Seiten freudig begrüfst. Das Zeichnen (Pro-
fessor PoUat) ist durch die modernen Bestrebungen G. Hirths, E. Langes
und Lichtwarks nach vielen unstäten Schwankungen auf festen Boden gestellt
worden und völlig von Ornamentik, Architektur und Mathematik befreit.
Die grofsen Wandlungen der mathematisch - naturwissenschaftlichen
Fächer behandeln Klein-Göttingen und NoiTemberg-Posen. Der von Falk
aus Anlafs eines Spezialfalles unterdrückte Entwickelungsgedanke
beherrscht jetzt ausgesprochen oder unausgesprochen den ganzen Unterricht.
Ob es gelingen wird, den oberen Klassen die „Biologie" oder gar die
„Prüfung", welche 1856 am Gymnasium abgeschafft wurde, wieder-
zugewinnen, steht dahin.
Bremen. W. Groflflo.
Nene Philologische Bnndschan Kr. 15. dö9
197) Keyers Orofses KonversatioxiB-Lexikon. 6. gäDzlich neu-
bearbeitete und yermehrte Auflage. Mit mebr als llOOO Ab-
bildungen im Text und auf über 1400 Bildertafeln, Karten,
Plftnen, sowie 130 Textbeilagen. Erster Band: A bis Astigmatis-
mus. Leipzig u. Wien, Bibliographisches Institut, 1902. gr. 8.
YIII u. 904 S. zu 2 Spalten u. IV. -- Zweiter Band: Astilbe
bis Bismarck. Ebenda 1903. 914 S. zu 2 Spalten u. IV.
Zum sechsten Male erscheint das Bibliographische Institut mit seinem
grofsen „Nachschlagewerk des allgemeinen Wissens" auf dem Plane. War
auch in den letzten Auflagen alles mögliche geschehen, um die weit-
gehenden Ansprüche, die man an einen solchen Hausschatz stellt, zu be-
friedigen, so hat die Zentralleitung des Unternehmens doch nicht auf ihreu
Lorbeeren geruht, sondern sich angelegen sein lassen, die mannichfachen
Umgestaltungen, die auf den verschiedenen Oebieten der wissenschaftlichen
Forschung, der Künste, des öffentlichen Lebens an der Wende des Jahr-
hunderts eingetreten sind, in dem Arbeitsplan mit zur Behandlung zu
bringen und so den gegenwärtigen Stand unseres Kulturbesitzes in an-
gemessener lehrhafter Form vorzulegen. Welche Fortschritte Naturwissen-
schaft und Technik im letzten Jahrzehnt gemacht haben, zeigen uns die
Veränderungen des äu&eren Lebens um uns herum alle Tage. Man hat
demnach fortgesetzt Gelegenheit den „Grofsen Meyer '^ nachzuschlagen.
Und das Gleiche gilt von vielen anderen Gebieten. Es sei nur in flüch-
tigem Zuge an das erinnert, was wir zur Orientierung gebrauchen, wenn
wir, wie in diesen Tagen, von den Entdeckungsfahrten nach dem Nord-
und Südpol lesen, von den politischen Verhältnissen im fernen Osten, von
den Unruhen der Balkanlandschaften, von den Mordszenen in Kischenew
oder den turbulenten Bewegungen in Kroatien. Andere Fragen inter-
essieren natürlich den klassischen Philologen, aber auch sie finden ihre
Auskunft hier. So z. B. wenn neue Kunde von Ausgrabungen kommt,
sei es auf dem Forum Bomanum oder in Orchomenos, auf Leukas und
Thera, in Gnossus und Phästus, in Hiaparlik und in der Besidenz der Atta-
liden, in Mesopotamien, Ägypten, Tunis und Algerien. Bei solchen
Anlässen stehen ja nicht jedem die Spezialschriften zur Verfügung, und die
systematischen Darstellungen reichen bei ihreu spärlichen Auflagen nicht
immer bis an die neueste Zeit heran. Wieder andere suchen Bat in sozial-
politischen Dingen : ihnen dürften die Artikel des Grofsen Meyer unter„Arbeiter-
frage'^ und den benachbarten Stichworten eine willkommene Belehrung bieten.
Nene Philologisohe Rnndsohan Nr. 15.
Da demnach die BedQrfnisfrage zu gunsten des Eonversations-LexikonB
auch fBr den Gelehrten nicht zweifelhaft sein kann, so sei das Meyersche
Werk allen Amtsgenossen fQr die eigene BQcherei wie fßr die Bibliothek
des Konferenzzimmers bestens empfohlen. Über mancherlei Eigenart der
Gesamtleistung dieses Werkes soll weiterhin berichtet werden, wenn
die nächsten Bände zur Besprechung anstehen. Doch wäre es nicht recht,
von diesen ersten Bänden zu scheiden, ohne ihrer trefflichen Illustrations-
materialien zu gedenken, die ja bekanntlich einen grofsen Vorzug des
Grofsen Meyer ausmachen. Daraus etwas besonderes hervorzuheben, ist
freilich bei der gebotenen Fülle nicht leicht. Interessenten der natur-
wissenschaftlichen oder technologischen Studien werden an den Abbildungen
zu den einschlägigen Artikeln ihre Freude haben; andere an den kunst-
geschichtlichen Tafeln, die im Anhang des ersten Bandes zur Geschichte
der Architektur gespendet sind, oder an den Olustrationen zur Bildhauer-
kunst am Schlüsse des zweiten Bandes.
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Inlialt: Rezensionen: 198) G. Bartolotto^ Demostene. Le tre orazioni contro
Filippo (May) p. 361. — 199) R. Y. Tyrrell, Terentl comoediae (P. Wessner)
p. 362. — 200} Herrn. Dessau, Inscriptiones latinae selectae, vol. II pars 1
(0. Hey) p. 363. — 201) Jos. Mikolajczak, De septem sapientiam fabnlis
qoaestiones selectae (W. Brnnco) p. 367. — 202) J. Fürst, Die literarische Porträt-
manier im Bereich des griech.- römischen Schrifttums (P. H. Bourier) p. 372. —
203) E. A. Gardner, Ancient Athens p. 374. — 204) G. Tropea, La stele
arcaica del Foro Romano (P. Wessner) p. 375. — 205) Harward Stadies in
classical philology (P. Weizsäcker) p. 377. — 206) A. Gille, Systematische Zu-
sammenstellung des französischen grammatischen Merkstoffes der Realschule
(Fries) p. 379. — 207) Lucas Cleeve, The Man in the Street (Teichmann)
p. 380. — 208) L ou i s B e ck e , Helen Adair (Teichmann) p. 380. — 209/210) 0. J e s-
persen, The England and America Reader; ders.. Noter TU the England and
America Reader (A. Herting) p 381. — 211) J. Ziehen, Über die Verbindung
der sprachlichen mit der sachlichen Betrachtung (Bruncke) p. 382. — 212) J. Z i e h e n ,
Über den Gedanken der Gr&ndaiig eines Reichsschulmusen ms (M. Hodermann) p. 383.
Anzeigen.
198) Demostene. Le tre orazioni oontro Filippo illustrate da
Cr. Bartolotto. Seconda edizione rifatta da Domenico Bassi.
Torino, E. Loescber, 1902. XXXII a. 90 S. 8. Li» 2.
In der Sammlung griechischer and lateinischer Klassiker von E. Loe-
scher in Tarin erschien 1902 die zweite Aaflage zu Bartolottos Aasgabe
der drei philippischen Beden, besorgt von Prof. D. Bassi in Mailand.
Bassi hat in derselben Sammlung auch noch andere Demosthenische Beden
herausgegeben und ist in Italien als Demosthenesforscher bekannt. Die
Ausgabe kann in jeder Beziehung den guten Schulausgaben Deutschlands
an die Seite gestellt werden, und die Grundsätze in Erklärung und Kritik
unterscheiden sich nicht von der in Deutschland herrschenden wissen-
schaftlichen Methode. Nach einer kurzen Biographie Bartolottos und
einer Vorrede über das Verhältnis der zweiten Ausgabe zur ersten gibt
der Herausgeber eine Biographie des Demosthenes. Die einzelnen Beden
ää2 Keae Philologische ftundschau Kr. lä.
werden mit orientierenden sachlichen Bemerkungen und einer kurzen
Disposition eingeleitet. Was die Interpretation selbst betrifft, so ist sie
philologisch genau und berücksichtigt die Interessen des Schulgebrauchs
in durchaus geschickter Weise. Auch der kritische Anhang steht auf der
Höhe der neuesten Forschungen über Demosthenes.
Durlach. May.
199) B. T. Tyirell, F. Terenti Afri oomoediae. Becognovit
brevique adnotatione critica instruxit (B. Y. T.) Oxonii (1902)
e i^pographes Glarendoniano. ca. 19 Bogen. 8.
Diese Terenzausgabe gehört zu der 'Scriptorum classicorum bibliotheca
Oxoniensis' und bietet aufser dem Text einen vereinfachten kritischen Ap-
parat, der sich im wesentlichen auf diejenigen Lesarten der Handschriften
beschränkt, die vom Text der Ausgabe abweichen; daneben werden an
zweifelhaften Stellen auch eine Anzahl Konjekturen angeführt. In der
Praefatio giebt T. zunächst eine Übersicht über die Handschriften. Auf-
fällig ist dabei die Angabe über das Alter der Korrekturen im Bembinus,
die eine völlige Unkenntnis der Untersuchungen von Hauler und Kauer
verrät. Galliopius wird ins dritte Jahrhundert gesetzt ^quippe cuius recen-
sione Donatas iam usus sit'; ob dies richtig ist, erscheint mir doch sehr
zweifelhaft, eine Entscheidung kann hier erst dann erfolgen, wenn der
Terenztext des Donatkommentars unter genauer Berücksichtigung von dessen
Entstehungs- und Überlieferungsgeschichte sorgfältig untersucht ist. Von
dieser scheint T. nicht viel zu wissen, wenn er weiterhin schreibt 'Aelius
Donatus ... commentarium in Terenti comoedias scripsit (idhuc integrum
exstantem, excepta illa operis parte quae ad Hauton timorumenon attinet';
der Kommentar ist bekanntlich alles andere eher als der 'integer Donatus'.
Über das Verhältnis der Galliopianischen Handschriften zueinander, bezw.
der Familien d und ^, begnügt sich T., nachdem er die Arbeiten von
Pease und Warren erwähnt hat, Dziatzkos Ansicht aus der Vorrede der
Tauchnitz -Ausgabe (1884) wiederzugeben, der er selbst beitritt. Im An-
schlufs an die oben wiedergegebene Bemerkung über Donat, der Mnter
grammaticos familiam ducit', heifst es bei T. ^Huc accedunt Eugraphius
Servius Priscianus Probus'; was das letztere soll, weifs ich nicht, denn der
Berytier kommt. unter denen, die Testimonia geliefert haben, nicht in Frage
und die dürftigen Terenzzitate in den unter dem Namen Probus gehenden
grammatischen Büchern verdienten doch kaum eine besondere Hervorhebung,
Nene l^hilologische Rnndflcban Nr. 16. 863
wenn z. B. Nonius mit seinen vielen Terenzstellen überhaupt nicht er-
wähnt wird. Unter den Herausgebern werden besonders Bentley und
Fleckeisen (genannt werden noch ümpfenbach und Dziatzko) gepriesen,
und T. sagt von Fleckeisens zweiter Ausgabe 'in hac recensione paranda
semper inter manus habebam'. Er bekennt sich denn auch ausdrficklich
zu Fleckeisens Ansicht von der Methode der Terenzkritik. Der Apparat
beruht auf der Ausgabe von ümpfenbach ; eigene handschriftliche Studien
hat der Herausgeber nicht gemacht und auch Berichtigungen von ümpfen-
bachs Angaben unbeachtet gelassen. Wenn man weiter liest 'coniecturas
admisi aliorum raro, meas ipsius perraro\ so könnte man auf die Vermutung
kommen, dafs T. einen möglichst konservativen Text zu bieten beabsichtige,
etwa wie Qoetz-Schöll in ihrer kleinen Plautusausgabe ; allein die 'simplex
verborum translatio' zählt für T. nicht mit, und von ihr, sowie von einigen
anderen Mitteln, hat er, zumeist im Anschlufs an Bentley und Fleckeisen,
recht reichlichen Qebrauoh gemacht. An Kormptel der Überlieferung
fehlt es ja gewifs auch bei Terenz nicht, aber anderseits hat doch auch
Leo recht, wenn er (Plaut. Forsch. S. 34) sagt, dafs 'die Vorstellung, die
sich Bentley [in dessen Bahnen auch Fleckeisen geht] von den Schick-
salen des Textes in früher Zeit gemacht hat, völlig unzutrefiTend ist'. So
eine Art 'kleiner Fleckeisen , wie ihn T. liefert, kann schwerlich eine
Förderung der Terenzkritik bedeuten. Im ganzen ist die Oxforder Ausgabe
ein Mixtum compositum aus ümpfenbach (Bentley), Dziatzko (Ausg. v. 1884)
und Fleckeisen (2. Aufl); von einer Benutzung sonstiger Literatur — und
an solcher fehlt es doch wahrlich nicht — ist so gut wie gar nichts zu
bemerken. Die eigenen Beiträge des Herausgebers beschränken sich auf
eine kleine Anzahl meist überflüssiger Korrekturen und gelegentliche Um-
stellungen ä la Fleckeisen; dazu kommen des öfteren Flüchtigkeiten und
üngenauigkeiten, die das Qesamtbild von der Tätigkeit T.s nicht gerade
verbessern.
Bremerhaven. P. Wessner.
200) Herrn. Dessau, Insoriptiones latinae selectae, vol. n,
pars 1. Berlin, Weidmann, 1902. IV u. 736 S. 8. Ji 24.—.
Der erste Band dieses Inschriftenwerkes, der vor zehn Jahren erschien,
ist hier im Jahrgang 1895 S. 153 ff. angezeigt. Wir verzichten daher
darauf, die ganze Anlage und den Zweck der Dessauschen Sammlung zu
besprechen. Auch über Wert und Brauchbarkeit im allgemeinen brauchen
d64 j^ene j^bilologisclie ttnndschaa ^r, 16.
wir hier kein Wort zu verlieren, da diese Eigenschaften bei der so be-
währten, anf dem Gebiete der lat. Epigraphik wie wenige geschalten
Persönlichkeit des Verfassers von vornherein aofser Frage stehen.
Was zunächst den Inhalt der neu erschienenen Partie betrüK, so ent-
hält sie gegenüber den zehn Kapiteln des ersten Bandes zwar deren nur
vier (dieselben beziehen sich auf: Beligion und Kultus; die Spiele; öffent-
liche Werke u. ä. einschliefslich Privatbauten; das Munizipalwesen), da-
gegen fibersteigt der Umfang den des ersten um ein bedeutendes: 736 Seiten
gegen 580, 4254 Nummern gegen 2956. Und dabei ist das Volumen
nur der erste Teil des zweiten Bandes, so dafs das Werk statt der in Aus-
sicht genommenen drei Bände also mindestens vier enthalten wird, deren
Oesamtpreis nicht viel unter hundert Mark bleiben dfirfte. Das ist ziem-
lich teuer, wenn man die Wilmannssche Beispielsammlung mit ihren
20 Mark dazu in Parallele stellt, aber ein recht bescheidener Preis gegen-
über den vielen Hunderten, die das Hauptquellenwerk, das Corpus selbst,
kostet.
Und an dem Corpus mufs Dessaus Werk in erster Linie gemessen
werden. Denn wenn es auch den Epigrapbik Treibenden ein Buch der
Einführung sein soll wie Wilmanns' Exempla, so ist es doch hauptsächlich
dazu bestimmt, den Gelehrten einen Ersatz für das schwer zu beschaffende
CIL zu bieten. Daher geht es denn an Beichtum des Inhalts nicht nur
über Wilmanns, sondern auch über die Sammlung Orelli-Henzen weit
hinaus. Wenn die Inschriften im Titel als ^selectae^ bezeichnet werden,
so scheint dies — falls Bef. von einer genauer durchgenommenen Partie
auf das Qanze schliefsen darf — keine ^Auswahl' in dem Sinne zu be-
deuten, dafs die einzelnen in der Epigraphik erscheinenden Objekte blofs
in einem oder ein paar typischen Beispielen vertreten wären; es äind viel-
mehr tunlichst alle Inschriften der Art gegeben, höchstens dafs solche,
die gegenüber den angeführten gar nichts Neues bieten, mit einem nackten
Zitat in die Adnotatio verwiesen sind. Dagegen ist die Sammlung aller-
dings eine Auswahl in dem Sinne, dafs die ganze Masse von Inschriften
ausgeschlossen ist, die lediglich onomatologisches Interesse haben, d. h. i
nur Namen nebst geläufigen Formeln enthalten.
Für die Sammlung des Materials sind, wie im ersten Bande, die
Quellenwerke aufs ausgiebigste ausgenutzt, nicht nur die Sammlungen des
CIL, der Ephemeris, Brambachs u. s. w., sondern auch die zerstreuten
Publikationen; so z. B. bringt Nr. 4913 die vielumstrittene Forums-
Nene Philologische Rnncbchan Nr. 1%. 365
inschrift — diese natfirlich nicht in Minuskeltransskription — und in den
Anmerkungen dazu die Literatur hierüber bis 1900: freilich ist seither
noch weiter Tinte in Strömen über dies epigraphische Rätsel vergossen
worden! Bei den metrischen Inschriften konnte in diesem Band neben
dem Corpuszitat die Nummer von Büchelers Garmina epigraphica gebracht
werden; dafür scheint sich der Herausgeber gegenüber Bücheier auf rein
epigraphisch -antiquarische Notizen beschränkt zu haben.
Aufserordentliche Mühe hat sich Dessau mit einer bis ins kleinste
gehenden sachlichen Ordnung seines Materials gegeben, um dem Leser
durch Zusammenstellung des Gleichartigen das Verständnis des Einzelnen
zu erleichtern, so weit nicht schon durch die Adnotatio hierfQr gesorgt
ist, bezw. durch die Indices noch gesorgt werden wird. So sind z. B.
die tituli sacri nicht nur nach römischen, griechischen und ausländischen
Kulten gesondert, sondern auch innerhalb der einzelnen Kreise ist eine
sachliche, nicht etwa alphabetische Gliederung vorgenommen, die so weit
geht, dafs z. B. in der Serie 'luppiter', die, nach einer kleinen Beihe
archaischer Inschriften, den römischen Götterkreis eröffnet, noch nach Tun-
lichkeit kleine Untergruppen auf grund der verschiedenartigen Epitheta
gemacht sind: so figurieren in erster Linie die Inschriften, welche sich
auf Würde und MachtfQlle des Göttervaters beziehen (I. optimus maximus,
conservator, custos u. s. w.), dann kommen die, welche auf den Gott der
Himmelserscheinungen hinweisen (caelestis, serenus, pluvialis, tonans, fulgu-
rator), weiterbin die personalsubstantivischen Beinamen (I. Liber, Libertas,
luventas) und die lokalen (Latiaris, Apenninus etc.) und schliefslich
luppiter innerhalb der kapitolinischen Trias sowie in Verbindung mit
anderen Gottheiten. Ähnlich bringt das Kapitel über die Spiele zuerst
die das Gladiatorenwesen betreffenden Denkmäler, innerhalb dieser Haupt-
gruppe zuerst die Tituli ganzer Fechterschulen, dann die einzelnen Waffen-
gattungen gesondert, das Hilfspersonal u. s. w.
Was die Akribie des Buches in formaler Hinsicht betrifft, so ist der
neue Band auch noch nicht vollkommen, ebenso wie der alte, an dem seinerzeit
von verschiedenen Seiten einzelne Ausstellungen gemacht wurden. Es ist
dies insofern zu bedauern, als bei einem ürkundenwerk dieser Art gröfste
Zuverlässigkeit einer der wichtigsten Faktoren ist; aber einen persönlichen
Vorwurf hierüber wird dem Verf. niemand machen, der aus Erfahrung
weifs, dafs bei einem umfangreichen Werk, zu dem das Material aus einer
Menge weitverstreuter Quellen geschöpft werden und das wie ein Mosaik
366 Nene Philologische Bnndschaa Nr. 16.
aus tansenden und abertausenden kleiner Steinchen zusammengesetzt werden
mufs, — dafs bei einem derartigen Werk gewisse Unebenheiten und Form-
fehler eben fast zu den ünvermeidlichkeiten gehören. Im übrigen sind die
meisten Fälle, die dem Bef. bei den Stichproben auffielen, leichter Art
und betreffen Dinge, wie man sie als Bezensent anzuführen pflegt mehr
um zu zeigen, dafs man sich die Sache auch genau angesehen hat, als
weil ein Unterbleiben ihrer Berichtigung Schaden anrichten könnte. Da-
hin gehört die unrichtige Zeilenteilung in 5982 Z. 3 (schreibe : ujtrisque),
die falsche Bezifferung der Anmerkungen in 5141 und 6438, das Fehlen
der Zeilenabteilung in 5304. Die Bezeichnung ungewöhnlicherer Formen
und Schreibungen durch beigesetztes 'sie' ist etwas willkürlich ; so gehörte
'sie konsequenterweise in 6199 zu 'curie', 6456 zu Vibo\ 4423 zu
bestem liniam', zu 'siricam' und zu 'lentea', bei 6459, wo es aus dem
CIL. übernommen, eher zu 'exibuit' als zu 'abundantiä', bei 5698 zu
'honer/, bei 7195 zu Vofent. == Oufent., wenn auch die nachfolgende
griechische Version Ovwq>BVTBiva über die Bichtigkeit der Schreibung
aufklären kann. Ebenso ist in der Wiedergabe der Apices, bezw. der
I longa durch i, keine strenge Konsequenz: dafs in einigen Inschriften,
wie 5129 und 6965 diese Zeichen überhaupt fehlen, ist dabei weniger
zu bedauern, als dafs die Setzung innerhalb ein und derselben Inschrift
nicht streng durchgeführt ist, wie bei 6579, 6964, 6988 (in ersterer auch
unrichtig: c^ntumvirös). Abweichungen vom Text, bezw. der Trans-
skription des Corpus sind dem Bef. folgende aufgefallen: 4422 Fabia
L. 1. (L. f. im CIL), 5141 zeses (zesis), 5302 ollas IIII (III), 5306 vivit
(vixit), 5503 Leonam (Leonan), 5982 determinationem (definitionem) und
supercilium (-u), 6194 aed. (aedil.), 6965 Narbonenses (-neses), Antonini
(Antonini Pii), 4424 Guram (curam) ^).
Doch alle diese Fehler sind, wie gesagt, Kleinigkeiten, die den wissen-
schaftlichen Wert des Buches nicht beeinträchtigen. Bei einer scharfen
Kontrolle des Materials gelegentlich der Zusammenstellung der Indices
kann ja, wo Berichtigung nottut, noch die bessernde Hand angelegt werden.
Wir wünschen dies, doch mag dieser Wunsch ganz zurücktreten gegen-
über einem andern, der hier im Namen aller Benutzer von Dessaus Werk
ausgesprochen sei : nämlich dafs bis zum vollständigen Abschlufs des Werkes
1) Die Wiedergabe der Corpns-Nnmmem zeigte sich bei gegen 200 Stich-
proben, die Bef. vornahm^ als durchaus exakt.
Nene Philologische RandBchan Nr. 16. 867
keine so grorse Spanne Zeit yerstreichen mOgey'^wie sie zwischen dem Er*
scheinen des ersten Bandes nnd des hier besprochenen liegt. Bis zum
vollständigen Abschlofs, des Werkes, sagen wir, einschliefslich des Index-
Bandes; denn erst durch die Indices wird ein derartiges 'Monnmentalwerk'
zum vollen Leben erweckt. Dann wird es aber anch in keiner Bibliothek
mehr fehlen dfirfen, in der die lat. Epigraphik Oberhaupt vertreten sein soll.
München. O. Hej.
201) JoBophatoB Mikolajozak, De Septem sapientiiim fabnlis
quaestiones selectae. Accedit epimetrum de Maeandrio
sive Leandro rerum scriptore (= Breslauer philologische Ab-
handlungen, herausgegeben von fitehard FSrster. Bd. IX,
Heft 1). Breslau, M. & H. Marcus, 1902. 75 S. 8. J$ 8.—.
Der Verf. zeigt in seiner Schrift ein besonnenes urteil und hält sich
von gewagten Hypothesen möglichst ferne. Bfihmend hervorzuheben ist
auch seine grofse Vertrautheit mit der antiken und modernen Literatur.
Denn abgesehen von den Monographieen, welche die sieben Weisen zum
Thema haben, kennt er auch sehr genau die in Zeitschriften erschienenen
Aufsätze, in denen die Fragen, die in sein Oebiet einschlagen, nur ge-
legentlich berührt werden.
Mik. gliedert den StoflT, den er sich zur Untersuchung ausgewählt
hat, in fOnf Kapitel. Im ersten (S. 3 — 26) sucht er die Zeit zu bestim-
men, in welcher der Katalog der sieben Weisen entstand. Der älteste
Schriftsteller, der uns ein Verzeichnis der sieben Weisen gibt, ist Plato
(Protag. 343 A). Durch scharfsinnige Interpretation der Worte xai ^ß-
dofwg h Toikoig eXiyeTo weist jedoch Verf. nach, dafs dieses Verzeichnis
aus frfiherer Zeit stammt und dals zur Zeit Piatos auch schon andere Ver-
zeichnisse vorhanden waren. Da die Novelle den Buhm der sieben Weisen
schon bei ihren Zeitgenossen vergröfserte, so nimmt Mik. an, dafs bereits
im 6. Jahrh. im Volksmund diese Männer zu einem Kollegium vereinigt
worden seien. Diese Aufistellung ist jedoch unhaltbar; hoffentlich ist es
dem Bef. möglich, in einem besonderen Aufsatz seine eigene Meinung
in betreff dieser Frage genauer darzulegen.
Der fibrige Teil des ersten Kapitels trägt einen polemischen Cha-
rakter und wendet sich gegen F. DQmmler, Akademika, S. 50 f. sowie
gegen die allzu gewagten Behauptungen, welche CSarl Jod, Der echte und
der Xenophontische Sokrates, Berlin 1901, S. 759 ff. aufstellte. Mik. zeigt,
868 Nene Philologische Bundschau Nr. 16.
dafs Plat. Protag. 347 G nur die Sophisten gemeint sein können und dafs
diese die Sagen von den sieben Weisen weiter ausgestalteten, wie über-
haupt alle Philosopbenschulen sich mit den Aussprüchen dieser Männer
beschäftigten.
Das zweite Kapitel (S. 27—32) erörtert die Frage: Hebdomas sapien-
tium quare ficta sit. Bei den Griechen spielte die Zahl 7, besonders im
Apollokultus, eine grofse Bolle. Zu den vielen Belegen, welche Verf. aus
antiken Autoren bringt, möchte Bef. noch eine bisher unbeachtet ge-
bliebene Stelle hinzufügen, nämlich Plut. Aristid. 11, 2, wo das delphische
Orakel vor der Schlacht bei Flatää von den Qriechen unter anderm ver-
langt, sie sollten sieben Heroen, welche namentlich bezeichnet sind, ein
Opfer darbringen. Am Schlüsse dieses Kapitels glaubt Verf., dafs die
Siebenzahl der Weisen aus der Volksreligion hervorgegangen sei und dafs
man sie nicht, wie dies Hirzel, Der Dialog 11, S. 133 und Harro Wulf,
De fabellis cum collegii septem sapientium memoria coniunctis quaestiones
criticae, Halis Sax. 1896 p. 8 u. 9 (=» diss. philol. Hai. vol. XIII pars III
p. 170 u. 171) tun, aus der Siebenzahl der Heliossöhne herzuleiten brauche.
Im dritten Kapitel (S. 33 u. 34) : De VII sapientibus cum Apolline
Delphico coniunctis bringt Mik., abgesehen von reichen Literaturangaben,
nichts Neues.
Im vierten Kapitel (S. 35 — 46): De septem sapientium conventibus
conviviisque geht der Verf. von der wohlbegründeten Anschauung aus,
dafs die Oriechen schon in den ältesten Zeiten ohne Bücksicht auf Chrono-
logie berühmte Männer miteinander in Verbindung setzten. Infolgedessen
habe man auch geglaubt, die sieben Weisen seien wiederholt zusammen-
gekommen.
Als Beweis für die Popularität der S^en von den sieben Weisen
führt Mik. S. 43 f. die zwei Mosaikbilder von Albi Torlonia und von
Torre Annunziata sowie eine Gemme an. An dieser Stelle hätte er jedoch
auch darauf aufmerksam machen sollen, dafs sich in der Vatikanischen
Sammlung Hermen des Periander und Bias nebst Fragmenten von Her-
men des Selon, Thaies, Fittakos und Kleobulos befinden. An den meisten
von ihnen ist noch der Name des betreffenden Weisen und sein berühm-
tester Spruch zu lesen (vgl. Visconti, Iconographie Orecque, Paris, Didot,
1811 I, p. 104 sq. 9). Auf ein Epigramm des Agathias gestützt, glaubt
Visconti, dafs diese Hermen auf Bronzen des Lysippos oder vielmehr
dessen Schülers Aristodemos zurückgehen. Visconti erwähnt 1. 1. p. 119
Keae t'bilologische ttandschaa Kr. l6. 369
auch ein Fragment eines Mosaiks, das Gbilon darstellt und in Verona auf-
bewahrt wird.
Auch hätte Verf. hier erwähnen sollen, daTs Brustbilder von Ghilon
und Eleobulos zusammen mit denen des Diogenes, Sokrates, Aristoteles,
Plato und Sophokles in einem grofsen Mosaikfursboden dargestellt sind,
der 1844 in Köln bei dem neuen Hospital an Gäcilien gefunden wurde
und der sich jetzt daselbst im Wallraf-Bichartz-Museum befindet.
Im letzten Teil des vierten Kapitels nennt Mik. auch die Spruch-
sammlung des Pseudo-Ausonius. Bei der Literatur über diese Sprüche
entging ihm eine Abhandlung des Bef. (Zwei lateinische Spruchsamm-
lungen, Programm des Gymnasiums Bayreuth, 1885), woselbst die Ent-
stehung dieser Sammlung ausführlich dargelegt ist.
Im fünften Kapitel (S. 46 — 60): De praemio Septem sapientibus
dato gibt der Verf. die Stellen, welche sich bei den Alten auf diesen
Sagenkreis beziehen, in ihrem vollen Wortlaut an. Im Gegensätze zu
Wulf sucht Mik. diese Stellen systematischer zu ordnen. Er erwähnt hier
zwei Stellen, die Wulf übersehen bat (Athen. XI, p. 781 d und Plut.
conviv. VII sap. 13); Ref. kann aber nicht verstehen, warum Mik. ver-
schiedene Stellen, die zu dem angegebenen Sagenkreis gehören und schon
bei Wulf stehen, wegläfst, indem er nur kurz von ihnen sagt, sie seien
ohne Belang. Bef. glaubt jedoch , dafs Verf. seine Behauptung im ein-
zelnen hätte näher begründen sollen, damit der Leser auch erßihrt, warum
diese Stellen aufser Betracht bleiben sollen.
Sehr dankenswert ist die Untersuchung, welche Verf. alsdann S. 52 — 55
über den Inhalt von Androns Tqinovq^ über die Bedeutung dieses Titels
und über die Lebenszeit des Schriftstellers gibt.
Während Wulf versucht hatte, die Anfänge dieses Sagenkreises genau
festzustellen, hält dies Verf. bei der grofsen Zahl einander widersprechender
Sagen, welche von den Schriftstellern mit aller Kunst verknüpft wurden,
für unmöglich. Hier legt er mit Geschick dar, dafs die Sage von dem im
Meer gefundenen Dreifufs eine spätere Bildung ist. Zu weit geht jedoch
Mik., wenn er aus Diod. IX 3 b schliefst, die Erzählung von dem Kriege
der lonier und die von dem im Meere gefundenen Dreifufs seien erst
zueinander in Beziehung gebracht worden. Bef. hält vielmehr dafür, dafs
der Krieg als eine Folge jenes Fundes aufzufassen ist und dafs bei Diodor,
dessen neuntes Buch wir zudem nur in Form von Exzerpten besitzen, die
Worte der Quelle ungenau wiedergegeben sind; es wird aufserdem von
37Ö Kene t'hilologtscbe änndschaa Nr. lä.
diesem Krieg selbst weiter [gar nichts erwähnt Auch ist hier zu be-
achten, was Rudolph Elöber, Über die Quellen des Diodor von Sicilien
im neunten Buch, Würzburg 1868, S. 8, gerade bei Besprechung des
Fragments 3 über die Überlieferung des Diodorischen Textes sagt.
In einem Epimetrum folgt S. 61—72 noch eine Abhandlung über
MaidvÖQiog und AeavÖQoq. Karl Keil hat zwar schon in seinen Vin-
diciae onomatologicae, Numburgi 1843, cap. II, p. 9—13 nachgewiesen,
dafs mit diesen beiden Namen der gleiche Schriftsteller bezeichnet werde;
da aber Keil nach Ansicht des Verf. dies nicht genug begründete, so
nimmt Mik. die Untersuchung noch einmal auf, um jeden Zweifel an der
Identität der beiden Namen zu beseitigen. Maiandrios lebte nach Verf.
BeweisfQhrung, die freilich bei den wenigen Anhaltspunkten, die uns zu
Qebote stehen, nicht zwingend ist, im Anfang des 4. Jahrh. Um diese
seine Behauptung zu stützen, beruft sich Mik. S. 71, A. 1 auf Hicks
und Susemihl; doch mit Unrecht. Denn nach dem ersteren lebte Maian-
drios nicht früher als Alexander der Grofse, nach dem letzteren aber in
den Zeiten Alexanders.
Die Drucklegung der Abhandlung hätte mit etwas gröfserer Sorg-
falt überwacht werden sollen. S. 1 sollte Joel ebenso, wie dies bei
dem Vorname Garolus geschehen ist, gesperrt gedruckt sein. S. 29
ist hinter scholiasta zwar die Anfangsklammer gesetzt, doch fehlt hinter
„p. 410, 10" die entsprechende Schlufsklammer, die auch auf der folgen-
den Seite hinter dem Zitat aus Liban. ausgefallen ist. Etwas später ist
auf S. 30 die Schlufsklammer erst hinter dem Zitat aus der dem Dionys.
Halicarn. fälschlich zugeschriebenen Ars rhet^r. zu setzen. S. 29, Z. 21
steht Sl fjv statt öl" ^v. Auf der nächsten Seite ist hinter QaQpiXidivog
der Doppelpunkt zu streichen. S. 63 vermifst man bei dem ersten Worte
^Aqiai;6d7ifjiov den Spiritus. S. 64, A. 4 ist statt Callmachum zu lesen
GalUmachum. Ebenso halte ich auf S. 65 im Zitat aus Theodoretos
Mih^aiot für verdruckt aus Mth/jaLOv\ eine Ausgabe dieses Schriftstellers
war mir leider nicht zur Hand. S. 67 fiel vor ApoUinis Didjmaei . . .
templo die Präposition de aus. Sehr schlimm aber erging es zwei anderen
Stellen. So liest man S. 69, Z. 14 „(II 225)", was „(Hom. n 225 bis
227)" heifsen soll, und in den Addenda et corrigenda S. 73 machte
der Setzer aus „Cic. de leg. II, 11, 2 6 Thaies qui sapientissimus in Sep-
tem fuit" gar einen Nachtrag zu pag. 11 lin. 26.
Da Mik. sehr viele Zitate gibt, so konnte es nicht ausbleiben, dafs
Nene Philologuche Bnndschan Nr. 16. 371
auch ihm selbst dabei verschiedene üngenauigkeiten und Versehen mit unter-
liefen. Bohren (S. 1) heifst mit seinem Vornamen nicht F. s= Ferdinand,
sondern Franz Emil. S. 5, A. 2 erweckt der Wortlaut „Ed. Meyer,
Philol. XXXXVIII (1889) p. 268. Forschung z. alt. Gesch. I, p. 127''
bei dem Leser den Qlauben, man habe es hier mit zwei verschiedenen
Abhandlungen Ed. Meyers zu tun; in der Tat aber enthalten die For-
schungen S. 127 ff. — freilich mit Veränderung des ursprfinglichen Titels —
nur einen Abdruck der ersten Abhandlung. Auch stehen die Worte, auf
welche sich Verf. bezieht, bei Ed. Meyer nicht im Text selbst, sondern
jedesmal in einer Anmerkung. S. 9 verweist Verf. auf das nachfolgende
Kapitel III statt IV. Die Worte diiaag xarixate, welche er S. 23, letzte
Zeile, als Zitat aus Herod. I, 60 anführt , sind von ihm nach dem Texte
bei Herodot zurecht gemacht S. 31 sollte man bei der Stelle aus Aristot.
Metaphys. ersehen, wie zu ev eTtrSt de dddvtag ßdXXei das Subjekt heifst. Auch
ist S. 50 nicht angegeben, wer im Lud. VII sap. des Ausonius die betreffenden
Verse vorträgt. Ebenso vermifst man S. 51 im Zitat aus Flut. conv.
VII sap. eine Angabe darüber, wer diese Worte spricht und besonders,
wer die angeredete Person ist. S. 55 sollte zu Flut. Sol. 4 die Paragraphen-
zahl beigeschrieben sein, wie dies auch S. 50 geschehen ist. S. 58 sind
die Worte „ ovTtoTe Ttqiv etc.^* ein ungenaues Zitat. Den Samier Oih^ing
nennt Plutarch Aristid. c. 23 nicht §6, wie Mik. S. 62, A. 1 angibt,
sondern § 4. S. 73 erwähnt Verf. nicht im Nachtrag zu S. 8, A. 2 , dafs
Frachter in Bursians Jahresbericht, 1898, Band I Heinzes Abhandlung
rezensierte.
Zum Schlüsse noch einige Bemerkungen über das Latein des Verf. ,
Dieses ist zwar im allgemeinen korrekt; doch ist auch hier einiges der
Verbesserung bedürftig. S. 37 erfordert der Satz „nisi Hesiodi carmina
tum magni aut Homero pluris aestimata essent*' nicht „magni^S sondern
„tantidem'^ An zwei Stellen (S. 38 u. 56) steht quantopere ... value-
rint statt quantum ... valuerint; S. 59 ist quantopere dazu verwendet,
um das Adjektiv notum zu steigern. S. 57 sollte der Satz quanto cum
studio . . . consilia studuerunt mit mehr Sorgfalt abgefafst sein. S. 17
u. 21 gebraucht Mik. Hoc (sc. JoSlio) iudice und JoSlio iudice fehlerhaft
statt Joelius iudicat und setzt an der zweiten Stelle einen weiteren Satz,
der dem Qedanken nach davon abhängig ist, als selbständig, noch dazu
durch einen Beistrich getrennt, daneben. Auf der folgenden Seite läfst
dafür Verf. von einem anderen Jo6lio iudice einen Acc. c. Inf. abhängen.
372 Neue Philologische Bundschaa Nr. 16.
Am Ende der Abhandlaog sollte „scilicet quod etc.'^ in anderer Form
gegeben sein, damit der Leser sieht, dafs dies Worte Boepers sind, gegen
den Mik. an dieser Stelle polemisiert. Eine ganz besondere sprachliche
Eigenart zeigt Verf. in der Satzstellung. Non dubito setzt er, wie Bef.
zählte, fünfmal hinter den quin-Satz; in ähnlicher Weise läfst er S. 37
band scio dem Satze mit an non folgen. Statt der gewöhnlichen Stellung
tantum abest, ut-ut gebraucht er zweimal (S. 54 u. 68) die neue Satz-
stellung ut . . . tantum abest ut.
Bayreuth. Wilhelm Brmieo.
202) J» Fürst, Die literarische Forträtmanier im Bereich
des griechisch-römischen Schrifttums. Leipzig, Diete-
rich, 1903. (Sep.-A. a. d. Philologus 61, Heft 3.) S. 374—440
U. 593—622. 8. Ji 2.40.
Vorliegende Studie ist eigentlich der siebente und Hauptabschnitt
der im Philologus 60 (1901), S. 228 ff. u. 330 ff. erschienenen Unter-
suchungen zur Ephemeris des Diktys von Kreta, wurde aber mit gutem
Orunde vom Verf. auch als selbständige Monographie herausgegeben. Denn
sie ist auch für solche, die sich nicht speziell mit Diktysuntersuchungen
beschäftigen, in hohem Grade lehrreich und lesenswert. Namentlich gilt
dies, um einige Beispiele anzuführen, von der Übersicht über die Ver-
breitung der lit. Porträtmanier (S. 382—396), von der ansprechenden
Erörterung über die unter griechischem Einflufs in den Fapyrusurkunden
sich vollziehende Entwickelung vom Vollsignalement zum ovAi^- Typus
, (S. 397—407) und vom Abschnitt über Physiognomik, Boman und Skulptur
(S. 427 ff.).
Ich glaube Fürst unbedenklich zugeben zu müssen, dafs in der Tat
die d-ioL des malalianischen Trojaberichtes dem griechischen Diktys an-
gehören. Aus Sisyphus sind sie sicher nicht. Wenn ich in meinen Pro-
grammen (Fürst, S. 374, Anm. 3) dieselben dem Domninus zuteilte, so
wollte ich damit nicht sagen, dafs dieser sie selbst produziert habe, son-
dern dafs er sie in seine Chronik aufnahm, weil er Qeschmack daran fand.
Er kann sie ganz gut aus Diktys genommen haben, wie das Porträt der
Phädra und des Hippolytos (Mal. 88, 14, 17) aus Kephalion. Damit
dürfte sich auch der Einwand Patzigs (Byz. Zeitschr. X, 609) erledigen,
dafs in der domninischen Orestie Iphigenie , Orest und Pylades nicht por-
trätiert sind. Hier fand eben Domninus in seiner Quelle kein Porträt vor.
Nene Philologische Rnndsehaa Nr. 16. 373
Patzig schreibt 1. c. die d^eai dem Malalas selbst zu im Hinblick auf
Mal. 130, 4. Mit Becht weist Forst darauf hin, dafs hier kein Forträt
im eigentlichen Sinn vorliegt (S. 694). Wenn Patzig, um die Schwierig-
keit, daTs Malalas von den griechischen Heldengestalten aufser denen der
Trojasage nur noch Phädra und Hippolyt porträtiert hat, zu erklären, die
Vermutung aufstellt, es sei deshalb geschehen, weil er irrtfimlich die
„'iXia^^ Oaldqa dem Herrscherhause von Ilion zugewiesen habe,
so kann man dem die naheliegende Frage entgegenhalten, warum Malalas
dann die Könige von Ilion Troos (79, 21), Ilios (81, 11), DardanoB
(83, 8) und Laomedon (86, 18), nicht mit Porträten versah, während der
Sohn des letzteren, Priamus (105, 7), porträtiert ist. Priamus stammt
eben aus Diktys, der Porträte hatte, während bei Timotheus solche durch-
weg fehlen. Ich glaube also nicht, dafs Malalas, abgesehen von den
Porträten der zeitgenössischen Kaiser, selbständig Porträte erfunden habe,
wenn er auch mit manchen willkörlich umgegangen sein mag.
Mit besonderem Interesse habe ich die Ausffihrungen Forsts ober die
Kaiserporträts bei Malalas gelesen. Auch ich halte sie für Ausgeburten
naiver oder spekulativer Phantasie. Die Beobachtungen, die Ffirst bezfig-
lich der Zahl und namentlich hinsichtlich des Verhältnisses der körper-
lichen und ethischen xaQayfxriQiaixata macht, sind sehr beachtenswert.
Man könnte auch noch darauf hinweisen, dafs von Konstantin an manche
Kaiser ohne jedes Porträt sind, nicht einmal eine ^ortoua haben, während
vor Konstantin keine LQcke in der Porträtierung sich zeigt. Unerklärlich
bleibt es, warum gerade Marcianus zuerst wieder zur Ehre eines Voll-
porträts kommt, um so mehr als seine Nachfolger Leo und Zeno über-
haupt gar kein Porträt bekommen haben, ebenso wie sein unmittelbarer
Vorgänger. Vielleicht ist das Porträt Leos und Zenos nur ausgefallen,
wie es beim Oegenkaiser Zenos der Fall ist. Mal. 388, 20 ist nämlich
nach ovra üvdqa eleö^eqov aus dem Cod. Scorialensis ein längerer Ab-
schnitt einzufügen, der mit den Worten beginnt: 'f/v di 6 Aedyxiog dp^n
BVTtQBnijg^ oilogy noXii&Qi^f evfjlt^, lax^äQiog (vgl. Hermes 6 [1872],
S. 371).
Zum Schlüsse möge es mir noch gestattet sein, einige kleine Gorri^
genda anzuführen, die mir gelegentlich aufgestofsen sind. S. 376 ver-
misse ich neben Mal. 105, 5, 12 u. 106, 17 den Hinweis auf 105, 19
{iaxvqdg TtolefiiaTrjg xat dQdfia^. — S. 593 Anm. 2 ist nicht klar, was
unter „folgenden'' gemeint ist. Wie es scheint, ist an die Porträte
374 Nene Philologische Randschan Nr. 16.
91, 8 — 103, 4 ZU doDken, die S. 695 zasammengestellt sind. Denn von
103, 17 an sind moralische Prädikate keine Seltenheit. Speziell fyfvxog
(Mal. 88, 20) kehrt mehrmals wieder. — Unter dem Zitat 99, 2 (S. 595)
ist wohl 99, 23 gemeint. — S. 616 (617) wird bei Antoninus Pius inoyeltShf
dei vielleicht besser zn den ethischen xaQa%vriQiaiJia%a gerechnet, zu 291, 6
fehlt der Name Sevems, zn 298,4 ist zu lesen 6:1 {fieyaUxpvxog) j zu
367, 7 ist zu lesen 4 : 0. Endlich sei noch erwähnt, daä S. 436 yewaiog
unter Hinweis auf Mal. 104, 3 als moralische Eigenschaft angefahrt wird,
während es S. 616 Anm. unter Hinweis auf die gleiche Stelle heifst, dafs
yewaiog in den malalianischen Porträts offenbar eine Eörpereigenschaft
ist. Die fanf Stellen, an denen yewaiog in Porträts vorkommt (104,3;
105,14; 258,9; 258,17 und besonders 298,4), sprechen ffir das letztere.
Augsburg. P. H. Bonrier.
203) Emest Arthur Oardner, Ancient Athens. Illustrated.
London, Macmillan and Co., 1902. XVI u. 579 S. 8.
geb. £ 1. 1. S. net.
Es ist ein altes und ewig neues Problem, eine unendlich anziehende
und niemals völlig befriedigend zu lösende Aufgabe, die sich der Verf.
hier gestellt hat — Topographie von Athen! Es kommt ein gelindes
Gruseln über einen, wenn man all der vielen noch ungelösten Fragen denkt,
die dieses Thema einschliefst, und es gehört eine selbstlose Hingabe, ja
ein hoher Grad von Begeisterung fQr die Sache dazu, ein Werk zu unter-
nehmen, bei dem man voraus weifs, dafs man zu keinem durchaus gesicherten
Gesamtresultat gelangen kann, sondern sich bescheiden mufs, die Streit-
punkte zu erörtern und wenigstens das Wahrscheinliche festzustellen. Aber
dabei stellt sich doch erfreulicherweise heraus, dafs unser sicheres
Wissen über vieles Einzelne in den letzten Jahrzehnten erheblich gestiegen
ist, und dann ist das Objekt, die Stadt Athen im Altertum, ein so an-
ziehendes und reizvolles, dafs es keinen mehr losläfst, der sich einmal
etwas näher damit befafst hat. Darum ist auch ein neuer Versuch der
Zusammenfassung des jetzt erreichten Standes unserer Kenntnis des alten
Athen mit Freuden zu begrfifsen, um so mehr, als es schwer ftUt, den
vielen weitherum zerstreuten Einzeluntersuchungen zu folgen. In diesem
Sinne kommt das neue Werk einem wirklichen Bedürfnis entgegen, nament-
lich insofern es die glückliche Mitte hält zwischen allzu grofser Aus-
dehnung und allzu grofser Knappheit. Zugleich ist eine gewisse Zurück-
tiene t^hüologtsclie tlun^han Kr. 16. 3?6
haltuDg gegen die Aufnahme neuer gewagter Hypothesen gewifs nur
lobenswert, ebenso erleichtert das Zurficktreten des gelehrten Apparates und
der sparsame Gebrauch, der von Anmerkungen gemacht wird, die Lesbar*
keit des Buches Man spfirt es diesem an, mit welcher Liebe der Verf.
bei seiner Arbeit war. Es wfirde aber eine falsche Vorstellung von dem
reichen Inhalt erwecken, wenn ich nicht hinzufügte, dafs der Verf. keines-
wegs sich auf die Topographie der Stadt beschränkt, sondern die Bedeu-
tung derselben fQr die alte Kunst in vollem ümfong zu ihrem Becht
kommen läfst. Auf seine Stellung zu Einzelfragen kann dabei natQrlich
nicht eingegangen werden. Was der Verbreitung des Buches in weiten
beteiligten Kreisen in Deutschland im Wege stehen dürfte, ist sein aufser-
ordentlich hoher Preis. Dafür enthält es aber auch aufser einigen guten und
sehr zweckmäfsig eingerichteten Karten und einer schönen Anzahl sehr guter
Heliogravüren eine Menge von Textabbildungen, die zwar teilweise etwas
zu klein und zu verschwommen sind, teilweise aber Ansichten bringen,
die man sonst nicht zu sehen bekommt und die für die Gewinnung einer
deutlichen Anschauung höchst wertvoll sind. Die Abbildungen zu den
Ausgrabungen zwischen Pnyx, Areopag und Akropolis sind leider ab-
gesehen von dem Plan S. 108 sehr ungenügend. Das Buch ist vornehm
ausgestattet und wird sich gewifs viele Freunde erwerben.
204) G. Tropea, La stele arcaica del Foro Eomano. Cronaca
della discussione V, Sett. 1901— Dec. 1902, Padova 1903. 12 S. 8.
Die Chronik ist sehr dünn geworden, ein Zeichen, dafs das Interesse
für die archaische Inschrift, ihren Träger und dessen Umgebung erheblich
nachgelassen hat. Nur hier und da eigeht sich noch ein Gelehrter in
kühnen Hypothesen über die Bedeutung der ganzen Anlage, oder versucht
ein anderer auf einem neuen Wege der Inschrift beizukommen; bei all
der teilweise recht lebhaft geführten Diskussion ist doch das Besultat so
geringfügig, dafs es wohl von weiteren Bemühungen abschrecken kann.
Zwar glauben verschiedene Gelehrte, die rechte Deutung des Monumentes
und die rechte Lesung der Inschrift gefunden zu haben, aber ihre An-
sichten gehen so himmelweit auseinander, dafs man schon dadurch zur
Skepsis genötigt wird.
L. A. Milan i, 'Mundus e Templum, in una pittura preellenica del
jabirinto di Gnosso, in Caldea, in Etruria e nel Foro Romano' (Bendiconti
dei Lincei v. 19. Mai 1901) hält seine schon früher ausgesprochene An-
3t6 llene t^hilologisohe ttandscfaan '^r. 16.
Eicbt aufrecht, dafs es sich um den Eingang zur Unterwelt (mundos)
handele, an dem an bestimmten Tagen die Schatten der Toten erschienen,
um sich an den dargebrachten Opfern zu laben, und sucht sie durch
Heranziehung eines von Evans im Labyrinth von Enossos entdeckten
Gemäldes sowie durch Hinweis auf chaldftische und etruskische Anlagen
zu stützen. — A. Ludwig, 'Die Stele auf dem Forum Romanum und
die Inschrift darauf^ (Prag 1901) sucht eine neue Ergänzung der Schrift-
reste, wobei er stark mit der Annahme rechnet, dafs die Inschrift fehler-
haft auf den Stein gebracht sei; aber was er herausbekommt, ist ebenso
unsicher und dunkel wie das Ergebnis anderer. Bedenklich ist vor allem
schon die Voraussetzung, dafs der Cippus ursprünglich anderswo seinen
Platz gehabt habe und daher die Inschrift ohne jede Beziehung zu dem
Fundorte sei. — Chr. Huelsen, 'Neue Inschriften vom Forum Bomanum'
(Lehmanns Beitr. z. alt. Qesch. II, 2) kommt unter Berücksichtigung des
Standpunktes des Betrachters der Stele zu einer neuen Auffassung über
die Gliederung der Inschrift, die er folgendermafsen gibt:
1 — 9 quoiho [, . . sjdkros esed sora [ ]
iasias recei l[ ] euam quos
re [ ] m Kalatarem hap[,
15—12 Jod icmestod uehd nequf. J
m qtmham üe ri[
10—11 ]iod iauxmenta kapia dota u[. . . . .;
dazu kommt dann noch die auf der abgeschrägten Kante stehende Zeile 16,
wo H. mit Studniczka und Thurneysen loiquiod liest. Was den Inhalt
betrifft, so hält es H. für ^einigermafsen sicher, dafs in der Inschrift von
Befugnissen und Verrichtungen des Bei auf dem Comitium die Bede war,
wo derselbe mit seinem Ealator — vielleicht zu Wagen, wenn iouxmmta
Zeile 10 nach Analogie des Sprachgebrauches der zwölf Tafeln so zu über-
setzen ist — erschien. Aber ob die Inschrift der Stele eine Lex sacra oder
eine Weihung an (unterirdische?) Götter enthielt oder ob sie geschicht-
liche Facta erzählte, können wir bisher nicht entscheiden\ Aufser diesen
Arbeiten verzeichnet Tropea noch folgende, zum Teil einfach berichtende
Artikel: W. Otto, 'Die archaische Inschrift vom Forum Bomanum* (Archiv
f. lat. Lex. XII, 102—113); Minton Warren (Transact. of the Americ.
Philol. Assoc. XXXII, 112); 0. Keller (Berl. phil. Wochenschr. 1902,
219— 222); O.Schultess(N.phil.Bund3ch.v.29.Nov. 1902); O.Kaemmel,
'Neue Entdeckungen auf dem Forum Bomanum' (Qrenzboten 1902, H. 19);
Neue Philologische Bundschaa Nr. 16. 377
0. Siebter (Maliers Handb. d. Elass. Altertnmsw. III, 3,2); dazu die
Rezensionen von R. Lanciani (Arcbivio delle Societä romana di storia
patria XXY, 1—2) und H. Rueter (N. pbil. Rundscb. v. 16. Aug. 1902);
L. Mariani (Rivista Storica Italiana 1902, April— Juni); Cbr. Huelsen,
'Die Ausgrabungen auf dem Forum Romanum 1898—1902' (Mitt. d. k.d.
arcbäol. Inst., röm. Abt. XVII, 1); E. Breccia (Coltura XXI, 19). In
den italieniscben Tageszeitungen scheint das Thema nicht mehr erörtert
zu werden.
Bremerhaven. P. Wessnor.
205) Harward Studies in dassical philology. Edited by a com-
mittee of the Glassical Instructors of Harvard üniversity. Vol. Xin.
Leipzig, Otto Harrassowitz, 1902. 176 S. 8. Ji 6.50.
Dieser Band umfafst drei Abhandlungen: 1) Die Politik der patri-
zischen daudier von George Gonverse Fiske, 2) Die Schildzeichen der
Griechen von George Henry Chase, 3) Eine Studie aber den Mythus der
Danaiden von Campbell Bonner. Bei der ersten stehe ich dem Gegenstand
zu fem, um ein Urteil darüber abgeben zu können. Die dritte berührt
eine Frage, deren Beantwortungsversuche der Strafe der Danaiden in der
Unterwelt gleichen: man schöpft dabei mit Sieben in ein bodenloses Fa&,
und es ist meines Erachtens auch dem Verf. nicht gelungen, eine aller-
seits befriedigende Lösung zu finden. Doch hat er jedenfalls Recht,
wenn er Danaos als Eponym der Danaer von der Danaidensi^e und in
dieser wieder die Erzählung von der Ermordung der Freier von dem ohne
Zweifel späteren Bericht über eine zweite Vermählung der Danaiden auf
Grund eines Wettkampfes der einheimischen Jugend trennt und in diesem
eine Erfindung der Genealogen sieht, die bei der Zurückführung argivischer
Geschlechter auf Danaos den ersten Teil der Sage nicht brauchen konnten.
Ob aber viel damit gewonnen ist, wenn er in diesem eine eigenartige Wen-
dung eines in ganz Europa verbreiteten Volksmärchens und in den Da-
naiden der ursprünglichen Sagenform blutdürstige empusenartige Wesen
sieht, scheint mir sehr zweifelhaft. Denn nicht nur ist die behauptete
Ähnlichkeit sehr problematisch , ja kaum annehmbar, sondern selbst wenn
diese Annahme richtig wäre, so ist man wieder vor die Frage gestellt,
welche Bedeutung denn das Volksmärchen hat, und dabei ist die von Bonner
bekämpfte Naturbedeutung der Danaiden als Quellnymphen doch kaum
abzulehnen, wie er sich denn auch wenigstens ihrer Auffassung als Tau-
878 Nene Philologische Rnndsohaa Nr. 16.
nnd Begenschwestern znzaneigen scheint. Die eigentBmliche Strafe der
Danaiden in der Unterwelt hat jedenfalls mit ihrer AufiTassnng als Wasser-
geister nichts zu tun, sondern kann sich nur darauf beziehen, dafs die
unglficklichen Mädchen, nach einer wohl allen Völkern gemeinsamen Vor-
stellung, verurteilt sind, in der anderen Welt das ewig ohne Erfolg fort-
zusetzen, an dessen Vollendung sie in der Oberwelt durch den Tod ver-
hindert wurden, in unserem Fall, die Vorbereitungen zum Brautbad zu
tre&en, da sie dveXelg ydficv gestorben sind. Wenn man sich auch nicht mit
allen Ausführungen des Verf. einverstanden erklären kann, so ist die Ab-
handlung doch reich an neuen Gesichtspunkten und insbesondere verdient
die Behandlung der dunkeln Berichte über die lemäischen Mysterien und
ihren Zusammenhang mit den Thesmophorien alle Beachtung.
Einen merkwürdiger-, aber auch begreiflicherweise noch sehr wenig
behandelten Gegenstand betrifft die zweite Abhandlung: Über die Schild-
zeichen der Griechen von G. H. Chase. Gilt es doch hier, die fast un-
übersehbare Masse von Schildzeichen auf erhaltenen Monumenten, nament-
lich Vasenbildern, zu sammeln und zu sichten. Aber der Verf. hat sich
nicht auf diese Aufgabe beschränkt, sondern natürlich auch die in poeti-
schen Beschreibungen und sonst in der Literatur überlieferten Nachrichten
über Schildzeichen herbeigezogen. Das mykenische und homerische Zeit-
alter kommen dabei selbstverständlich ziemlich kurz weg. Die Beschrei-
bung der Aigis der Athene und des Schildes des Agamemnon (II. 5, 739 ff.
u. 11, 34 ff.) hätten wohl eine eingehendere Behandlung verdient. Bei
der Musterung der Schildzeichen aus der historischen Zeit, soweit sie in
Beschreibungen bei Dichtem und in der prosaischen Literatur vorkommen,
ergeben sich dem Verf. neun Klassen von Gesichtspunkten, die bei der
Wahl der Schildzeichen maf^ebend waren. Diese Zahl vermehrt sich auf
zwölf bei der Durchsicht der in Bildwerken erhaltenen Schilden. Wer
etwa mit der Erwartung an die Frage herantritt, es werde sich ein dem
Geschlechtswappenbrauch des Mittelalters auch nur halbwegs entsprechendes
System in den Schildzeichen der Griechen nachweisen lassen, wird sich
bei dieser Zusammenstellung überzeugen, dafs sich hiervon keine blasse
Spur findet, sondern in der Wahl der Schildzeichen die bare Willkür
herrscht, gerade die Beziehungen zu Familie und Abkunft des Schild-
trägers sind am allerwenigsten sicher nachzuweisen. Eine hübsche Gegen-
überstellung des deutschen Wappengebrauchs und des griechischen Ge-
brauchs der Schildzeichen, worin die Ähnlichkeit und der Unterschied
s
Nene Philologiiehe Randfchau Nr. 16. 379
beider Oebräuche treffend zum Ausdruck kommt, hat Goethe im zweiten
Teile des Faust in die Ankündigung der Ankunft Fausts in Sparta ein-
geflochten. Dag^en scheinen Zeichen, die auf die Taten und Schicksale des
Trägers Bezug haben, nicht so ganz unsicher zu sein, wie es S. 88 dargestellt
ist. Der Stier auf dem Schild des Peirithoos z. B. (Mon. 1, 55) ist doch
wohl eine Anspielung auf seinen Binderraub. Aber im allgemeinen ist
die Zurückhaltung, die der Verf. in der Deutung der Schildzeichen sich
auferlegt, nur zu loben, und verdient sowohl die von ihm gewonnene
Klassifikation als insbesondere der mühevolle Katalog von Schildzeichen
auf Monumenten alle Anerkennung. Vermilst habe ich darin nur das
Zeichen des Phobos, das jedoch unter dem Titel Qorgoneion inbegriffen
ist, da man gewöhnlich zwischen der bärtigen Phobosmaske und dem
unbärtigen Medusenhaupt keinen unterschied zu machen pflegt, wie es
wohl am Platze wäre.
Calw. P. WelBSftekor.
206) A. Oille, Systematische Zusammenstellung des fran-
zösischen grammatischen Merkstoffs der Eealschnle.
Berlin, P. A. Herbig, 1903. 32 S. 8. broach. Ji -.40.
Bei aller Hochachtung vor dem guten Willen und dem ernsten Streben
des Verf. kann ich doch die Bemerkung nicht unterdrücken, dafs mir
das Verständnis für die Notwendigkeit des Schriftchens abgeht. Der
grammatische Merkstoff der Bealschule ist nach Ploetz-Eares und 0. Ploetz
kurz zusammengestellt, ohne dafs dadurch die Vorlage entbehrlich
würde; dafs der Stoff auf die einzelnen Klassen verteilt ist, erscheint nur
von äufserlicher Bedeutung. Der Schüler findet alles, teilweise sogar die
wörtlichen Beispiele, in seinem Lehrbuch, und der Lehrer kann eine der-
artige Zusammenstellung erst recht entbehren, die zudem nicht vollständig
ist; in Klasse I fehlen z. B. die von den Lehrplänen geforderten Ver-
gleichungssätze und Negationen. Einzelne Ausstellungen will ich nicht
machen, nur möchte ich unter keinen Umständen in einem Schulbuch die
deutschen Sätze finden (S. 22): Der Subjonctif steht zum Ausdruck des
Gewünschten oder dessen Qegenteils ... (S. 25): Der Infinitiv mit de
steht nach afin de,
Nauen. Fries.
380 Neae Philologische Rnndschan Nr. 16.
207) Lucas Cleeve, The Man in the Street. London u. Leipzig,
Fischer Unwin, 1903. 305 S. 8. Ji 1.50.
Ein recht modernes Bach. Modem sind die beiden weiblichen Haupt-
personen, eine Lady und eine Schauspielerin, die den Männern ihrer Wahl
ihre Liebe antragen, die erstere verlobt sich auch auf Zeit; modern ist
die letztere auch noch insofern, als sie so zart emplSndsamer Art ist, dafs
sie auf der Bühne den Einflufs eines Hypnotiseurs sogleich fühlt, als er
den Zuschauerraum nur betritt, obgleich sie ihn erst im späteren Verlauf
der Erzählung kennen lernt; modern ist die in den englischen Bomanen
jetzt öfter versuchte moralische Ehrenrettung der Schauspieler, modern
auch die etwas unpassende Wahl des Titels des Buches, dsssen schwer zu
erratende Berechtigung gegen Ende der Erzählung vordemonstriert werden
mufs; nicht ganz modern vielleicht (oder doch?) der ungeschickte Diplomat,
der den Zweck seiner geheimen politischen Sendung ausplaudert und sich
dadurch unmöglich macht.
Trotz einiger ungeschickter Vergleiche (S. 24 die letzten Zeilen und
S. 43 die zwei ersten — ein Schwan aufserhalb des Wassers ist doch
sicherlich kein schöner Anblick); trotz der Unwahrscheinlichkeit S. 21,
Z. 21 — 23; trotzdem jedes der französischen Zitate (vgl. S. 21. 22. 67
u. 81) einen Fehler enthält, und trotz des ungeheuerlichen Satzes S. 181,
Z. 1 1 ff. ist das Buch doch ein ganz interessanter, munter und ansprechend
geschriebener Boman eines Verfassers mit offenbarem Erzählertalent.
Borna Telohmami.
208) Louis Becke, Helen Adair. London u. Leipzig, Fischer
Unwin, 1903. 276 S. 8. Ji 1.50.
Ich weifs nicht, ob es den Grundsätzen englischer Bechtspflege ent-
spricht, dafs eine Irin nach den Südsee-Inseln deportiert wird, weil sie
einmal falsches Geld ausgegeben hat, wie es die Heldin dieser Erzählung
tut , um ihrem Vater nachgesandt zu werden , den politischer Vergehen
halber ein gleiches Geschick getroffen hat. Immerhin ist Helene eine
ansprechende Gestalt des Bomans. Unerwartet ist die Lösung, dafs sie
die Frau eines Beamten der Strafkolonie, in dessen Hause sie nach guter
Führung im Gefängnis als Zofe gehalten wird, und nicht die des mutigen,
ritterlichen amerikanischen Agenten wird, der sie u. a. aus der Gefangen-
schaft befreit hat. Seesturm, Stranden an einem Korallenriff, Verfolgung
"N
Kene Phüologieohe ttnudsohan Kr. 16. dSl
durch einen Begieningskatter and der unvermeidliche Ehebruch des mo-
dernen Bernaus helfen die Erzählung interessant zu machen.
Äs fine a looking young man, S. 53, ist nicht korrekt; Kommas
vor dem Worte sonny S. 57, Z. 7 und S. 81, Z. 16 vor dearest sind zu
leichterem Verständnis nötig.
Lebhafte und spannende Erzählung eigentümlicher Verhältnisse und
treffliche Schilderung weltentlegener Gegenden machen das Buch zu einer
angenehmen Lektüre.
Borna. Telohmann.
209/210) Otto Jespersen, The England and America Eeader.
Kopenhagen, Schubothe publisher, MGMIII. III u. 252 S. 8.
geb. 4 Kronen 25 Öre {JH 4. 80).
— , Noter TU the England and America Eeader. Ebenda.
79 S. 8.
„Es war meine Absicht, in dem E. a. A. B. für unsere höheren
Klassen und für Privatunterricht einen Lesestoff zu schaffen, der ein voll-
kommenes und vielseitiges Bild geben könne von dem, was das englische
Volk ist, von seinem privaten und öffentlichen Leben, seinem Charakter,
seinen Sitten und Einrichtungen. Ich habe geglaubt, dafs dies am besten
erreicht werden könnte durch eine mosaikartige Sammlung von verschieden-
artigen Stücken, in denen eigentliche Beschreibungen abwechseln mit
lebendigeren Schilderungen, Briefen, Gedichten, Zeitungsartikeln, auch
Bruchstücken aus Bomanen, wenn sie dazu dienen können, wichtige Seiten
des Lebens zu beleuchten." Mit diesen Worten gibt J. am Anfang seines
Vorwortes selbst den Inhalt seines Lesebuches an. Dieses enthält im
ganzen 52 Lesestücke, worunter 13 Qedichte; 38 beziehen sich auf Qrofs-
britannien, 8 auf Qreater Britain, 5 auf Amerika; dazu ein Schlufsgedicht.
Dafs hier etwas Gutes geboten wird, dafür bürgt der Name des Heraus-
gebers. Es sind Lesestoffe, deren Sprache ebenso mustergültig ist wie der
Inhalt charakteristisch und interessant. Ein Vergleich mit Hausknechts
English Beader, der ähnliche Zwecke wie das vorliegende Buch verfolgt,
zeigt, dafs es in letzterem weniger auf nüchternen Sachunterricht ab-
gesehen ist als in dem ersteren, dafs dagegen mehr Wert gelegt wird auf
Weckung des Interesses und ästhetischen Wert des Gebotenen. Man findet
daher keine Vorschriften für die Anfertigung von Briefen, keine Beispiele
für Geschäfts^ und ähnliche Briefe, keine Gespräche, Annoncen u. dgl.
Kene Philologische ftondsohan ^r. 16.
Dafs die Lesestücke inhaltlich nicht alle aaf gleicher Höhe stehen, versteht
sich von selbst. Im Durchschnitt aber ist der Inhalt derart, dafs die Samm-
lung als hervorragend bezeichnet werden darf und der Wunsch berechtigt
erscheint, dafs sie auch in deutschen Schulen Verwendung finden könne.
Eine gevrisse Schwierigkeit bietet dabei freilich die Form des Buches.
Denn fDr eine Semesterlektüre ist es zu umfangreich, und es als besonderes
Lesebuch einzuführen, dazu wird man sich schwerlich entschlielsen. Viel-
leicht, dafs durch eine geeignete Umarbeitung diese Schwierigkeit beseitigt
werden könnte. Die Anmerkungen sind vortrefflich; sie sind englisch
abge&fst und besonders geheftet. Dieses Heft enthält auch eine Vokabel-
präparation; die Wörter sind ins Dänische übersetzt und mit Aussprache-
bezeichnung versehen. Im Text des Lesebuches sind einige sehr gute
Abbildungen, die nur den Wunsch r^e machen, dafs ihre Zahl noch
gröfser wäre. Die Ausstattung ist gut.
Plensburg. Adolf Bertlng.
211) Julius Ziehen, Über die Verbinduog der sprachlichen
mit der sachlichen Belehrung. Leipzig und Frankfurt a. M.,
Kesselringsche Buchhandlung, 1902. 81 S. 8. Jt 1.—.
Der als Vorkämpfer für das Bealschulwesen bekannte Verfasser spricht
in dieser Schrift den Wunsch aus nach einem BealschuUesebuche, das ähnlich
dem von Wilamowitz-MöUendorfif herausgegebenen Qriechischen Lesebuche
eingerichtet sei. Er entwickelt in dem 1. Kapitel (S. 1 — 33) die Grund-
züge, nach denen das Buch gestaltet werden soll : L Sonderung des Wichtigen
und Unwichtigen, letzteres mufs als eine Belästigung der jugendlichen
Oeister durchaus fern gehalten werden. II. Erweckung und Pflege des
geschichtlichen Sinnes. — Es soll nicht das Frankreich und England des
laufenden Jahres im Schulbuche von 1902 unfertig erscheinen; Verf.
weist mit Becht den rein utilitarischen Standpunkt ab. III. Die fremd-
sprachlichen Bealien sind vom Standpunkte des deutschen Beobachters zu
betrachten. — Man kann sich nicht jeden Vormittag je eine Stunde angli-
sieren und frankogallisieren. Die Wahrung des deutschen Standpunktes
spricht hier besonders gut an. IV. Die einzelnen Stoffe sollen in der
Sprache des Volkes gegeben werden, aus deren Geschichte und Kulturleben
sie entnommen sind.
Man wird sich mit diesen Grundsätzen durchaus einverstanden erklären,
auch den Worten des Verf. beistimmen, dafs Wert und Unwert des ge-
l^ene t^bilologisclie ItnndBcbaa Kr. 16.
forderten Buches ganz von der mssenschaftlichen Bichtigkeife und Ver-
tiefang seines Planes abhängt.
Um so eher können wir auf die Skizziemng des 2. — 4. Kapitels ver-
zichten, die sich ganz und gar auf den neusprachlichen Unterricht beziehen,
dessen Vertiefung fordern und schablonenhaften Betrieb abweisen. Die
ersten 18 Seiten der Schrift enthalten aber so viele schöne und allgemeine
pädagogische Grundsätze, dafs sie allseitige Beachtung verdienen und nicht
nur von „Neusprachlern'^ gekannt und befolgt werden, sondern jedem
Eanditaten des höheren Schulamtes in succum et sanguinem übergehen
sollten.
Wolfenbüttel. Bronoke.
212) Julius Ziehen, Über den Oedanken der Gründung
eines Reichsschulmuseums. Leipzig und Frankfurt a. M.,
Eesselringsche Hofbuchhandlung (£. v. Mayer), 1903. 27 S. 8.
Ji —.50.
Während einige Qrofsstädte vne Berlin, Breslau, Königsberg, Magde-
burg u. a. schon seit geraumer Zeit Schulmuseen besitzen, die den Pädagogen
nicht nur in zuverlässiger Weise eine orientierende Übersicht über das
vorhandene Material der Lehrmittel bieten, sondern auch die Produktion
neuen Materials günstig beeinflussen, hat merkwürdigerweise das deutsche
Beich als solches — im Gegensatz zu Holland und Frankreich — zu
dieser so wichtigen Frage des Erziehungswesens bis jetzt noch nicht
Stellung genommen. Ein Beichsschulmuseum d. h. eine Anstalt, die
einerseits als Sitz einer beratenden Zentralbehörde, einer umfassenden
pädagogischen Sammlung und ihrer schulwissenschaftlichen Verarbeitung,
anderseits als Stätte zu denken ist, an der die Lehrerein- und ausgehen,
an der sie die Anregung und die Erweiterung ihres Gesichtskreises suchen
und finden sollen, ist in deutschen Landen zurzeit nicht vorhanden. Den
Gedanken der Gründung eines solchen angeregt und mit gewichtigen
pädagogischen Argumenten den mafsgebenden Kreisen empfohlen zu haben,
ist eines von den vielen Verdiensten, die sich Verf. vorliegender Abhandlung
um das deutsche Schulwesen erworben hat.
Wernigerode a. H. Maz Bodermaim.
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eleg. in Halbleder geb. M. 14.— eleg. in Halbleder geb. M. 12.—
Von einem guten Wörterbnche verlangt man , dafs es den Wortschatz gut auswähle,
nicht zu viel, nicht zu wenig biete, und dafs es die gebräuchlichsten Bedeutungen eines
Wortes in sich auseinander entwickelnder Folge gebe, daTs auch genügende Phraseologie bei-
gefügt sei, um bei Übersetzungen von Nutzen sein zu können, endlich auch. daTs cue Aus-
sprache in genauer und doch leicht verständlicher Weise angegeben sei. Allen diesen An-
forderungen genügt die vorliegende Neubearbeitung Griebs durch Schröer. Das Wörterbuch
von Grieb- Schröer wird das beste und empfehlenswerteste für den grolben Kreis der Oe-
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Insertionsgebfihr fflr die einmal gespaltene Petitxeile 80 Pfg.
Inhalt: Bezensionen: 213) J. van Leeawen, Aristophanis Aves (Pongratz) p. 285. —
214) W. Rhys Roberts, Demetrins on style (Ph, Weber) p. 389. — 215) James
Gow, Horati saturarnm lib. I (Aug. Ohambaln) p. 400. — 216) Hammelrath
und Stephan, Übungsstücke zum Übersetzen ins Lateinische für Seknnda n. Prima
(E. Krause) p. 402. — 217) G. Dnbray, Le Roman des Mots (K. Engelke) p. 404. —
218) Bastiaan yan Dam and Com. Stoffel, Chapters on English Printing,
Prosody, and Pronnnciation (-tz-) p. 405. — 219) R. Jordan, Die altenglischen
Sängetiere, (-tz-) p. 406. — Anzeigen.
213) J. van Leeuwen J. F., Aristophanis Aves. Garn prole-
gomenis et commentariis edidit (J. v. L.). Lngdoni-Batavonun
apud A. W. SijthoflF MDCCCCII. XV u. 276 S. 8.
In rascher Folge schreitet diese neueste Ausgabe des Aristophanes
vorwärts. Nachdem bereits 1893 die Wespen, 1896 die Frösche, 1898
die Wolken erschienen waren, brachte das Jahr 1900 die Bitter, 1901 die
Acharner and 1902 die Vögel, sodafs in nicht ferner Zeit der Abschlufs
der Arbeit zu erwarten steht.
Die Anordnung ist in dem neuesten Stücke dieselbe, wie in den zu-
letzt erschienenen Rittern und Acharnern. Jede Seite enthält in vier Ab-
teilungen oben den Text, darunter getrennt einen kritischen und einen
exegetischen Kommentar, unten die wissenschaftlichen Nachweise, Zahlen
u. s. w. Es hat diese Anordnung ihre unbestreitbaren Vorzüge. Nament-
lich solche, welche an die Lektfire einer Aristophaneskomödie lediglich
ihres Inhaltes wegen herantreten und dieselbe möglichst kursorisch auf-
nehmen wollen, werden es dankbar begrüfsen, den erklärenden Teil ohne
jede Zutat vor sich zu haben. Auf einen solchen weiteren Lesekreis scheint
der Hei^l^eber es auch abgesehen zu haben, da er diesem exegetischen
Teile seine Hauptsorge zuwendete. Wer aber die Ansprüche eines Qe-
lehrten mitbringt, kann diese Trennung des Literaturnachweises nur als
386 Neae Philologische Bondschaa Nr. 17.
nnbequem empfinden. Auch kann bei genauerem Zusehen nicht entgehenc
dafs an dieser untersten Stelle gar nicht selten Bemerkungen sich finden,
die entweder in den kritischen oder exegetischen Teil gehörten, sodafs
man sich des Eindruckes nicht erwehren kann, es habe der Herausgeber
diesen vierten Teil zum eigenen Nutzen als bequeme Sammelstelle für
spätere Einfälle sich geschaffen.
Was die Textgestaltung anbelangt, so unterscheidet sich van Leeuwen
von seinen Landsleuten vorteilhaft durch sein besonnenes, malsvolles Urteil
und eine entschieden konservative Bichtung, die freilich schon dadurch
bedingt war, dafs der neuen Ausgabe keine neue Vergleichung der Hand-
schriften zu gründe liegt. Der in der adnotatio critica gegebene wissen-
schaftliche Apparat genügt indes nicht den bescheidensten Anforderungen.
Kaum dafs noch V und B (in dieser richtigen Beihenfolge) von den Hand-
schriften erwähnt werden; für die übrigen begnügt der Herausgeber sich
mit Angaben wie nonnulli, complures, alii Codices oder meist einfach mit
codd. Ebenso summarisch und willkürlich verfährt er mit der Anführung
und Auswahl von Yerbesserungsvorschlägen alter und neuer Gelehrten, die
er nur in einzelnen Fällen^unter die kritische Lupe nimmt, meist ohne
ein Wort eigenen Urteils anführt oder kurz mit male, recte etc zensiert
Auffallen mufs auch, dafs dabei gröfstenteils niederländische und englische
Namen begegnen, während doch auch Franzosen, Italiener und nicht zum
wenigsten auch Deutsche ihr Teil zur Aufhellung der Überlieferung bei-
tragen. Seine eigenen Emendationen hat Leeuwen entweder, durch Sternchen
kenntlich gemacht, in den Text aufgenommen, oder er bringt sie nur in
der Note zum Vorschlag. Es findet sich darunter manches Beachtenswerte ;
vieles ist ganz willkürlich und könnte ebensogut anders sein.
Der Hauptwert der Ausgabe besteht ohne Zweifel in dem reichhaltigen
exegetischen Kommentar. Leeuwen fufst hier natürlich auf seinen Vor-
gängern, ohne immer die Quelle seiner Erklärung zu notieren, was ja
wohl auch nicht zu verlangen ist. Namentlich die Ausgabe von Eock
zeigt in vielen Fällen die nämliche Erklärung, wie sie hier neuerdings
geboten wird; oft gibt Leeuwen nur eine Ausführung der Kockschen An-
deutungen; nur selten polemisiert er gegen den Vorgänger und dann ohne
den Ton mitleidiger Überlegenheit, den er andern gegenüber oft anzunehmen
beliebt. Vielfach werden aber auch neue, zum Teil wertvolle, zum Teil
gewagte Beiträge gebracht. Gleichmäfsig werden alle Fragen berück-
sichtigt, und kaum eine dunkle Stelle bleibt ohne plausible Erklärung, so-
Nene Philologrische BondBohan Nr. 17. 887
dafs der tiro an der Hand dieser Ausgabe, ohne ein weiteres Hilfsmittel
za Bäte za ziehen, sich in ein aristophanisches Stfick hineinznlesen vermag.
Wie die Erklärung der einzelnen Stellen, so läfst Leeuwen auch die Auf-
deckung und Klarlegung des Gedankenganges sich zur besonderen Sorge
sein. Zu verwundern ist nur, warum die wörtliche AnführuDg von Schollen
geradezu vermieden ist, da doch Butherfords bekannte Ausgabe mehrmals
erwähnt wird. Als grofse Unbequemlichkeit werden die mit jedem Stficke
sich mehrenden Verweise auf frühere Bemerkungen empfunden. Es wflrde
sich da wohl empfehlen, mit einem oder ein paar Worten dem Leser die
Mflhe des unablässigen Nachschlagens zu ersparen oder zu erleichtem.
Ein nicht zu unterschätzender Vorzug liegt in der allerdings ganz
modernen Zerlegung des Dramas in Szenen auf Qrund des Personenwechsels,
ferner in den eingestreuten szenischen Bemerkungen. Wird durch erstere
die Übersichtlichkeit nicht unerheblich gefördert, so sind letztere nicht
weniger wertvoll zur schnellen Erfassung einer Stelle und zur klaren Ver-
anschaulichung einer Szene, mag auch manchmal des Outen zu viel oder
Widersprucherregendes geboten werden.
In einer Ausgabe, die offensichtlich allen Ansprüchen genfigen will,
wird man eine wenn auch nur skizzierte Darstellung der Überlieferung
nicht vermissen wollen, ebensowenig ein Verzeichnis der beigezogenen
Ausgaben und der wichtigsten Literatur. Das in einer Anmerkung zu
Anfang der Prolegomena Qegebene kann ffir keinen Fall genügen. Namen
wie Wilamowitz, Eaibel und andere, die sonst nirgends begegnen, könnten
Ehren halber an dieser Stelle wenigstens Platz finden. Vermissen wird
man in einer derartig angelegten Ausgabe auch eine kurze Übersicht der
Metra, deren Behandlung von Leeuwen überhaupt auffallenderweise aus-
geschieden ist. Vielleicht liefse sich nach Zielinskys Beispiel auch ein
kurzer Überblick über die Gliederung des Stückes im Zusammenhange geben.
Beim Eingehen auf einzelne Stellen wird man finden, dafs Leeuwen
alten Aporemen gegenüber ebenfalls ratlos bleibt. So ist es bei Vers 1575
zweifellos, dafs der 2. Fufs eine ganz unmögliche Auflösung enthält, da
die beiden eine Länge vertretenden Kürzen auseinandergerissen sind. Eine
genaue Vergleichung der Handschriften mfifste auf die richtige Leseart
führen. Ahnlich steht die Sache bei Vers 1527, der im 1. Fufs einen
Tribrachys enthält, zu dem sich bei Aristophanes kein Analogen finden
läfst. Mit dem beliebten Fiickwörtchen yi (/) ist in beiden Fällen der
Fehler nicht zu heben. Die richtige Leseart scheint mir auch in
Nene Philologische Bnndsohaa Nr. 17.
Vers 1588 nicht hergestellt, wo Leeuwen negi Ttolifiov yLavaXlay^
schreiben will. Wir vermissen schwer den Artikel vor noUfiov und es
mag auch in Betracht kommen, dafs zwar in den fibrigen, nie aber im
3. FoTse eine ähnliche Auflösung der Länge begegnet. Warum sollte
Aristophanes nicht geschrieben haben negl rod noUfiov maraXXayfjg?
Noch weniger möchte ich Leeuwens Korrektur des Verses 108 billigen,
wo er schreibt: S&ev TQn^geig al yuxXal. Auch hier vermissen wir vor
TQii^Qeig den bestimmten Artikel, den in der Tat auch alle Handschriften
bieten. Da aber die Begel, dafs auf einen Tribrachys kein Anapäst folgen
könne, zweifellos feststeht, so mufs hier ein anderer Ausw% gesucht
werden, und ich glaube, dafs die ganz ähnlich gebauten Verse Ach. 47
und 938, sowie Ecd. 315, die ebenfalls auf sicherer Überlieferung beruhen,
uns auf die einzig richtige Erklärung der Abnormität fBhren können. In
sämtlichen Fällen folgt auf den Tribrachys eine stärkere Interpunktion und
damit eine Pause, welche die vorhergehende Silbe zur anceps macht, wie
das ja regelmäfsig am Schlüsse eines Verses begegnet. Ganz zu verwerfen
ist auch die nach Herwerdens Vorgang von Leeuwen aufgenommene Lese*
art des Verses 850: naZy nai^ %6 tb yLovoCv xre, da bei Aristophanes
niemab die 2. Eflrze eines Tribrachys mit einer Enclitica ausgefQllt wird.
Aus demselben Grunde war die ebenfalls von Herwerden vorgeschlagene
Emendation des Verses 1358 äTtehmsi n U^a zu verwerfen. Zu Vers 1639
wird Meinekes Vorschlag, statt Tc^ii ywaiycög zu schreiben yvvaii^ Ttiqi
ohne Orund angefahrt, da zu einer Abweichung von der handschriftlichen
Überlieferung kein Orund vorliegt. Nicht billigen kann ich femer, dafs
Leeuwen nach dem Vorgange von Blaydes in Vers 1361 das Komma nach
iivcvq getilgt hat; denn während das Adjektiv bei m€Q(&aio entbehrlich
erscheint, ist es bei IjlS'eg unbedingt notwendig, da ja auch Strolche ver-
schiedener Art voraussichtlich die Aufnahme ins neue Eldorado nachsuchen
werden. Ebenso möchte ich bei Vers 1392 — 94 lieber die handschriftliche
Interpunktion als die von Bergk vorgeschlagene aufnehmen, da sinngemäfs
die Verse sich ohne weiteres zusammenschliefsen. Eine gekfinstelte Inter-
punktion bietet Leeuwen auch in Vers 1210 an Stelle der ungezwungenen
handschriftlichen. Qekfinstelt erscheint auch die Annahme eines Wort-
spieles zwischen vöfiog und vofiög in den Versen 1286—89. Wenn Leeuwen
im gewohnten Tone der Überlegenheit fragt, warum so mäfsige Leute,
wie die Athener, gleich an Speise und Trank denken sollten, was Witziges
die Erwähnung des Frflhstfickes habe, und warum sie dazu hätten „fliegen'^
Neae Philologische BundcMjhau Nr. 17.
sollen, so ergibt sich die Antwort mit Leichtigkeit ans dem Sinne der
ganzen Stelle, da ja die Menschen ganz vernarrt in Vogelleben nnd Sitte
in allem die Vögel nachahmen {d^fi^ofjiavotkJi). Manche Erklämngen
machen den Eindruck, als ob Leenwen sich bemfihe, Dinge herauszufinden,
an die man bisher nicht gedacht, und von der landläufigen Auffassung ab-
zuweichen. So erklärt er es in der Anmerkung zu Vers 1035 f&r eine
res ridicula, immo absurda, daran zu denken, dafe es in Athen in Wirk-
lichkeit \pri(piafiaT07t&hxi gegeben habe. Im Oegenteil, es wäre absurd
anzunehmen, dafs man in der athenischen Demokratie nicht auf dieses
Mittel gekommen sei, teils zur Stütze des Oedächtnisses, teils um Bfirgem,
die nicht zu einer Versammlung kommen konnten, auf diese Weise von
den Beschlfissen Kenntnis zu schafifen. Verwundert fragt man sich auch,
warum Leeuwen in der Bemerkung zu Vers 1025 sich gegen die Annahme
sträubt, die Bundesstädte hätten ihre iTtlayiOTtoi nicht nur unterhalten,
sondern auch besolden mfissen. War das nicht der Fall, welchen Orund
hat dann Pisetäms überhaupt, dieses Anerbieten zu machen?
Doch genug der Ausstellungen an einer Arbeit, die, als Ganzes ge-
nommen, wenige zu Tadlem haben wird und in hervorragender Weise ge-
eignet ist, dem „ungezogenen Liebling derGrazien'^ neue Freunde Zugewinnen.
Eingeleitet wird das Stück durch einen Prologus über Zeit und Auf-
fassung des Stückes; denSchlufs bildet ein Exkursus „de epope, avium rege'^
Leeuwen schreibt ein elegantes Latein, bei dem man sich freilich
auch des Gefühles nicht erwehren kann, als strebe er um jeden Preis
nach einer aparten Ausdrucksweise.
Möge uns Leeuwens Fleifs im nächsten Jahre mit einem neuen Stücke
der aristophanischen Muse erfreuen!
Amberg, Oberpfalz. Poagratz.
214) W. Ehys Roberts, DemetriuB on style. The Greek texte
of Demetrius de elocutione edited after the Paris manuscript with
introduction, translation, facsimiles etc. Cambridge: At the
üniversity Press. London, J. G. Clay & Sons ; Leipzig, F. A. Brock*
haus, 1902. XI u. 328 S. 8. 9 s.
Gewifs ein höchst interessantes Zusammentreffen ist es, dafs kaum
ein halbes Jahr nach dem Erscheinen der Ausgabe Bademachers und von
dieser ganz unabhängig die goldene Schrift des Demetrius 7t€Ql eQfirpfeiag^
wie sie Wilamowitz nennt, in Boberts, der sich bereits durch seine Aus^
390 Nene Philologische Randsohan Nr. 17.
gaben von Longinns* Schrift Ttefi ihpovg und der drei Literatarbriefe des
DioDysius von HaUkarDafs rühmlich bekannt gemacht hat, einen nenen
Heransgeber findet. Der Text bemht, wie billig, anf der Hanpthandschr., dem
cod. Parisinns 1741, den der Herausg. selbst nenerdings kollationiert hat,
und nmfafst S. 66 — 207 in der Weise, dafs die Seiten mit geraden Ziffern
den griechischen Wortlaut und miter demselben die textkritischen Be-
merkungen, jene mit ungeraden Ziffern die englische Übersetzung, die sich
rühmen darf die erste zu sein, und an ihrem Fufse literarische Anmerkungen
bieten. In den S. 212—262 noch weiter beigegebenen Noten werden
auch moderne Autoren ziemlich reichlich berücksichtigt, vereinzelt bereits
in den Anmerkungen zur Einführung. Doch hat Roberts, was gleich von
vornherein gesagt sein möge, alles vorzugsweise auf englische Leser zu-
geschnitten, wie er denn (vgl. seine Worte S. vni f.) bei der ganzen Ein-
richtung des Buches ein Hauptaugenmerk darauf gerichtet hält, das
moderne Englisch theoretisch und praktisch zu fördern. Eine wenigstens
teilweise Erklärung hierfür ergibt sich vielleicht aus der verh&Itnismäfsigen
Armut des Englischen an rhetorischen Eunstausdrücken, wie sie das reich-
haltige Glossar (S. 263—309) neben der erstaunlichen Fülle in des De-
metrius Schrift recht deutlich erkennen läfst. Nebenbei bezeichnet der
Herausg. ein neues Wörterbuch der griechischen und lateinischen rhetori-
schen Termini als ein dringendes Bedürfnis, meines Erachtens mit Becht;
gibt es ja auch bei uns kaum mehr zwei Schulbücher mit ganz gleicher
Nomenklatur. An das Glossar schliefst sich noch eine sechs Seiten um-
fassende hinsichtlich ihrer Lückenlosigkeit musterhafte Literaturangabe,
mit der ich den zweiten Absatz auf S. x zu vergleichen bitte. Wenn
ich hierzu die weitere Bemerkung füge, dafs aufser zwei Faksimiles aus
cod. P. 1741 ein Namen- und Sachregister, sowie ein solches fttr die vor-
kommenden Stellen aus den Autoren beigegeben sind und dafs zu alledem
eine 64seitige Einführung vorausgeht, so darf ich wohl schon an dieser
Stelle mein Urteil dahin zusammenfassen, dafs nach meiner festen Über-
zeugung niemand dem Herrn Boberts die Anerkennung wird versagen
können, er habe, mag man an seiner Arbeit Kritik üben, von welchem
Gesichtspunkte aus man will, nichts verabsäumt, um allen billigerweise
an seine Ausgabe zu stellenden Anforderungen vollauf gerecht zu werden.
Die vorhin erwähnte Einführung bietet zunächst (S. 1 — 27) eine in
kurz skizzierten Umrissen sich haltende Entwickelungsgeschichte des grie-
chischen Prosastils. Ihren Ausgangspunkt hat diese Entwickelung in den
•i
Nene Philologische Bnndschan Nr. 17.
griechischen Städten Siziliens genommen. An die Spitze wird im Ein-
klang mit Aristoteles (vgl. Diog. Laert. Vm,' 57) Empedokles als Erfinder
der Bbetorik gestellt. Indes hat Aristoteles mit dem Ausdrucke ^E^/rc*
doyJiJa ^oqi%ipf Bbqüv wohl nnr andeuten wollen, dafs Empedokles einem
mehr systematischen Nachfolger, wahrscheinlich Gorgias, den Weg gebahnt
habe. Der erste rhetorische Eunstschriftsteller dagegen war Eorax von
Syrakns (c. 460), welcher als Lehrer der Beredsamkeit sich darauf be-
schränkt zu haben scheint, beim Sturze der sizilischen Tyrannen und
Einführung der Demokratie seine Klienten mit Beweisen zur Geltend-
machung ihres Eigentumsrechts zu versehen. Sein Schfiler Tisias, welcher
die Topik des Wahrscheinlichen in einer eigenen Abhandlung entwickelte,
soll Gorgias nach Athen begleitet haben. Damit gewinnt Boberts den
Übergang zu den Sophisten, um sodann an diese die attischen Bedner in
der Weise anzuknüpfen, dafs er in Antiphon, Lysias, Isokrates und De-
mosthenes die Hauptvertreter der verschiedenen Stilarten vorführt Zur
Ausbildung des rednerischen Stils haben die östlichen wie die westlichen
Eolonieen Griechenlands Beiträge geleistet, insofern nämlich Protagoras
die Grammatik, Prodikus die Synonymik, Hippias die Prosodie und Metrik,
Theodorus von Byzanz neue Termini für die Unterabteilungen einer Bede
einführten und begründeten. Ganz hervorragend war in dieser Beziehung
der EinfluJB des Sophisten Thrasymachos aus Ghaicedon ; er war der erste,
welcher die wesentliche Bedeutung der Periode erkannte, weshalb er als
Vorläufer von Isokrates und Plato nicht unterschätzt werden darf. Im
Anschlufs an Isokrates wird auch das dem Bhetor Anaximenes von Lamp-
sakus zugeschriebene Werk 'Ajro^ixi^ nqitg ^AXe^avdqw (auf&llenderweise
gebraucht Boberts durch die Bank lateinische Titel), das bekanntlich eine
gute und übersichtliche Orientierung über Wesen, üm&ng und Methode
der Beredsamkeit gewährt, einer kurzen Wertschätzung unterzogen. Von
den genannten vier attischen Bednern heifst es: Alle vier sind „students^S
wenn auch nicht alle Lehrmeister des Stils sind. Antiphon ist Vertreter
des erhabenen, Isokrates des mittleren, Lysias des schlichten Stils, wäh-
rend Demosthenes ein „Proteus'^ des Stils genannt wird. Fördern die
weiteren Ausführungen auch inhaltlich nicht gerade wesentlich Neues zu
tage (vgl. indes die Figurenbeispiele aus dem Bruchstücke der Leichen-
rede des Gorgias u. ä.), so ist doch die meist originelle Form, in der sie
dem Leser entgegentreten, recht anmutend und gerade durch ihre präzise
Knappheit wirksam. Die Belege sind in der Begel aus Dionys von Bali-
392 Nene Philologische Rundschau Nr. 17.
karnafs entlehnt, doch werden solche vielfach anch unmittelbar ans den
Schriften der Redner erbracht. Die gleiche Präzisheit und Selbständigkeit
des Urteils bekunden die weiteren Abschnitte über Plato und Aristoteles,
über die nacharistotelischen Philosophen- und Oelehrtenschulen sowie über
die griechisch-römischen Bednerschulen. Die dabei nicht völlig zu ver-
meidende Kritik wahrt, ebenfalls ein bezeichnender Vorzug, stets eine
edle und mafsvoUe Sprache, wie z. B. gegenüber Norden (S. 23). Von
S. 28 ab fährt sodann Roberts die Leser in die Schrift selbst ein. Zu
diesem Behufe gibt er vorerst eine fünfteilige summarische Übersicht,
welche, wie sie einerseits den Orundplan des Werkes scharf und klar
hervortreten läfst, so anderseits die Schrift; als eine nicht streng syste-
matisch angelegte kennzeichnet. Sieht man von einer Anzahl Abschwei-
fungen, die der Verf. manchmal selbst angibt, z. B. § 178, und Wieder-
holungen (§§ 121. 220. 243. 248 verglichen mit §§ 6. 94. 99. 31) ab,
so trägt die einer formalen Einleitung und ebensolchen Schlusses ermangebde
Abhandlung einen anspruchslosen und praktischen (business-like) Charakter.
Die summarische Übersicht wird dann noch in ihren einzelnen Punkten
lichtvoll erläutert (S. 31—49). Bei aller Unebenheit in der Ausfährung
besitzt die Schrift gleichwohl nicht nur viele durchgehende Vorzüge,
sondern auch zahllose Verdienste im einzelnen. In ersterer Hinsicht ist
vor allem der verfeinerte Geschmack rühmend hervorzuheben und das
umfassende Studium der griechischen Literatur zu betonen, auf dem sich
der wichtige Gegenstand aufbaut, in letzterer Beziehung ist S. 32 eine
ganze Sammlung von Einzelvorzügen namhaft gemacht.
Erst nach diesen theoretischen Erörterungen tritt Roberts der Frage
nach Abfassungszeit und Autorschaft der Schrift näher. Den hiefßr gel-
tend gemachten Gründen (S. 49) kann man unbedenklich zustimmen.
Wenn nun auch durch das Schlufsergebnis die Sache im wesentlichen
nicht weiter geklärt wird, als dies im Streite der im Anschlufs an Liers
Dissertation in Repliken und Dupliken, ja sogar seitens Hammers in
Triplik und Quadruplik aufeinander platzenden Meinungen seit dem vor-
letzten Jahrzehnt geschehen ist, zo dürfte es sich doch angesichts des
lebhaften Interesses, das sich ebendadurch dem Gegenstande neuerdings
allenthalben zugekehrt hat, empfehlen, über diesen Abschnitt etwas ein-
gehender zu referieren.
Die von Roberts eingeschlagene Methode sucht auf doppeltem Wege,
zuerst aus inneren, dann aus äufseren Gründen, Stützen für den die unter-
Neae Philologuche Rundschau Nr. 17.
SQchung krönenden Schiurs zu gewinnen. Behufs dessen wird fflrs erste,
ich möchte sagen in Descartesscher Manier, von allen ihrer Natur nach
ja gewifs prekären äufseren Beweisen durch Zeugnisse abstrahiert und die
Frage dahin formuliert, welche Meinung wir uns fiber die Zeit der Ab-
fiissung der Schrift etwa gebildet haben würden, wenn dieselbe, olme irgend
ein äulseres Merkmal betreffs dieses Punktes an sich zu tragen, auf uns
gekommen wäre. Welchem Jahrhundert und welcher Gruppe yon Schrift-
stellern über den Stil sie zuzuschreiben würden wir in diesem Falle wohl
geneigt gewesen sein? Da wird nun zuvörderst eine in sieben Rubriken
ebensoviele Jahrhunderte (500 v. Chr. bis 200 n. Chr.) umfassende Zeit-
tafel der hauptsächlichsten zuvor in der Einleitung erwähnten Schriftsteller
(Bxponents of style) entworfen. Der Gedankengang der weiteren Deduktion
ist etwa folgender. Wer immer der Autor gewesen sein mag, so viel ist
klar, dafs er in hohem Grade der Lehre der peripatetischen Schule folgt.
Bezugnahmen auf Aristoteles spinnen sich durch die ganze Abhandlung,
wofür 16 Paragraphen ins Treffen geführt werden. In der Tat, auf den
ersten Blick mag die Schrift nur eine verständlichere Abhandlung über
die im dritten Buche der Rhetorik niedergelegte Materie zu sein scheinen.
Die Peripatetiker als eine Klasse sind erwähnt § 181, des Aristoteles
unmittelbarer Nachfolger Theophrast in 7 Paragraphen und wahrscheinlich
nachgeahmt (foUowed) in vielen anderen Stellen. Die im Laufe einer
kurzen Abhandlung zahlreichen Bezugnahmen auf Aristoteles erscheinen um
80 bemerkenswerter, als sie mit der von anderen Rhetorikern, wie Dionys
von Halikamafs, geübten Gepflogenheit, die Autorität der Philosophen und
ihrer Nachfolger (followers) zu bestreiten oder zu ignorieren, in Gegensatz
stehen. Es darf daher nicht wunder nehmen, dafs Victorius, der sowohl
die Rhetorik als die Schrift de elocutione studiert hatte, die tberlieferung,
welche die letztere dem Phalereer zuschreibt, so sorgfältig festgehalten
hat. Aber obwohl viele Einzelheiten von Erheblichkeit Aristoteles ent-
lehnt (borrowed) sind, ist doch ganz klar, dafs es eine erst in späterer
Zeit geläufige Lehre ist, die das Buch in seinem System aufgenommen
hat. Bilden ja doch den wirklichen Gegenstand der mit Bemerkungen
über Periodenbau anhebenden Abhandlung die vier Stilarten, eine Ein-
teilung, die deshalb nicht von Aristoteles herrühren kann, weil wir in
dessen umfangreichen Werken höchstens den Keim zu einer solchen
finden; auch ist es unwahrscheinlich, dafs Theophrast vier Stilarten an-
erkannt habe. Auf der anderen Seite scheint, wie mit Recht aus der
394 Neae Philologische Bondschan Nr. 17.
zweiten Hälfte des § 36 gefolgert wird, diese Vierteilung nicht bei unserem
Autor ihren Ursprung zu haben, wenn derselbe auch Anspruch darauf
erhebt, das vernachlässigte Verhältnis einer dieser Arten behandelt zu
haben. (Gemeint ist tö yXag>vQ6v, worüber er § 179 sagt: ovdi yäg töv Ttqlv
evQtjffai TivL negi yXaq>vQäg avv&eaecDg.) Daraus ergibt sich die natür-
liche, wenn auch nicht zwingende Folgerung, dafs der Autor zu einer
beträchtlich späteren Zeit gelebt hat als Aristoteles. Der Hauptpunkt, in
welchem sich unsere Schrift von allen ähnlichen ausführlichen Abhand-
lungen unterscheidet, ist die Anerkennung der dewörrig als einer beson-
deren Stilart. Können so Aristoteles und Theophrast nur für einzelne Teile
der Schrift als Quellen gelten, so wird man sich der weiteren Aufgabe nicht
entziehen können, jedem in der Abhandlang vorkommenden Personennamen,
der auf die Frage nach Zeit und Autorschaft Bezug zu haben scheint,
Bevue passieren zu lassen. Der wichtigste Name in dieser Hinsicht ist
der des Fhalareers selbst § 289. Diese Stelle erregte natürlich bei den
Gelehrten der Renaissance im Punkte der Autorschaft Zweifel, und so
gelangte unsere Schrift viel früher als die de sablimitate in jene strittige
und ungewisse Stellung, welche das Los so vieler griechischer Abhandlungen
geworden ist. Victorius sah in dieser Stelle einen Beweis für seine An-
sicht. Es ist nur natürlich, bemerkt er, dafs Demetrius Phalereus das
Gedächtnis an eine Tat lebendig zu erhalten wünschte, welche ihm so
viel Ehre einbrachte. Spätere, die für die Urheberschaft des Phalereers
eintraten, haben es für besser befunden, in der in Frage kommenden
Stelle einen nachträglichen Zusatz zu erblicken, jedoch mit seichter Be-
gründung, so Liers. Wenn auch keine Literaturangabe in unserer Schrift
der Überlieferung solchen Eintrag tut wie diese, so mag doch auch
die Erwähnung anderer Namen und die Art ihrer Erwähnung mit dazu
beigetrs^en haben, dieselbe später anzusetzen. Aus der Art der An-
spielungen auf die Redner Demosthenes und Demades kann wohl nach
keiner Seite hin ein Schlufs gezogen werden. Zwar wird die Suprematie
des Demosthenes in dieser Schrift nicht so ausdrücklich anerkannt als in
anderen der Art, nichtsdestoweniger drückt sich in den zahlreichen Er-
läuterungen, zu denen seine Reden herhalten müssen, das grofse Ansehen,
das er geniefst, zur Genüge aus, wogegen die relativ geringe Anzahl an-
geführter Stellen aus Demades zeigt, dafs letzterer keineswegs als mit
jenem auf gleichhoher Stufe stehend angesehen wird. Ein bestimmteres
Kennzeichen späterer Urheberschaft tritt in den Bezugnahmen auf Me-
Nene Philologische Bnndfkshau Nr. 17. 395
nander uüd Philemon zu tage. Während diese Zeitgenossen des Phale-
reers waren, scheint der Inhalt des § 193 das urteil einer späteren Zeit
zu enthalten; darauf deutet auch fj via yt(0f4(iföia § 204. Schwerlich
würde der Phalereer neben dem summarischen urteile über die den Peri-
patetikern gemeinsamen charakteristischen Kennzeichen des Stils (§ 181)
Aristoteles und Theophrast als anerkannte Autoritäten der rhetorischen
Schulen angeführt haben. Durch oi äqxaioi. (§§ 67 u. 244) werden von
dem Autor, wie es scheint, die griechischen Klassiker in ausdrücklichen
Gegensatz zu seiner eigenen Zeit gesetzt, was sich in Ausdrücken wie ol
vCv ^i^ogeg (§ 287), ^ vfjv ^.arixovaa dBivdr^q (§ 245), c5g v^ dvofid-
^ofiev (§ 237) darstellt. In Verbindung mit diesen Anzeichen einer
späteren Periode mag nun eine nicht literarische Beziehung erwähnt
werden, welche auf römische Zeiten hinzuweisen scheint, mündlich § 108.
Wenn hier unter 7toqq>iqaig Tthxteiaig der Purpurstreifen eines römischen
Senators zu verstehen ist, dann kann offensichtlich die Schrift nicht von
der Hand des Phalereers stammen; aber unglücklicherweise ist die Er-
klärung der Stelle unsicher. Die nämliche üngewifsheit besteht hinsicht-
lich der Erklärung von ö radaq&iq (§ 237). Ist wirklich der Bhetor
Theodor aus Gadara gemeint, dann haben wir eine Beziehung nicht nur
auf die römische, sondern auf die augusteische Zeit. Die Bezugnahme
auf viele andere Schriftsteller, Dichter sowohl als Prosaisten, welche das
Buch enthält, erbringen keinen evidenten Beweis für die Zeit der Ab-
fassung; immerhin waren Artemon und Archidemus verhältnismäfsig späte
Autoren. Angesichts dieser zahlreichen Erwähnungen früherer Verfasser
von Schriftwerken (aufser den schon genannten noch Sotades, Dikäarch,
Sophron, Ktesias, Philistus, Klitarch, Praxiphanes sowie der Maler Nikias),
könnte man leicht auf den Gedanken verfallen, aus dem Umstände, dafs
der Name eines Schriftstellers wie Dionysius von Halikarnafs nicht vor-
kommt, zu folgen, er sei ungekannt gewesen. Allein ein solcher Schlufs
ist durchaus unberechtigt, hauptsächlich wenn der Autor ein Zeitgenosse
des Dionys war oder nur wenig später lebte. In seinen rhetorischen
Schriften, so umfangreich und mannigfaltig sie sind, erwähnt Dionysius
nur ein einziges Mal seinen Zeitgenossen und Mitarbeiter (fellow-worker)
Gäcilius. Auch wäre es voreilig zu behaupten, dafs beide notwendiger-
weise sich hätten kennen müssen. Es wird dabei nicht bedacht, wie un-
bedeutend der Bücherumsatz im Altertum gewesen sein mag, desgleichen
die Kostspieligkeit und Mühe der Vervielfältigung, und wie zahlreiche,
396 Neue Philologische Bnndschaa Nr. 17.
verschiedene und dabei zeitlich und örtlich weit auseinanderliegende
Bhetorenschulen es gab. Aus diesen und anderen Gründen dürfen wir
nur mit Mirstrauen auf Schlüsse hinblicken, die auf solche Art die Not-
wendigkeit erhärten wellen, die Schrift de elocutione müsse später er-
schienen sein als die Werke des Dionysius von Halikarnafs. (Der höchste Orad
dieses Mifstrauens drückt sich vermutlich in des Herausgebers höflichem
Schweigen aus, das er im Laufe der ganzen Untersuchung gegenüber der
in den Noten erwähnten, auf eine sehr späte Abfassungszeit [die Zeit der
Antonine!] deutenden Konjektur Ghrists zu § 149 beobachtet). Nunmehr
wendet sich der innere Beweis den sprachlichen Erscheinungen zu. Schon
das Titelwort eQfirpfeia scheint auf eine beträchtlich spätere Zeit als die
Aristoteles' und Theophrasts schliefsen zu lassen, da diese beiden für Stil
le^ig gebrauchen, während eQf4rjveia bei Aristoteles mehr ein logischer
und grammatikalischer als ein literarischer Terminus ist. In gleichem
MaTse bezeichnend ist ein so sorgfältig herausgearbeiteter Kunstausdruck
wie ^ij^oxcnco^ijA/a, der sicherlich einer vorgeschrittenen Stufe im Studium
des Stils angehört. Der Ausdruck war nach des Verf. eigenem Zeugnisse
in seinen Tagen eine neue Erfindung, ebenso das einfache Kompositum
yiayt6^rilog. Ein anderes § 38 ausdrücklich als solches bezeichnetes Novum
ist der an die Stelle von ^^aXonqem^q getretene rhetorische Ausdruck
löyioq. Die noch weiter folgenden sprachlichen Beobachtungen sind
gröfstenteils schon von anderen veröffentlicht worden, treten indes als die
Frucht eigener Forschung entgegen, da aufser Schmidts Abhandlung über
den Dual keine Quellenangabe erfolgt, nicht einmal bei den beiden Par-
tizipialadverbien hxv^avdrcwg und Xekvi^hwg der Name Dahls zitiert
wird und auch der von letzteren angeführte, sonst nirgends nachgewiesene
Adverbialausdruck (hg rd nUov nicht angemerkt ist. Unter den Sna^
elQtifiiva wird ebenso wie von Beheim-Schwarzbach an erster Stelle ado-
Xeax^sQog angeführt. Schon diesem gegenüber hat Dahl darauf hin-
gewiesen, dafs dies insofern bedenklich erscheint, als wir ja bei Plut. den
Superlativ ädoleax6Tcn;og lesen. Überhaupt bleibt der Wert der Arbeit
Dahls neben den Beobachtungen Boberts ungeschmälert. Bekanntlich haben
manche Gelehrte auf das Fehlen rhetorischer Kunstausdrücke, besonders
von TQÖTtog im Sinne von „Tropus, figürlicher Ausdruck'' einen Schluls
auf die Zeit zu gründen gesucht und geltend gemacht, dafs, insofern Cicero
(Brut. 17, 6) den Ausdruck anwendet und derselbe wahrscheinlich schon
ziemlich lange vorher im Schwünge gewesen sei, die Schrift in einer ver-
Nene Philologisohe Bondschan Nr. 17. 897
gleichsweise frflheren Zeit verfabt sein mflfste. Darauf entgegnet Ro-
berts kurz: It is nnsafe to infer ignorance from silence, ganz abgesehen
davon, dafs § 120 das Wort sogar möglicherweise in diesem Sinne ge-
braucht ist Ein Bflckblick auf diese innere Begründung auf Onind des
Hauptinhalts und der Sprache fBhrt dann zu dem Wahrscheinlicbkeits-
schlusse, dafs die Schrift in der Form, in welcher wir sie haben (auf diesen
beschränkenden Zusatz legt Roberts stets starken Nachdruck; der Grund
dafBr, von ihm S. 59^ angedeutet, wird bei der äufseren Begrfindung klar
ersichtlich), nicht der Zeit des Phalereers angehört, sondern entweder dem
1. Jahrb. v. Chr. oder dem l. Jahrb. n. Chr. Der rhetorische Standpunkt
weist auf die griechisch-römische Periode früher als Hermogenes und
(möglicherweise) später als Dionysius. Die Sprache ist ebenfalls nach-
klassisch, aber nicht so unmittelbar nachklassisch (paulo-post-classical) wie
bei Demetrius Phalereus. („The Atticism is but the veneer.'')
Der äufsere Beweis zieht die in anderen Schriften vorkommenden
Anspielungen auf vorliegende in Betracht und lä&t sich Aber den Wert
des handschriftl. Titels aus. Was die sogen. Anspielungen anlangt, so
sind dieselben zweifelhaft, wenn frühzeitig, und spät, wenn gut beglaubigt.
Ersteres gilt von dem frühesten hierher gehörigen Schriftsteller, Philo-
demus. Ist es schon an sich unwahrscheinlich, dafs er in der betreffenden
Stelle seiner Rhetorik (lY, 16) den § 303 unserer Schrift im Auge hat,
so dürfen aufserdem drei weitere umstände nicht übersehen werden, erst-
lich, daß; er von Demetrius ohne irgend welchen Zusatz spricht, sodann,
dafs Cicero, der Zeitgenosse des Philodemus, zwar oft auf Demetrius Pha-
lereus sich bezieht, aber keine Kenntnis dieser Schrift verrät, drittens, dafs
Diog. Laert. in der langen Liste, die er von den Werken des Phalereers
gibt, diese Schrift nicht erwähnt. Anderseits scheint Ammonius (500
n. Chr.) in seinem Kommentar der Aristotelischen Schrift negi ^E^^ifivüag
die unsere zu erwähnen; aber auch bei ihm entbehrt der Name des De-
metrius, dem er sie zuschreibt, jedes näheren Beisatzes. So bleibt also
nur aus späterer Zeit das Zeugnis des Theophylakt, Erzbischofs von Bul-
garien (11. Jahrb.), und eines Scholiasten zu Tzetzes, der selbst dem
12. Jahrb. angehört. Denn der Scholiast zu Hermogenes nimmt zwar
oft Bezug auf die Schrift de elocutione, aber ohne jede Folgerung be-
treff des Namens und der Zeit des Verfassers, aufser dafs er ihn unter
oi äqxaloi oder oi naXatoi einreiht, eine Bezeichnung, die bei by-
zantinischen Schriftstellern nicht notwendig auf die klassische Periode
398 Neue Philologisohe Bnndsohaa Nr. 17.
hinweist, da spätere Schriftsteller wie Apsines und Hermogenes selbst so
bezeichnet werden; und die Scholiasten zu Hermogenes gehören fast aus-
nahmslos byzantinischer Zeit an. Der beste anter ihnen, Gregor, Metro-
polit von Eorinth, lebte nicht vor dem 12. Jahrh. Besondere Erwähnung
verdient eine Stelle ans des Syrianus Prolegomena zu Hermogenes „De
Ideis'^ (4. Jahrb.), insofern in derselben trotz Abweichungen in den Ter-
mini von Dionys von Halikarnafs und dem Verf. nnserer Schrift die Bede
ist. Aus ihr ergibt sich, dafs letzterer für beträchtlich später galt als
ersterer, und dafs in der Zeit zwischen dem Wirken dieser beiden Männer
noch ein gewisser Hipparchus in der Entwickelung der griechischen Lehre
vom Prosastil eine Bolle gespielt hatte. Diesen Zeugnissen gegenfiber
mifst nun Boberts dem Titel, den eine so ausgezeichnete Handschr. wie
P. 1741 bietet, eine hervorragende Bedeutung bei; diese Überschrift
mässe, zumal sie möglicherweise älter sei als einige von jenen, sehr sorg-
fältig bewertet werden. Zugleich macht er jedoch darauf aufmerksam,
dafs auch betreffs der Überschriften, welche das Manuskript anderen in
ihm enthaltenen Werken gibt, beträchtliche Zweifel obwalten, was an
zwei Beispielen gezeigt wird. Bei unserer Schrift kommt die weitere
Tatsache hinzu, dafs es zu Ende derselben heifst JrujiinTqiov 7teql e^f^ri-
velag, was die Vermutung, der Zusatz OaXyiQewg in der Überschrift be-
ruhe auf Konjektur, wofür Boberts selbst bestechende Wahrscheinlichkeits-
gründe beibringt, nur bestärken könne. Es kann aber auch sein, dafs das
Buch entweder ursprünglich anonym erschien oder durch irgend einen
Zufall im Verlaufe seiner Geschichte seinen Titel verlor, und dafs „De-
metrius'^ eine blofse Konjektur ist, bestimmt, einen leeren Baum auszu-
füllen. Wenn dies der Fall ist, dann ist zweifellos der Phalereer sowohl
in der Überschrift als in der kürzeren Unterschrift gemeint. Wenn aber
Demetrius (ohne Beisatz) wirklich der ursprüngliche Titel ist, dann könnte
unter Annahme anderer Qrüude für den wahrscheinlichen Zeitpunkt des
Entstehens der Schrift nahezu aus jedem Jahrhundert ein Anspruchs-
berechtigter (claimant) dieses so allgemeinen Namens gefolgert werden.
Vor Erwähnung einiger Konjekturen auf dieser Grundlage müssen wir zu-
erst Stellung zu der Hypothese nehmen, als ob Dionys von Halikarnafs
der Autor sei, die einzige positive Vermutung, die neben den Namen
Demetrius oder Demetrius Phalereus herläuft. Valesius (Heinrich von Va-
lois) war der erste, der die Schrift dem Dionysius von Halikarnafs zu-
schrieb, und zwar auf Grund eines Scholion zu V. 401 der Wolken des
Nene Philologische Bnndschaa Nr. 17. 399
Aristophanes, in dem die Bezagnahme auf § 150 unserer Schrift klar ist.
Aber das Scholion ist wahrscheinlich nicht älter als Musurus (15. Jahrh.)
und erklärt sich einfach als ein Gedächtnisfehler ; und selbst wenn es älter
wäre, mangelt es derart an jeder Bestätigung gemeinsamen Stils oder
irgend eines anderen Betreffs (quarter), dafs die Zuteilung dieser Schrift ebenso
klassifiziert werden müfste wie die ähnliche der ars rhetorica und de subli-
mitate an einen so erhabenen und umfangreichen Schriftsteller fiber
Rhetorik, als welcher Dionysius betrachtet wurde. Wenn daher irgend
ein spezieller Name mit der Abhandlung verknüpft werden kann, mufs es
der irgend eines anderen Demetrins sein als des Phalereers. Aber De-
metrius ist ein sehr allgememeiner Name (in den grofsen klassischen
Wörterbüchern sind einige 130 Personen dieses Namens der Erwähnung
gewürdigt), sodafs in verschiedenen Zeiten mehrere Demetrius als mög-
liche Verfasser gefolgert worden sind. Zunächst holte Muret einen alexan-
drinischen Sophisten Demetrius von ungewisser Zeit hervor, nach Diog.
Laert. Verfasser von r^at ^oqiTLaL Eine andere Annahme geht dahin,
der Autor möge Demetrius von Pergamus, ein sonst unbekannter Bhetor
oder Philosoph gewesen sein, den man um das Jahr 100 v. Ohr. ansetzt,
wieder eine andere bezieht sich auf den Syrer Demetrius, dessen rhetori-
schen üntericht Cicero im Jahre 78 v. Chr. zu Athen genofs. Folgerungen
wie diese können nur dazu dienen, zu zeigen, wie weit entfernt von einem
sicheren Schlüsse man noch ist. Aber mangels zureichender Beweise ist
ein vorsichtiger Standpunkt das einzig Richtige. Bei dem jetzigen Stand
der Sache berechtigt der Beweisgang betreffs Verfasser und Zeit der Schrift
schwerlich zu irgend welchen präziseren Schlüssen als folgenden: 1) Sie
ist in ihrer gegenwärtigen Form nicht das Werk des Phalereers, wie
grofs auch immer das Gewicht der Überlieferung zu Gunsten dieses Ge-
sichtspunktes sein mag. 2) Sie gehört wahrscheinlich entweder dem
1. Jahrh. v. Chr. oder dem l. Jahrh. n. Chr. an; letztgenannter Zeitraum
ist im ganzen der wahrscheinlichere. 3) Ihr Verfasser kann den Namen
Demetrius getragen haben.
Der textkritische und literarische Apparat, der gerade in der knappen
FassuQg seiner Angaben den scharfen Blick erkennen läfst, mit dem der
Herausg. das, worauf es wesentlich ankommt, plastisch herauszuheben
weifs, ist in allen Teilen des Buches gleich musterhaft zu nennen und
dürfte des lebhaftesten Beifalls aller, die sich dafür näher interessieren, sicher
sein. Ebenso uneingeschränktes Lob verdient der peinlich saubere Druck;
400 Nene Philologische Bnndsohaii Nr. 17.
einzig S. 56 Z. 20 avli^Qia fiUschlich paroxytoniert. Im Namenregister
habe ich allerdings den einen oder andern der vorkommenden Eigennamen
vermifst; da aber nur solche von g&nzlich untergeordneter Bedeutung
dabei in Frage kommen, so beruht ihre Weglassung vermutlich auf Ab-
sicht. Wenn daher die Engländer diese Ausgabe mit stolzer Bewunderung
feiern, so brauchen sie nicht zu heucheln; sie sind wirklich darum zu
beneiden, und so kann ich zum Schlüsse nur der Hoffnung und dem
Wunsche Ausdruck geben, es mOge, nachdem jetzt Italiener, Franzosen
und Briten einer Übersetzung dieses Werkes in ihrer Muttersprache sich
erfreuen, nicht mehr gar zu lange anstehen, bis auch uns Deutschen eine
solche beschert wird.
Miknchen. Ph. Weber.
2 1 6) JameB Oow, Cl. Horati Flaoci satiiraram über I edited
with introdaction and notes. Cambridge University Press (London,
J. G. Glay & Sons; Leipzig F. A. Brockhaus) 1901. XXVIIl u.
120 S. 8. Ji 2.50.
Das erste Satirenbuch gehört zur Pitt press series, einer Sammlung
von griechischen, lateinischen, deutschen, französischen und englischen
Schulschriftstellem, für die 6ow auch Horaz' Oden und Epoden bearbeitet
hat. Die Einleitung bespricht zuerst das Leben desHoraz (S. ix. — ^xvi),
weiter die Satire bis auf Juvenal (S. xvii— xix), endlich Zeitfolge
(S. XIX— xxi), Personen (S. xxi— xxm) und Sprache (S. xxin — xxv)
der Horazischeu Satiren. Eine Übersicht über die Handschriftenklassen
und die Schollen (S. xxvi— xxvm) leitet zum Text (S. 1—36) über. Es
folgen die sehr ausführlichen Anmerkungen (S. 37 — 116). Den Schlufe
bildet ein knappes Sprach- und Sachverzeichnis. Durchweg gibt
G. die Belegstellen. Er schöpft hierbei aus den besten Quellen, in den
Anmerkungen hauptsächlich aus den deutschen Ausgaben von Orelli
(— Mewes 1892), Schütz und Eiefsling und d^r englischen von Palmer
(1888). Bei den Lesarten unter dem Text berücksichtigt G. fast nur
seine Landsleute, vor allem Bentley, dann von Neueren aufser Palmer
besonders Housman (Joum. of philol. XVIII) und Postgate (Glassical
review, Juli 1901). Des letzteren Konjekturen sind eigens für Gows Aus-
gabe erdacht. Die textkritischen Bemerkungen haben wie das ganze
Büchlein belehrenden Wert für angehende Philologen (z. B. die über die
ünechtheit von 10, 1—8 oder die über non vereor, ut 3, 120). Wissen-
Neoe Fhilologisohe Bnactechan Nr. 17. 401
schafUiche BAdeatung haben sie nicht, das Richtige in ihnen ist meist
bekannt, das Neue ist durchweg unnötig oder geradezu falsch. Richtig
ist Housmans Interpunktion 4, 102 (invidiam) procnl afore chartis atque
animo, prius ut, (= nt prius fuit) . . . promitto, annehmbar Oows
eigne Änderung (4, 139) haec . . . mecum . . . agito . . . haec ludo
(statt illudo) chartis. Bemerkenswerter sind einige neue Gedanken
in den Vorbemerkungen. Zwar ist es verkehrt Horazens Vater zum
Griechen zu machen, weil der Sohn frühzeitig griechisch schrieb
(S. ix). Oow fuhrt ja, auch selbst die wahrscheinlichere Vermutung
Sonnenscheins (Class. rev. 1897 p. 339) an, der alte Flaccus („Schlapp-
ohr"^) sei ein Samnite gewesen (Sabellus nennt sich Horaz epist. I, 16, 48),
der durch den Bundesgenossenkrieg Sklave der Militärkolonie Venusia ge-
worden, aber nach der Verleihung des Bfirgerrechts an alle Italiker frei-
gelassen und nach der tribus Horatia, zu der Venusia gehörte Horatius
genannt worden sei (8. x). Dafs Horaz aus Armut Gedichte verfafst
hat, erklärt Gow ansprechend durch die Vermutung, er sei nach Philippi
mit seiner streitbaren Muse (Epoden und Satiren) in den Dienst der
politischen Fronde (Asinius Pollio, vgl. carm. II, 1) getreten. Aus epod.
1 und 9 wird zuweitgehend gefolgert, Horaz habe in Mäcens Gefolge der
Seeschlacht bei Aktium als Augenzeuge beigewohnt (S. xni). Richtiger
ist die Beobachtung, das Zurücktreten Mäcens im vierten Oden- und
im zweiten Epistelnbuche hänge mit dem Zwist zwischen Augustus und
Mäcen wegen der Terentia zusammen (S. xy). Den Widerspruch Quintilians
(X, 1, 93 satira tota nosba est) mit Horaz' Angabe (sat. I, 4, 6), die
Grundlage der römischen Satire sei die alte attische Komödie, erkärt H.
richtig dahin, Lucilius habe Sprache und Eunstform der italischen Dichtung
entnommen, während er fßr die persönliche Gehässigkeit in der Behand-
lung der zeitgenössischen Politik in Aristophanes sein Vorbild gefunden
habe (S. xvu). Dafs die verletzende politische Dichtung dem Dichter
selbst später unbequem war, ist bekannt genug. Sehr fein aber ist der
Hinweis Gows (S. xvm), er habe das, was in den Dichtungen selbst satirae
heifst (sai II, l, 6. 17), wegen des anrüchigen Nebensinnes später
beschönigend „Gespräche"' (sermones epist. I, 4, 1. II, 1, 250. 2, 60)
genannt (S. xvm). In dem Abschnitt über die Zeitfolge der Satiren
weist G. (S. XX) darauf hin, dafs wohl spätere Gedichte auf frühere an-
spielen (sai I, 10 auf I, 4, dieses auf I, 2), nicht aber frühere auf spätere.
Er folgert aber hieraus mit Recht nur ganz im allgemeinen eine zeitliche
402 Neae Philologische Bandsohan Nr. 17.
ÄDordnuDg der Oedichte. Als das älteste der erhalteDen Oedichte über-
haupt bezeichnet auch G. (3. zn) den Becbtstreit vor Prätor Brutus in
Elazomenä i. J. 43 (sat. I, 7). Hinsichtlich der Träger der Handlungen
in den Satiren behauptet 0. mit Recht, Horaz habe nach des Lucilius
Vorgang Zeitgenossen mit ihren wirklichen Namen eingeführt. Versteck-
namen (Ganidia ffir Gratidia), Gattungsbezeichnungen (Avidienus von avere)
und unmittelbar ans Lucilius übernommene Namen (Pacideianus) seien
Ausnahmen (S. xxn). In dem Abschnitt über die Sprache der Satiren wird
besonders der der Umgangssprache entnommene Wortschatz, weniger die
Dichterspracbe behandelt. Der Verstechnik sind nur wenige, aber richtige
Bemerkungen gewidmet (S. xxy). Überhaupt ist die Darstellung auch
in den Anmerkungen knapp und gehaltvoll. Als fleifsige und verständnis-
volle Arbeit verdient Gows erstes Satirenbuch alles Lob. Für das eng-
lische Sprachgebiet wünschen wir ihm weiteste Verbreitung. In Deutsch-
land freilich wird es ihm bei der Überfülle auch an tüchtigen Horaz-
arbeiten schwer halten, sich einen Leserkreis zu erobern.
Cöln. Angasi Chambaln.
216) Hammelrath und Stephan, ÜbungsstUcke zum Über*
setzen ins Lateinische für Sekunda und Prima im Anschlufs
an die Lektüre. Berlin, Weidmann.
IL Heft: Übungsstücke im Anschlufs an Cicero. 1900.
80 S. 8. Ji l.~.
IIL Heft: Übungsstücke im Anschlufs an Sallust,
Tacitus, Cicero. 1902. 62 S. 8. u«-.80.
IV. Hefb: Wörterverzeichnis. 1903. 45 S. 8. .^-.60.
Das lateinische ünterrichtswerk von Hammelrath und Stephan, dessen
erster Teil schon früher hier besprochen ist, liegt nunmehr vollständig
vor. Das IL Heft enthält Stücke im Anschlufs an vier Beden Giceros:
in Cat. I u. IV (24 -f 16), de imp. (29), pro MiL (14). Die Aufgaben
des UL Heftes beziehen sich auf Sallust Cat. u. Jug. (6 + 3) , Tacitus
Agric. (2), Germ. (3), bist. IV (6), ann. I u. H (13) und auf Cicero in
Caec. (4), in Verr. IV u. V (5 + 2), Briefe (18), de off. (2).
Besonderes Lob verdienen die Aufgaben des U. Heftes. Die hier
behandelten Reden Cäceros werden geschichtlich erläutert, übersichtlich
gegliedert und kritisch beleuchtet, sodafs der Schüler bei Benutzung dieses
Übungsstoffes nicht nur in seinen grammatischen Kenntnissen gefördert,
Nene PhilologiBohe Bandsohan Nr. 17. 403
sondern auch in stand gesetzt wird, der Lektflre mit grOfserem Verständnis
zu folgen. Weniger bieten in dieser Hinsicht die Stficke des IIL Heftes.
In dem Bestreben vielerlei zu bringen verzichten die Verf. auf eine gründ-
lichere Behandlung der einzelnen Schriftwerke. Am meisten wird man
bedauern, dafs die Germania und der Agricola keine eingehendere Berück-
sichtigung finden.
Im übrigen kann man das Verfahren der Verf. nur billigen. Die
Übungsstücke sind in bezug auf den Wortschatz eng an die Schriftstellen
angelehnt, dagegen in Gedankengang, Satzbau und Konstruktion so frei
gestaltet, dafs dem Schüler ausreichende Gelegenheit zu selbständig«* Denk-
arbeit bleibt. Auf ein gutes und klares Deutsch ist überall Bedacht
genoDunen, dabei aber der Ausdruck so gewählt, dafs ohne erhebliche
Schwierigkeiten eine Obersetzung von echt lateinischer Färbung geliefert
werden kann. Hierbei vermisse ich nur in manchen Punkten ein metho-
disches Fortschreiten vom Leichteren zum Schwereren. Die Aufgaben im
Anschluls an Tacitus ann. z. B. scheinen mir nicht höhere Anforderungen
an den Schüler zu stellen als die über Cicero de imp., während die einen für
den Untersekundaner, die anderen für den Oberprimaner bestimmt sind.
Das Wörterverzeichnis ist alphabetisch geordnet und soll vor allem den
Schüler in stand setzen auch diejenigen Stücke zu übersetzen, die der
Elassenlektüre nicht entsprechen, damit eine volle Ausnutzung des Über-
setzungsstofifes möglich wird. Da aber die Phrasen und Vokabeln, die
in dem Verzeichnis angegeben werden, sich vielfach nur zur Verwen-
dung in einem bestimmten Zusammenhange eignen und keine allgemeine
Gültigkeit beanspruchen können, so wäre es ratsamer gewesen, sie zu den
einzelnen Stücken, in denen sie gebraucht werden, zusammenzustellen.
Bei der gewählten alphabetischen Ordnung werden schwere Mifsgriffe
seitens des Schülers kaum ausbleiben. Es mufs ihn geradezu irreführen,
wenn er in dem Verzeichnisse ohne jede Erklärung findet: „beherrschjen
imminere'S „Weinen vagitus^', „Heerhaufen cuneus 'S „zufrieden sein satis
habere 'S „verschönem celebrare'S „betroffen werden von etwas sentire
aliquid'' etc. Auch könnte der Grundsatz, den der Verf. im Vorworte
des Wörterverzeichnisses aufstellt, alles, was der Schüler durch Nachdenken
selbst finden kann, fortzulassen , noch strenger befolgt sein. Für Wendungen
wie „Lagergassen, plattes Land, Vergewaltigung, sich mit Friedensabsichten
tragen, Brückenkopf" braucht kein Oberprimaner die Hilfe eines Lexikons.
Potsdam. E. Krause.
404 Nene Philologisohe Bondsohaa Nr. 17.
2 t 7) O. Dubray, Le Boman des Mots. Yienne, Gerold & Co.
(ohne Jahr) [1903]. 63 S. 8.
Eine philologische Plauderei, der ein Vergleich zwischen dem Werdegang
und der Natur französischer Wörter mit menschlichen Verhältnissen zu
Grunde liegt.
Zur Charakterisierung des „Geistes", der in dieser „Fantasie'* herrscht,
diene folgende Auswahl:
„Mots qui se sont rnari^": en chair et en os, bei et bien. Mots
„orphelius'': struire ou ^truire (du latin struere) n*a jamais exist^. Gela
ne Ta pas emp^h^ d*avoir beaucoup d'enfants: Gonstruire, d^truire etc.
G'est admirable. Les amput^: uneauto; un v^lo. Lesexil^: rfel, solide,
C!oup6, patron etc. Que sont-ils devenus en passant la fronti^re? fi^las!
toujours quelque chose de nous s'alt^re en pays ^tranger. Les Poseurs;
ceux qui se fönt „blanchir'' en Angleterre ex. tonnelle: tunnel, r^le:
rail'* u. s. w. Manches recht hfibsch, das meiste forciert geistreich.
Mit einem teilweise recht grofsen Fragezeichen sind folgende Ableitungen
zu versehen: portrait aus trait pour trait, dict^e aus une page dict^e;
engl, poney aus pufn^, sowie die Erklärnng yon lasse in de guerre lasse
als Attraktion durch guerre, wo doch die ehemalige, auch in h^las er-
haltene Aussprache des s eine viel natürlichere Deutung bietet.
Den interessantesten Teil des Büchleins bilden die Ausblicke, welche
der französische Verfasser, auch im Anhang: M^langes, in den gegen-
wärtigen Sprachgebrauch in bezug auf einige Konstruktionen tun läfst.
Er bestätigt eine auch von Prof. MorfiT gemachte Beobachtung, wenn er
z. B. sagt: „se rappeler de'' n'a presque plus Tair d'une faute, oder:
La grammaire recommande obstin^ment: je m'en suis all^, et le public
se plaitä dire, non moins obstin^ment: Je me suis en all6! Der Verf. führt
sogar ein Beispiel aus V. Hugo, Gontemplations, an: Ils se sont en alias.
Von der Richtigkeit dieser Bemerkungen habe ich mich während meines
letzten Studienaufenthaltes in Lyon überzeugen können; je m'en rappelle
hört man von ganz Gebildeten. Von der Feststellung und Berücksichti-
gung bis zur ausschliefslichen unterrichtlichen Verwendung dieser von
Grammatik und Akademie noch nicht gutgeheifsenen Fornien ist nun aber
ein Schritt, den ich wenigstens nicht zu tun wage.
Flensburg. Karl Engolke.
Nene Phflologieche Rondschaa Nr. 17. 405
218) Bastiaan Tan Dam and Com. Stoffel, Chaptera on
•Epgliaii Frinting, Prosody, and Pronunciation (1550 bis
1700). (= Anglistiflche Forschungen, herausgegeben von
J. Hoops, Heft 9.) Heidelberg, Carl Winters üniversitätsbnch-
handlnng, 1902. 207 S. 8. Ji r«.~.
Dieselben beiden Gelehrten, die sich erst kürzlich zu einem sehr
beachtenswerten Buche, WiUiam Shakespeare, Prosody and Text, Leyden
1900, vereinigt hatten (vgl. Shakespeare- Jahrbuch 38, S. 242 ff), legen in
dem oben genannten Heft drei weitere gemeinschaftliche Arbeiten vor.
Die erste heilst High-handed Ways of EUeabethm and Jacobean Printers
(S. 1 — 48). Sie handelt, ausgehend von den wohlbekannten sogenannten
Baubausgaben, in denen uns Stücke Shakespeares und seiner Zeitgenossen
überliefert sind, über die mannigfachen eigenmächtigen und willkürlichen
Yerftnderungen , die sich zu damaliger Zeit englische Drucker mit den
Werken ihrer Autoren erlaubten. Man weifs zwar bereits recht gut, dafs
diese mitunter recht bedeutend waren, aber in wie hohem Qrade das der
Fall ist, das zeigen erst an einer Menge von Beispielen und zeitgenössischen,
bisher kaum beachteten Zeugnissen unsere Verfasser. Es ist das geradezu
feststehender Brauch, der seinen bezeichnenden Ausdruck darin findet, dafs
der Verleger die Urschrift seines Autors nicht anders als uncorrected
copy nennt und dafs neue Abdrücke in der Begel die Bezeichnung newly
corrected fahren, wobei natürlich die Besserungen nicht vom Autor, sondern
vom Drucker stammen; auch wird der Nachweis gefQhrt, dafs die Autoren
beim Druck ihrer Werke kaum etwas zu sagen hatten, ja dafs sie nicht
einmal eine Korrektur zu lesen bekamen. Bemerkenswert ist übrigens,
dafs auch schon in dieser Arbeit mehrere Fragen über die damalige Aus-
sprache des Englischen gestreift werden. — Die zweite Arbeit behandelt
The Dogma of the „Extra SyUables'^ in the Heroic and Blank -verse
Line (XVI. and XVII. Century) (S. 49—113) und wendet sich in
zum Teil scharfen Ausführungen gegen die bisher in der metrischen
Forschung als selbstverständlich geltende Ansicht, dafs in der ge-
nannten Zeit überzählige Silben, mehrsilbige Senkungen u. dergl.
nicht ganz seltene Eigentümlichkeiten seien. Die Verfasser treten dem
sehr entschieden entgegen und wissen ihre gegenteilige Meinung mit treff-
lichen Gründen und Beweisen zu stützen, indem sie darlegen, dals sich
fast in allen Fällen, die sorgsam und in grofser Zahl durchgeprüft werden,
die vermeintliche, von modernen Gelehrten angenommene Überzfthligkeit
i06 Neue Philologiaohe Boodschaa Nr. 17.
gewisser Silben leicht und zwanglos durch die von der jetzigen verschiedene
alte Aussprache des Englischen beseitigen lädt. Mit grofser Belesenheit
werden alle möglichen Zeugnisse von Phonetikern, Grammatikem und
Dichtem herangezogen, um die Bichtigkeit der neuen Aufstellungen zu
erweisen. — Die dritte Abhandlung endlich An Inquiry mto the Use
of Syniems in Shakespearean and MiÜanic Verse (S. 114—206) be-
schäftigt sich mit dieser Erscheinung, die ebenfalls fflr Aussprache und
Metrik von grofser Wichtigkeit ist.
Da es weder der Gegenstand noch der Ort erlauben, hier auf Einzel-
heiten einzugehen, so mufsten wir uns mit diesen kurzen Worten über
das reichhaltige Buch begnügen, verfehlen aber nicht, noch ausdrücklich
zu betonen, dafs es ähnlich wie das oben genannte grolse Werk der beiden
Verfasser von hober Bedeutung für die in Betracht koq^menden Gebiete
der Wissenschaft ist, dafs es eine Ffille des Neuen und Anregenden
bietet und volle Beachtung bei allen denen verdient, die sich mit metrischen
und sprachlichen Fragen beschäftigen. -is-
219) B. Jordan^ Die altenglisohen S&ugetiere. (= Anglistische
Forschungen. Herausgegeben von J. Hoopa. Heft 12.)
Heidelberg, C. Winters üniversitätsbuchbandlung, 1903. XH u.
212 S. 8. .4 6.-.
Jordans Arbeit ist ein fleifsiger und sorgfältiger Beitrag zu einer
systematischen Durchforschung des altgermanischen Sprachschatzes, wie sie
schon von verschiedenep Seiten in Angriff genommen worden ist. Der
Verfasser selbst weifs in seinem Vorwort mehrere Werke anzuführen, die
in ähnlicher Weise wie er altenglische Pflanzen- und Vogelnamen, althoch-
deutsche Tier- und Pflanzennamen behandeln, und in grOfserem Zusammen-
hange hätte auch noch auf andere Gebiete, so etwa auf die Arbeit fiber
altenglische Musikausdrficke , die Padelford im vierten Hefte der Bonner
Beiträge zur Anglistik (1899) geliefert hat, verwiesen werden können.
Der Wert solcher Arbeiten leuchtet von vornherein ein. Sie sind, wenn
sie gut sind, nicht blofs vorzflgliche Hilfsmittel zur näheren Erkenntnis
des Woilischatzes und der Sprachgeschichte, sondern sie ermöglichen oft
auch wertvolle kulturgeschichtliche Ausblicke. Jordan bringt zunächst
eine Übersicht fiber die stattliche Zahl der von ihm ausgeschöpften Quellen,
dann fiber die sonst von ihm benutzten Hilfsmittel und handelt dann in
der Einleitung im allgemeinen fiber Alter und Heimat der in Betracht
Neue Philologiflche Bundsohaa Nr. 17. 407
kommenden Tiemamen, die zum Teil Erbgut ans der indogermanischen
Urzeit sind; andere sind nur ureuropäisch, nordeuropäiscb, westgermanisch,
manche gehören auch blofs englischen Dialekten an. Neben den heimischen
Namen begegnen dann auch zahlreiche Fremd- und Lehnwörter aus dem
Lateinischen, Keltisch- Britannischen, dem Nordischen und Französischen.
Auch fiber die Oeschlechtsunterscheidungen, Zusammensetzungen, die Be-
deutungsentwickelungen und -Verschiebungen wird eine Reihe guter Be-
merkungen eingeflochten. Den Hauptteil der Arbeit bildet dann das
lexikalische Verzeichnis, das auf naturwissenschaftlicher Orundlage nach den
verschiedenen Tierklassen aufgebaut ist und zunächst die Grundform des
Namens, dann sehr ausführlich Belegstellen nach grammatischer Anordnung
bringt, ferner die Bedeutung und endlich die Oeschichte und Etymologie
des Wortes auseinandersetzt. Die Arbeit bietet eine Fälle von wichtigen
Tatsachen und auch viele neue Vermutungen und Anregungen dar, sodafs
ihr nur alle Anerkennung zu zollen ist. -is- .
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Inhalt: Rezensionen: 220/221) Der Timotheos-Papynu. Lichtdraekaasgabe ;
ü. V. Wüamowitz-MoelleDdorff, Timotheos, Die Perser (J. Sitzler) p. 409. —
222) Alex. Pallis, A few Notes on the Gospels aocording to St. Mark and
St. Matthew (£b. Nestle) p. 414 — 223) C. Pascal, De metamorphoseon locis
quibosdam (G. Schüler) p. 414. — 224) G. v. Eobilinski, Die Germania des
Taeitns (Ed. Wolff) p. 416. — 225) Phil. Menna, De infinitivi apud Pliniam
minorem nsn (Strotkötter) p. 419. — 226) J a d e 1 1, Aus griech. Inschriften (H. Lösch-
hom) p. 420. — 227) Basil L. Gildersleeve, Problems in Greek Syntax
(Ph. Weber) p. 421. — 228) Eristoffer Nyrop, Das Leben der Wörter, über-
setzt von Bob. Vogt (0. Weise) p.426. — 229) Victor Jäggi, Latein. Elementar-
grammatik (£. Krause) p. 428. — 230) H. Hettner, Illustrierter Führer durch
das IVovinzialmuseum in Trier (A. Funck) p. 429. — 231) Der alte Orient 5 Jahrg.
Heft 1 u. 2 (B. Hansen) p. 430. — 232) P. Dörwald, Griechischer Wort-
schatz (F. Adami) p. 431. — Vakanzen. — Anzeigen.
220/221) Der Timotheos-FapyniB. Gefunden bei Abusir am l. Fe-
bruar 1 902. Lichtdruckausgabe. Leipzig, Hinricbsche Buch-
handlung, 1903. 15 S. kl. Folio u. 7 Lichtdrucktafeln. Wissen-
schaftliche Veröffentlichungen der deutschen Orientgesellschaft
Heft 3. Für Mitglieder Jü 9. — , sonst J$ 12. — .
U. y. Wilamowitz-Moellendorff, Timotheos, Die Pener.
Aus einem Papyrus von Abusir im Auftrage der deutschen Orient-
gesellschaft herausg^eben. Mit einer Lichtdrucktafel. Ebenda.
126 S. 8. Ji 8. -.
Die an erster Stelle genannte Schrift ist die im Auftrage der deut-
schen Orientgesellschaft von W i 1 a m 0 w i t z unter Mitwirkung von I b s c h e r
und Schu hart veranstaltete Faksimileausgabe des Timotheos-Papyrus; sie
will auf sieben Lichtdrucktafeln ein möglichst getreues Abbild desselben
geben, und wenn man aus der dem Rezensionsexemplar beigelegten Probe-
tafel auf die anderen schliefsen darf, ist dies auch gelungen; jedoch warnt
der Herausg., sich an den Stellen, wo nur noch Buchstabenreste vorhanden
sind, allzusehr auf die Photographie zu verlassen.
Neue Philologische Bandsohaa Nr. 18.
beigegebene Text macht zunächst über den Papyrus selbst Mit-
i. Dieser wurde am I.Februar 1902 in einem Grabe bei Abusir,
an Dorfe Busiris bei Memphis in Ägypten, gefunden. Er stammt
Mitte des 4. Jahrb. y. Chr., ist also das älteste Buch, das wir
;t besitzen; aber es ist nicht vollständig auf uns gekommen, son-
ur in seinem letzten Teil; am Anfang ist mehr als die Hälfte ver-
Daher ist uns auch weder Titel noch Verfasser des Gedichtes
efert ; trotzdem kann über beides kein Zweifel bestehen, da sich Ti-
eos in dem Gedichte selbst nennt, und ein Gedicht des Timotheos,
em eine Niederlage der Perser in einer Seeschlacht gegen die Griechen
hildert wird, nur dessen berühmter kitharodischer Nomos „die Perser'^
1 kann.
So kommt der Herausg. auf das Gedicht selbst zu sprechen, dessen
ideutung für uns um so höher anzuschlagen ist, als es das erste und
nzige umfangreichere Bruchstück ist, das wir von einem Nomos besitzen,
as uns also auch über das Wesen dieser Dichtungsart näheren Aufschlufs
;eben kann. Das Versmafs besteht aus freien Rhythmen, sogen. äTioXe-
Ivfjihfoiy bietet aber sonst nichts Neues. Ähnlich verhält es sich mit der
Sprache, die einen festen überlieferten, wenn auch etwas ausgearteten und
manierierten Stil zeigt. Das Bruchstück beginnt mit der typisch gehaltenen
Schilderung einer Seeschlacht zwischen Griechen und Fersern, die schlielB-
lich zugunsten der ersteren ausfällt. Daran schliefsen sich in direkter
Bede mitgeteilte Klagen der schiffbrüchigen Mysier und Lydier, eines
gefangenen Phrygiers und endlich des Perserkönigs selbst, der den Befehl
zum Bückzug gibt; sein Name ist nicht genannt, und ebensowenig der irgend-
eines anderen, weder aus dem griechischen noch aus dem persischen Heer.
Ein kurzer Hinweis auf die Siegesfeier endigt diesen Teil, der offenbar
der Hauptteil des Gedichts, der öf^cpaUg^ ist. Darauf folgt ganz unver-
mittelt der nächste Teil, die aq)QaYig, die ganz persönlich gehalten ist
und eine Verteidigung der Kunst des Dichter mit Nennung seines Na-
mens enthält. Den Schlufs, iTtlloyog^ bildet ein kurzer Segenswunsch
für die Jonier, an Poseidon gerichtet. Nach Ansicht des Herausg. ist das
Gedicht von Timotheos etwa in den Jahren 398 — 396 am Feste der Pa-
nionien vorgetragen. Der Abdruck der erhaltenen Verse in der vom
Herausg. festgestellten Form schliefst das Ganze ab.
Die philologische Bearbeitung des neuen Fundes gibtWilamowitz
in der an zweiter Stelle erwähnten Schrift. Er beginnt auch hier mit der
Nene Philologische Bondschau Nr. 18. 411
Oeschichte und Beschreibung des Papyrus, behandelt beide aber ausf&hr-
licher als in dem zuerst angeführten Buche; der Papyrus ist nach ihm
jedenfalls nicht attischer, wahrscheinlich ionischer Herkunft und weist,
besonders gegen Ende, manche Versehen und Fehler auf. Dann gibt er
eine Abschrift des Papyrus mit genauer Angabe aller unsicheren und
zweifelhaften Buchstaben, und auf diese läfst er seine Bearbeitung des
überlieferten Textes folgen, die jedoch in ihren Angaben nicht immer
korrekt ist, vgl. z. B. Y. 6, wo der Pap. (rro, nicht ar hat, und 137,
wo afjLq>Bßakhav st. aiJLq>ißaXhav als fiberlieferte Lesart angegeben wird.
Der Text ist am Fufse der Seiten von einer fortlaufenden Paraphrase in
Scholiastengriechisch begleitet, weil der Herausg. angeblich Timotheos in
keine moderne Sprache fibersetzen kann; ohne Zweifel hätte aber eine
Erklärung in deutscher Sprache das Verständnis für viele besser gefördert.
Von S. 29 ab folgen die Bemerkungen zu dem Oedicht und die
Betrachtungen über dasselbe. Hier werden Metrik, Sprache, Inhalt und
Abfossungszeit des Nomos behandelt. Daran reiht sich eine Untersuchung
fiber die Saitenzahl der Lyra, fiber die Dichtungen des Timotheos und
fiber die Entwickelung der Nomenpoesie von der ältesten Zeit bis herab
auf unseren Dichter. Durch die Perser des Timotheos ist der epische
Charakter des Omphalos bestätigt, und sein Inhalt wird jetzt noch genauer
dahin bestimmt, dafs darin Personen redend eingeführt werden, um so
verschiedene Stimmungen und Geffihle zum Ausdruck zu bringen. Das
Wesen der Sphragis aber wird erst jetzt klar; sie ist wirklich das Siegel, das
durch Nennung des Namens des Dichters sein Eigentumsrecht an der Dichtung
wahrt. Wie die Sphragis rein persönlicher Art ist, so auch der kurze Epiloges,
der einen Glück- und Segenswunsch enthält. Als Anhang werden die fibrigen
Fragmente des Timotheos beigefügt, und ein Wörterverzeichnis zu diesen
sowohl als auch zu den neugefundenen Persem macht den Schlufs.
Durch seine Bearbeitung und Veröffentlichung hat Wilamowitz
den interessanten und wichtigen Fund allgemein zugänglich gemacht, und
daffir mufs man ihm dankbar sein. Wie man aus dem Vorgange nach
der Veröffentlichung des Herondas und Bakchylides schliefsen kann, wird
sich die Tätigkeit der Gelehrten in der nächsten Zeit vorwiegend dem
Timotheos zuwenden, und in der Tat harrt hier auch nach den Be-
mühungen des Herausg. noch manche Stelle der Erklärung oder Ver-
besserung und manche Lficke der sinngemäfsen Ergänzung. Einige Bei-
träge will auch ich hier folgen lassen.
412 NeoA Philologische Bandsehaii Nr. 18.
y. 80 liest der Herausg. y6f^q>oig ^inqUav fufiwifievos und erklärt:
diä fiifii^aewg yoüv %oig ddoikri -Mnanqitap. Ist dieses 8iä ftifiijaeios yoVv
schon an sich im höchsten Grade auffallend, so wird es durch die da-
durch bedingte Notwendigkeit, das überlieferte d^alaaag im folgenden in
^alaooif zu ändern, noch zweifelhafter. Es ist wohl ^ejtiof/ iiivog #a-
Xdaaag zu lesen, so dafs nach sfxnqlijDv schon die Anrede an das Meer
beginnt, dem hier ohnmächtige Wut vorgeworfen wird, ebenso wie Herod.
YII 35 dem Hellespont, der gleich im folgenden erwähnt wird. Die
zwischen lAevog und 9aMoöag stehenden Wörter, die W. Xv/ieCh^i ad-
^ajog liest — in der Photographie ist der nach « und vor v stehende
Buchstabe kein co , sondern etwa et — , enthalten die dem Meere zu-
geschleuderte Schmähung ; wenn die Lesart des Herausg. richtig ist, XvfiB-
wviad^aTog im Sinne eines Vokativs. — V. 88 schreibt W. dQiy6voioiv
und mifst t als Kürze, was kaum angeht; es ist Tceiixaig dgeiydroiaiv zu
lesen. — V. 89: €y'/,Xyaei de nsdia nkiifia vofiäatv adyaig erklärt W.
xat Tct nXdifua nedia {töv yuajä 2aXa^lvi [sie] luiijtov) cvfineQiXi^ipeTaL
t4> ßle^fdarv yLatave^öfievog ; aber das genügt nach vCv de a dporagd^Bi
ifjLÖg ävaSf ifAÖg n&Sy,aig dQeiyövoiOiv nicht. Ich schlage vofiäai vaitaig
vor, das den begonnenen Gedanken folgerichtig fortsetzt und abschließt;
vo^aöeg heilsen die vadrai^ weil er der noipiiiv Xaöv ist. — Y. 112
ergänzt W. [^'Joci^Ci]; dadurch wird aber der Raum, wenigstens wie
er auf der Photographie angegeben ist, nicht ausgefüllt; es kommt
noch dazU; dafs unmittelbar darauf yorjiai folgt; daher empfiehlt sich
[#^](ic(/[i] mehr. Ebenso istV. 114 yaiav oder %&6va st. yßv zu schrei-
ben. Übrigens liegt kein Grund vor, das überlieferte aTe^voxTt;/r^ in
ovefvoKTiiTcoi zu ändern; es pafst recht gut zu ävT^ tb yuai doKQvarayel
&Q6(ff. — V. 117 schreibt W. ^ioaa^e fji ev9ivd\ %v itfycaig g>eQ6fiB3'a;
auf der Photographie steht ev&ep . . vw, und so könnte man lesen ev^cy,
oiS v^. Nach dem Herausg. hat der Papyrus evS^ev.Bwv; dies würde auf
hvd^&f yB vihf führen. — V. 119 scheint mir [7taTQ]ig besser als lwiv\ig
in die Lücke und den Zusammenhang zu passen. — Y. 120 liest W.
ii[ijQ]8y yäq xiqi 7ta[X\8[p\wiAq>ay6vov\ aber x{;^ev füllt die Lücke nicht
aus, und nach na steht kein A, sondern ein Buchstabe mit senkrechtem
ersten Strich; auch verbieten poetische Bildungen, wie d^Bioyev/ig neben
^Boyev/igj ^eiodäf^agf ^eiödofiog usw. das überlieferte wfjLfpaioydvog in
wfiq>ay6vog zu ändern ; tö wfiq>aiov heifst das zu den Nymphen gehörige
Wesen, wie tö d'elov das zu den Göttern gehörige; rd w/jiq>äia deckt
^
Nene Philologiscbe Bandschan Nr. 18. 418
sich also dem Sinne nach mit al tnlfiq>au Ich ergänze die lückenhafte
Stelle folgendermalsen {^li&ei {ey ist verschrieben aus Uy wieY. 156 ayu
ans ayey) yag x^^t 7ra[^]£[x] wfig>aioy6vov [ikpaXIov ävtQOP <i[Ao^ Ki)Q
älXiaata xa7ti[T(fi veyLQ[dv eit{€) ^o ßadikegov ttöwoio rig/ia: „denn es
birgt mit vernichtender Hand neben der nymphenerzeogenden Grotte unter
dem Meere die Todesgöttin nnaosweichbar in einer Höhlung meinen
Leichnam, oder wenn es noch ein tieferes Ende des Meeres als dieses
(nämlich die Nyrophengrotte) gibt'' — Y. 126 ergänzt W. rijiUreiUo-
rtÖQov, jedoch kann nach der Photographie der auf ij folgende Buchstabe
nicht l sein; ich lese ^rigoreleoTtögay „auf dem Trockenen den Marsch
bewirkendes was zu Brücke gut pafst. — Y. 137 steckt in dem korrupten
a^q>ißaXhav augenscheinlich äfxq>ißaXleiv. Der Herausg. meint aller-
dings, nach neaeiv mfilste auch äfiq)ißaleiy stehen, und schreibt daher
mit veränderter Konstruktion dfiq>€ßaXXov; aber während neaeiv nur
die Handlung an sich ohne jede Nebenrücksicht ausdrückt, will äfiq>t'
ßdiXeiv den Zustand anschaulich vor Augen stellen. Ähnlich Piaton
symp. 176a: Ttoiifiaad-ai und Tqinea9ai\ Demosth. 8, 19; Xenoph.
oecon. 6, 9. — Y. 152 ist UyoL vielleicht aus exoL verschrieben; denn
hier handelt es sich nur um das Ergreifen; Uyev folgt Y. 156. — Y. 162
schreibe ich: iyäftoi' aoi K0g aal zi Ttgäy/^a; sc. einüf; dann als Ant-
wort: ceivig oddä^ ll&(a. — Y. 167 ist das überlieferte (JiCL%Bg = fia-
X^oaif aktive Form wie eqxf^ ^^^ tuI^ü) st. der medialen im Munde des
Phrygiers; es ist also f^axio^ zu schreiben, nicht fuix^^\ ^i® der Herausg.
tut. — Y. 178 hat der Pap. ow^i, was W. in owxi abändert; es ist
aber festzuhalten und zu schreiben: dqiTvrtio de nqdaniTt ow^i^ Tlegalda
(diy üTokrjv TCBqi xt^. ; rcQÖawTüov ist unter Einwirkung des folgenden
ovv^i entstanden, und d^ ist nach ile^a/ da verlorengegangen; Asyndeton
ist hier nicht am Platze. — Y. 195 braucht man mit W. keine Lücke
anzunehmen ; der Gedankengang ist vollständig : mein Schiffsheer habt ihr
vernichtet, die Schiffe werden es nicht zurückführen, sondern des Feuers
Glut wird sie verbrennen, und Persien wird Schmerzen empfinden.
Tauberbischofsheim. J. SItslor.
414 Ken« Philologische Bondschau Nr. 18.
Alex. Fallis, A few Notes on the OoBpels according
to St. Mark and St Matthew based chiefly on modern
Oreek. Liverpool, the Liverpool Bookseilers' Co., 1903 (London,
Williams & Norgate). VI u. 47 S. 8. 2 ah.
Der Verf. hat neaerdings die vier Evangelien in seine Muttersprache,
das Bomaische, fibersetzt, wobei sich ihm allerlei sprachliche Beobachtungen
aufdrängten, die er hier vorlegt. Sie sind vielfach anregend, aber kaum
irgend welche überzeugend. Man soll beispielsweise lesen Mc. 6, 56
äyviatg statt äyogatg, 7, 19 ßgäfftara als Oestank fassen, raxii 9, 39 = am
nächsten Tage — das ist eher einleuchtend; 12, 1 fdgyog als Landhaus,
14, 3 ftieaviyLfjg statt Ttiavixfjg; Mt. 12, 43 pLvqiiov statt äyöÖQOJv. Es
sind im ganzen 28 Stellen aus Mc, und 23 aus Mt., die so besprochen
werden. Diese Beispiele werden hier genügen.
Maulbronn. Eb. Nestte.
223) CaroluB Pascal, De metamarphoseon loeiB quibusdam.
Augustae Taurinorum (-*Bomae-Mediolani-Florentiae-Neapoli), J. B.
Paravia et soc, MGMII. 11 S. kL 8.
P. bietet zu zwölf Stellen der Metamorphosen Ovids recht beachtens-
werte kritische und exegetische Beiträge. Lib. I S setzt er „nam vos mu-
tastis et illas" in Parenthese und verbindet „vos (Akkusativ!) et illas^^
I 173 sucht er gegenüber dem von H. Magnus (N. Jahrbb. 1891, S. 701)
als durchaus richtig erwiesenen „hac parte ^' des frg. Bernense (B) die
Lesart „a fronte '' (== in fronte viae) zu verteidigen, die nur Laurent. (A),
Erfurtan. {e) und andere jüngere codd. liefern. Lib. 11 399—400 wird
statt „stimuloque dolens et verbere saevit:
Saevit enim, natumque etc."
empfohlen „stimuloque dolens et verbere caediti
Saevit enim, natumque etc."
11774: fjngemuit, vultumque ima ad suspiria duxit" nimmt er Anstofs
an „ima", das der Marcian. (M) auf Basur von zweiter (?) Hand hat
— der Neapolitan. (N) bietet „deae" — und schlägt deshalb vor:
„Ingenuit: motuq^e imo suspiria duxit."
Lag es da nicht näher, sich Ehwald anzuschlie&en, der (vgl. Bursian,
Jahresb. 1901, H 270) „deae" das Wort redet? In lib. IV 131: „ülr
que locum et visa cognoscit in arbore formam", verteidigt P. das über-#
lieferte „visa" gegen Merkels Konjektur „rigua" (in der Ausgabe von
Nene Philologiaohe Bundschau Nr. 18. 415
1900?) und erklärt: ««yidet arborem eiusque cognoscit formamS* Als Beleg ftlr
den etwas nngewOhlichen Gebrauch des Partizipiums ftlhrt er an IT 712:
y,üt in aequore summo
umbra viri v^isa est, visam fera saevit in unibram."
Am Schlüsse von V. 713 ist wohl besser mit Magnus (N. Jahrbb. 1893,
S. 622) zu lesen: „visa fera saevit in umbra/^
Lib. y 81—82: „exstantem signis multaeque in pondere massae
ingentem manibus toUit cratera duabus'^
(nach Magnus* Ausgabe) will er nicht mgentem in pondere\ sondern multae
in pondere' verbunden und daf&r geschrieben wissen multaeque in pondera
unter Verweisung auf IX 629: „Quod superest, muUum est in votaJ^
Lib. YI 280 — 84 haben einige Herausgeber Y. 281, andere Y. 282 als
unecht ausgeschaltet. P. geht von der ganz ähnlichen Stelle IX 176—8
aus und weist nach, dafs Y. 282 unecht, Y. 281 dagegen echt ist Auch gibt
er eine ganz ansprechende Erklärung dafQr, wie Y. 282 in den Text ge-
langen konnte. Für den absoluten Oebrauch von ^efferri' verweist er auf
Liv. 24, 22, 17 und 31, 29, 11. Lib. Ym 533—5 sucht er Y. 635:
„tristia persequerer miserarum dicta sororum.^'
die Echtheit von dicta\ das N nebst jüngeren Handschr. bietet, zu be-
gründen und ebenso YIII 637:
„Ergo ubi caelicolae parvos tetigere penates^^
als Ovids Eigentum nachzuweisen. YIII 719—20 schreibt Ehwald und
ebenso jetzt Magnus (Ausg. 1903): . . . „Ostendit . . . Thynelus ... In-
cola . . ." auf Grund von MXN. Dies ThyneW nennt P. mauditum
prorsus vocabulum\ obwohl er weifs, dafs Ovid bei geographischen An-
gaben wenig sorgfältig gewesen ist. Hauptsächlich aus sachlichen Gründen
bevorzugt er Suchers ^Dinieius'. Lib. X 132 — 4 weist er Ehwalds ut
hunc (Y. 133) zurück und liest:
. . . „Quae non solatia Phoebus
Dixit! et ut leviter pro materiaque doleret,
Admonuit!^^
so dafs sich ^et ut . . . admonuit' als Ausruf an das Yorhergehende an-
schliefst. Admonuit . . . doleret' ist dann ähnlich gesagt, wie bei Gic,
Cat. 2, 20: moneo desinant furere'. Magnus setzt hinter dixit* besser
ein Fragezeichen. Lib. XITT 328 — 33 bringt P. den gut bezeugten,
aber von den meisten Herausgebern getilgten Y. 332:
„utque tui mihi, sie fiat tibi copia npstri;''
416 Neue Philologische BnndBohaa Nr. 18.
mit Ehwald (Ausg. 1898) nnd Helm (Bh. Mus. LYI, S. 358) wieder zu
seinem Rechte; während aber jener ut' im Sinne von licet Mst, dieser
es sogar von cupias' (Y. 330) abhängen läfst, erklärt er: ei licet sie fiat
tibi Gopia nostri, nt est nunc tui mihi\
Dies sind die von P. erörterten Stellen. Wenn nun auch nicht in
allen Punkten ihm unumwunden beigepflichtet werden kann, so mufs
doch anerkannt werden, dars er durch seine sorgMtigen Untersuchungen
die Kritik und Erklärung der ovidischen Dichtung nicht unerheblich ge-
fördert hat.
WilhelmshaYen. O. SohUor.
224) O. y. KobilixiBkiy Die Germania des Tadtus. Ffir den
Schulgebrauch erklärt. Berlin, Weidmann, 1901. Text (28 S. 8
mit einer Karte) geb. J( —. 60. Anmerkungen (100 S.) geb. Ji 1. 20.
„ MfiUenhoffs neulich erschienener Kommentar zur Germania war der
Anlafs zu dieser Schulausgabe, ihr wichtigstes Ziel, dessen Hauptinhalt
den Bedflrfiiissen der Schule angepafst zu vermitteln.'' Diese Bestimmung
des vorliegenden Kommentars brachte es mit sich, dafs darin, sowie in
drei besonderen Anhängen, der Erörterung germanischer Altertümer ein
unverhältnismäfsig breiter Baum gewidmet ist. Von diesen „Anhängen''
ist der dritte: Von den Oöttem der Oermanen, recht dankenswert und
zweckentsprechend, nicht so der zweite : Ton dem Ursprung der Germanen.
Hier nämlich hat v. K. manche Sätze reproduziert, deren Inhalt vielleicht
schon mit dem von den Schülern gebrauchten Leitfaden der Geschichte
oder der Literatur in bedenkliche Kollision gerät. „Die Völker östlich (?)
vom Indus und Ganges bis zu den westlichen Küsten (?) unseres Erdteils
sind in fernsten Zeiten einem ürvolke entsprossen, dessen Heimat im
nordöstlichen Iran auf der Westseite von Hochasien angenommen wird."
Diesem ürvolk soll dann nur ein Weg nach Europa offen gestanden
haben, „südlich um das Kaspische Meer an dem niederen östlichen Kau-
kasus vorbei" (wie weiter?). Nun läfst der Herausg. die nach Osten (soll
heifsen: Westen) ziehenden Arier in wohlgeordnetem Zuge aufmarschieren :
„An der Spitze des Zuges be&nden sich die Ahnen der Kelten, hinter
ihnen kamen die Urgermanen und üritaliker (?), den Italikem folgten die
ürhellenen, den Germanen die Eisten (so!) und Slaven" u. s. w. Gewifs
bat ein Schulbuch nicht die Aufgabe, über wissenschaftliche Probleme
sich eingehend zu verbreiten ; aber in so naiv-dogmatischer Weise, wie es
Nene Philologische Bundschau Nr. 18. 417
hier geschieht, darf man die „Bätsei der indoeuropäischen Völkerbildung'^
doch nicht behandeln.
V. E. ist der Meinung, MfiUenhoff habe durch sein Lebenswerk „die
Forschung der Germania zum Abschlufs gebracht ^^ Darin werden ihm,
unbeschadet der Achtung vor dem Meister der deutschen Altertumskunde,
nur wenige beistimmen; denn von prinzipiellen Fragen, namentlich der
Archäologie, abgesehen, für die es überhaupt keinen AbschluGs gibt, bleibt
M.s grolsartige Leistung gerade in bezug auf die Interpretation einzelner
Stellen der Oerm. vielfach höchst anfechtbar ^). In der Tat ist ja auch
der Herausg. weit davon entfernt, auf eigenes Urteil zu verzichten ; manche
seiner Bemerkungen zeugt übrigens von selbständigen Studien auf dem
Gebiete der germanischen Ethnologie und Mythologie, doch nicht selten
hat er lieber Mullenhoff auf Irrwege folgen als von ihm abweichen wollen.
So sträubt er sich, gleich Baumstark und MüUenhoff, G. 22, 14 die Auf-
fassung (und Interpunktion) Passows als die allein vernünftige und not-
wendige anzuerkennen. Er schreibt : Ergo detecta . . . mens postera die
retractatur „also aufgedeckt und unverhüllt wird die Ansicht aller am
folgenden Tage wieder behandelt''. Die blofse Übersetzung genfigt wohl schon,
um die Absurdität solcher Auffassung des Überlieferten darzutun! Was
gegen die Lesarten 31, 14 vultu mitiore, 39, 1 Vetustissimos se ... me-
morant, 44, 1 ipscte in Oceano einzuwenden ist, will ich hier nicht wieder-
holen, nur erinnere ich daran, wie ungeschickt die zu der letzten Lesart
gegebene Erklärung des Herausg. ist: „mit ipsae werden die civitates
Suionum in Oceano den vorhergenannten an der Eüste (ab Oceano) gegen-
übergestellt". — Die Sprache des Kommentars ist im allgemeinen von
äufserster Knappheit, nicht überall korrekt, und die gebotenen Er-
läuterungen oder Übersetzungen lassen manches zu wünschen übrig. Bei-
spiele: 5, 2 umidior „feuchter, daher niedriger, ventosior windiger, und
daher höher gelegen". Das versteht einigermafsen nur, wer Müllenhoffs
Ausführungen zu der Stelle gelesen hat; ebenso steht es 5, 11 haud
perinde („eig. nicht so wie sonst"); 5, 19 sequuntur „sie halten sich",
erg. an (das Silber), nach Baumstark. Zu 4, 6 magna corpora „die Gröfse
von 7 Fufs bei Karl dem Grofsen galt nicht als ungewöhnlich".
Das letzte sagt meines Wissens Einhard doch nicht. Zu den missilia, wie
1) Ich darf hier wohl aach auf m. Anzeigen des Müllenhoffschen Kommentars
verweisen (Beri. Phil. Wochenschr. 1899, Nr. 21; 1901, Nr. 38).
418 Nene PhilologiBohe Rimdsohau Nr. 18.
sie 6, 7 ZU yerstehen sind, gehörten gewifs nicht „Eenlen^^ In den Er-
läuterungen zu 6, 9 scuta brauchte y. E. sich nicht mehr mit den
MüUenhoff zur Verfügung stehenden archäologischen Berichten zu be-
gnügen. 9, 9 nemora „ Triften ^\ so soll aber doch hier nicht übersetzt
werden! MüUenhoff sagt: nemus ist eigentlich „ Trift ^* = vifxog, dann
öfters „ Baumgruppe ^S später besonders „ Lustwald '^ — 24, 2 quibus id
ludicrum est „die dieses Spiel betreiben^' (soll das Yerbum prägnant
genommen werden?); besser MüUenhoff im Kommentar „die dies als Spiel
betreiben''. Der Gegensatz „nicht als Erwerb^' ist doch unverkennbar.
28, 4 quaeque gens „die Gallier und die Germanen 'S unrichtig, wie das
folgende zeigt. Zutreffend erklärt ist 28, 15 nitro = sogar, überdies,
28, 22 experimento fidei als abl. causae: wegen ihrer erprobten Treue,
auch 29, 13 nisi ... animantur, 31, 15 contemptores sui — an diesen
und manchen anderen Stellen zeigt v. E. eine von MüUenhoff ab-
weichende, richtige Auffassung. Ein bedenkliches Deutsch bietet er in
der Übersetzung von 30, 11 quodque rarissimum sqq. „und was sehr
selten und nur durch den Grund (auf Grund) der Eriegszucht verUehen
ist." Etwas besser, wenn auch keineswegs dadurch „ein tadelloser Ge-
danken" erreicht wird (was meines Erachtens bei der Lesart ratione überhaupt
nicht möglich ist), übersetzt MüUenhoff: „was sehr selten ist und nur in-
folge (auf Grund) einer strengen Eriegszucht beschieden (vom Schicksal
gewährt) ist." — 44, 6 remigium „das Rudern"; wie damit die Begriffe
solutum und mutabile, sowie die Stellen 2, 6, 7 und III 47, 19 zu ver-
einigen seien, verrät der Herausg. nicht. Unnötig ausführlich wird 37, 17
der Verlauf der Eimbemkämpfe geschildert.
Damit mag es der AussteUungen im einzelnen genug sein, die sich
grofsenteils ja zugleich gegen MüUenhoffs Eommentar richten. Aber
gerade angesichts einer so reichen Fundgrube hätte der Herausg. auf seine
relativ leichte und dankbare Aufgabe wohl etwas mehr Sorgfalt und Fleifs
verwenden soUen. — Druckversehen, allerdings nur leichter Art, fand ich
auf S. 18, 19, 25, 26, 31, 39, 41, 51, 54, 59 (üsipites zweimal), 72
(Porsete und Forsetisland, Fermara), 78, 85, 92. — Die seinerzeit für
Zemials Germauiaausgabe von H. Eiepert entworfene, seitdem in der
Legende verbesserte (nur Ariones noch st. Aviones!) Earte Altgermaniens
ist dem lat. Text beigegeben; dem Eommentar geht eine angemessene
kurze Einleitung voran.
Frankfurt a. M. Edvard WolC
^
Nene Philologische Bondiohan Nr. 18. 419
225) Fhil. Menna, De inflnitivi apud Flimum minorem usu.
(Diss. Bostock.) Bostockii, H. Warkentien, MDCGCGII, 152 S. 8.
Jf 8.—.
Der Infinitiv einer Sprache, die in ihrer Prosa ffir die substantivische
und adverbielle Verwendung des Yerbbegrififos besondere Formen entwickelt
und dem Infinitiv als solchem mehr die verbale Funktion zugewiesen hat,
sollte an erster Stelle nach letzterem Oesichtspunkte untersucht werden.
Aber noch immer behandelt man den lateinischen Infinitiv, als wäre er
eine nominale Kategorie : das ist Tradition und den Verfassern der bezüg-
lichen Untersuchungen weniger zur Last zu legen. — Ausgehend vom
Ursprünge des Infinitivs, wobei es belanglos sei, ob man ihn aus dem
Dativ oder aus dem Lokativ ableite, führt uns Verf. den lateinischen
Infinitiv zunächst als grammatisches Subjekt vor. Bei der Frage, warum
das Prädikatsnomen zu einem Infinitiv im Akkusativ stehe, erwähnt Verf.
besonders Schmalz, der „Non decet esse adulatorem^^ aus „Me non decet esse
adulatorem" erklärt, und Strotkötter, der das Subjekt ,;quemquam^' er-
gänzt wissen will. Doch hätte Verf.^ wenn er sich nicht mit letzterem
ffir ein zu ergänzendes „man** und eine prädikative Auffassung des
lateinischen Infinitivs entscheiden mochte, in Übereinstimmung mit Schütz
(Krit. Gttnge auf dem Geb. d. lat. Gramm., Heidelberg) als Grund an-
nehmen können, dafs der Akkusativ als absoluter Kasus zum Infinitiv ge-
setzt sei; folgt er doch dieser Ansicht bei der Erklärung des Acc. c.
inf. (S. 28). Für die Behauptung, dafs der Infinitiv des Plinius Minor
auch von Präpositionen abhänge (S. 14), sind Beispiele aus Philosophen,
Dichtern und Grammatikern ohne Belang und gehören in diese Arbeit
um so weniger, als aus Plin. Min. kein Beispiel angefahrt wird.
Dafs zum Infinitiv dieses Schriftstellers auch Attributa träten (S. 14).
ist nicht ganz korrekt, da Verf. nur ein Beispiel nennen kann (S. 15).
Eine rein substantivische Verwendung scbeint nur in diesem einen Falle
vorzuliegen. Beim Acc. c. inf. gibt Verf. dem Akkusativ das Verhältnis eines
Subjekts ; warum wird nun das Prädikats Verhältnis des Infinitivs nicht aus-
gesprochen? — In dem Abschnitte, der über den Infinitiv als gramm.
Objekt handelt, werdenSätze, wie„Non alienum existimavi addere^' unter die
Objektsinfinitive gerechnet ; scheinbar mit Becht. Da jedoch solchen Sätzen
der Gedanke „Non alienum est addere'' zu gründe liegt, so gehören sie
nur indirekt unter die Objektsverwendung des Infinitivgedankens und
wären eigentlich mit der Infinitivverwendung im Subjektsyerhältnisse ab-
Nene Fhilologiicbe BnndBehAn Nr. 18.
Landsleute mfissen es wohl gewesen sein, gegen die der schriftstellerisch
ungemein fruchtbare Grammatiker eingangs des ersten Aufsatzes unter
dem Wahlspruche von Od. 2, 230 sich wendet und meisterhaft zu wehren
weifs.
Kein praktischer Schulmann, wenn anders er sein Handwerk ehrlich
treibt, wird leugnen wollen, dafs er dem Studium der Grammatik und
Stilistik alljährlich aufe neue viel Zeit widmen mulis; dabei setze ich
selbstverständlich voraus, dafs derselbe ohne Unterbrechung bestrebt war,
zwecks seiner eigenen Weiterbildung die Hochflut syntaktischer Einzel-
untersuchungen, wie sie die letzten Jahrzehnte herbeigeführt haben,
rficksichtlich ihrer Ergebnisse mit regem Interesse zu verfolgen. Gibt es
doch kein Kapitel der fiber die Formenlehre hinausgehenden Grammatik,
bei dem man sich in allen einschlägigen Fragen Bats erholen könnte.
In dieser Hinsicht machen auch die neuen Erscheinungen auf diesem Ge-
biete keine Ausnahme, insofern sie mit einer Pietät an den alther-
gebrachten Fassungen festhalten, die unbefriedigt läfst und einer Stagnation
zum Verwechseln ähnelt.
Die hier angezeigten Veröffentlichungen Gildersleeves waren ur-
sprünglich als Einführung zu griechischen Syntaxforschungen gedacht,
welche, teils von ihm selbst, teils auf seine Anregung von anderen aus-
geführt, in einem, um mit seinen eigenen Worten zu sprechen, derartig
gewaltig anschwellenden Bande veröffentlicht werden sollten, dafs er schon
durch seinen umfang die Aufmerksamkeit der gelehrten Welt auf sich
gezogen haben würde. Das war vor etwa zehn Jahren. Infolge der in-
zwischen aus dem Kreise seiner eigenen Schüler sowie von anderen Seiten
erfolgten Veröffentlichungen mannigfacher Art hat er es jetzt für besser
befanden, jenen Plan fallen zu lassen und sich auf die Drucklegung des
zur Einführung bestimmten Gedankenmaterials zu beschränken. Das Ge-
botene enthält abgesehen davon, dafs uns nebenbei mancher willkommene
Blick in den äufseren und inneren Werdegang des Verf. vergönnt wird
— er selbst nennt denselben a droU fate — , nicht blofs für den prak-
tischen Schulmann, sondern mehr noch für den Philosophen und Sprach-
forscher, eine reiche Fülle des Lehrreichen und Interessanten. Die aufser-
ordentliche Belesenheit des Verf., dessen Jugendträume von Dichterruhm
und Gelehrtennimbus ausgefüllt waren, einerseits, anderseits die bilder-
reiche Sprache mit ihren ob ihrer Knappheit um so schärferen Antithesen,
sowie der schalkhafte Humor, den jedes Blatt widerspiegelt, sind eine
Nene Philologische ßnndschan Nr. 18. 423
glänzende Widerlegung des Satzes: Kein wirklicher Grammatiker hat
irgend ein Becht lesbar zu sein.
Indes dürfte es sich doch empfehlen, vor und während der Lektfire
dieser Probleme einige allgemeine Sätze von unanfechtbarer Wahrheit zu
beherzigen und im Auge zu behalten. Kein Lehrer noch Schüler wird
selbst beim besten Willen und redlichsten Streben je zu einem wirklichen
Abschlufs in der Erfassung einer Sprache gelangen; ein solcher bleibt stets
Ideal. Jeder Schriftsteller hat seine eigene Grammatik, mag diese nun
schon geschrieben sein oder noch nicht; aber auch jeder Studierende bildet
sich seine eigene Grammatik; will er nämlich die Erscheinungen, soweit
sie nicht den gelernten Elementarregeln entsprechen, sich so zurecht legen,
dafs er darüber Bechenschaft zu geben im stände ist, dann gilt gerade
f&r ihn Goethes Wort: „Jeder sehe, wie er's treibe I'^ Was folgt aus
diesen Sätzen? Eben das, was Gildersleeve unter Problemen begreift.
Sobald einer beginnt, die Sprache praktisch zu behandeln, Arbeiten
anzufertigen oder zu korrigieren, selbst in der Form der Betroversion,
entstehen unfehlbar solche Probleme. Die Begeln erweisen sich nicht
wirksam, was wirklich und tatsächlich vorliegt, will nicht in das Schema
passen, was aufgelöst worden ist, setzt sich nicht schlechtweg wieder zu-
sammen, die Präpositionen und Kasus sind rebellisch, die Modi und Zeiten
kehren bei der Bückübersetzung nicht wieder. Darin dürfte meines Er-
achtens schon die Erklärung dafür liegen, dafs nach Gildersleeve in der
Poesie die Probleme nicht so vordringlich (obtrusive) sind, weil eben im
Anschlufs an die Dichterlektüre derartige Aufgaben von der Schule nicht
gestellt werden. (Übrigens bereiten die von Gildersleeve aus der Poesie
vorgefahrten Euriosa in ihrer Art sicherlich auch dem deutschen Leser
ein vergnügtes Halbstündchen, selbst wenn er zu a long-suffering public
gehört, das von seinen deutschen „Gelehrten'^ Quantitäten hinnimmt, wie
sie kein englischer „scholar^^ sich zu schulden kommen liefse. So sagt
Gildersleeve, um nur eines zu erwähnen, mit Beziehung auf das proso-
disch falsch gemessene vieles zu Anfang des „Carmen Salutatorium'* von
Menrad in den „Abhandlungen aus dem Gebiete der klassischen Alter-
tumswissenschaft Wilhelm v. Christ zum 60. Geburtstage dargebracht",
er wisse zwar nicht, wo Christ studiert habe, aber mancher 60jährige
Schüler Bitschis würde lieber mit 59 gestorben sein, als zu leben, um
sich mittels eines mit solch schwerem Fehler beginnenden Gedichtes
gratulieren zu lassen. Lateinische Verse seien überhaupt ein Anachronis-
424 Nene Fhilologiache BnndBchan Nr. 18.
mns, doch sollte jeder derartige Anachronist wenigstens einen gradns ad
Pamassnm besitzen and benfitzen. Hoffentlich wirkt das Wilamowitz ge-
spendete Lob wieder versöhnend anf den etwa beleidigten deutschen Leser.)
Des Lehrers Hauptaufgabe besteht darin, über die sprachlichen Erschei-
nungen des in der Klasse gelesenen Autors Bechenschaft zu geben; dieser
tritt die Komposition vornehmlich zwecks Erhöhung der Exaktheit zur
Seite, und gerade hier, bei der täglichen Erklärung der Texte und bei
den Korrekturen, findet jeder denkende Lehrer je. nach seiner Anschauung
und seinem Temperament mehr oder weniger reichlich Schwierigkeiten.
Diesen allgemeinen Ideen nun werden von dem Verf. reale Substrate
gegeben, die, obgleich sie weder im allgemeinen neu, noch im einzelnen
ganz einwandfrei sind, noch auch ohne weiteres einer endgültigen Lösung
zugeffihrt werden können, doch immerhin in hohem Grade geeignet er-
scheinen, zu weiterem Nachdenken anzuregen, ähnliche Beobachtungen
sprachlicher Differenzen zusammenzustellen, die jedenfalls beträchtliche
Ausbeute unter streng sachlichen Gesichtspunkten allmählich abzuklären
und die so gewonnenen Besnltate zum Gemeingute des syntaktisch-stilisti-
schen Unterrichts der Schulpraxis zu machen.
An die Spitze der Probleme stellt der Verf. einige Beispiele aus der
Elementargrammatik. Zur Illustration möge es genügen, das erste derselben
in seinem wesentlichen Gedankengange vorzuführen. Die Syntax beginnt
mit dem Satze. Zweifellos aber läfst die einfachste Form des Satzes, das
verbum finitum mit dem darin enthaltenen Subjekt, überhaupt keine Syntax
zur Anwendung kommen. Sobald indes das Subjekt ausgedrückt wird,
beginnt das Problem. eiTtov. Brav und gut. Haben wir zu sagen iyw
elfcov oder bItcov iyd? Und sieh! wir stofsen mit einem Male auf die
Frage von Hiatus, stofsen auf die Frage von der Stellung, stolsen auf die
Frage, ab das Subjekt überhaupt auszudrücken ist. Unsere Grammatiken
sagen uns, dafs das Subjekt nicht ausgedrückt werden mufs, vielmehr 9
nicht ausgedrückt wird, wenn auf ihm kein Nachdruck ruht; aber es ist
ausgedrückt, notwendig ausgedrückt, ausgedrückt, wo wir nicht die Emp-
findung einer eigentlichen Emphase haben. Die Verba dieser Subjekte
gehören einem bestimmten Kreise an. Es sind sehr ofb Verba des Sagens,
Denkens, Wissens, und in Verbindung mit diesen Verben ist die 1. Pers.
sehr ofb ausgedrückt, wo wir die Notwendigkeit nicht einsehen. Diese
Versicherung der Persönlichkeit in lyi^da^ in Ey(^(iat führt auf die Be-
tonung (is a clue to the tone). Diese im Lateinischen als vulgär fest-
Neue Philologische Rundschaa Nr. 18. 426
gestellte Erscheinung ist anch im Griechischen bis zu einer gewissen Ans-
dehnnng vulgär, und so darf uns bei dem „vulgarian^^ Äschines der
übermärsige Gebrauch des Personalpronomens fiber den herkömmlichen
Kreis hinaus nicht überraschen. Ist es nicht in unserem eigenen öffent-
lichen Leben „bessere Form'^ das „Ich^^ zugunsten des farblosen „man 'S
zugunsten des unpersönlichen Passivs zu unterdrücken?
Die anderen Probleme betreffen die Auslassung der Kopula (sie gehört
ebenso der erhabenen Sprache als der Volkssprache an; Pindar gebraucht
schwerlich einmal die Kopula, die sprichwörtlichen Redensarten leben im
Volksmunde; die Extreme berühren sich in der Syntax wie im Wortschatz;
auch unsere dichterischen Wörter sind oft vulgär und umgekehrt), die
verschiedene attributive Stellung von Artikel, Adjektiv und Substantiv
(6 iftdg vlÖQy 6 t;fdg 6 ifiög, vldg 6 ifiög)^ den Artikel bei Eigennamen
und beim Infinitiv, die Partizipien, den Ersatz von Präpositionaladverbien
durch Adjektiva {dtodeytaTdiogy vi^ioq^ daneben mit einem Seitenblick auf
das Angelsächsische KUiviBvog\ die Kasus, unabhängige (dabei persönliches
und unpersönliches Passiv, q)d^ovoi;fxai und mihi invidetur, mit vergleichen-
dem Ausblick auf moderne Sprachen, und abhängige (haben wir in caelo de-
currit aperto einen lokalen, in assiduo ruptae lectore columnae einen instru-
mentalen oder in beiden Stellen einen Ablativ des ümstandes?), die Prä-
positionen, die Genera Verbi, besonders das reflexiv gebrauchte Passiv, die
Modi, den Infinitiv {Ttaqddeiyixa toC fxij ädi^tv = Tofj fiij deiv ädr/Mv
u. ä.), die Negationen in allen ihren Einzelerscheinungen, die Zeiten,
darunter auch das praesens propheticum, und schliefslich die Arten des
zusammengesetzten Satzes. Übrigens ist der zu Anfang der Probleme über
die Tempora von Gildersleeve behauptete Widerspruch zwischen Blafs und
Wilamowitz bei näherem Zusehen völlig unbegründet. Blafs hat in der
zitierten Stelle, wo er sagt, die Unterscheidung zwischen dauernder und
vollendeter Aktion geschehe im N. T. mit derselben Genauigkeit wie im
klassischen Griechisch, nur das Imperfekt und den Indikativ Aorist
im Auge, während es bei Wilamowitz heifst, „der Unterschied zwischen
den Imperativen des Präsens und des Aorists wird in der vul-
gären Rede vernachlässigt '^
Die leitenden Gesichtspunkte des Ganzen dürften wohl in den Worten
Ausdruck gefunden haben, die wir S. 9 lesen: „Jede griechische Syntax
ist mehr oder weniger eine syntaxis omata, und wenn ich imstande ge-
wesen bin, das Gebiet dieser syntaxis omata zu erweitern, so werde ich
4» Neae Phaolc^giBche Bnndacbaii Nr. 18.
mehr als zufrieden sein.'^ Jedenfalls will ich nicht verfehlen, zum Schlüsse
noch einmal das Studium der an f&rdemden Anr^ungen mannigfidtigster
und interessantester Art reichen Aufsätze, die auch hinsichtlich des Druckes
im ganzen recht sauber sind (S. 14, Z. 1 v. u. 1. m;^^), allen Berufs-
genossen recht warm zu empfehlen.
Manchen. Ph. Weber.
228) KristoffSer Hyropi Das Leben der WArter. Autorisierte
Übersetzung aus dem Dänischen von Robert Yogt. Leipzig,
Ed. Avenarius, 1903. 263 S. 8. Ji 3.—.
Gleich A. Darmsteters Schrift La vie des mots umfafst Nyrope Budi
das ganze Gebiet der Bedeutungslehre. Es gliedert sich in zehn Kapitel,
in denen Euphemismus, voces mediae, Bedeutungseinschränkung und Be-
deutungserweiterung, Metapher, Eatachrese, Namengebung, Lauthannonie,
Wortspiel, Heiligennamen und einiges andere behandelt wird. Das Ge-
botene ist wissenschaftlich &st durchweg zuverlässig, die Fassung der
Begeln knapp, die Auswahl der Beispiele gut getroffen. Die neueren
Sprachen kommen weitaus häufiger zum Wort als die alten, und unter
jenen treten die germanischen (besonders Dänisch, Schwedisch, Norwegisch,
nächstdem Deutsch und Englisch) und romanischen (besonders Französisch
und Spanisch) in den Vordergrund.
Ffir den deutschen Leser liegt der Beiz namentlich darin, daCa er
sieht, wie das Dänische in zahlreichen Fällen mit unserer Muttersprache
übereinstimmt, z. B. in formelhaften alliterierenden Verbindungen S. 183 ff.:
Feuer und Flamme = fyr og flamme, Mann und Maus = mcmd
og mus, oder eigene Wege gegangen ist, z. B. frank und frei, Wohl
und Wehe, mit Umstellung der Glieder: fri og frcmk, ve og vel, femer
nicht Fisch noch Fleisch = hvoerken fugl eller fish, weder Vogel
noch Fisch. So erfahren wir auch S. 48, dafs der Ausdruck Zehe in der
gebildeten Sprache der Dänen unmöglich geworden ist und durch Fufs-
finger ersetzt werden mufs, S. 126, dafs die deutsche Bedensart den
kürzeren (nämlich Halm) ziehen bei unseren nördlichen Nachbarn
noch die leichter verständliche, vollere Form aufweist: at traekke det kor-
teste strä, das kürzeste Stroh ziehen, S. 129, däfs man in Dänemark bei
starken atmosphärischen Niederschlägen sagt, es regne Schusterbuben,
während in dieser Verbindung bei uns Bauernjungen oder Schneidergesellen,
in der französischen Schweiz Kesselflicker üblich sind.
Nene Philologische BnndBchan Nr. 18. 427
Bei einer neien Auflage w&re zu wfinscben, dafs die einschlägige
Literatur verzeichnet wfirde; femer könnten die einzelnen Kapitel in ihrer
Ausdehnung der Wichtigkeit des behandelten Gegenstandes angepafst wer-
den; denn wenn z. B. dem Euphemismus 57 Seiten gewidmet werden,
aber der für die ganze Sprachentwickelung ungleich wichtigeren Metapher
nur 20f so steht dies nicht im richtigen Verhältnis. Auch die Anordnung
des Stoffes läist manches zu wfinschen Qbrig. Warum z. B. die Lauir
harmonie (samt Alliteration und Beim), die doch etwas mehr Äufserliches
behandelt, nicht an den Schlufs gerfickt worden ist, läfst sich schwer
begreifen, ebensoschwer, warum der Euphemismus den Beigen eröffnet.
Vor allen Dingen aber kann die Zahl der Analogieen noch beträchtlich
vermehrt werden; denn gerade durch sie werden die Spracherscheinungen
in ein viel helleres Licht gestellt. So war z. B. 8. 79 bei der Be-
deutungsentwickelung des dänischen Wortes skarlagen, Scharlach (ur-
sprfinglich eine besondere Art Tuch ohne Bücksicht auf die Farbe, daher
auch blauer, brauner, grüner Scharlach) zu erwähnen, dafs auch purpurn
von Haus aus nicht ausschliefslich eine rote Farbe bezeichnet hat; denn
purpureus kann auch dunkelbraun (panis bei Plautus) und dunkelblau
(mare bei Yergil) heifsen. Dafür, dafs das Wort doset von Haus aus
ganz harmlos sogar in der Dichtung gebraucht wurde, könnte als Beleg
eine Stelle aus Bodmers Noachide angefahrt werden, die ich in meiner
„Ästhetik der^ deutschen Sprache ^S S. 127, zitiert habe: Gleich der Böse,
die erst am Morgen ihr Eloset verlassen, d. h. ihre Blätterhülle ge-
sprengt hat. Für die alliterierenden Wortverbindungen S. 183 ff. hätte Nyrop
zahlreiches Material in meinem Aufsatze über die Wortdoppelung im Deut-
schen" (Zeitschr. für deutsche Wortforschung II, S. 8 ff.) finden können.
Endlich bleibt zu wünschen, dalis der gebildete Laie, für den doch das
Buch bestimmt ist, überall genügend aufgeklärt wird. Dies ist aber nicht
immer der Fall, z. B. wenn auf S. 127 zu der Bedensart einen Eorb
bekommen gesagt wird, man müsse, um sie zu verstehen, ins Mittel-
alter zurückgreifen, wo die Trouv^res vom Zauberer Vergilius sangen, den
ein Mädchen in einen Eorb lockte, da er auf Freiersfüfsen zu ihr kam.
Hier galt es, zunächst hinzuzufBgen , dafs der Boden des Eorbes, weil er
sehr schwach war, beim Hinaufziehen des nicht genehmen Freiers durch-
brechen und dieser durchfallen mufste, sodann aber, dafs später (im
17. und 18. Jahrh.) dem unbequenien Liebhaber ein bodenloser Eorb als ab-
weisende Antwort ins Haus geschickt wurde, sodafs er ihn tatsächlich bekam.
Eisenbergy S. A. O. Weise.
4SS Neae Philologisehe Rnndiehan Nr. 18.
229) Victor Jftggi, Lateinisohe Elementargrammatik mit ein-
gereihten lateinischen und deutschen ÜbungsstQcken fBr die unteren
Klassen des Gymnasiums. Luzem, Schill 1902. 456 S. 8.
geb. ^8.70.
Das Buch ist aus dem Unterrichtsbetriebe einer Schweizer Anstalt
hervorgegangen und bietet in fünf Kursen ungeßLhr den Stoff, der in der
Sexta, Quinta und Quarta preufsischer Gymnasien behandelt wird. Der
Verf. ist, wie er im Vorwort bekennt, kein Freund „der neuen Schule ^^
und will versuchen die lateinische Sprache „in der alten, bewährten Me-
thode^' zu lehren. Ich flirchte, er wird durch sein Buch in niemandem
die Sehnsucht nach der „guten alten Zeit'' wachrufen. In der Grammatik
beschwört er die Schatten von papilio, vespertilio, vermis und anderem
Gewürm ans dem Orkus herauf, in den sie längst eine verständige Päda-
gogik verwiesen hat; auf den Wortschatz der Prosaschriftsteller, die auf
der mittleren Stufe gelesen werden, nimmt er nicht die mindeste Bfick-
sicht, sondern überschüttet die armen Schüler mit einer endlosen Fülle von
Vokabeln, die sie niemals wieder verwenden können: gleich auf den ersten
Seiten begegnen coruscare, alauda, merula, simia, nidificare, pilns, later,
Salix, equile, struthiocamelus, socms, veru, resplendere, restaurare. Der
Lesestoff besteht zum grofsen Teile aus kurzen Einzelsätzen, die an
bunter Mannigfaltigkeit des Inhalts kaum überboten werden können (z. B.
St. 40. 1) Elephanti sunt maximi. 2) Nihil est melius quam virtus.
3) Sunt plura genera columbarum etc.). Besser gelungen sind die zu-
sammenhängenden Stücke, besonders die, deren Stoff der griechischen und
römischen Sage und Geschichte entlehnt ist.
Der lateinische Ausdruck ist vielfach mangelhaft; ich hebe folgende
Verstöfse g%en den klassischen Spiachgebrauch hervor: S. 92 recreatio
pro me non erit iucunda. S. 103 forte st fortasse. S. 154 impossibile
est. S. 155 nunc st tum; iterum st rursus. S. 168 bona valetudine
firm. S. 172 in bellum proficisci. S. 177 conjunct fiit nach timere ne.
S. 189 frugiferrtmtis. S. 221 amare flere; desiderare c inf. S. 222
thronus. S. 229 Ephesi, in Asia minore. S. 232 M. Cicerone et M. An-
tonio. S. 241 quam viam st utram. S. 243 nos impedient quominus.
S. 261 mundus st orbis terrarum; prae omnibus duxit S. 287 a parti-
hus alicuius stare. S. 295 Hermes. 8. 297 dubito num. S. 299 bellum
Persicum. S. 320 Antiochiae vixit st fuit S. 326 nuUa re magia . . .
nisk S. 339 magistrum effugit st fugit S. 341 und oft plures st com-
Neae Philologische Rundschau Nr. 18. 429
plures. S. 347 docet experientia st. usus. S. 349 maior natus. S. 350
dubitant an uUns dox st. nuUus. S. 351 exempli gratia st. ut
Potsdam. E. Kravse.
230) H. Hettner, IlluBtrierter Führer durch das Provixudal-
museuxn in Trier. Mit 143 Abbildungen. Trier, J. Lintz.
n und 146 S. 8. Ji 1.60.
Ein Mnseumsffihrer in einer philologischen Zeitschrift? Die Antwort
auf die scheinbar berechtigte Frage gibt schon der Name des Verfassers.
Nie ist aus seiner Feder etwas veröffentlicht, was nicht den strengsten
Anforderungen philologischer Wissenschaft genügt hätte. Und weiter, wie
sollte nicht ein Buch Ober das Museum der alten Augusta Treverorum un-
mittelbar hineinführen in die Welt des Altertums, von der eben hier auf
deutschem Boden die beredtesten Zeugnisse zu uns sprechen?
Eine Festschrift zum 25jährigen Bestehen des Provinzialmuseums
sollte dieses Werk werden, ein kundiger Führer für den Laien zugleich
wie für den Forscher, ein lebendiges Andenken für die, welchen diese
Schätze mit eigenen Augen zu schaaen vei^önnt war. Nun ist das Buch
zum wehmütigen Andenken an den geworden, den von der Höbe erfolg-
reichen Schaffens ein jäher Tod hinabgestürzt hat in die stumme Welt
der Schatten. Was er mit frohem Hoffen begonnen hatte, die eigene,
rastlose Hand hat es nicht vollenden dürfen; dem, der ihm auch im Leben
eng verbunden war, Hans Lehner in Bonn, fiel die traurige Freundespflicht
zu, das Unternommene in seinem Sinne zu Ende zu führen. Ihm danken
wir es, dafs das Buch nun doch, so wie es gedacht war, abgeschlossen vor
uns liegt.
Es vereinigt in sich die ungewöhnlichen Eigenschaften, welche Hettner
allen, die ihm näher getreten sind, unvergefslich machen: die umfassende
Gelehrsamkeit auf diesem seinem eigensten Schaffensgebiete, den tief
dringenden, selbständig fortschreitenden Forschergeist, der bei allem, was
er gab, zugleich zu lebendiger, eigener Mitarbeit fortrifs, die frische An-
schaulichkeit in Wort und Bild, und, nicht als geringstes sei es genannt,
den klaren praktischen Blick, der, in langjähriger Wirksamkeit geübt, ihn
auch äufserlich von Erfolg zu Erfolg geführt hat. War es nicht herz-
erfreuend, zu sehen, wie an Sommersonntagen Leute jedes Standes und Alters
die schönen Bäume des Trierer Museums füllten, um zu schauen, wie einst
auf diesem althistorischen Boden ein längst vergangenes Geschlecht gelebt
420 Nene Philologische Bnndschan Nr. 18.
zutun. Da Hilfsverba zur temporalen und modalen Erweiterung des
Eonjugationssystems dienen, keine selbständige Verba bilden und erst
mit dem Infinitiv verbunden ein vollständiges Zeitwort abgeben (volo feusere =
faciam, facturus sum; je vais aller = j'irai, ire habeo zu j*irai), so kann
man auch den Infinitiv bei Hilfsverben nur als eine an sich unselbständige
Ergänzung, nicht aber als ein Objekt auffassen. Dasselbe gilt von dem
Infinitiv bei solitus, consuetus, paratus, dignus und contentus. In dem auf
S. 58 aus Plin. Min. angefahrten Beispiele steht trade nicht mit dem
Infinitiv, sondern mit dem Gerundivum. — So richten sich meine Aus-
stellungen im wesentlichen gegen die von vielen nocb als richtig be-
trachtete traditionelle Behandlung des lateinischen Infinitivs. Im übrigen ist
der grofse Fleifs, den Verf. auf seine Arbeit verwendet, gebflhrend an-
zuerkennen. Besonders wertvoll ist sie auch dadurch, dafs bei den ver-
schiedenen Verben nicht nur die Infinitivkonstruktion, sondern auch andere
(mit ut, quod, si, cum) angegeben sind, deren Yergleichung m. E. zur
Erkenntnis der lateinischen Denkweise und richtigen Auffassung des latei-
nischen Infinitivs nicht unwichtig ist. Doch wenn der Verf. deswegen
auch das Gerundium und Gerundivum behandelt, warum berücksichtigt
er nicht die Supine? Indem Verf. sehr oft auch die Verwendung bei
anderen Schriftstellern hinzufügt, geht er zwar über den Bahmen seines
Themas hinaus, gibt jedoch auch damit eine wesentliche und dankens-
werte Bereicherung von Drägers Eist. Syntax.
Arnsberg. StrotkStter.
226) Janell, Aus griechiBchen InschrifteiL Progr. des Grofs-
herzogl. Gymn. Neu-Strelitz. 1903. 43 S. 4.
Die Arbeit kann und will keine besondere wissenschafUiche Bedeutung
beanspruchen, zumal sie &st nirgends irgendwelche neuen, der Forschung
förderlichen Ergebnisse liefert. Nichtsdestoweniger erscheint sie in hohem
Grade beachtenswert, weil sie aus zahlreichen Inschriften, insbesondere
solchen, die das politische und bürgerliche Leben der Griechen, haupt-
sächlich zur Zeit ihrer Berührung mit und ihres Aufgehens in Bom, sowie
kirchlich-religiöse Zustände und Einrichtungen betreffen, ein gutes Stück
griechischer Kulturgeschichte, welches selbst nichtphilologisch gebildeten
Lesern leicht verständlich ist, in lebendiger Weise vor unseren Augen
entstehen labt.
Nene PhilologiBche BancUehaa Nr. 18. 421
Verf. hat hauptsächlich aus Dittenberger , Sylloge inscriptioniim Orae-
carum, 2. AulS., eine gediegene Auswahl getroffen, aber auch GoUitz-Bech-
tel, Sammlung der griechischen Dialektinscbrifken , gebfihrend gewfirdigt,
dagegen nur vereinzelt das G. I. A. und die 'Egyriftegig ä^aioloyiTLij zu
Bäte gezogen, jedoch alle von ihm angeführten Inschriften in gutes Deutsch
übersetzt. Die meisten der hinzugefügten Anmerkungen enthalten aller-
dings nur genauere Nachweise über den literarischen Fundort.
S. 2 hebt Verf. mit Becht hervor, dafs alle von den Griechen nach
glücklich geführten Kriegen den Göttern dargebrachten Weihungen nicht
nur von Dankbarkeit, sondern auch von Stolz über die vollbrachten Taten
und heller Siegesfreude zeugen.
S. 12—25 enthalten sehr viele Inschriften, die zeigen, dafs die Bömer
schon im Anfang des 3. Jahrb. v. Chr. einen immer mehr zunehmenden
Einflufs auf die Angelegenheiten Griechenlands und Eleinasiens gewannen,
ja sogar allm&blich als Schutzherren mit der niedrigsten Schmeichelei
verehrt wurden.
Der zweite Hauptteil der Arbeit enthält zahlreiche Weihinschriften
und zuletzt Grabinschriften, femer Inschriften über das Betreten der
Tempel und heiligen Stätten, über Wallfahrten nach Heiligtümern, Be-
fragungen des Dodonäischen Zeus, nicht nur in Krankheitsfällen, sondern
selbst hinsichtlich der geringfQgigsten Dinge u. a. Was die vielen In-
schriften betrift, welche angeblich wunderbare Heilungen durch Asklepios
in Epidauros enthalten, so schliefst sich Verf. S. 37 mit Becht den Auf-
&ssungen von S. Herrlich, Epidauros eine antike Heilstätte (Programm
des Humboldts-Gymnasiums zu Berlin 1898), S. 27 und besonders Diels,
Nord und Süd, 1888, Bd. 44, S. 43 ff., an. Beide Gelehrte heben neben
der Menschenfreundlichkeit der Priester auch ihre Aufechneiderei und
Betrügerei hervor, aber gerade dadurch gewährt der Inhalt dieser Urkunden
ein hervorragendes kulturhistorisches Interesse.
Wollstein Karl LSsohhorn.
227) Basil L. Oildersleeve, FroblemB in Oreek Sjmtaz.
Baltimore, The Johns Hopkins Press, 1903. 54 S. 8. geb.
Es verdient dankbar begrüfst zu werden, dafs Gildersleeve seine in
den Nummern 1 — 3 des Amer. Journ. f. Philol. von 1902 erschienenen
„ProblemsofGreek Syntax'^ durch Sonderabdruck nunmehr einer breiteren
Öffentlichkeit zugänglich gema«ht hat. Kränkende Worte seitens der eigenen
Nene Philologische RnndschAn Nr. 18.
Landsleute mfissen es wohl gewesen sein, gegen die der schriftstellerisch
ungemein fruchtbare Orammatiker eingangs des ersten Aufsatzes unter
dem Wahlspruche von Od. 2, 230 sich wendet und meisterhaft zu wehren
weilB.
Kein praktischer Schulmann, wenn anders er sein Handwerk ehrlich
treibt, wird leugnen wollen, dafs er dem Studium der Grammatik und
Stilistik alljährlich aufe neue viel Zeit widmen maus; dabei setze ich
selbstverständlich voraus, dafs derselbe ohne Unterbrechung bestrebt war,
zwecks seiner eigenen Weiterbildung die Hochflut syntaktischer Einzel-
untersuchungen, wie sie die letzten Jahrzehnte herbeigeführt haben,
rficksichtlich ihrer Ergebnisse mit regem Interesse zu verfolgen. Gibt es
doch kein Kapitel der fiber die Formenlehre hinausgehenden Grammatik,
bei dem man sich in allen einschlägigen Fragen Bats erholen könnte.
In dieser Hinsicht machen auch die neuen Erscheinungen auf diesem Ge-
biete keine Ausnahme, insofern sie mit einer Pietät an den alther-
gebrachten Fassungen festhalten, die unbefriedigt läfst und einer Stagnation
zum Verwechseln ähnelt
Die hier angezeigten Veröffentlichungen Gildersleeves waren ur-
sprunglich als Einführung zu griechischen Syntaxforschungen gedacht,
welche, teils von ihm selbst, teils auf seine Anregung von anderen aus-
geführt, in einem, um mit seinen eigenen Worten zu sprechen, derartig
gewaltig anschwellenden Bande veröffentlicht werden sollten, dafs er schon
durch seinen umfang die Aufmerksamkeit der gelehrten Welt auf sich
gezogen haben würde. Das war vor etwa zehn Jahren. Infolge der in-
zwischen aus dem Kreise seiner eigenen Schüler sowie von anderen Seiten
erfolgten Veröffentlichungen mannigfacher Art hat er es jetzt für besser
befanden, jenen Plan fallen zu lassen und sich auf die Drucklegung des
zur Einführung bestimmten Gedankenmaterials zu beschränken. Das Ge-
botene enthält abgesehen davon, dafs uns nebenbei mancher willkommene
Blick in den äufseren und inneren Werdegang des Verf. vergönnt wird
— er selbst nennt denselben a droU fate — , nicht blofs für den prak-
tischen Schulmann, sondern mehr noch für den Philosophen und Sprach-
forscher, eine reiche Fülle des Lehrreichen und Interessanten. Die aufser-
ordentliche Belesenheit des Verf., dessen Jugendträume von Dichterruhm
und Gelehrtennimbus ausgefüllt waren, einerseits, anderseits die bilder-
reiche Sprache mit ihren ob ihrer Knappheit um so schärferen Antithesen,
sowie der schalkhafte Humor, den jedes Blatt widerspiegelt, sind eine
^
Neue Philologische Bnndschan Nr. 18. 423
glänzende Widerlegung des Satzes: Kein wirklicher Grammatiker bat
irgend ein Becht lesbar zu sein.
Indes dürfte es sieb docb empfehlen, vor und während der Lektöre
dieser Probleme einige allgemeine Sätze von unanfechtbarer Wahrheit zu
beherzigen und im Auge zu behalten. Kein Lehrer noch Schüler wird
selbst beim besten Willen und redlichsten Streben je zu einem wirklichen
Abschlufs in der Erfassung einer Sprache gelangen; ein solcher bleibt stets
Ideal. Jeder Schriftsteller hat seine eigene Grammatik, mag diese nun
schon geschrieben sein oder noch nicht; aber auch jeder Studierende bildet
sich seine eigene Grammatik; will er nämlich die Erscheinungen, soweit
sie nicht den gelernten Elementarregeln entsprechen, sich so zurecht legen,
dafs er darüber Bechenschaft zu geben im stände ist, dann gilt gerade
für ihn Goethes Wort: „Jeder sehe, wie er's treibe I'^ Was folgt aus
diesen Sätzen? Eben das, was Gildersleeve unter Problemen begreift.
Sobald einer beginnt, die Sprache praktisch zu behandeln, Arbeiten
anzufertigen oder zu korrigieren, selbst in der Form der Betroversion,
entstehen unfehlbar solche Probleme. Die Begeln erweisen sich nicht
wirksam, was wirklich und tatsächlich vorliegt, will nicht in das Schema
passen, was aufgelöst worden ist, setzt sich nicht schlechtweg wieder zu-
sammen, die Präpositionen und Kasus sind rebellisch, die Modi und Zeiten
kehren bei der Bfickübersetzung nicht wieder. Darin dürfte meines Er-
achtens schon die Erklärung dafür liegen, dafs nach Gildersleeve in der
Poesie die Probleme nicht so vordringlich (obtrusive) sind, weil eben im
Anschlufs an die Dichterlektüre derartige Aufgaben von der Schule nicht
gestellt werden. (Übrigens bereiten die von Gildersleeve aus der Poesie
vorgeführten Euriosa in ihrer Art sicherlich auch dem deutschen Leser
ein vergnügtes Halbstündchen, selbst wenn er zu a long-suffering public
gehört, das von seinen deutschen „Gelehrten'^ Quantitäten hinnimmt, wie
sie kein englischer „scholar^^ sich zu schulden kommen liefse. So sagt
Gildersleeve, um nur eines zu erwähnen, mit Beziehung auf das proso-
disch falsch gemessene vieles zu Anfang des „Carmen Salutatorium'^ von
Menrad in den „Abhandlungen aus dem Gebiete der klassischen Alter-
tumswissenschaft Wilhelm v. Christ zum 60. Geburtstage dargebrachtes
er wisse zwar nicht, wo Christ studiert habe, aber mancher 60jährige
Schüler Bitschis würde lieber mit 59 gestorben sein, als zu leben, um
sich mittels eines mit solch schwerem Fehler beginnenden Gedichtes
gratulieren zu lassen. Lateinische Verse seien überhaupt ein Anachronis-
424 Nene Philologische BnndBchaii Nr. 18.
mns, doch sollte jeder derartige Anacbronist wenigstens einen gradns ad
Parnassnm besitzen und benützen. Hoffentlicb wirkt das Wilamowitz ge-
spendete Lob wieder versöhnend anf den etwa beleidigten deutschen Leser.)
Des Lehrers Hauptaufgabe besteht darin, über die sprachlichen Erschei-
nungen des in der Klasse gelesenen Autors Bechenschaft zugeben; dieser
tritt die Komposition vornehmlich zwecks Erhöhung der Exaktheit zur
Seite, und gerade hier, bei der täglichen Erklärung der Texte und bei
den Korrekturen, findet jeder denkende Lehrer je. nach seiner Anschauung
und seinem Temperament mehr oder weniger reichlich Schwierigkeiten.
Diesen allgemeinen Ideen nun werden von dem Verf. reale Substrate
gegeben, die, obgleich sie weder im allgemeinen neu, noch im einzelnen
ganz einwandfrei sind, noch auch ohne weiteres einer endgültigen Lösung
zugeführt werden können, doch immerhin in hohem Grade geeignet er-
scheinen, zu weiterem Nachdenken anzuregen, ähnliche Beobachtungen
sprachlicher Differenzen zusammenzustellen, die jedenfalls beträchtliche
Ausbeute unter streng sachlichen Oesichtspunkten allmählich abzuklären
und die so gewonnenen Resultate zum Gemeingute des syntaktisch-stilisti-
schen Unterrichts der Schulpraxis zu machen.
An die Spitze der Probleme stellt der Verf. einige Beispiele aus der
Elementargrammatik. Zur Illustration möge es genügen, das erste derselben
in seinem wesentlichen Gedankengange vorzuführen. Die Syntax beginnt
mit dem Satze. Zweifellos aber läfst die einfachste Form des Satzes, das
verbum finitum mit dem darin enthaltenen Subjekt, überhaupt keine Syntax
zur Anwendung kommen. Sobald indes das Subjekt ausgedrückt wird,
beginnt das Problem. elTtov. Brav und gut. Haben wir zu sagen iyw
Binov oder etftov iyti? Und sieh! wir stofsen mit einem Male auf die
Frage von Hiatus, stofsen auf die Frage von der Stellung, stolsen auf die
Frage, ab das Subjekt überhaupt auszudrücken ist. Unsere Grammatiken
sagen uns, dafs das Subjekt nicht ausgedrückt werden mufs, vielmehrt
nicht ausgedrückt wird, wenn auf ihm kein Nachdruck ruht; aber es ist
ausgedrückt, notwendig ausgedrückt, ausgedrückt, wo wir nicht die Emp-
findung einer eigentlichen Emphase haben. Die Verba dieser Subjekte
gehören einem bestimmten Kreise an. Es sind sehr oft Verba des Sagens,
Denkens, Wissens, und in Verbindung mit diesen Verben ist die 1. Pers.
sehr ofb ausgedrückt, wo wir die Notwendigkeit nicht einsehen. Diese
Versicherung der Persönlichkeit in eyf^da, in iy(^fjiac führt auf die Be-
tonung (is a due to the tone). Diese im Lateinischen als vulgär fest-
Neue Philologische Bundsohaa Nr. 18. 426
gestellte ErscheinnDg ist auch im Griechischen bis zu einer gewissen Ans-
dehnnng vulgär, und so darf uns bei dem „vulgarian^^ Äschines der
fibermäTsige Gebrauch des Personalpronomens fiber den herkömmlichen
Kreis hinaus nicht fiberraschen. Ist es nicht in unserem eigenen öffent-
lichen Leben „bessere Form'* das „Ich** zugunsten des farblosen ,,man'S
zugunsten des unpersönlichen Passivs zu unterdrücken?
Die anderen Probleme betreffen die Auslassung der Kopula (sie gehört
ebenso der erhabenen Sprache als der Volkssprache an; Pindar gebraucht
schwerlich einmal die Kopula, die sprichwörtlichen Redensarten leben im
Volksmunde; die Extreme berfihren sich in der Syntax wie im Wortschatz;
auch unsere dichterischen Wörter sind oft vulgär und umgekehrt), die
verschiedene attributive Stellung von Artikel, Adjektiv und Substantiv
(6 iftög vldQf 6 vidg 6 iftdg, vlög 6 ifxdg)^ den Artikel bei Eigennamen
und beim Infinitiv, die Partizipien , den Ersatz von Präpositionaladverbien
durch Adjektiva {dtodeytaTaiogy ii^iog, daneben mit einem Seitenblick auf
das Angelsächsische KXeivUiog), die Kasus, unabhängige (dabei persönliches
und unpersönliches Passiv, q>d^ovoi)(xat und mihi invidetur, mit vergleichen-
dem Ausblick auf moderne Sprachen, und abhängige (haben wir in caelo de-
currit aperto einen lokalen, in assiduo ruptae lectore columnae einen instru-
mentalen oder in beiden Stellen einen Ablativ des Umstandes?), die Prär
Positionen, die Genera Verbi, besonders das reflexiv gebrauchte Passiv, die
Modi, den Infinitiv {Ttagddeiy^a rod fiij ddi^tv = rod fiij deiv ädixeiv
u. ä.), die Negationen in allen ihren Einzelerscheinungen, die Zeiten,
darunter auch das praesens propheticum, und schliefslich die Arten des
zusammengesetzten Satzes. Übrigens ist der zu Anfiing der Probleme fiber
die Tempora von Gildersleeve behauptete Widerspruch zwischen Blafs und
Wilamowitz bei näherem Zusehen völlig unbegründet. Blafs hat in der
zitierten Stelle, wo er sagt, die Unterscheidung zwischen dauernder und
vollendeter Aktion geschehe im N. T. mit derselben Genauigkeit wie im
klassischen Griechisch, nur das Imperfekt und den Indikativ Aorist
im Auge, während es bei Wilamowitz heifst, „der Unterschied zvrischen
den Imperativen des Präsens und des Aorists wird in der vul-
gären Bede vernachlässigt '^
Die leitenden Gesichtspunkte des Ganzen dürften wohl in den Worten
Ausdruck gefunden haben, die wir S. 9 lesen: „Jede griechische Syntax
ist mehr oder weniger eine syntaxis ornata, und wenn ich imstande ge-
wesen bin, das Gebiet dieser syntaxis ornata zu erweitern, so werde ich
426 Neae Philolc^giBche Bnndschan Nr. 18.
mehr als zufrieden sein/^ Jedenfalls will ich nicht verfehlen, zum Schlüsse
noch einmal das Studium der an f&rdernden Anr^ungen mannigfiedtigster
und interessantester Art reichen Aufsätze, die auch hinsichtlich des Druckes
im ganzen recht sauber sind (S. 14, Z. 1 v. u. 1. nvQf)^ allen Berufe-
genossen recht warm zu empfehlen.
Manchen. Ph. Weber.
228) Kristoffer Hyrop, Das Leben der Wörter. Autorisierte
Übersetzung aus dem Dänischen von Robert Yogt. Leipzig,
Ed. Avenarius, 1903. 263 S. 8. JUS.—.
Gleich A. Darmsteters Schrift La vie des mots umfafst Nyrope Buch
das ganze Gebiet der Bedeutungslehre. Es gliedert sich in zehn Kapitel,
in denen Euphemismus, voces mediae, Bedeutungseinschränkung und Be-
deutungserweiterung, Metapher, Eatachrese, Namengebung, Lautharmonie,
Wortspiel, Heiligennamen und einiges andere behandelt wird. Das Ge-
botene ist wissenschaftlich &st durchweg zuverlässig, die Fassung der
Begeln knapp, die Auswahl der Beispiele gut getroffen. Die neueren
Sprachen kommen weitaus häufiger zum Wort als die alten, und unter
jenen treten die germanischen (besonders Dänisch, Schwedisch, Norwegisch,
nächstdem Deutsch und Englisch) und romanischen (besonders Französisch
und Spanisch) in den Vordergrund.
FQr den deutschen Leser liegt der Beiz namentlich darin, dafs er
sieht, wie das Dänische in zahlreichen Fällen mit unserer Muttersprache
übereinstimmt, z. B. in formelhaften alliterierenden Verbindungen S. 183 ff.:
Feuer und Flamme = fyr og flamme, Mann und Maus == mand
og mu8, oder eigene Wege gegangen ist, z. B. frank und frei, Wohl
und Wehe, mit Umstellung der Glieder: fri og frank, ve og vel, femer
nicht Fisch noch Fleisch = hvoerhen fugl dler fish, weder Vogel
noch Fisch. So erfahren wir auch S. 48, daljs der Ausdruck Zehe in der
gebildeten Sprache der Dänen unmöglich geworden ist und durch Fufs-
finger ersetzt werden mufs, S. 126, dafs die deutsche Bedensart den
kürzeren (nämlich Halm) ziehen bei unseren nördlichen Nachbarn
noch die leichter verständliche, vollere Form aufweist: at traekke det kor-
teste strä, das kürzeste Stroh ziehen, S. 129, däfs man in Dänemark bei
starken atmosphärischen Niederschlägen sagt, es regne Schusterbuben,
während in dieser Verbindung bei uns Bauernjungen oder Schneidergesellen,
in der französischen Schweiz Kesselflicker üblich sind.
i
Nene FbilologiBche Rundschau Nr. 18. 427
■* ■-■ ■ ■■■■■;
Bei einer nemen Auflage wSre zu wfinschen, dafs die einschlägige
Literatur verzeichnet würde ; femer könnten die einzelnen Kapitel in ihrer
Ausdehnung der Wichtigkeit des behandelten Gegenstandes angepaTst wer-
den; denn wenn z. B. dem Euphemismus 57 Seiten gewidmet werden,
aber der ffir die ganze Sprachentwickelung ungleich wichtigeren Metapher
nur 20, so steht dies nicht im richtigen Verhältnis. Auch die Anordnung
des Stoffes lälst manches zu wfinschen übrig. Warum z. B. die Laut-
harmonie (samt Alliteration und Beim), die doch etwas mehr Äufserliches
behandelt, nicht an den Schlufs gerückt worden ist, läfst sich schwer
b^eifen, ebensoschwer, warum der Euphemismus den Beigen eröffnet
Vor allen Dingen aber kann die Zahl der Analogieen noch beträchtlich
vermehrt werden; denn gerade durch sie werden die Spracherscheinungen
in ein viel helleres Licht gestellt. So war z. B. S. 79 bei der Be-
deutungsentwickelung des dänischen Wortes skarlagen, Scharlach (ur-
sprünglich eine besondere Art Tuch ohne Bücksicht auf die Earbe, daher
auch blauer, brauner, grüner Scharlach) zu erwähnen, dafs auch purpurn
von Hans aus nicht ausschliefslich eine rote Farbe bezeichnet hat; denn
purpureus kann auch dunkelbraun (panis bei Plautus) und dunkelblau
(mare bei Yergil) heifsen. Dafür, dafs das Wort Closet von Haus aus
ganz harmlos sogar in der Dichtung gebraucht wurde, könnte als Beleg
eine Stelle aus Bodmers Noachide angeführt werden, die ich in meiner
„Ästhetik der! deutschen Sprache^', S. 127, zitiert habe: Oleich der Böse,
die erst am Morgen ihr Eloset verlassen, d. h. ihre Blätterhülle ge-
sprengt hat. Für die alliterierenden Wortverbindungen S. 183 ff. hätte Nyrop
zahlreiches Material in meinem Aufsatze über die Wortdoppeiung im Deut-
schen" (Zeitschr. für deutsche Wortforschung II, S. 8 ff.) finden können.
Endlich bleibt zu wünschen, dafs der gebildete Laie, für den doch das
Buch bestimmt ist, überall genügend aufgeklärt wird. Dies ist aber nicht
immer der Fall, z. B. wenn auf S. 127 zu der Bedensart einen Eorb
bekommen gesagt wird, man müsse, um sie zu verstehen, ins Mittel-
alter zurückgreifen, wo die Trouv^res vom Zauberer Vergilius sangen, den
ein Mädchen in einen Eorb lockte, da er auf Freiersfüfsen zu ihr kam.
Hier galt es, zunächst hinzuzufügen, dafs der Boden des Eorbes, weil er
sehr schwach war, beim Hinaufziehen des nicht genehmen Freiers durch-
brechen und dieser durchfallen mufste, sodann aber, dals später (im
17. und 18. Jahrh.) dem unbequenien Liebhaber ein bodenloser Eorb als ab-
weisende Antwort ins Haus geschickt wurde, sodafs er ihn tatsächlich bekam.
Eisenberg, S. A. O. Weife.
428 Nene Philologische Bnndschai! Nr. 18.
229) Victor Jäggi, Lateinische Elementargrammatik mit ein-
gereihten lateinischen und deutschen Übungsstficken ffir die unteren
Klassen des Gymnasiums. Luzern, Schill 1902. 456 S. 8.
geb. ^8.70.
Das Buch ist aus dem ünterrichtsbetriebe einer Schweizer Anstalt
hervorgegangen und bietet in ffinf Kursen ungefähr den Stoff, der in der
Sexta, Quinta und Quarta preufsischer Gymnasien behandelt wird. Der
Verf. ist, wie er im Vorwort bekennt, kein Freund „der neuen Schule^*
und will versuchen die lateinische Sprache „in der alten, bewährten Me-
thode*' zu lehren. Ich fürchte, er wird durch sein Buch in niemandem
die Sehnsucht nach der „guten alten Zeit'* wachrufen. In der Grammatik
beschwort er die Schatten von papilio, vespertilio, vermis und anderem
Gewürm ans dem Orkus herauf, in den sie längst eine verständige Päda-
gogik verwiesen hat; auf den Wortschatz der Prosaschriftsteller, die auf
der mittleren Stufe gelesen werden, nimmt er nicht die mindeste Bück-
sicht, sondern überschüttet die armen Schüler mit einer endlosen Fülle von
Vokabeln, die sie niemals wieder verwenden können: gleich auf den ersten
Seiten begegnen coruscare, alauda, merula, simia, nidificare, pilus, later,
Salix, equile, struthiocamelus, socrus, veru, resplendere, restaurare. Der
Lesestoff besteht zum grofsen Teile aus kurzen Einzelsätzen, die an
bunter Mannigfaltigkeit des Inhalts kaum überboten werden können (z. B.
St. 40. 1) Elephanti sunt maximi. 2) Nihil est melius quam virtus.
3) Sunt plura genera columbarum etc.). Besser gelungen sind die zu-
sammenhängenden Stücke, besonders die, deren Stoff der griechischen und
römischen Sage und Geschichte entlehnt ist.
Der lateinische Ausdruck ist vielfach mangelhaft; ich hebe folgende
Verstöfse gegen den klassischen Sprachgebrauch hervor: S. 92 recreatio
pro me non erit iucunda. S. 103 forte st. fortasse. S. 154 impossibile
est. S. 155 nunc st. tum; iterum st. rursus. S. 168 bona valetudine
frui. S. 172 in bellum proficisci. S. 177 conjunct. fut. nach timere ne.
S. 189 frugiferrmttö. S. 221 amare flere; desiderare c. inf. S. 222
tbronus. S. 229 Ephesi, in Asia minore. S. 232 M. Cicerone ei M. An-
tonio. S. 241 quam viam st. utram. S. 243 nos impedient quominus.
S. 261 mundus st. orbis terrarum; prae Omnibus eluxit. S. 287 a parti-
bits alicuius stare. S. 295 Hermes. S. 297 dubito num. S. 299 bellum
Persicum. S. 320 Antiochiae vixit st. fuit. S. 326 nulla re magis . . .
nisi. S. 339 magistrum effugit st. fugit. S. 341 und oft plures st. com-
Nene Philologische Bundschan Nr. 18. 429
plures. S. 347 docet experientia st. usus. S. 349 maior natu«. S. 350
dubitant an ullos dox st. nullus. S. 351 exempli gratia st. ut.
Potsdam. E. Kranfe.
230) H. Hettner, ülnstrierter Führer durch das Froyinzial-
museum in Trier. Mit 143 Abbildungen. Trier, J. Lintz.
n nnd 146 S. 8. Ji 1.60.
Ein Mnseumsffihrer in einer philologischen Zeitschrift? Die Antwort
auf die scheinbar berechtigte Frage gibt schon der Name des Verfassers.
Nie ist aus seiner Feder etwas verö£fentlicht, was nicht den strengsten
Anforderungen philologischer Wissenschaft genügt hätte. Und weiter, wie
sollte nicht ein Buch über das Museum der alten Augusta Treverorum un-
mittelbar hineinführen in die Welt des Altertums, von der eben hier auf
deutschem Boden die beredtesten Zeugnisse zu uns sprechen?
Eine Festschrift zum 25jährigen Bestehen des Provinzialmuseums
sollte dieses Werk werden, ein kundiger Führer für den Laien zugleich
wie für den Forscher, ein lebendiges Andenken für die, welchen diese
Schätze mit eigenen Augen zu schauen vergönnt war. Nun ist das Buch
zum wehmütigen Andenken an den geworden, den von der Höhe erfolg-
reichen Schaffens ein jäher Tod hinabgestürzt hat in die stumme Welt
der Schatten. Was er mit frohem Hoffen begonnen hatte, die eigene,
rastlose Hand hat es nicht vollenden dürfen; dem, der ihm auch im Leben
eng verbunden war, Hans Lehner in Bonn, fiel die traurige Freundespflicht
zu, das Unternommene in seinem Sinne zu Ende zu führen. Ihm danken
wir es, dafs das Buch nun doch, so wie es gedacht war, abgeschlossen vor
uns liegt.
Es vereinigt in sich die ungewöhnlichen Eigenschaften, welche Hettner
allen, die ihm näher getreten sind, unvergefslich machen : die umfassende
Gelehrsamkeit auf diesem seinem eigensten Schaffensgebiete, den tief
dringenden, selbständig fortschreitenden Forschergeist, der bei allem, was
er gab, zugleich zu lebendiger, eigener Mitarbeit fortrifs, die frische An-
schaulichkeit in Wort und Bild, und, nicht als geringstes sei es genannt,
den klaren praktischen Blick, der, in langjähriger Wirksamkeit geübt, ihn
auch äufserlich von Erfolg zu Erfolg geführt hat. War es nicht herz-
erfreuend, zu sehen, wie an Sommersonntagen Leute jedes Standes und Alters
die schönen Bäume des Trierer Museums füllten, um zu schauen, wie einst
auf diesem althistorischen Boden ein längst vergangenes Geschlecht gelebt
Neue Philologische Bandschan Nr. 18.
it? Manch einer von ihnen wird jetzt mit innerer Bewegung dieses
)ach in die Hand nehmen und, wenn er das lebensvolle Bild Hettners
^trachtet, mit Dank und Verehrung dessen gedenken, der vielen so vieles
gegeben hat. Vor allem aber geziemt solcher Dank uns Philologen, die
dr, leidenschaftlich eifrig wie es seine Natur war, während der Festtage
des archäologischen Kursus, selbst nie ermüdend, stets anspornend in das
Beich einzufahren strebte, das hier er selbst vornehmlich der Wissenschaft
erobert hatte. Und, mochte wohl einmal den einzelnen ein schärferes
Wort des temperamentvollen Mannes befremden, vergessen wir nicht, dals
sein ganzes Wesen von dem mannhaften Gedanken Senecas getragen war :
si quis sibi proposuerit quantum operis adgressus sit, seiet nihil delicate
nihil molliter esse faciendum.
Sondershausen. A« Fnaok.
231) Der alte Orient. 5. Jahrgang, Hefb l: W. Hax Httller, Die
alten Ägypter als Krieger und Eroberer in Asien. Mit 7 Ab-
bildungen. 32 S. 8.
— Heft 2: Leopold Messerschmldt, Die Entzifferung
der Keilschrift. Mit 3 Abbildungen. 32 S. 8. Leipzig,
J. C. Hinrichs. k Ji —.60.
Die beiden ersten Hefte des 5. Jahrgangs der von der Vorderasiatischen
Gesellschaft herausgegebenen gemeinverständlichen Darstellungen sind ge-
eignet, neue Freunde zu werben.
MfiUer weist in seiner Darstellung hin auf die mafslose Übertreibung
der ägyptischen Eroberungszfige durch griechische Schriftsteller, die sich
manche Bären haben aufbinden lassen, wenn sie durch ihre Fragen die
leicht überschwängliche Phantasie der Orientalen rege machten. Die
Ägypter sind von altersher ein wenig kriegerisches Volk gewesen; nicht-
ägyptische Truppen, Söldner bildeten den Kern des Heeres ; die südlichen
Grenzlandschaften lieferten schon in sehr alter Zeit Bekruten für Ägypt-en,
schwarze Regimenter fehlen eigentlich nie zur Zeit der Pharaonen; dann
treten Beduinen, Libyer und Europäer auf, libysche Besatzungen werden
angesiedelt, und ihre Nachkommen bilden den ägyptischen Kriegerstand.
Auf den Kriegszügen nach Syrien sind sie höchstens ein paarmal bis an
oder über den Euphrat und an das Amanos-Gebirge vorgedrungen, und
das war nur möglich bei der territorialen Zersplitterung Syriens, wo nur
vereinzelt ein gröfseres Fürstentum existierte; dauernde Eroberungen hat
Neue Philologische Rundschau Nr. 18. 431
Ägypten dort nie gemacht, Hauptzweck der Zuge war Plünderung. Noch
kfimmerlicher war die Seemacht Ägyptens; Zflge über das Meer hat kein
König unternommen; man begnügte sich mit notdürftigem Abwehren der
Seeräuber. — Die kriegerischen Unternehmungen Ägyptens werden vom
Verf. kurz geschildert.
Bei dem jetzt seit Delitzschs Vorträgen sehr gehobenen Interesse für
die Entdeckungen auf dem alten Kulturboden von Vorderasien wird für
alle die, welche sich mit diesen Forschungen wenig beschäftigt haben,
die Schrift Messerschmidts sehr willkommen sein. Er gibt eine gedrängte,
aber durchaus ausreichende Darstellung der Art und Weise, wie es gelungen
ist, zunächst die persische und dann die babylonische Keilschrift zu ent-
ziffern. Aufserordentlich geschickte Kombinationen und sorgfältige metho-
dische Studien erforderte vor allem das Babylonische; wie man alle Irr-
tümer, die man bei der Schwierigkeit der Sache beging, glücklich verbesserte
und jetzt verhältnismäfsig leicht das Neugefundene enträtseln kann, wird auch
für den des Semitischen unkundigen Philologen höchst lesenswert sein.
Von dem 3. Hefte des 1. Jahrgangs: Alfred Jeremias, Hölle und Paradies
bei den Babyloniern, ist eine 2. verbesserte Auflage erschienen, 44 Seiten stark;
sie berücksichtigt die Bibel-Babel-Frage und gibt die biblischen Parallelen an.
Oldesloe. R. Hansen.
232) Faul Dörwald, Griechischer Wortschatz. Berlin, Weid-
mann, 1903. V u. 111 S. 8. ^ 2.-.
Dieses sorgfältig gearbeitete Wörterverzeichnis will als Grundlage
dienen zu einer systematischen Einprägung der wichtigeren Vokabeln.
Berücksichtigt werden nur die Prosaiker der Schule mit Ausnahme Herodots
und der I. Teil des v. Wilamowitzischen Lesebuches. Die Wörter sind in
15 Gruppen geordnet, von denen beispielsweise die 1. Mensch, Geburt
und OeschUcU, Lebensalter, Familie; Körper; Haus; Essen, Trinken;
Kleidwng, die 13. Heer, Bewaffnung, Heeresdienst, Krieg, Schlacht;
Schiffahrt behandelt. Ein alphabetisches Verzeichnis sämtlicher Wörter
mit Angabe ihrer Stelle im Vokabular ist beigegeben.
Auswahl sowohl wie Gruppierung werden im allgemeinen Zustimmung
finden. Zur besseren Auffindung der Wörter nach dem Verzeichnis sollten
die einzelnen Seiten des Vokabulars mit Angabe der behandelten Gruppen
(als Kopf) versehen werden.
Limbach (Hessen). F. Adaml.
432 Nene PhilologlBche Bundschan Nr. 18.
Vakanzen.
Bochum, Q. Obl. Elass. oder neuere Phil. Kuratorium.
Breslau, HMS. Obl. Math. u. Nat Magistrat.
Essen (Ruhr), HMS. Obl. Math. u. Nat. Dir. Dr. Fröchtling.
Frankfiirt a. H., Handelslehranstalt: Vier Obl. Deutsch. Oesch.; Phys.
u. Math.; Engl. u. Franz.; Bei. Schul vorstand d. Fortbildungsschulen.
Frelbnrg 1. Schi., OB. Zwei Obl. Math, und Nat.; N. Spr. Magistrat.
Görlitz, BQ. Direkt. Magistrat.
HannoTer, OB. Zwei Obl. Deutsch u. Gesch. resp. Math. u. Nai Dir.
Dr. Hemme.
Leer, HMS. Obl. Bei. u. Deutsch. Magistrat.
Magdeburg, G. u. BS. Obl. N. Spr. od. Math. Magistrat.
— OB. Obl. Bei, Deutsch u. Gesch. Magistrat.
Neumünster, G. Obl. N. Spr. Magistrat.
Schwedt, G. Obl. Elass. Phil. Magistrat.
Unna, BS. Obl. Gesch., Deutsch u. Lat.
Viersen, G. (Eathol.) Obl. Gesch. und Elass. Phil. Bfirgermeister.
Wiesbaden, OB. Obl. Math. u. Nat. Dir. Gfith.
Paul Neff Vertag (Carl Bflchle) in Stuttgart
In nnserem Verlag ist komplett erschienen die
Zehnte Auflage
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EniiliscIi-BBatscIiBiii BBd Deutsch -EBQlittlieiii Wfirtarhicli
mit besonderer Rücksicht auf Aussprache und Etymologie
neu bearbeitet nnd yermehrt
yon
Dr. Arnold Schröer
•rd. Professor an der Handelshochschxile zn Köln
weU. ord. Professor der engUschen PMlologle an der Universität Freibnrg i. B.
160 Bogen dreispaltiger Satz in Gr.-Lex. 8®.
I. Band: II Band:
elefc. in Halbleder geb. M. 14.— eleg. in Halbleder geb. M. 12.—
Dieser Teil (der deutsch-engUscbe) ist mit derselben Sorgfalt und GrUndUchkeit ge-
arbeitet, die von dem ersten gerünmt werden konnten. Die VollBtändigkelt. in der das Wort
material ausgebeutet wurde, erhellt aus einem Vergleich mit dem ebenfalls rUhmUohst be-
kannten „ Deutschen Wörterbnche " yon M. Heyne. Unter den mit der Partikel „ab" rebüdeter-
Wörtem allein weist das Grieb-Schröersche Wörterbuch um nahezu 900 Artikel mehr auf sin
Heyne. Dabei sind die Weiterbildungen durch Zusammensetzung nicht einmal gezählt. Sehs
häufig trifft man auf Bedeutungsnuancen, die in dem zum Veiglefch herangezogenen deutschen
Wörterbuch nicht berücksichtigt sind, und nur selten auf eine Lücke, diese stets nur von
untergeordneter Bedeutung. Zslttohrift fOr das RsaltohalwMea.
fllP* Zu haben in allen Buchhandlunoen 'VH
Für Sclmleii Teri^InBtlffnBKeii bei gleichzeitigem Bezug einer gröfseren Anzahl
von Exemplaren.
Fflr die Bedaküon venuitwortlieh Dr. E. Ludwig in BrtmM.
Prnok «ad Verlag tob iTriedrick Andnas Perthes, AkliengeBellaehafk, Gotha.
OCT 2 1903
Gotha, 19. September. Nr. 19, Jahi^ang 1903.
Neue
PhilologischeRundschau
^ Herausgegeben von
Dr. 0. Wagener und Dr. E. Ludwig
in Bremen.
ErBcheint alle 14 Tage. — Preis für den Jahrgang 8 Mark.
Bestellungen nehmen alle Bachhandlangen, sowie die Postanstalten des In- and AoHlandes an
InsertioDsgebflhr fttr die einmal gfespaltene Petitzeile 80 Pfg.
Inhalt: Zu Flatons Apologie p. 26 D. (Edm. Fritze) p. 433.
Bezensionen: 233) £. S. Shackburgh - B. C. Jebb, The Antigone of
Sophocles (W. Heindl) p. 437. — 234) A. Eappelmacher, Studia luvenaliaDa
(H. Polßtorff) p. 438. — 235) W. H. D. Rouse, Qreek votive offerings (P. Weiz-
säcker) p. 441. — 236) E. Kemmer. Die polare Ansdmcksweise in der griechischen
Literatur (J. Keller) p. 442. — 237) J. Willems, Le Sänat Romain en Fan
65 apr^ J^ns-Christ (Ed. WolJQO p. 444. — 238) Alb. Müller, Jagendförsorgü
in der römischen Kaiserzeit (M. Hoderroann) p. 447. — 239) Ad. Zünd-Burguet,
Methode pratiqne, pbysiologiqne et comparee de Prononciation fran^aise (G. Rolin)
p. 448. — 240) W. Rübenkamp, 1200 der gebräuchlichsten franz. Sprich-
wörter (J. M. Küffher) p. 452. — 241) Georg Stier, Little Eoglish Talks
(K. Pusch) p. 453. — 242) Behaghel, Der Gebrauch der Zeitformen im kon-
junktivischen Nebensatz des Deutschen (C.'D.) p. 454. — Vakanzen. — Anzeigen.
Zu Piatons ,, Apologie'' p. 26 D.
Von Edm. Fritze.
An der Stelle der Platonischen „Apologie 'S an der sich Sokrates
gegen die Worte der Anklage d^eotig, odg ij ndlig vofii^ei, ov rof^i^ovray
€T€Qa de daifiövia yuxivi (p. 24 BC) verteidigt, lautet der Text in der
Ausgabe mit deutschem Kommentar von Schanz (1893) (p. 26 CD):
i2 d^avii&aiB Milr[ue, %va ri tafha Xiyeig; oids fjXiov ovde ash^vriv äga
vofil^o) d^eoig dvm, üaTteg ol äXXov &yd-Q(07tOL; Mä jCj & ävdgeg di-
yiaatai, inei tdv fiiv ijkiov Xi&ov qnpiv üvaiy rijv de aeXi^i^v yfjv.
ly^va^ayÖQOv] oXev yLatrffoqeiv ^ & q>iXe MiXrire, xai ofkw KaTaq)QOvelg
Ttüvde Kai oYec aivovg aTteiQOvg yqafjL^dtojv ßlvat, &a%e ovn eldevaL 8t v
Tdva^ayÖQOv ßißXla roD KXaKo^eviov yifiei Toikoßv rdv Xöywv. -ml d^
Kai Ol vioi taijta Ttaq^ ifioü iiav&dvovaiVy S e^eattv evloTe^ d niw TtqkXoü
dQax/dfjg ix Tfjg dgx'i^'^Q^S n;quxiiivoLg SoiKfdrovg KaTayeXdi^, iäv jtQoa-
noifjrai kavroi^ elvaiy äXXtag re nat oikwg ikoTta Svra. Und in einer
Anmerkung zu ölet Kati^yoqBiv heirst es: „Im vorausgehenden Satz wird
434 Neue Philologische Bundschau Nr. 19.
von Meletos dem Sokrates eine Ansicht beigelegt, welche dem Anaxagoras
angehört. Wie kann das rhetorisch ausgenutzt werden? Doch nur so,
dafs dieses Vorgehen des Meletos als eine absichtliche Täuschung hin-
gestellt wird, welche von der Voraussetzung ausgeht, dafs die Zuhörer die
Lehren des Anaxagoras nicht kennen. Diesen einfachen natürlichen Ge-
danken gewinnen wir nicht aus den fiberlieferten Worten. Denn statt des^^
(zu?) „erwartenden 2(OKQdTovg (du glaubst den Sokrates anzuklagen und
rechnest dabei auf die Unwissenheit der Zuhörer) lesen wir l^va^ayÖQov.
Mit Beibehaltung dieses Wortes könnte ein annehmbarer Sinn nur ge-
wonnen werden, wenn es statt ol«t yuxTriyoQeiv hiefse y,a^r^yoQeXg (du klagst
den Anaxagoras an und rechnest dabei auf die Unwissenheit der Zuhörer).
Auch der Versuch, durch die Schreibung von 1^ ovrw statt yuxi oikcj das
^Ava^ayöqov zu retten, führt nicht zum Ziel; denn auch in diesem Fall
erwartet man xarijyo^afe; auch würde der Begriff „Sokrates", den das
zweite Glied verlangt (klagst du den Anaxagoras oder den Sokrates an?),
in störender Weise indirekt eingeführt sein. ^Ava^aydqov ist sonach
unecht; ifiof) ergänzt sich leicht aus dem Zusammenhang."
Schon in seinen „Studien zur Gesch. d. Piaton. Textes" (1874) sagt
Schanz auf S. 35: „Ein wahrhaft absurdes Glossem ist 'Alva^aydqov; es
ist in der Tat unbegreiflich, wie man das Wort so lange ungestört im
Texte belassen konnte. Baiter ist meines Wissens der erste, welcher An-
stofs an dem Worte nahm und vielmehr S(oyiQ(kovg verlangte. Nein, es
ist nichts zu ändern, sondern zu streichen. KavriyoQsiv kann hier das
Objekt entbehren." So hat Schanz auch schon in seiner kritischen Aus-
gabe von 1875 ^Ava^ayÖQOv eingeklammert und Bertram hat es in seinen
drei Ausgaben von 1882, 1888 und 1893 ganz weggelassen. Einen kleinen
Unterschied weisen hinsichtlich der Interpunktion die Schanzische Aus-
gabe von 1875 und die Bertramschen gegen die Schanzischen von 1893
auf; sie haben hinter Uycav ein Fragezeichen. Die von Schanz in
seinem deutschen Kommentar erwähnte Schreibung ij ofkio beruht auf
einem Vorschlage, den, freilich ohne jede nähere Begründung, H. Sauppe
in seiner Bezension der Schanzischen „Studien" (Jen. L.-Z. 1875, S. 13)
gemacht hat; ihm sind Petersen (1896) und Rosiger (1902) gefolgt, wäh-
rend Kral (1885), Christ (1894) und v. Bamberg (1897) mit Beibehaltung
des handschriftlichen %ai und gleichzeitiger Aufnahme des Sauppeschen ij
in ihre Texte ein ^ xat ofko) („oder gar") gesetzt haben. Dagegen sind
Wohlrab (in der Ausgabe mit lateinischem Kommentar von 1877 und in
Neae Philologische Bundschau Nr. 19. 435
seinen Textausgaben, deren letzte von 1902 ist), Schmelzer (1883), Burnet
(1899) und Gron-TJhle (zuletzt 1902) der ganzen handschriftlichen Über-
lieferung treu geblieben und weichen nur, wie das auch, und fast ganz
ohne Einflufs auf den Sinn, bei den anderen Ausgaben der Fall ist, in
der Interpunktion (Komma oder Fragezeichen oder Eolon hinter & q)iXe
MiXr^cB und Fragezeichen oder Punkt hinter X6y(av) voneinander oder von
Schanz ab.
Was mag nun wohl Piaton in Wahrheit geschrieben haben? Zu-
nächst steht meines Erachtens fest, dafs von o^m yia%aq>qovBig an der
überlieferte Text nicht zu dem geringsten Zweifel Anlafs gibt und dafs
die Worte vä lAva^äyöqov ßißXia Tod Klal^ofieyiov auf einen Gegensatz
und damit auf die ünechtheit des ersten It^va^ayÖQOv hinweisen, gegen
dessen Setzung an jener ersten Stelle auch der Umstand spricht, dafs man
doch dort, wenn der Name des Anaxagoras genannt wäre, auch die Hin-
zufQgung der Herkunftsbezeichnung erwarten müfste. So wird man also
den von Baiter angeregten Zweifel teilen müssen; leider habe ich nicht
feststellen können, wann und wo er ihn ausgesprochen und wie er ihn
und seinen Vorschlag, 2ürKQ(kovg für ^Ava^aydqov einzusetzen , begründet
hat. Aber dafür kann man sich ja die Argumentation von Schanz, soweit
sie sich gegen die Echtheit des ^Ava^aydqov richtet, zu eigen machen;
nur möchte ich das nicht gelten lassen, dafs mit einem ^Ava^aydqov
xaTayoQeig (statt oul ytatriyoQeiv) geholfen wäre, weil dabei immer der er-
wähnte auffällige umstand der Hinzufügung der Herkunftsbezeichnung bei
dem zweiten 'Ava^ayöqov bestehen bliebe. Auch der Versuch von Sauppe,
die Stelle durch die Ersetzung des xal durch ein i) zu heilen, wird
man mit Schanz zurückweisen müssen und sich auch hier wieder seiner
Begründung anschliefsen können; nur bestreite ich auch in diesem Falle,
und zwar aus demselben Grunde, wie soeben, die Möglichkeit eines '^va|a-
yoQOv yuxvriyoQeig J) oikto htL
Also i^va^ayÖQOv ist jedenfalls als unecht zu betrachten. Aber mufs
nicht etwas anderes dafür eingesetzt werden? Der mit <^€d yuxratpQovelg
beginnende Satz weist, wie ich vorhin gesagt habe, auf einen Gegensatz
hin, und dieser kann nun persönlicher oder sachlicher Art sein. Ist er
persönlicher Art, so wird an der ersten Stelle bei dem oXet narriyoQeiv
eine Person erwähnt, die zu dem gleich darauf genannten Anaxagoras in
einem Gegensatze steht, und das kann nach dem ganzen Zusammenhange
(auch das spätere Tcag' if^oü bezeugt es) nur Sokrates sein. Nun meint
436 Nene Philologische Bnndschau Nr. 19.
SchaDZ freilich, if^oß ergänze sich leicht aus dem Zusammenhange, aber
man muls doch wohl Baiter Becht geben, wenn er ausdrücklich ein JSoi-
yLQOTovg einsetzt. För die Möglichkeit einer Verwechslung der beiden
Namen bei der Abschrift lassen sich ja mancherlei Ursachen anfahren:
ein Blick auf den in nächster Nähe folgenden Namen kann sie veranlafst
haben oder der Abschreiber hat eine vermeintlich falsche Lesart absicht-
lich und bewufst geändert oder der Name ist zuerst unabsichtlich aus-
gelassen und später aus Versehen oder Mifsverständnis fälsch ergänzt
worden u. dgl. m. Durch die Einsetzung von lioycQdrovg wird auch der
Ausdruck voller, und der ganze Satz gewinnt namentlich für den weniger
geschulten Leser eine gröfsere Verständlichkeit Deshalb habe ich es für
richtig gehalten, in der von mir besorgteen vierten Auflage der Bertram-
schen Ausgabe (1898) ScjyLQdrovg drucken zu lassen, und diese Schreibung
auch in der demnächst erscheinenden fünften Auflage beibehalten. Ebenso
habe ich, um den Ausdruck als deutlicher und bestimmter ausgeprägt und
den dem Meletos gemachten Vorwurf als schärfer und unbedingter er-
scheinen zu lassen, im Anschlufs an die beiden Schanzischen Ausgaben
von 1893 hinter Idycjv statt des Fragezeichens einen Punkt gesetzt.
Aber darf man nun glauben, dais damit der Schaden endgültig ge-
heilt und jeder Möglichkeit einer Anzweifelung für immer vorgebeugt sei?
Keineswegs; die Lesart SwyLQdrovg hat ja auch keine weitere Aufnahme
gefunden, und in der Tat spricht auch etwas gegen sie. Es klingt doch
etwas wunderlich, wenn Sokrates sagt: Du meinst den Sokrates anzu-
klagen und rechnest dabei auf die Unwissenheit der Zuhörer; Meletos
meint das nicht, sondern klagt den Sokrates tatsächlich an. Aber es ist
nicht der geringste Grund vorhanden, an der Richtigkeit des om zu
zweifeln, und die Schwäche der Überlieferung kann nur, wie vorhin be-
merkt ist, darin liegen, dafs nicht der richtige Gegensatz zu dem tä
l^va^ayÖQOv ßcßXia -^tL vorhanden ist. Ist nun mit der Einsetzung des
persönlichen Gegensatzes 2cjyiQ<iTovg noch nicht die sichere Abhilfe gewonnen
und sind Wendungen, wie ^£ig ä&acyu /dov oder '^^«(J-rijrcJg f^ov, paläo-
graphisch unwahrscheinlich, so mu& man sich nach einem Ausdruck um-
sehen, in welchem ein sachlicher Gegensatz enthalten ist, ein Gegensatz,
in dem der Unterschied zwischen dem wirklichen Zutreffen der Anklage
auf Anaxagoras und dem Meinen des Meletos, zwischen der Unwiderleg-
barkeit der gegen Anaxagoras zu richtenden Anklage und der Widerlegbar-
keit der gegen Sokrates gerichteten zur Geltung gelangt. Das yuxTti-
Nene Philologische Bundschan Nr. 19. 437
yoQeiv niufs in dem verloren gegangenen Worte als ein sicher zum Ziele
führendes, ein auf guten Glauben rechnendes, ein unwiderlegbares charak-
terisiert gewesen sein. Ein dem eben dargelegten verwandter Gedanken-
gang hat vor Jahren E. J. Liebhold zu dem Vorschlage veranlafst (Fleck-
eisens Jahrbb., 137. Jahrg. 1888, S. 756/7), an unserer Stelle IdfU' e$
ändqov Karriyogeig zu schreiben; das hinter ^Ava^aydqov stehende oiu
soll als Duplikat des nachfolgenden in den Text geraten sein und das i^
dTtÖQOv wird durch die Übertragung, welche Stallbaum fQr das i^ dfcögatv in
den Gesetzen II, p. 699 B gegeben hat („post desperatam plane rerum suarum
condicionero et fortunam'^i erklärt Aber gegen diesen Vorschlag spricht
in erster Reihe die Änderung des ohi yuxrriyoQeiv in TLorriyoQeig; sodann
entfernen sich die Schriftzfige des [^11^ i^ dTtdqov von denen des ^Ava^a-
yÖQov, dessen Entstehung in diesem Falle doch nur durch ein Verlesen
erklärt werden kann, allzusehr; endlich wird der Gegensatz zwischen der
vermeintlichen Beichaffenheit der Anklage und ihrem wirklichen frivolen,
auf die Unwissenheit der ZuhOrer rechnenden Charakter nicht deutlich
genug ausgedrückt. Alle Bedenken Men dagegen fort, wenn man sich
^Av^eUyKTiog oXei yuxrriyoQeiv geschrieben denkt; damit ist ein Wort
eingesetzt, dessen Sinn („unwiderlegbar'^) die vorhin gestellten Anforde-
rungen erfüllt und bei dem das Fehlen eines Personenobjekts nichts Auf-
fälliges hat. In demselben Sinne ist äye^iXeyyuvog auch in Xenophons
Kynegetikos 13, 7 gebraucht und das Adverbium dv^eUyyLTtog "kommt in
Xenophons Oikonomikos 10, 8 in der Verbindung ävs^eXiyrtag i^aTtarßv
mit dem Sinne eines „uneDtdeckbaren, unfehlbaren, unwiderlegbaren*'
Betrügens vor. Danach würde also unsere Stelle in deutscher Über-
tragung lauten: Eine unwiderlegbare Anklage meinst du zu erheben und
denkst so gering von diesen hier und hältst sie für so unbewandert in
der Literatur, dafs sie nicht wüfsten, dafs die Bücher des Elazomeniers
Anaxagoras von diesen Darlegungen voll sind. Und natürlich lernen auch
die jungen Leute von mir diese Dinge usw.
233) E. S. Shuckburghi The Antigone of Sophodes with a
commentary, abridged from the large edition of B. C. Jebb.
Cambridge, üniversity Press (London, J. Giay & Sons), 1902.
XL u. 252 S. 8. geb. 4 sh.
Als ein Beweis von der Bedeutung der Sophoklesausgabe des eng-
lischen Gelehrten Jebb ist es zu betrachten, dafs Shuckburgh einen Auszug
438 Neue Philologieche Rundschau Nr. 19.
der Antigoneansgabe Von Jebb veranstaltet hat, nm die Ergebnisse der
Forschung Jebbs weiteren Kreisen zngäoglich zu machen. Die Ausgabe
von Sh. ist bestimmt „zum Gebrauch von höheren Klassen in Schulen
und für üniversitätsstudenten''.
In der Vorrede erklärt Sh., dafs er nur in sehr wenig Fällen ein
oder zwei Worte oder eine Bemerkung hinzugefBgt habe. Demgemäfs
besitzt das Buch keinen selbständigen wissenschaftlichen Wert und weist
weder Neues noch Verbesserungen gegenüber der Originalausgabe von
Jebb auf.
In England vermag das Buch den praktischen Zweck, in weiteren
Kreisen ein tieferes Verständnis des Sophokleischen Dramas an Hand der
kundigen Führung Jebbs zu erschliefsen, recht wohl zu erfüllen infolge der
geschickten Auswahl des Verf. Er hat von der grofsen Ausgabe von Jebb
alles beibehalten, was allgemeineres Interesse beansprucht — z. B. sind
die trefflichen einleitenden Kapitel zum gröfseren Teil beibehalten —
dagegen alles ausgeschieden, was nur für die gelehrte Forschung Wert
hat, insbesondere alle Kontroversen und gelehrten Auseinandersetzungen;
in der Textgestaltung ist Sh. durchweg Jebb gefolgt. Die Umsicht des
Verf. in der Auswahl zeigt sich z. B. darin, dafs er zwar die fortlaufende
Übersetzung in der grofsen Ausgabe von Jebb weggelassen, aber sie
manchmal, wo sie zugleich der Erklärung dient, z. B. V. 1 — 6, V. 106 f.
in den Kommentar hineingeflochten hat.
Deutsche Gelehrte, die sich mit Sophoklesstudien befassen, müssen
natürlich auf die Originalausgabe von Jebb zurückgehen. Immerhin bietet
aber der von Sh. veranstaltete gute Auszug die Textrezension von Jebb
und das Wichtigste aus dessen trefflichem Kommentar, mithin einen passen-
den Ersatz da, wo von der grofsen Ausgabe von Jebb wegen des hohen
Anschaffungspreises Abstand genommen werden mufs.
München. W. Heiadl.
234) Alfredus Eappelmacher, Studia luvenaliana. (Disser-
tationes Philologae Vindobonenses. VII, 3). Vindobonae et Lip-
siae, sumptus fecit F. Deuticke, 1903. 41 S. 8. Ji 2.—.
Soviel neuerdings für Kritik und Erklärung Juvenals erreicht ist:
über das Leben des Satirikers läfst sich auch heute noch nicht viel Ge-
wisses sagen. Was seinen Bildungsgang betrifft, so bezeugt er selbst
Neue PhilologiBche Bondschau Nr. 19. 439
I, 15 sqq. et nos ergo manam feralae snbduximas, et dos consiliuni de-
dimus Sallae, privatus ut altum dormiret, d. h. auch er habe die Schale
des Grammatikers und des Rhetors durchgemacht, und die sogen. Bio-
graphie des Probas berichtet: ad mediam fere aetatem declamavit. Zudem
verraten die Satiren selbst auf jeder Seite den Bhetorenschüler in ihrem
Pathos und der rhetorischen Darstelluigsweise. Daran also, dafs Juvenal
Bhetor war, zweifelt niemand; aber die Schule anlangend, zu der er ge-
hörte, sind widersprechende Ansichten geäufsert worden. Einerseits sagt
Marx, Inoerti auctoris de ratione dicendi ad C. Herennium libri IV, 148 :
clarissimum autem odii contra Graecos testimonium exstat in luvenalis
rhetoris Latini saturis III, 58 sqq., und er rechnet somit Juvenal zu den
sogen. Latini rhetores, der antigriechischen, nationalrömischen Schule, aus
der die Rhetorik an Herennius hervorgegangen war. Dagegen meint
Friedländer in seiner Ausgabe p. 16, Juvenal sei ein Schüler Quintilians
gewesen, der zu den Griechen und der griechischen Literatur eine grund-
sätzlich freundliche Stellung hatte. Diesen Widerstreit zu entscheiden
unternimmt Eappelmacher in der oben genannten Schrift.
Im I. Kap. weist er nach, dafs der für die Latini rhetores charakte-
ristische Hafs gegen alles Griechische bei Juvenal nicht vorhanden ist
(p. 8 sqq.) , dafs er vielmehr die griechischen Schriftsteller vielfach mit
Anerkennung nennt (p. 11 sq.) und auch im Gebrauche griechischer
Lehnwörter weit über das von der Not gebotene Mafs hinausgeht
(p. 12 sqq.). Endlich p. 15 weist er noch darauf hin, dafs Juvenal auch
politisch anders steht als die Latini rhetores, insofern er die Gracchen
tadelt (II, 24), während sie von dem auctor ad Her. lY, 55, 68 gepriesen
werden.
Im IL Kap. (p. 16 sq.), zeigt E. dann, dafs diese Haltung Juvenals
gegenüber den Griechen genau der Quintilians entspricht, der gegen die
Einseitigkeit der Latini rhetores polemisiert.
Das Resultat der beiden ersten Abschnitte ist, dafs Juvenal ebenso-
wenig wie Quintilian ein rhetor Latinus genannt werden kann.
Es bleibt nun die Frage übrig, ob Juvenal ein Schüler Quintilians
im engeren Sinne zu nennen ist, wie Friedländer behauptet. Da ihm die
von diesem geltend gemachten Gründe chronologischer Art nicht zu ge-
nügen scheinen, so sucht E. aus den Satiren selbst zu erweisen, dafs
wenigstens mit Wahrscheinlichkeit Juvenal als Zuhörer Quintilians zu
denken ist. In sechs Abschnitten legt er eine weitgehende Überein-
440 Nene Philologische Bundsehaü Nr. 19.
Stimmung beider dar. Zanächst stellt er (p. 20 sqq.) eine Reihe von
rhetorisclien Termini bei Juvenal fest, die, von Qaintilian oft gebraucht,
bei anderen Bhetoren zum Teil gar nicht vorkommen. Dieser Abschnitt
scheint uns der wichtigste zu sein. Ferner macht er (p. 25 sq.) auf die
Stellen in der siebenten Satire aufmerksam, die sich auf grammatische
und rhetorische Schulen und Lehrer beziehen, und stellt ihnen solche aus
Quintilians Inst orat. gegenüber, die dieselben Punkte berühren. Drittens
zeigt er (p. 26 sqq.), dafs beide über dieselben Persönlichkeiten gleich
arteilen, dafs insbesondere Cicero von beiden sehr hoch gestellt wird,
während manche rhetores Lat. entschiedene Feinde Giceros sind. Auch
die Übereinstimmung im Urteil über Zeitgenossen hebt er hervor. Da-
nach stellt er p. 30 sq. die Ansicht auf, dafs die Anordnung des Stoffes
in sat. VII von Quintilian beeinflufst sei, insofern dort poetae, historici'
oratores (causidici) behandelt werden in derselben Beihenfolge, wie Quin-
tilian X, I die Muster zur Nachahmung vorführt. Fünftens werden
p. 31 sq. im besonderen die Muster in der Satire behandelt, Lucil, Horaz,
Persius, die von Quintilian X, 1, 93 sq. besprochen werden. Sat. I sei nach
Lucil angelegt (p. 31 — 35), und viele Verse Juvenals seien Nachahmungen
Lucilischer (p. 36). Dafs Horaz dem Juvenal bekannt und von ihm be-
nutzt sei, bewiesen zahhreiche Verse (p. 37 sq.) Benutzung von Persius,
Satiren bezweifelt E. (p. 38 sq.); Quintilians Lob (X, 1. 94) beruhe auf
persönlicher Bekanntschaft mit Persius, sei aber unverdient. Endlich
sucht E. zu zeigen, dafs Juvenals Satiren gewisse Vorzüge aufweisen, die
auf Befolgung von Vorschriften Quintilians zurückgingen (p. 39 sq.), be-
sonders Anschaulichkeit und mafsvoUe Anwendung von Sentenzen.
Nicht alles, was E. vorbringt, ist beweisend. Die aus der siebenten
Satire ausgehobenen Stellen, die Urteile über Persönlichkeiten der Vorzeit
und der Gegenwart, das Studium des Lucil und Horaz: alles das kann
auf Quintilian zurückgehen, mufs es aber nicht. Die Abhängigkeit sodann
der Anordnung in Sat. VII von Qaintilian ist überhaupt nicht glaublich.
Anderes kann Juvenal lediglich aus dem Studium der Inst. Or. haben, z. B.
seine Wertschätzung Giceros und die Befolgung gewisser Lehren, wie sie
p. 39 sq. mehr angedeutet als ausgeführt ist. Für persönliche Schüler-
schaft Juvenals ist damit noch nichts gewonnen. Erst wenn ein oder
der andere Punkt in der Übereinstimmung beider sich findet, wo die
Abhängigkeit Juvenals nur aus persönlicher Einwirkung zu erklären ist,
dann tritt alles oben Angeführte unterstützend hinzu.
Nene Philologische Bnndschau Nr. 19. 441
Tatsächlich scheint uns nun ein solcher Punkt vorhanden zu sein und
zwar in der p. 20 sqq. ausgeführten Abhängigkeit Juvenals von Quintilian
in bezug auf einige Besonderheiten rhetorischer Terminologie.
Wenn Juvenal VI, 449 das Wort enthymema gebraucht, welches
Quintilian V, 10. 1 im bewufsten Gegensatze zu seinen Zeitgenossen aus-
drücklich der lat. Bezeichnung contrarium vorzieht, so tut er das doch
sicherlich nicht, weil er einmal die betreffende Stelle in der Inst. Or
gelesen hat, sondern weil ihm der Terminus durch die Gewohnheit der
Schule in Fleisch und Blut übergegangen ist. Wenn er ferner VI, 280
color im Sinne von excusatio setzt und dabei Quintilian anredet: „die,
die aliquem sodes hie, Quintiliane, colorem^S so weist diese Apostrophe
auf ein zwischen dem Bhetor und dem Dichter bestehendes persönliches
Verhältnis hin. — Ganz dasselbe persönliche Verhältnis zu Quintilian
zeigt sich auch in der Parteinahme Juvenals gegen den Bhetor A. Cor-
nelius Gelsus, die E. nicht erwähnt. Gegen dieses Rhetors ars polemisiert
Quintilian sehr oft, und auch wo er ihm zustimmt , geschieht es mit Kälte
und Zurückhaltung (Teufel^, 280, 2). Juvenal nun teilt dem Gelsus keine
erhebende Bolle zu, wenn er VI, 244 sq. ihm von prozefssüchtigen Weibern
Einleitung und Hauptpunkte der Gerichtsrede diktieren läfst.
Diese Einzelheiten aus den Satiren bekunden ein so persönliches
Interesse an Quintilians Besonderheiten, dafs es aus dem blofsen Studium
seines Werkes nicht zu erklären ist, sondern nur aus dem Verhältnis des
überzeugten Schülers zu seinem Lehrer, den er oft über diese Dinge hatte
reden hören, oder mit dem er selbst darüber disputiert hatte.
K. hat in seiner fleifsigen Arbeit, die sich auch gut liest, für die
Ansicht, dafs Juvenal nicht blofs im weiteren Sinne Quintilians Schüler
sei, zwar nicht den strikten Beweis führen können, wohl aber einen so
hohen Grad der Abhängigkeit Juvenals von seinem Lehrer erwiesen, dafs
man an der Tatsache nicht mehr zu zweifeln braucht, dafs Juvenal den
Bhetor selbst gehört hat.
Waren i. MecU. H. Polstorff.
235) W. H. D. Bouse, Oreek votive offerings. An Essay in
the history of Greek religion. Cambridge, at the University press
(London, J. C. Clay & Sons), 1902. XVI u. 463 S. 8. geb. 15 sh.
Ein willkommenes Buch! Der Gegenstand ist seit langem nicht
mehr im Zusammenhang behandelt worden, und nach der fast unüberseh-
442 Nene PhilologiMhe Bundflohaii Nr. 19.
baren Fülle neaen Materials, welche die Funde der letzten Jahrzehnte
gebracht haben, wobei immer und immer wieder einzelne Seiten dieses
Gegenstandes zur Behandlung und Erörterung kamen, mufs man sich
billig wundem, dafs nicht schon früher eine Zusammenfiassung des jetzt
erreichbaren Standes unserer Kenntnis von Art und Wesen des Weih-
geschenks versucht worden ist. Wohl hat es nicht an Versuchen der Be*
handlung einzelner Gruppen gefehlt, allein eine zusammenfassende Behand-
lung ist doch nachgerade ein unabweisliches Bedürfnis geworden und das
vorliegende Werk Rons es kommt diesem Werk in erwünschter Weise zu
Hilfe. Nach einer kurzen Bestimmung des Begriffs Weihgeschenk werden
die verschiedenen Anlässe zu solchen in einer Keihe von Kapiteln be-
handelt, zuerst solche an die Toten, an die Heroen und die chthonischen
Gottheiten, dann Zehnten und Erstlinge, ferner Krieg, Spiele und Wett-
kämpfe, Krankheit und Unglück, häusliches Leben, Ehrendenkmäler, Feste
und Zeremonieen, Sühnungen, Weihung besonderer Schätze und Kostbar-
keiten. Drei weitere Kapitel sind den Weiheformeln und der Art der
Übergabe der Geschenke gewidmet und ein ausführliches Schlufskapitel
gibt eine übersichtliche Zusammenstellung des Ergebnisses aus den Einzel-
untersucbung^. Eine sehr wertvolle Beigabe sind die nicht weniger als
70 Seiten umfassenden Indices, in denen eine Übersicht der Weihegaben
gegeben ist, die in verschiedenen Heiligtümern in Athen, Eleusis, De-
los, in Amphiaraion , im Kabirion, in Platää, Samos u. a. m. gefunden
wurden, sowie von solchen, die in der Anthologie begegnen. Ein grie-
chischer und englischer Generalindex machen den Beschlufs und erhöhen
wesentlich die Benutzbarkeit des Buches, das sich, so hoffen wir, bald
auch in Deutschland den verdienten Beifall erwerben wird.
Calw. P. WelBS&oker.
236) E. Kemmer, Die polare Ausdrucksweise in der grie-
chischen Literatur. Würzburg, A. Stuber, 1903. YIII u.
263 S. 8. Ji 6. -.
Die vorliegende Studie bildet das 15. Heft der „Beiträge zur histo-
rischen Syntax der griechischen Sprache, die Prof. M. v. Schanz in Würz-
burg herausgibt, und ist vom Herausgeber dieser Beiträge direkt angeregt.
Unter polarer Ausdrucksweise versteht schon v. Schanz den bei griechischen
Schriftstellern besonders häufigen Gebrauch von Gegensatzverbindungen, in
denen ein einfacher allgemeiner Begriff sich gleichsam nach seinen beiden
Nene PhOologisehe Bandsehan Nr. 19. 443
Polen differenziert, also Fälle wie v^rag te nal ^fiaq für „ ununter-
brochen ^^ Die Untersuchung erstreckt sich so ziemlich aber die ganze
voraristotelische Literatur, zieht also ein sehr umfangreiches Material
gebundener und ungebundener Form in den Kreis der Betrachtung. Im
ersten, kleineren Teil der Arbeit werden die psychologischen Grundlagen
dieser sprachlichen Erscheinung untersucht, und im zweiten „speziellen Teil 'S
der nahezu 200 Seiten umfafst, wird das ganze hierher gehörige sprachliche
Material der griechischen Literatur vor Aristoteles mitgeteilt, und zwar
nicht nach den in der psychologischen Untersuchung gefundenen unter-
scheidenden Merkmalen der einzelnen Arten polarer Ausdrucksweise ge-
ordnet, sondern nach den grammatischen Eategorieen nominaler, adverbialer
und verbaler Begriffe, die die Form polarer Oegensatzverbindungen an-
genommen haben. Diese Verschiedenheit des Einteilungsgrundes im
theoretisch -psychologischen Teil und in der Ordnung der zahlreichen
Einzelfälle ist darin begründet, dafs es bei sehr vielen Einzelfällen un-
entschieden bleiben mufs, unter welche Rubrik sie ihrer psychischen Ent-
stehungsart nach gehören.
In der psychologischen Theorie geht K. mit Becht davon aus, dafs
es sich bei diesen Oegensatzverbindungen um eine Eigentümlichkeit des
menschlichen Sprechens und Denkens überhaupt handelt, weil die gleiche
sprachliche Erscheinung sich wohl in allen Sprachen findet, im Griechi-
schen nur besonders stark entwickelt ist. Da es sich bei der ganzen Frage
nur um Assoziation und Reproduktion handeln kann, so untersucht E.
zuerst die Bedeutung der Vorstellungsassoziationen für den Verlauf unseres
Denkens und dann den Einflufs der vielseitigen latenten Konstellationen
unserer Vorstellungen auf die Reproduktion. Hiemach findet er vier Ent-
stehungsarten der fraglichen Gegensatzverbindungen. Zunächst sind es die
Assoziationen begrifflicher Gegensatzvorstellungen, die von der Er-
fahrung uns entgegengebracht werden, und die zu den festesten Asso-
ziationen in unserem Vorstellungsvorrat gehören und deshalb sehr leicht
reproduziert werden (ovr* ihfÖQ^ ovre ywalyux, ovz äyad^tß ovte yiceyUp,
aoq>otg yLäa6q>oig, ycXivet yiävdyei Ttdhv etc.). In zweiter Reihe kann es
gich handeln um Assoziationen zwischen einzelnen Vorstellungen und ganzen
Gegensatzverbindungen. Der positive Nachweis für diese Art von Asso-
ziation ist in solchen Fällen nicht leicht. Aber hier tritt nicht selten die
Eigentümlichkeit ein, dafs die Gegensatzverbindung etwas Inkommensurables,
Fremdartiges mit sich bringt, das also für die Zwecke des Gedanken-
444 Nene Philologische Bnndschaa Nr. 19.
ansdruckes mindestens nicht erforderlich war. So im Prolog der Antigone
liofva IStv ^ ^qxxTtrovaa, wo die Vorstellung des Ändems, Bessems der
Sachlage sich mit der gewählten Gegensatzverbindung assoziiert. Femer
wird die Vorstellung der Oegensatzyerbindung selbst mit den Vorstellungen
der Zwecke des Ausdrucks assoziiert, denen sie dienen soll. Hierher gehören
die Oegensatzverbindungen als Ausdrucksmittel für den Begriff der Vielheit
(ileö&ßQOL ycal dofjXoi, TtQeaßikeQOi ycal vewzeqoi, o% x ovre^ di % äTtdvreg
u. a.). Endlich ist es das bewufste rhetorische Streben nach parallelen
Konstruktionen, also ein rein formales Moment, das Beproduktion und
Produktion von Oegensatzverbindungen verursacht, dies natürlich besonders
im Eunststil der Redner. Hier fiberwiegt nicht selten der formale Ge-
sichtspunkt das Bedürfnis des Gedankenausdrucks, und die Gegensatz-
verbindungen haben etwas Gesuchtes und Erzwungenes.
E. hat somit den Fachgenossen nicht nur die Ergebnisse jahrelangen
unverdrossenen Sammelfleifses vorgelegt, sondern auch seinen Gegenstand
im tiefsten Wesen erfafst und in sorgfältiger Erörterung aller Möglich-
keiten zum Verständnis gebracht. Leider fehlt dem Buch jedes Begister
über den Inhalt. Orientierung und Überblick über das Ganze des Ge-
dankengangs sind somit unnötig erschwert. Dem Verzeichnis der Berich-
tigungen möchten wir noch hinzufügen, dafs es S. 32, Z. 10 v. u. nunmehr
heifsen mufs, statt nur mehr, und S. 33, Z. 6 v. o. bezeichnete statt
verzeichnete. Der Ausdruck „aufnahmsfähige Form^' S. 37 ist schwer
verständlich, weil man nicht gleich wissen kann, ob eine Form gemeint
ist, die etwas aufzunehmen fähig ist, oder eine Form, die fähig ist auf-
genommen zu werden. Leicht liest sich der Stil des Verf. überhaupt
nicht. Bei der Erwähnung von schwarz und weifs (S. 24) mufste, zumal
für das Griechische, darauf hingewiesen werden, dafs es sich hier ur-
sprünglich nicht um konträre Farbenbegriffe handelt, sondern nur um
die Beziehungsbegriffe hell und dunkel.
Lörrach. J. Keller.
237) J. Willems, Le Sönat Bomain en Tan 65 aprös Jösus-
Christ. Publik d'apr^s les notes de P. Willems (Extrait du
Musöe Beige, tomes IV — VI). Louvain, Charles Peeters, 1902.
140 S. 8.
Aus dem, wie es scheint, ziemlich reichen literarischen Nachlafs von
P. Willems, dessen bekanntes Werk „Le S4nat de la Bäpublique Bomaine''
Nene Philologische Rundschau Nr. 19. 445
vor 25 Jahren erschien, hat der Sohn des Verstorbenen der Öffentlichkeit
ein Bruchstack übergeben, das Produkt langjähriger geduldiger Arbeit, die
noch der Unterstützung der Prosopographia imp. Rom. entbehrte. Erst
nachträglich sind die beiden vorliegenden Verzeichnisse mit den Angaben
jenes Sammelwerkes verglichen und die daraus sich ergebenden mitunter
recht umfangreichen Zusätze und Berichtigungen in eckigen Klammern
beigefügt worden. Dabei gibt es bisweilen unnütze Wiederholungen; so
wird Petronius Arbiter bezeichnet als „L'auteur du Satyricon" (sie), und nach
der ann. 16,18 entlehnten Charakteristik des Mannes folgt die der Prosopogr.
entnommene Bemerkung: „II öcrivit des satires et quelques poömes". —
Die erste Liste umfafst 182 Namen solcher Personen, von denen auf grund
inschriftlicher und literarischer Dokumente feststeht oder doch sich be-
stimmt annehmen läfst, dafs sie 65 v. Chr. (dem Jahr der Pisonischen
Verschwörung!) dem Senate angehört haben. Durch Hinzufügung der
Buchstaben a und b ist die gröfsere oder geringere Sicherheit der Be-
rechnung angedeutet, die teilweise nur durch Feststellung der von der
betr. Persönlichkeit vor oder nach dem Jahre 65 bekleideten, den Senatoren-
rang voraussetzenden oder bedingenden Ämter zu ermöglichen ist. Wie
in der Prosopographie sind alle Nachrichten, die wir von den verschiedenen
Personen haben, unter deren Namen zusammengestellt. Von den 182 Namen
dieses Verzeichnisses kommen nicht weniger als 126 bei Tacitus vor,
ein Beweis dafür, wie diesem Autor der Senat als das Herz des Reiches,
sein Verhältnis zum Prinzeps als Brennpunkt des gesamten öffentlichen
Lebens und der Hauptstadt erschien. Eine zweite Liste bringt, von
wenigen kopflosen Inschriften abgesehen, 203 Namen einerseits aller Sena-
toren aus der Begierungszeit des Nero, Vespasian und Titus, über die
sonstige, bestimmte Angaben fehlen, anderseits die vor dem Jahre 65
irgendwo erwähnten höheren Beamten, von denen nicht bekannt, doch in
der Regel zu vermuten ist, dafs sie zur Zeit der Pisonischen Verschwörung
noch am Leben waren, z. B. Quästoren seit dem Jahre 30, Tribunen und
Ädilen seit 32 u. s. w.
Bei Feststellung von gleichnamigen Persönlichkeiten nimmt W. häufig
Veranlassung, den in der Prosopogr., bei Nipperdey-Andresen und sonstwo
niedergelegten Ansichten anderer Gelehrten zu widersprechen, beispiels-
weise in den Artikeln der ersten Liste N. 29 u. 31 L. Caesennius (Cae-
sonius) Paetus, 36 L. Galp. Piso, 52 Ser. Sulp. Scipio Salvidienus Orfitus,
82 Helvidius Priscus, 153 Suetonius Paulinus (beachtenswert).
438 Nene Philologisehe Ründschaa Nr. 19.
der Antigoneansgabe von Jebb veranstaltet hat, um die Ergebnisse der
Forschung Jebbs weiteren Kreisen zugänglich zu machen. Die Ausgabe
von Sh. ist bestimmt „zum Gebrauch von höheren Klassen in Schulen
und für üniversitätsstudenten''.
In der Vorrede erklärt Sh., dafs er nur in sehr wenig Fällen ein
oder zwei Worte oder eine Bemerkung hinzugefügt habe. Demgemäfs
besitzt das Buch keinen selbständigen wissenschaftlichen Wert und weist
weder Neues noch Verbesserungen gegenüber der Originalausgabe von
Jebb auf.
In England vermag das Buch den praktischen Zweck, in weiteren
Kreisen ein tieferes Verständnis des Sophokleischen Dramas an Hand der
kundigen Führung Jebbs zu erschliefsen, recht wohl zu erfüllen infolge der
geschickten Auswahl des Verf. Er hat von der grofsen Ausgabe von Jebb
alles beibehalten, was allgemeineres Interesse beansprucht — z. B. sind
die trefflichen einleitenden Kapitel zum gröfseren Teil beibehalten —
dagegen alles ausgeschieden, was nur für die gelehrte Forschung Wert
hat, insbesondere alle Kontroversen und gelehrten Auseinandersetzungen;
in der Textgestaltung ist Sh. durchweg Jebb gefolgt. Die Umsicht des
Verf. in der Auswahl zeigt sich z. B. darin, dafs er zwar die fortlaufende
Übersetzung in der grofsen Ausgabe von Jebb weggelassen, aber sie
manchmal, wo sie zugleich der Erklärung dient, z. B. V. 1 — 6, V. 106 f.
in den Kommentar hineingeflochten hat.
Deutsche Oelehrte, die sich mit Sophoklesstudien befassen, müssen
natürlich auf die Originalausgabe von Jebb zurückgehen. Immerhin bietet
aber der von Sh. veranstaltete gute Auszug die Textrezension von Jebb
und das Wichtigste aus dessen trefflichem Kommentar, mithin einen passen-
den Ersatz da, wo von der grofsen Ausgabe von Jebb wegen des hohen
Anschaffungspreises Abstand genommen werden mufs.
München. W. BeiniU.
234) Alfredus Kappelmacher, Studia luvenaliana. (Disser-
tationes Philologae Vindobonenses. VII, 3). Vindobonae et Lip-
siae, sumptus fecit F. Deuticke, 1903. 41 S. 8. Jd 2. — .
Soviel neuerdings für Kritik und Erklärung Juvenals erreicht ist:
über das Leben des Satirikers läfst sich auch heute noch nicht viel Ge-
wisses sagen. Was seinen Bildungsgang betrifft, so bezeugt er selbst
Nene Philologische Bondschaa Nr. 19. 439
I, 15 sqq. et nos ergo manum ferulae subduximus, et nos consilium de-
dimus Sallae, privatus ut altum dormiret, d. h. auch er habe die Schule
des Grammatikers und des Rhetors durchgemacht, und die sogen. Bio-
graphie des Probus berichtet: ad mediam fere aetatem declamavit. Zudem
verraten die Satiren selbst auf jeder Seite den Bhetorenschüler in ihrem
Pathos und der rhetorischen Darstelluigsweise. Daran also, dafs Juvenal
Bhetor war, zweifelt niemand; aber die Schule anlangend, zu der er ge-
hörte, sind widersprechende Ansichten geäufsert worden. Einerseits sagt
Marx, Incerti auctoris de ratione dicendi ad G. Herennium libri IV, 148:
clarissimum autem odii contra Graecos testimoiüum exstat in luvenalis
rhetoris Latini saturis III, 58 sqq., und er rechnet somit Juvenal zu den
sogen. Latini rhetores, der antigriechischen, nationalrömischen Schule, aus
der die Rhetorik an Herennius hervorgegangen war. Dagegen meint
Friedländer in seiner Ausgabe p. 16, Juvenal sei ein Schüler Quintilians
gewesen, der zu den Griechen und der griechischen Literatur eine grund-
sätzlich freundliche Stellung hatte. Diesen Widerstreit zu entscheiden
unternimmt Kappelmacher in der oben genannten Schrift.
Im I. Kap. weist er nach, dafs der für die Latini rhetores charakte-
ristische Hafs gegen alles Griechische bei Juvenal nicht vorbanden ist
(p. 8 sqq.) , dafs er vielmehr die griechischen Schriftsteller vielfach mit
Anerkennung nennt (p. 11 sq.) und auch im Gebrauche griechischer
Lehnwörter weit über das von der Not gebotene Mafs hinausgeht
(p. 12 sqq.). Endlich p. 15 weist er noch darauf hin, dafs Juvenal auch
politisch anders steht als die Latini rhetores, insofern er die Gracchen
tadelt (II, 24), während sie von dem auctor ad Her. lY, 55, 68 gepriesen
werden.
Im IL Kap. (p. 16 sq.), zeigt K. dann, dafs diese Haltung Juvenals
gegenüber den Griechen genau der Quintilians entspricht, der g^en die
Einseitigkeit der Latini rhetores polemisiert.
Das Resultat der beiden ersten Abschnitte ist, dafs Juvenal ebenso-
wenig wie Quintilian ein rhetor Latinus genannt werden kann.
Es bleibt nun die Frage übrig, ob Juvenal ein Schüler Quintilians
im engeren Sinne zu nennen ist, wie Friedländer behauptet. Da ihm die
von diesem geltend gemachten Gründe chronologischer Art nicht zu ge-
nügen scheinen, so sucht E. aus den Satiren selbst zu erweisen, dafs
wenigstens mit Wahrscheinlichkeit Juvenal als Zuhörer Quintilians zu
denken ist. In sechs Abschnitten legt er eine weitgehende Überein-
440 Nene Philologische Bündschan Nr. 19.
stunmimg beider dar. Zunächst stellt er (p. 20 sqq.) eine Beihe von
rhetorischen Termini bei Jovenal fest, die, von Qaintilian oft gebraucht,
bei anderen Bbetoren zam Teil gar nicht vorkommen. Dieser Abschnitt
scheint uns der wichtigste zu sein. Ferner macht er (p. 25 sq.) auf die
Stellen in der siebenten Satire aufmerksam, die sich auf grammatische
und rhetorische Schulen und Lehrer beziehen, und stellt ihnen solche aus
Quintilians Inst orat. gegenüber, die dieselben Punkte berühren. Drittens
zeigt er (p. 26 sqq.), dafs beide über dieselben Persönlichkeiten gleich
arteilen, dafs insbesondere Cicero von beiden sehr hoch gestellt wird,
während manche rhetores Lat. entschiedene Feinde Ciceros sind. Auch
die Übereinstimmung im urteil über Zeitgenossen hebt er hervor. Da-
nach stellt er p. 30 sq. die Ansicht auf, dafs die Anordnung des Stoffes
in sat. YII von Quintilian beeinflufst sei, insofern dort poetae, historici'
oratores (causidici) behandelt werden in derselben Reihenfolge, wie Quin-
tilian X, I die Muster zur Nachahmung vorführt. Fünftens werden
p. 31 sq. im besonderen die Muster in der Satire behandelt, LucU, Horaz,
Persius, die von Quintilian X, 1, 93 sq. besprochen werden. Sat. I sei nach
Lucil angelegt (p. 31 — 35), und viele Verse Juvenals seien Nachahmungen
Lucilischer (p. 36). Dafs Horaz dem Juvenal bekannt und von ihm be-
nutzt sei , bewiesen zahlreiche Verse (p. 37 sq.) Benutzung von Persius,
Satiren bezweifelt E. (p. 38 sq.); Quintilians Lob (X, 1. 94) beruhe auf
persönlicher Bekanntschaft mit Persius, sei aber unverdient. Endlich
sucht K. zu zeigen, dafs Juvenals Satiren gewisse Vorzüge aufweisen, die
auf Befolgung von Vorschriften Quintilians zurückgingen (p. 39 sq.), be-
sonders Anschaulichkeit und mafsvoUe Anwendung von Sentenzen.
Nicht alles, was K. vorbringt, ist beweisend. Die aus der siebenten
Satire angehobenen Stellen, die urteile über Persönlichkeiten der Vorzeit
und der Gegenwart, das Studium des Lucil und Horaz: alles das kann
auf Quintilian zurückgehen, mufs es aber nicht. Die Abhängigkeit sodann
der Anordnung in Sat. VII von Quintilian ist überhaupt nicht glaublich.
Anderes kann Juvenal lediglich aus dem Studium der Inst. Or. haben, z. B.
seine Wertschätzung Ciceros und die Befolgung gewisser Lehren, wie sie
p. 39 sq. mehr angedeutet als ausgeführt ist. Für persönliche Schüler-
schaft Juvenals ist damit noch nichts gewonnen. Erst wenn ein oder
der andere Punkt in der Obereinstimmung beider sich findet, wo die
Abhängigkeit Juvenals nur aus persönlicher Einwirkung zu erklären ist,
dann tritt alles oben Angeführte unterstützend hinzu.
Nene Philologische Bandschau Nr. 19. 441
Tatsächlich scheint ans nun ein solcher Punkt vorhanden zu sein und
zwar in der p. 20 sqq. ausgeführten Abhängigkeit Juvenals von Quintilian
in bezug auf einige Besonderheiten rhetorischer Terminologie.
Wenn Juvenal VI, 449 das Wort enthymema gebraucht, welches
Quintilian Y, 10. 1 im bewufsten Gegensätze zu seinen Zeitgenossen aus-
drücklich der lat. Bezeichnung contrarium vorzieht, so tut er das doch
sicherlich nicht, weil er einmal die betreffende Stelle in der Inst. Or
gelesen hat, sondern weil ihm der Terminus durch die Gewohnheit der
Schule in Fleisch und Blut übergegangen ist. Wenn er ferner VI, 280
color im Sinne von excusatio setzt und dabei Quintilian anredet: „die,
die aliquem sodes hie, Quintiliane, colorem", so weist diese Apostrophe
auf ein zwischen dem Bhetor und dem Dichter bestehendes persönliches
Verhältnis hin. — Ganz dasselbe persönliche Verhältnis zu Quintilian
zeigt sich auch in der Parteinahme Juvenals gegen den Bhetor A. Cor-
nelius Celsus, die E. nicht erwähnt. Gegen dieses Bhetors ars polemisiert
Quintilian sehr oft, und auch wo er ihm zustimmt, geschieht es mit Kälte
und Zurückhaltung (TeuffeP, 280, 2). Juvenal nun teilt dem Celsus keine
erhebende Bolle zu, wenn er VI, 244 sq. ihm von prozefssüchtigen Weibern
Einleitung und Hauptpunkte der Gerichtsrede diktieren läfst.
Diese Einzelheiten aus den Satiren bekunden ein so persönliches
Interesse an Quintilians Besonderheiten, dafs es aus dem blofsen Studium
seines Werkes nicht zu erklären ist, sondern nur aus dem Verhältnis des
überzeugten Schülers zu seinem Lehrer, den er oft über diese Dinge hatte
reden hören, oder mit dem er selbst darüber disputiert hatte.
K. hat in seiner fleifsigen Arbeit, die sich auch gut liest, für die
Ansicht, dafs Juvenal nicht blofs im weiteren Sinne Quintilians Schüler
sei, zwar nicht den strikten Beweis führen können, wohl aber einen so
hohen Grad der Abhängigkeit Juvenals von seinem Lehrer erwiesen, dafs
man an der Tatsache nicht mehr zu zweifeln braucht, dafs Juvenal den
Bhetor selbst gehört hat.
Waren i. MecU. B. Polstorff.
235) W. H. D. Bouse, Greek votive offerings. An Essay in
the history of Greek religion. Cambridge, at the üniversity press
(London, J. C. Clay & Sons), 1902. XVI u. 463 S. 8. geb. 16 sh.
Ein willkommenes Buch! Der Gegenstand ist seit langem nicht
mehr im Zusammenhang behandelt worden, und nach der fast unüberseh-
4^ Nene Phildogiiche Bondadum Nr. 19.
baren Fälle neaen Materials, welche die Funde der letzten Jahrzehnte
gebracht haben, wobei immer nnd immer wieder einzelne Seiten dieses
Gegenstandes zur Behandlang und Erörterung kamen, mub man sich
billig wundem, dals nicht schon früher eine Zusammenfiissung des jetzt
erreichbaren Standes unserer Kenntnis Yon Art und Wesen des Weih-
geschenks versucht worden ist. Wohl hat es nicht an Versuchen der Be-
handlung einzelner Gruppen gefehlt, allein eine zusammenfiiasende Behand-
lung ist doch nachgerade ein unabweisliches Bedürfnis geworden und das
vorliegende Werk Bouses kommt diesem Werk in erwünschter Weise zu
Hilfe. Nach einer kurzai Bestimmung des Begriffii Weihgeschenk werden
die verschiedenen Änlfisse zu solchen in einer Beihe von Kapiteln be-
handelt, zuerst solche an die Toten, an die Heroen und die chthonisch^
Gottheiten, dann Zehnten und EraUinge, femer Krieg, Spiele und Wett-
kämpfe, Krankheit und Unglück, h&ualiches Leben, Ehrendenkmäler, Feste
und Zeremonieen, Sühnungen, Weihung besonderer Schätze und Kostbar-
keiten. Drei weitere Kapitel sind den Weiheformeln und der Art der
Übei^gabe der Geschenke gewidmet und ein ausfuhrliches Schluiskapitel
gibt eine übeisichtliche Zusammenstellung des Eigebnisses aus den Einzel-
untersuchungra. Eine sehr wertvolle Beigabe sind die nicht weniger als
70 Seiten umfassenden Indices, in denen eine Übersicht der Weihegaben
g^;eben ist, die in verschiedenen Heiligtümern in Athen, Eleusis, De-
lo8, in Amphiaraion, im Kabirion, in Phitää, Samos u. a. m. gefunden
wurden, sowie von solchen, die in der Anthologie b^egnen. Ein grie-
chischer und englischer Generalindex machon den Beschluß und erhöhen
wesentlich die Benutzbarkeit des Buches, das sich, so hoffen wir, bald
auch in DeutscUand den verdienten BeiMl erwerben wird.
Calw. P. UV«
S. Kemmer, Die polare Ansdracksweise in der grie-
chischen Idteratiir. Würaburg, A. Stuber, 1903. Vlli u.
263 S. 8. ^6. — .
Die vorli^nde Studie bildet das 15. Heft der „Beitrag zur histo-
rischen Syntax der griechischen Sprache, die Prof. IL v. Schanz in Wüiz-
buig heraniagibt, und ist vom Heraui^eber dieser Beiträge direkt angeregt.
Unter polarer Auadrucksweise versteht schon v. Schanz den bei griechischen
Schriftstellem besonders häufigen Gebrauch von Gegensativerbindungen, in
denen ein ein&cber allgemeiner B^riff sich gleichsam nach seinen beiden
Nene PhUologisehe Bondschaa Nr. 19. 443
Polen differenziert, also Fälle wie v^rag te nal ^fiaq für „ ununter-
brochen'^ Die Untersuchung erstreckt sich so ziemlich fiber die ganze
voraristotelische Literatur, zieht also ein sehr umfangreiches Material
gebundener und ungebundener Form in den Kreis der Betrachtung. Im
ersten, kleineren Teil der Arbeit werden die psychologischen Grundlagen
dieser sprachlichen Erscheinung untersucht, und im zweiten „speziellen Teil 'S
der nahezu 200 Seiten umfafst, wird das ganze hierher gehörige sprachliche
Material der griechischen Literatur vor Aristoteles mitgeteilt, und zwar
nicht nach den in der psychologischen Untersuchung gefundenen unter-
scheidenden Merkmalen der einzelnen Arten polarer Ausdrucksweise ge-
ordnet, sondern nach den grammatischen Eategorieen nominaler, adverbialer
und verbaler Begriffe, die die Form polarer Oegensatzverbindungen an-
genommen haben. Diese Verschiedenheit des Einteilungsgrundes im
theoretisch -psychologischen Teil und in der Ordnung der zahlreichen
Einzelfälle ist darin begründet, dafs es bei sehr vielen Einzelfällen un-
entschieden bleiben mufs, unter welche Rubrik sie ihrer psychischen Ent-
stehungsart nach gehören.
In der psychologischen Theorie geht K. mit Recht davon aus, dafs
es sich bei diesen Gegensatzverbindungen um eine Eigentümlichkeit des
menschlichen Sprechens und Denkens überhaupt handelt, weil die gleiche
sprachliche Erscheinung sich wohl in allen Sprachen findet, im Griechi-
schen nur besonders stark entwickelt ist. Da es sich bei der ganzen Frage
nur um Assoziation und Reproduktion handeln kann, so untersucht E.
zuerst die Bedeutung der Vorstellungsassoziationen für den Verlauf unseres
Denkens und dann den Einflufs der vielseitigen latenten Konstellationen
unserer Vorstellungen auf die Reproduktion. Hiemach findet er vier Ent-
stehungsarten der fraglichen Gegensatzverbindungen. Zunächst sind es die
Assoziationen begrifflicher Gegensatzvorstellungen, die von der Er-
fahrung uns entgegengebracht werden, und die zu den festesten Asso-
ziationen in unserem Vorstellungsvorrat gehören und deshalb sehr leicht
reproduziert werden {ovr üvdq' ovtb ywalyca, ovz äyad^tß ovre ycayUp,
aoqmg 'Kaa6q>oigy yXIvu ytdvayu Ttdhv etc.). In zweiter Reihe kann es
gich handeln um Assoziationen zwischen einzelnen Vorstellungen und ganzen
Gegensatzverbindungen. Der positive Nachweis für diese Art von Asso-
ziation ist in solchen Fällen nicht leicht. Aber hier tritt nicht selten die
Eigentümlichkeit ein, dafs die Gegensatzverbindung etwas Inkommensurables,
Fremdartiges mit sich bringt, das also für die Zwecke des Gedanken-
444 Nene Philologische Bandschan Nr. 19.
ansdruckes mindestens nicht erforderlich war. So im Prolog der Antigene
X60VO 2ry Vj ^qxxTtrovaa, wo die Vorstellang des Ändems, Besserns der
Sachlage sich mit der gewählten Gegensatzverbindung assoziiert. Femer
wird die Vorstellung der Oegensatzverbindung selbst mit den Vorstellungen
der Zwecke des Ausdrucks assoziiert, denen sie dienen soll. Hierher gehören
die Oegensatzverbindungen als Ausdrucksmittel für den Begriff der Vielheit
(ileö&EQOi xai öodloi, TtQeaß^eQOi aal vetireQOi, 0% x oWeg ol' % dnövreg
u. a.). Endlich ist es das bewufste rhetorische Streben nach parallelen
Konstruktionen, also ein rein formales Moment, das Beproduktion und
Produktion von Oegensatzverbindungen verursacht, dies natürlich besonders
im Eunststil der Bedner. Hier fiberwiegt nicht selten der formale Ge-
sichtspunkt das Bedürfnis des Gedankenausdrucks, und die Gegensatz-
verbindungen haben etwas Gesuchtes und Erzwungenes.
E. hat somit den Fachgenossen nicht nur die Ergebnisse jahrelangen
unverdrossenen Sammelfleifses vorgelegt, sondern auch seinen Gegenstand
im tiefsten Wesen erfafst und in sorgfältiger Erörterung aller Möglich-
keiten zum Verständnis gebracht. Leider fehlt dem Buch jedes Begister
über den Inhalt. Orientierung und Oberblick über das Ganze des Ge-
dankengangs sind somit unnötig erschwert. Dem Verzeichnis der Berich-
tigungen möchten wir noch hinzufügen, dafs es S. 32, Z. 10 v. u. nunmehr
heifsen mufs, statt nur mehr, und S. 33, Z. 6 v. 0. bezeichnete statt
verzeichnete. Der Ausdruck „aufnahmsfähige Form^' S. 37 ist schwer
verständlich, weil man nicht gleich wissen kann, ob eine Form gemeint
ist, die etwas aufzunehmen fähig ist, oder eine Form, die fähig ist auf-
genommen zu werden. Leicht liest sich der Stil des Verf. überhaupt
nicht. Bei der Erwähnung von schwarz und weifs (S. 24) mufste, zumal
für das Griechische, darauf hingewiesen werden, dafs es sich hier ur-
sprünglich nicht um konträre Farbenbegriffe handelt, sondern nur um
die Beziehungsbegriffe hell und dunkel.
Lörrach. J. Keller.
237) J. Willems, Le Sönat Bomain en Tan 65 aprös Jesus-
Christ. Publiß d'aprfes les notes de P. Willems (Extrait du
Mus6e Beige, tomes IV — VI). Louvain, Charles Peeters, 1902.
140 S. 8.
Aus dem, wie es scheint, ziemlich reichen literarischen Nachlafs von
P. Willems, dessen bekanntes Werk „Le Senat de la Röpublique Romaine"
Nene Philologische Rundschau Nr. 19. 445
vor 25 Jahren erschien, hat der Sohn des Verstorbenen der Öffentlichkeit
ein Bruchstack übergeben, das Produkt langjähriger geduldiger Arbeit, die
noch der Unterstützung der Prosopographia imp. Rom. entbehrte. Erst
nachträglich sind die beiden vorliegenden Verzeichnisse mit den Angaben
jenes Sammelwerkes verglichen und die daraus sich ergebenden mitunter
recht umfangreichen Zusätze und Berichtigungen in eckigen Klammern
beigefügt worden. Dabei gibt es bisweilen unnütze Wiederholungen; so
wird Petronius Arbiter bezeichnet als „L'auteur du Satyricon" (sie), und nach
der ann. 16,18 entlehnten Charakteristik des Mannes folgt die der Prosopogr.
entnommene Bemerkung: „11 öcrivit des satires et quelques poömes". —
Die erste Liste umfafst 182 Namen solcher Personen, von denen auf grund
inscbriftlicher und literarischer Dokumente feststeht oder doch sich be-
stimmt annehmen läfst, dafs sie 65 v. Chr. (dem Jahr der Pisonischen
Verschwörung!) dem Senate angehört haben. Durch Hinzufügung der
Buchstaben a und b ist die gröfsere oder geringere Sicherheit der Be-
rechnung angedeutet, die teilweise nur durch Feststellung der von der
betr. Persönlichkeit vor oder nach dem Jahre 65 bekleideten, den Senatoren-
rang voraussetzenden oder bedingenden Ämter zu ermöglichen ist. Wie
in der Prosopographie sind alle Nachrichten, die wir von den verschiedenen
Personen haben, unter deren Namen zusammengestellt. Von den 182 Namen
dieses Verzeichnisses kommen nicht weniger als 126 bei Tacitus vor,
ein Beweis dafür, wie diesem Autor der Senat als das Herz des Reiches,
sein Verhältnis zum Prinzeps als Brennpunkt des gesamten öffentlichen
Lebens und der Hauptstadt erschien. Eine zweite Liste bringt, von
wenigen kopflosen Inschriften abgesehen, 203 Namen einerseits aller Sena-
toren aus der Regierungszeit des Nero, Vespasian und Titus, über die
sonstige, bestimmte Angaben fehlen, anderseits die vor dem Jahre 65
irgendwo erwähnten höheren Beamten, von denen nicht bekannt, doch in
der Begel zu vermuten ist, dafs sie zur Zeit der Pisonischen Verschwörung
noch am Leben waren, z. B. Quästoren seit dem Jahre 30, Tribunen und
Ädilen seit 32 u. s. w.
Bei Feststellung von gleichnamigen Persönlichkeiten nimmt W. häufig
Veranlassung, den in der Prosopogr., bei Nipperdey-Andresen und sonstwo
niedergelegten Ansichten anderer Gelehrten zu widersprechen, beispiels-
weise in den Artikeln der ersten Liste N. 29 u. 31 L. Caesennius (Cae-
sonius) Paetus, 36 L. Calp. Piso, 52 Ser. Sulp. Scipio Salvidienus Orfitus,
82 Helvidius Priscus, 153 Suetonius Paulinus (beachtenswert).
436 Nene Philologische BundBchan Nr. 19.
Scbaoz freilich, igioO ergänze sich leicht aus dem Zusammenhange, aber
man mufs doch wohl Baiter Recht geben, wenn er ausdrücklich ein Sco-
%QdTovg einsetzt. Für die Möglichkeit einer Verwechslung der beiden
Namen bei der Abschrift lassen sich ja mancherlei Ursachen anführen:
ein Blick auf den in nächster Nähe folgenden Namen kann sie veranlafst
haben oder der Abschreiber hat eine vermeintlich falsche Lesart absicht-
lich und bewufst geändert oder der Name ist zuerst unabsichtlich aus-
gelassen und später aus Versehen oder Mifsverständnis falsch ergänzt
worden u. dgl. m. Durch die Einsetzung von JSoix^crrovg wird auch der
Ausdruck voller, und der ganze Satz gewinnt namentlich für den weniger
geschulten Leser eine gröfsere Verständlichkeit. Deshalb habe ich es für
richtig gehalten, in der von mir besorgteen vierten Auflage der Bertram-
schen Ausgabe (1898) Sfoyf^fdrovg drucken zu lassen, und diese Schreibung
auch in der demnächst erscheinenden fünften Auflage beibehalten. Ebenso
habe ich, um den Ausdruck als deutlicher und bestimmter ausgeprägt und
den dem Meletos gemachten Vorwurf als schärfer und unbedingter er-
scheinen zu lassen, im Anschlufs an die beiden Schanzischen Ausgaben
von 1893 hinter löycov statt des Fragezeichens einen Punkt gesetzt.
Aber darf man nun glauben, dafs damit der Schaden endgültig ge-
heilt und jeder Möglichkeit einer Anzweifelung für immer vorgebeugt sei?
Keineswegs; die Lesart ScoyiQdtovg hat ja auch keine weitere Aufnahme
gefunden, und in der Tat spricht auch etwas gegen sie. Es klingt doch
etwas wunderlich, wenn Sokrates sagt: Du meinst den Sokrates anzu-
klagen und rechnest dabei auf die Unwissenheit der Zuhörer; Meletos
meint das nicht, sondern klagt den Sokrates tatsächlich an. Aber es ist
nicht der geringste Orund vorhanden , an der Bichtigkeit des oui , zu
zweifeln, und die Schwäche der Überlieferung kann nur, wie vorhin be-
merkt ist, darin liegen, dafs nicht der richtige Gegensatz zu dem rä
l^va^ayÖQOv ßißXia xrA. vorhanden ist. Ist nun mit der Einsetzung des
persönlichen Gegensatzes Scjycqdtovg noch nicht die sichere Abhilfe gewonnen
und sind Wendungen, wie ^£ig äd-iov fiov oder Itid^eÖTT^TÖg fiov, paläo-
graphisch unwahrscheinlich, so mufs man sich nach einem Ausdruck um-
sehen, in welchem ein sachlicher Gegensatz enthalten ist, ein Gegensatz,
in dem der Unterschied zwischen dem wirklichen Zutreffen der Anklage
auf Anaxagoras und dem Meinen des Meletos, zwischen der Unwiderleg-
barkeit der gegen Anaxagoras zu richtenden Anklage und der Widerlegbar-
keit der gegen Sokrates gerichteten zur Geltung gelangt. Das xari]-
Nene Philologische RnndBohan Nr. 19. 437
yoQeiv niafs in dem verloren gegangenen Worte als ein sicher zum Ziele
fahrendes, ein auf guten Olauben rechnendes, ein unwiderlegbares charak-
terisiert gewesen sein. Ein dem eben dargelegten verwandter (Gedanken-
gang hat Yor Jahren K. J. Liebhold zu dem Vorschlage veranlaCst (Fleck-
eisens Jahrbb., 137. Jahrg. 1888, S. 756/7), an unserer Stelle UU' i^
ärcdqov TcaTrjyoQeig zu schreiben; das hinter ^Ava^aydQOv stehende oXu
soll als Duplikat des nachfolgenden in den Text geraten sein und das i|
äTtÖQov wird durch die Übertragung, welche Stallbaum ffir das $ indqün^ in
den Gesetzen II, p. 699 B gegeben hat („post desperatam plane rerum suarum
condicionero et fortunam'^), erklärt Aber gegen diesen Vorschlag spricht
in erster Beihe die Änderung des oXbl yunrjyoQeiv in yLarrffOQeig'y sodann
entfernen sich die Schriftzfige des l^li^ e^ äfcdqov von denen des '^vcr|a-
yÖQOVf dessen Entstehung in diesem Falle doch nur durch ein Verlesen
erklärt werden kann, allzusehr; endlich wird der (Gegensatz zwischen der
vermeintlichen Beichaffenheit der Anklage und ihrem wirklichen frivolen,
auf die Unwissenheit der Zuhörer rechnenden Charakter nicht deutlich
genug ausgedrückt. Alle Bedenken fallen dagegen fort, wenn man sich
^Ave^eXeyntiog oXei TutvqyoQeiv geschrieben denkt; damit ist ein Wort
eingesetzt, dessen Sinn („ unwiderlegbar '') die vorhin gestellten Anforde-
rungen erfüllt und bei dem das Fehlen eines Personenobjekts nichts Auf-
fälliges hat. In demselben Sinne ist dv€^iXeyx,Tog auch in Xenophons
Kynegetikos 13, 7 gebraucht und das Adverbium äye^eliyyLt(og kommt in
Xenophons Oikonomikos 10, 8 in der Verbindung äv^eUyrwg i^oTtaräv
mit dem Sinne eines „unentdeckbaren, unfehlbaren, unwiderlegbaren^'
Betrügens vor. Danach würde also unsere Stelle in deutscher Über-
tragung lauten: Eine unwiderlegbare Anklage meinst du zu erheben und
denkst so gering von diesen hier und hältst sie fQr so unbewandert in
der Literatur, dafs sie nicht wüfsten, dafs die Bücher des Klazomeniers
Anaxagoras von diesen Darlegungen voll sind, und natürlich lernen auch
die jungen Leute von mir diese Dinge usw.
233) E. S. Shuckbui^hi The Antigone of Sophodes with a
commentary, abridged from the large edition of B. C« Jebb.
Cambridge, University Press (London, J. Clay & Sons), 1902.
XL U. 252 S. 8. geb. 4 ßh.
Als ein Beweis von der Bedeutung der Sophoklesausgabe des eng-
lischen Gelehrten Jebb ist es zu betrachten, dafs Shuckburgh einen Auszug
438 Nene Philologische Rundschau Nr. 19.
der Antigoneansgabe von Jebb veranstaltet bat, um die Ergebnisse der
Forschung Jebbs weiteren Kreisen zugänglich zu machen. Die Ausgabe
von Sh. ist bestimmt „zum Oebrauch von höheren Klassen in Schulen
und für üniversitätsstudenten ''.
In der Vorrede erklärt Sh., dafs er nur in sehr wenig Fällen ein
oder zwei Worte oder eine Bemerkung hinzugefügt habe. Demgemäfs
besitzt das Buch keinen selbständigen wissenschaftlichen Wert und weist
weder Neues noch Verbesserungen gegenüber der Originalausgabe von
Jebb auf.
In England vermag das Buch den praktischen Zweck, in weiteren
Kreisen ein tieferes Verständnis des Sophokleischen Dramas an Hand der
kundigen Führung Jebbs zu ersehliefsen, recht wohl zu erfüllen infolge der
geschickten Auswahl des Verf. Er hat von der grofsen Ausgabe von Jebb
alles beibehalten, was allgemeineres Interesse beansprucht — z. B. sind
die trefflichen einleitenden Kapitel zum grOfseren Teil beibehalten —
dagegen alles ausgeschieden, was nur für die gelehrte Forschung Wert
hat, insbesondere alle Kontroversen und gelehrten Auseinandersetzungen;
in der Textgestaltung ist Sh. durchweg Jebb gefolgt. Die Umsicht des
Verf. in der Auswahl zeigt sich z. B. darin, dafs er zwar die fortlaufende
Übersetzung in der grofsen Ausgabe von Jebb weggelassen, aber sie
manchmal, wo sie zugleich der Erklärung dient, z. B. V. 1 — 6, V. 106 f.
in den Kommentar hineingeflochten hat.
Deutsche Oelehrte, die sich mit Sophoklesstudien befassen, müssen
natürlich auf die Originalausgabe von Jebb zurückgehen. Immerhin bietet
aber der von Sh. veranstaltete gute Auszug die Textrezension von Jebb
und das Wichtigste aus dessen trefflichem Kommentar, mithin einen passen-
den Ersatz da, wo von der grofsen Ausgabe von Jebb wegen des hohen
Anschaffungspreises Abstand genommen werden mufs.
München. VIT. BeiniU.
234) Alfredus Kappelmacher, Studia luvenaliana. (Disser-
tationes Philologae Vindobonenses. VII, 3). Vindobonae et Lip-
siae, sumptus fecit F. Deuticke, 1903. 41 S. 8. ^ 2.—.
Soviel neuerdings für Kritik und Erklärung Juvenals erreicht ist:
über das Leben des Satirikers läfst sich auch heute noch nicht viel Ge-
wisses sagen. Was seinen Bildungsgang betrifft, so bezeugt er selbst
Neue Philologische Bundsohaa Nr. 19. 439
I, 15 sqq. et dos ergo manum feralae sabduximus, et nos consilinm de-
dimus Sallae, privatus ut altum dormiret, d. h. auch er habe die Schule
des Grammatikers und des Rhetors durchgemacht, und die sogen. Bio-
graphie des Frobus berichtet : ad mediam fere aetatem declamavit. Zudem
verraten die Satiren selbst auf jeder Seite den Bhetorenschüler in ihrem
Pathos und der rhetorischen Darstelluigsweise. Daran also, dafs Juvenal
Bhetor war, zweifelt niemand; aber die Schule anlangend, zu der er ge-
hörte, sind widersprechende Ansichten geäufsert worden. Einerseits sagt
Marx, Incerti auctoris de ratione dicendi ad C. Herennium libri IV, 148:
clarissimum autem odii contra Graecos testimonium exstat in luvenalis
rheforis Latini saturis III, 58 sqq., und er rechnet somit Juvenal zu den
sogen. Latini rhetores, der antigriechischen, nationalrömischen Schule, aus
der die Bhetorik an Herennius hervorgegangen war. Dagegen meint
Friedländer in seiner Ausgabe p. 16, Juvenal sei ein Schäler Quintilians
gewesen, der zu den Griechen und der griechischen Literatur eine grund-
sätzlich freundliche Stellung hatte. Diesen Widerstreit zu entscheiden
unternimmt Eappelmacher in der oben genannten Schrift.
Im I. Eap. weist er nach, dafs der für die Latini rhetores charakte-
ristische Hafs gegen alles Griechische bei Juvenal nicht vorhanden ist
(p. 8 sqq.) , dafs er vielmehr die griechischen Schriftsteller vielfach mit
Anerkennung nennt (p. 11 sq.) und auch im Gebrauche griechischer
Lehnwörter weit über das von der Not gebotene Mafs hinausgeht
(p. 12 sqq.). Endlich p. 15 weist er noch darauf hin, dafs Juvenal auch
politisch anders steht als die Latini rhetores, insofern er die Gracchen
tadelt (II, 24), während sie von dem auctor ad Her. lY, 55, 68 gepriesen
werden.
Im IL Kap. (p. 16 sq.), zeigt E. dann, dafs diese Haltung Juvenals
gegenüber den Griechen genau der Quintilians entspricht, der gegen die
Einseitigkeit der Latini rhetores polemisiert.
Das Besultat der beiden ersten Abschnitte ist, dafs Juvenal ebenso-
wenig wie Quintilian ein rhetor Latinus genannt werden kann.
Es bleibt nun die Frage übrig, ob Juvenal ein Schüler Quintilians
im engeren Sinne zu nennen ist, wie Friedländer behauptet. Da ihm die
von diesem geltend gemachten Gründe chronologischer Art nicht zu ge-
nügen scheinen, so sucht E. aus den Satiren selbst zu erweisen, dafs
wenigstens mit Wahrscheinlichkeit Juvenal als Zuhörer Quintilians zu
denken ist. In sechs Abschnitten legt er eine weitgehende Überein-
440 Nene Philologische Bondschaa Nr. 19.
Stimmung beider dar. Zunächst stellt er (p. 20 sqq.) eine Reihe von
rhetorischen Termini bei Juvenal fest, die, von Quintilian oft gebraucht,
bei anderen Bhetoren zum Teil gar nicht vorkommen. Dieser Abschnitt
scheint uns der wichtigste zu sein. Ferner macht er (p. 25 sq.) auf die
Stellen in der siebenten Satire aufmerksam, die sich auf grammatische
und rhetorische Schulen und Lehrer beziehen, und stellt ihnen solche aus
Quintilians Inst orat. gegenüber, die dieselben Punkte berühren. Drittens
zeigt er (p. 26 sqq.), dafs beide über dieselben Persönlichkeiten gleich
arteilen, dafs insbesondere Cicero von beiden sehr hoch gestellt wird,
während manche rhetores Lat. entschiedene Feinde Giceros sind. Auch
die Übereinstimmung im Urteil über Zeitgenossen hebt er hervor. Da-
nach stellt er p. 30 sq. die Ansicht auf, dafs die Anordnung des Stoffes
in sat. Vn von Quintilian beeinflufst sei, insofern dort poetae, historici'
oratores (causidici) behandelt werden in derselben Beihenfolge, wie Quin-
tilian X, I die Muster zur Nachahmung vorführt. Fünftens werden
p. 31 sq. im besonderen die Muster in der Satire behandelt, Lucil, Horaz,
Persius, die von Quintilian X, 1, 93 sq. besprochen werden. Sat. I sei nach
Lucil angelegt (p. 31 — 35), und viele Verse Juvenals seien Nachahmungen
Lucilischer (p. 36). Dafs Horaz dem Juvenal bekannt und von ihm be-
nutzt sei , bewiesen zahlreiche Verse (p. 37 sq.) Benutzung von Persius,
Satiren bezweifelt E. (p. 38 sq.); Quintilians Lob (X, 1. 94) beruhe auf
persönlicher Bekanntschaft mit Persius, sei aber unverdient. Endlich
sucht E. zu zeigen, dafs Juvenals Satiren gewisse Vorzüge aufweisen, die
auf Befolgung von Vorschriften Quintilians zurückgingen (p. 39 sq.), be-
sonders Anschaulichkeit und mafsvolle Anwendung von Sentenzen.
Nicht alles, was E. vorbringt, ist beweisend. Die aus der siebenten
Satire ausgehobenen Stellen, die Urteile über Persönlichkeiten der Vorzeit
und der Gegenwart, das Studium des Lucil und Horaz: alles das kann
auf Quintilian zurückgehen, mufs es aber nicht. Die Abhängigkeit sodann
der Anordnung in Sat. VII von Quintilian ist überhaupt nicht glaublich.
Anderes kann Juvenal lediglich aus dem Studium der Inst. Or. haben, z. B.
seine Wertschätzung Giceros und die Befolgung gewisser Lehren, wie sie
p. 39 sq. mehr angedeutet als ausgeführt ist. Für persönliche Schüler-
schafb Juvenals ist damit noch nichts gewonnen. Erst wenn ein oder
der andere Punkt in der Übereinstimmung beider sich findet, wo die
Abhängigkeit Juvenals nur aus persönlicher Einwirkung zu erklären ist,
dann tritt alles oben Angeführte unterstützend hinzu.
Nene Philologische Bandschau Nr. 19. 441
Tatsächlich scheint ans nun ein solcher Punkt vorhanden zu sein und
zwar in der p. 20 sqq. ausgeführten Abhängigkeit Juvenals von Quintilian
in bezug auf einige Besonderheiten rhetorischer Terminologie.
Wenn Juvenal YI, 449 das Wort enthymema gebraucht, welches
Quintilian Y, 10. 1 im bewufsten Gegensatze zu seinen Zeitgenossen aus-
drücklich der lat. Bezeichnung contrarium vorzieht, so tut er das doch
sicherlich nicht, weil er einmal die betreffende Stelle in der Inst. Or
gelesen hat, sondern weil ihm der Terminus durch die Gewohnheit der
Schule in Fleisch und Blut übergegangen ist. Wenn er ferner YI, 280
color im Sinne von excusatio setzt und dabei Quintilian anredet: „die,
die aliquem sodes hie, Quintiliane, colorem'S so weist diese Apostrophe
auf ein zwischen dem Bhetor und dem Dichter bestehendes persönliches
Yerhältnis hin. — Ganz dasselbe persönliche Yerhältnis zu Quintilian
zeigt sich auch in der Parteinahme Juvenals gegen den Bhetor A. Cor-
nelius Gelsus, die E. nicht erwähnt. Gegen dieses Rhetors ars polemisiert
Quintilian sehr oft, und auch wo er ihm zustimmt, geschieht es mit Kälte
und Zurückhaltung (TeuffeP, 280, 2). Juvenal nun teilt dem Gelsus keine
erhebende Bolle zu, wenn er YI, 244 sq. ihm von prozefssüchtigen Weibern
Einleitung und Hauptpunkte der Gerichtsrede diktieren läfst.
Diese Einzelheiten aus den Satiren bekunden ein so persönliches
Interesse an Quintilians Besonderheiten, dafs es aus dem blofsen Studium
seines Werkes nicht zu erklären ist, sondern nur aus dem Yerhältnis des
überzeugten Schülers zu seinem Lehrer, den er oft über diese Dinge hatte
reden hören, oder mit dem er selbst darüber disputiert hatte.
E. hat in seiner fleifsigen Arbeit, die sich auch gut liest, für die
Ansicht, dafs Juvenal nicht blofs im weiteren Sinne Quintilians Schüler
sei, zwar nicht den strikten Beweis führen können, wohl aber einen so
hohen Grad der Abhängigkeit Juvenals von seinem Lehrer erwiesen, dals
man an der Tatsache nicht mehr zu zweifeln braucht, dafs Juvenal den
Bhetor selbst gehört hat.
Waren i. Meckl. H. Polstorff.
235) W. H. D. Bouse, Greek votive offerings. An Essay in
the history of Greek religion. Cambridge, at the University press
(London, J. C. Clay & Sons), 1902. XYI u. 463 S. 8. geb. 16 sh.
Ein willkommenes Buch! Der Gegenstand ist seit langem nicht
mehr im Zusammenhang behandelt worden, und nach der fast unüberseh-
442 Nene Philologische Bnndsohaa Nr. 19.
baren Fülle neuen Materials, welche die Funde der letzten Jahrzehnte
gebracht haben, wobei immer und immer wieder einzelne Seiten dieses
Gegenstandes zur Behandlung und Erörterung kamen, mufs man sieb
billig wundem, dafs nicht schon früher eine Zusammenfassung des jetzt
erreichbaren Standes unserer Kenntnis von Art und Wesen des Weih-
geschenks versucht worden ist. Wohl hat es nicht an Versuchen der Be-
handlung einzelner Gruppen gefehlt, allein eine zusammenfassende Behand-
lung ist doch nachgerade ein unabweisliches Bedürfnis geworden und das
vorliegende Werk Bouses kommt diesem Werk in erwünschter Weise zu
Hilfe. Nach einer kurzen Bestimmung des Begriffs Weihgeschenk werden
die verschiedenen Anlässe zu solchen in einer Beihe von Kapiteln be-
handelt, zuerst solche an die Toten, an die Heroen und die chthonischen
Gottheiten, dann Zehnten und Erstlinge, ferner Krieg, Spiele und Wett-
kämpfe, Krankheit und Unglück, häusliches Leben, Ehrendenkmäler, Feste
und Zeremonieen, Sühnungen, Weihung besonderer Schätze und Kostbar-
keiten. Drei weitere Kapitel sind den Weiheformeln und der Art der
tTbergabe der Geschenke gewidmet und ein ausführliches Schlufskapitel
gibt eine übersichtliche Zusammenstellung des Ergebnisses aus den Einzel-
untersuchungen. Eine sehr wertvolle Beigabe sind die nicht weniger als
70 Seiten umfassenden Indices, in denen eine Übersicht der Weihegaben
gegeben ist, die in verschiedenen Heiligtümern in Athen, Eleusis, De-
los, in Amphiaraion, im Kabirion, in Platää, Samos u. a. m. gefunden
wurden, sowie von solchen, die in der Anthologie begegnen. Ein grie-
chischer und englischer Generalindex machen den Beschlufs und erhöhen
wesentlich die Benutzbarkeit des Buches, das sich, so hoffen wir, bald
auch in Deutschland den verdienten Beifall erwerben wird.
Calw. P. Weissäoker.
236) E. Kemmer, Die polare Ausdraeksweise in der grie-
chischen Literatur. Würzburg, A. Stuber, 1903. VIII u.
263 S. 8. Ji 6. -.
Die vorliegende Studie bildet das 15. Heft der „Beiträge zur histo-
rischen Syntax der griechischen Sprache, die Prof. M. v. Schanz in Würz-
burg herausgibt, und ist vom Herausgeber dieser Beiträge direkt angeregt.
Unter polarer Ausdrucksweise versteht schon v. Schanz den bei griechischen
Schriftstellern besonders häufigen Gebrauch von Gegensatzverbindungen, in
denen ein einfacher allgemeiner Begriff sich gleichsam nach seinen beiden
Nene Philologische Bundschan Nr. 19. 448
Polen differenziert, also Fälle wie v^rag te xat ^fiaq für „ ununter-
brochen *\ Die Untersuchung erstreckt sich so ziemlich fiber die ganze
Yoraristotelische Literatur, zieht also ein sehr umfangreiches Material
gebundener und ungebundener Form in den Kreis der Betrachtung. Im
ersten, kleineren Teil der Arbeit werden die psychologischen Grundlagen
dieser sprachlichen Erscheinung untersucht, und im zweiten „speziellen Teil",
der nahezu 200 Seiten umfafst, wird das ganze hierher gehörige sprachliche
Material der griechischen Literatur vor Aristoteles mitgeteilt, und zwar
nicht nach den in der psychologischen Untersuchung gefundenen unter-
scheidenden Merkmalen der einzelnen Arten polarer Ausdrucksweise ge-
ordnet, sondern nach den grammatischen Eategorieen nominaler, adverbialer
und verbaler Begriffe, die die Form polarer Gegensatzverbindungen an-
genommen haben. Diese Yerschiedenheit des Einteilungsgrundes im
theoretisch -psychologischen Teil und in der Ordnung der zahlreichen
EinzelflLlle ist darin begründet, dafs es bei sehr vielen Einzelfällen un-
entschieden bleiben mufs, unter welche Rubrik sie ihrer psychischen Ent-
stehungsart nach gehören.
In der psychologischen Theorie geht K. mit Becht davon aus, dafs
es sich bei diesen Gegensatzverbindungen um eine Eigentümlichkeit des
menschlichen Sprechens und Denkens überhaupt handelt, weil die gleiche
sprachliche Erscheinung sich wohl in allen Sprachen findet, im Griechi-
schen nur besonders stark entwickelt ist. Da es sich bei der ganzen Frage
nur um Assoziation und Beproduktion handeln kann, so untersucht E.
zuerst die Bedeutung der Vorstellungsassoziationen für den Verlauf unseres
Denkens und dann den Einflufs der vielseitigen latenten Konstellationen
unserer Vorstellungen auf die Beproduktion. Hiemach findet er vier Ent-
stehungsarten der fraglichen Gegensatzverbindungen. Zunächst sind es die
Assoziationen begrifflicher Gegensatzvorstellungen, die von der Er-
fahrung uns entgegengebracht werden, und die zu den festesten Asso-
ziationen in unserem Vorstellungsvorrat gehören und deshalb sehr leicht
reproduziert werden (oiV* üvöq^ ovre ywdi^ay cnrc äyad^tp ovre xax^),
aoq>oig •Käa6q>oigy yiXivei YdvdyBi nihv etc.). In zweiter Beihe kann es
sich handeln am Assoziationen zwischen einzelnen Vorstellungen und ganzen
Gegensatzverbindungen. Der positive Nachweis für diese Art von Asso-
ziation ist in solchen Fällen nicht leicht. Aber hier tritt nicht selten die
Eigentümlichkeit ein, dafs die Gegensatzverbindung etwas Inkommensurables,
Fremdartiges mit sich bringt, das also für die Zwecke des Gedanken-
444 Neue Philologische RundBchau Nr. 19.
ansdruckes mindestens nicht erforderlich war. So im Prolog der Antigene
liova Sv Vj ^qxxTtrovaay wo die Vorstellung des Änderns, Besserns der
Sachlage sich mit der gewählten Gegensatzverbindung assoziiert. Femer
wird die Vorstellung der Gegensatzverbindung selbst mit den Vorstellungen
der Zwecke des Ausdrucks assoziiert, denen sie dienen soll. Hierher gehören
die Gegensatzverbindungen als Ausdrucksmittel für den Begriff der Vielheit
{ileöd-eQOi ycat dof^loiy TtqeaßikeQOL xai vedrceqoiy o% % ovreg o% % aTcdvreg
u. a.). Endlich ist es das bewufste rhetorische Streben nach parallelen
Konstruktionen, also ein rein formales Moment, das Beproduktion und
Produktion von Gegensatzverbindungen verursacht, dies natürlich besonders
im Eunststil der Bedner. Hier fiberwiegt nicht selten der formale Ge-
sichtspunkt das Bedürfnis des Gedankenausdrucks, und die Gegensatz-
verbindungen haben etwas Gesuchtes und Erzwungenes.
E. hat somit den Fachgenossen nicht nur die Ergebnisse jahrelangen
unverdrossenen Sammelfleifses vorgelegt, sondern auch seinen Gegenstand
im tiefsten Wesen erfafst und in sorgfältiger Erörterung aller Möglich-
keiten zum Verständnis gebracht. Leider fehlt dem Buch jedes Register
über den Inhalt. Orientierung und Überblick über das Ganze des Ge-
dankengangs sind somit unnötig erschwert. Dem Verzeichnis der Berich-
tigungen möchten wir noch hinzufügen, dafs es S. 32, Z. 10 v. u. nunmehr
heifsen mufs, statt nur mehr, und S. 33, Z. 6 v. o. bezeichnete statt
verzeichnete. Der Ausdruck „aufnahmsfähige Form" S. 37 ist schwer
verständlich, weil man nicht gleich wissen kann, ob eine Form gemeint
ist, die etwas aufzunehmen fähig ist, oder eine Form, die fähig ist auf-
genommen zu werden. Leicht liest sich der Stil des Verf. überhaupt
nicht. Bei der Erwähnung von schwarz und weifs (S. 24) mufste, zumal
für das Griechische, darauf hingewiesen werden, dafs es sich hier ur-
sprünglich nicht um konträre Farbenbegriffe handelt, sondern nur um
die Beziehungsbegriffe hell und dunkel.
Lörrach. J- Keller.
237) J. WillemSi Le Sönat Romain en Tan 65 aprös Jösus-
Christ. Publiö d'aprfes les notes de P. Willems (Extrait du
Mus6e Beige, tomes IV — VI). Louvain, Charles Peeters, 1902.
140 S. 8.
Aus dem, wie es scheint, ziemlich reichen literarischen Nachlafs von
P. Willems, dessen bekanntes Werk „Le Senat de la Böpublique Bomaine"
\
Nene Philologische Rnndschan Nr. 19. 446
vor 25 Jahren erschien, hat der Sohn des Verstorbenen der Öffentlichkeit
ein Bruchstück fibergeben, das Produkt langjähriger geduldiger Arbeit, die
noch der Unterstfitzung der Frosopographia imp. Born, entbehrte. Erst
nachträglich sind die beiden vorliegenden Verzeichnisse mit den Angaben
jenes Sammelwerkes verglichen und die daraus sich ergebenden mitunter
recht umfangreichen Zusätze und Berichtigungen in eckigen Klammern
beigefBgt worden. Dabei gibt es bisweilen unnütze Wiederholungen; so
wird Petronius Arbiter bezeichnet als „L'auteur du Satyricon" (sie), und nach
der ann. 16,18 entlehnten Charakteristik des Mannes folgt die der Frosopogr.
entnommene Bemerkung: „II 6crivit des satires et quelques poämes'S —
Die erste Liste umfafst 182 Namen solcher Fersonen, von denen auf grund
inschriftlicher und literarischer Dokumente feststeht oder doch sich be-
stimmt annehmen läfst, dafs sie 65 v. Chr. (dem Jahr der Fisonischen
Verschwörung!) dem Senate angehört haben. Durch Hinzufugung der
Buchstaben a und b ist die gröfsere oder geringere Sicherheit der Be-
rechnung angedeutet, die teilweise nur durch Feststellung der von der
betr. Fersönlichkeit vor oder nach dem Jahre 65 bekleideten, den Senatoren-
rang voraussetzenden oder bedingenden Ämter zu ermöglichen ist. Wie
in der Frosopographie sind alle Nachrichten, die wir von den verschiedenen
Fersonen haben, unter deren Namen zusammengestellt. Von den 182 Namen
dieses Verzeichnisses kommen nicht weniger als 126 bei Tacitus vor,
ein Beweis dafür, wie diesem Autor der Senat als das Herz des Reiches,
sein Verhältnis zum Frinzeps als Brennpunkt des gesamten öffentlichen
Lebens und der Hauptstadt erschien. Eine zweite Liste bringt, von
wenigen kopflosen Inschriften abgesehen, 203 Namen einerseits aller Sena-
toren aus der Begierungszeit des Nero, Vespasian und Titus, über die
sonstige, bestimmte Angaben fehlen, anderseits die vor dem Jahre 65
irgendwo erwähnten höheren Beamten, von denen nicht bekannt, doch in
der Begel zu vermuten ist, dafs sie zur Zeit der Fisonischen Verschwörung
noch am Leben waren, z. B. Quästoren seit dem Jahre 30, Tribunen und
Ädilen seit 32 u. s. w.
Bei Feststellung von gleichnamigen Fersönlichkeiten nimmt W. häufig
Veranlassung, den in der Frosopogr., bei Nipperdey-Andresen und sonstwo
niedergelegten Ansichten anderer Gelehrten zu widersprechen, beispiels-
weise in den Artikeln der ersten Liste N. 29 u. 31 L. Gaesennius (Gae-
sonius) Faetus, 36 L. Calp. Fiso, 52 Ser. Sulp. Scipio Salvidienus Orfitus,
82 Helvidius Friscus, 153 Suetonius Faulinus (beachtenswert).
446 Neae Philologische Bnndscban Nr. 19.
Die beiden Listen ermöglichen uns fibrigens, worauf der Herausgeber
in seinen „ Cionclnsions'' hinweist, einen interessanten Einblick in den
Ursprung der im Jahre 65 dem Senate angehörenden Familien, sie geben
uns mancherlei Aufschlufs über die damalige Bedeutung dieser Körper-
schaft; namentlich tritt uns das allmähliche, aber unaufhaltsame Aussterben
der altrömischen Aristokratie greifbar vors Auge, wenn wir den Bestand
der patrizischen Familien wie der plebejischen Nobilität zu Neros Zeit
mit demjenigen früherer Epochen vergleichen. Nun hat P. Bibbeck in
einer Dissertation (1899) den Bestand des Senates an den verhängnisvollen
Iden des Jahres 44 v. Chr. zu registrieren gesucht. Damals waren, soweit
wir sehen, 11 patrizische Gentes durch 29 Individuen im Bäte vertreten.
Ungefähr ein Jahrhundert später (65 n. Chr.) gehören ihm, adoptierte nicht
gerechnet, nur noch 9—13 altadelige Personen an. Nachkommen von
fünf patrizischen Gentes: gens Cornelia, Sulpicia, Yaleria, Fabia, Furia. Die
beiden letzten Namen werden wenigstens noch von je einem Mitglied
hoher Priesterkollegien geführt. Nicht viel besser steht es um die plebe-
jische Nobilität, auch die aus dem letzten Jahrhundert der Bepublik; von
ihr gehören im Jahre 65 etwa 35 Personen, aus 27 verschiedenen Familien,
zum Senat. Mit erdrückender Wucht ragt dieser kleinen Gruppe gegen-
über die Masse der „Parvenüs'^ auf; ein Teil aus dem Bitterstande,
manche den Provinzen, vornehmlich Gallien und Spanien, entstammt, nicht
selten Leute von anrüchiger Vergangenheit, unsauberem Erwerb, Söhne
von Freigelassenen, ehemalige Centurionen u. a. m., durch kaiserliche Gunst
zu Beichtum und Glanz gehoben, einige selbst den Thron zu besteigen
bestimmt.
Keiner Epoche der römischen Kaiserzeit sind so eingehende Dar-
stellungen zuteil geworden, wie dem Ende der Begierungszeit Neros, dem Fall
des julisch-klaudischen Hauses. Nächst der Pisonischen Verschwörung und
ihren blutigen Folgen brachten die Kämpfe des Vierkaiserjahres überaus
zahlreiche Persönlichkeiten auf die Bühne, deren Porträts uns vielfach
in untilgbaren Farben überliefert sind: starke, unter dem Druck des Des-
potismus entartete Talente, viele hochbegabte Bedner, die ihre Eloquenz
zu anderer Verderben gebrauchten, stoische Philosophen der Opposition,
Dichter jeden Genres, Geschichtschreiber, endlich eine beträchtliche An-
zahl verdienter Offiziere, politisch unzuverlässig, stets zu Abenteuern, zu
Abfall und Verrat geneigt. Freilich, gefahrlos war weder Verschwörung
noch Opposition, auch dafür liefert unsere Übersicht den Beweis: nicht
';
Nene Philologische Bundfichan Nr. 19. 447
weniger als 60 von den paar hundert Männern senatorischen Banges fanden
im Jahre 65 oder kurz nachher ein gewaltsames Ende, sei es durch
Henkershand, sei es durch Selbstmord „auf Befehl'*!
Am Schlufs gibt W. eine Übersicht der Senatoren nach den ver-
schiedenen Bangstufen, wobei in zweifelhaften Fällen die för die Ämter-
laufbahn im kaiserlichen Bom herkömmlichen Intervalle in Ansatz kommen.
Das Verzeichnis der vom Herausgeber selbst bemerkten Druckversehen ist
leider unvollständig; es fehlt auch nicht an unrichtigen Zitaten und sonstigen
Verstöfsen. Zu verbessern ist in der ersten Liste: N. 3 Accademia,
N. 10 Paetus, 15 PoUitta, 22 Palingenesia, 24 zweimal Tettius, ebd. Pro-
sopographie und A. 1255 (st. 1525), 33 Pamphylie, 34 Orestilla, ebd.
assiste 54 ann. XI (st. XVI) 6; 59 Prenzlau, 97 ann. XVI (st. XV) 7.
8. 9; 104 Paulinus, 157 dell' istituto.
Frankfurt a. M. Eduard Wolff.
238) Albert Müller, Jugendfürsorge in der römischen Kaiser-
zeit Hannover u. Berlin, Carl Meyer (Qustav Prior), 1903.
28 S. 8. Ji -. 75.
Unter gewissenhafter Benutzung der Quellen, in erster Linie des in-
schriftlichen Materials, handelt Verf. im Eahmen eines Vortrags über die
von den Kaisern Nero und Trajan begründete Einderalimentation , ins-
besondere über Einrichtung und Verwaltung dieser humanen Stiftung.
Von der frumentatio der Stadt Bom ausgehend, berichtet er im ein-
zelnen über Zahl und Alter der Benefiziaten, über den Betrag der Unter-
stützungen, die Form des Beleihungsgeschäfts, die Taxen der verpfändeten
Grundstücke, den Zinsfufs sowie über die verschiedenen Instanzen der Ver-
waltung, bei der die Anstellung eines Beamtenheeres sorgfältig vermieden
wurde. Im Anscblufs an die kaiserliche Alimentation, welcher der seit
Ende des 2. Jahrh. hereinbrechende Staatsbankerott den Untergang be-
reitete, bespricht Verf. sodann eine gröfsere Anzahl privater Alimentations-
stiftungen, wie solche in Bom und in den Provinzen sich fanden, und fafst
schliefslich sein Urteil dahin zusammen, dafs der Zweck der Alimentation
(Vermehrung der Bevölkerung und Hebung der Wehrkraft Italiens) weder
durch die kaiserlichen noch durch die privaten Bestrebungen erreicht
worden sei.
Angesichts des regen Interesses, welches in unseren Tagen wirtschaft-
lichen Fragen von selten der Gebildeten entgegengebracht wird, ist es
448 Neue Philologische RnndBohaii Nr. 19.
zweifelsohne eine dankbare Aufgabe, eine derartige humanitäre Einrich-
tung der römischen Kaiserzeit, die mit gegenwärtigen Veranstaltungen
einigermafsen in Parallele gestellt werden kann, zu behandeln. Diese
Aufgabe hat Verf. in durchaus ansprechender Weise gelöst, sodafs sein
Schriftchen allen Freunden der Altertumswissenschaft bestens empfohlen
werden kann.
Wernigerode a. H. Max Hodermann.
239) Adolphe Zünd-Burgaet| Möthode pratiqae, physiologiqae
et comparöe de Fronondation fran9aise. Marburg,
N. G. EUwerts Verlag (Genöve, H. Kündig), 1902. 76 S. 8.
(lUustrations 18 pl.) Ji 2.40.
Das Büchlein besteht aus fünf Vorträgen oder Le9ons und einer
kurzen Vorrede.
Aus der Vorrede erfahren wir, dafs der Verf. bei seinen Ausführungen
die vergleichende Methode anzuwenden gedenkt : an der Hand einer gründ-
lichen Kenntnis der Lautwerte der Muttersprache des Schülers will er
mit vollem Becht die artikulatorischen Unterschiede des französischen
Lautsystems von denen der fremden Sprachen feststellen und hierdurch
den Lernenden leichter zu einer lautreinen Aussprache des Französischen
führen. Leider hält er im Laufe seiner Arbeit nicht alles, was er hier
verspricht In der englischen Phonetik ist der Verf. sicher zu Hause;
seinen die einzelnen Abstände zwischen französischen und englischen Lauten
betreffenden Auseinandersetzungen kann ein gewisser Wert nicht ab-
gesprochen werden. Dagegen sind, abgesehen von einigen Winken und
allgemein bekannten Mitteln, die er zur Bekämpfung mancher bei Deut-
schen häufiger vorkommenden Aussprachefehler vorbringt, seine Hinweise
auf deutsche und slavische Lautsysteme allzu elementar, oft sogar nichts-
sagend, nutz- und wertlos '). Hier tritt die geringe Kenntnis des Verf.
auf dem Gebiete der deutschen und slavischen Phonetik an den Tag.
Sonst sind die in den Text eingestreuten Wiedergaben des künstlichen
Gaumens, welche die Abstände zwischen einzelnen französischen und eng-
lischen Artikulatiousstellen genau darstellen, nicht zu unterschätzen.
1) Es ist eine ständige, auf jeder Seite wiederkehrende Phrase: „Les etrangers
en g^n^ral et cenx de langues germaniqnes et slaves en particulier prononcent soavent
mal tel et tel son . . ."
"i
Nene Philologische BnndBchaii Nr. 19. 449
Vor allem ist hervorzuheben, dafs der Verf. nur die einfachsten
ArtiknlatioDsweisen und Artikulationsstellen in den Bereich seiner Arbeit
zieht, dagegen die Quantität, Betonung, Intonation und alle sonstigen,
feineren Nuancen der Sprache aufser acht läfst
Das Transkriptionssystem ist das der Revue des Paiais galUhromans,
welches bekanntlich Mängel aufweist und dem das System des MaUre
phonetigue jedenfalls vorzuziehen ist. Hierbei ist der Umstand als ein
Fehler der Methode zu betrachten, dafs der Verf. von allem Anfang an
phonetische Ausdrücke gebraucht, die der Anfänger, für den das Buch ja
bestimmt ist, nicht verstehen kann. Notgedrungen mufs der Lernende in
anderen Büchern Belehrung suchen.
In den Lektionen bringt der Verf. ziemlich getreu Ergebnisse der
Forschungen seines hochverdienten Lehrers, des Abb^ ßousselot, vor, dem
man nicht in allem zustimmen kann. Die Annahme von mittlerem a, o,
u, e, ö, i, ü, von gemischtem ö {joli, solide) ist beim Unterrichte in
deutschen Landen zumeist wertlos, ja sogar irreführend: der Deutsche,
welcher den an sich kaum vernehmbaren Unterschied zwischen geschlosse-
nem (resp. offenem) und mittlerem Vokal hervorzubringen versucht, ver-
fällt zumeist in einen groben Fehler, indem er statt des französischen
Lautes seinen eigenen, ganz offenen oder geschlossenen Vokal ausspricht.
Ebenso verfehlt ist es in Anbetracht der vikarierenden Tätigkeit der
einzelnen Teile des Sprachorgans, eine Artikulation auf dem ganz un-
wesentlichen Eieferwinkel basieren zu wollen ^). Ich selbst bin imstande,
mit dem Eieferabstandedes e alle französischen Laute rein hervorzubringen.
Dafs dieser Einwand berechtigt ist, beweist der Umstand, dafs in dem
Buche des Verf. einzelne unbetonte Vokale, die nach einem von ihm
aufgestellten Prinzipe mittel sein sollten, bald als offen, bald als ge-
schlossen auftauchen: so ist das erste eu in heureux mittel, in heurter,
pUurer offen, usw. *).
Was die einzelnen Lektionen anbelangt, so erfahren wir Folgendes:
In der ersten Lektion lernen wir das geschlossene, das offene und
das mittlere a, das o., g., m. und gemischte {mixie) o, das g. und m. u,
die nasalierten Vokale ä und o, die den Vokalen am nächsten stehenden
1) Was soll der Schfiler z. 6. mit der für das a moyen vorgebrachten Belehrung:
„la bonche est modärement onverte" anfangen?
2) Gregen die Ansf&hrnngen Bonsselots in seinen Prtmonciaiums parisiennes, wo
mit vollem Recht die Einflüsse der sogen, harmonie voccUique hervorgehoben werden.
450 Neue Philologisohe Bundschan Nr. 19.
Eonsonaoten m, n, l, l mouiUe und r kennen. — In diesem Abschnitt
hebt der Verf. mit vollem Becht das affektierte velare a der Pariser,
welches heutzutage stark an o streift, dann die Länge des anlautenden
n, m und l, hervor. Dagegen falsch und sogar irreführend sind seine
Behauptungen, bei velarem a werde die Mundöffnung etwas gerundet und
bei dem stark palatalisierten o mixte in joli, pcii, solide, soleü führe die
Zunge, dem velaren o-Laute gegenüber, eine gewisse Bewegung „nach
rückwärts" aus ^). — Schier unbegreiflich ist es aber, dafs ein sonst
feiner Beobachter wie Z.-B. in seiner Sucht nach Verallgemeinerung so
weit geht, zu behaupten, die tonlosen o-Laute in chevamher und sUüse
seien als mittlere Lautgattungen gleichwertig').
In der zweiten Lektion werden die Beibelaute f, v, s, z, 3, i erörtert,
das Wesen der Artikulationen der echt französischen Zischlaute einer gründ-
lichen Prüfung unterzogen und deren Artikulationsstellen mittels gediegener
Abbildungen des Sprachorgans zur Anschauung gebracht.
In der dritten Lektion wird die Bildung des offenen, geschlossenen
und mittleren e und ö, des g. und m. i und ü, des nasalen e und or und
des halbkonsonantischen i-Lautes in pied etc. behandelt. Hier läfst der Verf.
selbst in tonloser Silbe ein offenes e und ö {perdu, heurter) gelten % hält
das kurze betonte e für weniger offen als das lange betonte e (chef-acheve)
und stellt eine doppelte Art von nasalem e auf, welches als nasaliertes d oder e
erscheinen kann, — lauter Ansichten, denen ich recht gerne beipflichte.
Falsch dagegen sind die Annahmen, das mittlere e und ö verwandle sich
unter dem Tone in den entsprechenden geschlossenen Laut % und das mittlere
ö in deuxieme etc. sei mit dem sogen, e mtiet in rep(is, der Auslaut
in vas^y mit dem halbkonsonantischen j in gentiUe gleichwertig (!)^).
In der vierten Lektion gelangen die Explosive p, b, t, d, Je, g, n,
Tgs, ge zur Besprechung: Sorgfältig ist hier besonders die Artikulations-
stärke der französischen Yerschlufslaute im Vergleich zu den entsprechen-
den deutschen und englischen Lauten behandelt. Mit vollem Becht be-
1) Das Gegenteil ist der Fall : beim pariserischen o in joU, poli etc. rfickt der
Hinterteil der Zirnge ziemlich stark in die palatalen Regionen vor.
2) unter dem Einflüsse von sötte hat soUise ein mehr oifenes , chevaucher unter
dem von cJievaux ein mehr geschlossenes o,
3) Statt des zu erwartenden mittleren Lautes.
4) Das Gegenteil ist meist der Fall: User-Use, je le donne — donne-le {le be-
tont und offen).
5) Der Verf. spricht somit und transkribiert: vdt^ statt vazi.
\
Nene PhilologiBche BondBchan Nr. 19. 451
trachtet der Verf. als echt französisch nur das mouillierte n, d. h. das
palatale, am harten Gaumen gebildete, dem italienischen und spanischen
Laute ähnliche ^ ohne j-Yorschlag oder Nachschlag und stellt alle anderen
Gattungen als Entartungen hin.
Die fünfte und letzte Lektion ist den Diphthongen oi (roi), ui {huit),
oui (in der gleichlautenden Bejahung), oin (hin), dem schon behandelten
halbkonsonantischen i vor Vokal {tiede) und dem mouilliei*ten l, den
Triphthongen ay {moyen), uy {appuyer), ay, ey (payer, grasseyer), schliefs-
lich dem Auslaut Kons. + le oder re {table, sahre) gewidmet. —
Mit den Ausfahrungen des Verf. in diesem Teile wird man am wenigsten
einverstanden sein. Seine Auffassung der französischen Doppellaute ist eine
verfehlte; doch erlaubt mir der Baum nicht, auf diese Frage näher einzu-
gehen. Ich beschränke mich darauf, zu bemerken, dafs die Pariser keinen
Unterschied zwischen le reveil und je reveiUe machen und beide Laut-
gruppen als revej aussprechen, dafs folglich die Meinung des Verf., wo-
nach im ersteren Worte im Auslaut ein kurzes i, im letzteren das halb-
konsonantische j zu hören wäre {revei und revej)^ als irrig abzuweisen ist.
Ebensowenig wird man der Ansicht des Verf. beipflichten können, der
S. ziv behauptet, das auslautende e in table, frere und lampe sei gleich-
wertig und werde sehr schwach ausgesprochen. Im Pariser Französisch
hängt die Lautbarkeit dieses e von dem vorhergehenden Konsonant ab:
hinter stimmlosen lautet das e überhaupt nicht.
Wer möchte schliefslich glauben, dafs Z.-B., einer der besten Schüler
Bousselots, in Wörtern wie houiUe, bouiUir, sauüler den Diphthong oui
{ui) sieht und sie als uiy^ buiyir, suiye, nach meiner Transkription tvij,
bwijir, swye, statt uj, bußr, suje, ausgesprochen haben will?
Dem Büchlein ist ein Sonderheftchen beigefügt, welches den ewigen
Medianschnitt des Kopfes, Abbildungen des Kehlkopfes, der Stimmbänder,
der Mundhöhle und zahlreiche photographische Wiedergaben der den ein-
zelnen Vokalen eigenen „äufseren*' Mund-, oder besser gesagt, Lippen-
stellungen enthält. Diese mit Ernst vorgetragenen Spielereien können
natürlich auf Wissenschaftlichkeit keinen Anspruch erheben, auch prak-
tischen Zwecken werden sie kaum dienlich sein können.
In jedem Falle wird die kleine Ausgabe der Vietorschen Phonetik
den Deutschen unvergleichlich bessere Dienste leisten als das vorliegende
Buch Zünd-Burguets.
Prag. O. RoUb.
452 Nene Philologische Rundschaa Nr. 19.
240) W. Bübenkampi 1200 der gebräuchlichsten französi-
schen Sprichwörter nebst Verdeatschung und Erklärung. Zu-
gleich ein Wegweiser durch den französischen und deutschen
Sprich Wörterschatz. Zürich, Cäsar Schmidt, 1903. II u. 192 S. 8.
Ji 2.40.
B. hat seine Arbeit mit ungenfigenden Mitteln unternommen, denn
Quitard, M^nger, Mery und Martel sind keine ausreichenden Fund-
gruben für die „gebräuchlichsten französischen Sprichwörter''. Da wäre
vor allem zu benutzen gewesen Le Boux de Lincy, Le livre des proverbes
fran9ais, 1842 \ 1859*, aufserdem beispielsweise: Gahier, Chr., Quelque
six mille prov., Paris, 1856; Desciseaux, Becueil des prov. fr., Paris, 1854,
Duplessis, M. G., La Pleur des prov. fr., Paris, 1851; Pleuriot, Recueilde
prov. fr., Breslau, 1885; Le Gai (Hilaire), Petite encyclop^die des prov*
fr., Passard, 1860; Loubens, Les prov. et locutions de la langue fr., Paris,
1889 \ 1890*; Souch6, Proverbes, Niort, 1881. Auch bezüglich der deut-
schen Sprichwörtersammlungen hat sich B. nicht gehörig umgesehen;
Simrock und Binder bieten denn doch zu wenig; den umfangreichen,
unhandlichen Wander will ich zwar nicht empfehlen , aber da wären gut
zu benutzen gewesen Braun, J. M., 6000 deutsche Sprichwörter und Bedens-
arten, Stuttgart, 1840; Der Deutschen Sprichwörter und Spruchreden, Leip-
zig, 1876 ; Eiselein, J., Sprichwörter und Sinnreden des deutschen Volkes,
Donaueschingen, 1838, Freiburg, 1840; Körte, W., Die Sprichwörter und
sprichwörtlichen Bedensarten der Deutschen, Leipzig, 1861*; Sailer, J. M.,
Die Weisheit auf der Gasse, 1848; Wächter, 0., Altes Gold in deutschen
Sprichwörtern, Stuttgart, 1885; Derselbe, Sprichwörter und Sinnsprüche
der Deutschen, Gütersloh, 1888; Wunderlich, G., Deutsche Sprichwörter,
4.-6. Aufl., 1891—1894. So aber ist B.s Gepäck sehr klein und der
Untertitel „Wegweiser durch den französischen und deutschen Sprichwörter-
schatz'' recht anmafsend; denn ein Wegweiser sollte vor allem den Weg
selbst kennen. Im folgenden gebe ich aus einer kleinen Sammlung f^-
zözischer Sprichwörter, die ich mir beim Lesen angelegt, gebräuchliche
französische Sprichwörter, die B. nicht hat: Ghaque conscrit a un bäton
de mar^chal de France dans sa giberne. On n*est pas proph^te dans son
pays. L*union &it la force. La väritä finit toujours par percer. On n*a
Jamals tout vu. Ge sont les tonneaux vides qui chantent le mieux. Pour
vivre heureux il faut cacher sa vie. Le bon vin röjouit le coBur de l'homme.
Ce qui doit arriver, arrivera. Ce que femme veut, Dieu le veut. Le vin
Neue Philologische Bnndschan Nr. 19. 453
6tant tir^, il faut le boire. üne heure de sommeil avant minuit vaut
mieux qae deux apr^ G*est au postscriptum que se trouvent souvent les
choses les plus importantes. Le succ^s justifie tout. Lorrain, traitre ä
son roi et ä Dieo mSme. Les antipathies sont r^ciproques. Tout auimal
est triste apr^s la volupt^. D'autres temps, d'autres soins. Les voleurs
sentent de loin Targent des voyageurs. II ne faut pas mettre dans une
cave UQ ivrogne qui a renonc^ au vin. üne bonne action trouve toujoura
sa r^compense. L'amour est aveugle. L'exactitude est la politesse des rois.
Le style c'est Thomme. Le pavillon couvre la marchandise. Dans le royaume
des aveugles les boi^nes sont rois. Entre plusieurs maux, il faut chercher
le moindre. Le vin est le lait des vieillards. Donnant, donnant. Les
hommes les plus laids ont les plus jolies femmes. 11 n'y a que les
enfants et les fous pour dire la v^rit^. Qui s'aime s'attire. Quand on
touche au beurre, il en reste toujours aux doigts. On ne rase bien les
autres que quand on sait se raser soi mSme. Le jeu n*en vaut pas la
chandelle. Livre pr§t^ livre perdu. Quand on est mort, c'est pour long-
temps. C'est un coBur d'artichaut, une feuille pour tout le monde. On
n'obtient rien par la vlolence. Deux femmes fönt un march^, trois
femmes fönt une foire. ün bon coq n'est jamais gras. Ein gutes Vorbild
ffir Bübenkamp wären gewesen: John Barten, A Select GoUection of
English and Oerman Froyerbs (8239 Sprichwörter) Hamburg, Elofs, 1896.
VIII u. 323 S. 8. geb. Ji 8.—.
Die Übersetzungen und Erklärungen sind im allgemeinen gut und
fleifsig gemacht, doch ist z. B. die Erklärung zu S. 121, 24 falsch.
Lndwigshafen a. Bh. G. M. KAftior.
241) Oeoi^ Stier, Little English Talks. Ein Hilfsmittel zur
Erlernung der englischen Umgangssprache. Für die höheren Knaben-
und Mädchenschulen. Göthen, Otto Schulze, 1903. VUI u.
114 S. kl. 8.
Dieses kleine Buch, fflr Schulen berechnet, die nur wenig Zeit auf
systematische Sprechübungen verwenden können, ist gewifs ein recht
brauchbares und zuverlässiges Mittel für die Einführung in die englische
Unterhaltung. Der Inhalt ist trotz des geringen ümfanges aufserordent-
lich reichhaltig. Travelling, Family, House, Fire, Lighting, Meals, Visits,
Human body, Health and illnes, Holidays, Going to bed and Qetting up,
Teilet, Linen, Qentlemen's teilet, Lady's dress, Town (London), Education,
454 Nene Philologische Bondschaa Nr. 19.
Languages, Letter, Theatre, Wheather, Time, Clock, Photography sind die
Kapitel des Werkchens benannt, die übrigens, bis auf zwei (Age und
Photography) nicht, wie der Titel vermuten läfst, Gespräche sind, sondern
nach Erons Vorgang nur den Stoff zu Gesprächen in schildernden und
erklärenden, kurzen, leicht fibersichtlichen Abschnitten liefern. Das an-
gehängte Wörterbuch gibt nur in wenigen Fällen die Aussprache, dagegen
wird mit Becht oft die Betonung bezeichnet, zuweilen freilich unnötiger-
weise: Uppers, pölish, bläcMng. Es ist zu erwarten, dafs sich das Büch-
lein, dem auch eine sehr handliche Form eigen ist, viele Freunde er-
werben wird.
Hildburghäusen. K. Pusoh.
242) Behaghel, Der Gebrauch der Zeitformen im konjimk-
tivischen Nebensatz des Deutschen. (Mit Bemerkungen
zur lateinischen Zeitfolge und zur griechischen Modusverschiebung.)
Paderborn, Schöningh, 1899. 216 S. 8.
Durch die Schuld des Bef. hat sich die Anzeige der Behagheischen
Schrift über Gebühr verzögert. Sie wird unterdessen wohl in allen
Kreisen, die sich mit syntaktischen Fragen beschäftigen, bekannt geworden
sein ; sollte sie aber jemand, der dafür — gleichgültig auf welchem indo-
germ. Sprachgebiet — Interesse zeigt, noch nicht kennen, so ist ihr Stu-
dium nur dringend zu empfehlen. Nicht weil alle ihre Ergebnisse neu
oder überraschend sind (manche bleiben sogar recht zweifelhaft), sondern
weil ein Meister der syntaktischen Forschung das grofse und oft spröde
Material mit einer Umsicht erörtert, die alles Lob verdient.
Nach einem lehrreichen Überblick über den Stand und die Aufgaben
der syntaktischen Forschung der Gegenwart bestimmt Behaghel seine
Aufgabe: er will untersuchen, inwieweit im Deutschen (ähnlich der von
ihm anerkannten lat. Gonsecutio temporum) eine mechanische Begelung der
Konjunktive des Nebensatzes nach dem Tempus des Hauptsatzes bestanden
hat, auf welche Weise sie zu erklären ist, welches Schicksal sie dann im
Leben der deutschen Sprache gehabt hat. B. findet, dafs es in den
früheren Perioden der deutschen Sprache (von zwei allerdings wichtigen
Ausnahmen abgesehen) eine solche Begelung gab: nach präsentischem
Hauptsatz stand Eonj. Präs., nach präteritalem Eonj. Prät. Diese Begel
verschwindet allmählich seit dem Ausgang des Mittelalters, die heutigen
Mundarten wissen nichts mehr von ihr, auf nieder-, mitteldeutschem und
'i
Neue Philologische Rnndschan Nr. 19. 465
fränkischem Boden herrscht der Eonj. Prät., auf allem.-schwfib. der Eonj.
Präs., das bayr.-österr. ist gespalten. In der Schriftsprache liegen die
Dinge nicht so einfach; seit dem Ausgang des 18. Jahrh. wird in der
indirekten Rede der Eonj. Präs. bevorzugt, das Prät. tritt im Plural, oft
auch in der 1. und 2. Pers. Sing, ein, weil in diesen Formen der Eonj.
Präs. sich vom Ind. nicht unterschied. (Ausnahme das Verb, sein.) Diese
Regel, die B. schon vor 20 Jahren aufstellte, bestätigt sich ihm auch
jetzt wieder auf grund seines viel reicheren Materials; allerdings folgen
ihr nicht alle Schriftsteller streng, die Mundart macht sich oft geltend,
und daneben tritt auch die Neigung hervor, den Eonj. Prät. da anzuwenden,
wo man das Unrichtige einer Aussage andeuten will. B. folgt der Aus-
bildung dieser Regel in der neuhochdeutschen Zeit bei den Schriftstellern
und auch in den Zeugnissen der Grammatiker, die freilich (von wenigen
abgesehen) den Stand der Dinge bis in die neueste Zeit meist verkannt haben.
Nach der Darlegung der Tatsachen, die nur selten, z. B. S. 71/72,
Zweifel rege werden läfst, versucht B. S. 166ff. mit viel Scharfsinn und
grofser Gelehrsamkeit ihre Erklärung. Er leitet die Personenverschiebung
aus der ^berichtenden Form' ab, den Eonjunktiv erklärt er aus dem Po-
tential: 81 = er ist wohl, wäri = er war wohl oder mochte er doch
sein, obgleich er zugeben mufs, dafs der Eonj. Prät. im älteren deutschen
stets irreal und nicht potential gebraucht wird. Es ist hier nicht der
Ort, die verschiedenen Hypothesen B.s genauer zu analysieren, noch den
Widerspruch dagegen ausführlicher zu begründen. Ref. fühlt bei den
Auseinandersetzungen B.s keinen festen Boden unter den Füfsen, er
hätte eine genauere Untersuchung darüber gewünscht, nach welchen Verben
im got., im ahd. (Otfried ist kein klassischer Zeuge), alts. und ags. der
Indikativ, nach welchen der Eonjunktiv steht, und unter welchen Be-
dingungen bei manchen der eine oder der andere Modus stehen kann.
Wahrscheinlich hat B. sie angestellt, sollte auch sie keinen anderen Aus-
gangspunkt als den Potential für die Erklärung bieten?
Zum Schlufs sucht B. die Gründe auf, die zur Auflösung des alt-
germ. Grundgesetzes geführt haben, er findet sie in dem Auftreten des
Präs. bist, und (wahrscheinlich) in der Verdrängung des Prät. durch das
umschriebene Perfekt in einem grofsen Teil des deutschen Sprachgebiets.
Darin wird man B. wieder zustimmen dürfen. Auch in der weiteren
Vermutung, dafs der Eonj. Präs. der Schriftsprache vom allem.-schwäb.
aus sich Bahn gebrochen hat. C. D.
456 Nene FliilologiBche Rnndschaa Nr. 19.
Entgegnimg.
Die Besprechung der „Systematischen Zosammenstellang des
französischen grammatischen Merkstoffes der Realschule''
Berlin, F. A. Herbig. 1903, in Nr. 16 der N. Phil. Rundschau 1903, S. 379,
ergibt ein so unklares und verschobenes Bild von Zweck und Anlage des
Schriftchens, dafs sie zu einigen aufklärenden Bemerkungen zwingt.
Das Wesen der Arbeit, wie es in der Einleitung (S 3 — 6) begründet
ist, besteht in der Beschränkung auf das Wichtigste, den „Merkstoff'', und
in der logischen, übersichtlichen Gruppierung. Ob nun dies Zusammendrängen
auf etwa ein Viertel des üblichen ümfanges richtig und praktisch ist, ob die
Darstellung klar und durchsichtig ist; von diesen wesentlichen Merkmalen
erwähnt die Besprechung nichts. Ebensowenig deutet sie das Neue in der
Arbeit auch nur entfernt an: die antithetische Zusammenstellung charakte-
ristischer Musterbeispiele, die Ableitung der Komparation und der Pro-
nomina aus Sätzen, die Gruppierung der unregelmäfsigen Verben, die Be-
gründung des Gebrauchs von avoir und dtre, von bien und la plupart des,
von c'est-qui, die Fassung der Gesetze über den Subjonctif nach sprach-psjcho-
logischen Grundsätzen, die Ableitung des einräumenden Gebrauchs der Für-
wörter aus dem fragenden u. y. a.
Mit Unrecht bemängelt die Besprechung das Fehlen der Vergleichungs-
sätze und der Negationen. Jene finden sich auf S. 28 — 29, und das Weg-
lassen der letzteren ist genügend durch die Einleitung S. 3 u. 4 begründet.
Ems. Dr. A. Gllle.
Vakanzen.
Danzig, Victoriaschule, Obl. N. Spr. Magistrat Essen (Bahr), G. (kath.). Oberl.
Klass. Phil. u. Deutsch. Dir. Dr. Biese. Essen (Bubr), HMS. Obl. Math. u. Nat.
Dir. Dr. Fröchtliog. Gelsenkirchen, BS. Obl. Deutsch., Gesch. od. N. Spr. Bürgerm.
Machens. Gronan 1. W., Zwei Obl. 1) N. Spr. ; 2) Gesch. u. Deutsch. Dr. Gottschalk.
HannoTer, HMS. Obl. Ueogr. u. Nat. Magistrat. HannoTer, ORS. Zwei Obl. Deutsch,
Gesch. bezw. Math. Phys. Dir. Dr. Hemme. Myslowitz, G. Obl. Deatsch, Gesch.,
alte Spr. Dir. Dr. Anst. Seesen, Jacobsen- Schale: Obl. Latein, Deutsch, Gesch.
Dir. Dr. Philippsen. Unna, RS. (mit Bef. Klassen). Zwei Obl. 1) Gesch., Deutsch,
Latein; 2) Math. u. Nat. Direktion.
In Angnst T^enmanns Verlag, Fr. Lncas in Leipzig
erschien soeben die dritte, umgearbeitete Auflage von:
Materialien
ziim Übersetzen aus dem
Deutschen ins Französische.
Für Oberklassen höherer Lehranstalten.
Von
J. B. Peters.
Dritte, umgearbeitete Auflage. Geheftet Mk. 1.50; gebunden Mk. 1.80.
Für die Redaktion TerantwortUch Dr. E. LHdwIg in Bramta.
Praok «nd YerUg Ton Js'riedrioh Andreai Perfhei, A.ktiengeatllMhaft, Ooiha.
Gtotha, 3. Oktober. Xr. 20, Jahj^ang 1903.
Neue
PhilologischeRundschau
Herausgegeben Yon
Dr. C. Wagener und Dr. £. Ludwig
in Bremen.
Encheint alle 14 Tage. — Preis für den Jahrgang 8 Mark.
Bestellnngen nehmen alle Bachhandlnngen, sowie die Postanstalten des In- und Aaslandes an.
Insertionsgebtthr fOr die einmal gespaltene Petitzeile 80 Pfg.
Inlialt: Rezensionen: 243) E. Linde, Piatons Phädon (Hans Petersen) p. 457. —
244) C. Bardt, Römische Komödien (H. Klammer) p. 458) — 245) Studies in
Classical Philology (Ph. Weber) p. 463. — 246) Marcel Renault, Les
Philosophes. i^picure, (P.) p. 470. — 247) Anna Brunnemann, Marcel Hubert
et Rofsmann, L'Echo litt^raire (Bahrs) p. 471. — 248) Victor Delahaye,
Dictionnaire de la Prononciation moderne (G. Rolin) p. 472. — 249) Walter
W. Skeat, The Lay of Havelok the Dane (H. Jantzen) p. 473. — 250) E. Roos,
Nathaniel Hawthorne, Wonder Book for Boys and Girls (Joh. Jent) p. 475. —
251) Gust. Goedel, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Seemannssprache
(P. P.) p. 475. — 252) W. L. Rieger, Ziffern-Grammatik p. 477. — Anzeigen.
243) Karl Linde, Flatons Phädon. Für den Schulgebrauch er-
klärt. Gotha, Friedrich Andreas Perthes, 1902. VI n. 118 S. 8.
M 1. 20.
Eine vollständige Schulausgabe des Phädon kommt erwünscht: wird
es auch nicht immer möglich sein, den ganzen Dialog zu bewältigen, so
ist der Lehrer doch nicht mehr auf den Anfang und den Schlufs des
Werkes angewiesen und kann selbst ausscheiden, was er fibergehen zu
können glaubt.
Der Text, dem die Ausgabe von Schanz zugrunde gelegt ist, zeigt
eine sorgfältige und selbständige Benutzung neuerer Forschungen. An
einzelnen Stellen hat der Herausgeber, wenn auch nicht immer mit Glück,
durch eigene Vermutung eine Heilung versucht. Bichtig scheint mir
99 D aTteiQT^ycri aus a/re/^ijxa geändert zu sein (das davor eingefügte
eMlvg ist wohl nicht notwendig), auch 88 A tvUov ezi xtf (statt x(^)
keyovTi ri und 112 E n%qi (trp^ y^> xi$x^ sind Änderungen, die Be-
achtung verdienen.
Als Schulausgabe verfolgt das Buch den Zweck, dem Schüler ein
vorläufiges Verständnis bei der Vorbereitung zu ermöglichen. Er be-
schränkt sich aber nicht darauf, ihm dieses durch Übersetzung von ein-
458 Nene Philologische Bnodschaa Nr. 20.
zelnen Wörtern und ganzen Sätzen (zum Teil in paraphrasierender Weise)
und durch Eonstruktionshilfen zu erleichtern, sondern gibt auch eine Reihe
von sachlichen Erläuterungen, von denen ich die einen und anderen lieber
der Besprechung im Unterrichte zugewiesen sehen möchte. Vor allem
aber bestrebt sich der Herausgeber, den SchQler in den Gedankeninhalt
und -Zusammenhang einzuführen. Zu diesem Zwecke ist dem Texte eine
fibersichtliche, klare und knappe Einführung in die Komposition des Dia-
loges und in denjenigen Teil der platonischen Lehre vorausgeschickt,
dessen Kenntnis für das Verständnis notwendig ist; ferner enthält der
Kommentar eine fortlaufende Disposition und Inhaltsangabe nicht nur der
gröfseren Abschnitte, sondern auch der einzelnen Kapitel. Vielleicht wird
der Verf. hier manchem Lehrer des Guten zuviel getan haben, auch in
der Erklärung wird er nicht überall Zustimmung finden, aber im ganzen
ist die mit sichtlicher Liebe und lebhaftem Interesse angefertigte Ausgabe
brauchbar und empfehlenswert.
Flensburg. Hans Petorsen.
244) C. Bardt, Bömische Komödien. Deutsch von C. B. Berlin,
Weidmann, 1903. XXXII u. 240 S. 8. Ji 5. ~.
In den Schlufsbetrachtungen einer neueren Geschichte der Kunst des
19. Jahrh. wird die Ansicht ausgesprochen, dafs der schlimmste Bohr-
wurm im Kernholz der deutschen Kultur zurzeit der klassische Philologe
sei. Der gleichen Anschauung begegnen wir in einer vielgelesenen Kunst-
zeitschrift. Dort macht ein geistreicher Herr den witzigen Vorschlag,
zur Förderung der Bildung alle klassischen Philologen in einem Walde
zusammenzuschleppen und dem Feuertode zu überliefern. Beide Urteile
gehen ohne Zweifel aus der ErMrung hervor; denn sicherlich gibt es
auch heute noch verbohrte Philologen, die weiter nichts kennen oder
kennen wollen als ihr geliebtes Pergament. Vielleicht aber sind's gar
nur Erlebnisse von der Schulbank her, die vor 30 — 40 Jahren gedrückt
wurde. Indes nur Kurzsichtigkeit kann in solchen seelenlosen Vertretern
einen ganzen Stand zur Rechenschaft ziehen. Diejenigen klassischen Philo-
logen, die mit vollem Herzen au ihren Idealen hängen, die mit wissen-
schaftlicher Gründlichkeit die ganze Welt des Altertums zu umspannen
suchen, gerade diese stehen heutzutage, das darf man unbedingt behaupten,
mit beiden Füfsen auf dem Boden der Gegenwart. Nur glauben sie dem
wahren Interesse der Mitwelt am besten zu dienen, wenn sie einer leider
":i
Nene Philologigche Bondschaa Nr. 20. 459
an wahren Idealen armen Zeit die Errungenschaften einer grofsen Eultur-
epoche zu erhalten suchen. Sie glauben Dämlich, man könne nicht ohne
weiteres, wie jene Heifsspome gerne möchten, die Brücken, die in die
Veigangenheit znrfickfQhren, hinter sich abbrechen und eine neue Kultur
mit Ungestüm über Nacht aus der Erde stampfen. Für sie gibt es ein
Gesetz organischer Entwickelung nicht nur in der Natur, sondern auch
in der Geisteswelt. Sie wissen, dafö die Wurzeln unserer Kultur sich
durch das Mittelalter hindurch bis ins Altertum hinein verfolgen lassen
und dafs sie dort tief in den Boden jenes Hellas hineingreifen, aus dem
Homer und Äschjlus, Sophokles und Euripides, Phidias und Plato hervor-
gegangen sind. Deren Vermächtnisse möchten sie der Gegenwart erhalten,
vor allen denen, deren Herz grofs genug ist, um das Beste aller Zeiten
in sich aufzunehmen. Diesem Zwecke dienen auch diejenigen Männer,
die uns die Literaturschätze vergangener Zeiten in modernem Gewände
darbieten. Der berufenen Übersetzer gibt es allerdings von Luthers Zeiten
an bis heute nur sehr wenige. Es ist hier nicht der Ort, die Gründe
f&r die Schwierigkeit, wir möchten beinah sagen für die Unmöglichkeit
der Aufgabe auseinanderzusetzen. Nur soviel sei gesagt: der wahre Dol-
metscher mufs nicht nur ein vollkommener Sprach-, Literatur- und Kultur-
kenner zweier Perioden, sondern auch Sprachkünstler sein. Das versteht
sich ganz von selbst, wenn es sich um die Umwandlung von Dichtern
handelt. Nur wer nach Luthers Wort dem Volk auf das Maul zu sehen
versteht und wer in dem Stil unserer Klassiker gründlich Beseheid weifs,
darf sich an die Arbeit wagen, d. h. mit anderen Worten: der Herzens-
und Menschenkenner, der Mann von Geist und Geschmack, nur wer selber
den Hauch der Muse ein wenig verspürt hat.
In diesem Sinne nennen wir trotz einzelner Einwendungen Wilamo-
witz* Übersetzungen der griechischen Tragiker eine wirkliche Bereicherung
unserer Literatur. Der griechischen Komödie hat sich jetzt Karl Bardt
angenommen: denn so müssen wir sagen, wenn es auch der Schatz
und die Zwillinge des Plautus, das Mädchen von Andros und
die Brüder des Terenz sind, die er uns in einer neuen, eigenartigen
Wiedergabe bietet.
Wir kennen Bardt als Interpreten des Altertums schon von seiner
Umwandlung der Sermonen des Horaz her. Mit diesem Buche hat er seine
Berufung als Übersetzer bereits dargetan. Mit seinen Römischen Ko-
mödien hat er ein noch schwierigeres Gebiet betreten.
460 Keae Fhüdogisdie Bundaehan Nr. 20.
Für die VerdeatschüDg der beiden römischen K<»mker sind die
gleichen Grundsätze wie fnr Horaz maf^ebend gewesen. Nicht aof
eine wortgetreue Wiedergabe kommt es dem Verf. an, anch mit den
Versmatsen der Urschrift will er nicht wetteifern; denn er weifs,
dafs jene dem wirklichen Verständnis hinderlich ist and diese der mo-
dernen Empfindung geradezu widersprechen. Er Yermeidet also, durch die
fruchtlosen Bemühungen so vieler Vorgänger gewarnt, den gleichen W^
und kommt auf einem Umwege dem Ziele um so näher. Bleiben doch in
den geschilderten Sitten- und Zeitverhältnissen noch genug Schwierigkeit«!
übrig, den glatten Weg zum Herzen des modernen Lesers zu find^.
Schon die Welt der griechischen Tragiker ist eine andere ab die unarige,
aber die allgemein menschlichen Fragen überwiegen; ein grofses Schicksal
und der ernste Anblick der Notwendigkeit dürfen immer auf die Teil-
nahme des Zuschauers rechnen. Anders aber ist die Welt, in die die neuere
attische Komödie hineinfuhrt Nicht nur die mythische Zeit der Heroen,
auch die geschichtliche eines Eleon und Sokrates, die einem Aristophanes
die Gegenstände lieferte, ist vorüber. Wir stehen ganz in der bürger-
lichen Eleinwelt. Verschmitzte oder treuherzige Sklaven, fröhlich lieder-
liche oder altklug tugendsame Jünglinge, polternde oder gutmütige Alte,
liebenswürdige Damen der Halbwelt oder verführte Bürgermädchen, ge-
fräMge Schmarotzer und eifersüchtige Eheweiber, Hebammen und Quack-
salber, das sind so etwa die Gestalten, die vor uns auftreten. Wir kenn^
sie ungefähr von den Fourberies de Scapin, den beiden Grafen Elingsberg
und der Kameliendame her. Was uns diese Leute der griechischen Deca-
dence, in der sich die Ehrbarkeit und das Laster freundnachbarlich die
Hand reichen, viel Bedeutsames und Herzergreifendes zu erzählen hätten,
das läfst sich nicht so leicht sagen. Aber darauf kommt es auch nidit
an. Sie sollen uns in lebendigen, ungezwungen wechselnden Bildern ihre
Zeit schildern und hin und wieder wohl auch einmal ein Problem vor-
fahren, wie etwa das der Erziehung in den Brüdern. Im ganzen and sie
zufrieden, wenn sie uns mit dem leichten Spiele des Lebens eine Weile unter-
halten haben. Die damaligen Griechen waren nicht anspruchsvoll, die Bömer
noch weniger, und unser Publikum verlangt vom Lustspiel und der Posse
ungefähr ebensowenig. Alt-Heidelberg lockt ihm mit rührender Hart-
näckigkeit die Tränen der Freude und des Kummers aus den Augen.
Allein jenes heitere Gaukelspiel, jene drastischen Szenen des täglichen
Daseins sind mit dem Altertum nicht verschwunden. Die Entwickelungs-
Neue Philologische Rundschan Nr. 20. 461
reihe ist nicht abgebrochen. Jene Situationen haben sieh in die Komödie
der Neuzeit hineingeflüchtet, und wer die Geschichte des Lustspiels ver-
folgt, wird die Ableger bei Shakespeare, Moli^re, Holberg, Lessing und
Kleist wiederfinden. Auf die verschiedenen Entwickelungsstufen der atti-
schen Komödie, auf die Wiedergeburt und Umbildung der Kunst des
Poseidippos, Philemon und Menandros bei den Bömem und das Weiter-
leben dieser Reproduktionen in späteren Zeiten weist die lehrreiche Ein-
leitung hin, im besonderen auf die Komödie der Irrungen, die sich
nicht erst bei dem grofsen englischen Dichter findet. Dieses Vorwort sei
ganz besonders jenen eifrigen Verfechtern der Gegenwartskunst ans Herz
gelegt. Vielleicht lernen sie daran, dafs schneidige Parteiprogramme allein
nicht ausreichen, dafs man besser daran tut, wie Bardt mit historischem
Sinn an deutlichen Beispielen die Entwickelungs&den aufzuweisen und im
öbrigen mit Geduld die grofsen Geister abzuwarten, die aus sich heraus
ihrer Zeit etwas Neues in neuer Form zu sagen haben. Inzwischen bleibe
das Verdienst der trefflichen Vermittler, wie Bardt einer ist, anerkannt.
Wie aber wird der Übersetzer seiner Hauptaufgabe gerecht? Die
Fr^e nach der dichterischen Form, ob Beim, ob fester Strophenbau, ob
freier Rhythmus, ob gar Alliteration das Sichtige sei, beschäftigt heute
wieder ähnlich wie in Goethes Jugendzeit die Gemüter. Auch der Über-
setzer mufs mit ihr ins Beine kommen. Wie auf so vielen Gebieten, so
leben wir auch auf diesem in einer lebhaft erregten Übergangszeit. Wer
wie Wilamowitz kurzweg erklärt, der Beim habe sich ausgeleiert, ander-
seits aber, und zwar mit Becht, das moderne Ohr mit den meisten For-
men der antiken Metrik glaubt verschonen zu müssen, der mufs sorgföltig
nach Ersatz in dem weiten Umfang unserer Literatur Umschau halten. Die
grundsätzliche Ablehnung dürfte jedoch erst dann gerechtfertigt erschei-
nen, wenn eine sichere neue Form endgültig gewonnen ist Dafs Wilamowitz
mit den freien Bhythmen in den Chorpartieen seiner Tragödien unbedingt
das Bichtige getroffen habe, erscheint zweifelhaft. Manches schmeichelt
sich dem Ohre sofort ein, und so ist's in der Ordnung; oft aber tastet
der moderne Leser, zumal der unphilologische, unsicher umher, und er
kommt über die Empfindung, Prosa vor sich zu haben, nicht hinweg.
Bardt lehnt den Beim nicht ab. In den Sermonen des Horaz wen-
dete er, entsprechend dem strengen Kunstcharakter seiner Vorlage, regel-
recht gebaute fanffüfsige Jamben an und verband je zwei Zeilen zu
männlich oder weiblich ausklingenden Beimpaaren. Den Beim behält er
462 Nene Philologische Rnndschan Nr. 20.
auch in den Komödien bei. Wie aber war der Widerspruch zwischen
der bestimmten Eunstform des Beims und der ungekünstelten Darstel-
lung des schlichten bürgerlichen Lebens der griechischen Komödie zu
heben? Da greift Bardt zu der Form, die er ausnahmsweise schon
im Horaz bei der Übertragung der Reise nach Brundisium benutzt hat.
Auch hier haben wir ja ein Stück täglichen Lebens vor uns, und dar-
gestellt ist es in paarweis männlich oder weiblich gereimten sogenannten
Knittelversen von vier Hebungen mit einer oder zwei oder auch keiner
Senkung vor der Hebung. Damit hat Bardt einen aufserordentlich glück-
lichen Griff getan. Er hat damit zugleich den Weg beschritten, auf dem
sich aller Wahrscheinlichkeit nach künftig die Poesie überhaupt mehr
bewegen wird. Diese Form verbindet mit einem bestimmten Gefage zu-
gleich eine grofse Freiheit und Beweglichkeit. Das zeigt sich deutlich
in ihrer Behandlung durch Bardt. Leicht und spielend wickelt sich der
Dialog ab wie in Goethes und Hans Sachs* volkstümlicher Poesie, aber
ohne die traurige Eintönigkeit des letzteren. Jede Stimmung kommt zu
ihrem Sechte, der Ernst, der Scherz, die Sührung, der Zorn, die Ver-
schmitztheit und der hohe theatralische Schwung, letzterer z. B. vorzüg-
lich in dem geheuchelten Wahnsinn des Menächmus. Nirgends ist Druck
und Zwang fühlbar, sondern überall herrscht frisches Leben. Diese
Leichtigkeit aber, das fühlt man heraus, ist das Ergebnis anhaltender,
sorgfältiger Arbeit.
Der Beim selbst ist mit Sicherheit und Geschick gehandhabt. Die
wenigen Ausnahmen brauchen wir hier dem Verf. nicht vorzuhalten. Er
wird sie selber finden und bei einem hoffentlich bald erfolgenden Neudruck
statt der paar Beime, die schief oder überhaupt keine Beime sind, bessere
liefern. Wir wollen lieber mit einem Lobe schliefsen, unbekümmert darum,
ob dieses Lob in den Augen des einen oder andern strengen Philologen nicht
ein Tadel ist. Der Verf. begnügt sich nicht mit derjenigen Modernisie-
rung und ümdichtung, die in der Anwendung der Sprache des heutigen
Tages schon an und für sich liegt. Er tut ruhig nach dem ersten Schritt
auch den zweiten und bringt geflissentlich Ausdrücke und Anschauungen,
durch die das antike Leben geradezu in die Sphäre des heutigen gerückt
wird. Er läfst Leviten lesen und Hexensabbat halten, ein Leichenbitter-
gesicht aufsetzen und Maulaffen feil halten, er bringt ein Pereat aus und
sagt ja und Amen dazu, er bekräftigt mit Top! Potz Element! und Bra-
vissimo! Wir hören, dafs das Geld perdu ist und einer gar sich mit
Nene Philologische RnndBchaa Nr. 20. 463
einer Dirne zu einem pas de deux yereinen soll. Und dergleichen mehr.
Mit solcher Übersetzungsweise sind wir völlig einverstanden und wfinschen,
dafs Bardt uns bald noch einige ähnliche Proben seiner Kunst spenden mOge.
Elberfeld.
245) Stndies in Glassical Fhilology, edited byacommittee repre-
senting the departments of Greek, Latin, archaeology, and com-
parative philology. Preprint from volume III. Epideictic
Literature by Theodore Chalon Bnrgeflä. Chicago, The
üniversity of Chicago Press, 1902 (Leipzig, Otto Harrassowitz).
172 S. (89—261). 8.
B. C. Jebb, der durch sein Buch „Homer, eine Einleitung in die
Ilias und in die Odyssee^' rühmlichst bekannte Professor der griechischen
Sprache an der Universität C!ambridge, sagt irgendwo, Isokrates habe einen
Prosastil der griechischen Literatur begründet, welcher allein für den all-
gemeinen Gebrauch Muster geworden sei. Der Verf. vorliegender Ab-
handlung, zu welcher der Chicagoer üniversitätsprofessor Paul Shorey den
Anstofs gegeben hat, geht noch ein paar Schritte weiter, indem er erst-
lich aus den beiden Prämissen, dafs Cicero einerseits den Isokrates sich
zum Vorbild genonunen, anderseits auf die moderne Prosa von ganz un-
mittelbarem Einflufs gewesen sei, zu der Schlufsfolgerung gelangt, der
Prosastil der Gegenwart sei von „dem epideiktischen Beden Isokrates*
mächtig beeinflufst, dann aber noch weiter im einzelnen nachweist, wie
sich dessen Einflufs nicht blofs auf die Form , sondern auch auf die The-
men, und nicht blofs auf die Bedekunst, sondern auf die Literatur über-
haupt weithin geltend macht. Denn neben den Sophisten hat gerade
Isokrates die Grenzen der epideiktischen Bedekunst, deren theoretische
Beschränkung auf Lob und Tadel schon die Praxis des Gorgias durch-
brochen hatte, wesentlich erweitert, so dafs bereits in den frühesten Zeiten
die in das Gebiet epideiktischer Bedekunst ressortierenden Themen recht
mannigfaltige waren. Diese alle stehen ihrerseits wieder mit den übrigen
Literaturzweigen, insbesondere mit Poesie, Geschichte und Philosophie in
weitverzweigten Wechselbeziehungen. Die Perspektive, die sich infolge-
dessen betreffs des ümfangs des auf Grund seines Inhalts der epideiktischen
Literatur zuzuweisenden Materials eröffnet, ist soweit, dafs man auf dem
Baum von 172 Seiten eine erschöpfende Behandlung nicht erwarten kann.
464 Neue Philologische Biudschau Nr. 20.
Gerade die interessantesten Partieen lassen durch ihre skizzenhafte Aua-
ffihntng weiteren Arbeiten zwecks vollständiger Hebung des Materials noch
weiten Spielraum. Doch sehen wir uns zunächst den Gang, den die
Schrift einschlägt, etwas näher an.
Warum Burgefs zur Überschrift unter den drei bei den griechischen
Bhetoren gleichgebräuchlichen Bezeichnungen „epideiktisch^S „panegyrisch^^
und „enkomiastisch^^ gerade den an erster Stelle genannten bevorzugt hat,
erfohren wir zwar nirgends ausdrücklich, doch dfirfte der mit Isokrates
im besonderen sich beschäftigende Teil den Schlfissel zum Verständnis
sowie zur Gutheifsung der von ihm beliebten Wahl bieten.
Ausgehend von dem nicht nur bei dem Worte iTtidsixtiyoög, sondern
auch bei zahlreichen anderen rhetorischen Eunstausdrficken für verschiedene
Zeiten, ja sogar für dieselbe Zeit nachweisbaren Bedeutungswechsel fafst
Burgefs den Begriff „epideiktisch^^ nicht in jener Beschränkung, in welcher
dessen Anwendung entsprechend der bekannten in der aristotelischen
Bhetorik auf Grund des Verhältnisses der Hörer zum Bedner getroffenen
Dreiteilung der Bedegattungen üblich ist. Die technisch diesen Namen
tragenden Beden erscheinen daher nur als minimale Bruchstücke in seiner
grofsen Sammlung epideiktischer Literatur, deren Grenzlinien nach oben
durch die mit einer gewissen praktischen Anwendung, also dem beratenden
Elemente vermischte Verherrlichung eines Gegenstandes, eine Mischung,
welche die epideiktische Bede bei Isokrates und seinen unmittelbaren
Nachfolgern charakterisiert, nach unten durch die ein blofses jeu d'esprit
darstellende Behandlung eines paradoxen Themas gebildet werden. Zwischen
diesen beiden Extremen liegt noch eine gewaltige Masse epideiktischer
Literatur mit sehr gemischten Motiven und äufserst mannigfaltigen Be-
handlungsarten, bestimmten Zwecken dienende Gelegenheitsreden, wie sie
Lage und Umstände des gewöhnlichen Lebens in jedem Zeitalter fort-
während hervorrufen. Gerade diese Art war bei den Griechen sehr aus-
gebildet und repräsentiert, obgleich die Beden selbst in vielen Fällen von
keinem bleibenden Werte sind, eine reiche Sanomlung herrlicher Literatur.
Der weite Spielraum, den sie gewährt, schliefst in gleicher Weise den
poetischen Stil des Himerius, die philosophische Tendenz des Themistius
und Dio Ghrysostomus, die mehr rein rhetorische Form des Ghoricius wie
die besonnene Behandlung politischer Themen bei Isokrates in sich. Sie
umfafst neben Beden mit dem ephemeren Hauptzweck, ein Auditorium zu
blenden, oder einem Fürsten zu schmeicheln, auch solche, welche mit
n
Nene Philologische Bandschau Nr. 20. 465
diesen Interessen des Augenblicks einen bleibenden Wert vereinen und sich
dem Ideal des Isokrates nähern.
Gewissermafsen als begründende Ergänzung dieser allgemeinen Aus-
führungen bringt der nächste Abschnitt eine Untersuchung Qber den Ge-
brauch e^iSeincwfii und seiner Sippe {sTtidei^ig, iTtidec^Ti^ög) bei Iso-
krates und über die Auffassung der Redekunst seitens dieses epideiktischen
Redners par excellence, dessen mehr beiläufige Benennungen der einzelnen
Redegattungen der von Aristoteles dauernd festgelegten Terminologie den
Weg geebnet hat.
Nunmehr folgt ein allgemeiner Überblick über die epideiktische Lite-
ratur. Isokrates selbst war beeinfluTst von Gorgias, „dem Begründer der
Kunstprosa". Beide sind vorbildlich für die spätere Literatur dieser Art,
welche in Anbetracht des ümstandes, dafs die Anfänge der Redekunst als
eines anerkannten Zweiges der griechischen Literatur nicht weit über die
Mitte des 5. Jahrh. zurückreichen, einen raschen und mächtigen Ent-
wickelungsgang genommen hat. Die Leichenrede, der Panegyrikus, das
Enkomion und andere Haupttypen epideiktischer Rede wurzeln in dieser
frühesten Periode. Und wie dieser Teil der Redekunst sehr bald einen
hervorragenden Platz in der Entwickelung der Prosaliteratur einnahm, so
wufste er ihn auch, oft tonangebend, während der ganzen Periode, in welcher
griechische Literatur erzeugt wurde, also mit Einrechnung der kirchlichen
Beredsamkeit bis zum Untergänge Ostroms etwa 18 Jahrhunderte, zu be-
haupten. Drei Perioden ragen im Vergleich zu anderen Jahrhunderten
besonders hervor: das 4. Jahrh. v. Chr., dem noch das angehende fünfte
zuzuzählen ist, repräsentiert durch Namen wie Gorgias, Hippias, Isokrates,
Aleidamas, Polykrates; das 4. Jahrh. n. Chr. mit durchgängig epideikti-
schem Geist und Wesen und reicher Produktion, vertreten durch Redner
wie Libanius, Themistius, Himerius, Ghoricius; das 2. Jahrh. n. Chr. mit
stattlicher Literatur und Rednern wie Aristides, Dio Chrysostomus und
Polemon.
Das nunmehr folgende Kapitel gibt unter der Überschrift „Theorie"
einen Einblick in die hauptsächlichsten rhetorischen Behandlungssysteme
dieses Teils der Redekunst und verweilt mit besonderer Ausführlichkeit
bei denen des Menander und des Dionysius von Halikarnafs. Die Haupt-
merkmale einer jeden der von Menander anerkannten 23 Arten epideik-
tischer Rede werden vorgeführt und vom Verf. durch jene drei aus der
Zahl der sechs von Dionysius behandelten Arten, welche bei Menander
466 Nene Philologische Rnndscban Nr. 20.
fehlen, ergänzt und als Nr. 27 noch des letzteren nackte Bezugnahme auf
Ttaqädo^a iyyuifiia angeschlossen.
Drei von diesen Arten, welche zur Erhellung des Umfangs epideik-
tischer Literatur vortrefflich geeignet erscheinen, werden eben wegen dieser
besonderen Bedeutung einer eingehenden Betrachtung in eigenen Kapiteln
gewürdigt, denen sich ein ebenso ausführliches über die Jtaqado^a iy^ÄWfiia
anschliefst. Es sind dies 1) der ßaaihyidg Uyog als eine spezielle Ent-
wickelung des kpubfiiov einer Person, wobei zunächst das Wesen des
zuerst in der Poesie erscheinenden iyyuofÄiov behandelt wird, als dessen
ältestes Beispiel das von Simonides zu Ehren der bei den Thenuopylen
Gefallenen verfafste zu gelten hat. Die ältesten prosaischen Enkomia
waren mythischer Natur. Als Charakterlobpreisung erscheint es zum ersten
Male im Euagoras des Isokrates. Der Keim zum ßaaiXiyidg Xöyog mag
in poetischen Lobpreisungen auf Zebg ßaaileijg und andere Gottheiten bei
Homer, den homerischen Hymnen, Pindar und den Dramatikern gefanden
werden; ja auf Grund der von Croiset formulierten Hauptelemente einer
pindarischen Ode (s. S. 129 extr.) können manche Lieder des lyrischen
Altmeisters ßaaihyioi hiyoi genannt werden. Musterreden sind Aristi-
des IX und Julian I, der ßaaikiycdg orator par excellence ist Tbemistius ;
2) der yeve&lioKdg Idyog, die Geburtstagsrede; 3) der kTtixacpiog Xiyog^
über den im Vergleich zu den beiden vorhergehenden bereits eine ansehn-
liche Literatur vorhanden ist. Auch diese beiden Abschnitte enthalten
eine Fülle von Exkursen der mannigfachsten Art, über die Geburtstagfeier
bei den Alten ebenso wie über die moderne Sitte, Gelehrten zu ihrem
Geburtstage wissenschaftliche Abhandlungen zu widmen, und Hinweise
auf poetische yeve&lLayiol kSyoc bei Vergil (die vierte Ekloge als solcher
nachgewiesen von Marx), Horaz, TibuU, Properz, Martial und Statins, aber
auch griechische in der Anthol. Pal. (der älteste von Crinagoras). Ferner
werden die zönoi, die Ttgoolfiia, die Gemeinplätze (Unzulänglichkeit der
rednerischen Kraft, Mangel an Yorbereitungszeit, Bezugnahme auf das von
anderen Bednem Gesagte oder auf das fQr die öffentliche Leichenfeier der
im Kriege Gefallenen gegebene Gesetz) aufgeführt und die Lieblingsthemen
(Amazonen, Eumolpus, Krieg der Sieben, die Herakliden, die Perserkriege
nach acht, die Schlacht bei Salamis nach sechs, die späteren Kriege nach
fanf Gesichtspunkten, dazu sechs weitere Ergänzungen, ferner die Autoch-
thonie der Athener), aufserdem etwa zwanzig epitheta ornantia für Athen
und die geläufigsten Antithesen aufgezählt und ihre Verwendung jedesmal
Neue Philologische Bandschan Nr. 20. 467
mit den betreffenden Literaturangaben belegt. Das naqado^ov iyyuofiu)v
ist eigentlich mehr ein teils der Eomik, teils der Sophistik eigenes Wort-
spiel. Es beruht auf demselben Prinzip wie der Euphemismus. Typische
Beispiele sind des Aleidamas Preis des Todes und (wie angenommen wird,
ebendesselben) Lob der Armut. Des Lukian Mviag epubfiiov und des
Synesius (DaXayiqaq iyyu&fiiov werden ihrem Inhalte nach angegeben, letz-
teres allerdings nach Smiths religionsbiographischem Lexikon, woraus sich
wohl die Angabe mit englischem Titel (Encomium of Balness) erklärt.
Dann folgen die bekanntesten Namen epideiktischer Kompositionen dieser Art.
Der folgende Abschnitt betitelt sich „Epideiktische Literatur und
Poesie ^S Der epideiktischen Bedekunst eigen war ein starker Zug für
Erhaltung oder wiederbelebende Nachahmung dichterischer Eigenschaften.
Das Wort Strabos von den ersten Logographen „Xijaavreg tö fiitgov,
rälXa de g)vXä^avT€g rä Tton^fiaxa läfst sich sicherlich in ganz analoger
Weise auch auf die wahrscheinlich älteste Form der epideiktischen Bede-
kunst anwenden. Der €7tir<ig)iog hiyog hat wohl in Poesieen, wie der
Linusgesang, die Klage der Hekuba, der Andromache oder der Helena um
Hektor und der Briseis um Patroklus, und den d-Qfjvoi der in der Mitte
liegenden Periode seine unmittelbaren Vorläufer und unterscheidet sich
seiner Natur nach nicht von der fÄOV(fidla, wie denn auch Menander die
Klagen im Homer (Aovfpdlai nennt. Hand in Hand damit geht ein Exkurs
über €7tid^aldfÄiov, dessen Sängerin par excellence Sappho ist, und yafÄiTidg
hiyog (bei Dionys von Halikarnafs = ya^i/jXiog bei Menander) und die
bezüglichen rdTioi.
Im Anschlufs hieran handelt der nächste Abschnitt nach einer kurzen
Einleitung, in der nachgewiesen werden soll, dafs manche epideiktische
Bedner mehr natürliches Dichtertalent besafsen als manche Dichter (vgl.
Christs Urteil über Himerius), unter Beibringung ungemein vieler Beleg-
stellen von der Anwendung einzig der Dichtkunst als eigentümlich zu-
geschriebener Ausdrücke, wie üfipog, fioikja, ^ovacxi^ iQyd^ea&aty fiilri
rct MovGöv To^eöeiv, ifduv und seine Komposita, TcaXivipdiav (foav usw.,
sowie des Gebrauchs poetischer rrf/roi, wie Eose, Hyazinthe, Narzisse,
Lorbeer, Hain, Flufs, Zikade, Schwalbe, Schwan, Nachtigall, Flöte, Lenz,
Aphrodite, Adonis, Sonne, Sterne u. dgl., in der epideiktischen Prosa.
Die beiden vorletzten Kapitel erörtern das epideiktische Element in
der Geschichte und in der Philosophie unter Einzelvorfühmng der Vertreter
beider Gebiete. Bei ersterer beruht seine Anwendung nicht nur in den
468 Neue Philologische Bondschau Nr. 20.
allgemeinen Streben nach Schmuck und Zierlichkeit, sondern auch auf der
Ausnutzung speziell epideiktischer tötcol und Kunstgriffe; die Ausnahme
des Polybius betätigt nur die Regel; er bildet einen „negativen Beweis '^
Nicht blofs in den Redeeinlagen verschiedensten Charakters, sondern auch
in der eigentlichen Domäne der Geschichte kommt es zur Geltung, be-
sonders in der Schilderung von Schlachten, Gegenden, Städten, Häfen und
sonstiger Schönbeschreibung (e^q^gaaig), z. B. der Fauna eines Landes. Am
ausführlichsten werden die Feldherrenreden behandelt, für welche zwölf
gebräuchliche zdnoi. mit vielfachen Literaturbelegen angegeben werden.
In der Philosophie ist, sieht man von den Sophisten ab, das epi-
deiktische Element in vorsokratischer Zeit aus verschiedenen näher be-
zeichneten Gründen nur spärlich vertreten. Dagegen bietet Piatos schmucker
Stil in Verbindung mit dem ihm eigenen geflissentlichen Bestreben zu
gefallen ein sehr anschauliches Beispiel für dessen Verwendung im wei-
testen Sinne. Auch bei Aristoteles tritt dasselbe über Vermuten stark
hervor. (Schon Cicero nennt die Redekunst das Kind der Akadenoie.)
Die Erweiterung des philosophischen Begriffs zu einem alle wissenschaft-
lichen Kenntnisse umfassenden durch Aristoteles und vollends die Er-
hebung der Philosophie zur Wissenschaft aller göttlichen und menschlichen
Dinge durch Chrysippus bereichern sie mit immer neuen philosophisch-
rhetorischen Themen (vgl. die Fülle an Literatur S. 247). Ihr so er-
weiterter Wirkungskreis zeitigte auch ihren moralisierenden Charakter.
Ihre neuen Beziehungen auf die Volksmassen, ihre Anmafsung der Kon-
trolle über allgemeine Erziehung und speziell religiöse Belehrung, die
Anwendung der Ethik aufs praktische Leben und insbesondere die Be-
ziehungen zur Rhetorik führten zu einem Überwiegen des epideiktischen
Geistes in der Philosophie, das allerdings dem Grade nach von den ver-
schiedenen Zeiträumen sowie dem individuellen Charakter modifiziert wird.
Neben diesen Erörterungen her laufen ausführliche Exkurse über iTto-
fivij flava, Dialog und dtargißi^ (die Erzählung von Herakles am Scheide-
wege und der Kampf der Sprecher des Rechts und Unrechts in den Wolken
des Aristophanes haben ihr typisches Vorbild in der allegorischen Einleitung
des parmenidischen Gedichts Ttegl qyvüLog)^ über die Einführungsformeln
für die Worte der Gegner (aXldj q>rioij q>airi rig äv, q>at&f äp, qr/jaovaiy
Tidij; vidi; u. dgl.) sowie über die christliche exhortatio.
Diesen Abschnitten, deren Erörterungen noch durch fortwährende
Heranziehung mittelalterlicher und moderner (hier freilich vorzugsweise
Nfue Philologiflche Rnndscban Nr. 20.
englischer!) Literatur illustriert werden, folgt das SchluCskapitel mit dem
Verzeichnis von 169 hervorragenderen epideiktischen Schriftstellern mit
Angabe der Zeit und Nomenklatur der einschlägigen Werke. Darunter
begegnen wir freilich einigen irgend einer einzelnen Leistung halber ein-
bezogenen Namen, die wir auf Qrund der sie hauptsächlich charakteri-
sierenden literarischen Produktion anderswo einzurangieren pflegen. Be-
zfiglich der reichhaltigen epideiktischen Literatur der Byzantiner wird auf
Erumbachers Literaturgeschichte verwiesen.
Diese kurzen Andeutungen des Inhalts dürften erkennen lassen, dafs
es Burgefs mit dieser Veröffentlichung gelungen ist, nicht nur einen zur
Orientierung in dem weiten Gebiete epideiktischer Literatur wohl geeig-
neten Überblick zu gewähren, sondern auch für manche Entwickelungs-
formen derselben interessante Gesichtspunkte von keineswegs zu unter-
schätzender Erheblichkeit neu hinzuzugewinnen. Freilich teilen diese letz-
teren, indem sie nur zum Teil eine intensivere Beleuchtung erhalten,
meist nur flüchtig berührt werden, jene Ungleichheit der Behandlung, die
ich betreffs der Hauptteile gleich eingangs angedeutet habe. Soweit sich
dieses oberflächliche Hinweggleiten über einzelne Erscheinungen nicht
auf das Vorhandensein von Monographieen zurückführen läfst, beruht die
getroffene Auswahl wohl nur auf Willkür. Am meisten befremdet auf
den ersten Blick die Unterlassung einer gesonderten Vorführung der So-
phisten und der TtQoyvf^vdaf^ava. Indes darf hier zweierlei nicht übersehen
werden, einmal, dafs gerade über die sogen, zweite Sophistik sehr zahlreiche
Untersuchungen neueren Datums vorliegen, dann aber auch, dafs natürlich
die wichtigsten Namen bald in diesem bald in jenem der allemal die fort-
schreitenden Bewegungen in der Geschichte der epideiktischen Literatur
im Auge behaltenden Kapitel vorkommen, wie ja auch die TCQoyvf^vdofiaTa
an mindestens einem halben Dutzend Stellen Erwähnung finden. Die
Erörterungen selbst stützen sich durchgängig auf die mafsgebenden Quellen
oder doch als zuverlässig anerkannte Autoritäten. Unter billiger Berück-
sichtigung all dieser Umstände kann die Schrift ihrem Inhalte nach zu
belehrender Lektüre im allgemeinen und als Fundgrube dankenswerter
Fingerzeige bei diesbezüglichen Untersuchungen im besonderen der Auf-
merksamkeit der Fachgenossen angelegentlich empfohlen werden. In for-
meller Hinsicht allerdings dürfen einzelne Mängel nicht unbeanstandet
bleiben. Läfst schon die S. 90 gegebene partitio einen alle Kapitel in
logisch fortschreitender Gedankenentwickelung aufreihenden Faden ver-
470 Nene Philologische Bundschan Nr. 20.
missen, so wird auch die Klarheit in den einzelnen Kapiteln selbst er-
heblich dadurch beeinträchtigt, dafs vieles, was entschieden in den Kontext
der Ausfuhrungen gehört, in die allzustark fiberwuchernden Anmerkungen
verwiesen ist, desgleichen durch häufige Wiederholungen und Verweisungen
neben der an sich schon etwas weitschweifigen Diktion. Dadurch und
infolge der fortwährenden Entlehnungen aus einer Mehrzahl von Autoren
war der Verf. trotz seiner gewifs souveränen Beherrschung des Stoffes den
Anforderungen stilistischer Feile und Abrundung nicht mehr vollkommen
gewachsen. Den Unterabteilungen der einzelnen Kapitel fehlen oft die
vermittelnden Stichwörter; ebenso sucht man meist vergebens nach orien-
tierenden Leitsätzen oder zusammenfassenden SchluTsergebnissen. Übrigens
gibt der Verf, indem er diese Aufgabe dem Leser überläfst, letzteren
wenigstens in dem trefflichen Index das Werkzeug an die Hand, dessen
er bedarf, um sich aus dem gelieferten Material ein Urteil zu zimmern.
Aufser den vier vom Verf. selbst richtig gestellten Druckfehlern sind
mir, selbst wenn legitimization (S. 229, Z. 18) ein berechtigter Ameri-
kanismus sein sollte, was ich füglich bezweifle, deren noch weitere 45
aufgestofsen , von denen die falsche Bildung für ädiycog (S. 208, Z. 29)
auf Rechnung des Verf. zu setzen ist, während die Richtigstellung des
Zitats aus Cicero (S. 202, Z. 27), wo es heifsen mufs 51, im Interesse
des Lesers liegt und der vom Kobold im Setzerkasten anglisierte John
Ghrysostomus (S. 240, Z. 22) der Kuriosität halber angefahrt sein möge.
Warum aber soll Charmadas (S. 217) richtiger Charmides heifsen?
München. Ph. Weber.
246) Les Fhilosophes. £picure, par Marcel fienanlt. Paris,
Paul Delaplane, o. J. 134 S. 8. geh. 90 cent.
Die vorliegende Monographie über Epikur ist nach denselben Qrnnd-
Sätzen gearbeitet wie das von uns in der N. Ph. R. 1902, S. 207 f.
besprochene Heft über Descartes. Nach einer allgemein orientierenden
Einleitung über das Leben und die Lehre des Philosophen (S. 5 — 20)
folgt eine eingehendere Entwickelung seines Systems in drei grofsen Ka-
piteln: Physique (S. 21—76), Canonique (S. 77—94) und Morale
(S. 95—131). Den Schlufs bildet eine kurze bibliographische Übersicht.
Benault behandelt seinen Stoff in übersichtlicher und leicht verständlicher
Weise und in einem sehr gefälligen Stile. Soweit Deutschland in Frage
kommt, sei sein Büchlein, sowie überhaupt die ganze Delaplanesche Samm-
'i
Nene PhilologiBche Bandschau Nr. 20. 471
lang „Les Fhilosophes^S namentlich neuphilologischen Studenten empfohlen,
welche mit der Vorbereitung für die philosophischen Prüfungen fortlaufende
Übung im Französischen verbinden möchten. P.
247) Anna Bnmnemann, Marcel Höbert et Rofsmanni
Ll&cho littöraire, Journal bi-mensuel, destin6 ä T^tude de
la langue fran9aise. Heilbronn a. N., Eugen Salzer, 1903. 8.
jährlich Ji 4.—.
Von dieser Zeitschrift liegen uns augenblicklich die sechs ersten
Nummern des 23. Jahrganges vor. Sie will bekanntlich denen, die sich
in der französischen Sprache fortbilden und sich mit ihrem Qeiste wie
überhaupt mit dem Volksgeiste näher bekannt machen möchten, ein Hilfs-
mittel sein. Zu diesem Zwecke bringt sie ausgewählte Stücke aus nam-
haften neueren Schriftstellern, und zwar teils Episoden aus Romanen und
Erzählungen, teils Erörterungen wissenschaftlicher, kulturgeschichtlicher
und geschichtlicher Fragen, teils Artikel von mehr aktueller Bedeutung.
Daneben wird ein fortlaufendes Bomanfeuilleton geboten, welches ebenso
wie die übrigen Abschnitte als Lektüre auch jugendlicher Leser wohl ge-
eignet ist, und endlich Belehrungen literarischer, sprachgeschichtlicher und
grammatischer Art. Diesen letzteren reihen sich auch Übersestzungsauf-
gaben an, denen in der nächsten Nummer der entsprechende fremdsprach-
liche Text folgt, und gelegentlich auch ein Dialog aus dem alltäglichen
Leben als Muster für die Eonversation.
Etwas schwierig mag die Beurteilung gewisser literaturgeschichtlichen
Gröfsen in derartigen, hauptsächlich doch für die erwachsene Jugend be-
stimmten Bevuen sein. Wenn einmal Leute wie Zola im Primaunterrichte
eingehender besprochen werden, so trage ich kein Bedenken in ernster
Weise und unter gebührender Anerkennung aller Verdienste die Schüler
auf das was bei ihnen nicht zu billigen ist, aufmerksam zu machen. Aber
nur das Gute hervorzuheben und, wie es bei Zola in dieser Zeitschrift ge-
schieht, die Mängel und Makel ganz totzuschweigen, das kann ich nicht
für richtig halten. Man hätte vielleicht besser getan, auf die bio-
graphische Skizze dann ganz zu verzichten.
Es sei noch erwähnt, dafs die unbekannteren unter den in den Texten
vorkommenden Wörter unten auf der Seite kurz in deutscher Übersetzung
angegeben sind. Diese Einrichtung wird den Gebrauch der Zeitschrift,
die man als eins der zur Weiterbildung in der französischen Sprache recht
472 Nene Philologische Bandachan Nr. 20.
wohl verwendbaren Hilfsmittel beaseichnen darf, fQr weniger Qeübte wesent-
Ueh erleichtem.
Dessau.
248) Victor Delahaye, Dictionnaire de la Frononciation
moderne. Seul ouvrage portatif donnant la prononciation figuree
de tous les mots de la langae fran9aise. Paris, Librairie Gh. De-
lagrave, o. J. 708 S. kl. 8. geb.
Dieses Werk macht anf Wissenschaftlichkeit gar keinen Anspruch.
Wie der Titel des Buches und die kurze Vorrede besagt, soll es vor allem
handlich sein, die phonetische Wiedergabe aller Wörter der französischen
Sprache enthalten und, was den Preis betrifft, allen Taschen zugänglich
sein. Handlichkeit und Billigkeit sind wirklich da, doch sind dies auch
die einzigen Vorzüge des Buches. Was den Wortschatz anbelangt, so ist
hier eine änfserst empfindliche Lücke zu verzeichnen: die Eigennamen,
deren Ausspracheweise bekanntlich zumeist den Fremden Schwierigkeiten
zu bereiten pflegen, fanden in dem Buche keine Aufnahme. Was den
phonetischen Teil des Vokabulars betrifft, wird dasselbe denjenigen, welche
auf feinere Nuancen der einzelnen Laute nicht eingehen, sondern es bei
einer blofsen Scheidung zwischen offenem und geschlossenem ö {jetme-
jeu), offenem und geschlossenem e {chef-che^), offenem und geschlosse-
nem 0 (satte -sot) bewenden lassen wollen, ein ziemlich verläfslicher
Führer sein. — Für die Schule eignet sich das Wörterbuch Delahayes
in keinem Falle: hier müssen die Laute sowohl qualitativ als quanti-
tativ ^) streng geschieden werden ; der Unterschied zwischen den a-Lauten
in esclave und femme darf nicht mehr als ein blofs quantitativer dahin-
gestellt werden. Noch weniger ist es angezeigt, die in der Phonetik
als umgestürztes 9 bekannte, unbetonte ö-Nuance mit dem betonten offenen
ö (fleur) zusammenzuwerfen, und durch das ganze Buch diesen letzteren
Laut dem akustisch kaum vernehmbaren, auslautenden, sogen, e muet zu
verleihen (z. B. J%eure — ?^^0- Diese Mängel drücken den Wert des
Buches bedeutend herab. Ein weiterer Irrtum ist es, der Schrift die Aus-
sprache anpassen zu wollen: in der guten Gesellschaft in Paris, deren
Aussprache Delahaye mit vollem Rechte als die mustergültige betrachtet.
1) Eigentümlich bezeichnet Delahaye die Quantität nur bei der Endang eur und zwar
mit (e.), ohne das Zeichen vorher erklärt zu haben.
Nene Fhilologisehe BnndBohaa Nr. 20. 473
wird niemand im Auslaut der Lautgrappen k dStaü nnd il detaiUe einen
phonetischen Unterschied machen; in beiden Fällen ist dädy zu ver-
zeichnen, während D. für das erstere dädy, ffir das letztere detdye annimmt ^).
Das phonetische Transskriptionssystem ist äuTserst primitiv, entfernt
sich kanm von der offiziellen Schreibweise nnd wird eben dadurch zumeist
wertlos und in manchen Fällen sogar irreführend. Wie kann ein nur
halbwegs brauchbares Wörterbuch die Nasalität der Vokale noch immer
mit dem nasalen Eonäonanten n bezeichnen oder die geschlossene
Qualität des o mit einem Strich über dem Lautbilde (0) ausdrücken usw.?
Die Anlage des Buches entspricht etwa der des kleinen Larousse^),
aber ohne Bilder: auf das Schlagwort folgt in Klammern die phonetische
Transskription, hierauf eine kurze Definition des Wortes, wie etwa
menieur, euse (man-te.r, teuze) s. m. et f. Celui, celle qui ment
habituellement.
Das Buch wird der Schule keine besonderen Führerdienste leisten.
Jedenfalls wird man mit Recht dem handlicheren und billigeren Not-
wörterbuch der französischen und deutschen Sprache von
G^saire Villatte den verdienten Vorzug geben dürfen.
Prag. O. Belfai.
249) Rev. Walter W. Skeat, The Lay of Havelok the Dane.
Be-edited from Ms. Land Mise. 108 in the Bodleian Libraiy,
Oxford. Oxford, At the Clarendon Press, 1902. LX u. 171 S. 8.
4 B. 6 d.
Diese neue Havelok-Ausgabe der Clarendon Press ist wieder einmal
eine ganz ausgezeichnete Leistung, deren Studium und Besprechung dem
Beurteiler helle Freude macht. Jedem Studenten darf sie als vorzügliches
Hilfsmittel für die Einführung ins Mittelenglische empfohlen, jedem
Herausgeber als nachahmenswertes Muster hingestellt werden. Es liegt
sehr nahe, Skeats Ausgabe mit der 1901 erschienenen von Holthausen zu
vergleichen (s. darüber diese Zeitschr. 1901, S. 187). So wenig wir uns
der Erkenntnis der verschiedenen Grundsätze nnd Zwecke, die für die Aus-
gestaltung der beiden Ausgaben mafsgebend waren, verschUefsen und so
sehr wir die Vorzüge der Arbeit des deutschen Gelehrten anerkennen —
als Gesamtleistung hat hier der altbewährte Meister unter den englischen
1) Echt pariserisch: detay Subsi, ditay Verb {a palat., a velar).
2) Pierre Laronsse, DicHannaire eomplet ülustri. Tarn, Librairie Laronsse*
474 Nene Philologische Bundschau Nr. 20.
Anglisten zweifellos das Wertvollere geboten. Holthausens Havelok soll
in erster Reihe bei Seminarübongen gebraucht werden und legt das Haupt-
gewicht auf die Textgestaltung. Innerhalb dieser selbstgewoUten Be-
schränkung ist das Buch sehr gut, aber Skeat bietet mehr, eine allseitige
Betrachtung. Bei der Wiedergabe des Textes zwar, für den fibrigens
selbstverständlich Holthausens wichtige Ergebnisse mit gebfihrender An-
erkennung verwendet werden, verzichtet ej auf ein äufseres, für den An-
fänger freilich sehr schätzenswertes Mittel, dessen sich Holthausen mit
Vorteil bedient hatte, durch Längen- und Unterscheidungszeichen das
Lesen zu erleichtern; er druckt in der gewöhnlichen Weise. Bezüglich
der Wortformen stellt er die allgemein übliche me. Schreibweise her, gibt
aber natürlich über jede, auch die kleinste Abweichung sorgfältige Auskunft
in den Fufsnoten. Die erklärenden Anmerkungen (S. 103 — 126) sind sehr
viel reichhaltiger als die Holthausens, und einen ganz besonderen Wert,
namentlich für den Gebrauch von Studenten, legen wir auf das vorzüglich
gearbeitete vollständige Wörterbuch (S. 127 — 168), dem noch ein
Verzeichnis der Eigennamen folgt. Das Schönste an der Ausgabe aber
ist die glänzende Einleitung , die alle in Betracht kommenden Fragen mit
meisterhaftem Geschick zu erörtern weifs, ohne dabei in Weitschweifigkeit
zu ver&Uen. Sie handelt zuerst über die früheren Ausgaben, gibt eine
eingehende und sorgfältige Beschreibung der Handschrift und verweilt
ausführlich bei ihrer Orthographie, deren Seltsamkeiten geistvoll und un-
gezwungen durch den überzeugend erbrachten Nachweis erklärt werden,
dafs der Schreiber ein geborener Normanne war und die englischen Worte
eben einfach nach anglo - französischer Manier sprach und schrieb. Es
folgen dann Angaben über grammatische, dialektische und metrische Ver-
hältnisse ; diesen wendet Skeat wieder seine besondere Aufmerksamkeit zu
und stellt dabei ein allerdings nicht ganz einfaches Schema von 16 Vers-
typen auf. Den zweiten Hauptteil bildet eine musterhaft klare, wenn
auch knappe Übersicht über den Stoff, seine verschiedenen Bearbeitungen,
deren Beziehungen zueinander und seine sonstige Geschichte. Dann werden
noch die örtlichen Überlieferungen und das grolse Siegel von Qrimsby
besprochen, und eine gediegene Bibliographie bildet den Abschluls. Als
Abbildungen sind zwei Tafeln mit dem Grimsbyer Siegel und einer Seite
der Handschrift beigegeben. — Mit dem Ausdruck herzlichen Dankes
schliefsen wir diese kurze Anzeige des trefflichen Buches.
Breslau. H. JantzoB.
's
Nene Philologische BnndBchan Nr. 20. 475
250) E. RooB, Nathaniel Hawthome, Wonder Book for Boys
and Girls. (Student Tauchnitz Editions.) Leipzig, Tancbnitz,
1900. Xn u. 107 S. 8. Ji -.80.
ÄDinerkiiDgeii und Wörterbnch dazn 56 S. Ji --. 40.
Die klassischen Mythen von Perseus, Midas, Epimetheos and Pandora,
Herkules, Philemon und Baucis bilden den Gegenstand dieses hübsch aus-
gestatteten BQchleins, dem eine Biographie Hawtbomes nach Henry James
als Einleitung dient. Dem Wörterbuch geben Anmerkungen sachlicher
and grammatischer Art voraus, aber ohne jegliche bei griechischen Namen
doch so notwendige Beihilfe zur Aussprache und Akzentuierung.
Wenn die Herausgeberin meint, diese Mythen würden von den Kin-
dern gern gelesen, so stimme ich bei, sofern es sich um acht- bis zehnjährige
Mädchen handelt. In unseren höheren Schulen aber kommen die Zöglinge
zum Unterricht im Englischen erst in einem Alter, wo, wie ich fürchte,
der Sinn für solche Märchen bereits geschwunden ist Deshalb glaube
ich nicht, dafs man oft nach diesem „Wunderbuch ^^ als Schullektüre
greifen wird.
Wünborg. Johaanes Joat.
251) Ghistav Ooedel, EtymologischeB Wörterbnch der dentF
sehen Seemannsspraehe. Kiel u. Leipzig, Lipsius & Tischer,
1902. 520 S. 8. geh. .4J 7. ~ ; geb. .4^ 8.-.
Goedels Etymologisches Wörterbuch ist eine höchst verdienstliche Arbeit,
die einem wirklichen Bedürfnis abhilft. Das Buch wird zunächst sehr
dankbar von denjenigen höher gebildeten Seeleuten begrüfst werden, welche
sich für die Herkunft ihrer oft so seltsamen Fachausdrücke interessieren;
nicht minder willkommen wird es vielen „Landratten** sein, denen die
jedem Worte beigefügten sachlichen Erklärungen manche unklare Stelle
in Marineberichten und Seeromanen aufhellen können; ganz besonderen
Dank aber wird dem Verf. natürlich die germanistische Wissenschaft
zollen, namentlich wegen der zahlreichen Belege aus seemännischen Ur-
kunden und Fachschriften, welche er in seinem Buche zusammengebracht hat
Zu einer eingehenden Würdigung des mit grofsem Fleiise und im
allgemeinen mit tüchtiger Sachkenntnis gearbeiteten Werkes ist hier nicht
der Baum. Wir stimmen in dieser und jener Einzelheit nicht mit Goedel
überein. So möchten wir z. B. altnord. hröf nicht mit altnord. rtefr
(S. 391) zusammenbringen. — Qala kommt wohl kaum aus dem Ära-
476 Nene Philolo^sche Rundschau Nr. 20.
bischen (S. 168; vgl. Körting, Lateinisch -fiomanisches Wörterbuch ^
Nr. 4197). — Die Bedeutnngsentwickelung von a&andEonniran wird aus
dem auf S. 1 f. Gesagten nicht recht klar; eine bessere und kürzere Dar-
stellung hätte der Verf. nach Körting, Nr. 1210, geben können. — Das
echtdeutsche Wort Dübel (S. 115; auch Döbel oder Dabei, in Mittel-
deutschland Diä)d ausgesprochen) ist keinesfalls aus dem Englischen ent-
lehnt, vgl. Kluge, Etymol. Wörterb. unter „Döbel". — Kuff (S. 273)
kann einfach deshalb nicht vom lat. cupa kommen, weil im Niederdeut-
schen das p hätte erhalten bleiben mfissen, wie im bremischen „Küper"
(hoUd. huiper, engl, coqper) = hd. Küfer; die Frage der Herkunft des
Wortes hätte wohl eine eingehendere Behandlung verdient. — In amir-
äl-bähr (S. 11) darf man das al nicht als „Genitivpartikel" bezeichnen;
es ist nur der kasuslose Artikel: das Genitivverhältnis wird durch die
Nachstellung des Wortes bahr bezeichnet. (Der Artikel „Admiral"
enthält übrigens viel Interessantes; zur Ergänzung vgl. wieder Körting
Nr. 602). — Nicht recht einleuchten will uns auch in einigen Punkten
die Auseinandersetzung über Messe (S. 330 ff.). Der Verf. erlaubt sich
hier eine Anzahl Gleichungen, die zum mindesten als sehr kühn be-
zeichnet werden müssen. — Schäkel (Kettenring, Kettenring S. 403) hängt
wohl mit Schaken (engl. shaJoe, wovon shacMe) zusammen (vgl. Skeat.
Etymol. Dict.), keinesfalls aber mit Schacher „Räuber". — Wake (offene
Stelle im Eise (S. 503) ist nicht mit weich zusammenzustellen, siehe SkecU
unter wake (2) und weak, — Der Fisch torpedo (S. 486) führt seinen
Namen nicht von seiner plumpen Gestalt, sondern von der Lähmung und
Erstarrung, die er durch seine Berührung erzeugt (Georges, Lat. Lexik,
sub verbo). — Die auf S. 78 ff. gegebene Ableitung des Wortes Brabank
enthält wieder einige sehr bedenkliche Gleichungen, denen wir wenigstens
nicht beipflichten möchten. — Dafs G. überhaupt in lautgeschichtlichen
Fragen mitunter etwas eigene Wege geht, möge folgende Stelle beweisen,
die wir, weil sie kennzeichnend ist, ausführlich wiedergeben wollen. „Die
Dirk", heifst es auf S. 108, „sei es als Piek&U, sei es als Baumdirk,
dient zum Aufkoppen, man aieht also etwas damit in die Höhe. Es mag
daher der Begriff , ziehen* in Betracht kommen, der in dem niederdeutsch-
niederländischen Zeitwort trecken steckt; es hiefs dieses im Gotischen
trikan. Davon konnte leicht ein Substantiv trik gebildet werden. Da
aber das vorgermanische Thema zu trikan darg ist, so mag trik auch drick
gesprochen worden sein; drick aber konnte leicht, schon in Erinnerung an
>
Neue PhilologiBche Bnndschan Nr. 20. 477
darg, aber anch sonst durch Metatbesis leicht zu dirk werden, so daTs die
Dirk also ein Ziehding wäre/^ — Doch soll unsere negative Kritik nicht
zu sehr die wirklich sehr anerkennenswerten positiven Verdienste des Verf. in
den Schatten stellen. Sein Buch bringt im ganzen soviel Wertvolles und
Neues, dafs es jedenfalls als eine sehr dankenswerte Bereicheruug der
etymologischen Literatur bezeichnet werden mufs. Bei der nächsten Auf-
lage könnte vielleicht eine alphabetische, die Titel genau angebende Liste
der benutzten Literatur hinzugefQgt werden, und die einförmige Seiten-
überschrift, „Etymologisches Wörterbuch** würde zur Erleichterung des
Nachschlagens am besten durch Stichwörter ersetzt. F. P.
252) W. L. Sieger, Ziffem-Orammatik, welche mit Hilfe der
Wörterbücher ein mechanisches Übersetzen aus einer Sprache in
alle anderen ermöglicht. Graz, Verlagsbuchhandlung „Styria^S
1903. XII u. 196 S. 8. geh. Jt 4. -.
Mit Hilfe eines Ziffern- und Satzzeichensystems, über das wir uns
hier nicht des näheren verbreiten können, bestimmt der Verf. die Satz-
teile, Wortkategorien, Numeri, Kasus, Aktionsarten, Zeitstufen, Modi usw.
der inneren Sprachform, welche der Gleichmäfsigkeit des menschlichen
Denkens wegen in allen einigermafsen entwickelten Sprachen auf die eine
oder die andere Weise und mit verschiedenem Umfange der Differenziie-
rung zum Ausdruck kommt. Beim Übersetzen wird jeder Satz gleichsam
umgebrochen, d. h. diejenigen Wörter, welche eine konkrete oder abstrakte
Substanz, eine Eigenschaft, einen Zustand oder eine Tätigkeit bezeichnen,
zum Teil auch die Adverbien und Konjunktionen, werden einfach in der
Form niedergeschrieben, in welcher sie in den Wörterbüchern angegeben
sind: die Verbindung der Wörter zum Satze wird durch die Beisetzung
von Ziffern vollzogen. Der Satz
Ich komme morgen früh nach London
wird z. B. folgendermafsen umgebrochen:
1 kommen london 51 morgen 56 früh 56
Dabei bezeichnet die 1 vor kommen die 1. Person, das Fehlen einer
weiteren Ziffer den Singular und das Präsens, die 51 bei london gibt
an, dafs das Wort auf die Frage wohinein? antwortet, und die 56 bei
morgen und früh, dafs diese Adverbien auf die Frage wann? stehen.
Der so umgebrochene Satz wird dann unter Aufsuchen der einzelnen
476
Neue Philologisohe Bnndsoban Nr. 20.
(in the morning) 56
matin 56
rano 56
del moricciuolo
sopra moricduolo 5
über
über
niedrige Mauer 5
die niedrige Mauer.
Wörter im Lexikon mit Beibehaltung der Nummern ganz mechanisch in
eine beliebige Fremdsprache fibersetzt, z. B.:
engl: 1 (to come) london 51 (to-morrow) 56
fram.: 1 venir londres 51 demain 56
poln.\ 1 przybyd londyn 51 jutro 56
So lautet der italienische Satz
Lanciö un' occhiata al di sopra
umgebrochen:
03 lanciare —0 occhiata 4.006
deutsch:
03 werfen —0 blick 4.006
und in idiomatisches Deutsch fibertragen:
er warf einen blick
Die 0 vor 3 bezeichnet die Mitvergangenheit, die 3 selbst die
3. Person Singularis (die 3. Plur. wäre = 30); —0 = Artikel ein
(0 allein wäre „der, die, das", „1^^ wäre das Zahlwort „ein"); 4 = Ac-
cusativ Singularis (40 wäre Acc. Plur.), usw.
Der Verf. hat seine Idee in äufserst sinnreicher Weise durchgeführt
und an zahlreichen komplizierten Beispielen gezeigt, in wie weitem Umfange
die Methode sich anwenden läfst. Linguistisch geschulten Köpfen wird
ein Versuch, nach der Zifferngrammatik zu arbeiten, jedenfalls nicht un-
interessant sein. Ob die Sache aber im geschäftlichen Verkehr, fllr wel-
chen Bieger seine Methode in erster Linie bestimmt hat, praktische Ver-
wendung finden kann, ist eine andere Frage. Man darf einerseits nicht
vergessen, dafs das Umbrechen der Sätze nach Biegers Vorschriften doch
einen ziemlich ausgebildeten philologischen Takt voraussetzt, den man sich
nur durch das Studium einer gewissen Zahl fremder Sprachen, kaum durch
eine rein abstrakte Theorie ohne konkrete Grundlagen erwerben kann,
und dafs andererseits die Vieldeutigkeit mancher Wörter diejenigen, welche
ohne nähere Kenntnis der Sprache, in die sie übersetzen wollen, ganz
mechanisch nach dem Lexikon arbeiten, zu Irrtümern verleiten kann, gegen
welche das bekannte „gargon: Knabe, Bube, Junge, Junggeselle, Hage-
stolz, Geselle, Diener, Knecht, Laufbursche — Kellner!!** noch wenig
besagen will, und die im kaufmännischen Leben unter Umständen geradezu
verhängnisvoll werden können.
Die einzige Lösung der Spraehenfrage im internationalen Verkehr ist
nach unserer Ansicht die allgemeine Einigung fiber die Erhebung eines
'S
Neue Philologische Bnndschau Nr. 20. 479
bestimmten Idioms zur Weltsprache. Nachdem das Volapflk nnd ver-
schiedene andere Kunstsprachen kläglich gescheitert sind, wird man sich
wohl oder übel für eine der auf natürlichem Wege entstandenen Eultur-
sprachen entscheiden müssen, und zwar kann unter den jetzigen Zeit-
verhältnissen eigentlich nur das Englische in Betracht kommen: das-
selbe Ist bereits über den ganzen Erdball verbreitet, es ist in seinen
Elementen leicht erlernbar, besitzt in seiner Fähigkeit zur gröfsten Kürze
im Ausdruck eine namentlich für den telegraphischen Verkehr sehr schätzens-
werte Eigenschaft und bietet dem, der zu eingehenderer Lektüre Zeit und
Lust hat, in seiner gewaltigen Literatur eine Fülle idealer Anregungen,
die ihm jede zunächst für praktische Zwecke aufgewandte Mühe hundertfach
belohnen. Einen solchen allgemeinen Bildungswert besitzt jedenfalls kein
noch so geistreich ersonnenes sprachliches Kunstsystem.
Beiläufig werde hier noch an eine in ganz anderer Absicht als in der
Ziffemgrammatik unternommene Algebraisierung sprachlicher Gebilde er-
innert, welche im vorigen Jahrgang dieser Zeitschrift auf S. 70 ff. besprochen
worden ist. Über Leibnizens hier ebenfalls zu nennenden Entwurf
einer „allgemeinen Charakteristik^^ und die partielle Ausführung der-
selben in Tredes „Vorschlägen zu einer notwendigen Sprachlehre^* ver-
gleiche man tTberweg-Heinze und die dort angeführte Schrift von
Trendelenburg in histor. Beitr. z. Philosophie III, Iff.
Bieger vrill übrigens zu dem vorliegenden Teile der Zifferngrammatik
noch ein Supplement veröffentlichen, das sich hauptsächlich auf die Schrei-
bung von Eigennamen beziehen soll.
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Professor Dr. R. Schnee.
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480 Nene Philologiflche RimdachAii Nr. 20.
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Bestellungen nehmen alle Buchhandlungen, sowie die Postanstalten des In- und Auslandes an.
Insertionsgebfihr fDr die einmal gespaltene Petitzeile 80 Pfg.
Inhalt: Bezensionen: 253) Ernst Nachmanson, Laute und Formen der
Magnetischen Inschriften (Fr. Stolz) p. 481. — 254) Herrn. Beich, Der
Mimus (W.) p. 483. — 255) A. Spengel, Zur Geschichte des Kaisers Tiberius
(Ed. WolflE) p. 487. — 256) Alf Tor p, Etrusldsche Beitrage (H. Schaefer) p. 491. —
257) H.V. Hilp recht, Die Ausgrabungen im 6^1 -Tempel zu Nippur (B. Hansen)
p. 493. — 258) H. Gunkel, Israel und Babylonien (B. Hansen) p. 494. —
259) Ludw. Klinger, Victor Duruy: Bägne de Louis XIV (K. Holtermann)
p. 495. — 260) G. Stier, Causeries Fran^aises (K. Engelke) p. 496. —
261) G. H. Sander, Das Moment der letzten Spannung in der englischen
Tragödie bis zu Shakespeare (Drees) p. 497. — 262) Johns Hopkins üniversity
Oirculars (n) p. 498. — 263) E. A. Toreau de Marney, First Step to English
Conversation (E. Hansen) p. 5(X). — 264) W. H. Crump, English as it is
spoken (Fr. Blume) p. 501. — 265) Fr an Filologiska Föreningen i Lund
(B. Eöttgers) p. 501. — Anzeigen.
253) Ernst Nachmanson, Laute und Formen der Magne-
tischen Inschriften. Upsala 1903 (Leipzig, 0. Harrassowitz).
XVI u. 199 S. 8.
Es sei gestattet, diese Besprechung an eine Äufserong von Wilamowitz
in den Gott. gel. Anz. vom Jahre 1900, S. 566, anzuknüpfen, welche sich
in einer ausführlichen Anzeige des Buches von Otto Kern, Die In-
schriften von Magnesia am Mäander (Berlin, 1900) findet. „Ein ganz
einziges Interesse wird nur die Sammlung von Briefen und Psephismen
der verschiedenen Orte erwecken, die der Aufforderung der Magneten
nachkommen , den Kult und die Spiele ihrer Göttin ^) sozusagen als pan-
hellenisch und ihr Gebiet als unverletzlich anzuerkennen." Der Verf.
unseres Buches hat jedoch nicht diese von den Magneten aufgezeichneten
fremden Inschriften in erster Linie im Auge, sondern vielmehr die mag-
netischen Inschriften im eigentlichen Sinne des Wortes, um an ihrer Hand
zu zeigen, in welcher Weise sich die Laute und Formen des magnetischen
1) Artemis Leukophrys oder Leukophryene (Leukophryne).
482 Neue Philologische Bnndschan Kr. 21.
Dialektes im Laufe von etwa acht Jahrhunderten entwickelt haben. Denn
auf einen so langen Zeitraum erstrecken sich unsere Inschriften, von denen
die ältesten, allerdings nur vier an der Zahl, in das vierte vorchristliche,
die beiden jüngsten datierbaren in das vierte nachchristliche Jahrhundert
gehören. Neben den von den Magneten selbst aufgestellten Inschriften in
ihrer eigenen Mundart können auch die früher erwähnten fremden dialektisch
abgefafsten Inschriften, weil sie von magnetischen Steinmetzen aufgezeichnet
sind, in beschränktem Mafse zur Aufhellung der magnetischen Sprach-
geschichte dienen, während die in der xoti^ abge&fsten fremden Inschriften
sehr reiches Material zur Vergleichung bieten. Doch hat sich der Verf.
nicht damit begnügt, nur diese Inschriften zum Vergleiche mit der mag-
netischen Mundart heranzuziehen, sondern auch andere gemeingriechische
(gelegentlich auch dialektische) Inschriften, insbesondere aus Eleinasien
zur Vergleichung herangezogen. Dadurch ist ein höchst dankenswerter
Beitrag zur griechischen Sprachgeschichte, insbesondere und hauptsächlich
zur Geschichte der *xoty^' zustande gekommen, der eine sehr willkom-
mene Ergänzung der auf dieses Gebiet sich bezielienden Arbeiten von
Dieterich, Schweizer, Tbumb u. a. bildet. Mit Ausnahme nämlich zweier
der ältesten Inschriften, welche man als rein ionisch charakterisieren darf,
sind alle in der Gemeinsprache, welche bekanntermafsen den einheimischen
Dialekt auf ionischem Sprachgebiete am frühesten verdrängt hat, abgefafst,
wenn auch in einigen Dekreten des 3. Jahrh. diese Gemeinsprache noch mit
einzelnen lonismen durchsetzt ist. Wenn ich oben bemerkt habe, dafs unsere
Arbeit insbesondere und hauptsächlich als ein wertvoller Beitrag zur grie-
chischen ^Yjoivfi betrachtet werden müsse, so gilt dies, wie auch schon
durch meine oben stehende Bemerkung angedeutet ist, vornehmlich in
dem Sinne, dafs der Verfasser dieser Spezialuntersuchung der magnetischen
Inschriftensprache bei der eingehenden und höchst sorgfältigen Behandlung
der einzelnen Laute und Formen auch die Sprache der übrigen in der
^%OLYf{ abgefafsten Inschriften, in erster Linie die der pergamenischen,
deren Grammatik bekanntlich E. Schweizer geschrieben hat, zu beständigem
Vergleiche heranzieht. Im übrigen ist dem Verf. stets streng vor Augen
gehaltener Hauptzweck, in erschöpfender Weise speziell die nach den In-
schriften sich ergebende Entwickelung der Sprache der Magneten dar-
zustellen, und dem entspricht auch die am Schlüsse stehende Zusammen-
fassung, in welcher in zwei Kapiteln der lehrreiche Versuch gemacht ist
darzustellen, „einmal wie sich das Ionische in Magnesia koinisierte und
Nene Philologische Bnndschau Nr. 21. 483
sodann wie sich die so entstandene yLOtv/j weiter entwickelt hat^^ Aus
den lichtvollen Auseinandersetzungen des Verf. begnüge ich mich be-
sonders hervorzuheben, dafs „eine spezifisch attische Form in Magnesia nicht
durchgedrungen*' ist (S. 174), was besonders im Gegensatze zur Sprache
der königlichen pergamenischen Eanzlei, die spezielle Attizismen aufweist,
hervorgehoben werden soll. Allerdings macht sich auch in der Sprache
der magnetischen Inschriften der Einfiufs der attizistischen Reaktion der
Eaiserzeit, vor allem des 2. Jahrb., bemerkbar.
Da bekanntermafsen über die Entstehung der griechischen xoti^
Meinungsverschiedenheiten herrschen, die ich als bekannt voraussetzen
darf, dürfte es angezeigt erscheinen, ausdrücklich hervorzuheben, dafs der
Verfasser unserer Schrift, der sich mit Absicht auf die Darstellung der
Sprache der magnetischen Inschriften eingeschränkt hat, S. 175 bemerkt:
„Wie nun im grofsen und ganzen bei der Ausbildung der yuovm/i der Anteil
der übrigen Dialekte im Vergleich mit demjenigen des attischen und
des ionischen nicht gerade hoch anzuschlagen ist, kommt ein solcher auch
für Magnesia hier nicht viel in Betracht/*
Am Schlüsse dieses orientierenden Referates sei ausdrücklich darauf
hingewiesen, dafs die vorliegende Arbeit in jeder Hinsicht als eine vor-
zügliche Leistung bezeichnet werden mufs.
Innsbruck. Fr. Stolz.
254) Hermann Reich, Der Mimus. Ein litterar -entwickelungs-
geschichtlicher Versuch. I 1: Theorie des Mimus. I 2:
Entwickelung des Mimus. 2 Bände. Berlin, Weidmann,
1903. XII u. 900 S. 8.
Von dem reichen Inhalte dieses grofs angelegten Werkes, das von
erstaunlichem Fleifs und umfassender Belesenheit zeugt, im engen Bahmen
einer Anzeige ein vollständiges Bild zu geben, ist ganz unmöglich. Not-
gedrungen müssen wir uns daher auf ein paar Andeutungen beschränken,
die die Leser dieser Zeitschrift, soweit sie Interesse für derartige Fragen
haben, veranlassen sollen, sich selbst mit dem Buche zu beschäftigen; wir
sind überzeugt, keiner wird es ohne Bereicherung an Kenntnissen und
Anregungen aus der Hand legen.
„Die ganze klassische Literaturgeschichte erscheint heute eigentlich
als eine Geschichte des literarischen Idealismus. Aas diesem Meere des
Idealismus erheben sich eine Anzahl Trümmer realistischer Art vne
4M Nene Pbilolofrische Bondsohati Nr. 21.
Brachstficke eines untergesunkenen Kontinents. Sie sind die letzten
Zeugen einer verschollenen grofsen realistischen Literatur.'^ Als die
eigentliche Grundlage der antiken realistischen Poesie erscheint der Mimus;
seinen Ursprung, sein Wesen und seine Geschichte zu erforschen ist daher
die erste Aufgabe ffir den, der dem literarischen Realismus im klas-
sischen Altertum nachgehen, ihn ergründen und als ein Ganzes erfassen will.
Dürftig ist im ganzen die Überlieferung über den Mimus, wenn man
eine kleine Epoche ins Auge fafst, aber gewaltig schwillt die Flut der
Nachrichten an, wenn man alle die Zeugnisse zusammenstellt, die im
Verlauf zweier Jahrtausende griechische, römische und byzantinische Au-
toren, Heiden und Christen, Schriftsteller jedes Standes und Berufes lie-
fern, nicht zu vergessen die Akten und Inschriften und die bunte Fülle
bildlicher Darstellungen in jeder Gestalt.
Und wenn der Mimus auch eine reiche Entwickelung durchgemacht,
sich den verschiedenen Zeiten, Ländern, Völkern und Sitten angepafst hat,
im Kerne seines Wesens ist er sich doch gleich geblieben; es ist nach
der theophrastischen Definition die fjilfxriaig ßiov, die in typischer Gestalt
ein getreues Spiegelbild des menschlichen Lebens mit all seinen Fehlern,
Schwächen und Schattenseiten bietet, die keine Scheu vor dem Höchsten
und keinen Ekel vor dem Niedrigsten und Gemeinsten kennt, sondern
alles und jedes in ihren Bereich zieht und der Verspottung preisgibt, zur
Belustigung, aber auch zur Erhebung des Volkes aus den Nöten und
Plagen des irdischen Daseins.
Dadurch nun, dafs der Mimus sich allerzeiten und allerorten im
gründe gleich geblieben ist, mag er auch Namen und Form gewechselt
haben, dadurch wird es möglich, die zerstreuten Nachrichten aus weit
getrennten Jahrhunderten in Zusammenhang zu bringen, sie wieder auf-
zureihen als Glieder einer langen Kette und den Faden der Entwickelung
vom grauen Altertume bis auf die Gegenwart zu verfolgen.
In den niedrigsten Schichten des Volkes ward der Mimus geboren;
aus den mimischen Tänzen der Fruchtbarkeitsdämonen ging die drama-
tische Volkspoesie der Griechen hervor. Vom Lande, seiner Heimat, drang
der Mimus in die Städte; je mehr die Massen an Macht und Bedeutung
gewinnen, desto mehr tritt er in den Vordergrund, steigt aus der Tiefe
des Volkes empor in die Begionen, da bisher die idealistische Poesie allein
geherrscht, drängt diese Schritt für Schritt bis zum endlichen Siege zu-
rück und übersteht alle Wandlungen der Zeiten.
'i
Nene Philologische Bandschan Nr. 21. 485
Im 5. Jabrh. y. Chr. taucht der Mimns auf, als Sophron ihn in die
Literatur einführte; in seiner volksmäfsigen Form mufs er viel Slter sein.
In althellenischer Zeit erscheint der Mimus in zwei Formen, als Mimo-
logie oder Prosamimus, und als Mimodie oder gesungener, lyrischer Mimus,
mit Unterarten, als da sind Magodie und Simodie, Hilarodie und Lysiodie,
und Mittelformen, wie Ginädologie und lonicologie, die halb gesprochen
und halb gesungen wurden. Aus der Verschmelzung der beiden Gattungen
des mimischen Pägnions entstand im alexandrinischen Zeitalter die mimische
Hypothese, das mimische Theaterstflck. Sie verbreitet sich über den
griechischen Orient, verdrängt die Menanderkomödie von der Bfihne und
gelangt mit der Ausbreitung der römischen Herrschaft im Osten in die
Hauptstadt des Bömerreiches. Dort sind Laberius und Publilius Syrus
die Klassiker des lateinischen Mimus, Philistion der des griechischen.
Im Westen wie im Osten behauptete der Mimus das Feld, trotzte dem
feindlichen Angriff des Christentums und der Dialektik seiner Kirchen-
väter. Mit dem Untergange des weströmischen Beiches sanken auch die
Theater daselbst in Schutt und Staub und die mimischen Schauspiele fanden
ihr Ende; nicht aber der Mimus selbst. „Die Mimen besannen sich auf
ihren alten Ursprung. Sie waren ja von vornherein nur d'avfxatortowi
und yehmoTtoLoi gewesen. Da wurden sie dann wieder, was sie waren,
Jongleure und Spafsmacher und übten nebenbei die uralte mimische
Kunst ... So retteten sie den Mimus durch das barbarische Mittelalter
in die neue Zeit, wo sie aus Jongleuren wieder Mimen wurden. ^^ Im
griechischen Osten dagegen blieb die alte mimische Kunst in Blüte; auf
der Bühne der Byzantiner herrschte der Mimus unumschränkt weiter, bis
auch hier die fremden Eroberer eine Wandlung schufen. Freilich dem
Mimus bereiteten sie kein Ende; der lebte nach wie vor, nur lernte er
türkisch sprechen und aus dem ixiixoq yeXoiwv wurde der Karagöz, wie
bis auf den heutigen Tag die Hauptfigur des türkischen Puppenspiels
heifst. Denn nicht nur auf der grofsen Bühne hatte der Mimus die
Byzantiner ergötzt, sondern auch auf dem Puppentheater und der türkische
Hajaldschy konnte daran direkt anknüpfen.
Wie Karagöz das türkische Ebenbild des byzantinischen Mimus ist,
so Pulcinella das italienische. Einst war der althellenische phlyakische
Mimus von Hellas nach Italien gegangen und zur Atellane geworden.
Jahrhunderte später hatte die alexandrinische mimische Hypothese ihren
Einzug in Bom gehalten. Nun wanderte nach der Eroberung von Byzanz
486 Nene Philologische Bnndschan Nr. 21.
der Mimus zum dritten Male Dach Italien und wurde nach Aufnahme der
durchs Mittelalter erhaltenen Beste des alten lateinischen Mimus zur
Gommedia dell' arte; Venedig wurde der Ausgangspunkt der Verbreitung
durch die ganze Halbinsel.
„Der Mimus ist der Urquell des mittelalterlichen europäischen Dra-
mas wie des gesamten orientalischen Schauspiels geworden. Aus dem
Mimus heraus hat sich selbst das indische Mysterium entwickelt, wie er
auch noch im mittelalterlichen europäischen Mysterium nachwirkt." Die
Benaissance brachte die Wiedergeburt von Tragödie und Komödie, das
klassische Drama verdrängte den Mimus wieder von der Bühne, „aber in
Shakespeare vereinigen sich beide Ströme der Überlieferung, der klassizistische
wie der volksmäfsige, biologisch-humoristische. So ward das grofse, sogen,
romantische Drama geboren. In ihm ist der Einflufs des Mimus über-
wiegend. Auch das indische Drama ist ja nicht klassisch, sondern roman-
tisch und in seinen Anfängen eine Metamorphose des Mimus."
„ Es gibt keine dramatische Poesie in der Welt aufserhalb des helle-
nischen Einflusses. Es gibt also keine verschiedenen Schöpfungszentren
in der dramatischen Poesie, es gibt nur ein einziges und das liegt in
Hellas." Zu dieser Erkenntnis fuhrt uns das Studium der Entwickelungs-
geschichte des Mimus.
Mit dieser Skizze ist der Inhalt des Werkes nur zum kleinen Teil
angedeutet, aber wir müssen abbrechen, um den zugemessenen Baum
nicht zu überschreiten, so sehr auch manche Abschnitte, wie z. B. der
über die mimische Theorie des Aristoteles und der Feripatetiker, zu näherem
Eingehen verlocken. Einer Empfehlung bedarf das Werk nicht; es spricht
für sich selbst. Möge der zweite Teil nicht allzulange auf sich warten
lassen ^.
Br. W-
1) Ein Versehen findet sich S. 50: ,,Donat meint, der Mimus heüÜst bei den La-
teinern Planipedia wegen der Plattheit seines Sujets und der Qemeinheit seiner Dar-
steller; er gefalle allein Wüstlingen und Verbrechern." Der erste Teil dieser Be-
merkungen bezieht sich auf die Einleitung zmn Terenzkouunentare des Aelius Dona-
tus, der zweite auf den Vergilkommentar des jüngeren Tiberius Claudius Donatus.
Der letztere ist demnach auch S. 69 gemeint, während es sich S. 763 wieder um
Aelius D. handelt.
i
Nene Philologiftche Rnndschan Nr. 21. 487
255) A. Spengel, Zur Oeschichte des Kaiflers Tiberiiu
(aus den Sitzungsberichten der Egl. Bayer. Akad. der Wissensch.,
1903, Heft I). München, Verlag der Akademie (G. Franz)
1903. 63 S. 8.
Spengel ist der Meinung, dafs die alten Historiker, vor allen aber
Tacitus, von Tiberius ein Zerrbild fiberliefert, dafs die Geschichtschreibung
überhaupt, voo einzelnen Werken abgesehen, an der Ehre des „ von Natur
edelmütigen und gutherzigen'* (!) Kaisers einen Justizmord begangen habe;
doch beabsichtigt er keine Apologie des verleumdeten Herrschers, sondern
will nur einzelne Ereignisse aus seiner Begierungszeit nach ihrem ge-
schichtlichen Wert untersuchen und soviel als möglich feststellen. Er
behandelt das Thema gewissermafsen ab integro, auf Grund unmittelbarer
selbständiger Quellenlektüre, um sich nicht durch Rücksichtnahme auf die
überreiche neuere Literatur in seinem Urteil beirren oder hemmen zu
lassen. Deshalb wäre es unangebracht, den Verf. überall daran zu er-
innern, wo bereits Männer, wie Sievers, Merivale, Stahr und andere ähn-
liche Ansichten ausgesprochen und begründet haben. Kurz nach Sievers'
Arbeiten erschien (1855) die Abhandlung von Leonhard Spengel (Über
das erste Buch der Annalen des Tacitus), mit dem der Sohn, wie er nach-
träglich feststellen konnte, in der Auffassung der Feldzüge des Germanikus
mehrfach zusammengetroffen ist.
Die von Sp. erörterten Episoden, recht eigentlich „dunkle'' Funkte
in der römischen Eaisergeschichte, sind folgende: Die Ermordung des
Agrippa Fostumus; Germanikus, und zwar: der Aufstand der Legionen
am Bhein, Germ, im Orient und sein Tod; die Verschwörung des Seianus;
der Tod des jüngeren Drusus.
Zu welchen Resultaten nun gelangt der Verf.? — Agrippa Fostumus
ist weder auf Befehl noch mit Wissen des Tiberius ermordet (oder hin-
gerichtet) worden. Die Tat kann von Augustus oder von Livia aus-
gegangen sein, möglich auch, dafs Sallastius auf eigene Faust gehandelt
hat. Für die Unschuld des Tiberius zeuge u. a. dessen Antwort auf die
Meldung des Centurionen von der vollzogenen Hinrichtung. „Spricht so
(neque imperasse sese sqq.) einer, der sich schuldig weifs?'^ meint Sp.,
als ob er nie davon gelesen, dafs die Verleugnung solcher Mordgehilfen
seitens ihrer Auftraggeber oder Anstifter geschichtliche Kegel ist.
Der Aufstand der germanischen Legionen war nicht gegen Tiberius
gerichtet; nicht einen anderen Kaiser, sondern einen neuen Feldherrn
488 Nene Philologische Bondsohaa Nr. 21.
(Vell. II 125) und bessere BehaDdlung verlangten die Soldaten. Es sei
ein grobes Mifsverständnis der alten Geschichtscbreiber, dars sie annehmen,
Tiberius habe den Oermanikus als Nebenbuhler gefurchtet. — Betreffs
dieses Punktes möchte ich doch Sp. auf die feine Auseinandersetzung
Bankes (Weltgesch. III 47 f.) verweisen, der darüber anders denkt.
Die Berichte des Tacitus über die Feldzüge des Oermanikus leiden an
innerer ünwahrscheinlichkeit. „Einzelne Episoden tragen den Stempel
der Erfindung an sich." Das geht auf die bekannten dramatischen Schil-
derungen, durch welche die Kriegsberichte aus dem „wilden Westen" für
den römischen Leser oder Hörer ihren besonderen Beiz erhielten und an
denen allerdings des Autors ausmalende und kombinierende Phantasie
nicht geringeren Anteil hat als die Übungen der Bhetorenschule und Be-
miniszenzen aus der Dichterlektüre. An der Szene „Armin und Flavus"
haben schon viele Anstofs genommen und sie durch die scharfe Magister-
brille auf ihre äufsere Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit hin geprüft.
Sp. entrüstet sich gar moralisch gegen die „ungereimte Deklamation".
„Wir Deutschen müssen uns dagegen verwahren, dafs Arminius vor dem
heiligen Kampfe für das Vaterland solches Possenspiel getrieben habe." —
Eine sonderbare Anschauung! — Über die gröfsere oder geringere Glaub-
würdigkeit anderer Schilderungen: der nächtlichen Durchwanderung des
Lagers (Ann. II 13), des Traumgesichts des Oermanikus (II 14) u. a. m.
lohnt sich nicht zu streiten. Auch an dem Augurium der acht Adler ^)
glaubt der Verf. seinen Witz üben zu sollen. Dafs diese ungeselligen Baub-
vögel — vielleicht waren es nur Baben — hier gegen alle Begeln der
Naturgeschichte sich in acht Exemplaren zusammengefunden haben sollen,
ist allerdings stark; Hist. I 62 läfst Tacitus, damals in seinen Behaup-
tungen noch vorsichtiger, in der Tat nur einen Adler erscheinen, der
„velut dux viae" dem Heere vorausfliegt. — Aber seine Berichte über
die Bömerkriege im fernen Germanien sind nun einmal besonders reich
1) Spengel spricht irrtümlich wiederholt von zwölf Adlern und yon zwölf Legionen
Warum ihn wohl nicht einer der „Akademischen" Hörer des Vortrages wenigstens
nachträglich anf diesen kleinen Lapsus aufmerksam gemacht und so dessen Festlegung
durch den Druck verhindert hat? — Dafs übrigens hier von einem augurium, nicht
einem prodigium die Bede ist, hätte der Redner doch auch beachten sollen. Von
seiner Interpretationskunst ein Beispiel: Ann. U 8 erratnmque in eo quod non snb-
vexit ... „Es war ein Fehler, dafs er (nur bis zur Mündung der Ems und) nicht
weiter auf dem Meere nach Osten fuhr, da die Soldaten nach den östlichen
Ländern ziehen sollten.'' Was nicht alles in dem Worte subrezit stecken solll
'li
Nene Philologische Rnndschan Nr. 21. 489
an solchen „nnglanblichen'* Begebenheiten. Dafs Sp. sich nicht an den
„Klippen*^ gestofsen hat, die Tacitus (Ann. U 24) an der Ghaukenküste
aufragen iSXst, nimmt mich wunder. Und ist nicht auch der Eap. 18
erwähnte Zug, dafs die Germanen, ihres Erfolges sicher, Ketten ffir die
zu fesselnden Gefangenen mitgebracht hätten, ein oft wiederkehrendes
historisch-rhetorisches Motiv? Nach dieser Bichtung hin liefse sich das
Sundenregister noch erheblich verlängern, — wenn wir uns auf den
höchst einseitigen Standpunkt Spengels stellen wollten.
An eine Vergiftung des Germanikus, durch wen auch immer,
glaubt der Verf. nicht und bringt für seine Ansicht einige annehmbare
Grunde vor; töricht aber ist die Behauptung (S. 44): „Tacitus unter-
schlägt zwei der wichtigsten Momente, erstens, dafs die Krankheit eine
langwierige war, was den Gedanken an einen Giftmord ohnehin nicht
leicht aufkommen läfst (als ob es keine langsam wirkenden Gifte gäbe!),
zweitens, dafs die Krankheitserscheinungen (nach Plin. 11, 187) andere
waren.'' Sogar das sei „unmöglich, dafs sich Germanikus selbst für ver-
giftet hielt". Seine Reden (Ann. 11 71 f.) seien im Widerspruch mit
den Tatsachen erfunden. Aber, wie Sp. selbst (S. 55) bemerkt, „die
Zeit krankte an Vergiftungswahn"; warum soU denn gerade Tacitus „die
Gelegenheit zum Tadel oder Verdächtigen an den Haaren herbeigezogen
haben?"
Eine „Verschwörung" des Sejanus hat es nach Sp., trotz Jo-
sephus, Jüd. Alt. 18, 181 und Suet. Tib. 65, überhaupt nicht gegeben.
Denn der ausführliche Bericht des Dio (58, 10) enthalte kein Wort von
einer Verschwörung; auch Juvenal Sat. 10, 56 spreche nur davon, dafs
Sejan in Ungnade gefallen sei. Entscheidend aber seien die bei Sueton
(Tib. 66) aus der Selbstbiographie des Tiberius angeführten Worte: Seia-
num se punisse, quod comperisset furere ad versus liberos Germanici filii
sui; also keine Verschwörung gegen ihn, den Kaiser selbst! Auch das
aufopfernde Verhalten Sejans, als er in der Grotte bei Neapel den Kaiser
mit seinem Leibe gegen herabstürzende Steine schützte, beweist, dafs er
„kein Verräter war". Gefehlt habe er aus Eitelkeit, dafs er z. B. dul-
dete, dafs ihm allenthalben Standbilder errichtet und trotz dem kaiser-
lichen Verbot vor diesen Opfer dargebracht wurden; er liefs sein Brust-
bild an den Legionsadlern anbringen, „jedenfalls ohne Wissen und Willen
des Kaisers". Freilich „Sejanus hatte nur insofern Einflufs, als ein grofser
Teil der Senatoren und Beamten ihn bei wichtigen Dingen um Bat
490 Neue Philologisobe Rondschaa Nr. 21.
fragte, bei der Abstimmung sich nach seinen Wünschen richtete und bei
gerichtlichen Verhandlungen verurteilte und freisprach, wie er
es wollte ^^ und doch „darf man sich die Macht des Sejanus nicht
übertrieben vorstellen'' (S. 52); denn „es fehlte auch nicht an Geg-
nern. ... Als Kaiser hätten ihn die altadeligen Familien nie geduldet:
sie hätten sich wie ein Manu (wirklich?) erhoben gegen den Provinzialen,
den Tusker, dessen Vater nur römischer Bitter gewesen war , . .'*,
Die angeführten Sätze ans Spengels widerspruchsvoller Argumeutierung
werden wohl hinreichen, um deren Beweiskraft ermessen zu können. —
Dafs desTiberius Sohn Drusus nicht vergiftet worden, weder von dem eigenen
Vater noch von seiner Frau Livilla (wie sie bei Sueton und Dio heifst;
Tacitus nennt sie, was Sp. übersieht, überall Livia), darin können wir
dem Verf. gern beistimmen. — Auch mit der Schlufsbetrachtung über
die Lektüre des Tacitus in der Schule werden die meisten ein-
verstanden sein, dafs nämlich an solchen Stellen, wo ein nachdenkender
Primaner in die Lage kommen kann, an dem Autor oder aber an seinem
Interpreten irre zu werden, volle Offenheit geboten ist ; amicus Tacitus —
magis amica veritas! Nur weiche ich in der Auffassung einer derjenigen
Stellen, an denen Sp. abfällige Kritik geübt wissen will, völlig von ihm
ab. Ann. I 75 berichtet Tacitus von des Tiberius Teilnahme an Gerichts-
verhandlungen und bezeichnet als unmittelbare Wirkung der kaiserlichen
Assistenz: multaque eo coram ad versus ambitum et potentium preces
constituta, fährt aber fort: sed dum veritati consulitur, libertas corrum-
pebatur (man beachte das Tempus!). Diese Bemerkung hat dem Autor
viel Tadel eingetragen, und doch ist sie vollkommen berechtigt. Die Ein-
mischung des absoluten Monarchen in Sachen der Themis kann mitunter
— berühmte Beispiele zeigen's — dem common sense und der „ Billig-
keit'^ (das bedeutet hier veritas; vgl. Ann. III 16, 14) Geltung ver-
schaffen, wenn ihr von juristischen Scholastikern Gewalt angetan wird;
auf die Dauer aber hiefse es den Teufel durch Beelzebub austreiben;
denn durch stetige Bücksichtnahme auf den Willen des Machthabers, selbst
des intelligentesten und besten, mufs die Selbständigkeit und das Ansehen
der Justiz unfehlbar in die Brüche gehen. In der Begel also, mehr
hat auch Tacitus nicht sagen wollen, kann das willkürliche Eingreifen
des Despotismus in das Gerichtsverfahren für das Gemeinwohl nicht von
Segen sein.
Frankfurt a. M. — Homburg v. d. H. Eduard Wolff.
Nene Philologische Bnndwhaa Nr. 21. 491
256) Alf Torp, EtroBkisohe Beiträge. Erstes Heft. Leipzig,
Joh. Ambr. Barth, 1902. VIII u. 110 S. 8. Ji 6.-.
Zweites Heft, daselbst 1903. VIII u. 144 S. 8. Ji 7.60.
Nach der Begründung der wissenschaftlichen Etruskologie dnrch
Deecke im Jahre 1875 wnrde, mit Aasnahme einiger italienischen Ge-
lehrten, bei den Forschern als einzig richtige Methode die „kombinierende*^
betrachtet, die ohne vorgefafste Meinungen über die Verwandtschaft des
Etruskischen dieses lediglich aus sich selbst zu deuten suchte. Als dann
1882 auch Deecke das Etruskische für eine italische Sprache erklärte,
hielten Pauli und seine Anhänger, zu denen auch Bef. sich rechnet, un-
unentwegt an dem früheren Verfahren fest, mufsten sich aber gestehen, dafs
nach der sicheren Deutung einer Reihe von einzelnen Wörtern und Formeln
das Verständnis der gröfseren zusammenhängenden Texte, besonders auch
der Agramer Mumienbioden, von dem Auffinden einer gröfseren Bilinguis
abhänge. Das Warten auf eine solche wirkte leider hemmend auf die
Fortführung der Einzeluntersuchungen, und Pauli widmete bis zu seinem
1901 erfolgten Tode seine ganze Arbeitskraft dem grofsen etruskischen
Inschriftenwerk, das er zur Hälfte vollendete, während auf der anderen
Seite Deecke, Bugge und Lattes durch Vergleich des Etruskischen mit den
italischen Sprachen, Bugge weiterhin auch durch Heranziehung des Ar-
menischen, Zeit und Mühe verschwendeten.
Es ist dankbar anzuerkennen, dafs der Verf. der zur Besprechung
vorliegenden Hefte durch seine Arbeit der rationellen etruskischen Formen-
und Wortdeutung neue Anregung gegeben hat. Er verfahrt dabei überall
streng „kombinierend 'S ohne sich durch gelegentlicli auftretende schein-
bare Beziehungen zu anderen Sprachen beirren zu lassen. Das erste Heft
behandelt vorwiegend Fragen der etruskischen Flexion, doch kommen
naturgemäfs diese Untersuchungen zugleich auch der Wortdeutung zu gute.
In dem Abschnitt über die Verbalflexion wird mit Abweisung von
Paulis Lokativtheorie das turu in der Form turuce (= dedit) als Partizip
gefafst. Die häufige Form ma wird als „est" gedeutet. Die Grundform
müfste ama lauten, dazu amce „erat" als Präteritum. In der Formel
ipa ama ist ipa Kelativpronomen. Andere Präsensformen auf a sieht der
Verf. in sta (weihen), far^ana (tragen, darbringen), escuna und d^apna
(gewähren), itrtUa und sacnisa (weihen), acnanasa (hinterlassen). —
Neben den Präteritis auf ce gibt es auch solche auf e: ame, iure, leine,
line (exstruxit), alice, cexase, fardnaxe (dedit), ^i/w^e. — Imperative,
492 Neue Philologische Kundschan Nr. 21.
findet Torp in den Formen aSd-, ra&, harc, trin. — mexlum soll „Volk"
ipur „Land" bedeuten, lupu nicht „starb", sondern „ging hinweg". —
Neben der richtigen Übersetzung von avüs „annoruna" (S. 96), sollte die
falsche Auffassung dieser Form als eines temporalen Qenitivs (S. 54. 55. 86)
vermieden sein. — Für die Zahlwörter sucht der Verf. die Folge d^, zdl,
d, sa, max, hud- (= 1 — 6) zu erweisen. Aus dem Abschnitt fiber die
Nominalflexion sei auf die vermeintlichen Pluralformen auf r {d^ansur,
caper, cepa/r) hingewiesen; der Nom. pl. auf tra ist höchst zweifelhaft.
Im zweiten Hefte unternimmt Torp das Wagnis, zusammenhängende
Stellen aus den grofsen Inschriften zu deuten, und zwar aus dem Agramer
Text und dem Cippus Perusinus, während er im Anhang noch die Inschrift
vom Monte Pitti und die Schaleninschrift von Narce behandelt. Für die
Agramer Inschrift gewinnt er als Anhaltspunkte drei Wörter, deren Be-
deutung er zu sichern sucht: vinum (=Wein), vacl (= Spruch) und die
Verbalform nun&end^ (= sagen). In dem ganzen Text sieht er Opfer-
vorschriften. Die Aufschrift des Cippus Perusinus scheint ihm, was auch
sonst schon angenommen wurde, eine Vertragsurkunde zwischen den Fa-
milien Velthina und Afuna zu sein. Die Deutung des im Anfang stehen-
den estta als eines Qenitivs zu es = ego ist sprachlich und sachlich nicht
haltbar.
Dafs wir uns bei solchen Versuchen, wie das zweite Heft sie bietet,
auf sehr schwankendem Boden befinden, hat der Verf. selbst genügend
betont. So läfst sich denn der Gesamteindruck dahin zusammenfassen,
dafs einzelnes anspricht, das meiste aber durchaus zweifelhaft bleibt. Auch
die vom Verf. als Ergebnisse gebotenen Übersetzungen einzelner Stellen
sind wenig vertrauenerweckend. So sollen vier Zeilen des Agramer Textes
bedeuten (S. 83): „Stelle die Opfergabe wie das matam (?), wenn der
verordnete (?) c^en cnticn& das di-nund^en gemurmelt hat (?): ,gut,
heilig ist die Opfergabe, die Opfergabe und (?) das hand^, die Opfergabe,
cetucn, die Opfergabe ad^mitn,''' — Aus der Cippus -Inschrift (S. 103):
„(von den) nap ? {masu srancd?) am Orte der Behälter der Ver-
storbenen besitzt Velthina, freundlich, bei der Halbierung (? d.i. „indem
eine freundschaftliche Halbierung stattgefunden hat"?) die sechs ?
nop". — Sollten sich wirklich die Etrusker so absonderlich ausgedrückt
haben?
Wenn aber somit auch die Ergebnisse dieses zweiten Heftes durchaus
unsicher sind und auch von dem im ersten Teile Gebotenen vieles zweifei-
"S
Neue Philologische Btmdschati Nr. 21. 493
haft bleibt, so ist es doch dem Verf. als Verdienst anzurecbnen, daTs er
der methodischen Etroskologie durch seine scharfsinnigen, klaren und
sachlichen Untersuchungen einen neuen Anstofs gegeben hat. Freilich ist
zugleich auch diese Arbeit, entgegen der Ansicht des Verf., ein neuer
Beweis dafür, dafs wir zu sicheren Ergebnissen in der Deutung des
Etruskischen ohne eine ausreichende Bilinguis schwerlich gelangen werden.
Hannover. B. Sohaefer.
257) H. y. Hilprechty Die Aui%:rabiingen im B61- Tempel
zu Nippnr. Leipzig, J. C. Hinrichs, 1903. 76 S. 8. 56 Ab-
bildungen und eine Karte. Jk 2. — ; kart. Ji 2 50.
Der Verf. berichtet in diesem Vortrage über die von der Universität
von Pennsylvanien veranstalteten Ausgrabungen in den sfidöstlich von Ba-
bylon gelegenen grofsartigen Buinen von Nippur. Nach einer talmudischen
Tradition lag dort das biblische Chaina im Lande Sinear, eine der Hauptstädte
im Beiche Nimrods. Hilprechts Ausgrabungen haben bewiesen, dafs wir
es mit einer sehr alten Siedelung zu tun haben, deren Bifite noch erheb-
lich fiber das Alter Babels hinausgeht; auf den alten Siedelungen ent-
standen später neue, und Hilprecht unterscheidet nach den Funden die
älteste, prähistorisch-sumerische Periode von unbekannten An^gen bis
etwa 4000 v. Chr., die semitisch -babylonische Periode von etwa 4000
bis 300 V. Chr. und die nach babylonische, die griechische, arsazidische,
sassanidische und arabische bis etwa 1000 n. Chr.; seitdem ist der Platz
unbesiedelt. Die älteren Bauperioden mit ihrer Schuttschicht bildeten,
ähnlich wie in Troja, Susa, Born, den Baugrund für die nächstfolgende.
Aufser den Bauwerken, dem Bel-Tempel mit dem gewaltigen Etagenturm,
ist für die Forschung von aufserordentlicher Bedeutung die gewaltige
Masse von Steintafeln mit Keilinschrift; 23000 Täfelchen aus der Zeit
vor Hammurabi &nden sich wohlgeborgen in den Kellern des Tempels,
aufserdem 28000 geschäftliche Urkunden aus dem 2. und 1. Jahrtausend
und 2000 Keilschrifttafeln aus dem 5. und 4. Jahrtausend. Ich kann
hier nicht auf Einzelheiten eingehen, empfehle aber den Vortrag aufs
wärmste, da es auch Pflicht der klassischen Philologen ist, sich mit den
hervorragenden Ergebnissen der Assyriologie bekannt zu machen.
Oldesloe. R. HaaBon.
494 Nene Philolo^sche Bnndschaii Nr. 21.
258) Hennann Ounkel, Israel und Babylonien. Der Einflurs
Babyloniens auf die israelitische Religion. Göttingen, Vanden-
hoeck and Ruprecht, 1903. 48 S. 8. Jf 1.20.
Eine sehr fesselnde Schrift über die Babel-Bibel-Frage. Der Verf.
sucht die Sensation zu erklären, die durch die bekannten Vorträge hervor-
gerufen worden ist, da doch in denselben für die, welche den Fortschritten
der Wissenschaft einigermafsen gefolgt sind, kaum etwas Neues geboten
wird. Die Qrofsmacht der Presse und alle, die aus ihr ihre geistige Nah-
rung entnehmen, haben von der im Stillen gewaltig aufsteigenden Assyrio-
logie eben kaum eine Ahnung gehabt; auch in der evangelischen Kirche
herrschte „eine bejammernswerte Entfremdung von der evangelischen
Wissenschaft ^\ Daneben hat aber, wie der Ver&sser noch hätte betonen
können, das Schlagwort „Babel und BibeP^ viel gewirkt, auf geschickte
Schlagwörter reagiert ja das grofse Publikum am meisten. — Weiterhin
behandelt der Verf. den Einflufs Babyloniens auf die Kultur Israels im
allgemeinen und auf die Religion insbesondere. Er stimmt Delitzsch
durchaus bei in allem, was durch die Entzifferung der Keilschriften, „eine
der glänzendsten Taten des menschlichen Geistes", an sicheren Ergebnissen
gewonnen ist, und rühmt es als ein nicht geringes Verdienst von Delitzsch,
dafs er mutig genug gewesen ist, das Resultat der wissenschaftlichen
Forschang vor jener vornehmen Versammlung auszusprechen und sich dabei
zu der modernen Pentateuchkritik mit aller Offenheit zu bekennen; er
wünscht, dafs die biblischen Geschichten von der Schöpfung, von der
Sündflut, von den Urvätern als „Gedichte" bezeichnet werden; dagegen
erhebt er gegen manche Aufstellungen Delitzschs Einbruch : er weist ihm
mehrere Irrtümer in der Behandlung alttestamentlicher Theologie nach,
tadelt nicht ohne Grund, dafs auch unsichere Hypothesen als erwiesen
dargestellt sind und hebt vor allem hervor, dafs Delitzsch die Fortschritte,
die Israel in der Gottesauffassung gemacht hat, wie sie sich schon in der
Umbildung der Mythen von der Schöpfung und der Sündflut zeigen, nicht
betont, sondern für die Babylonier zn sehr Partei nimmt.
G.s Bedauern, dafs die Kirche die theologische Wissenschaft und ihre
gesicherten Resultate so lange ignoriert hat, ist nur zu begründet, auch
die Furcht, dafs dadurch das Mifstrauen gegen die Kirche steigt; Delitzschs
Verdienst, ein dauerndes Interesse der Gebildeten für die gi'ofsartigen Ent-
deckungen auf dem Gebiete Babels geweckt zu haben, erkennt er dankbar an.
Oldesloe. R. Baasen.
j
Neae Philologische Bnndscban Nr. 21. 495
259) Ludwig Elinger, Victor Duruy: £igne de Louis XIV.
Aus „Histoire de France". Für den Schulgebrauch bearbeitet.
Mit einer Karte, einer Skizze und einer genealogischen Tabelle.
Gotha, Friedrich Andreas Perthes, Aktiengesellschaft, 1903.
Perthes' Schulausgaben englischer und französischer Schriftsteller
Nr. 44. VIII u. 150 S. 8. ^ 1.80.
Der vorliegende Band umfafst die Zeit von 1661—1715 und soll
den ersten Teil eines Auszuges aus Duruys Geschichtswerk bilden. Die
Auswahl dieses Werkes ffir die Elassenlektüre ist recht glücklich. Denn
nach jetzt wohl ziemlich allgemeiner Ansicht mufs die historische Elassen-
lektüre vornehmlich diejenigen Zeitabschnitte berücksichtigen, in denen
die Geschichte Frankreichs die Geschicke unseres Vaterlandes besonders
stark beeinflufst hat. Welche Zeit könnte da, neben der Zeit der Be-
volution und des ersten Kaiserreiches, eher in Betracht gez(^en werden,
als das Zeitalters Ludwigs XIV.? und gerade Duruy mit seiner klaren
und dmchsichtigen Sprache und Darstellung dürfte sich in erster Linie
zur Klassenlektüre eignen. Mit Becht hat der Herausg. der äufseren
Geschichte einen viel breiteren Baum überlassen als der inneren, da jene
ja für unsere Schüler weit interessanter und fafslicher ist als die oft recht
verwickelten inneren Einrichtungen des damaligen Frankreichs. Vielleicht
hätte die Darstellung der letzteren aus dem angegebenen Grunde noch mehr
gekürtzt werden können.
Die Anmerkungen , die mit Becht fast ausschliefslich sachliche Er-
läuterungen enthalten, sind durchweg kurz und bündig gehalten, jedoch
für ihren Zweck völlig ausreichend. Einige Erläuterungen scheinen mir
indessen überflüssig zu sein. Man darf doch von einem Schüler der oberen
Klassen — denn nur auf diesen kann das Buch gelesen werden — voraus-
setzen, dafs er das Wichtigste über Karl V. und Mazarin kennt. Auch
die Bemerkungen über F6n6Ion, die ungefähr dreiviertel Seite einnehmen,
dürften zu weitgehend sein. Etwas sonderbar mutet die Bemerkung
42,13 an zuToll-Huys: „Voltaire, dessen Siöcle de Louis XIV, chap. X,
die folgende Stelle entnommen ist, erklärt das Wort mit „la maison du
p^ge^^ Es lag doch viel näher, hier einfach die hochdeutsche Form
„ Zollhaus ^^ für ToU-Huys zur Erklärung einzusetzen, wenn überhaupt
eine Erklärung notwendig war. — Wenig gefördert scheint mir das Ver-
ständnis der Schüler durch die folgende Bemerkung zu 89, 25 zu sein:
„la maison militaire bildet neben der maison civile die sogen, maison du
496 Neae Philologische Bandschan Nr. 21.
roi, deren Verhältnisse im 17. und 18. Jahrh. geregelt wurden. "^ — Ab-
gesehen Yon diesen geringfügigen Ausstellungen aber kann man sich im
ganzen mit dem Kommentar einverstanden erklären. Eine sehr vrill-
kommene Zugabe zu Elingers Bearbeitung sind die gut ausgeführte Karte
von Frankreich, die Skizze von Paris und Umgebung, sowie die genea-
logische Tabelle der Nachkommenschaft Philipps m. von Spanien.
Somit kann man der auch äufserlich vortrefflich ausgestatteten Aus-
gabe eine recht weite Verbreitung wünschen.
Münster i. W. K. Boltermaiui.
260) G. Stieri CauserieB Fran9ai8e8. 3. Auflage. Cöthen, Otto
Schulze, 1903. XV u. 306 S. 8.
Dem Urteile über dieses Buch mufs notwendig die Frage vorausgehen,
för wen es bestimmt ist. Der Verf. nennt es ein Hilfsmittel för höhere
Lehranstalten, Fortbildungsschulen, Pensionate sowie zum Selbststudium.
Die ersten mufs ich ausschliefsen. Ich möchte wissen, wo die Schule
die Zeit hernehmen sollte, um ein 236 Seiten langes, mit technischen
und anderen Einzelheiten vollgepfropftes Buch zu bewältigen. Für die
Schule sind überflüssig die Abhandlungen über Photographie (S. 232—236),
Wettrennen (S. 156. 157); viel zu ausführlich S. 57—66 (was man in
einem Pariser Speisehause alles ifst), die Kosten einer französischen Be-
stattung (S. 87), telephonische Gebräuche (S. 135), die fraozösischen
Schulen (S. 160—186) u. a. m. Anderseits fehlt mancherlei im Klassen-
unterricht Unentbehrliches, z. B. die Einrichtung des Klassenzimmers;
Dorf, Wald und Feld, wovon einiges sich unter «Wetter» und «Jahres-
zeiten» findet, kommen durchaus nicht zu ihrem Recht. Das ganze Buch
ist zu sehr auf die Stadt, auf Paris, zugeschnitten, dessen Bild auch dem
Kapitel «Stadt» zugrunde gelegt ist. Dem Besucher der französischen
Hauptstadt kann das Werk sehr gute Dienste leisten, vor allem den
Studierenden und den Lehrern, die sich in den Realien unterrichten wollen.
Mit anerkennenswerter Gründlichkeit hat der Verf. seine Causeries auf den
neuesten Standpunkt gebracht. In allen sozialen und kulturellen Fragen:
Familie, Verlobung, Hochzeit, Taufe; Essen; Besuch; höhere Schulen;
Telephon usw. bringt St. die letzte Mode; wobei man sich allerdings des
Gedankens nicht erwehren kann, dafs vieles davon bald nicht mehr «dernier
cri» sein wird.
>
Neue Pbilologischa Bimdschan Nr. 21. 497
Die Darstellung ist recht frisch und lebendig; der Druck fibersicht-
lieh und ziemlich fehlerfrei. Mir ist nur aufgefallen: nous ne sommes
pas de contrebandiers (S. 9), plait (S. 54), la serein (S. 216), r^servoire
(S. 254), Eaffeetromme (S. 255). S. 251 fehlen die Vokabeln tringle
und anneau. Nach der den Satz beginnenden adverbialen Bestimmung
vermiM man häufig das Komma.
Plensburg. K. BBgelke.
261) O. H. Sander, Das Moment der letzten Spannm^
in der englischen Tragödie bis zu Shakespeare. Berlin, Mayer &
Müller, 1902. 67 S. 8. Jf 1.60.
Seit G. Freytag seine Technik des Dramas geschrieben hat, ist damit
ein Hilfsmittel geboten, welches besonders im Schulunterricht, und hier
in oft sehr mechanischer Weise, gern benutzt wird. Die Dramen mfissen
es sich gefallen lassen, sich in das Frey tagsche Schema einzufügen, und
alle Einzelpunkte des Schemas werden an jedem Drama in manchmal
höchst gezwungener Weise herausgeklügelt. So auch das Moment der
letzten Spannung, welches, wenn wirklich vorhanden, unzweifelhaft von
grofser dramatischer Wirksamkeit ist, nicht selten aber bei unbefangener
Beobachtung als nicht vorhanden erkannt wird.
Der Verf. der vorliegenden Arbeit, wahrscheinlich einer Dissertation,
hat sich der Mühe unterzogen, das vorshakespearesche englische Drama
auf diesen Punkt hin zu untersuchen; er hat in den Bereich seiner For-
schung auch das antike Drama, diej[ griechischen Tragiker und Seneca
gezogen, ebenso das lateinische Drama Englands im 16. und 17. Jahrh.
Daran schliefst sich das vorshakespearesche englische Drama; natur-
gemäfs nimmt Marlowe das Hauptinteresse in Anspruch. Der Verf. kommt
zu dem Ergebnis, dafs in den meisten der behandelten Tragödien ein
eigentliches Moment der letzten Spannung nicht vorhanden sei, wohl aber
ein retardierendes Moment vor der Katastrophe. Über das Thema, welches
er sich vorgenommen, geht der Verf. noch hinaus, indem er auf den
letzten zwanzig Seiten auch die wichtigsten Shakespeareschen Dramen
behandelt. Die Arbeit hat eine höchst umfassende Lektüre notwendig
gemacht, ist daher für den Verf. sehr nutzbringend gewesen, doch auch
die Wissenschaft hat Vorteil davon, wenn es auch nur ein sehr enges
Thema der dramatischen Technik ist, welches der Verf. behandelt hat.
Die Richtigkeit der Ergebnisse zu kontrollieren, wäre für den Bezensenten
498 Neue Philologische Bnndschati Nr. 21.
die Lektüre aller Dramen, die besprochen sind, nötig. Die Angabe der
„ Quellen ^^ fflr jedes Drama ist für das Thema überflüssig.
Wernigerode. Drees.
262) Johns Hopkins üniversity CSrcnlars. Vol. XXn. Nr. 163.
Baltimore, Jane 1903. 52 S. 4. geh. 10 Cents.
Das vorliegende Heft der J. H. ü. G. enthält unter dem Titel „Notes
from the Oriental Seminary'^ zunächst eine Reihe von Aufsätzen aus
der Feder Paul Haupt's, nämlich 1) Bible and Babel, eine Be-
sprechung der beiden Delitzsch'schen Vorträge, die in dem Satze gipfelt:
„There is hardly anything new in Delitzsch's lectures on Babel and
Bible; only the German Emperor*s keen interest in these investigations
is something novel.^^ Die Stellungnahme des Kaisers in der Frage wird
dementsprechend auch ziemlich genau erörtert. — Der zweite Aufsatz
„Archseology and Miueralogy'^ bespricht die Wichtigkeit der Mineralogie
als Hilfswissenschaft für die Altertumskunde, mit besonderer Bezugnahme
auf Salomo's Fundorte fQr Gold und Edelsteine. — Zu dritt folgt eine
teitkritische Untersuchung über David's Klagelied auf Saul und
Jonathan (2Sam. 1, 17 — 27), und nach einem kurzen Hinweis auf
Drugulin*s Marksteine (Leipzig 1902) schliefst H. die Beihe seiner
Arbeiten mit der Besprechung einiger Philippinischer Probleme. —
Im übrigen enthält das Heft noch folgende Aufsätze: TheLaws of
Hammurabi and the Mosaic Code und Cuneiform Medicine
von Chr. Johnston; Notes on the Siloam Insription, Sanskrit
Loanwords in Tagälog, Analogies between Semitic and Ta-
gälog, Babylonian and Atharvan Magic von Fr. B. Blake;
The Souneborn Gollection of Jewish Ceremonial Objects
und Some Hebraisms in the New Testament von W. Bosenau.
Femer von G. T. Foote: The Diphthong ai in Hebrew und Some
ünwarranted Innovations in the Text of the Hebrew Bible.
Foote wendet sich in dem ersten dieser Aufsätze mit Becht gegen die
Unsitte vieler Hebraisten, i und *« nicht als Halbvokale, sondern als Spi-
ranten auszusprechen, eine Unsitte, die namentlich bei den Diphthongen ai
(z.B. in"»n, Wj*»,?, Sig'^ttiö) und au {z.B. in ig, Jibi?, ■)ak";i, Tnnn, nyjbti)
zu einer ganz falschen Auffassung des Sachverhaltes verleitet. Im An-
schlufs hieran weifst er nach , dafs man auch n*^ a und &*«» als hait und
maim auszusprechen hat, während die Sache sich bei den analogen Tir
Nene Philologische BimdBohan Kr. 21. 499
und ni» wegen der Länge des a ein wenig anders verhält. Auch die sehr
verbreitete mifsbräuchliche Aussprache von Formen wie 'i!3'i''^5, t3?15» ''^.''.5
und ähnlichen (man vergleiche auch yiN-irr^n Genes. 1, 24, aus *Äaj;afe*-)
mit ajje statt ai wird von ihm mit Recht ad absurdum geführt. Wir
möchten hier beiläufig daran erinnern, dafs das häufige Fehler des
Verdoppelungsdagesch in b, u, \ sich ebenso erklärt, wie die beständige
Weglassung desselben im \ Denn wie z. B. die indogermanischen Ablauts-
reihen zeigen, bildet tautosyllabisches l, r, m, n mit vorausgehendem Vokal
ebensogut einen Diphthong wie tautosyllabisches i oder w. Das ^ kommt
im Hebräischen natürlich hier nicht in Betracht, da n ja überhaupt fast
nie dagessiert wird. Es wäre recht wünschenswert, dafs die Verfasser
hebräischer Schulgrammatiken im ganzen etwas mehr von allgemeiner
Sprachwissenschaft verständen; es würde dann manche veraltete und un-
klare Darstellung lautlicher Vorgänge aus den Büchern verschwinden und
damit den Lernenden mancher ganz unnötige Stein aus dem Wege ge-
räumt werden. Unglaublicher wird namentlich in den Segeln über die
Beghadhkephath-Buchstaben geleistet: statt der so sehr einfachen Erklärung,
dafs vorausgehender Mundöffiiungslaut (Vokal oder lautbares Schwa) einen
folgenden Verschlufslaut halb öflfhet und so zu einem Engen- oder Beibe-
laut (Fricativa oder Spirans [nicht „Aspirata''!]) macht, findet man ge-
wöhnlich ein Netz von unklaren Angaben, in dem der Anfanger sich
hoffnungslos verstricken mufs. — Die letzten Aufsätze des Heftes sind die
folgenden: The Transliteration of Egyptian und Egyptian
Stone Implements von J. T. Dennis; A Modern Guneiform
Congratulatory Message von W. G. Seiple (Bericht über drei originelle
assyrische Oratulationsinschriften auf Tontafeln für den deutschen Verleger
Bost [Firma J. G. Hinrichs in Leipzig] und für Prof. Gilman und
Prof. Gildersleeve in Baltimore); Eecent Papyrus Finds in
Egypt, Tagälog Poetry und The Tagälog Numerais von W. G.
Seiple; Phonetic Differences between the Eastern and Wes-
tern Dialects of Syriac, Origin and Development of the
Arabic Dialects, Mourning Bites and Gustoms in Early
Arabia von G. Oussani; The Words sdraA and nt^man in Isaiah
XXVIII, 25 von W. B. McPherson und The Goronation of Ari-
sto bulus (Psalm 2) von A. Em her. — Den Schlufs des Ganzen bildet
eine Liste der orientwissenschaftlichen Aufsätze, welche in den Johns
Hopkins University Girculars von 1879 — 1903 erschienen sind, und ein
500 Nene Philologiiohe Bandsohan Nr. 21.
Bericht fiber die Tätigkeit des Orientalischen Seminars während des üni-
versitätsjahres 1902/3.
Das neueste Heft ist, wie man sieht, sehr reichhaltig, und manche
der darin behandelten Stoffe sind nicht nur für Fachorientalisten von
Interesse. n.
263) E. A. Toreau de Mamey, Fint Step to English Con-
versatioiL Sprechübungen für Anfilnger im Anschlufs an die
Vorfälle des Tages, erläutert durch idec^praphische Zeichen.
Leipzig, Haberland, 1903. 32 S. 8. geh. Ji i.— .
Der First Step to English Conversation soll gemacht werden mit
Hilfe von nicht ganz 150 Fragen und Antworten, die zum gröfsten Teil
das Tagewerk eines englischen Schülers vom Erwachen an behandeln und auf
Turnen und Spiel besonders fiücksicht nehmen. Diesen Fragen und Ant-
worten ist jedesmal eine phonetische Umschrift und eine Übersetzung bei-
gefügt. Das Neue an dem Büchlein bilden die jeder Frage vorangestellten
ideographischen Zeichen, die mit wenigen Strichen eine menschliche Figur
andeuten, die eine der betreffenden Frage zugrunde liegende Handlung
ausführt. Diese Zeichnungen sind flott, teilweise mit Humor aus-
geführt, so dafs man sich sogar an die besten humoristischen Strichzeich-
nungen der „Fliegenden Blätter** erinnert fühlt. Doch dürfte es oft recht
schwer fallen, den Inhalt der Frage nur aus dem ideographischen Zeichen
zu erraten. Manche Fragen sind inhaltlos (Do you open the door? —
Tes, and my mother shuts it), andere für die nächsten Bedürfnisse prak-
tischer Eonversation unnötig (Do you circle the horizontal bar? •— Do
you do exercises at the rings? Tes, Sir, I do exercises at the rings. —
Solcher Stumpfsinn gehört wirklich nicht in höhere Schulen !) Die deutsche
Übersetzung ist oft steif, auch das Englische klingt oft nicht recht idio-
matisch (Drink it whiM it is bot). Daher glaube ich nicht, dafs „nach
eingehendem Studium dieses Büchleins jede mäfsig begabte Person imstande
sein wird, eine Eonversation in der fremden Sprache zu führen **, wie der
Verf. in der Vorrede meint, oder dafs man gar dadurch „die englische
Eonversation leicht und spielend erlernen" könne, wie das von der Ver-
lagshandlung beigelegte, vollständig druckfertige „Schema zu einer Be-
sprechung" behauptet. Als Hilfsmittel für die in den neuen Lehrplänen
besonders geforderten Sprechübungen über die Vorgänge des täglichen
Lebens brauchen wir praktisch ausgewählte und klar geordnete Wörter-
Neue Philologische Rundwhaa Nr. 21. 501
Sammlungen mäfsigen ümfanges, aber nicht derartige Zusammenstellungen
von zum Teil inhaltlosen Fragen und Antworten, die die freie Tätigkeit
von Lehrer und Schäler nur hemmen und zu gedankenlosem Hersagen
und Plappern verführen. Ich kann daher das Büchlein für den Gebrauch
in höheren Schulen nicht empfehlen.
Flensburg. Ernst Hansen.
264) W. H. Cromp, English as it is spoken. I3th Edition-
Eevised and brought up-to-date by T. W. Boughton-Wilby. Berlin,
F. Dümmler, 1903. VI u. 124 S. 8. geb. Jü 1.80.
Eine Bestätigung des im Jahrg. 1900, S. 165 der „N. Phil. B." von
mir über das vorliegende Bach gefällten günstigen Urteils ist es wohl,
dafs bereits nach drei Jahren eine neue, die dreizehnte Auflage nötig ge-
worden ist. Die in jener Besprechung erwähnten kleinen Versehen sind
bis auf die unenglische Silbentrennung wai-ting und remin-ding (S. 28)
(statt wait-ing und remind-ing) berichtigt worden. Sonst stimmt die
dreizehnte Auflage mit der vorhergehenden genau überein. Das Büchlein
sei nochmals zum praktischen Studium der englischen Umgangssprache
bestens empfohlen.
Wilmersdorf-Berlin. Pr. Blnme.
265) Fran Filologiska Föreningen i Lund. Sprakliga upp-
satser II. Lund, J. G. Moellers Universitätsbuchhandlung, 1902.
35; 20; 8; 12; 32; 6; 11; 32 S. 8.
Den Romanisten interessieren in diesem Sammelhefte drei Aufsätze:
1. Hilma Borelius, Etüde sur l'emploi des pronoms
personnels sujets en ancien fran9ais.
2. E. Walberg, Etüde sur la langue du ms. ancien fonds
royal 3466 de la biblioth^ue royale de Gopenhague.
3. Ftederik Wulff, Trois sonnets de Pötrarque selon
le ms. sur papier, Vat. 3196 (et une rectification).
1. In dem ersten Aufsatze kritisiert die Verf. zuerst die 1882 er-
schienene, das gleiche Thema behandelnde Dissertation von P. Nissen,
deren Ergebnisse kurz angeführt werden, in der indefs die einschlägigen
Verhältnisse der untergeordneten Sätze kaum berührt werden. Die Verf.
betont dafs ihre von anderen Gesichtspunkten ausgehende Arbeit weder die
Einzelheiten von Nissens Abhandlung berichtigen noch vervollständigen solle.
502 Nene Philologiaehe Rnndsehaa Nr. 21.
Nach einigen Angaben Aber die Setzung oder Nichtsetzung des Pr. suj.
in Hauptsätzen bei Ghrestien de Troyes geht Verf. zur Besprechung der Er-
scheinung in Nebensätzen Aber und stellt die Regel auf, dafs das Pr. suj.
nicht verwandt wird, wenn zwischen einleitender Partikel und Verbum
ein anderer Satzteil steht (ausgenommen die IV. pers. atones [au cos
regime] sowie en, y, ne)^ dafs es im anderen Falle gesetzt wird. Diese
Begel wird durch zahlreiche Beispiele als richtig bewiesen. Dafs übrigens
Ausnahmen nicht fehlen, zeigt Bol. 1848, nach 0: 8% est blecä ne quit
que anme i remaigne u. a. In den Fällen, wo auf das Bindewort (im
weiten Sinne) ein pr. pers. atone oder en, y, ne folgen, bleibt die Ver-
wendung des Pr. suj. während eines beträchtlichen Zeitraumes ziemlich
unbestimmt, was ebenfalls durch Beispiele belegt wird. Sodann folgt die
Betrachtung derjenigen Fälle, wo in den untergeordneten Sätzen dem
Verb nur ein tonloses Personalpronomen oder die Negation ne vorangeht.
In diesem Falle bleibt die Setzung oder Nichtsetzung des Subjektspronomens
lange unbestimmt. Bei den Beispielen, die hier gegeben werden, ist wie
auch schon bei den vorher und bei Nissen angefahrten nicht zu übersehen,
dafs Untersuchungen dieser Art durch metrische Beispiele allein keine sichere
Grundlage erhalten, da über die Setzung oder Nichtsetzung der betreffenden
V^örtchen sehr oft metrische Gründe entschieden haben werden. Allerdings
läfst sich eine allgemeine Tendenz in der von der Verf. angegebenen Bichtung
beweisen. Diese Tendenz bringt es natürlich dann mit sich, dafs unter
denselben Vorbedingungen allmählich auch das Pron. impers. sujet sich
mehr und mehr einbürgert, zunächst hauptsächlich vor es^ -j- Adj. Auch hier
spricht Verf. hauptsächlich von den untergeordneten Sätzen und stellt u. a.
fest, dafs bei denen der zweiten Art in Ghrestien de Troyes durchweg das
unpersönliche Fürwort gesetzt ist. Auch in Aucassin und Nicolete scheint
die von der Verf. aufgestellte Begel beobachtet. Ebenso wird sie bestätigt
durch die Beispiele in der bekannten Arbeit von Horning, ohne dafs dieser
allerdings die Wichtigkeit der ViTortstellung für diese Frage in Betracht
gezogen hat.
Es wäre zu wünschen, dafs die weitere Eatwickelung dieser Tendenz
unter ähnlichen Gesichtspunkten auch für das Mittelfranzösische unter-
sucht würde.
2. Der Verf. der zweiten Abhandlung hat vor zwei Jahren eine
kritische Ausgabe des Bestiaire von Philippe de Thaun veröffentlicht.
Neben den zwei anglonormannischen Handschriften, die darin benutzt
Nene Philologische Bandschan Nr. 21. 503
worden sind, ist auch die Eopenbagener Handschrift zu Bäte gezogen,
welche den Text in einer sorgfältigen Umarbeitung in einem anderen
Dialekt enthält, und zwar, wie der Herausgeber in dem Vorworte zu
seinem kritischen Texte gezeigt hat, in franzischem Dialekt. Genügten
zu diesem Beweise einige charakteristische Züge, so unterzieht Walberg
in seiner neuen Arbeit die Sprache des Textes einer genauen Untersuchung,
nicht nur, um seine Behauptung nachhaltiger zu beweisen, sondern um
als Ort der Abfassung der Handschrift Paris festzustellen und auch ihr
Alter zu bestimmen. Da franzische Texte und besonders solche aus
Paris in älterer Zeit rar sind, so ist die Arbeit nicht ohne Interesse und
Nutzen für die Kenntnis des Dialektes. Abgesehen von den Vorarbeiten
Metzkes und Böhrs hat Verf. die als franzisch bezw. pariserisch nach-
weisbaren Texte von Bustebeuf, den Bosenroman, Quiot de Provins, die
Chronik Qodefroys von Paris und einige Male Villen zu Bäte gezogen.
Die sorgfältige lautliche Untersuchung ebenso wie einige fleiivische Eigen-
tümlichkeiten bestätigen die in der Einleitung aufgestellten Behauptungen.
Verf. zeigt nämlich am Schlufs, dafs gewisse Lauterscheinungen gegen
den Westen, Norden und Osten sprechen, dafs aufser den gemein-franzi-
schen solche vorkommen, die in Paris besonders häufig waren, neben anderen,
die, obwohl den Texten des Zentrums nicht fremd, doch von anderen Dia-
lekten herrühren. Alles das erklärt sich am einfachsten, wenn man an-
nimmt, dafs die Handschrift in Paris selbst geschrieben ist. Sie enthält
vorn die freilich erst später eingetragene Notiz Ex lib. Sti Martini a Campis;
ein Kloster dieses Namens bestand in Paris und die Gebäude enthalten jetzt
das Kunstgewerbemuseum. Also auch diese Notiz macht Paris als Ort
der Abfassung wahrscheinlich. Die Sprache der Handschrift läfst auf die
zweite Hälfte des XHI. Jahrhunderts als Zeit der Abfassung schliefsen.
Von den vielen interessanten Einzelheiten der Arbeit zu sprechen, ist
hier nicht der Ort. Doch sei auf den kurzen Exkurs über eslovoir auf-
merksam gemacht, in welchem Walburg sich gegen Toblers Etymologie
est opus wendet und auf stüpere zurückgreift. Soviel ich weifs, ist dies
neuerdings auch Toblers Ansicht, doch kann ich augenblicklich nicht fest-
stellen, ob diese Änderung auf Walbergs Arbeit zurückzuführen ist, oder
ob Tobler unabhängig davon seine Meinung in derselben Bichtung ge-
ändert hat.
3. Die dritte Arbeit enthält eine aufserordentlich feinsinnige und
gelehrte Studie über die Sonnette: Almo soll Quella fronde: Si come
504 Nene.Fhilologuohe Btindsohan Nr. 21.
eterna vita; Stiamo, Amor, a veder la gloria nostra. Der philologische
Scharfsinn, die ausgedehnte Belesenheit und der feine künstlerische Sinn
Frederik WvISb vereinigen sich mit einer genauen Kenntnis der örtlich-
keiten um Vancluse herum, um den Emendationen einen sehr hohen Qrad
von Wahrscheinlichkeit zu verleihen. Die Studie kann allen Verehrern
Petrarcas nur angelegentlichst empfohlen werden. Übrigens ist sie Pio
Bajna gewidmet.
Berlin. B. R5ttger8.
Yerlag Ton Friedrich Andreas Perthes, Aktiengesellschaft, &otha.
Übungsstücke
zum
Übersetzen aus dem Deutschen ins Lateinische
im AnBchlnfs an die Lektüre für die Oberstufe des Gymnasiams :
1. Heft: Hachtmann, C, Übungsstücke im Anschlufs an Giceros vierte
Bede gegen Yerres. Preis kart. Ji 0.80.
2. Heft: Enaut, C, Übungsstücke im Anschlufs an die beiden ersten
Bücher von Tacitus' Annalen. Preis kart. Jf 0.80.
3. Heft: Strenge, J«, Übungsstücke im Anschlufs an Giceros Bede für
Archias. Preis kart. Ji 0.50.
4. Heft: Strenge, J., Übungsstücke im Anschlufs an Giceros Bede für
Murena, Preis kart. JH 0.70.
5. Heft: Ahlheim, A., Übungsstücke im Anschlufs an Giceros Briefe.
Preis kart. JH 0.80.
6. Heft: Wackermann, 0., Übungsstücke im Anschlufs an Sallusts
Jugurthinischen Krieg. Preis kart. JH 0.80.
7. Heft: Haehtmann, C, Übungsstücke im Anschlufs an Giceros Beden
gegen L, Sergius Gatilina. Preis kart. Jt 0.80.
8. Heft: Lehmann, J., Übungsstücke im Anschlufs an Giceros Bede
über das Imperium des Gn. Pompeius. Preis kart. Jü 0.50.
9. Heft: Elelnsehmit, M«, Übungsstücke im Anschlufs an Livius'
21. Buch. Preis kart Ji 0.80.
Die Anschauungsmeihode
in der Alf ertumswissenschafi.
Von
H. Si-b-bl.
Preis JH —.60.
Zn beziehen durch alle Bnehhandlnngen. *mi
Für die Bed&kÜon yeruitwortlich Dr. E. Ladwlg in L
Dnok ud Verlag Ton Friedriok AndrMM PertkM, AktiMigMeUsokaft, Gotk»,
f ■•■• ■
Ctotha, 31. Oktober. Nr. 22, Jahrgang 1903.
Neue
PhilologischeRundschau
Herausgegeben von
Dr. 0. Wagener und Dr. E. Ludwig
in Bremen.
Erscheint alle H Tage. — Preis ftir den Jahrgang 8 Hark.
Bttstellangen nehmen alle Bachhandlangen, sowie die Postanstalten des In- und Aaslandes an.
Insertionsgehtthr ftlr die einmal gespaltene Petitzeile 80 Pfg.
Inhalt: Bezensionen: 266) GeyzaNemethy, Persii satirae (Josef Sorn) p. 505. —
267) Ed. Grofs, Beiträge zur Erkläning alter Schriftstiller (0. Dingeldein)
p 508. — 268) Edgar J. Goodspeed. Greek Papyri from the Cairo Museum
(0. Schultheis) p.509. — 269) Ed. Meyer, Geschichte des Altertums (H. Swohoda)
p. 514. — - 270) E. Bruhn, Hilfsbuch für den griechischen Unterricht (F. Adami)
p. 518. — 271) Brandt, Jonas, Loeber, Übungsbuch zum Übersetzen aus
dem Deutschen ins Lateinische, I u. III Teil (E. Köhler) p. 520. — 272) E d. Buc het-
mann, Jean de Retrous Antigene und ihre Quellen (A. L. Stiefel) p. 520. —
273) Ernst Wasserzieher, L'Orphelin. Par Urbain Olivier (W. Buhle)
p. 522. — 274) L'Annee linguistique p. 523. — 275/276) E. Lavisse, Histoire
de France. Tome I. IL (J. Jung) p. 523. — 277) M. Seh warze, Kanon französischer
Sprechübungen über Gegenstände und Vorgänge des täglichen Lebens (K. Engelke)
p. 525. — 278) Ida Baumann, Die Sprache der Urkunden aus Yorkshire im
15. Jahrhundert (-tz-) p. 526. — 279) Th. Jaeger, The literary Echo (Bahrs)
p. 527. — Vakanzen. — Anzeigen.
266) Oeyza Nömethy, A. Persii Flacci satirae. Edidit, ad-
notationibus exegeticis et indice verborum iüstrnxit. Budapestini.
Sumptibus Academiae litterarum Hungaricae. MCMIII. 392 S, 8.
Pretium 8 cor.
Eine kritisch-exegetische Ausgabe der Satiren des Persins sollte doch
mehr enthalten, als das vorliegende Buch uns bietet. Vor allem kann
ein einfacher Abdruck der Vita des Persins (S. 13 — 15) ohne eine ein-
gehende kritische Prüfung derselben gar nicht befriedigen. Hierbei hätte
sich Verf. leicht durch Teuffels Studien und Charakteristiken. Leipzig,
1871 = Metrische Übersetzung. Stuttgart, 1899 oder der Hermannschen
Ausgabe. Leipzig, 1879 (Praef. S. 4—7) eingehend und erschöpfend
belehren lassen können. Ebenso wird eine genaue und klare Charakteri-
sierung der ethisierenden Satire des Persius im Gegensatze zu der des
Horaz oder der naturalistischen des Juvenal wobl mit Becht verlangt
werden können. Eine Darlegung und Erklärung der Lehre der Stoa, ins-
besondere der Ethik derselben, die doch für das Verständnis der Satiren
506 Neae Philologische Bnndscbau Nr. 22.
des Persius schlechterdings unentbehrlich ist, sollte in einer den wissen-
schaftlichen Zwecken dienenden Ausgabe nicht fehlen. Des Persius Stel-
lung zu dem sich damals immer mehr ausbreitenden Ghristentume, seine
Beziehungen zu Seneca und zu anderen seiner Zeitgenossen, eine ge-
drängte Übersicht über die Sprache des Persius, diese und ähnliche Er-
örterungen hätten in einer Einleitung dringend einer klaren und er-
schöpfenden Auseinandersetzung bedurft. Desgleichen hätten die zahl-
reichen für die Textesgestaltung des Persius nicht zu entititenden Scholien
voll berücksichtigt und vollständig abgedruckt werden sollen. Der Con-
spectus criticus (S. 5 — 10) ist überaus dürftig ausgefallen und bringt nur
einige Varianten des Büchelerschen Textes, ohne dafs Verf. auf die so
wichtige Frage über die Bedeutung und den Wert der beiden Monte-
pessulani (A und C bei Bücheier), über den Vaticanus (B bei Bücheier)
auch nur einiges gesagt hätte. Es befremdet, dafs Verf. den erschöpfenden
und vortreflFlichen Bericht Priedländers in Bursians Jahresberichte, Jahr-
gang 1893, 2. Abt., S. 166 — 173, mit keinem Worte erwähnt, noch
weniger benutzt hat, obwohl daselbst manche Belehrung zu finden ist.
Die in den Conspectus criticus eingestreuten Änderungen in der Zuweisung
der Verse dem Interlokutor und dem Dichter können, weil auf sub-
jektiven Mutmafsungen beruhend, weder gebilligt noch verworfen
werden. In dem nun folgenden Texte (S. 19 — 43) ist der Akk. plur. auf
is, wie er nach Neue, Lat. Formenlehre I, S. 258, in der Kaiserzeit vor-
herrschend zu sein schien, richtig in den Text gesetzt 1, 113 anguis. —
2, 2 labentis. — 2, 45 Penatis. — 2, 56 aedis. — 2, 34 urentis. — 3, 64
poscentis. — 3, 65 montis. — 4, 36 marcentis. — 5, 15 pallentis. —
5, 123 tris. — 6, 24 tenuis und 5, 187 iaflantis. Richtig ist prol. 4
Heliconidasque. — prol. 12 refulserit — 1, 4 Pulydamas. — 1, 8 ac
si. — 1, 17 leges (a C legens). — 1, 29 pro nihilo pendes (nach C). —
1, 14 quod. — 3, 13 sed st. quod. — 3, 60 in quod. — 3, 68 qua. —
5, 17 dicis. Der Indikativ in den indirekten Fragesätzen findet sich bei
Persius auch 2, 60. — 3, 60. — 3, 32 u. ö. — hocol. sumis 5, 124. sentis
ist eine spätere Erklärung zu sumis. — at 5, 159 — chlamydas 6, 47;
vgl. Cappadocas 6, 77. — dest 6, 64. Dagegen ist zu lesen prol. 8
XCUQ8. — prol. 9 picamque, wegen des im V. 8 vorkommenden Singulars
psittaco. — 1, 57 protenso st. propenso — 1, 66 dirigat st. derigat; so auch
3, 60 dirigis st. derigis. — 1, 74 quem st. cum. -— 1, 81 und 3, 94 istuc st.
istud. — 2, 61 lese ich in terris trotz Laktanz, der nach dem Sprach-
\
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^^^,.^GS-BUCHHA^O^^^^
TL^
ED. HOLZEL
CcS/*
GEGRÜNDET ^^^^ 'M JAHRE 1844.
WIEN, IV/i, LUISENQASSE 5.
.l^Äii.
r©
19
-T'SS-r-
In meinem Verlage sind soeben erschienen:
CONVERSATIONAL BOOKS
about
THE PICTURES OF HOELZEL
by
L. PITCAIRN and M. BENNEGGER.
Book
1
spring
II
Summer
III
Autumn
IV
Winter
V
The Farm-Yard
VI
The Mountain
VII
The Forest
VIII
The Town
IX
London
mit dem dazugehörigen Bilde der
verkleinerten Handausgabe von
Hölzeis Wandbildern, Preis je 60 h
= 50 Pf.
Die überaus grosse Verbreitung, welche die in meinem Verlage er-
schienenen „Convervations franpaises sur les tableaux d'Ed. Hoelzel par Lucien
Gönin et Joseph Schamanek" gefunden haben, wie auch wiederholte Anregung
seitens vieler massgebender Persönlichkeiten aus neuphiiologischen Kreisen
legten es mir nahe, ein ähnliches Werk auch in englischer Sprache zur Aus-
gabe zu bringen und auf diese Weise vielseitig geäusserten Wünschen zu
entsprechen.
Diese "Conversational Bocks" werden überall willkommen sein, wo
englisch gelehrt wird, und mache ich daher nicht nur die Herren Lehrer, welche
an den Mittelschulen Englisch vortragen, sondern auch die vielen Privat-Sprach-
lehrer und -Lehrerinnen sowie Mädchenpensionate darauf ergebenst aufmerksam*
Von den "Conversational Bocks by L. Pitcairn and M. Bennegger" stelle
ich den sich hiefür interessierenden P. T. Lehrern und Lehrerinnen mit Ver-
gnügen ein Probeheftchen zur Verfügung. Die darin beobachtete Methode ist
aus jedem der einzelnen Heftchen zu ersehen. Jede Buchhandlung ist in der
l-&g6> geneigte Ansichts-Bestellungen auszuführen, während ich bitte, wegen
Probeheftchen meiner "Conversational Bocks" mit mir direkt in Verbindung zu
treten.
Hochachtungsvoll und ergebenst
ED. HÖLZEL.
Nene Philologische Hnndschau Nr. 22. 507
gebrauche seiner Zeit, wo der wo? und wohin? -Kasus nicht strenge
geschieden wurde, die Persiusstelle zitiert hat. 1, 23 lese ich carminibus,
im ironischen Sinne (J. van Wageningen versiculis). — 1, 97 ziehe ich
nach aC praegrandi dem von Porphyrie zitierten vegrandi vor, aus dem-
selben Grunde, wie oben in der Stelle 2, 61 in terris. — 2, 37 ist der
Sing, optet gegen G, wo der Plural steht, zu halten, weil Pers. auch
sonst bei zwei Subjekten den Singular verwendet, so 1, 92 — 3, 116 —
4, 5 — 6, 70 u. 0. — 2, 62 hos st hoc. — 3, 16 at cur st a, cur,
der G^ensatz wird dadurch markanter hervorgehoben. — 3, 46 ist dicere
= recitare zu belassen. — 3, 93 ist das in A und B flberlieferte rogabit
in G in rogavit geändert worden. Paläographisch ist eine solche Änderung
erklärlich ; gerade so, wie 5, 90 vetavit von Heinrich in vetabit geändert
wurde. Doch lese ich an letzterer Stelle vetarit, da doch in den Hand-
schriften eher eine Verwechslung des v in r als des v in b möglich ist. —
4, 3 ist zu lesen: Quo fretus? die o magni pupille Pericli, wegen der
Vorliebe des Persius zur Interjektion o. Vgl. 1, 44 quisquis es, o modo
quem ex adverso dicere feci. — 5, 21 haben die Handschriften secreti
(Bücheier secrete), nach dem Sprachgebrauche des Persius ganz richtig.
Vgl. 5, 61 seri . . . ingemuere, sp noch 1, 132 — 3, 69 — 6, 20. — Ebenso
ist in 4, 37 tu cum st. tunc cum zu lesen, wegen der Vorliebe der Persius
zu dem unbestimmten „Du 'S Auch die Mehrzahl der Handschriften bietet
diese Lesart. — Die Stelle 6, 150 ... peragant avido sudore deunces? und
6, 68 unge st ungue, 6, 79 depinge st. depunge entsprechen mehr der
satirischen Absichtlichkeit des Dichters als die Lesarten des Verfassers.
Den Hauptwert des Buches bildet der wohlgeordnete und wohldurch-
dachte Kommentar (S. 48—351). Nur einige Bemerkungen mögen folgen:
Auf S. 48 hätte die Frage beantwortet werden sollen, ob die 14 Gholiamben
als Prolog zu allen Satiren oder nur zur ersten Satire, oder endlich, ob
sie als Epilog zu allen Satiren, wie Bücheier will, anzusehen seien. Sie
gehören ohne Zweifel integrierend zur ersten Satire, weil ja Persius
anfangs nach Lucilius als Muster seine Satire gedichtet hatte ^ der eben-
falls verschiedener Versmafse sich bediente. Später kam Persius, Horaz als
Muster folgend, davon ab und verwendete in seinen Satiren, die ja nur als
Gelegenheitsgedichte anzusehen sind, den heroischen Hexameter. Zudem
war dem Dichter eine zu kurze Lebensdauer beschieden gewesen, als dafs
er nach einem bestimmten Plane eine ganze Gedichtsammlung angelegt
hätte. — Ebenso war hier eine Auseinandersetzung über die personae
508 Neue Philologische Bondschan Nr. 22.
Persianae beizufügen. Bei der zweiten, dritten und fünften Satire war
das kulturhistorische Moment besonders hervorzuheben, wobei Friedländers
Sittengeschichte zu Bäte zu ziehen war. S. 214 war hinzuzufügen, dafs
4, 13 Theta (0) nicht gerade das Todesurteil, d^avoTogy sondern all-
gemein das Zeichen der Verurteilung bedeutet ^). Desgleichen bedeuten
die rami der littera Samia(r)ganz allgemein das Zeichen des Guten und
des Bösen im menschlichen Leben. Das war S. 180 f. zu vermerken.
Der Index (S. 335 — 390) war in den Index nominum und den Index
latinitatis Persianae zu teilen. Allerdings werden ab und zu in dem
Kommentar Bemerkungen über die sprachlichen Eigenheiten des Persius
eingestreut, sie entbehren jedoch der Übersichtlichkeit. Das Latein des
Yerf. ist ein durchaus korrektes und mustergültiges ; nur hätte ich S. 67
se ortos ferebant besser se ortos prciedicabanty und ibid. . . . ut effeminatos
eins temporis mores notet richtiger eins temporis mores descrihat, ferner
5. 214 tabellis littera Q signatis besser insignitis und endlich S. 239 com-
paratio abhabitando desumpta lieber blofs simpta geschrieben. S. 349
Iftse ich lieber in sinu condere solebant st. ponere solebant. Ungenau
ist S. 138 u. 139 in aedis im Kommentar geschrieben, obwohl im
Texte in aedis steht Alles in allem: N^methy*s Buch ist, die anfQhrten
Mängel abgerechnet, wegen des gediegenen und vortreflTlichen Kommentars
als ein sehr willkommener Beitrag zu einer wissenschaftlichen Persius-
ausgabe freudigst zu begrüfsen. Möge uns letztere doch recht bald be-
schieden sein!
Laibach. Josef Sorn.
267) Eduard Orofs, Beiträge zur Erklärung alter Schrift-
steller vornehmlich durch Hinweise auf die deutsche Literatur.
Programm des Neuen Gymnasiums zu Nürnberg. Nürnberg 1902.
72 S. 8.
Der in den Klassikern und in der neueren Literatur gleich gut be-
wanderte Verf. bietet hier eine umfangreiche Sammlung von Zitaten aus
neueren Autoren, die als Parallelen zu Stellen aus antiken Schriftwerken
zu dienen geeignet sind. Vielfach sind sie nur angeführt, um die oft
frappante Übereinstimmung in Inhalt und Ausdruck, zuweilen auch um
den kontrastierenden Qedanken zu veranschaulichen. Nicht selten aber er-
1) Im Egyetemes Philologiai Közlony. XXVII. 1903. Heft 1 n. 2 hat der Verf.
Bchon die richtige Erklärung. Vgl. Berl. Philol. Wochenschrift Nr. 28, Spalte 780.
Nene Philologische Bundschaa Nr. 22. 509
geben sich daraus zugleich nützliche Winke fQr eine sinn- und form-
gerechte Übersetzung, und zuweilen findet der Yerf. dabei Gelegenheit,
auf die sachliche Erklärung mit treffenden Bemerkungen einzugehen; so
S. 63 f. zu Horat. Sat. I, 20, 24 f. Verf. zeigt dabei eine erfreuliche
Belesenheit; zu seiner Sammlung haben Luther und Bismarck, Prinz
Heinrich und Dewet, die Bibel und das Kommersbuch beigesteuert, auch
Döllinger und König Ludwig, wie überhaupt bayrische Autoren eine be-
sondere Berücksichtigung gefunden haben. Das sehr verdienstliche Schrift-
chen möge namentlich allen Lehrern der alten Sprachen warm emp-
fohlen sein.
Büdingen. O. Dlaseldeln.
268) Edgax J. Gtoodspeed, Oreek Papyri from the Cairo
MuBeum together with Papyri of Roman Egypt from American
Collections (Printed from volume V. of „The Decennial Publi-
cations" of the University of Chicago). Chicago, The University
Chicago Press, 1902. 72 S. 4.
E. J. Ooodspeed, in der Papyrusforschung bekannt duroh die
Herausgabe von zwei Berliner Urkunden (BOü 810, 811), durch die mir
nicht zugängliche Zusammenstellung der „Saatkornquittuugen^* in,, The
University of Chicago Studios in Class. Philol.*' III p. 1—66 und als
zukünftiger Mitherausgeber des zweiten Bandes der Tebtynis-Papyri, ver-*
öffentlicht hier zunächst 15 Papyri des Museums von Kairo, die er dort im
Jahre 1899 abgeschrieben hat, dann 12 Papyri aus einer von Beverend
J. B. Alexander aus Asiüt angelegten, nunmehr im Museum des West-
minster College in New Wilmington (Pennsylvania) aufbewahrten Samm-
lung, die er als y, Alexander Papyri^' bezeichnet und schliefslich 3 Pa-
pyri seiner eigenen Sammlung, von ihm bezeichnet b]b „Chicago Papyri''.
Von den Cairo Papyri gehören Nr. III — IX der Ptolemäerzeit an,
I, II und X dem 2., XI— XV dem 4. Jahrh. n. Chr. Zwei derselben
(III und VII) stammen aus dem Faijüm, V, VI und IX aus QebelSn,
XIII und XV, wahrscheinlich aber auch XI, XII und XIV, aus ESmunSn
(Hermopolis); von den übrigen ist, wie so oft, die Herkunft nicht be-
kannt.
An der Spitze stehen zwei literarische Fragmente, eine Papyrushand-
schrift des 2. Jahrh. n. Chr. von o, 216—253 mit einem Obelos, zwei
510 Nene Philologische Rnndschan Nr. 22.
diTtlai und einem SchoIioD ^), und ein kurzes Brachstück medizinischen
Inhalts über die Verdaulichkeit irgend eines Stoffes {iShjy — Nr. III,
Brief des Ptolemaios an Achilleus, ist die Einleitung zu einem Traum-
bericht: €dd]^€ [fio]L v{jö]v Tttqi rod ögäf^avog dtaaaq)f}aal aoi Z. 4 f.)
also ist der Adressat wohl Traumdeuter. — Die aus Briefen der Ftolemäer-
zeit bekannte Qrufsformel, z. B. P. Petr. II No. XI, 1: xaAög Ttoeig d
sQQcoaac ycal tcc Xomi aoc y/xvä yvüfiriv iativy iggtüf^ed-a de y,ai ^fieig
(ähnlich ebendas. No. XIII, 6 p. 37), die an das lateinische SVBEEV
erinnert, steht hier in Nr. lY in der Form: ei eggtocai xot TÜXXa aoi
TLcträ Idyov laniv evq Sv tbg aigpiJiAe&a, -Mxi avroi d' iytaivof^ev. —
Nr. V ist als „Bestechungsversuch" erkannt und erklärt von U. Wilcken,
Archiv II, 578 f. — In Nr. VIII, einem Darlehenskontrakt vom Jahre
111 V. Chr. ist zu beachten n^igarig t&v TtQoayQaqxav (Z. 3). — In
Nr. IX aus dem 1. Jahrh. v. Chr. verpflichtet sich Pates, Sohn des
Panebchonis, als Zins für eine von ihm gepachtete Insel 45 Artaben
Weizen und 10 Vögel ^oqvid^ag c Z. 8) zu entrichten: also Naturai-
rente. — In Nr. XII vom Jahre 340 n. Chr. bezeugen Gol. I die Beamten
einer Gemeinde gegenüber Aurelios Asklepiades, Praepositus des 15. Pagus
des Nomos Hermopolites, eidlich die Bichtigkeit des Col. II—IV folgenden
Verzeichnisses von Steuerzahlern, zu deren Namen ihre Leistungen in
Artaben (Weizen) zugesetzt sind. — Nr. XIII (Cairo Museum 10260) ist
ein vorzuglich erhaltener Eaufkontrakt des Aurelius Silvanus von 341
n. Chr. Die mit den Worten von Z. 1 : 6(4oloy<Si TteTtganivai Tcat yuxta-
yeyQag)riy£vai aoi xord ri^de rijv diaaipf iyyQoi\(p\rjv äaqxileiav und
durch Z. 14 f. bezeugte doppelte Ausfertigung der Urkunde wird bestätigt
durch das Vorhandensein des Duplikates (Ciairo Museum 10259). Aus-
gefertigt ist die Urkunde vom awaXXayfiaToyQ(dq)og)^ dessen Funktionen
uns immer deutlicher werden. In der ausgeschriebenen Stelle wird übrigens
nach dem Sprachgebrauch dieser Zeit eyygalcpjov äatpaleiav zu schreiben
sein, wie XV, 5, trotzdem an letzterer Stelle das Duplikat P. Cair. 10270
Tiarei^Qaqyifiv hat. — Bin sehr interessantes Stück ist Nr. XIV vom Jahre
343 n. Chr., wahrscheinlich aus Eimungn, die letzten 20 Zeilen eines
„contract of surety^' für den Transport von Eorn wahrscheinlich von
1) V. 229 wird ^fowtov doch wohl Druckfehler sein, oder dann fehlt wie bei
vMovTOiv XII, 1, 11 eine nähere Angabe über die Überlieferung, während zu dfjLvvtofifv
XIV, 19 bemerkt ist 1. 6/jivvofi€v. Aufgefallen sind mir eine Anzahl von Akzentfehlem,
wie XV, 7 h^ovn st. ivdpTi, XXVn, 9 üxoXov^Gig, XXIX, 3 &vyaTiiQ, 6 /uijti}^ u, a.
i
Neue Philologische Bnndschaa Nr. 22. 511
Hermopolis nach Neapolis. Diejenigen, die den Transport übernommen
haben, liefern das Getreide unter Vorweisang eines Verzeichnisses des
gelieferten Getreides ab und müssen für die Ablieferung eine Empfangs-
bescheinigung zurückbringen. — Nr. XV ist eine Klageschrift der Witwe
Aurelia betr. Besitzstörung, gerichtet an die riparii des Nomos Hermo-
polites. Zu dieser in ganz erbärmlichem Griechisch abgefafsten Klage-
schrift vom Jahre 362 (P. Cair. 10269) ist ebenfalls der Doppel erhalten
(No. 10270), der ziemlich viele, wenn auch inhaltlich nicht wesentliche
Abweichungen enthält, die Goodspeed S. 22 verzeichnet. Als Name des
zweiten Konsuls vom Jahre 362, Nevitta, soll Z. 1 Bäovixtav stehen,
und in der Tat setzt Goodspeed in der Übersetzung „Evittau^' und im
Index p. 74: „Mamertinus and Euvittau, Consuls." Kaum richtig ist
Z. 3 0\i\ßi.6\g\ vielleicht (D\a\ßio\v^ In Z. 14 übersetzt Goodspeed
xa^ hAxara mit „ particularly " ; es heifst aber doch wohl „immer" =
•Mx^ huküTriv ^(iigav. Z. 16 ist zu lesen rö dvMiv (nicht owdiv) =
orödtoPy „Eselchen". Z. 24 ergänze ich tgölrtwc /uij^m] und fasse ^Tti-
X*[ijy] nicht als ini^d^v von sTtaytOy da die Schreibung ij für e beim
Itacismus unwahrscheinlich ist, sondern als rjndx^ ^^^ irtetycoy „ich
wurde gedrängt".
Von den Alexander Papyri, Nr. XVI— XXVII, sind acht Saat-
kornquittungen des 2. Jahrh. n. Chr. aus Karanis (Köm üäim), vervoll-
ständigen also die oben erwähnte Sammlung Goodspeeds. Sie gehören
aufser Nr. XVII, die ins Jahr 144/5 fällt, alle ins 22. Jahr des An-
toninus, also 158/9 n. Chr. Das wenige Neue, das sie bieten, wie die
Nennung der 82. und 88. Kleruchie, den ausgeschriebenen Pluralis x^ij-
Qovxiav (XVII, 2), das Fehlen der Angabe der Aruren und Artaben in
Nr. XX, verzeichnet Goodspeed gewissenhaft, der auch S. 23 nach Mit-
teilungen Grenfeirs einige Korrekturen an seiner früheren Publikation
anbringt. Sonst wäre von diesen Alexander Papyri etwa noch zu er-
wähnen Nr. XXV, Bestätigung über die Ableistung der Ttev^iieqia x«-
(juxTiovy des bekannten Fünftagewerkes bei der Ausbesserung der Dämme,
hier am Wüstenkanal, iv ÖQivfj {di(l)Qvxt% ebenfalls aus Karanis vom Jahre
161 n. Chr.
Von den drei Papyri aus Goodspeed*s eigener Sammlung, den Chi-
cago Papyri, ist das merkwürdigste Stück Nr. XXVIII, ein Fahr-
schein für eine Person, offenbar für eine Fahrt auf dem durch Karanis
führenden Kanal. Ein ähnliches, aber weniger gut erhaltenes und darum
512 Nene PhilologiBche BandBchan Nr. 22.
nicht 80 deutliches Stfick ist P. Amh. II p. 149 mitgeteilt. Der Chicago
Fahrschein, ein StQck Papyrus von 6 X ^ ^™i lautet:
ÜTolBfialog [tp] Ilavof^uwg
erclfcXovg änb Kaqavidog
^laidtoQOv ^laidwQOv 'Kvß{eifvifjtov)
laog TcXi^Qrig
Die letzten zwei Worte, die Qoodspeed übersetzt „even fuU", sind
noch unerklärt, namentlich l'aog; daran aber, dars IninXovg von dem die
Befrachtung fiberwachenden Beamten („supercargo'^ zu verstehen sei,
darf man schon wegen Xaog nh^^gy das sich doch wohl auf das Fahrzeug
bezieht, nicht denken.
Nr. XXIX sind Fragmente aus dem Protokoll Aber einen Prozefs
betreffend das Testament des Soldaten Amatius Priscus aus der Mitte des
2. Jahrh. n. Chr. (icvriyqafpov iTtOfinifiaTiafiöv). Der Herausg. hätte
ganz wohl in Col. II/III die Interpunktion setzen können. ^Pbeq)og Gol.
III, 4 ist offenbar der Präfekt, der Becht spricht und verffigt: eAp aoi
d6^y lAeadtrpf ^f^elv 36g, %va ij dvTidr/,og äTtoxaTaav^af] t^ awrffOQOV"
fievij TÖ InfoafjyLov fiegog]^ wie ich etwa zu ergänzen vorschlagen möchte.
Das umfangreichste Stück der Publikation ist Nr. XXX, ein Wirt-
schaftsbuch aus Earanis (S. 30 — 73), erhalten auf einer Bolle von
über 2^ Meter Länge. Diese Bolle enthält Eintragungen vom Oktober 191
bis April 192 n. Chr. und bildet eine wichtige Parallele zu dem eben-
fialls umfangreichen, über 100 Jahre älteren Haushaltungsbuch des Briti-
schen Museums, P. Lond. I, 131 B (p. 169—188). Der Chici^o Papyrus,
der in manchen Einzelheiten noch nicht verstanden ist, auch wohl da
und dort noch genauer gelesen werden mufs, ist besonders deshalb wichtig,
weil hier nicht blofs die Ausgaben für den landwirtschaftlichen Betrieb
aufgeführt sind, wie im Londoner Papyrus, sondern weil in den 47 Ko-
lumnen über 1200 Einnahme- und Ausgabeposten für die verschiedensten
Zweige eines grofsen Haushaltes nebeneinander stehen und zwar so, daCs
die Ausgabeposten jeweiien ein wenig nach rechts hinausgerückt sind.
Für die Datierung und manche Einzelheit durfte sich Qoodspeed noch der
Hilfe des scharfsinnigen Fritz Krebs erfreuen, dessen frühen Hinschied
man neuerdings als schweren Verlust für die Wissenschaft empfinden
mufs. Die Einnahmen rühren her vom Verkaufe von Wein, Gemüse, öl,
Datteln, im allgemeinen aber werden sie, ohne Angabe der Spezies,
bezeichnet als kommend von Hatres oder Dioskoros oder Eonchos oder
Nene Philologische Rimdsohan Nr. 22. 513
Arches, von denen jeder etwa 40 Zahlungen geleistet hat, während von
Sotas über 25 und von Gaius etwa ein Dutzend aufgeführt werden. Good-
speed S. 33 betrachtet sie gewifs mitBecht als „agents or cöüedors of
the wrikr*s ^^ die von Zeit zu Zeit ihre BetrSge an den Herrn ablieferten.
Aufserdem sind auch erwähnt Einnahmeposten von f^iadtazal, Pächtern,
und mehrfach solche* von fna-^unai niqio%eq{fItviav\ Pächtern von Tauben-
schlägen. Unter den Ausgabeposten erscheinen Zahlungen an Binder-
und Schafhirten, Esel-, Kamel- und Ochsentreiber, Weber, Ziegeleiarbeit-er,
Zimmerleute, Gipser, Bauleute, Wachmannschaften, an den Töpfer, Eleider-
reiniger, Goldschmied, Sattler, Advokaten, an Banken, Steuereinnehmer
aller Art, dann Zahlungen durch die „ Agenten ^^ an Arbeiter, die bei der
Ölfabrikation beschäftigt sind, und an andere Arbeiter/ Die Posten betreffen
Ausgaben für Vieh, Esel, Schweine, Tauben, Hühner, Fische, Wasser,
Wein, öl, Fett, Heu, Grünfutter, Sesamkuchen, Weizen, Gerste, Wicke,
Kalbfleisch und anderes Fleisch, Kapern, Schwefel, Salz, Erbsen, Gemüse,
Weberfaden und zwar Kettenfaden (or^juaiy) und Einschlag&den (x^xi;),
Werg, Kleidung, Schuhe, Säcke, Flachs, Löhne, Geldwechseln (?), Arbeits-
löhne, Beleuchtung, für die Ernte, und zwar sehen wir aus Kol. 40, wie
zur Zeit der Ernte die verschiedenartigsten auf dem Gute beschäftigten
Handwerker zur Bewältigung der grofsen Arbeit herangezogen wurden,
ferner für Eamelmiete, Frachten, Heilmittel, Pflaster, Essen und mancherlei
Steuern, namentlich zahlreiche nicht näher zu bestimmende Zahlungen an
die tBkCävai. Wir erhalten hierbei gelegentlich interessante Aufechlüsse über
Warenpreise: ein -^dpiiov Wein kostet 16 Drachmen, eine Artabe Weizen
18—20 Drachmen, Wicken 18 Drachmen, Gerste etwas über 10 Drach-
men. Schade, dafs zu den Geldsummen im allgemeinen das Quantum
nicht zugesetzt ist, also die Berechnung der Preise meistens unmöglich
ist. Zu einzelnen Posten und Lesungen wäre auch nach dem, was
W. Crönert, Wochenschr. f. klass. Phil. 1903, Nr. 27, S. 732—735, be-
merkt hat, noch dies und jenes nachzutragen. Mit Bücksicht auf den
verfugbaren Baum beschränke ich mich auf die Bemerkung, dafs i{7teq)
f4aXayfidt{(av) C&jy{ovg) Kol. 10, 6, „für ein Paar Pflaster" zu xpwf^iuv
M^yj £6 in P. Grenf. II, 67, 14 zu stellen ist; vgl. Wilcken, Ostr.
I, 756 und dazu noch P. Oxy. II, 267, 6 haniwv x^voCüv Ceöyovg kvög
und Z. 18 TÖ tOv evwuuv ^eCyog, Kol. 14, 25 dürfte vielleicht etwa
zu ergänzen sein i{7tiQ) yu)7tfjg dv9'Q[(iyuitry] oder difd-glaiuditov]^ „für das
Verkleinern von Brennkohle". Das Hauptinteresse, das dieser Papyrus
5l4 Keue Philologische fiundschan Kr. 22.
bietet, besteht, wie auch diese Skizzierung seines Inhaltes zeigen düifte,
in zahlreichen Einzelheiten. Er gestattet uns, einen Blick zu tun in die
mannigfaltigen Bedürfnisse und den Warenumsatz einer grofsen Gutswirt-
schaft, verschafft uns aber leider kein grofses zusammenhängendes Eultur-
bild in klaren Umrissen.
Den Schlufs des Bandes bilden sorgfältige Indices, in denen man
etwa einen Ausdruck ein wenig vollständiger wfinschte, z. B. eTzifiekrffijg
oYvov äpaq)eQOfji€vov dg Qrißatda statt des blofsen ircifÄeXriTijgf oder Tt^oa-
6Ö0V {yfl) statt ngdoodog, und öfioloyia, ^ Ixdiy xai üvif%wqffysag ed-ero
statt blofs awxwqüv. Zu verbessern ist ev8iaq>6qr{tog und nachzutragen
üirv fcavri 11, 11 und das rätselhafte 7tXiaai;{) 30, 29, 23.
Frauenfeld (Schweiz). Otto SohoHhefli.
269) Eduard Meyer, Geschichte des Altertums. Vierter Band:
Das Perserreich und die Griechen. Drittes Buch: Athen
(vom Frieden von 446 bis zur Kapitulation Athens im Jahre,
404 V. Chr.). Stuttgart und Berlin, J. G. Cottas Nachfolger
1901. X u. 666 S. 8. J$ 12.-.
Über den dritten Band von M.s hervorragendem Werke habe ich in
dieser Zeitschrift (Jahrg. 1901, S. 562 ff.) berichtet; nach den Intentionen
des Verf. sollte das dritte und vierte Buch die Fortsetzung bis zur
Schhcht von Mantinea in einem Band enthalten. Aber auch jetzt zwang
die FfiUe des Stoffes zu einer weiteren Teilung und M. mufste sich damit
begnügen, in diesem Bande die Geschichte Athens von 446 bis 404 zu
behandeln. Die gelehrte Welt kann damit nur einverstanden sein, denn,
wie der vorliegende Band zeigt, wäre eine Beschränkung zum Schaden der
Sache gewesen.
Der vierte Band enthalt zum Unterschied von den früheren nur
griechische Geschichte (daneben wird, soweit es notwendig ist, die per-
sische Geschichte berfihrt); dies bedeutet kein Abweichen von dem
universalhistorischen Programm des Verf., denn in diesem Zeitraum fällt
die üniversalhistorie tatsächlich mit der Geschichte der Hellenen zusammen.
Dies gilt nicht blofs fSr die politischen Ereignisse, sondern ebenso und
noch mehr für die Geschichte der Kultur; der Verf. hat daher der Kultur
des perikleischen Zeitalters und den geistigen Strömungen während des
peloponnesischen Krieges eine eingehende Darstellung zuteil werden lassen.
Um das Urteil über diese Kapitel (3. 4. 7) gleich vorwegzunehmen, so
Nene Philologische Randschaa Nr. 22. 515
sei gesagt, dafs sie glänzend sind und den Höhepunkt dieses, wie die
früheren Teile des Werkes, ebenso dnrch tiefeindringende Forschnng als hohe
und weitsichtige Auffassung ausgezeichneten Bandes bilden. Interessant
ist schon der Versuch, die Daten der Literaturgeschichte zur Beurteilung
der materiellen und geistigen Leistungsfähigkeit Athens zu yerwenden;
das Ergebnis ist fQr die Produktionskraft des attischen Volkes erstaunlich.
Am wichtigsten erscheint die Formulierung der Probleme, welche zu Anfang
dieses Zeitalters die griechische Welt bewegten: einerseits die Unverbrfich-
lichkeit des Sittengesetzes, anderseits die Tatsache, dafs den Gottlosen keine
Strafe trifft; einerseits die Verpflichtung des Gesetzes, auf der anderen
Seite das Recht der Persönlichkeit; die Existenz der Götter und die Zu*
yerlftssigkeit der Orakel, dagegen der Zweifel an dem göttlichen Welt-
regiment. Das grofse Verdienst M.s ist es nun gezeigt zu haben, dafs die
Weltanschauung des perikleischen Zeitalters durch Herodot und Sophokles
repifisentiert wird und auf welche Weise dieselbe die angedeuteten Pro-
bleme zu löeen suchte: ihr Grundzug ist bei allem Wirklichkeitssinn
idealistisch und religiös, die Allmacht der Götter und ihr Eingreifen wird
festgehalten, ebenso das Sittengesetz. Allein die Keime, die zur Zersetzung
dieser einheitlichen Weltanschauung führten, sind schon yorhandeu: das
Sittengesetz tritt in Gegensatz zu dem Götterglauben, das Becht des Indi-
yidualismus übt Kritik an dem Begriff des Gesetzes. Der entschiedenste
Prophet der modernen Ideen ist Euripides. Der grolse Fortschritt, den
M. angebahnt hat, besteht darin, nachgewiesen zu haben, was bisher meist
fibersehen wurde, dafs die aus der Zeit der Perserkriege stammende Kultur
nicht unmittelbar durch die Sophistik abgelöst wurde; er hat es zum
ersten Male unternommen, den geistigen Gehalt des perikleischen Zeitalters
völlig auszuschöpfen. Diese Betrachtungen werden im Kap. 4 fort-
gesetzt, in dem sich riele feine und treffende Bemerkungen über den
Fortschritt der Kunst und Über die Anfänge der exakten Wissenschaften
finden, durch die Charakterisierung der Sophistik ; ihr , speziell Protagoras,
haben wir die theoretische Begründung des Individualismus zu verdanken.
In durchweg objektiver Weise werden sowohl die Verdienste als aueb die
Ausartung der Sophistik charakterisiert (S. 268 ff.). Im Kap. 7 (,Die
geistigen Kämpfe während des Krieges^) führt der Verf. diese Unter-
suchungen weiter; er schildert den Kampf um die moderne, durch
die Sophistik vertretene Bildung, den Widerstand, den sie sowohl bei der
demokratischen als der konservativen Partei fand, und die merkwürdige
516 Nene Philologische Rundschau Nr. 22.
Erscheinung, dars trotz alledem beide Partelen durchaus von dem mo*
dernen Geiste infiziert wurden. Die Oberwindung der in ihren letzten
Ergebnissen nihilistischen Sophistik ist Sokrates zu verdanken, den M.
eingehend behandelt. Sokrates' unvergängliches Verdienst ist, was an
der Sophistik lebensfähig und fruchtbar war, für die Zukunft gerettet
und damit eine neue Kultur begründet zu haben, durch seine Über-
zeugung von der Eealität der Begriffe, durch die Einführung des kate-
gorischen Imperativs und die Loslösung der Moral von der Religion. Die
Negation der Sophistik wird durch Sokrates' Positivismus überwunden. Die
echt historische Würdigung von Sokrates' Bedeutung (zusammenfassend
S. 459 ff.) ist um so wertvoller, als vor kurzer Zeit gerade vom modernen
Standpunkt aus Beloch über Sokrates den Stab gebrochen und ihn als
Vertreter der geistigen Seaktion hingestellt hat.
Es braucht nicht versichert zu werden, dafs die der politischen Oe-
schichte gewidmeten Abschnitte dieses Bandes an Gehalt nicht zurück-
stehen, ganz abgesehen davon, dafs es schon an sich interessant ist, das
Urteil eines so bedeutenden Historikers wie E. Meyer über eine so wich-
tige Zeit kennen zu lernen. In erster Linie gilt dies von seiner Charak-
teristik des Perikles, der in den letzten Jahren eine so verschiedene
Beurteilung erfahren hat. M. urteilt, gewifs mit Recht, über ihn gunstig
— manchmal vielleicht zu günstig, wenigstens was P.s' Finanzpolitik
anlangt, gegen welche Busolt begründete Bedenken erhoben hat; er weist
darauf hin, wie sich Perikles aus einem Demagogen zum Staatsmann ent-
wickelte und seit 450 Athen durchaus in staatsmännischem, den realen
Verhältnissen Rechnung tragendem Sinn leitete, und wie der Kern seines
Wesens ein vornehmer Idealismus war, der wie die Stärke, allerdings auch
die Schwäche seines Wesens bezeichnet. Was man als seine historische
Schuld bezeichnen darf, ist zweierlei: dafs Athen an der Verfassung zu-
grunde ging, welche er ihm gegeben hat; und dafs er sich nicht über
den engherzigen Standpunkt der radikalen Demokratie bezüglich des Bürger-
rechtes zu erheben vermochte. Zutreffend bezeichnet M. diese Bürgerrechts-
politik Athens als die Hauptursache des Scheiterns seiner hegemonischen
Pläne. Gewissermafsen einen Beitrag zur Charakteristik des Perikles bilden
auch M.s Ausführungen über den Ausbruch des pel<^onnesischen Krieges;
seine Ansichten darüber waren schon aus Band II seiner Forschungen
zur alten Geschichte bekannt. Meines Erachtens ist dieses schwierige
Problem jetzt durch M. in abschliefsender Weise aufgeklärt, die Ansicht
Nene Philologische Rundschaa Nr. 22. 517
endgültig widerlegt, dars Perikles Athen in den Krieg hineingezogen habe,
nm den Anfechtungen gegen seine Stellung im Innern zu entgehen, das
Dilemma, in welches Athen durch den Streit zwischen Eorinth und Eor-
kyra geriet, dargelegt und die unnachgiebige Haltung, welche Perikles
gegenüber den Forderungen der Peloponnesier einnahm, gerechtfertigt;
die Unnachgiebigkeit der Athener wurde durch das megnrische Psepbisma
markiert, das M. überzeugend in den Herbst 432, nach Potidaeas Abfall,
setzt. Ich sehe in diesen Erörterungen M.s einen bedeutsamen und ebenso
wichtigen Fortschritt unserer geschichtlichen Erkenntnis, wie in seiner ein-
gebend ebenfalls im zweiten Baude der Forschungen verteidigten Ansicht,
dafs die politische Lage des Jahre 425, die durch Eleon verschuldete Zurück-
weisung des spartanischen Friedensanbotes die Peripetie des Krieges für
Athen bedeutete, und in der Darlegung, dafs der Nikias-Frieden für Athen
grofse Vorteile darbot, wenn es nur verständen hätte, dieselbe in ver-
ständiger Weise auszunützen. Für die folgende Zeit ist in erster Linie
M.s Urteil über Alkibiades von Interesse. Es ist entschieden ungünstig
und der diametrale Gegensatz zu der Verherrlichung des Alkibiades durch
E. Gurtius; M. charakterisiert ihn als echten Jünger der Sophisten, von
schrankenlosem Egoismus, der nur von dem Streben geleitet war, die
Herrschaft über Athen und Hellas zu gewinnen. Sein Verhalten in der
Zeit nach dem Nikias-Frieden und sein Streben, den Krieg wieder zu ent-
zünden, war gegen das Interesse seines Heimatsstaates, der dringend den
Frieden brauchte; auch der sizilische Zug, den Alkibiades als Mittel
benützen wollte, um seine Alleinherrschaft aufzurichten, überstieg die
Kräfte Athens. Nikias* Tätigkeit in Sizilien schätzt M. meines Erach-
tens zu günstig ein, so besonders wenn er ihm das offensive Vorgehen
gegen Syrakus im Jahre 414 zuschreibt. Vortrefflich ist wiederum die
Schildemng der von Athen seit dem Jahre 414 verfolgten allgemeinen
Kriegspolitik (S. 523 ff.); M. betont mit Recht, dafs die Unterstützung
des Amorges der Hauptgrund war, dafs Persien seine neutrale Stellung
aufgab und sich Athens Gegnern zugesellte. Doch halte ich seine An-
sicht (S. 555), dafs die Initiative zum Eintritt in den Krieg von Persien
ausging, für fraglich. In der Darstellung des dekeleischen Krieges ist
wieder auf die Charakteristik Lysanders hinzuweisen, der hier als
Gegenbild des Alkibiades auf spartanischer Seite — gleich dem er voll-
kommen egoistischer Interessenpolitiker war — aufgefafst wird. Das
milde Verhalten Spartas gegen Athen bei dem Friedensschlüsse wird
518 Nene Philologische Baodsohan Nr. 22.
gebOhrend hervorgehoben und mit Recht aaf ideale Motive zarfick-
geführt.
Ich habe mich soviel als möglich bemfiht, die grofsen Züge von M.s
Darsiellung herauszoarbeiten , denn auf ihnen beruht in erster Linie die
Bereicherung der historischen Anffossang, welche wir ihm verdanken. Es
ist natürlich, und schon zu Anfang von mir betont, daTs M. auch in einer
grofsen Reihe von Einzelheiten, die kritischer oder zweifelhafter Natur
sind, die Forschung erheblich gefordert hat, z. R über die Zeit des pan-
hellenischen Kongresses, den Perikles plante, dessen Fahrt in den Pontus,
den Umsturz der 400 im Jahre 411, die Chronologie des dekeleischen
Krieges und der Arginusensehlacbt u. a. m. Die deutsche Oeschichte-
wissenhaft hat alle Ursache, auf dieses Werk stolz zu sein.
Prag. Heiarloh Swoboda.
270) E. Bruhn, HUfsbueh ftkr den griechiBchen ITntenicht
nach dem Frankfurter Lehrplao. I. Teil: Übersetzungsstoff,
X und 231 S.; II. Teil: Wortkunde und Deutsch - Griechisches
Wörterverzeichnis, 88 und 56 S. 8. Berlin, Weidmann, 1903.
Jk 4.40.
Der I. Teil enthält den Vorkurs, Hauptkurs, es folgen die zugehörigen
deutschen Übungsstücke und freie Aufgaben.
Der Vorkurs hat den Zweck, den Unterricht so zu fordern, dafs
am Anfang des zweiten Quartals mit der Xenophonlektüre begonnen werden
kann (Vorw. III); er bringt in 20 Lektionen das Hauptsächlichste aus der
Flexion der Substantiva, Adjektiva, Pronomina, Verba auf ia (L, III., IV. Kl.),
aco, €01, aus der Syntax die Lehre vom Artikel, vom Oebrauch des Kon-
junktivs und Optativs, von den irrealen Bedingungssätzen. Anordnung
und Verteilung dieses Pensums wird man billigen und empfehlen können ;
vielleicht sind die Pronomina, so wichtig sie sind, doch etwas zu stark
betont. Im übrigen setzt dieser Teil all die Vorteile des Frankfurter
Beformsystems voraus: der freiere Lehrplan ermöglicht durchweg Einzel-
Sätze; die lateinischen Vorkenntnisse ermöglichen z. B., den Qebrauch des
Konjunktivs und Optativs (XH, XIV) durch Vergleich mit den lateinischen
Erscheinungen zu behandeln und in den Übungssätzen „dem Schüler alte
Bekannte aus dem Wulfifschen lateinischen Lesebuche in ursprünglicher
Gestalt vorzufuhren" (Vorw. IV); erhöhte Stundenzahl und reifere Schüler
gestatten rascheres Vorgehen und gröfsere Anforderungen an die Arbeits-
Nene Philologische Bandschan Nr. 22. 519
kraft; und diese, nur wenig entlastet z.B. durch den Verzicht auf das Er-
lernen der Ferfektformen, wird durch die Schwierigkeit der Übutigssätze
und besonders was die Yokabelerlemung betrifft, aufs straffste angespannt:
für die einzelne Lektion sind durchschnittlich 50 Wörter zu lernen; diese
Anforderung ist durchfahrbar, wenn diese ünterrichtsart zum ersten Male
mit bevorzugten Schülern versucht wird, undurchführbar, wenn dieses
System weitere Verbreitung finden sollte, und durch die notwendig ein-
tretende Überbfirdttng geradezu eine Gefahr ^) ffir den griechischen Unter-
richt selbst
Allgemeinere Bedeutung wird man dem Hauptkurs zuerkennen, der
in 16 Lektionen im Anschlufs an das L und IL Buch der Anabasis das
Pensum des Vorkurses zusammenfafst und vervollständigt und aus der Syntax
das Wichtigste bringt. Dieser Teil wird in jedem Unterricht als gute
Grundlage die nenkönnen aus der grammatischen Vertiefung der beiden ersten
Bficher, in seiner Anordnung darin neu und durchaus zu billigen, dafs die
Lehre vom Infinitiv und Partizipium, vom einfachen und zusammengesetzten
Satze der Easuslehre vorangeht, so dafs dem Schüler zuerst das geboten
wird, was er vor allem braucht, um ein griechisches Satzgefüge richtig
aufzufassen (Vorw. IV).
Die Paradestficke der freien Aufgaben, die S. 215 Jamben aus
Eur. Hipp. (v. 1437—39) retrovertieren und zum Schlufs Caes. bell.
Gall. V, 27 — 38 — ein lateinisch schon nicht leichtes Stück — über-
setzen lassen, fallen völlig aus dem Bahmen, in welchem das Gymnasium
sein Ziel im griechischen Unterricht gesteckt sieht
Der II. Teil, die Wortkunde, bringt satzweise geordnet die Wörter
zu den einzelnen Lektionen; die Präparation zu den beiden Büchern des
Xenophon kann, da sie den Vorkurs zur Voraussetzung hat, als allgemein
anwendbare Präparation nicht gelten. Beigegeben ist diesem Teile ein
herausnehmbares Deutsch -(Lateinisch-) Griechisches Wörterverzeichnis mit
guten Übersetzungen auch der lateinischen Ausdrücke.
Druck und Ausstattung beider Teile ist mustergültig.
Laubach (Hessen). F. AdMni«
1) Eine Ge&hr, die auch fdr die Reformsohnlen nach Frankfurter Lehrplan nicht
anbedenklich zu aein scheint nach dem, was ans dem Berichte C. Liermanns: Beform-
schnlen nach Frankfurter nnd Altonaer System I 1903 hervorgeht. Vgl. dazu den
Aufsatz P. Cauers in N. JB. 1903, XII, 283 ff.
Nene Philologische Rundschau Nr. 22.
irandti Jonas und Loeber, Übungsbuch zum Übersetzen
aus dem Deutschen. ins Lateinische. I. Teil: Quarta
von Karl Brandt, III. Teil: Untersekunda von Klchard
Jonas. Leipzig, G. Freytag, 1903. 8. Jeder Teil Ji 1.60.
>iese beiden Übungsbücher sind den Forderungen der preufsischen
läne von 1901 entsprechend ausgearbeitet Sie gleichen sich im
.ren und in der Anlage; zu den einzelnen Stücken sind am Ende des
les die nötigen Vokabeln gegeben, während im Texte des ersten Teiles
üge Übersetzungshilfen nicht allzu zahlreich in verständiger Weise bei-
igt sind, im dritten Teile aber immer mehr zurücktreten und schliefs-
1 fast gar nicht mehr sich finden. Am Schlufs beider Teile sind
3h einige für die Stufen passende Synonyma und kurze stilistische
3geln beigegeben. Sind schon im ersten Teile die meisten Stücke
isammenhängende Erzählungen über hervorragende Persönlichkeiten der
.riechischen und römischen Geschichte, in denen der allgemeine Sprach-
schatz der Klasse verarbeitet ist, so sind in dem dritten Teile Einzelsätze
gar nicht mehr enthalten, vielmehr sind die Beden Ciceros für Sex. Boscias
— diese Bede möchte ich allerdings in II B nicht lesen — , und gegen
Catilina, sowie Liv. I und II in angemessener Weise bearbeitet, ohne
indessen zu blolsen Metaphrasen herabzusinken. Ein grofser Teil dieser
Stücke läfst sich auch für Klassenarbeiten in II A verwerten. — Ich
glaube die beiden Übungsbücher durchaus empfehlen zu können.
Bflckeburg. E. KShler.
272) Edmund Buchetmann, Jean de Botrous Antigene und
ihre Cluellen. Ein Beitrag zur Geschichte des antiken Ein-
flusses auf die französische Tragödie des XVII. Jahrhunderts.
(Münchener Beiträge zur romanischen und englischen Philologie,
XXII. Heft) Erlangen und Leipzig, Deichert, 1901. XII und
268 S. 8.
Botrou, nach Pierre Corneille unstreitig der bedeutendste französische
Dramatiker in der ersten Hälfte des 17. Jahrb., ist in den letzten Jahr-
zehnten, nach langer Vernachlässigung, Gegenstand eifriger Studien ge-
worden, die vornehmlich sich mit seinen Quellen beschäftigten. Es steht
jetzt fest, dafs die Amadis- und andere Bomane, das italienische Hirten-
spiel und die Ginquecentistenkomödie, das spanische Drama, das Jesuiten-
theater und das klassische Drama der alten Griechen und Bömer seine
Nene Philologische Bandsohan Nr. 22. 621
Quellen und Vorbilder waren. Ober sein Verhältnis zu den Alten er-
fuhren wir aber bisher nur wenig. Welchen Anteil Plautus an seinen
Schöpfungen hatte, ist nur gelegentlich untersucht worden. Ob er Terenz
benutzte, ist noch eine offene Frage. Über seine Beziehungen zuSeneca
und den griechischen Tragikern will nun die vorliegende Arbeit
wenigstens ffir ein Stück Aufkl&rung bieten.
Der inzwischen verstorbene Verf. hat Botrous 1638 verfafste Tragödie
Antigene mit den antiken und anderen älteren Stücken gleichen In-
halts verglichen und den Einfiufs näher zu bestimmen versucht, welche
diese auf die Schöpfung des Dichters von Dreux ausgeübt haben. Während
die Mehrzahl der Literarhistoriker Botrous Stück als eine Konlamination
aus den Phoenissae des Euripides, der Thebais des Seneca und
der Antigone des Sophokles bezeichneten und nur einzelne auch der
Thebais des Statins sowie der Antigone Qarniers einen Einfiufs
darauf zugestehen, kommt Buchetmann zu dem Ergebnis, dafs Botrou
Euripides gar nicht, Sophokles nicht direkt, sondern nur durch Vermitte-
lung der Antigone-Dramen Oarniers (gedr. 1580) und Luigi Ala-
mannis (gedr. 1533) und der Übersetzung der Sophokleischen Anti-
gone von J. A. Balf (gedr. 1572) und aufserdem noch Senecas Thebais
und ziemlich stark das gleichnamige Epos des Statins benutzt habe.
Wiewohl Buchetmann seine Untersuchung mit gröfster Sorgfalt und
Ausführlichkeit geführt hat, so kann ich mich doch nicht ganz mit seinen
Ergebnissen einverstanden erklären. Verdienstvoll und wohl unumstöfslich
bleibt sein Nachweis, dafs zu den Quellen Botrons Statins, Alamanni
und Baif gehören — Garnier und Seneca standen als solche schon früher
fest — aber ich halte es noch nicht für definitiv feststehend, dafs der
französische Dichter nicht doch Sophokles und Euripides kannte. Es ist
ja richtig, dafs Botrou vieles, was ihm die beiden Tragiker boten, auch
bei den soeben genannten Nachahmern und Übersetzern finden konnte, aber
einmal schliefst das nicht aus, dafs der vielbelesene sprachenkundige Dichter
auch die Alten selber las, und dann betrachte ich nicht alle gegen die
direkte Benutzung dieser ins Feld geführten Argumente Buchetmanns und
ebensowenig alle seine für Botrous Abhängigkeit von den modernen Dichtern
beigebrachten Parallelen als beweiskräftig; manchmal dürfte der Verfasser
auch die freischaffende Tätigkeit des Dichters etwas unterschätzt haben.
Die Frage, ob Botrou Sophokles und Euripides in der Ursprache zu lesen
imstande war, kann nur durch die peinlichste vergleichende Betrachtung
522 Nene Philologische Bundschaa Nr. 22.
der beiden den Griechen entlehnten Trauerspiele Antigene und Iphi-
g 6 IX IQ and der sonst in seinen Dramen zer^reuten griechischen Anleihen
mit den Originalien glücklich gelöst werden. Es bleibt daher zu bedauern,
dafs Buchetmann nicht seine Untersuchung auch auf das zweite Stück aus-
dehnte. Der grofse Umfang seiner Arbeit hätte für beide Dramen mehr
als gereicht. Es kann nicht geleugnet werden, dalis der Saum für das
eine allzu reichlich bemessen ist und zu dem Werte des französischen
Trauerspiels in keinem Verhältnis steht. Doch wie dem auch sei, die
Arbeit mufs gleichwohl als eine gewissenhafte, auf gründlichstem Studium der
einschlägigen Literatur beruhende und durchaus förderliche bezeichnet werden.
München. Arthur Ludwig Stiefel.
273) Ernst Wasserzieher, L'Orphelin. Far Urbain OlMer. Schul-
ausgabe. Leipzig, Baimund Gerhard, 1903.
L Teil: Einleitung und Text, 163 S. 8. geb. Ji 1.60.
II. Teil: Anmerkungen und Vokabular, 40 S. 8. J^ —.40.
Vorliegende Ausgabe ist die zwölfte von Gerhards französischen Schul-
ausgaben und zeichnet sich wie die vorangehende elfte durch eine Zeilen-
weite und Druckdichtigkeit aus, die nach Gohn, Lehrbuch der Hygiene des
Auges, angeordnet wurden. Die Erzählung ist sprachlich und sachlich
durchaus geeignet für die Mittelstufe von Knaben- und Mädchenschulen,
da sie nach beiden Sichtungen hin keine besonderen Schwierigkeiten bietet,
abgesehen von einzelnen Ausdrücken, die Schilderungen des Landlebens
der französischen Schweiz betreffen. Die Anmerkungen sind daher auch
nur zwei Seiten im Umfange und hätten leicht noch mehr gekürzt werden
können durch vollständiges Vermeiden von blofsen Vokabelangaben ; dergl.
gehört ins Wörterbuch; wenn man nun dort die Anmerkung 1, 11 chambre
ä boire auch als Vokabel wiederfindet, so mag ja gegen diese Wieder-
holung nichts einzuwenden sein, aber es ist nicht einzusehen, warum nicht
auch fenStre ä coulisse, jour douteux, milaine usw. sich nicht im Wörter-
buch befinden, sondern nur in den Anmerkungen; aber, wie gesagt, dergl.
gehört ins Wörterbuch, die Anmerkungen könnten aber dafür manches
andere enthalten. Jedenfalls ist es anzuerkennen, wenn der Herausgeber
auch diesen Schriftsteller, der bisher meines Wissens in keiner Schul-
ausgabe vertreten war, durch eine seiner besten Erzählungen und in billiger
Ausgabe dem Untenichte zugängig gemacht hat.
Wilmersdorf. W. Buhle.
^
Neue Philologische Bandschau Nr. 22. 523
274) L'Ann6e linguistiqae publice sous les auspices de la Soci^te
de Philologie. Tome I. 1901 — 1902. Paris, C. Klincksieck,
1902. VI. u. 301 S. 8. geh. 6 fr.
Der vorliegende Jahresbericht macht keinen Anspruch auf Voll*
ständigkeit, da in ihm nicht alle Gebiete der allgemeinen Sprachwissen-
schaft vertreten sind. Er umfafst aufser einer Einleitung des Grafen
von Gharencey, dem die Gesamtredaktion zugefallen ist, folgende Ab-
schnitte: Langues latines und Langues celtiques von J. Vendry^s;
Langues romanes von A. Dauzat; Langues germaniques von Bob.
Gauthiot; Langues ethiopiennes von 1. Guidi; Bevue des 6tudes
basques von J. Vinson; Langues de TExtrSme-Grient von Al-
bert Thomas; eine bibliographische Übersicht über die malaio-poly-
nesischen Sprachen von Aristide Marre; eine Liste der auf Grön-
land bezüglichen Arbeiten von S. Bink, und endlich noch einen ge-
schichtlichen Überblick über die Entwickelung des Druckes von Büchern
für Blinde, aus der Feder von E. Guilbeau, Lehrer an der Institution
nationale des jeunes aveugles de Paris.
Die einzelnen Berichte sind mit tüchtiger Sachkenntnis abgefafst und
haben dazu den Vorzug, sich der gefälligen Darstellung wegen angenehm
zu lesen. Falls das Unternehmen Anklang findet, sollen dieser ersten
Ann6e linguistique weitere Bände folgen, bei welchen man dann nach
Möglichkeit gröfsere Vollständigkeit erstreben will. Wir wünschen der
nützlichen Arbeit den besten Erfolg.
275) Emest Lavisse, Histoire de France depuis les origines
jusqu'ä la Bevolution etc. Tome deuxi^me I: Le Ghristia-
nisme, les Barbares. Merovingiens et Garolingiens
par C. Bayet, ancien professeur ä Tüniversit^ de Lyon, C. Pflster,
Maitre de Conferences ä Vl^oh normale superieure, A* Klein-
clausz, professeur ä Tüniversitä de Dijon. Paris, Librarie Ha-
chette et Gie., 1903. 444 S. 8.
Dieser Band des grofsen Sammelwerkes zeigt in bemerkenswerter
Weise das Zusammenwirken französischer und deutscher Gelehrsamkeit für
die dargestellte Periode. Man findet Mommsen und Hirschfeld in
der ersten Partie zitiert und von den „Antiquissimi Auetores ^' Gebrauch
gemacht, Maafsen und Krusch sind in der Behandlung der Merowinger
Sickel, Dümmler und Mühlbacher in jener der Karolinger als
524 Nene Philologische Bnndschan Nr. 22.
führende Gewährsmänner namhaft gemacht. Für die Genesis der fran-
zösischen Institutionen gilt den Verfassern Fustel deCoalangesalsder
mafsgebende Autor; aber man findet auf die abweichenden Ansichten von
Waitz, Roth, Sohm, Heinrich Brunner stetig Rücksicht genom-
men. Nur Julius Fi ck er fehlt auffallenderweise, obwohl dessen „Erben-
folge der ostgermanischen Rechte^' für die Organisation der Familie bei
den Frauken ebensowenig zu umgehen war wie für das Staatsrecht der
Karolingischen Zeit Einleitung und Text der „Forschungen zur Beichs-
und Rechtsgeschichte Italiens *^ Auch die Auseinandersetzung Fickers
über die Heimat der lex Ribuaria im fünften Ergänzungsbande der „Mit-
teilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung'* durfte nicht
ignoriert werden. Im übrigen macht gerade die fleifsige Verzeichnung
der französischen Spezialliteratur (einschliefslich der belgischen) wie das
ganze Werk so auch diesen Band wertvoll. Von der Darstellung ist zu
rühmen, dafs zwischen den politischen und den kulturhistorischen Kapiteln
das richtige Verhältnis herrscht. Wir empfehlen an diesem Orte das
Werk neuerdings unseren französischen Seminaren zur Anschaffung.
Prag. J. Jmff.
276) E. Lavisse, Histoire de France depuis les origines jusqu' äla
Revolution. Publice avec la coUaboration de MM. Bayet etc.
Tome Premier: Tableau de la g^ographie de la France,
par P. Vidal de la Blache, professeur ä Tuniversitä de Paris.
Paris, librairie Hachette et Cie., 1903. 395 S. 8.
Während in Italien wissenschaftlich strebsame Offiziere neuerdings
mit Vorliebe zu Th. Fischers Werk greifen, um die geographischen
Grundbedingungen der Geschichte ihrer Heimat zu studieren, erweisen
sich die Franzosen in diesem Zweige der Wissenschaft selbst als Meister.
Wir erhalten hier als Einleitung zur Geschichte von Frankreich eine vor-
trefflich gearbeitete Landeskunde basiert auf geologischer Grundlage, von
der aus die historische Entwickelung der einzelnen Provinzialgebiete und
die Gruppierung ihrer Bewohner erläutert wird, unter Beigabe einer
gröfseren Karte: France et Europe centrale, carte pour servir ä Thistoire
de Toccupation du sol, sowie zahlreicher Kärtchen und Groquis. Dabei
wird einleitungsweise auch auf die benachbarten Küstenstriche und Kon-
tinentallandschaften manches Licht geworfen, die Bedeutung des Salzes,
des Zinns, des Eisens, des Goldes für die Entwickelung der ältesten Ver-
j
Nene PhüologiBche ftondsobaa Nr. 22. 525
kehrswege, desgleichen die Wichtigkeit der Loefsformätion nach v. Bicht-
hofen für den Getreidebau hervorgehoben, bei der Schilderung des Pariser
Beckens an die analoge Arbeit von K Suefs über den Boden von Wien
erinnert u. s. w. Der Band gliedert sich in folgender Weise.
Teil 1: Personnalit^ g^ographique de le France (die geo-
logische Struktur des Landes, seine Beeinflussung vom mittelländischen
Meere her, wo die Bhone flulsaufwärts befahren, Massalia gegründet wurde,
die iberischen Einflüsse, desgleichen die kontinentalen, die Wanderung der
Pflanzen und Haustiere, die Verschiedenheiten von Boden und Klima).
Teil 2: D^scription regionale, nach den natürlichen oder historischen
Abgrenzungen. Im Norden : Ardenne et Flandre (Charakteristik der „Bel-
gica'O« 1^ Bassin parisien (ostwärts die Champagne, westwärts die Nor-
mandie eingeschlossen, südwärts bis zur Loire hin), la r^gione Bh^nane
(Vogesen, Lothringen, Elsafs). Zwischen Alpen und Ozean: le sillon de
la Saöne et du Bhöne (das Bhonethal, Burgund, Lugudunum oder Lyon
und Umgebung, die französischen Alpen mit Hannibals Weg!), le Massif
central (von Lyon bis Limoges, die Auvergne einschliefsend). Drittens
der Westen (Poitou, Bretagne). Viertens der Süden (die von einem alten
historischen Völkerwege durchzogene „Provincia*' oder Provence, sowie die
Ebene von Languedoc, das subpyrenäische Gebiet und das am Ozean an-
schliefsende). Ein Schlufswort behandelt la Centralisation et la vie d'autre-
fois, darin das System der Verkehrswege zu verschiedenen Zeiten, so unter
den Bömern (nach dem Itin. Antonini und der tab. Peutinger.), im
18. Jahrb. (nach der Organisation Colberts) und seither.
Prag. J. Jung.
277) M. Schwarze, Kanon französischer Sprechtlhungen üher
Oegenstände und Vorgänge des täglichen Lehens.
Wittenberg, P. Wunschmann, 1903. V und 42 S. 8.
Das ffir Gymnasien bestimmte Bfichlein hat vor allem den Vorzug
weiser Mafshaltung, wie sie allerdings bei der geringen Stundenzahl des
Französischen an diesen Anstalten geboten ist. Die Zwiegespräche und
Beschreibungen enthalten — mit Ausnahme (S. 40. 41) der Speisekarte —
nur das Notwendigste zu SprechGbungen Ober Gegenstände und Vorgänge
des täglichen Lebens. Der Verf. ist mit Becht der Ansicht, dafs uner-
bittliche Selbstbeschränkung die Grundbedingung des Erfolges^ bildet und
in diesem Falle die Hälfte mehr ist als das Ganze. Schwarze gibt sich in
Nene Philologische Bandsohaii Nr. 22.
orwort überhaupt als einen Gemäfslgten zu erkennen, der weder
3rsprache aus der französischen Stunde verbannt noch das Hinüber-
erurteilt und endlich die Konversation nur als Dienerin für die
1 Aufgaben des Unterrichtes gelten lassen will.
I aber nicht eine Wörtersammlnng bessere Dienste leistete? Dann
ie vom Verf. zugegebene „Erstarrung^' des Stoffes vermieden ; dann
iie von ihm fQr die erste Zeit geforderte Zusammenstellung des
ials durch die Schüler — eine bedenkliche Sache für Anfänger —
üssig; dann wird auch am ehesten die Klippe der Trivialität um-
t, wenn nur der die Sprache beherrschende Lehrer den Wortschatz
dbendigen Bildern verwendet.
Immerhin bildet dieser Kanon für den Unterrichtenden einen brauch-
dn Anhalt. Die Sprache ist einwandfrei. Statt Directeur für den
iter des Gymnasiums sähe ich lieber proviseur, da doch sonst die ent-
rechenden französischen Bezeichnungen richtig gebraucht sind. Paletot
. 11) im Sinne von Jackett (mit runden Ecken) mufs ich trotz der
anzösischen Gewährsmänner als allgemein gültig anfechten; S. 11 wäre
,u anneau de mariage das häufigere alliance zu setzen; cuill&re (S. 17)
statt cuiller selten. Beruht die Auslassung von pas in pourvu que nous
ne soyons trop exigeants (S. 22) auf einer zum mindesten ungewöhnlichen
Analogie zu ä moins que-ne?
Flensburg. K. Engelke.
278) Ida Baumann, Die Sprache der Urkunden aus York-
shire im 15. Jahrhundert. (= Anglistische Forschungen,
herausgegeben von Dr. Johannes Hoops, Heft 11.) Heidel-
berg, Carl Winters üniversitätsbuchhandluug, 1902. 108 S. 8.
Ji 2.80.
Eine trockene, rein grammatische Abhandlung, deren Gegenstand
erschöpfend der Titel angibt. Eine genaue Nachprüfung bedeutete eine
nochmalige Anfertigung der ganzen Arbeit, die vom Bef. kaum erwartet
werden kann, zumal sie auch wegen mangelnden Materials aufserordentlich
schwierig wäre. Die besprochenen Urkunden stammen fast ausschließlich
aus dem 15. Jahrh. Die Darstellung ihrer Lautverhältnisse erfolgt nach
dem üblichen Schema; nebenbei — in der Tat halten wir das für die
Hauptsache — sind die poetischen Denkmäler der Vergangenheit und die
heutigen Mundarten von Torkshire zum Vergleich herangezogen. Auch
die Flexionsverhältnisse werden in Kürze besprochen. Die Arbeit besteht
Nene Philologische Bandschau Nr. 22. 527
fast nur aus Belegstellen zu den ganz knapp charakterisierten grammati-
schen Tatsachen, und es ist zu bedauern, dafs sich nirgends ein paar zu-
sammenfassende Worte finden. Ihren Wert hat sie als Vorstudie und
Materialsammlung für den künftigen Historiker der englischen Sprache.
Der auf sie verwendete Fleifs ist anzuerkennen. -tz-.
279) Th. Jaeger, The literary Echo, a fortnightly paper, intended
for the study of the English language and literature. Heilbronn a. N.,
Eugen Salzer, 1903. 8. jährlich ..^ 4. —.
Die Zeitschrift, die trotz ihres verhältnismäfsig kurzen Bestehens sich
bereits viele Freunde erworben hat, wird im wesentlichen nach denselben
Grundsätzen geleitet und verfolgt denselben Zweck wie ihre ältere fran-
zösische Kollegin. In den uns vorliegenden ersten sechs Nummern des
sechsten Jahrganges haben besonders Rudyard Kipling und Mark Twain
das Wort. Als Beispiel der Erzählungskunst des ersteren ist der Tauchnitz
Edition The tomb of my ancestors entnommmen. Nr. 1 und 2 enthalten
auch ziemlich ausführliche Notizen über den in Deutschland zu einer ge-
wissen traurigen Berühmtheit gelangten Dichter. Leider ist der diese
literarische Würdigung enthaltende Artikel bereits vor der Veröffentlichung
des bekannten Oedichtes The Rowers im Druck gewesen, sonst würde,
wie der Herausg. in einer Nachschrift ausdrücklich bemerkt, das Urteil
einige Änderungen erfahren haben. Als eine sehr praktische Beigabe
erscheint uns die Reproduktion einer Photographie von Rudyard Kipling.
Wir wissen nicht, inwieweit der Ausdruck des Bildes dem des Originals
entspricht, aber die Leser des Literary Echo werden sich nun nicht mehr
über das Qedicht wundern.
Was Mark Twains Abhandlung über The awful German language
betrifft, so ist sie ja allerdings eine gute Probe von der eigentümlichen
Schreibweise dieses Humoristen. Aber mancher deutsche Leser wird sich
mit dem derben und geistreich sein sollenden Geplauder, in welchem der
Verfasser unsere Sprache verhöhnt, und überhaupt mit dem amerikanischen
Humor nicht recht befreunden können.
Eine sehr willkommene Gabe ist dagegen neben manchen anderen
nützlichen mehr oder weniger umfangreichen Stücken The literary Echo's
Journey to London, ein längerer Artikel, der eine hübsche Beschreibung
der englischen Hauptstadt enthält und auch mit einigen gut gelungenen
Photographien ausgestattet ist. So zweifeln wir denn nicht, dafs auch
Nene Philologische Eondschaa Kr. 22.
The literary Echo unter der Hand seines rührigen und sehr sach- und sprach*
kundigen Herausg. seinen Freundeskreis stetig vergrOfsem und vielen Lieb*
habern der englisohen Sprache eine nutzbringende Lektfire sein wird.
Dessau. Bahrs.
Vakanzen.
Aschersleben, G. u. BS. Obl. N. Spr. Magistrat.
Barmen, RO. Obl. Elass. Phil. Dir. Michaelis.
Benthen, OB. Obl. l)Math.; 2) Gesch. u. Deutsch. Magistrat.
Bochum, OB. Obl. Math. u. Nat. Bürgermeister Oraff.
Bromherg, BO. Obl. Deutsch u. Gesch.
Düsseldorf, OB. Obl. Gesch. Oberbürgermeister.
Frankfurt a. M., Mustersch. Obl. Lat. u. Deutsch. Kuratorium.
— Klingersch. Obl. Chemie u. Physik. Kuratorium.
Frankfurt a. 0«, BG. Obl. Lat. u. Deutsch. Magistrat.
Hagen 1. W., G. u. BG. ObL Math. Kuratorium.
Hamm, BS. Obl. Gesch. Dr. Blencke.
Harbnr^, BG. Direktor. Magistrat.
Kiel, OB. Obl. Math. Magistrat.
Königsberg 1. P., BG. Obl. N. Spr. Magistrat.
Krefeld, OB. Obl. Deutsch u. Gesch., resp. Franz. u. Engl.
Lauenhurg 1. P., Prg. Obl. Klass. Phil. Dir. Sommerfeldt.
Lübeck, BG. u. BS. Obl. N. Spr. Dir. Dr. Müller.
— Staatliches Seminar. Obl. Bei, Deutsch u. Gesch. Oberschulbehörde.
Batingen, Prg. Obl. Klass. Phil. Dr. Petry.
Remscheid, HM. Obl. Deutsch u. Gesch. Kuratorium.
Bfittenscheld, Prg. Obl. l) N. Spr.; 2) Klass. Phil. Kuratorium.
Siegen, BG. Obl. 1) Chemie; 2) Ev. Bei. Kuratorium.
Steele, G. Obl. Gesch. u. Deutsch. Dir. Wirtz.
Steglitz, OB. Obl. 1) N. Spr. 2) Math. Kuratorium.
Stettin, HM. Obl. Bei. u. Deutsch. Magistrat.
Velbert, Bprg. Obl. N. Spr. Oberi. Hinrichs.
Wanne, Bprg. Drei Obl. Amtmann Winter.
Zeitz, BG. Obl. l) Math.; 2) N. Spr. Magistrat.
In August Neumann's Verlag, ¥r. Lueas, in Leipzig
erschien soeben und ist in allen Buchhandlungen zu haben:
Die Gediohte
des
Christophoros Mitylenaios.
Herausgegeben
von
Eduard Kurtz.
38] 80. XXV u. 112 S. Preis Ji 3,20.
Für die Bedaktlon verantwortlich Dr. E. Ladwif in Bremtfl.
Druck nnd Verlag Ton Friedrich Andreas Perthes« AktiengeseUsehafl, Gotha.
Hierzu als Beilage: Prospekt der Yerlagsbachhandlang Ed. Hl^lzel, Wien, betr.
GoHversational Books abont the pictores of HoBlzel.
Ootha, 14. November. Nr. 23, Jahrgang 1903.
Neue
PhilologischeRundschau
Herausgegeben von
Dr. O. Wagener und Dr. E. Ludwig
in Bremen.
^
Encheint alle 14 Tage. — Preis ftlr den Jahrgang 8 Mark.
Bestellungen nehmen alle Bnchhandlnngen, sowie die Postanstalten des In- nnd Auslandes an.
InsertionsgebUhr für die einmal gespaltene Petitzeile BO Pfg.
Inhat: Bezensionen: 280) H. Magnus, Studien zur Überlieferung und Kritik der
Metamorphosen Ovids (G.Schüler) p.529. — 281) R. Dienel, Beiträge .zur Text-
kritik des Taciteischen Reduerdialogs (Ed. Wolff) p. 530. — 282) H. de la Ville
de Mirmont, Ciceron (L. Reinhardt) p. 533. — 283) R. Pöhlmann, Ge-
schichte des antiken Kommunismus und Sozialismus (0. SchultheDs) p. 533. —
284) E. Maass, Die Tagesgötter in Rom und in den Provinzen (0. Wackermann)
p 538 — 285) J. Vendryes, Rccherches sur Thistdire et les effets de Fintensite
initiale en latin (W.) p. 542. — 286) K. Lehrs, Kleine Schriften (E. Eberhard)
p. 546. — 287) D. Karl Budde, Das Alte Testament und die Ausgrabungen
(G. Fr.) p. 549. — 288) Heinrich v. Grein, Amis und Amiles (B. Röttgers)
p. 550. — 289) JohnFiske, Essays Historical and Literaiy (Wilkens) p. 550. —
Vakanzen. — Anzeigen.
280) Hugo Magnus I Studien zur Überlieferung und Kritik
der Metamorphosen Ovids. VI. Noch einmal Mar-
danus und Neapolitanus. Progr. des Sophien-Gymnasiums
za Berlin. 1902. 66 S. 4.
Alle Ovidforscher werden es mit grofser Freude begrfifsen, dafs Magnus
seinen grundlegenden Arbeiten fiber die Textgeschichte der Metamorphosen
nun auch eine höchst sorgfältige Kollation der beiden besten Codices M
und N hat folgen lassen. „Man mag diesen Aufsatzes sagt er am Ein- .
gange seiner Erörterungen, „als Probe einer neuen kritischen Ausgabe
der Metamorphosen betrachten, die an Stelle der längst veralteten und
überholten Eornschen treten soll. . . . Unter allen Umständen schafft er
die erstaunliche und &st beschämende Tatsache aus der Welt, dafs es
bisher keine Stelle gab, wo auch nur die wicht^ten Lesarten der beiden
führenden und mafsgebenden Handschriften fibersichtlich zusammengestellt
waren." In einem zweiten Abschnitte beschreibt der Verf. kurz diese
beiden Handschriften, bestimmt ihr Verhältnis zueinander und stellt Ver-
mutungen über die Beschaffenheit ihres Originales (0) an. Auf Grund
580 Nene Philologische Bandschaa Nr. 23.
des Konsensus von M and N, in denen der Verf. „wirklich Brüder sieht,
nngeßlhr zur selben Zeit (in der ersten Hälfte des 11. Jahrh.) und viel-
leicht in derselben Umgebung geborenes wird die Rekonstruktion von 0
in der vorliegenden Arbeit versucht. Ein dritter Abschnitt berichtet
über die bisherigen Kollationen von M und N und ihre Verwertung für
die Gestaltung des Textes. Der vierte Abschnitt enthält einige Vor-
bemerkungen über den richtigen Gebrauch der dargebotenen Kollationen.
Verzeichnet sind alle Abweichungen vom Texte der Schulausgabe des Verf.,
doch lassen die Angaben im allgemeinen auch die Benutzung der neueren
Texte von Korn, Biese (2. Aufl.), Zingerle und Ehwald zu. Von S. 6 an
folgt die Zusammenstellung der wesentlichsten Lesarten von M und N.
Da der Verf. im November 1900 und Februar 1901 beide Handschriften
persönlich eingehend geprüft hat, so dürfen wir nach seinen bisherigen
Leistungen als sicher annehmen, dafs seine Angaben „denjenigen Grad
von Genauigkeit und Zuverlässigkeit haben, der in derlei Dingen über-
haupt zu erreichen ist''. Somit haben wir nunmehr für die Textgestaltung
des gröfsten Teiles der Metarmorphosen eine möglichst sichere Grundlage,
auf der rüstig weiter gearbeitet werden kann. Hoffentlich läfst der rührige
Verf. nun auch bald die zweite Auflage des dritten Bändchens seiner
Schulausgabe und im Zusammenhange damit seineu kritischen und exe-
getischen Kommentar folgen.
Wilhelmshaven. G. Schüler.
281) Richard Dienel, Beiträge zur Textkritik des Taciteischen
Bednerdialogs. Jahresbericht des K. K. Staatsgymnasiums.
Mähr.-Trübau, 1903. 10 S. 8.
In wie hohem Mafse das Studium Quintilians (neben dem Giceros)
für die Kritik des Dialogus de or., nach sprachlicher wie formaler Seite
hin, erspriefsUch sein kann, bedarf kaum der Begründung. Auch zu dem
vorliegenden Aufsatz hat die Lektüre der Institutio Anregung gegeben,
und in dankenswerter Weise ist D. bemüht, seine Lesefrüchte zu weit*
gehender Verteidigung der handschr. Tradition des Dialogs zu verwerten.
1, 14 diversas vel easdem werde mit Unrecht beanstandet. Die Prämissen
in der Streitfrage seien bei Aper (16—23) und bei Messalla (25—26) die-
selben, verschieden aber die Folgerungen, und „jeder nach seinem Stand-
punkt hat auch die Argumente des Gegners in seinem Sinne verwertet".
Man vergleiche übrigens Quint. V 10, 77 quod utrumque exemplum tale
^
Nene PhilologiBche Bandscbaa Nr. 23. 631
est, ut idem in diversum, si retro agas, valeat; 1X4, 44. nam frequentius
utar iisdeiD diversarum quoque rerum exemplis. Die Ähnlichkeit liegt hier
doch wohl mehr im Äufserlichen. — Ffir Spengels Konjektur 5, 13 ipsum
solnm apud eium argoam lasse sich, meint D., Qu. V 6, 4 und 14, 28
geltend mächen, ffir Andresens La apud se coarguam allenfalls Qu. IV 1, 19
und XII 1, 22. — Zu 6, 17 adfectum . . . induerit hat bereits John auf
Qu. VI 2, 36 hingewiesen: quorum vnßM&re personas quid attinet, nisi
affectus assumimus? Unter Anlehnung an diesen Passus mag wohl auf
dem Wege des Zeugma, wie D. annimmt, die pointierte Redensart ad-
fectum induere entstanden sein. — 7, 10 scheint ihm der notwendige
Gegensatz zwischen „eigenkräftiger Entstehung und aufsenweltlicher Be-
einflussung^' nicht vollständig durchgeführt; er vermutet eine Lücke und
schlägt vor etwa so zu lesen: quod si <^non innatum nobis sit deorumve
munere insitum,) non ab alio oritur, nee c. datur nee c. gr. venit. Dienel
denkt dabei an Äufserungen ähnlichen Sinnes bei Cicero de or. I 114,
115, 126, 198, 202; II 38; de fin. II 78; IV 4; Tusc. I 54 nam e prin-
cipio oriuntur omnia, ipsum autem mJla ex re alia nasci potest ... nee
ipsum a& alio renascetur. Gerade diese letzte Stelle übrigens (sowie de
fin. II 78) legt den Gedanken näher, D. 7, 10 mit Tilgung von si zu
lesen, wie schon Michaelis wollte: habere quod non in alio oritur nee c.
datur nee c. gr. venit (die Richtigkeit des „si" bezweifelte auch Andresen).
Die beiden durch nec-nec verbundenen Satzglieder dienen zur genaueren
Umschreibung und Erläuterung des vorangehenden quod-oritur. Vgl.
12, 3 und 31, 3 non ut declamarent nee ut fictis nee ullo modo ad veri-
tatem accedentibus controversiis linguam modo et vocem exercerent.
Dieneis Vorschlag, 11, 16 zu lesen: nam statum mri dvisque ad
securitatem (vgl. Cic. de or. I 255 talis et viri et civis u. ö.), mag ernst-
licher Beachtung empfohlen werden, zumal die von Lipsius herrührende
La hucusque ac tatsächlich nur als Notbehelf gelten kann. Wenn er
dagegen empfiehlt, 12, 14—19 die Worte „inter nos — ApoUinem" vor
„nee Ullis — reges" zu stellen, so scheint mir das aus einer Verkennung
des Zusammenhangs hervorzugehen. Dafs im übrigen auch diese Stelle
Beziehungen zu Quintilian (I 10, 9 f.) aufweist, war selbstverständlich
nicht unbekannt. — Die gewöhnliche Auffassung von 13, 14 ii quibus
praestant indignantur findet eine gute Stütze an Qu. VII 4, 22 f. liberor
Utas a quo profecfa sU, refert . . . Item in quam rem dederit et quo
tempore et quo animo, id est, num in aliquam spem suam sq. — Sehr
582 Nene PhUologische Banclscliaa Nr. 23.
eiogehend behandelt D. die kontroverse Stelle 17, 10—17 Statue — colli-
gnntnr, um darzutnn, warum am überlieferten Text, novem inbegriffen,
festzuhalten sei. Hier kann ich ihm nicht weiter folgen als die treffende
Auslegung des W. statio im gegebenen Znsammenhange reicht Die
Grundanschauung ist hier selbstverständlich die für Yespasian vornehmlich
passende militärische. (Vgl. Hist. U 5—7; 74—81.) Der Kaiser bezieht
alljährlich am Gedenktag seiner Berufung von neuem die „Beichswacht^^
Sexta iam statio bezeichnet somit den Beginn des sechsten Jahres, also
fünf vollendete Begierungsjahre. Das fiktive Datum des Dialogs wäre
also der 1. Juli 74 oder ein nicht gar zu lange darauf folgender Tag
(s. John, Einl. 3 f.). Mit dieser Annahme läfst sich Apers Berechnung
zwanglos vereinigen, selbst wenn wir uns entschliefsen sollten, die Zahl
novem beizubehalten und weiterhin zu lesen: quibus divtis Itdius, mox divus
Augustus sq. D. möchte nämlich bis zur Schlacht von Munda (17. März 45),
die Cäsars Alleinherrschaft entschied, zurückgehen, auf die Zeit, wo bereits
„von Ciceros politischem interitus geredet werden kann''. Ein solche
Deutung ist aber mit dem gesamten Wortlaut unserer Stelle schlechterdings
unvereinbar. — 29, 4 empfiehlt sich Ecksteins Konjektur enoribus et vüüs
durch Vergleichung mit Qu. I 1, 8 — 10 nee minus error eorum nocet
moribus . . . quibusdam eum vUiis imbuU, — 31, 31 Stoicorum civem
(so Döderlein) entspricht nach D.s Ansicht dem Zusammenhang am besten,
indem die Qualifikation der Stoiker als Staatsbürger dadurch ironisiert
werde. Von den verglichenen Stellen Quintilians pafst eigentlich nur
XII 2, 6 f. -~ Zur teilweisen Ausfüllung der Lücke im Text nach 35, 23
cum ad veros iudices ventum, schlägt D. einstweilen vor (Qu. XII 6, 5)
omnia suis exercitationibus similia desiderant. At illic et iudex tacet . . .
minime sciunt. •— Mit diesen Hinweisen auf Dieneis neueste, hoffentlich
nicht letzte, Beiträge mag es für heute genug sein. Der Gelehrte hat
sich um die Erklärung des Dialogus schon sehr verdient gemacht, und
seine feinen Beobachtungen bewegen sich in einer für Textkritik und
Interpretation überhaupt empfehlenswerten aussichtsreichen Bichtung.
Frankfurt a. M. — Hombarg v. d. H. Eduard Wolff.
^
Nene Philologisohe Bnndsobaa Nr. 23. 588
282) H. de la Ville de Minnont» CicöroiL Extraits et analyses
des principaux discours. Texte latin pr^cMä d*nne introdaction
et accompagn^ de notes. Paris, Garnier fr^res, 1901. VII n.
539 S. 8.
Die Einleitung gibt auf 80 Seiten eine schlichte Darstellung des
Lebens des Bedners an der Hand der Beden. Dabei ist der Verf. an
einer Stelle der Versuchung unterlegen auch da von Beden zu sprechen,
wo unsere Überlieferung uns nicht dazu berechtigt. Auch das Jahr der
Quästur, meint er S. 11 unter Berufung auf Plutarch Cicero XII (gemeint
ist VI), sei fQr seine rednerischen Triumphe nicht ganz verloren gewesen,
während.Plutarch in Wirklichkeit nur von einer FQrsprache f&r einige vor-
nehme Jünglinge beim Propraetor handelt. Ebenso unberechtigt wird
Q. Gaecilius Niger, der dem Cicero die Anklage gegen Verres streitig
machte, mit Berufung auf Plutarch. Cic. XVI als Jude bezeichnet Seltsam
ist der Gedanke, dafs Antonius nach der Ermordung Cäsars sich mit
Enthusiasmus der von Cicero vorgeschlagenen Amnestie und Versöhnung
angeschlossen habe (S. 70).
Der Einleitung folgen Abschnitte aus allen erhaltenen Beden mit
Ausnahme der pro Tullio. Es sind durchgehende interessante, durch In-
halt und Form anziehende Stficke gewählt, die in ihrer Gesamtheit die
Person des Bedners von allen Seiten beleuchten und zugleich in die Zeit,
in der er lebte, geschickt einfahren. Der Text beruht auf der Ausgabe
von C. F. W. Malier, die erklärenden Anmerkungen, hauptsächlich ge-
schichtlichen oder juristischen Inhalts, beanspruchen eine wissenschaftliche
Bedeutung nicht; wie weit sie den Bedfirfnissen der classes d'Humanit^s
et de Bh^torique, fär die das Buch bestimmt ist, entsprechen, vermag
Bef. nicht zu beurteilen.
Wohlan. Leepold Reinhardt.
283) Bobert Föhlmamii Oeschichte des antiken Kommunis-
mus und Sozialismus. Zweiter Band. München 1901, C. H.
Becksche Verlagsbuchhandlung (Oskar Beck). XII u. 617 S. 8.
Jf 12. — .
Am Schlufs des ersten Bandes seines monumentalen Werkes, das ich
in dieser Bundschau 1896, Nr. 4, S. 56 — 60 eingehend charakterisiert
habe, hatPShlmann den die nationalen Schranken durchbrechenden Ideal-
staat Zenons dargestellt ist. Der zweite Band f&hrt die Darstellung der
534 Nene Philologische Bondschaa Nr. 23.
kommanistiscben Staatsgestaltang ia der Theorie und Literatur der Oriechen
zu Ende und schildert „die soziale Utopie im Gewände der
Dichtung^^ in den Unterabschnitten „das Wunschland in Fabel und
Komödie*^ und „der Staatsroman ^^ In letzterem Abschnitt werden uns
vorgeführt: 1) die Atlantis des Flato, 2) Theopomps „meropisches Land*'
und Hekatäos' „kimmerische Stadt 'S 3) die „heilige Chronik'' des Eu-
hemeros, 4) der Sonnenstaat des Jambulos; alles hübsche Einzelbilder,
wobei das Neue selbstverständlich nicht im Stoff, sondern in der Art der
Betrachtung liegt. Nicht völlig befriedigt hat mich der letzte Abschnitt
über den Sonnenstaat des Jambulos. Wenn ich auch dem Verf. gern das
Recht einräume, in diesem Zusammenhange auf die Behandlung der literar-
historischen Fragen zu verzichten, so hätte er doch wohl die chrono-
logischen Fragen weder hier noch bei den anderen Utopien völlig über-
gehen dürfen, so wenig auch solche Untersuchungen gesicherte Resultate
versprechen. Die Angaben, die man sich nunmehr aus seiner Darstellung
zusammensuchen mufs, sind doch gar zu vag. Aufser Bohde würde Be-
rücksichtigung verdienen, was hierüber Wo Ide mar Richter, Jambulos,
Beils^e zum Osterprogramm des Gymnasiums Schaff hausen (1888) S. 8 f.
gesagt hat. Auch fehlt, abgesehen von einer kurzen Andeutung S. 89,
jede Bemerkung darüber, in welch erbärmlichem, ungeordnetem Auszug
uns Diodor die phantastische Idealschilderung des Jambulos überliefert hat
(s. Richter, S. 10 f.). Für solche, wie mir scheint, nicht überflüssige
Auseinandersetzungen hätte sich wohl Raum gewinnen lassen durch Be-
schneidung einzelner fast zu breiten Ausführungen. Es hätte auch wohl
die Frage berührt zu werden verdient, inwiefern platonische, kynische und
stoische Ideen von Jambulos verwertet sind. Dafs gerade kynische und
stoische Anschauungen seinen Ausführungen nicht zugrunde zu liegen
brauchen, da die als solche in Anspruch genommenen Ideen damals sozu-
sagen in der Lufb lagen, scheint mir gegen Rohde, dem hier Pöhlmann
ohne weiteres gefolgt ist, Richter, S. 67 ff., mit Glück nachgewiesen zu
haben. Aber auch sonst habe ich den Eindruck, dafs von Jambulos
manches naiver ersonnen und dargestellt sei, als es von Pöhlmann nach-
empfunden ist. Er läfst sich vielleicht hier doch ein wenig zu sehr von
dem Gedanken leiten nachzuweisen, dafs der moderne sozialistische Uto-
pismus seine Vorbilder — vorsichtiger würde man sagen, seine Vor-
gänger — nicht erst in Monis* „Utopia", sondern schon in der sozialisti-
schen Dichtung der Griechen gehabt habe. Trotz dieser Einwände gebe
Neue Philologisch« BandBchaa Nr. 23. 535
ich gerne zu, dafs, nachdem Bohde und Richter ihre Aufmerksamkeit fast
ausschliefslich den literarischen Fragen oder teratologischen Einzelheiten
zugewandt hatten, Pöhlmann zum ersten Male die sozialgeschichtliche Be-
deutung der Utopie des Jambnlos klar und scharf dargestellt hat.
Auf diesen theoretischen Teil folgt, einigermafsen zu unserer Über-
raschung, eine Entwicklungsgeschichte der sozialen Demo-
kratie, die weitaus den Hauptteil des vorliegenden Bandes bildet (S. 94
bis 441). Ich hätte, offen gestanden, diesen Abschnitt überhaupt nicht
mehr erwartet. Besser wäre er meines Erachtens am Platze gewesen als
historische Grundlage vor der Darstellung der individualistischen Zersetzung
der Gesellschaft und der Organisationspläne zum Aufbau einer neuen Staats-
und Gesellschaftsordnung, also nach Kap. I des ersten Bandes. Wenn ich
aber von diesem ja nur äußerlichen Mangel absehe, so stehe ich nicht an,
auch diesem Hauptteil des zweiten Bandes all die guten Eigenschaften
nacbzurfihmen , wie dem ersten Bande. Damit möchte ich nicht gesagt
haben, dafs ich nun alle und jede Einzelauffassung Pöhlmanns teile, wenn
ich auch gern zugebe, dafs er mit seinem umfassenden Wissen in der
Untersuchung fiberall behutsam zu Werke geht. Wichtiger scheint mir,
dafs der allgemeine Gesichtspunkt, von dem aus die Entwicklung der
sozialen Demokratie bei den Griechen von den Anfängen bis zu ihrer Ent-
artung untersucht wird, unanfechtbar ist, so dafs diese umfassende Dar-
stellung der sozialen Frage im griechischen Altertum volle Anerkennung
verdient. Pöhlmann sucht, wie ich schon bei Besprechung des ersten
Bandes betont habe, einen möglichst objektiven Mafsstab fär die Be-
urteilung der sozialen Entwicklung zu gewinnen, soweit auf solchem
Gebiet überhaupt von Objektivität gesprochen werden kann. Seine Grund-
anschauungen stehen im Gegensatz einerseits zu jenem bürgerlichen Doktri-
narismus, der alle staatlichen Umwälzungen als rein politische Erscheinungen
auffassen will, den Einflufs der sozialen Grundlagen leugnet und sich
ängstlich ablehnend verhält gegen die moderne Richtung, die das Alter-
tum durch die Betrachtung des modernen Lebens zu begreifen sucht,
anderseits aber auch zu dem extremen Standpunkt der modernen sozialisti-
schen „Geschichtschreibung 'S die alles Geschehen nur fils Folge sozialer
Zustände betrachtet und es in ihrem doktrinären Radikalismus schroff
ablehnt, aus den relativ ein&chen Zuständen des Altertums Lehren für
die verwickeiteren sozialen Probleme der Gegenwart zu ziehen. Da Pöhl-
mann seine Aufgabe vorurteilsfrei, mit wahrhaft historischem Sinn löst.
536 Nene Philologische Rnndschaa Nr. 23.
SO gewinnt der Leser aus seinem Buche nicht blofs reiche Belehrung,
sondern, was mehr heifsen will, auch reiche innerliche Förderung. Sein
Buch hat einen nicht geringen erziehlichen Wert. Es übt auf den mo-
dernen Staatsbürger, wenn er sich nicht einseitig in die ungeschichtliche
Auffassung einer extremen Richtung verrannt hat, eine läuternde Wirkung
aus, so dafs auch von diesem Gesichtspunkte aus das Studium des Werkes
nicht warm genug empfohlen werden kann.
Bei aller Anerkennung der tief eindringenden Forschung glaube
ich aber nicht verschweigen zu dfirfen, dafs die Darstellung in diesem
Abschnitte gelegentlich zu sehr in die Breite geht Es hätte doch be-
rfieksichtigt werden dfirfen, dafs ja das Wenigste von dem, was hier vor-
gebracht wird, wirklich neu ist; neu ist — und das ist ja immer noch
viel — die konsequente Betrachtung der Einzelerscheinungen unter einem
einheitlichen Gesichtspunkt. Doch wir begreifen es, dafs es dem Verf.
ein Bedürfnis war, Probleme, mit denen er sich schon seit Jahren ein-
gehend beschäftigt hatte und über die er eine ganze Anzahl von Einzel-
studien bereits früher veröffentlicht hatte, einmal in gröfserem Zusammen-
hange und dann auch ohne wesentliche Kürzungen zusammenfassend dar-
zustellen. Daher bieten dem, der Pöhlmanns gesammelte Aufsätze „Aus
Altertum und Gegenwart*', die ich in dieser Bundschau 1897, Nr. 23,
S. 360 ff., besprochen habe, kennt, mehrere längere Abschnitte des vor-
li^enden Bandes Wiederholungen oder Aufarbeitungen jener früheren
Studien. Doch wird auch dieser Leser gern diese Betrachtungen, nachdem
sie unter einen höheren, allgemeinen Gesichtspunkt gerückt sind, noch
einmal geniefsen. Versteht es doch Pöhlmann meisterlich, in anziehender
Darstellung lebensvolle Bilder der einzelnen Entwicklungsphasen zu
zeichnen.
Nachdem die Darstellung der griechischen Verhältnisse unter der
Hand, wie der Verf. selbst gesteht, eine von ihm selbst nicht erwartete
Ausdehnung gewonnen hatte, ist die Entwicklung der sozialen
Zustände Borns im zweiten Buche auf verhältnismäfsig kleinem Baume
dargestellt (S. 443 — 617). Nun ist ja freilich zuzugeben, dafs die Natur
unserer Quellen derart ist, dafs eine wirkliche Geschichte der sozialen
Bewegung in Bom zu schreiben schlechterdings unmöglich ist (S. 475).
Auch hat Pöhlmann den allgemeinen Charakter der Entwicklung mit
bewundernswertem Scharfsinn und durch psychologisch feine Analyse der
mehr zufälligen Notizen der Quellen meisterhaft gezeichnet. Trotzdem
^
Neue Philologische Bondschaa Nr. 23. 537
scheint mir dieses zweite Buch in Anbetracht der Bedeutung des Problems
schon äufserlich in keinem richtigen Verhältnis zu den Abschnitten Ober
die Entwicklung der sozialen Frage bei den Griechen zu stehen. Vielleicht
wäre diese ganze Partie besser einem folgenden Bande vorbehalten worden.
Ein eigentlicher Abschlufs ist ja damit doch nicht erreicht, weil eine
vollständige Darstellung gebieterisch die Hereinbeziehung des Christentums
erfordert hätte, wie sie öbrigens der Verf. selber nach dem Vorwort zum
ersten Bande beabsichtigt hatte. Wir haben freilich kein Becht, vom
Verf. mehr zu verlangen, als er uns vorläufig bieten wollte, wünschen
aber sehr, dafs es ihm nicht an Lust und Zeit fehlen möge, auch diesen
Schlufsabschnitt, auf den er selber im vorliegenden Bande S. 333, Anm. 2
und S. 617 als künftige Aufgaben hinweist, als Krönung des Werkes
uns bald zu schenken.
Ich bedaure sehr, dafs mir der verfügbare Baum nicht gestattet, den
Gang der Darstellung Pöhlmanns auch nur in grofsen Zügen vorzuführen
und die Leser auf die zahlreichen, scharf herausgearbeiteten Einzelbilder
hinzuweisen und dabei mein Urteil über das Buch im einzelnen zu be-
gründen. Ich darf aber um so eher darauf verzichten, als das Werk als
ganzes gelesen, studiert und nachempfunden zu werden verdient. Solche,
die nicht das Ganze lesen können, seien nachdrücklichst auf zwei gröfsere
Abschnitte hingewiesen, 1) auf das Bild, das Pöhlmann im sechsten Ab-
schnitt (S. 265 ff.) vom demokratischen Staatssozialismus und
dem Umschlag in den radikalen revolutionären Sozialismus
entwirft, wobei scharfe, aber vollständig berechtigte Worte gegen die
unselige Gleichmacherei der Massendemokratie, vor der der Adel der Bil-
dung und Gesittung mehr und mehr das Feld räumen mufs, fallen, 2) auf
den siebenten Abschnitt (S. 340 f.), der den allgemeinen Verlauf
der sozialen Revolution schildert und im Gegensatz zu der vom
doktrinären Sozialismus immer und immer wieder behaupteten Leistungs-
fähigkeit und Zeugungskraft der sozialen Revolution in wahrhaft ab-
schreckender Weise ihre absolute Unfruchtbarkeit an der Hand der ge-
schichtlichen Tatsachen schlagend beweist.
Wer aber diesen ganzen Band so eingehend studiert, wie er es ver-
dient — die Aufgabe ist entsprechend der Schwierigkeit der Probleme
nicht klein und nicht immer leicht — scheidet von ihm mit dem Gefühl«
ein wirklich bedeutendes Werk in sich aufgenommen zu haben, dem er
mannigfache Anregung und Förderung verdanke. Denn der Verf. ist ein
538 Neue Philologische Rundschau Nr. 23.
Gelehrter, der mit dem ganzen Büstzeug moderner wirtscbafts- und sozial-
geschichtlicher Forschung ausgerüstet an seine Aufgabe herangetreten ist
und daher weifs, wie er die Quellen befragen will. Allerdings mufs ich
gestehen, dafs er nach meinem Gefühl in diesem zweiten Baude gelegent-
lich etwas zu weit geht, wenn er glaubt beim Versagen der Quellen
durch eine Analyse der sozialökonomischen und politischen Zustände die
Ideen des antiken Sozialismus* ergründen zu können und wenn er sich
mitunter, wie bei den Ausführungen über das Verhältnis von Arbeitgeber
und Arbeitnehmer (S. 220—223), etwas breit über moderne soziale Theo-
rien ausläfst. Allerdings tut er das nie zwecklos, sondern mit der oflfen-
baren Absicht, hierdurch auch im Leser den Sinn für die Auffassung der
sozialen Probleme des Altertums zu schärfen. Durch solch vergleichende
Analysen sucht er eine möglichst genaue Vorstellung von den Entwick-
lungsreihen zu gewinnen, als „ deren notwendiges Ergebnis die Entstehung
solcher Ideen zu begreifen ist", wie er S. 109 sich ausdrückt. Hier scheint
mir eine Warnung ana Platze. Eduard Meyer, gegen den hier bei-
läufig polemisiert wird, hat meines Erachtens schlagend gezeigt, dafs die
historischen Ereignisse nicht auf solchen blofsen massenpsychologischan
Ideen beruhen, und dafs zumeist der ganze Gang der Entwicklung, wenn
man diese in ihren Motiven und letzten Ursachen verfolgt, viel kompli-
zierter ist, als eine Darstellung zugeben will, die auf ausschliefslich wirt-
schaftlichen Anschauungen oder gar sogen. „Gesetzen" beruht.
Kleinere Einwendungen, wie sie bei dem weitschichtigen Stoflfe un-
vermeidlich sind, halte ich zurück, wünsche aber auch, dafs einige prin-
zipielle Einwände, die ich erhob, den Eindruck nicht abschwächen sollen,
dafs das Buch Pöhlmanns ein bedeutendes, grofszügiges Werk ist.
Prauenfeld (Schweiz). Otto SohnltheAi.
284) Ernst Maass, Die Tagesgötter in Rom und in den Pro-
vinzen. Aus der Kultur des Niederganges der antiken Welt.
Mit 30 Abbildungen. Berlin, Weidmannscbe Buchhandlung, 1902.
VIII und 311 S. 8. Jt 10.-.
Das Werk geht darauf aus, die in den verschiedensten Gegenden des
Bömerreiches vorhandenen Denkmäler, die die Qötter der sieben Wochen-
tage zeigen oder ihnen bestimmt gewesen sind, aufzusuchen, festzustellen
und zu deuten, und unter Heranziehung einer fast überreichen Fülle von
literarischem, historischem, inschriftlichem und archäologischem Material,
^
Neue Piiilologische Bondscban Nr. 23. 539
das Verf. oft an Stellen za finden weifs, wo man es nicht erwartete oder
bisher nicht gesucht hatte, gelangt es zu wichtigen Ergebnissen. Der
Weg, den Verf. bei seinen Untersuchungen nimmt, ist öfters etwas lang
und umständlich, aber er geht möglichst sicher ; und da hierbei eine aufser-
ordentliche Menge von Quellen, oft recht versteckte, vereinzelte, beziehungslos
scheinende, herangezogen werden, da keine Besprechung der einschlägigen
Materie, sei es aus dem Altertum, aus der Zeit des Humanismus oder der
Neuzeit unbeachtet gelassen wird, da im Verlaufe der Untersuchung eine
Menge Einzelfragen, die bisher strittig waren, mit erledigt werden, so
bringt das Buch nach den verschiedensten Richtungen Belehrung und An-
regung; und dieser Erkenntnis und diesem Genüsse wird sich auch der
nicht verschliefsen , der vielleicht mit den Hauptergebnissen nicht immer
sich im Einverständnis befindet.
Das Buch beginnt mit der Feststellung der örtlichkeit und des
Äufseren des im Mittelalter den wechselvollsten Schicksalen unterworfenen
Septizonium des Septimius Severus, das noch Sittl (Archäologie der Kunst
S. 384) kurzweg als „den gröfsten Wasserturm der Erde" bezeichnet.
Bei Untersuchung der Bedeutung des Bauwerkes weist Verf. die ver-
schiedenen Hypothesen über seine Bestimmung zurück, namentlich den
Versuch, es aus Commodian Instr. I, 7 („de septizonio et stellis'') als
„Planetengürtelhaus" zu erklären. Auch die Deutung des Septizonium
als Nymphaeum wird als verfehlt nachgewiesen. Hierzu stellt Verf. über
die Bedeutung dieses Wortes und den Zweck der Nymphäen eine ein-
gehende Untersuchung an und zeigt uns in einer Beihe von Beispielen
— im römischen Afrika, im Orient, auf griechischem Boden, in der Um-
gebung des kaiserlichen Roms — Nymphäen der verschiedensten Aus-
führung: alle zum Schmuck und zum Kultus bestimmten Wasseranlagen
des griechisch-römischen Altertums erhielten diesen Namen, und allmäh-
lich wurden diese Gebäude zu öffentlichen Gesellschaftsräumen. Auch ein
solches Nymphaeum ist das Septizonium nicht gewesen. Es war der
severische Septizoniumbau ein hallenartig angelegter Unterbau, bestimmt,
etwas sehr Bedeutendes, weithin über die via Appia Sichtbares zu tragen.
Was dieses war, sucht Verf. durch eine nun folgende eingehende sprach-
geschichtliche Untersuchung zu erweisen, in der er zu dem Schlüsse kommt,
dafs für den Severusbau die Schreibung Septizodium das ursprüngliche, für
die Etymologie allein zu verwendende Wort, Septizonium eine volksetymo-
logische oder durch falsche Schulgelehrsamkeit entstandene Variante sei.
540 Nene Philologische Bondschau Nr. 28.
Verfasser kommt zn der Schlursfolgerung (S. 138): „Septizodium, ver-
anstaltet in das Eonkurrenzwort septizoniam, bedeutet, uogewifs seit wann,
oaohweislich die sieben Planeten and zwar iu ihrer Funktion als Tagea-
götter^*; schon Plato und Aristoteles anerkennen die Planeten als ^loidia. —
Es ist keine Frage: die Gleichung Septizoniam = Septizodium ist in d^
Beweisführung der springende Punkt; aber Verf. vermag sie annehmbar
zu machen. Seit Septimius Severus, dem Afrikaner, dringt mystisches
Wesen, Vorliebe für Astrologie und Fatalismus mehr und mehr in die
religiösen Anschauungen ein: die severiscben Schicksalsgottheiten, die
Götter der sieben Wochentage werden an dem grofsartigen Septizodium
angebracht, das ausersehen war zur Fassade des Eaiserpalastes, der fortan
nach Süden ^ nach der viaAppia, in die Ferne schauen sollte; von den
Planetengöttem wollten die Severe ihren Palast gehütet wissen wie von
Palastwächtem. Und nicht blofs hier, sondern überhaupt „pflegten die
Planeten gruppenweise nicht als solche, sondern als die Tagesgötter in der
Praxis des Lebens durch Monumente verewigt zu werden''.
Verf. geht über zu den „Tagesgöttern in Thermen und Zirkus''. In
zahlreichen Einzelanlagen in den Provinzen lassen sich die sieben „Dies"
als Götterbilder nachweisen; durch die sieben Vokale a bis o) wurden die
Planeten bezeichnet. Die Tagesgötter wurden als solche in den römischen
Thermen und Zirkus (zum Teil erweislich seit Trojan) gern bildlich dar-
gestellt und verehrt, um die dort verkehrende Bevölkerung wirksam unter
ihren magischen Schutz zu stellen.
Am auffallendsten zeigen sich die Tagesgötter an den gallisch-rheini-
schen Siegessäulen, den gewöhnlich Giganten- oder Jupitersäulen (früher
auch Bagaudeosäulen) genannten Monumenten, deren bis jetzt 50 gut be-
kannt sind. Bei dieser Gelegenheit bringt Verf. eine dankenswerte, wenn
auch nicht unbedingt in diesem Zusammenhange notwendige Besprechung
über die Gigantensäulen überhaupt, denen er nicht eine mythologische oder
allgemein symbolische, sondern eine historische Deutung gibt« Als eine
der beachtenswertesten dieser Säulen erkennt er die kürzlich in der Nähe
des Limeskastelles Marköbel innerhalb einer ländlichen Niederlassung ge-
fundene, deren Beste gegenwärtig im Museum des Hanauer Geschichts-
vereins geborgen sind. Die S. 177 abgebildetien acht Köpfe fafst Verf.
als die Abbilder der sieben Wochengötter und 'des genius loci auf. In-
dessen ist das nicht ganz zutreffend; denn nachträglich (d. h. nach der
von Maals an Ort und Stelle vorgenommenen Untersuchung) hat sich heraus-
Nene Phüologiscbe Bnodschan Nr. 23. 541
gestellt, dafs der eine der acht Köpfe (es ist Nr. 5 der dort abgebildeten)
nicht an den Zwischensockel, wo die Wochengötterbilder nnterzubringen
sind,, gehört, sondern genan in eine Lücke des Kapitals pafst, welches die
Beitergruppe selbst trägt. Daher ist jener Sockel wirklich ein Sieben-
götterstein. Ganz deutlich zeigt sich auch noch an einem der ausladenden
Volutenknäufe ein Kopf, so dafs, wenn wir uns das Kapital vervollständigt
vorstellen, an diesem acht Köpfe sich befunden haben müssen, eine Er-
scheinung, die freilich noch der Erklärung harrt ^).
Wenn die Frage über Entstehung und Bedeutung der Gigantenreiter
auch von Maass nicht endgiltig entschieden wird, so vermag er doch manches
Neue hinzuzufügen. Eine geistvolle Vermutung sucht er zu begründen:
dafs nämlich der gallische Gigantenreiter in Athen (Paus. I, 2, 4), der
auch von Stark und Loeschcke als Vorbild unserer Gruppe angesprochen
wird, den Germanikus darstellt, der den Germanengiganten mit der Lanze
durchbohrt, ein Bildwerk, gewidmet, als Germanikus bei seinem Besuche
im Jahre 18 n. Chr. von den Hellenen allerorten, von den Athenern mit
überschwenglicher Begeisterung aufgenommen und geehrt wurde. Bleibt
dies auch nur Vermutung, wenngleich eine in dem Gedankengange, den
Verf. nimmt, naheliegende, so steht doch fest, dafs, wie in aller Kunsir-
fertigkeit, auch für diese Gruppe die Griechen Vorbilder gegeben haben. Als
Vermittlerin ist Massilia anzunehmen. Echtrömischea Element dabei ist
der oft erscheinende Ortsgenius; auch er entspricht aber der Stadttyche der
Griechen. Und auch zu dem im palatinischen Planetenhause thronenden
Septimius Sevems findet sich eine treffende Parallele in Konunagene
(aus der sullanischen Epoche), wo der König Antiochus sich ein leQo-
d'iaiov, das zugleich sein Grab werden sollte, in der angegebenen Weise
baute.
Zur Zeit Neros und Domitians war in Kleinasien die Planetenwoche
schon fest. Ein merkwürdiges apollinisches Orakal aus spätgriechischer
Zeit findet Verf. bei Easebius Praep. ev. V, 14, Isqq., ein Bruckstück
aus Porphyrius* „Orakelphilosophie 'S das — vorausgesetzt, dafs Maass*
allerdings ansprechende Änderung nal ^Piav in %'A(jypf das richtige trifft —
1) übrigens wird Fandbericht und eingehende Beschreibnnfr der Hanauer Giganten-
reitersaule in kurzem voraussichtlich in der Westdeutschen Zeitschrift zu lesen sein.
Bei dieser Gelegenheit mag erwähnt werden, dafs sich inzwischen ebenfalls in der Nähe
Hanaus ein Viergotterstein gefunden hat, der in die Kirchenmauer zu Wachenbuchen
eingemauert war.
542 Nene Philologische BimdBchan Nr. 23.
zeigt, dars der griechische Apollo die Verehrnng der Planeten an ihren
Tagen, d. h. die Einföhrung der siebentägigen Planetenwoche angeordnet hat.
Die nationslosen Tagesgötter — so argumentiert Verf. weifer, um
seine Annahme von der Entstehung der Woche zu begründen — schoben
sich zuerst neben, dann vor die Nationalgötter, um sie allmählich ganz
zu verdrängen. Am Ende sind sie von allen Oötzen allein übrig geblieben
und in das Christentum eingeschmolzen worden; die Mythographen der
Eaiserzeit und die christlichen Apologeten haben hierzu am meisten bei-
getragen. Verf. verfolgt den Weg, den die allmähliche Einbürgerung der
Tagesgötter und der Planeten woche genommen hat, bis über das Mittel-
alter hinaus in Yolksänschauung, Poesie und bildender Kunst
Ein Abschnitt über die Bestimmung des Pantheons, in dem die An-
nahme, es könne ein Planetentempel gewesen sein, gründlich und über-
zeugend widerlegt wird, schliefst das inhaltreiche Buch. Die hier mit-
geteilten Gedanken lassen wohl erkennen, dafs des Verf. Schlufsfolgerungen
nicht überall stichhaltig sind; trotzdem macht das Werk im ganzen wie
im einzelnen mit Becht Anspruch auf die vollste Beachtung der Forscher;
im ganzen, weil es wichtige Erscheinungen der antiken Kultur in gründ-
licher Weise und im Zusammenhange behandelt und in zum Teil ganz
neuer Beleuchtung zeigt; im einzelnen, weil manche archäologische Merk-
würdigkeit neue Erklärung erfährt, manche bisher unbeachtet gebliebene
Einzelheit Bedeutung erhält, auch manche zweifelhafte oder mifsverstandene
Stelle der Schriftsteller kritisch beleuchtet oder ansprechend erklärt wird.
Hanau. 0. Waokormann.
285) X Vendryes, Becherches sur ThiBtoire et les effets de
rintenBitö initiale en latin. Paris, Klincksieck, 1902.
XIV U. 343 S. gr. 8. 8 frcs.
Von den beiden Teilen dieses Buches ist der erste von allgemeinerem
Interesse, weshalb über ihn ausführlicher berichtet werden soll. Er han-
delt vom lateinischen Akzent. Mit dem letzteren Wort bezeichnet man
gemeinhin zweierlei Dinge, ohne sie immer recht auseinanderzuhalten:
einmal die Tonstärke (intensite) einer Silbe und sodann ihre Tonhöhe
(hauteur). Aufserdem ist die Silbe Träger eines dritten veränderlichen
Elementes, der Quantität. Nach dieser Feststellung prüft V. die Zeugnisse
über die Art des lateinischen Akzentes und unterscheidet dabei dreierlei:
1) die romanischen Sprachen, 2) die lateinische Grammatikerlehre und
Neae Philologische Bundschau Nr. 23. 643
3) die lateinische Phonetik. Die romanischen Sprachen föhren auf die
Tonstärke hin (vgl. Schwächung und Schwund tonschwacher oder un-
betonter Silben im Woiiinnem und am Wortende); dieser (exspiratorische)
Akzent unterliegt dem Dreisilbengesetz, steht also in Beziehung zur Quantität
der Silben und hat ferner in gewissen romanischen Sprachen und unter ge-
wissen Bedingungen einen Nebenakzent auf der ersten Wortsilbe. Es ist doch
wohl anzunehmen, dafs diese Art der Akzentuierung von der lateinischen
Sprache auf die romanischen übergegangen ist. Befragen wir nun die
lateinischen Grammatiker, so kommen wir zu einem ganz anderen Er-
gebnis. Varro und seine gelehrten Zeitgenossen (z. B. Nigidius) vertreten
eine Akzentlehre, die aus dem Griechischen stammt und von ihnen ohne
weiteres auf die lateinische Sprache angewendet wird. Der griechische
Akzent ist aber musikalisch, d. h. er beruht auf der Tonhöhe, nicht auf
der Tonstärke; also mufs zu Varros Zeiten auch die lateinische Sprache
einem Akzent der Tonhöhe unterlegen haben. Dies wird von Cicero
an verschiedenen Orten bestätigt, und Vitruv sowie Quintilian liefern
weitere Zeugnisse für diese Tatsache. Die varronische Lehre ist für die
Folgezeit mafsgebend geworden ; die späteren Grammatiker schliefsen sich fast
durchweg der varronischen Auf&ssung an (so z. B. Martianus Capella und
Priscian). Jedoch zeigt sich gelegentlich auch eine Abweichung, wie bei
Diomedes, Servius und Pompeius; deren Ausführungen über den Akzent
beziehen sich nicht auf Tonhöhe, sondern auf Tonstärke. (Übrigens
erscheinen diese beiden Gruppen von Grammatikern auch in einer ver-
schiedenen Auffassung des Zirkumflexes). Nach V. erklärt sich diese Er-
scheinung dadurch, dafs in dem Zeitraum, der zwischen Varro und den
späteren Grammatikern liegt, der Charakter des lateinischen Akzentes sich
änderte, dafs an die Stelle der Tonhöhe die Tonstärke trat und dafs ein
grofser Teil der Grammatiker, unbekümmert um diesen Wandel, einfach
gedankenlos die varronische Lehre nachbetete, während einige den ver-
änderten Verhältnissen Bechnung tragen und den Akzent als das definier-
ten, was er zu ihrer Zeit wirklich war. Was endlich die lateinische
Phonetik betrifft, so nötigt sie zur Annahme einer starken Betonung der
Anfangssilbe, worüber V. im Kap. III und IV handelt. Diese Betonungsart
gehört der vorliterarischeu Periode des Lateins an; seit Livius Andro-
nicus ist die lateinische Poesie quantitierend, d. h. ihr Rhythmus beruht
auf dem Wechsel und der Anordnung langer und kurzer Silben, und dies
gilt, wie die Lehren der Rhetoren zeigen, von der lateinischen Sprache
bU Neae Philologische Bnndgchau Nr. 23.
nach Livius Andronicas überhaupt. Hierbei gebt V. nfther auf die Metrik
des Piautas uud Terenz sowie auf die des Vergil und seiner Nachfolger
ein und bemerkt u. a., dafs das allmähliche Schwinden der Alliteration eine
Folge gewesen sei von dem Schwinden der Betonung auf der Anfangasilbe.
In Kap. y farst V. seine Ansichten über die Geschichte des lateinischen
Akzents folgendermafsen zusammen: Die erste Periode beginnt etwa mit
der Loslösung des Latein vom Italischen. Aus dem Altitalischen war, als
Erbschaft aus dem Indogermanischen, der Sprache ein Akzent der Tonhöhe
eigen, der jedoch ohne jeden Einflufs auf die Entwicklung der lateini-
schen Phonetik blieb. Die lautlichen Veränderungen, die die lateinische
Sprache durchgemacht hat, wurden vielmehr herbeigeführt durch die Ton-
stärke der ersten Wortsilbe, die auf den Einflufs einer nicht indogermani-
schen Sprache zurückzuführen sein dürfte (cdn entsprechender, aber selb-
ständiger Vorgang wird für das Keltische und Germanische angenommen).
Während die Tonhöhe sich mit dem der lateinischen Sprache aus der
indogermaniseben Zeit eigentümlichen Prinzip der Quantität sehr wohl
verträgt (s. das Griechische), ist dies bei der Tonstärke nicht der Fall,
vielmehr entstand ein Widerstreit beider Prinzipien, iu dem die Quantität
Sieger blieb. Die Anfangsbetonung tritt mehr und mehr zurück und ist
beim Eintritt der lateinischen Sprache in die Literatur schon fast gänz-
lich geschwunden. Mit diesem Zeitpunkt, d. h. etwa dem 2. vorchrist-
lichen Jahrb., beginnt die zweite Periode, die ungefähr bis zum Jahre
400 n. Chr. reicht. Während derselben ist die lateinische Sprache quanti-
tierend und hat eine Akzeotuierung nach der Tonhöhe, entspricht also
völlig der griechischen. Die Tonhöhe bat keinen Einflufs auf die Shyth-
mik, die lediglich vom Gesetz der Quantität beherrscht wird, einen Wort-
akzent durch Tonstärke gibt es in dieser ganzen Zeit nicht. Allmählich
jedoch nimmt das Gefühl für die Quantität ab und aus der Tonhöhe ent-
wickelt sich nach und nach eine Tonstärke; die durch diese hervor*
gehobenen Silben werden als Längen, die anderen als Kurzen behsmdelt
Der übermächtige Einflufs Vergils auf die Dichter der Folgezeit läXst
den Entwickelungsprozefs in der Dichtung lange nicht zur Erscheinung
gekngen, bis er sich bei Commodian deutlich temerklich macht und in
Augustins Psalmus contra partem Donati (um 393) ganz zum Durchbruch
gelangt. Hier wird der Rhythmus nicht mehr durch die Quantität be-
stimmt, sondern durch den auf Tonstärke beruhenden Wortakzent, der
sich nach und nach gefestigt hat und für die Entwickelung der romani-
Neue Philologische Bandsehati Nr. 23. 545
sehen Sprachen aus dem Latein von grofser Bedeutung geworden ist; die
romanische Dichtung ist akzentuierend, nicht quantitierend. Von Augustin
an rechnet V. die dritte Periode seiner lateinischen Akzentgeschichte.
Der zweite, umfangreichere Teil des Buches handelt über ^Mets de
rintensit^ initiale'; er führt tief hinein in sprachwissenschaftliche Einzel-
heiten und bei-ührt eine Menge Fragen, die nur irgendwie mit dem Thema
zusammenhängen, so dafs es unmöglich ist, hier näher darauf einzugehen.
Die Hauptüberschriften der einzelnen Abschnitte mögen den Inhalt an-
deuten : Le redoublement consonantique, Bapports de Tintensit^ initiale et
de la quantitä, Traitement des voyelles longues int^ieures und Tr. des
Yoyelles braves int^rieures, Syncope et absorption, D^veloppement de neu-
velles sonantes, L'apophonie latine. Das Ergebnis lautet: die Mntensit^
initiale^ ist von der gröfsten Bedeutung gewesen für die Entwickelung der
lateinischen Sprache, namentlich in der Hinsicht, dafs sie manche indo-
germanischen Merkmale derselben beseitigt und ihr so ihren eigenartigen
Charakter aufgeprägt hat; doch hat die Wirkung jener Akzentkraft auch
bestimmte Grenzen gehabt, lange Vokale innerer Silben gar nicht und
kurze nur in beschränktem Mafse beeinflufst, und ist beständig auf den
Widerstand des Quantitätsprinzips gestofsen, dem sie schliefslich auch
unterlegen ist.
Ein Anhang gilt dem Problem des Satumius. V. beabsichtigt nicht
es zu lösen, er hebt nur hervor, dafs auf grund seiner Untersuchungen
der saturnische Versbau auf einem doppelten Prinzip beruhen müsse, dem
der 'quantit^' und dem der 'intensit^ initiale', die beide im Satnmier eine
Art Kompromifs eingegangen seien, so dafs dieser Vers weder rein quanti-
tierend noch rein akzentuierend, sondern beides zugleich sei.
Gewifs ist nicht alles, was V. vorträgt, neu, und über manche Einzel-
heit, besonders im zweiten Teile, mag sich streiten lassen, das liegt in
der Natur der Sache; indessen ist es das unbestreitbare Verdienst des
Verf., die Geschichte des lateinischen Akzentes im grofsen Zusammen-
hange behandelt und Ergebnisse gefördert zu haben, denen man die Be-
rechtigung kaum wird versagen können. Wir haben nur noch hinzuzufügen,
dafs das Buch von gründlicher Gelehrsamkeit zeugt und klar und anziehend
geschrieben ist.
Br. W.
546 Neae Philologische Bandschan Nr. 23.
286) Karl LehrB» Kleine Sehriften. Herausgegeben von Arthur
Ludwich. Königsberg i. Pr., Hartnngsche Verlagsdrackerei, 1902.
VII u. 582 S. gr. 8. Ji 12. -.
Als am 9. Juni 1878 Lehrs seine Augen geschlossen hatte, beabsich-
tigte der Herausg. dem Meister ein ehrendes Denkmal durch Herausgabe
seiner kleinen Schriften zu setzen. Aber Schwierigkeiten verschiedener
Art verhinderten damals die Ausführung des Planes. Auch spätere Be-
mühungen schlugen fehl. Als jedoch am 14 Januar 1902 die hundert-
jährige Wiederkehr des Geburtstages des grofsen Philologen in Königsberg
festlich begangen wurde, da regte man den Oedanken von neuem an, und
diesmal fand er bei den alten Schülern und Freunden Widerhall. So
gelang es alle Schwierigkeiten zu überwinden und die Sammlung der
kleinen Schriften zustande zu bringen. Es erfolgte unmittelbar danach
eine Aufforderung zur Subskription, welche so günstig ausfiel, dafs der
Plan verwirklicht werden konnte. Schon im Herbst desselben Jahres lag
die Sammlung gedruckt vor uns. Es ist ein stattlicher Band : er enthält
115 Nummern, meist Anzeigen von neu erschienenen Büchern oder kürzere
Abhandlungen, in den verschiedensten Zeitschriften erschienen, besonders
in den Jahrbüchern für Philologie und Pädagogik, im Bheinischen Museum,
in Zarnckes literarischem Zentralblatt und in den wissenschaftlichen Monats-
blättern. Die Sammlung beginnt mit Arbeiten, die sich auf Homer
beziehen. Bekanntlich war Lehrs ein eifriger Verfechter der Einheit der
homerischen Gedichte. Sind wir auch nicht imstande, uns dieser Ansicht
anzuschliefsen , so gewährt es doch nicht geringes Interesse, die Gründe
kennen zu lernen, die er an den verstreutesten Orten zur Begründung
derselben vorgebracht hat. Aufser Besprechungen von Schriften Kammers,
Brugmans und anderer, ferner seiner Habilitationsschrift de ironia qua-
tenus in historia studiorum Homericorum cernitur vom Jahre 1831 (publi-
ziert von Friedlaender in einem Königsberger üniversitätsprogramm 1879)
werden uns hier zum ersten Male Mitteilungen aus der ersten Vorlesung,
die Lehrs an der Universität über die Einleitung zu Homer gehalten hat,
gemacht. Benutzt ist dazu ein fragmentarischer Entwurf von Lehrs' eigener
Hand, versehen mit Zusätzen aus späterer Zeit und ein von Prof. Lentz
nachgeschriebenes Kollegienheft. Mit gi*ofsem Interesse lesen wir die ein-
zelnen Kapitel, welche über die VortrefFlichkeit der homerischen Gedichte
von ihrer religiösen und moralischen Seite handeln, ferner von den poeti-
schen Tugenden derselben, von der verkehrten Auffassungsweise, von der
>
Nene Philologische Bondschaa Nr. 28. 547
Entwickelang der Wolfischen Ansicht über ihren Ursprung, von den Gegen-
gründen gegen Wolfs Ansicht, von der Fortpflanzung der homerischen Ge-
dichte, von der philologischen und grammatischen Erklärung und Kritik Ho-
mers, besonders durch die Alexandriner. Den Schlufs bildet ein Abrifs home-
rischer Ansichten und homerischen Lebens. Hieran reihen sich^wertvoUe
Beiträge zu den nachbomerischen Epikern, zu Hesiod, Oppian, Manetho^ Quintus
von Smyrna, Nonnus und Musäus. Zu den Quaestiones epicae (erschienen
1837) gibt der Herausg. aus dem Handexemplare des Meisters eine grofse
Anzahl von Nachträgen und Verbesserungen. Es folgen Beiträge zu
anderen griechischen Dichtern, besonders zu Pindar und den griechischen
Tragikern, zn den Scholien des Pindar und Sophokles, sodann zu den
Prosaikern, Plato, Aristoteles, Herodot u. a. Dafs Lehrs auch anf dem
Gebiet der griechischen Grammatik, Synonymik, Metrik vortrefilich zu
Hause war, davon geben manche Seiten dieses Buches dem, der es nicht
so schon wüfste, genügende Belege. Hierbei wollen wir noch besonders
auf seine früheste Arbeit aus dem Jahre 1825 hinweisen, „de dativi decli-
nationis primae formis epicis", in Seebodes Archiv för Philologie und
Pädagogik erschienen, hier mit Zusätzen und Verbesserungen aus Lehrs'
Handexemplar wieder abgedruckt. In weniger reichem Mafse werden die
römischen Autoren bedacht, am meisten natürlich Horaz, dessen Schriften
er ja selbst im Jahre 1869 herausgab. Staunenswert ist die Fülle seines
Wissens auf den verschiedensten Gebieten des klassischen Altertums ge-
wesen; dalB es sich aber auch anf andere Gebiete erstreckte, dafür gibt
das vorliegende Buch Beweise. Ich hebe nur hervor seine schöne Tischrede,
die er an Kants Geburtstag am 22. April 1849 hielt über das Thema:
i,Die Philosophie und Kant gegenüber dem Jahre 1848'' und die Be-
sprechung einer tTbersetzung von Byrons Eorsar.
Wer irgend welches Interesse an Lehrs hat — ich rede nicht blofs
von seinen Schülern und seinen persönlichen Freunden; aber wenn
er nichts als seinen Aristarch geschrieben hätte, so würde dieses monn-
mentum aere perennius ihm immer neue Freunde zuführen — , dem rufen
vrir die Worte zu „tolle, lege'' und wissen bestimmt, dab er das Buch
nicht unbefriedigt aus der Hand legen wird. Dazu hat der Herausg.
beigetragen, der im Vorwort erklärt, dafs, da Lehrs ein Mann von fesseln-
der Individualität gewesen sei, der es verdiene und vertrage, dafs seine
Nachlafspfleger nicht nur die lauteren Goldkömer von ihm pietätvoll auf-
höben, er diesem individuellen Verhältnisse habe Bechnung tragen wollen
548 Nene PhilologiBche Bnodsohan Nr. 23.
nicht der objektiven Wissenschaft allein. Damm sei manches in das Bnch
gekommen, was Qberwiegend persönliches Interesse habe, aber gerade des-
halb, wie er hoffe, vielen willkommen sein werde.
Wie wenig Lehrs mit dem philologischen Universitätsnnterricht in
den letzten Jahren seines Lebens nnd den Anfordernngen beim philo-
logischen Staatsexamen einverstanden war, erfahren wir ans verschiedenen
Stellen. Zum Beweis fär beides fQhre ich nur je ein Beispiel an. „Wenn
man^^ — so schrieb er im Jahre 1874 — „einmal unter den Philologie
Studierenden des vierten Studienjahres eine statistische Erhebung anstellen
wollte, wie viele unter ihnen eiae gewisse Anzahl philologischer Grund-
und Bildungs- und Musterbücher aus der Gattung derjenigea, die dieses
selbst unter etwaiger Modifikation ihrer Resultate bleiben, aus eigener
Beschäftigung kennen, z. B. Bentleys Phalarisdissei*tationen, Wolfs Pro-
legomena, Hermanns Orphica, Lobecks Aglaophamus, so würde die statistische
Ziffer sehr gering ausfallen. Dies liegt nicht allein am Mangel an Zeit,
wiewohl man die jungen Männer auch in dieser Beziehung in eine un-
wissenschaftliche Enge getrieben, namentlich durch das leidige Examinations-
wesen, sondern an der Bichtung.^^ Ich furchte, dafs wenn Lehrs die
neuen Beformen der preufsischen Gymnasien mit erlebt und den Rück-
gang der Leistungen im Griechischen und Lateinischen bei den Studierenden
selbst erfahren hätte, er noch ungünstiger geurteilt hätte. Das Titelblatt
des „Reglements für die Prüfungen der Kandidaten des höheren Schul-
amts'* (Berlin 1867) versah er mit dreifachem Motto: ädfiratov tcoXXcc
rexytifxevov Sv&gwTtov Ttdvra xaAd)^ noieiv (Xen. Cyr. 8, 2, 5) , 7t6Xk
^Ttiatato sQycc, xaxög d' '^Ttiatato Ttdvra. TtoXvf^a&iri v6ov ov diddanei.
Wir werden dem Herausg. völlig beistimmen, wenn er im Vorwort
erklärt, er habe es sich grundsätzlich versagt, wenn auch das Buch manche
Ansicht vertrete, über welche die Wissenschaft inzwischen hinweggeschritten
sei, seine anspruchslose Rolle als Herausgeber mit einer anspruchsvolleren
zu vertauschen. Zugleich aber fühlen wir uns gedrungen, demselben
unseren herzlichsten Dank dafür auszusprechen, dafs er sich der mühevollen
Arbeit, die kleinen Schriften zu sammeln, unterzogen und diese mit einer
Sorgfalt ausgeführt hat, wie sie alle Arbeiten Lud wichs auszeichnet. Die
Brauchbarkeit des Buches ist durch ein genaues Sach-, Wort- und Stellen-
register erhöht.
Hinzugefügt ist in einem Anhang ein Verzeichnis der von Lehrs
hinterlassenen Druckschriften und Manuskripte, femer ein Verzeichnis der
Nene Philologische Bandschau Nr. 23. 549
von ihm an der Universität gehaltenen Vorlesungen nnd endlich die vor-
treffliche Gedächtnisrede, welche der Herausg. bei der hundertjährigen
Geburtstagsfeier des grofsen Philologen gehalten hat.
Die Ausstattung des Buches ist vorzfiglich. Beigegeben ist ein, wie
mir von Kundigen versichert worden ist, wohlgetroffenes Bildnis desVer-
fiEU»ers.
Magdeburg. E. Eberhard.
287) D. Karl Budde, Das Alte Testament und die Aus-
grabungen. Gielsen, J. Bicker, 1903, 39 S. 8. Ji —.80.
Der bekannte Marburger Poracher erhebt hier — wie stets frei von
jeder kirchlich -dogmatischen BQcksicht — gewichtige B/sdenken gegen
die von Fr. Delitzsch (in „Babel und BibeP^ I) und Winckler gefibte
willkürreiche, dehnbare Methode, mit der die israelitische Geschichte
ganz nach den Voraussetzungen von der unumschränkten geistig-kulturellen
Vorherrschaft Babyloniens und einem daraus abgeleiteten mythologischen
Schema behandelt wird. Budde gibt dafür Belege aus Wincklers Ge-
schichte Israels und der neuen (dritten) Auflage des ursprünglich (1872
in Giefsen, jetzt in Berlin) von Eberhard Schrader besorgten Werkes:
„Die Eeilinsehriften und das Alte Testament", das aber jetzt unter den
Händen von Heinrich Zimmern und Hugo Winckler nicht nur eine freudig
zu begrfifsende Erweiterung auf die Apokryphen, Pseudepigraphen und das
N. T., sondern auch leider eine „Umwandlung des glossatorisch angelegten
Werkes in eine systematische Darstellung" erfahren hat, wobei alle Lücken
durch phantasiereiche, aber oft recht unsichere, gewagte Eombinationskunst-
stücke ausgefüllt sind. Dabei wird oft den alttestamentlichen Berichten einer-
seits Gewalt angetan, dem mythologischen Schema aber anderseits eine solche
Dehnbarkeit zugemutet, dafs gar keine festen methodischen Richtlinien er-
scheinen, wie sie doch nötig und möglich sind. Das Ergebnis, zu dem die
beachtenswerte Schrift führt, die sich nicht nur auf die Frage nach der Be-
deutung der babylonischen Ausgrabungen beschränkt, lälst sich etwa in
drei Sätzen Buddes wiedergeben: 1) die Israel innewohnende eigene Kraft
behält die Oberhand; fehlen auch keineswegs Einflüsse von aufsen her, so
werden diese doch in organischem Prozefs innerlich verarbeitet, ohne dafs
ihnen Israel erliegt; 2) gerade in der Zeit, in der Israel zum Volk wurde
und sein eigenartiges, dauerndes GeprJ^ empfing, hat es sich relativ
selbständig, unter bei weitem überwiegend übersehbaren Einflössen aus der
550 Nene Philolof ieohe Bnndsohan Nr. 23.
Nfthe entwickelt; 3) so unabsehbar auch das babylonische Scbrifttam an-
schwillt, der geschlossenen Beihe der Propheten and selbst der Geschichts-
erzählnng der ältesten Quellen im A. T. hat es nichts Ebenbärtiges an
die Seite zu setzen. O. Fr.
288) Heinrich Grein, Amis und Amiles. Ein altfranz5sisches Helden-
gedicht. In deutsche Verse übertragen von H. G« Mit einem
Vorwort von Prof. Dr. Gustav Körting. Kiel, Robert Cordes,
1902. IV und 92 S. 8. JL 2.—.
Das Interesse des gebildeten Publikums an altfranzösischer Literatur
nimmt mit jedem Jahre zu. Die trefflichen Verdeutschungen des ver-
storbenen Herz, ferner die bei Beclam erschienenen des Bolandsliedes und
des Idylls von Aucassin und Nicolete, das Qbrigens von selten des Dänen
Enna auch als Oper komponiert worden ist, haben schön einen eifrigen
Leserkreis gefunden. Auch die vorliegende Übersetzung des Epos der
Freundestreue verdient einen solchen« Sie ist dem Sinne nach getreu, die
Verse sind „gewandt gebaut und lassen sich angenehm lesen ^^ Die
Sage war im Mittelalter weltberfihmt und in alle damals in Betracht
kommenden Sprachen übersetzt. Alle Freunde der älteren Epik seien
daher auf diese Übersetzung aufmerksam gemacht.
Berlin. B. BUtgers.
289) John Fiske, Essays Historical and literary. Vol. I Scenes
änd Characters in American History. Vol. II In Favourite Fields.
New- York, The Macmillan Company; London, Macmillan & Co.,
1902. n und 422 S. 8. — I und 316 S. 8. geb. zus. 17 sh.
John Fiske war Professor am Harvard College und ein Gelehrter von
vielseitigem Wissen, das er in sich zur Einheit zu gestalten bestrebt war.
Seine zahlreichen Werke sind besonders geschichtlichen und philosophischen
Inhalts (Positivismus, kosmische Philosophie , Darwinismus, Entwicklungs^
lehre usw.), aber auch auf Literatur und Folklore hat er sein Arbeitsfeld
ausgedehnt. Auch die vorliegenden Essays zeichnen sich durch Beich-
haltigkeit des Inhaltes aus, doch sind die historischen nach Umfang und
Bedeutung die wichtigsten und decken den Zeitraum von den Kolonial-
kriegen mit Frankreich bis zum Vorabend des Sezessionskrieges. Der
Schwerpunkt liegt auf den Kämpfen um die Verfassung sowie den weiteren
Ausbau der Union und um die Sklavenfrage. Folgendes sind die Titel.
■^
Nene Philologische Rnndschan Nr. 23. 551
Vol. I: 1) Thomas HutchinsoD, Last Qovemor of Massachusetts, 2) Charles
Lee, Soldier of Fortune, 3) A. Hamilton and the Föderalist Party, 4) Thomas
Jefferson, The Conservative Reformer, 5) James Madison, The Constructive
Statesman, 6 und 7) Andrew Jackson, 8) Harrison, Tyler and the Whig
Coalition, 9) Daniel Webster. Vol. II: Old and New Ways of Treating
History, 2) John Milton, 3) The Fall of New France, 4) Connecticut's
Influence on the Federal Constitution, 5) The Deeper Signification of the
Boston Tea Party, 6) Beminiscences of Huxley, 7) Herbert Spencer's Service
to Beligion, 8) John Tyndall, 9) Evolution of the Present Age, 10) Koshchei
the Deathless.
Diese Essays wurden teils in Zeitschriften veröffentlicht, teils für die
Encyclopaedia of American Biography geschrieben ; andere waren Vorarbeiten
für eine beabsichtigte History of the American People, und wieder andere
wurden als Vorträge in den verschiedensten Städten der Union gehalten.
Sie alle liegen nun in zwei grofs und schön gedruckten Bänden vor, deren
Herausgabe Abby Morgan Fiske nach des Verfassers Tode besorgt hat.
John Fiskes Stil ist vornehm und klar, seine Darstellung, wiewohl
von Vaterlandsliebe durchwärmt, frei von engherziger Prahlerei und Vor-
eingenommenheit. So tadelt er z. B. nicht nur das durch Jackson ein-
geführte spoils System, sondern auch mit ebenso scharfen Worten die
Wählbarkeit der Richter u. a. Mifsbräuche der Verwaltung. Er wendet
sich natürlich zunächst an die Gebildeten seines Volkes, hat aber den uns
immerhin ferner liegenden Stoff vom Unabhängigkeits- bis zum Sezessions-
kriege auch für Europäer recht anziehend und lesbar zu machen verstanden.
Dabei fällt auf manche Punkte ein ganz anderes, neues Licht. Vorzüglich
weifs Fiske auch die Perioden zu charakterisieren ; mit weitem Blick und
fiberzeugender Klarheit hebt er die leitenden grofsen Gedanken und ihre
Weiterentwickelung hervor und sorgt durch spannende , charakteristisphe
Details dafür, dafs das Interesse des Lesers nicht erlahmt. Natürlich sind
nicht alle Essays gleichwertig. An die Spitze möchte ich stellen : Old and
New Ways of Treating History, The Fall of New France, The Deeper
Signification of the Boston Tea Party, Evolution of the Present Age. Sehr
interessant sind auch die Monographien Ober Jefferson, Jackson, den Aben-
teurer Charles Lee und Hutchinson. In den beiden letzten Essays wird
u. a. auch die Vorgeschichte des Unabhängigkeitskrieges in einigen wich-
tigen Punkten berichtigt. Auch aktuelle Fragen erscheinen in Perspektive
oder werden gestreift. So z. B. das Gravitieren der Union nach Westen
552 Nene Philologische Rondsehaa Nr. 23.
und die sich daraus fflr sie ei^g^ebenden Aufgaben und deren Bftckwirkungen
auf die Weltlage. Wer sich fflr das Werden und Wachsen der Union
interessiert, wird die Essays nicht nur mit Genufs und Nutzen durchlesen,
sondern auch, glaube ich, Lust verspüren, zu geeigneter Zeit zur Lektflre
derselben zurflckzukehren.
Bremen. WUkoas.
Vakanzen.
AUenstein, BS. Obl. Deutsch u. Qesch. Magistrat.
Breslau, ev. BS. Obl. Math. u. Nat. Magistrat.
Bromberg, BS. Obl. Deutsch u. Gesch.
Charlottenburg, HMS. Obl. Math. u. Phys. Magistrat.
Frankfurt a. M., Obl. Klass. Phil. Kuratorium d. H. Seh.
Frankfurt a. 0., BG. Obl. Deutsch u. Latein. Magistrat.
ftOrlltz, G. Obl. Klass. Phil. u. Deutsch. Magistrat.
Hagen 1. W., OB. Obl. Nat. u. Math. Direktor Dr. Bicken.
Iserlohn, BG. Obl. N. Spr. Kuratorium.
Potsdam, HMS. l) Obl. Gesch. 2) Obl. Deutsch u. N. Spr. Magistrat.
BUttenseheld, Prg. Obl. 1) N. Spr.; 2) Klass. Phil. Bargermeister Hild.
Steglitz, OB. Obl. 1)N. Spr.; 2) Math. BQrgermeister Buhrow.
Zeitz, BS. Obl. l)N. Spr.; 2) Math. Magistrat.
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Oberlehrer am HerzogL Gymnasium en Helmstedt.
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Bearbeitet von Dr. Adolf Lange.
1. Heft: Bnch I— V. Preis: Ji 4.
100 Dichtungen
aus der Zeit der Befreiungskriege
zusammengestellt
von
Dr. Hans Dütschke,
Professor am Kgl. Joachimsthaler Gymnasium zu Berlin.
Preis: gebunden J$ i. — .
Zu beziehen durch jede Buchhandlung.
Fftr die Bedakilon Terantwortlicli Dr. E. Lvdwifl in Brantil.
Druck nnd Verlag von Friedrieb Andreas Perthes, Aktiengesellseliaft, Gotha.
^
Gf-' .,
OMAiti, ^. KoTomber. Vr. 94, Jahigang 1908
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PhilologischeRundschau
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Erscheint alle 14 Tage. ■— Preis fllr den Jahrgatif 8 Mark.
Bestellnngen nehmen alle Buchhandlungen, sowie die Postanstalten des In- und Auslandes an
Insertlonsgehtthr fOr die einmal f^espaltene Fetitieile 80 PtH.
Inhalt: Taeiteom (Gnst. Wörpel) p. 553.
Bezensionen: 290) W. Landström, Cdamellae opera, FascicnloB r^ rasticae
librum decimnm continens (0. Weide) p. 554. — 291) A. Boiler, Pr^s des
liiBtitutions pnbliqnes de la Qrtee et de Bome ande&nes (0. WackeraiaoB) p..555. -^
292) F. Enoke, Gegenwärtiger Stand der Forschungen über die Bömerkriege im
nordwestlichen Deutschland (0. Wackermann) p. 556. — 293) P. DabBC, Be
Suessiounm civitate (Ed. Wolff) p. 557. — 294) Fritz Manthner, Beiträge zu
einer Kritik der Sprache (J. Keller) p. 559. — 295) M. Baldwin, bictionAry
of Philosophy and Psychology (F. Pabst) p. 565. — 296/297 0. Mllgge, Ed.
Bostand als Dramatiker; Nik. Scheid, Ed. Bostands Entwickelungsgang und
seine Beziehung zur deutschen Literatur (K. Engelke) p. 570. -^ 298) Heinriidh
P. Junker, Grnndrifs der Geschichte der franz. Literatur (C. Friesland) p. 571. —
299) Th. Knorr, Praeterita, Ansichten und Gedanken aus meinem Leben von
John Buskin (F. Wilkens) p 573. — 300) W. Yietor, Einfftbrung m das Stadimn
der englischen Philologie (H. Schuüdt) p. 575. — Vakanzen. — Anzeigen.
Tadteum.
Mire se torseruiit viri docti in enoäando looo dialogi de eratorilNis
c. 27, 5, quem pleriqne verum quasi serpeutem yitasse m ciretttsie vi-
dentur. Nee mitum id quidem: nam graviflsima fedt daBuia hsiee Mar
terni orationis particula« cum quae scripti libri tenent aut appai/'ate (A)
vel seinnetim appara te (B) vel aparte (D, quoeum cODsentit V f), aut
approperate (H, V 1) distortum sit omnique expers ratione. Nihilominus
qualis debeat subesse sententia ne Davus quidem incompertum habet,
quapropter sat esto adscribere Caroli Peter notam: „Die vm Messala
angekündigte Yergleichung der einzelnen modernen Bedner mit den alten
Rednern würde selbstverständlich gegen die ersteren einen sehr schweren
Tadel enthalten haben; deswegen kann Maternus sagen, unöi Messala davon
abzumahnen, er möge ihrer schonen/' Sin vero nonnuUi ex ista, quam
aliquis im AetC saptttcri{]irilt «dtotatius^nla äparie sakteffl esse peten-
dam censent loco male inqainato et snädeiit redfntegrtoAniil ai pmroe vel
664 Nene ffailologiflche Bqndaohan Nr. 24
simile quid, vereor, ne non ratione ao via egerint, quoniam aparte illud
nihil aliud nisi Itali caiusdam commentum temere adglutinatum et ne
flocci quidem est pendendnm ad genuinam scripturam restituendam. Quod
cum ita sity campns patere videtnr coniciendi; at vero adeo non hac equi-
dem ntar licentia, noynm qnoddam pridem inventis addens, nt e finibus
codicis Ottoboniani E, cuius egregiam virtutem auctoritatemque spero mox
ampliore me esse confirmatarnm commentatione, egrediendnm negem atque
ex eins fide totam buius loci emendationem pendere omni ansim affirmare
asseyeratione. Namque ita einendandi itinera patefacit Ottobonianus , qui
pnsillnm admodnm et procÜTum admisit errorem, exhibens aperte, nt nna
r litterula expnnota minntissima mutatione redigatur locus ad sinceritatem
neque aliter Tacitum olim scripsisse arbitror nisi ape ie i. e. compesce
te. cf. Paul, ex Feste p. 22 17 (Mue.) ape apud antiqtws dicd>aiur pro-
hibe, compesce. Sponte intelligetur hoc vocabulum d^aiati^ytdv (nam Ma-
ternus summo ferebatur incensus antiquornm temporum studio, quae ubivis
splendidissimis effert praeconiis, unde eum lubenter adhibuisse verba ob-
soleta consentaneum est) et Troiijrixdy (nam idem felici praeditus ingenio
poetico haud parum frequenter in usum vocat quae insolitam prae se
ferunt loqnendi speciem) prisco usu oblitterato necessitate quadam pravae
nescientibus dedisse interpretationi materiam et a librariis, quorum noti-
tiam tantilla haec tamque inaudita vox subterf ngiebat , deformatum et
mutando ablatum esse usque ad eum finem, ut in libris fere omnibus
pertenue tantummodo agnosci possit sincerae lectionis vestigium. Ottoboniani
contra amanuensis, cum de scripturae veritate quaereiet, in iis quae in
exemplari aao reperiebantur , quamvis non locun^ darent probabili expli-
cationi, acquiescere malebat quam invita Minerva coniciendo ineptire
certisrimumque soriptoris consilium praepostere obscnrare.
Kiliae. OnstaTiis Wtrpel.
290) Wilhehn Lundström, L. Juni Moderati Columellae
opera quae exstant. Fasciculus sextus rei msticae librum
decimum continens. GoUectio scriptorum veterum Upsaliensis.
üpsaliae in libraria Lindequist (Leipzig, Harrassowitz), 190%.
23 S. 8.
Die neue kritische Ausgabe des Golumella, die Lundström seit Jahren
(vgl. seine Artikel in der Zeitschrift Eranos im Jahre 1896 f.) sorgfiütig
'^
Neofl Philologiiche Simdsehaa Kr. 34. 666
vorbereitet und mit der Veröffentlichung des über dearboribos im Jahre 1897
begonnen hat, ist mit dem vorliegenden Hefte bis zum zehnten Buche
fortgeschritten. Während wir bisher ffir diesen landwirtschaftlichen Schrift-
steller (mit Ausnahme des poetisch geschriebenen zehnten Buches) auf
Ausgaben des 18. Jabrh. (von Victorius, Oesner, Schneider, Bess) angewiesen
waren, haben wir jetzt einen weit zuverlässigeren Text erhalten, der sich
hauptsächlich auf den Peterburger codex Sangermanensis und auf den
Mailänder codex Ambrosianus L 85 stQtzt, -aber auch die Lesarten von
zwanzig minder wicht^en Handschr. heranzieht, die in den Fufsnoten
gewissenhaft gebucht werden. Unter diesen Umständen ist es begreiflich,
dafs Lundström vielfach von den frfiheren Herausgebern abweicht. Z. B.
bietet Gesner (Mannheim 1781) V. 7 putres glebas, L. putris glebae,
jener Y. 17 galbana, dieser carbasa; ebenso stehen sich einander gegen-
fiber folgende Lesarten: V. 32 Ithyphalli und Priapi, V. 83 didnctos und
diruptos, V. 84 pigeat fesso praebere novali und pudeat fisso praebere novali,
gar nicht zu gedenken kleinerer Abweichungen wie V. 15 Achrados neben
Adiradis und V. 49 fontes neben fontis usw. Ohne Grund wird der
Nominativ des Singulars einmal (Y. 76) saevus und ein anderes Mal
(Y. 60) saevos geschrieben; im übrigen sind dieselben Formen konsequent
in gleicher Weise wiedei^gegeben. Da der Text sauber und lesbar und
obendrein Druck und Papier gut sind, so kann die Ausgabe als ein grolser
Fortschritt bezeichnet werden.
Eisenberg, 8.-A. — ^ O. Weite.
291) Abb6 A« Boxler, Pröds des InstitutioxiB publiques de
la Gröce et de Borne andennes. Paris, libndrie Victor
LecoSre, 1903. XXVII u. 422 S. 12. fir. 3.60.
Das Buch, das in erster Linie ffir die Schüler der oberen Klassen be-
stimmt ist, bietet in fibersichtlicher und im ganzen ausreichender Weise eine
Darstellung der Staats-, Rechts-, Kriegs- und JKeligionsaltertümer Griechen-
lands (vorwiegend Athens und Spartas) und Boms (dieses etwa bis zur
Mitte des 3. nachchristl. Jahrb.); jedem der beiden Hauptteile ist ein
Abschnitt über Chronologie und Metrologie yorausgeschickt. Verf. will
seine Leser in den Stand setzen, die geleseneren Schriftsteller leichter zu
verstehen, soweit Altertümer in Betracht kommen, und wir glauben, dafs
ihm dies bei dem von ihm innegehaltenen Mals zwischen einem Zuviel
und Zuwenig gelingt; die Benutzung des Buches wird erleichtert durch
kte ICene t^oiogUieh^ ftiinchiehAa Kr. 2l
eiflen geima<»& imd vallständigen Indet der griechiscbeii und dnen eben-
McbiBii d^r läteittiBcbeii Wörter. Aucb nntefstfitzen das VeiBtändnis zähl-
tiiih^ Abbildungen, sowie je ein Plan von Atben, der Akropolis, dem
PitäUS tand dem kiiiserlicben Born. Zitate und Qnellennacbweise sind
durchweg Vermieden. Einzelnen Partieen Wie z. B. dem griecbiscben
theater (toter „Otdte de Dionysos '0 widmet Verf. eingebendere. Dar-
stellnlig. Im ganzen erocbeinen die Angaben als zuverlässig und mit
B^nnetabeit ausgewfiblt, Wenn aucb bie und da eine Ungenauigkeit zu
Verme^kl^n ist, z. B» wenn 8. 290 nur von veiillationes = Corps des
VexilhHi gesprochen wird, ohne dafs der wohl häufigeren Benennung vexil-
lüm ErWfthnubg geschieht^ oder wenn Sk 367 behauptet Wird, daCs die
Lectisternien vorwiegend der kapitolinischen Trias dargebracht seien. —
Zur itdlgemeinen Orientierung wird das Buch auch Aber die Kreise hinaus,
Ar die es zunächst bestimmt ist, als bequemes Hilfsmittel dienen können.
Hanau. O. WaUkeft-maalL
292) F. knoke, OögeüWärtiger Stand der Fondhangeü über
die Bömerkriege im nördwesfUchen Deutschland.
^it einer Tafel. Berlin, Weidmannsche Buchhandlung, 1903.
80 S. gr. 8. Ji 2. 40.
Verf. dtellt in dem Buche die Hauptpunkte zusammen, in denen er
sich auf dem in Frage stehenden Forschungsgebiete , das er selber ja seit
langen Jahren selbständig bearbeitet hat, mit anderen Forschem im Wider-
spruch befindet, und sucht diese letzteren zu widerlegen. So setzt er sich
mit Delbrfiek fiber das Schlachtfeld im Teutoburger Walde und fiber die
Lage von Aliso auseinander, welch letzteres Delbrfiek bekanntlich nach
Einten (bei Paderborn) verlegt, Enoke na6b den überraschenden Halterner
Funden eher hier in Haltern zu suchen geneigt ist (wenngleich er den
Haltemelr Forschern keineswegs flberall beipflichtet); sodann mit Dahm,
der in seiner Auffossung von der örtlichkeit der Varusschlacht sich an
Mommsen anschliefst, während Knoke vielmehr die Schlacht vom Jahre 15
in die Gegend von Barenau verlegt. In längerer Ausffihrung tritt er
Schuchhardt und besonders Dahm gegenüber in betreff der Lage und Be-
stimikittng der pontes long!, dem letzgenannten Forscher, der als erfahrener
Militär und als Forscher mit dem Spaten in mahcher Beziehung ein sich-
tei^tändiges Urteil fär sich in Anspruch nehmen kann und dessen Yer-
dienst um Entscheidung mancher Einzeifragen vom Y^rf. anerkanbt wird,
"^
Nene Phqologigoh» Bnndaotey Hr. ji,. m
der aber der ÜberlieferUDg der Sebriftsteller nieht immer gereebt wirli
iQ der BedtiTnmuog der Örtlicbkeiten der Feldsifige vom Jabre 16, def
Scblachtfelder bei Idistaviso und am Angrivarierwall Mit Beoht legt
Terf. Gewicht auf eine entsprechende Auffassung Ton der Benntzuog der
deutscbea Flüsse seitens der Bömer.
Ist die Darstellung nacb diesen Andentungeu aucb vielfach polemisob,
so kaun der unbefangene — wir ipeinen der an dem Streit der Meiuungep
unbeteiligte, nur für die Sacbe selbst sich interessierende — Leser ai|s den
Darlegungen doch ein ungefähres Bild von dem gegen wftrtigen Stande der
wisseqscbaftlicheQ Forschung gewinnen. Freilich bezieht sich Yerl. bei
seinen Eni|;egnungon häudg auf die in seinen früheren Schriften gegebenen
Begründungen, und diese Schriften hat nicht jeder znx Kacbprüfung gleieb
zur Hand. Auch würde er seinen Lesern einen Dienst ervfieeen habep, weiiQ
er aufser der — nur einer Eiuzelfrage zur Yeranscfaaulichui^ dieneqden —
Tafel eine Kartenskizze mit ISin^eichnung der im Text erw&bnteu OrÜichr
keiten beigegeben hfttte.
Ein etwa 15 Seiten umfassender „Anhang: Herr ^oepp upd meine
Kritik der Ausgrabungen bei Haltern'^ tritt fast aus dem Bahmen ßiuer
wissepschaftlichen Behandlung der Sache heraus auf da9 Qebiet d^ per*'*
sönlicben Foleipik, zu der allerdings Verf. gedrängt scheint; uun mfigen
die hart angegriffeneu Gegner, Eoepp qnd Scbucbliardt, dae Wort fiehmen.
Hanau. Q, Wy|f||WB|mMlf
293) F. Dubuc, De SueBttonum eivitate. Parisiis apud Alber-
tum Fontemoipg, MCMIL 202 S, 8. Mit einer Karte.
Was in alter und neuer Zeit über das Suessioneugebiet mit seilten
zwülf Städten geforscht und geschriebeq worden ist, das beabsichtigte der
Verf. dieser üniversitätsschrift, wie er im Vorwort sagt, „pauois colligere*^
Eine schwierige Saehe. Schon das vorgedruckte « natürlich nicbt voll-
ständige, Literatur- und Quellenverzeicbnis kann eine Vorstellimg vo|i
dem Material geben, das hier zu verarbeiten oder wenigstens zi) berück-
sichtigen ist. unter den benutzten französischen Autoren aus neuerer Zeit
stehen in erster Beihe Deejardins, Longnon, Fleiiry, Fnste) dß Gouhmges,
P'Arbois de Jubainville; neben des letztgenannten ^^cberchea ()890) )iat
namentlich Holders keltischer Sprachschatz für die im ganzea i^eck-
mäfsig verwerteten etymologischen Beobachtungen, betreffend Qrts-^ und
Personennamen, als Grundlage gedient. Das Buch des Engländers Rice
S58 Neae Philologisohe BnndBohan Nr. 84.
Holmes, Oaesar's oonquest of Ghiul, scheint D. nicht zu kennen; er hätte
darin immerhin nfitzliche Hinweise , auch anf französische Arbeiten, die
er nicht beachtet hat, finden können. Die Streitfrage Ober die Lage des
keltischen Noviodunttm an der Aisne betrachtet der Verf. als erledigt; ffir
die (vielfach angezweifelte) Zugehörigkeit der Oaae Silvanectensis (SenHs)
and Heltianns oder Heldensis (Heanx) zu den Snessionen macht er aofser
anderen Grfinden die Konfiguration des Bodens im sfidwestlicben Suessionen-
gebiet geltend, die durch Wasserläufe und, ehedem stärker bewaldete,
Berghöhen gebildeten Naturgrenzen g^en die Parisier und Bellovaker.
Bekanntlich sind die altkeltischen Oaubezirke in der römischen Zeit und noch
Aber Karl den Orolsen hinaus üst unverändert geblieben. D. nun ver-
sucht eine Art Chronik und Statistik der zwölf Suessionengaue nach In-
schriften und Urkunden verschiedener Art aufzustellen, registriert sämt-
liche irgendwie aus den einzelnen Oauen bezeugten Orts- und Personen-
namen, die er ihrem vermutlichen Ursprünge nach erklärt und, soweit
möglich, lokalisieri Diese Register ffillen den Hauptteil des Baches
(S. 34 — 157) aus; sie werden durch eine schön ausgefShrte Karte illustriert,
welche die ganze Civitas Suessionum mit allen konstatierten Ortschaften
(die gallischen Namen rot gedruckt) darstellt. Das Gebiet des mächtigen
Stammes erstreckte sich von den Ardennen im N. bis Aber die Marne,
nach W. bis zu den Höhen jenseits der Oise (Isara), ostwärts wurde es
von den Bemem begrenzt und durch die Aisne (Axona) ost-westlich in
zwei fiist gleiche Hälften geteilt.
Eine fibersichtliche Darstellung des Gegenstandes hat D. nicht erreicht,
vielleicht auch nicht bezweckt; denn was er in den Scfalufskapiteln fiber
die politische, administrative und kulturelle Entwickelung des Suessionen-
landes, namentlich auch des glänzenden Vororts, zusammenstellt — anter
Heranziehung keltischer und römischer Inschriften, Mfinzen, Baureste —
ist doch nur ein Anlauf zu sachlich geordneter Schilderung und einer
Belebung der stummen Zeugen aus alter Zeit. Am meisten, doch nicht
viel Neues weifs er von den das Land durchziehenden römischen Strafsen
zu sagen.
Die sachlichen Mängel der gelehrten Arbeit erhalten leider noch
ein bedenkliches Belief durch die manierierte, nachlässige und oft
unkorrekte Sprachform. Fast scheint es, als habe das Latein der durch-
stöberten Urkunden auf des Verf. Stil abgefSElrbt und seinen Geschmack
nachteilig beeinflufst; er wfirde sonst wohl nicht gewisse Partikeln so
•s
Nene Fhilologisohe Bnndsohaa Nr. 24. 559
unleidlich hänfen, wie antem (S. 174 in zehn Zeilen siebenmal!) und das
unterschiedslos för et gebrauchte ewige nee non. Vieles mag auf Rech-
nung der ohnehin massenhaften Druckversehen zu setzen sein, aber nicht
auch: cubitibus, assibus (fQr asseribus), alba silex, Iccius portus, de erga
mortuos Gallorum moribus und ähnliche Barbareien. — Ich weils nicht,
ob die üniversitas Burdigalensis verlangt, dafs derartige Arbeiten lateinisch
geschrieben werden ; dann aber sollte die Fakultät sich auch ein klein wenig
um den Druck bekfimmern. Unter die vorliegende Abhandlung hat zwar
der Dekan seinen Namen und die Worte gesetzt: „Vidi ac i^erlegi''; das
Letzte kann ich jedoch unmöglich glauben.
Frankfurt a. M. — Homburg v. d. H. Bdttard WolK
294) Fritz Maufhner» Beiträge zu einer Kritik der Sprache.
Dritter Band: Zur Grammatik und Logik. Stuttgart und
Berlin, J. G. Cottas Buchhandlung Nachf., 1902. 666 S. 8.
Jf 12. — .
Nachdem Mauthner im ersten Bande seiner umfangreichen Sprach-
kritik das Verhältnis der Sprache zur Psychologie und im zweiten 4ie
Entwickelung der Sprache untersucht hat, widmet er diesen dritten und
abschliefsenden Band der Untersuchung von Grammatik und Logik: Selbst-
verständlich fehlt auch diesem dritten Band die systematische Darstellung,
die das Ziel auf dem kfirzesten W^ zu erreichen und sich vor Wieder-
holungen möglichst zu böten sucht, es fehlt ihm die strenge und selbst-
verlengnende Sachlichkeit der AusfShrung; dafDr entschädigt der Yerf.
seine Leser auch in diesem Bande durch eine Ffille geistreicher und
witziger Einfälle aller Art, durch fiberraschende Bilder und Vergleiche,
durch interessante Episoden und Streiflichter auf abseits liegende Gebiete,
durch alle Yorzfige eines geistvoll feuilletonistischen Stils, ohne doch trotz
aller lachenden Skepsis ganz auf den Ton vollen Ernstes zu verzichten, den
das deprimierende, ja vernichtende Endreisultat jedem einflöfsen mulB, der
sich von dem resultierenden fast absoluten Nihilismus auf dem ganzen
Gebiet menschlicher Erkenntnislehre und Wissenschaft überzeugen kann.
Es ist kein Zweifel, dafs die Kritik der Sprache eine Hauptaufgabe
der Gegenwart ist, und dab sichere Fortschritte unseres philosophischen
Denkens nur möglich sind, wenn fiber Wesen und Bedeutung der Sprache
volle Klarheit herrscht. Kant hat sich bekanntlich der Sprache noch
völlig naiv bedient. Seine Vernunftkritik enthält keinen Ansatz zu einer
NeoA Fhiloiogiioh« Rnsdadiaa Nr. 94.
Kffitlk Mi Spraohcif so selbstreratändliob nötwendig ans hente diese Spraeh-*
kritik Ulf EAenntnis des Wesens unserer Vemonft erscheint. Und an
einem gewissen Hangel anf diesem Oebiete leidet anch die nachkantische
Fbiksophie bis anf den heutigen Tag. Vidleicht bietet die skeptische
Art der Ifanthnerschen Spraohkritik, der hier verkfiadigte „Selbstmoid
4er ^mehe und des Denkens*^ fttr die zfinftige Philosophie den Anlafs,
(|er Bedeutung der Sprache für das Denken, überhaupt dem ganaen Ver-
blttnis Ton Sprechen und Denken mehr Aufmerksamkeit und grfindlichere
üntensuchung zuzuwenden.
Im ersten Drittel des vorliegenden Bandes behandelt M. die Onon-
mi^k. Oninmiakik und Logik sind ihm ünr verschiedene Seiten
der gleichen Menschensprache. Der positive Grundgedanke, von
dem M* in 3einejp Kritik der Grammatik und später auch der Logik aus*
gebt, ist der, dal£| eine richtige oder ideale Grammatik mit allen ihren
Kategorien vnd Bez^ehnngaformen ein blofses Abbild der Wirklich-
keitswelt sein mfifste. Er bleibt dabei nur dem sensualistischen Grund-
satz Nihil est in intelleetn, quod non fuerit in sensu getreu, oder vielmehr
versteht er diesen Satz nicht etwa nur vom Uoisen Material unseres
Denkens, sondern dehnt ihn auf alle Beziehungsarten und spezifisdien
Denklbrmen aus. Und statt von dem Vorhandensein z. B. der Ne-
fati<m, der Bedingung, der MfigUchkeit usw. in unserem Denken darauf
ZB schliefsen, dals im Intellekt tatsSchlich etwas ist, was in den bloiaen
ginnesanpfindnngen niemals war, nimmt er in einev Art von Dogmatia-
mns seine Positicm in jenem auf die Spitze getriebenen sensoalistischen
Satz und fibt von hier aus eine rehitiv billige Kritik zunächst an den
giammatischea Beziehungsfermen und Kategorien. Während er also sonst
in Legik, Ästhetik und wohl auch in Ethik sieb aufe soh&rfete gegen
yaUsB „Sollen^^ wendet; stellt er hiw fBr die Grammatik ein Ideal, ein
Sollen auf, das freilich keine bestehende Sprache erfUlt, nämlich blobes
Abbild der Wirklichkeit zu sein. Sind aber nicht auch die gewordenen
gianipiatisehai Formen aller Art ein Stflek Wirklichkeitswelt? Und wie
kämmt tf. bei voller Geltung seines Aue^fangspunktes dazu, in der Be-
trachtung und Beurteilung dieser Formen mehr oder etwas anderes
geben zu wdlm, als ein Uo&es Abbild der Wirklichkeit? Wenn die
Wahrheit nichts anderes ist als ein „gesundes Gedächtnis ^S wie er einmal
sagt, woh^r dann die Vorstellung von einer idealen Grammatik und alle
^die Postnlate an eine sdcheP Woher die ganze vemichtende Kritik an
■s
Ibae ruiol^JlMte tUmküUm ITc.
GaMHUtik wdL^ikf Bezekhnet sr 4aA mhm 4te hlot^Ymelmimm
Kwmr TonMhiDgeD ak^B Ding der üuMgliohkfltt «ernte BeimftfcMiiit
ei«el EBiveAer iat M.8 ganae 1%eorie tmi Ucbeii ÄkbM te WJrkKA«-
keitoirdt in Sj^nohe md DMifeeii «ai biinM, oder mim gMse Entik M
GmniBal/ik und htipk ist eine AbuTWg mn aUer Shtar^ mm Art «h*
floUdlkhen WahnstniiB. Denn ScMe mM «t Aimit faeidantage
liek mehr omcImii,
Die giBDHnübiflDhen £atei;'ori«]i sind ikn snaigelhaAB nad
Ikk ?«lljc iiBl^kM^he ürfallQrodriDke. Dtfs «ie in te «.WiiUkUMte-
welt^^ nicht vorhanden sind, sieht er schon a ptiiri «te «n EnteriAm
ihrer FerfaUtbeit aa. Das kimkvete Adjektiir c S. MteraoheHil sich
fsychelc^iflch — nai ^lamit ist ein nean* Standpukt Ot «die Kritft flür
OnuBBitftik ei^geatinniea — ron ikm IwnkretaBn SabstantiF nur i^wMi«*
titativ^ d. h. difoh die Zahl der bezeichneten Simiesei&drfifiba. DiMlt
seil aUes Oerede ven zwei Ferschieden««! EÜegoridn in AiljeUir wd
ßabataiitiv kkfölUg w^den. Dafs l>ei der Vidzidd toi SiMmsiadtackMa,
die das Satetaati? begifinden, «ine ii^eadwie geartete ZvtsmammgMng^
keit kMiaaler Natur mitgedacht ivird mm Unterschied iMi ^faeliai
SjgeBflohaftsb^griff) ist dabei allerdingB afo«sehen. Das VisnehninlMB
Adjektiyificher uaA ▼«rfcaler Eategoriea mki ma eker Beiiie MH
Fftllen anfgewieseu, wie duftig nnd Mbet nsw., wahai IpeUieh leiiie UbhNb
fißvißaffig ek ^^ y^^^ ^iebt aa yerfmoieB ist, aimlidi ein Übat^
sfrifigea aas der grammatisdien Eafa^garie, die aUefai ja Aa^e <aliekt, iü
den Bedeatuiigsiahalt, der .selbsitiittrstaadlidi in aaehMraa gwaiaaliadiaa
Eatcjgerien nftreten bann. Der UnteisciMied tmisitifer aad tatnasilffar
Yerba berahsfc ib« anf nnge&aaer P^ebok^. Aach aUe nafeiolaliahap
Yerba hatten stets das Ich zum anansgesprochenen Ol^eHa, Hack tei
beotigen Staad der Wisseaschaft dArfite man nicht ^sagm «Dar Baam ist
grfta^ seadetm ^Der Banm frflnit aiich'^ Ob «ob aus dem beatigeti
Stand des Natuverkeisaiena nad der psycbekgiacken Arkflnutais kenans eine
absolute, ni«ht ,,zafilllige'' <}ranmatik konstmierea Uibb, ivÜU aas zardfd-
haft «rscheiaen, aber unzweifelfaaft kaaa aaan mit Hilfe aolcbar aa&er-
halb liegenden Mafestabe kichttua vernichteade Eiritik Obea. Vietteidit
aber eatspr&che es «iaer nech geoaneren Psychologie^ arcoia «laa saflfte,
^Ich grfine dea Baam^i, denn erst das psydiisehe SM^ekt aetat die bf^a-
tbetiscbea Atheochviiiguf en ia die iipeziAscbea Earben aai. Aber 4ie
Spracbe ist ja nicht nar Ar die c^ren Zefaniaasead der Wisseasfiteft da,
Ud Kene Philologiiche Bnndgehan Kr. 24.
Bondern fflr die Mfllionen Ungebildeter, die mit solchen neuen Sprach-
schftpfongea nichts anzufangen wflMen. und selbst der Gebildete Icann
nicht aus seiner psychischen Haut fahren und wird auf Orund des IJr-
' phSnomens aller psychischen Kausalität, vermöge dessen wir die Ursachen
unserer Empfindungen in eine vorausgesetzte Aubenwelt zu projizieren
gezwungen sind, die fibliche Wendung ,,Der Baum ist grfin^* in ihrer
positiven Berechtigung auch fernerhin anerkennen, um so mehr als die vor-
geschlagene transitive Wendung durch den Sprachgebrauch mit anderer
Bedeutung festgelegt ist in Fällen wie „Die Sonne bräunt mich'', oder
„Ich schwärze das Olas^
Die Geschlechtsbezeichnung ist ihm nicht nur die albernste
Erfindung, sondern erinnert ihn bei seiner lebhaften Phantasie an die
obszftnen Kritzeleien, mit denen unnfitze Buben alle Wände beschmutzen.
Dafs er durch die Gestaltung der Verbalformen nicht befriedigt wird,
ist selbstverständlich. Wir brauchten nach seiner Auffassung mindestens
neun Zeitformen statt der sechs bestehenden, die so viele Unbestimmtheit
in sich tragen. Aber da H. weils, dafs die Sprache die Gegenstände
ihrer Hitteilung immer in weitem Umfang als bekannt voraussetzt, so
mufs er zngeben, dafs die Sprache auch mit ihren sechs Zeitformen aus-
kommt, um 80 mehr als die lebendige Volkssprache noch mit weniger
Zeitformen unmifsverständlich ausreicht, und er selbst einmal zugesteht,
dafs alle postulierten neun Zeitformen sich durch das sogen. Praesens im
Zusammenhang der Bede ausdrficken liefsen. Hätte er diesen Mafs-
stab des Bedfirfnisses auf Grund der Gemeinsamkeit fast des ganzen Vor-
stellungsmaterials bei den Sprechenden festgehalten, so worden manche
Ausstellungen an der Sprache wegen angeblicher Unbestimmtheit ihrer
Mittel weggefallen sein.
Sehr sehte sind M.s Ausfährungen fiber die Zahl und das Be ohne n.
Zweifellos richtig ist sein Grundgedanke dabei, — den allerdings schon
Plato in seinem Phaedo ausfahrt, — dafs die Zahl nur im Kopf ist, nicht
in der Wirklichkeitswelt. Allerdings will dieser Grundgedanke nicht zu
jener alles beherrschenden Auffassung vom Denken als blofsem Abbild
stimmen. Ob die Zahlbegriffe nur durch das Wort in den menschlichen
Kopf hineingekommen sind, erscheint uns fraglich angesichts einer Tat-
sache, die M. selbst anfahrt. Wenn der Häuptling irgend eines auf
niedrigster Stufe stehenden Stammes, dem die Zahlwörter noch fehlen,
vom Nachbärstamm 17 Krieger zur Unterstfltzung verlangt und zu die-
Nene Philologiiohe Bnndbohaa Nr. 24. 668
sem Behuf 17 Steinchen einsendet, so scheint hier doch eine Zahl-
vorstellung noch ohne Wort zu hestehen.
Die Syntax steigert nur noch als Kombination von Wortformen
nach M.s Meinung die Unbestimmtheit des sprachlichen Ausdrucks
und erschüttert so erst recht den Glauben an die Eindeutigkeit der
Sprache. Ein ähnlicher Gedanke war schon im ersten Band, dort nur
noch schärfer, ausgesprochen, obwohl gerade im Satz und im weiteren
syntaktischen Zusammenhang das einzelne Wort in seine CBr diesen Zu-
sammenhang notwendige Bedeutung eingerenkt wird. Übrigens sagt M.
selbst im Gegensatz zu diesen Behauptungen ans Anlafs eines Spezialfalls
S. 124: „Nicht der Gedanke wird durch das Wort deutlich gemacht,
sondern das immer schwankende Wort durch den mitunter klaren Ge-
danken/' Da aber der Gedanke bei M. mit dem Satz identisch ist, so
besagt diese Behauptung genau das Gegenteil der vorigen, nämlich: durch
Kombination von Wortformen oder Syntax wird die Bestimmtheit des
sprachlichen Ausdrucks gesteigert. S. 187 wird zugegeben, dafs die Syntax
ebenso wie die grammatischen Wortformen „bei der bequemen Anordnung
der Vorstellungsreihen ein wenig mithilft'S obwohl S. 76 gesagt war, dafs
die Menschen „ nackt ^' denken, d. h. ohne Flexion, und obwohl er sich
gelegentlich sogar zu der kühnen Konzeption versteigt, dafs in Urzeiten
vielleicht einmal die heutige Flexionsendung das Wesentliche war, das
erst durch das Hinzutreten eines Substantivs näher bestimmt wurde. Da der
Syntax in der Wirklichkeitswelt kein Analogen gegenübersteht, so verhält
sie sich zu dieser wie eine tote Arabeske zur Lebensfülle der Natur, indes
sie doch selbst ein natürlich gewordenes lebendiges Erzeugnis der Natur
ist, verschieden von Volk zu Volk , wie Blatt und Blüte verschieden von
Baumart zu Baumart. Für die eigentlichen Zwecke der Sprache ist ihm
die Syntax der Parademarsch im Vergleich zur Felddienstübung oder zur
kriegerischen Aktion eines Heeres.
Die Logik ist ihm gleichfalls nur eine Seite der Menschensprache,
also die aristotelische Logik nichts als eine Betrachtung der griechischen
Sprache von einer interessanten Seite aus. Aus der chinerischen oder
dravidischen Sprache hätte Aristoteles eine andere Logik ableiten müssen«
Ähnlich sagte schon M. Müller unklar genug: „Die Logik ist als eine
Art allgemeiner Grammatik aus den Grammatiken der Welt abstrahiert.'*
Für M. ist die Logik nur ein Teil der Psychologie. Ihre normative Be-
deutung und ihr propädeutischer Wert für alle Wissenschaft wird ein&ch
9M Jbiiii PUMlMinlN MB^hMiuui Hit 9i.
AgMaO. U giM. in dir Logik ,,k«i& SUIen«*. AHb DHikgwtn mä
davon abgeleiteten B^eln und Beirtimttangen ia der Lebr» Tom Decken
ireiDl|[fHck aki vttlig wertlos, inbh nekt ab liniles n^Bch-
Aber to Auflgangspnakt dabei ist vielfiusb da» sebon erw&httte
NetoW^ dklb das Deak«i Abbild der WiiUiobkeit sei, die WirkKehkeit
aber kein Ja Md ken Nein, kikie eesetoe, keine MSglichkeik usir. biete.
,,080 IdeabpradM» hat kein Niebt«^ So wird aUenlhaibeB das Denkiea ab im
Widenpeocb befltadHcb mit der Wirklicfakaitswett an^ewieeen, md dank
j^t dnui die Klchtigkeit der Logik ab beniesen. Himmt man mA
I, d|ft vmA Bedatf die abaehake Identittt von Sprecben ind Denken
wiedev bervorgebelurk wird, — ebwobl rinmal das CMandnia anf-
taaehl, iais iS»m MeDkMlt rnv avi Ckmnd einer beaondeMi Defiaitkn tob
BienlMi md S^eeben «afredri; sa ethalien sei, — - se ergeben sieb vm
dbaen Ptalkiomn ans ein» gmae Beibe: von AngnflmOgfiebkeüen gBgem
die Lebien Amt Logik in allen Mm» Teibn; aber die^ game naiifilnglicbo
•MwipAing der Deskyeeekze erbUt so in bebem IfaAe den CbanMer
te S^irangbaAen^ ünsyistematiscbm und SbbUleniden, der der ganae» Das-
sMnniaweiia 11.8 obnehi» anhaftet. Dab e» siob in der S|N»cbe doeh
meb mi Mobe» bandeM, nichi mi blofse» AbbUd der Wirkliebkeit, md
dift diese Welt der Zeichen wia die Seiobenwelt der Makhematik ihre
kannaaentMi Beatribrngm vatA QesetM hat, und dab sebüaCstuib dies
ttensekliebe Seaken mcb mr ein 3eB der WirkUebkeitsmlk ist vit
apeaÜDchen ianeMi Natwend^keiken, die wb Gaaekae nennw, dha aUes
bkribt nabeocbtet,
IKe Wertleeiglttitt der Legik Ibigk ihn seton^ danmv dafe de» Bag^
bnaer^ ei» JMeSi md denn DMleii „fast inmai''' schon eia S^ofii vseran-
geht. Die Vagriff e enk8tehMi> ihm nicbi aus B^exien ocbi Abskislokion,
abo ddwb dl» Inaitieo de» Vergleiohensi^ sondem sie smd die. Akke dsc
Yeigleichung selbst, was sowohl bezfigliek üirw Ibtstdlnng ab in Bio*
eeriM mf ibren^ Gebnoeh' nadt der Enkstehnq; etwas Sehwä»rig vcnsilellbar
leite dMtai, Sie sittd ibiiK nur BeqoensliGbkeibeni,^ eingefibte« Gleiaa, die
aneb anT kgboiein Oebia« an« allen QfabeskinaDtiiieiten biden.,. an danen;
alte» ^raehüebe tamkt. WerkioH wtoes si» nm dann,, wenn nd»^ B»-
giMsb^alb deaij BbgriCbumlhAg' absefofr gemni entspräche^, iL k. wmiii ea
„dh» Meneohen geeeeimaaae abstrabtei Begriffe« gab»*^. €hsgm dha b»-
kannle bgbrtko VeAaUawa» rm gm f »n g uaid Inthati dar Begrub wendet
er m a. ein, dtfb ai Bt m deai nrsprüngiieben mhm Planeten oodb
'S
ücae PbOoksMi« RawMum Hr. 24l
knaderto hinziijgekoBiHieii seien, und <tftfs tarots dJmev relativ stärkeii ¥er«
mehnuig dee Untfacge» der lahalt des Begriffes Plaael niekt im mindesteA
aUmi^ worden sei Der Eiavand geht vott der seltsanaea« Yoraassetsang
aiusv ab mfifite beim ünsluig des B^ffs die ZabI der zugebOrigen lud»*
vidaea fiastgestellt seio^ Der gleicke Einwand Ikfas sick ans jeiran i»*
dnktlTen Sekhifs, Urteil md Begriff ahleiten«. Die Definition wird als
Uoise Null beaeidioet, weil sie ränste Tantologie sä. Der einzige Zweck
nnd Sinn also, den die Definition ikrem B^iff nadi laben kaniK lad
mals, wird ibr ^üm Vorwurf gemaebt. und doek sj^cbt M. einmal den
Satz ans, es sei rfttlicb, in der Wissenscbaft keiM Begriffe anzisweBdcn,
aber deren Definition nickt alle Welt einig sei. Wenn aber die Definilioai
ans einen B^iff seinem Inhalt nach zpm Bewnfstsein bringt, so ist sie
aaßb M. nur eine Art Sprachstöraag oder Hemnamig dea bekagliohev
Wertgebrauehs, ebenso wie ihm das Bewnfstsein seilst eine Stiteoag oder
Hiemmang dea unbewnfeten Gedächtnisses ist. nnd sieh zn dieaeaK xuah
bewtt&ten Oedftcbtnis vwb< wie Brnstschmerz zu rah^iem Atmen edei
wie> Bauebigrimmea zar normalen Verdammg. Wenn so fieilicb da» üüi-
bewafste and die Gedankenlosigkeit das Noraak ist^ dann ist aUe Logik
ein Ikfag nnd dfirfte als Entwiekelnngskiankkeit im geistigen Lebea dm
Mensebbeit hScbsten» noek in der Erinnerung die BoUe einss gifioUidi
Abeiwaadanen Standpanhtes q^ielea. Soüai^ fb^.
2a9) BiatioüMjF <tf PliikMphy Mtd Fayotelogy. Written bji
Man; Hands aad edited bjr JaiBiea Mark BiMwtak In a Yoh
lumeft. New! York, The MaemiUaa Company. Loadon, Mao-
millan ft Qo. gr. 9.
Yol. L IWn. XXIY a; «44 S. geb. at s. mt
Yd. IL 19<M». XYI tt. 89ft 8; geb. m k adb
IhEiS: Yiesliegende „Diotieaary e£ PUloaopbj and Psyohology** ist iii
aMoajfliirigw Arbeit voai einer greisen Beihe hemfiMier Faehgeld^r
aMer der leitnng eiaes intemationatea BedaktioQsansasbQsses« gsscbaffeiK
worden. Den Yorsitz und die letzte entsoheideade Stiauna in diesem»
AuBsdiasse, sowie iherbttapt den LOwenant«! aa dnn UateinabmMi, bat
i» Yordieate BxperimeatalpsjKholog der Unifversitti Princetea^ in Hew
Jeisey, Prefessor James Maok Baldwia, gekabi, vch» dessen fafibereai
Aidtoitfift hier dfe ft^en(te^^ ia firiaaenuig gabmchli seien: Mmktßl Deve-^
666 Nene Philologische Rnncbohau Nr. 24.
lopment in the Child and Bace; Handbook of Psychology: Feeling and
Will; Elements of Psychology; and Social and Ethical Interpretations in
Mental Development. Die Mitarbeiter, von denen selbständige Artikel
herrfihren, haben ihre Beiträge darchgehends mit ihren Initialen gezeich-
net; sie gehören naturgemäfs vorwiegend amerikanischen nnd englischen
Universitäten an; in dem internationalen Bedaktionsausschnrs sind aoTser-
dem noch die Universitäten Paris, Genf, Wien, Basel, Utrecht, Born und
Genua durch bekannte Namen vertreten.
Die Aufgabe der Dictionary bezeichnet der Herausg. als eine doppelte:
„first, that of doing something for the thinking of the time in the way
of definition, statement, and terminology ; and second, that of serving the
cause of education in the subjects treated.*' Ein besonderes Gewicht
wird notwendigerweise auf die Terminologie gelegt. Baldwin und
seine Mitarbeiter haben sich betreffs derselben folgende Grundsätze zur
Bichtschnur genommen : „Our task'S sagen sie, „has not been te originate
terms or to make meanings; not to enlarge our vocabulary or to suppress
Synonyms. We are, on the contrary, undertaking a more moderate and,
withal, a more reasonable task, — a task which, as regards the use of
terms, is twofold : to understand the meanings which our terms have, and
to render them by clear defiuitions, — this on the one band: and to
interpret the movements of thought through which the meanings thus
determined have arisen, with a view to discovering what is really vital
in the development of thought and term in one, — this on the other
hand.*^ Trotz dieser rein objektiven Stellungnahme geben sich die Ver-
fasser doch der Hoffnung bin, dafs ihre Arbeit vielleicht dazu beitragen
wird, in der wissenschaftlichen Terminologie manche Einigungen herbei-
zuf&hren, die als besonders wflnschenswert erscheinen mögen. Ihr unter-
nehmen wird dadurch besonders nfitzlich, dafs neben den englischen Aus-
drficken überall nach Möglichkeit die dafär in Deutschland, Frankreich und
Italien üblichen Bezeichnungen angeführt werden. An manchen Stellen
begegnet man auch anerkennenswerten Versuchen zur Beform einzelner
zweifellos unzutreffender oder ungeschickter Ausdrücke. Hoffentlich finden
diese Bemühungen den verdienten Anklang.
Die pädagogische Seite ihrer Aufgabe hat den Herausgebern vor
allem gewisse Beschränkungen auferlegt. Für weitläufige Diskussionen
ist in einem Würterbuche im allgemeinen kein Baum: dasselbe soll viel-
mehr die Eigebnisse der bisherigen Forschung in möglichst klarer For-
Nene Philologische Bandschan Nr. 24. 567
mnlieniDg darbieten. Anderseits hat auch mancherlei herangezogen werden
mfissen, was weniger in das eigentliche Gebiet der Philosophiie und Psy*
chologie selbst als in das ihrer Hilfswisienschaften gehört. Das vorliegende
Werk soll, genau genommen, weniger ein „Wörterbuch der Philosophie**
als ein „Wörterbuch für Philosophen" sein. „What we care to make
piain *S sagt Baldwin, „is that we do not wish to be considered as having
prepared a work in snpport of any academic view of philosophy, but rather
as having wished to present materials and definitions which workers in
philosophy and science generally might find useful and reliable.**
unter „Philosophie" verstehen die Herausgeber „the attempt to
reach Statements, in whatever form, about mind and nature, about the
universe of things, most widely conceived, which serve to Supplement and
unify the results of science and criticism ". Entsprechend der ungeheuren
Bedeutung, welche die naturwissenschaftlichen Disziplinen fQr die moderne
Philosophie und Psychologie besitzen, sind diese in Baldwin*s Dictionary
mit einer Ausführlichkeit berücksichtigt worden, durch welche sich das
Werk von allen bisher erschienenen ähnlichen Arbeiten unterscheidet.
In welchem Umfange überhaupt die einzelnen SpezialWissenschaften heran-
gezogen worden sind, zeigt in rohen Umrissen eine auf S. xni abgedruckte
Kurve. Mit der längsten Ordinate stehen in der Mitte die Philosophie
und die Psychologie im eigentlichsten und allgemeinsten Sinne. Dann
folgen links mit Nr. 2 Ethik und Anthropologie, und rechts mit 2' die
Pathologie des Geistes und die Nervenlehre, femer mit Nr. 3 und 3'
Ästhetik und Logik, mit 4 und 4' Beligionsphilosophie und Biologie, mit
5 und 5' Soziologie und Staatswissenschaft, mit 6 und 6' Philologie und
Bechtswissenschaft und endlich mit 7 und 7' Erziehungslehre und Physik
(Mathematik). Eine ziemlich untergeordnete Stellung nimmt in Baldwin*s
Werke die Biographie ein. Vielleicht könnte die nächste Auflage
hier einige Erweiterungen bringen. Es ist ja richtig, dafs das betreffende
Material für jeden Fachmann anderweitig leicht zugänglich ist; immerhin
hätten, da andere sehr bekannte Gröfsen wie Helm holt z, Max Müller
und Buskin berücksichtigt sind, doch auch Männer wie Wilhelm
Wundt, Herbert Spencer, Ernst Haeckel, Thfiodule Bibot,
und Alexander Bain einen kleinen biographischen Artikel verdient.
Der Bibliographie ist die gröfste Sorgfalt gewidmet worden, und zwar
bieten die Artikel der beiden vorliegenden ersten Bände nur das Wesent-
lichste, während der dritte Band sehr ausführliche Literaturnachweise
jrme rfattologMM RubImIim Vr. tt.
bringen soU. Die GeBamiemteilimg des Weilces Ut die felgende: 7e*
In Hie I: Lial: of Oollaborators. B£tor*e Pre&oe. Table of Cionterte.
AbbreviatioBs: 1. of Terms, 2. of TiÜes of Joanals, &c. Test — A te
Lftirs. — Volume II: Fk«&faM7 Note. Text — Le to Z. AdAeDdi.
Iiidices: 1. Oreek Terms, 2. Latin T., %. Gemu» T., 4. Vrendk T.,
6. ItaÜMi T. — Volume !II: Prefiitory Note. General Biblie*
f raphies. 1. Oeneral. 2. Kbliography of A. History of Philosephj,
B. Sfatenmtie Pbiloaoiifay, C Logic, D. Aestbetics, B. Philesephy of BeH*
gion, F. j^ioa, O. Psycbology. ' — Die Länge der einzelnen Artikel ick
■atuigemtfe sehr vemcfaieden; eiiage, namentlich solche, die sioib atff sehr
allgemeine Stoifo, ww Cause and Effect, Time, Oriental Philo-
Bopfay>, «nd a«f Qegenstlnde aus dem Gebiete der phyBiologisehen Psy*
ebologie« wie Brain und Vision, beziehen, sind za fiirmlicben Abhand-
lungen berancfgewachsen. Dem Artikel Brain ist auch noch ein sriir
dankenswertes Otossar der Gdiimanatomie beigefiQgt. — Wie sidi die
einzelnen Mitarbeiter in die versdiiedenen Gebiete geteilt laben, können
wir Uer nicht näher «useiiiaadersetEen. Fftr die Leeer dieser Zeitsdififl
wird les ?on Interesse sein, da& die Ailäkel ftber philologische Dinge
von Brof. Benjamin Ide Wheeler an der Universität San Francieoo
herrfihren.
Bei der ungeteilten Anerkennung, die wir dem vortrefflichen Werke im
ganzen seilen mflsseo, ffihlen wir uns eigentlich nicht berufen, an demseften
im eiazelnen Kritik zu Oben. Wir möchten aber doch gern den emen Punkt
der Wortableitung berfihren, der uns persönlich besonders nahe l^gL
Wir könnm faieor mit den von der Bedaktion befolgten Grundsätzen nicht
durchweg übereinstimmen. Man hätte unseres Erachtens an manchen
Stellen etwas genauer, oder smen wir pedantis^r, yerfabren nAssen.
Bei ae^ z. B. hätte nicht auf adio, sondern auf oo^ics verwiesen werden
müssen, bei afjM zunächst nicht auf ad + faeere, sondern auf affedm,
bei 4irchiteatwre nidit auf ^dq^v-^- Tixyqj sondern auf lal a/rchiMbmu
und griech. äqxizixuaVi und bei asoetidsm mufdte vor dem seiner Bil-
dungswetee nach femerliegenden Substantiv UaiMffig das Adjektiv ^kmi^iiftAg
aagefBhrt werden. Es würde ffir viele Leser auch von Inlteresse sein,
»eben engl, nesthesia und cmalgesia die schon g^au so gebildeten grae-
«bischen Formen aia&i^ia und dvai/yiiala zu finden; denn wenn man
daiär mci^t/ns «nd ä +Jilyos (angegeben sieht, kommt man mit ziem-
lieber Notvsendigkeit auf den Gedanken, dafs die betreffenden engllselien
Nene Philologlsolijfl Bttndsobaa Hr. 24.
Formen Nenbildangen der modernen Wissenschaft seien. Als anriohtig
sind nns folgende Etymologien aufgefallen: äble kommt nicht Ton a + ^
büis, sondern dnroh altfiranzös. able ein&ch von habüis. — Das Ton
F. Max Müller im Gegensatz zu aäieism ^^Gtotteslengnung'* gebildete Wort
otiemsm „Oötterlengirnng*^ geht nicht anf lat. a -f deus znrfick. Schon
der Znsammenhang an den Stellen , wo Max MfiUer das Wort braucht
(man vgl. auch das dazugehörige Adjektiv auf S. 129 der deutschen Aus-
gabe des Bandes „ Anthropologische Beligion*' der Oifford Lectures), zeigt
deutlich, dafs er dabei an das altindische äeva gedacht hat. Er konnte
sich auch direkt an eine sanskritische Bildung ddsoa anlehnen, welche
nach dem grofsen Petersburger Wörterbuch in folgenden Sedeutungen
vorkommt: 1) Adj. a) nicht göttlich, nicht von den Göttern kommend,
b) ungöttlich, gottlos; 2) Snbst. Nich^ott. — cynosücism geht nicht auf
hi a-^-gnoscere zurfick, sondern auf üyvmHnog^ bzw. d- privativum -{-
ywaa%v»j&q. — aim (me. eimen aus altfiranz. aesmer) setzt nicht lat aeslu
mare sondern *adaestimare voraus; vgl. Skeat, EtymoL DicL und Kör-
ting, Lateinisch -BomanisdiesWörterbuch* Nr. 166.— Bei dem Artikel
Cabäla ist zunächst gäbbäiah verdruckt for qäbbälähf und dann wird das
Yerbum bäp. nicht klar von dem Substantiv nb^g geschieden.— Das engl.
dolus stammt doch wohl von dem lat. dolus ab, und nicht von dem mit
diesem nur urverwandten griech. ddlog. — Bei dea-fmutism wäre es
praktisch gewesen, die ffir einen Nichtanglisten ganz wildfremd und un-
verständlich aussehende mittelenglische Form mewet, welche scblieMich
weiter nichts ist als eine besondere Schreibung des aus dem Altfran-
zösischen entlehnten mu^ (s ^matettus fOr tnuius), etwas näher zu er-
klären. Da fibrigens altfranzöeisch auch mut (= mutus) vorkommt, braucht
man ne. mcife gar nicht von muet, mewet herzuleiten. TgL Körting
a. a. 0. Nr. 6427. — Für creed gilt das oben über act usw. Gesagte:
das Wort hätte nicht allgemein auf credere, sondern auf die bestimmte
1. Person Sing, credo zurfickgefflhrt werden mflssen, mit der das Glaubens-
bekenntnis anälngt. — Eine nähere Erklärung der Bedeutungsentwicke-
lung war, wenn die Anffihrung der Etymol<^e überhaupt einen Zwef)k
haben sollte, bei control S. 229* unbedingt erforderlich. Für rotdkm
ist dort fibrigens rotuhm einzusetzen, vgl. Körting Nr. 2473, wi
Skeat snb verbo.
So liebe sich noch dies und jenes anführen. Doch wir wollen uns
nicht in Kleinigkeiten verlieren, eondern lieber unsere Besprechung schlielsen.
. 570 Neae Philologiiehe Bnndaohan Nr. 24.
indem wir dem Heraoag. und seinen Mitarbeitern noch einmal unsere
rfickhaltslose, dankbare Anerkennung Ar das von ihnen in mühevoller Ar-
beit geschaffene höchst verdienstliche und nutzbringende Werk aussprechen.
Wir zweifeln nicht« dafs das Studium der Philosophie und der Psycho-
logie durch das neue Wörterbuch die vielseitigste Anregung und Förde-
rung erfahren wird, und sind fiberzeugt, dafs dieses auch aufserhalb der
eigentlichen Fachkreise dieser beiden Wissenschaften in der gelehrten
Welt mit Dank b^frfifst werden wird. — Die äufsere Ausstattung des Buches
kann in jeder Hinsicht als mustergültig bezeichnet werden. Der Druck
ist grofs und deutlich, und die einer Beihe von Artikeln beigefügten
z. T. farbigen Abbildungen sind sehr fibersichtlich und lehrreich.
Bremen. F. Pabst.
296/297) 0. Hü8;ge, Edmond Bostand als Dramatiker. (Beilage
zum Jahresbericht des Gymn. zu Friedeberg Nm.) Friedebeig
Nm., Eisermann, 1903. 18 S. 4.
Nik« Scheid, Edmond Bostands Entwickelmigsgang und
seine Begehung zur deutschen Literatur, (= Frank-
furter Zeitgem. Brosch. XXII, 10). Hamm i. W., Breer & Thie-
mann, 1903. S. 311—341. 8. Mf— .50.
Diese beiden Arbeiten vermehren die Bostandliteratur, ohne sie be-
deutend zu bereichern. Die Verfasser bringen im wesentlichen nur eine
Inhaltsangabe und Würdigung der einzelnen Bfihnenwerke, statt nun auch
von höherer Warte eine Gesamtcharakteristik des Dichters und seine Ein-
reihung in die französische Literaturent Wickelung zu versuchen.
Die überschwengliche Huldigung Mfigges, so sehr sie seiner idealen
Gesinnung Ehre macht, wird auf den Namen einer tiefgehenden Beurtei-
lung kaum Anspruch machen können.
Auch Scheide Versuch, einen Entwickelungsgang Bestands darzustellen,
scheint mir unvollkommen gelungen. Wenn Cyrano bis jetzt als Höhepunkt
seines Schaffens gelten mufs, so hätte der allmähliche Aufstieg dahin, das
mannigfaltige Anklingen der Ideen in den Vorläufern zu überzeugenderem Aus-
druck kommen sollen. „Die zauberische Kraft der begeisternden Idee^S
das ist der Grundton auf Bostands Leier. Sie zeigt ihre Macht in der
Princesse lointaine — die Bomanesques sind mehr eine Formenfibung —
als reine irdische Liebe (amour), als Nächstenliebe (charit6) und religiöse
Schwärmerei in der Samaritaine, im Gyrano als ritterliche Gesinnung (panache).
'S
Nea0 Philologiache Rnndsohan Nr. 84. 671
Den Einflufs 0. Ludwigs anf Bostand nachzuweisen, ist Scb. auch
nicht g^Ifickt. Die Ähnlichkeit der Bomanesqnes mit Hanns Frei ist
fiberraschend, aber der Gedanke des Lnstspiels ist zu sehr literarisches
Oemeingnt, um die Annahme einer unmittelbaren Anregung zu recht-
fertigen. Noch kflhner ist die Behauptung, der französische Dichter sei
mit seinem biblischen Stfick bei dem Verf. der Makkabäer in die Schule
gegangen ; sie stfitzt sich eigentlich nur auf die Tatsache, dafs beide Dra-
matiker Stoffe der heiligen Schrift behandeln.
Ich habe mich gefreut, dafs M. sowohl wie Seh. den Mut haben zu erklären,
dals der schöne fQnfte Akt von Gyrano trotz Erich Schmidt kein „Notdach^* ist.
Plensburg. K. Eagelko.
298) Heinrich F. Junker, Ornndrifs der Oeschichte der
firanzöfidBclien Literatur von ihren Anfängen his zur
Gegenwart. 4. vermehrte und verbesserte Auflage. Hfinster
i. W., SchSningh, 1902. XX u. 534 S. gr. 8. brt)Beh.ul4.80.
Wer 15—20 Jahre zurfickdenkt, wird sich erinnern, wie wenig ge-
druckte Hilfsmittel damals dem Studierenden der neueren Sprachen zur
Vertilgung standen, trotzdem er ihrer in so hohem Mafse bedarf. Der Alt-
philologe bringt die fBr sein Studium nötigen sprachlichen Kenntnisse auf die
Universität schon mit, dem Neuphilologen dagegen ist die ältere Phase des
Französischen oder Englischen etwas ganz Neues, das er in schulmäfsiger
Weise erst zu erlernen hat. Die Aneignung dieses seines Handwerks-
zeuges mufs dem Studenten schon deshalb erleichtert werden, weil er nach
zwölf- und mehrjähriger Schulzeit rein sprachlichen Dingen mit einer ge-
wissen, psychologisch begreiflichen Abspannung entgegentritt. So liegt die
Gefohr nahe, dafs er bei nicht ganz großer Energie sich eine wissen-
schaftliche Bildung mit unsolider Grundlage erwirbt. Dem zu steuern ist
ja Pflicht der Universitätslehrer, aber nicht wenigen von ihnen fehlt Trieb
und Geschick, sich in solch elementarer Weise mit Anßlngem zu beschäf-
tigen, und aufserdem reicht die Kraft eines Mannes gar nicht ffir so viele
Studenten aus, wie sich in den achtziger Jahren den modernen Sprachen
widmeten und auch heute wieder widmen. Wenn nun auch zugestanden
werden mufs, dafs die Tätigkeit der Hochschullehrer auf diesem päda-
gogischen Gebiet neuerdings reger geworden ist, so mufs es doch dankbar
b^rfi&t werden, wenn die Dozenten ^'^^ ^*'«ibildung, welche sie ihren
Studenten in Vorlesungen und Übr ein, seit einer Reihe von
578 Neae Fhilolaglflolie BimdBchaa Nr. 24.
Jahren durch gedruckte Hilfsmittel stützen und erg&nsen, Kach-
folgende Zusammenstellung gibt das Wichtigste dieser Literatur ffir das
Gebiet der romanischen, bzw. ftanzösischen Philologie wieder. Ich nenne:
1) Eoschwitz, Anleitung zum Studium der französischen Philologie.
2) Körting, Handbuch der französischen Philologie. 3) Gröber, Grundrifs
der romanischen Philologie. 4) Körting, Lateinisch -romanisches Wörter-
buch. 6) Godefiroy, Lexique de Tancien franfais (einbändiger Auszug aus
dem grofsen Werke). 6)Sachs-Yillatte, Enzyklopädisches französisch-deut-
sches und deutsch-französisches Wörterbuch. 7) Schwan -Behrens, Gram-
matik des Altfhmzösischen. 8) Voretzsch, Einführung in ^ Studium der
altfiranzSaischen Sprache zum Selbststudium für Anfänger. 9) Junker,
Grundrifs der Geschichte der französischen Literatur. Man sieht an den
Yerfassemamen, dafs wir diese Hilfsmittel fast ausschlie&Ucb Gelehrten
verdanken, welche die romanische Philologie an deutschep ÜQiyersitäten ver-
treten. Aber auch Schulmänner fehlen erfreulicherweise als Autoren nicht.
So bei dem Werke, welchem diese Zeilen gewidmet sind. Ich weifs noch,
mit welcher Freude die erste Auflage des „Junker^' von ups Studenten
begrfifst wurde: die bis dahin vorhandenen Allgemeindarstellungen der
französischen Literaturgeschichte genügten nicht, weil sie die Jahrhunderte
bis zur klassischen Zeit vernachlässigten; auf Kolleghefte 7urfio)[zugreifeo,
war auch schwierig, weil man in seiner Studienzeit alle Epochen der Lite-
raturgeschichte doch kaum zu Gehör bekam. Mit dem Erscheinen des
„Grundrisses^^ hatte die Unsicherheit ein Ende; man besafs ein Buch, in dem
man nachschlagen und Literatur finden und nach dem man auch fürs Examen
arbeiten konnte. Die zünftige Kritik begrüfste Junkers Arbeit nicht mit
solchem Enthusiasmus. Es war ja auch zu natürlich , dafs diesem ersten
Versuch, die ganze französische Literaturgeschichte wissenschaftlich darzu-
stellen, allerlei Mängel anhafteten. Der Verf. hat die ihm damals von
vielen Seiten gegebenen Winke redlich befolgt, so dafs schon die zweite
Auflf^e als wirklich „verbesserte^ bezeichnet werden konnte. Wie sehr
sich das Buch seither in wissenschaftlichen und studentischen Kreisen
eingebürgert hat, zeigt die Tatsache, dafs es uns jetzt nach dreizehnjähriger
Existenz in vierter Auflage vorliegt. Ist der „Grundrifs^* in seiner Qeuen
Gestalt der dritten Auflage gegenüber wieder um gut dreifsig Seitep ge-
wachsen, so bezeichnet er auch qualitativ einen erkennbaren Fortschritt
Das Buch sorgt sowohl für die Bedürfnisse des lernenden wie für die
des wissenschaftlich tätigen Fachgenossen in ganz ausgezeichneter
Ifene Philologisefae BnndschAa Nr. 24. 678
Wdse. Deü Dank, den der Verf. dieser Zeilen den ersten drei Auflagen
des „Junker*^ schuldig zu sein glaubt, möchte er in den Wünsch kleiden,
dafs die Erkenntnis von der ünentbehrlichkeit des trefflichen Hilfsmittels unter
den Jüngern der romanischen Philologie immer mehr um sich greifen möge.
Peine. Carl Friealaiid.
299) Thebdot Knon*, Fjraetetita, Ansichten und Gedanken ans
meinem Leben, welche des Gedenkens yielleiobt wert sind, von
Jolm Kuskln. Aus dem Englischen fibersetzt und heraus-
gegeben von Th. Eh. I. Band. StraTsburg, J. H. Ed. HeitE,
1903. XIV U. 297 S. 8. ul 4.-.
Nach der langen Reihe glänzend, streitbar und leidenschaftlich ge-
schriebener Bücher verfafste Buskin 1885 als letztes grOlseres Werk eine
allerdings nicht zu buchstäblich zu nehmende Geschichte seines Le-
bens. ^Praeterita' ist ^the most charming thing that he ever gave to
the World' und ganz verschieden von seinen früheren Schriften. Es ist
ein warmer Sounenstrahl, der nach einem gewitterdurchtobten Nachmit-
ti^e noch einmal die Fluren und Höhen beleuchtet und verklärt, ehe das
Gestirn zur Rüste geht. Schlicht, mit rührender Offenheit und liebens-
würdigem Humor charakterisiert Ruskin seine Eltern und erzählt von
ihrem neunjährigen Brautstande. Er spricht mit wehmütig dankbarer
Erinnerung von seiner guten Oroydoner Tante und ihren Kindern, sowie
von der alten treuen Dienerin Anna, die Won ihrem Mädchen- bis
zu ihrem Greisenalter den Willen anderer tat und deren Bestem diente,
anstatt auf ihr Wohl bedacht zu sein , und dabei eine besondere Gabe
hatte. Unangenehmes zu sagen, und 'eine eingewurzelte, republikanische
Abneigung, etwas, was ihr geheifsen war, sofort oder zjor rechten Zeit zu
tun . Wir werfen einen Blick in die eigenartige Erziehungs- und Unter-
richtsweise seiner puritanischen Mutter und bemitleiden den Knaben, der
auf Herne Hill einsam, ohne knabenhaftes Spiel, ja fea^ ohne jeden Ka-
meraden heranwächst, zwar manche guten Eigenschaften sich praktisch
aneignet, aber nie lernt, jemandem zu helfen oder für etwas zu danken.
An seiner Lieblingslektüre und den ersten literarischen Versuchen des
staunenswert frühreifen Knaben — er schrieb deutlich und orthographisch
richtig mit vier Jahren und begann mit sieben Jahren zu dichten —
erkennt man den späteren Helden- und Naturverehrer sowie den Keim
seines mittelalterlich - romantischen Dranges nach unmöglichen Idealen.
574 Neue Phllologisehe BuAdaeliaa Nr. 24.
Wie ein Idyll ans längst entschwundener schOner Zeit ersdieint nns seine
beredte Sohildemng der häufigen Beisen mit Vater, Mutter und Anna in
der Postkutsche durch England, Schottland und durch Frankreich nach
den Alpen. Man folgt den Beisenden mit Spannung nach Schaffhausen
oder Ober den Col de la Faucille und sieht das Alpenpanorama in herr-
licher Majestät, von der scheidenden Sonne rosig angehaucht, sich zackig und
scharf am Horizonte emporheben. Die ersten Jahre seines Ozforder Auf-
enthalts, den er mit ergötzlicher Ironie erzählt, und in den auch seine
'Defence of Turner^ fällt, schliefsen den vorliegenden ersten Band des
anziehenden Buches. Natürlich ist der Inhalt viel reicher und deutungs-
voller, als man nach dieser kurzen Skizze etwa annehmen möchte, und,
auch nur als ünterhaltungdektflre betrachtet, höchst ergreifend und ge-
nufsreich, so dafs eine deutsche Bearbeitung mit aufrichtigem Danke zu
begrQIben ist.
Die vorliegende Übersetzung liest sich leicht und flfissig und lä(st
die Arbeit kaum ahnen, welche dahinter steckt Denn die ^racbe Bus-
kius ist stellenweise recht schwierig in gutem Deutsch wiederzugeben
und erfordert nicht selten grölsere sprachliche, literarische und sachliche
Kenntnisse, als sie Übersetzern eigen zu sein pflegen. Knorr hat es ferner
als seine vornehmste Aufgabe bezeichnet, die naive Unbefangenheit des
Originals zu wahren, und der Versuch mufs eben&lls als geglückt be-
zeichnet werden. Wenn noan den deutschen Text mit dem Original ver-
gleicht, so stöfst man zwar auf eine Beihe von Unebenheiten des Aus-
drucks und Irrtümern der Obersetzung, aber als Qanzes betrachtet, ist
diese wohl geeignet, den bedeutenden Mann einem weiteren deutschen
Publikum näher zu bringen« Dies ist ja auch das Programm der Heitz-
schen Oedankenlesen aus Buskin, und da ^Praeterita' zu seinen beliebtesten
Werken gebort, so ist die Hoffnung des Herauggebers gewifs be-
rechtigt, dafs es sich auch bei uns einen grö&eren Freundeskreis erwerben
werde, als irgend eine seiner anderen Schriften. Mit den Kürzungen,
welche mit Bücksicht auf deutsche Leser vorgenommen sind, ist Bef. im
allgemeinen einverstanden; unangenehm war ihm beim Lesen nur, dafs
der Interpunktion so wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden ist.
Bremen. F«
Nene Philologische Bandschaa Nr. 24. 575
300) Wilhelm Vidtor, EinfOhnrng in das Studium der eng-
liachen Philologie mit Bficksicht auf die Anfordernngen der
Praxis. Mit einem Anhang: Das Englische als Fach des
Frauenstudiums. Marburg, Elwert, 1903. XII u. 120 S. 8.
J^ 2.50.
Die neue Auflage dieses Buches, das seit seinem ersten Erscheinen
im Jahre 1888 auf fast den doppelten umfang angewachsen ist, wird von
allen denen, die sich mit dem Studium der englischen Sprache und Lite-
ratur beschäftigen, freudig begrüfst werden.
Plan und Ziel der Schrift sind unverändert geblieben. Sie will nach
wie vor nicht mehr und nicht weniger als dem Studierenden eine An-
leitung für den Gang und die Einrichtung der wissenschaftlichen und
praktischen Fachstudien geben und ihn vor Milsgriffen, die oft mit un-
ersetzlichem Zeitverlust verbunden sind, bewahren. Dagegen will und
kann sie weder die methodische Führung des Dozenten im Kolleg und
Seminar, noch den Bat, der nur im Verkehr von Person zu Person sich
ermessen lälst, fiberflQssig machen, wie vom Verf. ausdrücklich im Vor-
wort betont wird.
Das Buch wird sich jedem, der es benutzt, als zuverlässiger Führer
erweisen. Für keinen Zweig der englischen Philologie, von den Denk-
mälern der angelsächsischen Zeit bis zu den modernen Tageszeitungen,
wird man es vergebens zu Bäte ziehen.
Näher auf den Inhalt einzugehen, kann ich mir versagen, da wir es
mit einem in Fachkreisen bekannten Werk zu tun haben. Ich will nur
erwähnen, dafs die Änderungen gegenüber der zweiten Auflage sich im
wesentlichen auf zwei Punkte erstrecken. Einmal ist die neue preufsische
Prüfungsordnung für das Lehramt an höheren Schulen vom 12. September
1898 zugrunde gelegt worden, und zweitens hat die in den letzten Jahren
erschienene Fachliteratur gebührende Berücksichtigung gefunden.
Möge das vortreflfliche Buch auch in der neuen Gestalt zahlreiche
Freunde finden. Für den neuphilologischen Studenten ist es unentbehrlich;
aber auch jeder Lehrer des Englischen sollte es allein schon der Literatur-
angaben wegen seiner Bibliothek einverleiben.
Altona-Otiensen. H. Sohnldl.
676 Nene Fhilologiidift Bnndaehau Nr. 24
Vakanzen.
Charlottenbnrgy HMS. Obl. Deutsch n. Qesch. Magistrat
Delmenhorst, BS. Obl. N. Spr. Magistrat.
Esehwege, BS. u. Q. Obl. Math, oder klass. Phil. Dr. Stendele.
Easklrchen, 0. Obl. Math. Dir. Dr. Doetsch.
Frankflirt a. M., HMS. Obl. Deutsch, Gesch., Bei. Kuratorium.
€tera, HMS. Dir. (N. Spr.) Stadtrat
Hameln, 0. Obl. N. Spr. Mi^strat.
Itzehoe, BG. u. BS. l) Obl. Spr. 2) Math. u. Nat Dir. Dr. Halfmann.
Jüterbog, BS. Obl. Math. Magistrat
Kattowltz, G. Obl. l) Kl. Phil.; 2) Deutsch u. Frz. Kuratorium.
Lana;en8alza, Bpg. Obl. Lat, Frz. u. Deutsch. Magistrat
Münden, G. Obl. N. Spr. Magistrat.
Neunkirchen, BG. ObL Math. Kuratorium.
Batingen, Prg. Obl. Klass. Phil. Dir. Dr. Petry.
Sehoeneherg, HMS. (BG.) Obl. Math. Magistrat
Siegen, BG. Obl. f. Chemie, desgl. f. Bei. Dir. ütgenaunt.
Solingen, G. u. BS. Obl. Deutsch u. Frz. Dir. Dr. Schwertzell.
Steele, G. Obl. Klass. Phil, (ev.); Obl. Gesch. u. Deutsch (kath.).
Dir. Wirtz.
Ylersen, G. Obl. Gesch. u. Deutsch. Bürgermeister.
Zoppot, Bpg. Obl. Deutsch, Gesch., Frz. Magistrat
Yerlag von Gustav Fischer In Jena.
Soeben erschien:
Wissenschaft und Buchhandel.
Denkschrift der Deutschen Verlegerkammer
unter Mitwirkung
ihres derzeitigen Vorsitzenden Dr. Gustav Fischer in Jena
bearbeitet von
Dr. Karl Triibner,
Strafsburg i. E.
Interessenten steht, soweit der dafür bestimmte Vorrat reicht,
die Schrift in einem Exemplar unentgeltlich zur Verfugung.
Bestellungen beliebe man direkt an die Verlagsbuchhandlung von
C^mfttaT Fischer in Jena gelangen zu lassen. Weitere Exemplare
sind zum Preise von 80 Pfg. durch jede Buchhandlung zu beziehen.
Fflr die Bedsktion Terantwortlieli Dr. E. Lldwl| in Bremtl.
Drnek und YarUg Ton Friedrieh AndreM PatUim, AktittigMelliehift, Qotk*.
Ctotha, 11 Dezember. Hh. 25, Jahrgang 1903.
Neue
PhilologischeRundschau
HeraosgegebeD von
Dr. C. Wageher und Dr. E. Ludwig
in Bremen.
Erscheint alle 14 Tage. -^ Preis fttr den Jahrgang 8 Mark.
Bestellungen nehmen alle Buchhandlungen, sowie die Postanstalten des In- und Aunlandes an.
Insertionsgebflhr fOr die einmal gespaltene Petitzeile 80 Pfg.
Inhalt: Bezenslonen: 301) C. Robert, Stadien zur Uias (H Klage) p. 577. —
302) Lad. OkQcki, Taciti Germania (Ed. Wolff) p. 579. — 303) Harvard
Stadie8inCla88icalPfailo]ogy.yoLXiy(P.We88ner)p.581. — 304)Fritz Maathner,
Beitrage za einer Kritik der Sprache (J. Keller) p. 585. — 305) Cartius-
V. Hartel-Weigel, Griech. Schalgrammatik (ß) p. 589. — 306) M. Asmas,
Coars abr^g^ de la litteratore fran^aise depois son origine josqa'a nos jonrs (Carl
Friesland) p. 591. — 370) H. Rogaive, Französisch -deutsches und deutach-
französisches Taschenwörterbuch (W. Böhrs) p. 592. -- 308) J. B. Peters,
Materialien zum Übersetzen aus dem Deutschen ins Französische (Fries) p. 593. —
309) Fr. Th. Vischer, Shakespeare -Vorträge , 5. Band (H. Jantzen) p. 594. —
310) M. Wolf, Walter Scotts Kenilworth (L. Roesel) p. 594. — 311) Norman
Smith, Studies in the Gartesian Philosophy (P.) p. 597. — 312) J. J. Sauer,
Specimens of Commercial Gorrespondence (M. Steffen) p. 597. — 313) £. Regel»
Geseniufl-Regel. Englische Sprachlehre (Bahrs) p. 598. — 314) Alfred Jeremias,
Im Kampfe um Babel und Bibel p. 599. — Vakanzen. — Anzeigen.
301) Carl Robert, Stadien zur Uias. Mit Beiträgen von Fried-
rieh Beehtel. Berlin, Weidmannsche Bachhandlang, 1901.
591 S. 8. ^ 10 -.
Die verdiente allgemeine Beachtang, die dieses Bach gefanden hat,
tritt dorchaos nicht in den meisten Fällen als Znstimmang auf, sondern
dehr vielfach als entschiedener Widersprach. Dies liegt zam grofsen Teil
in der Eigenart dieser Arbeit begründet, welche ein ganz neaes Eoiteriam
fflr die LOsong der homerischen Frage einführen will. Der Verf. geht
nämlich einerseits von der nicht ganz nenen Beobachtang aas, dafs die
Bewaffnung des Helden in der Uias nicht gleichmäfsig in allen Teilen des
Epos dieselbe, sondern in einigen Teilen eine altertümliche ist — be-
sonders hervorstechend ist dabei der Mangel des Panzers and die Deckung
durch einen groCsen Schild — , in anderen eine jüngere mit Panzer und
kleinerem Bundschild. Mit dieser Beobachtung verbindet er nun eine
zweite, durch Fritz Bechtel ihm nachgewiesene, nämlich dafs die Stücke
der Dias; welche jene altertümliche Bewaffnung zeigen, zusammenfallen mit
578 Kene PhilologiBohe Raocbichaa Kr. 25.
denen, die sich anschwer nach Ficks Theorie in äoliscbe Sprachform
bringen lassen, während die Teile der Ilias, welche stark mit lonismen
durchsetzt sind, auch die jüngere Bewaffnungsart haben. Somit glaubt
der Herr Verf. auf diese Weise ein zuverlässiges Mittel gefunden zu haben,
diejenigen Teile der Ilias, welche ursprünglich die Grundlage des jetzigen
%os gebildet haben, von den jüngeren zu sondern. Er hat infolgedessen
auf den ersten 73 Seiten seines Buches eine Untersuchung über den unter-
schied der Bewaffnung in der Ilias und die Mittel, diesen Unterschied
praktisch an den einzelnen Iliasstellen festzustellen, vorausgeschickt unter
der Überschrift: „Mykenische und ionische Waffen.'^ Dann läfst er bis
S. 257 eine Analyse der Ilias folgen, wobei er den vorher festgestellten
Unterschied der Bewaffnung als Kriterium für das Alter der einzelnen
Stellen benutzt, natürlich unter fortwährender Heranziehung des zweiten
Mittels, nämlich der Untersuchung der Stellen auf die Möglichkeit oder
Unmöglichkeit, in äolische Sprachform umgewandelt zu werden. Hier-
durch gewinnt er nun einen ältesten Stamm der Ilias, die er als Urilias
bezeichnet. Die überzeugende Probe auf dies ganze Exempel soll nun
eine Rekonstruktion dieser Urilias bilden, welche von S. 272 bis 349 vor-
geführt wird und 2146 Verse zählt, zwischen denen noch an einigen
Stellen gröfsere oder kleinere Lücken geblieben sind, wo die jetzige Ge-
stalt der Dias eine Rekonstruktion der alten Form nicht ermöglichte oder
nach des Verf. Ansicht überhaupt der ursprüngliche Text verschwunden
und durch jüngere Stücke ersetzt ist. Daran schliefst sich dann eine
Charakteristik der Urilias hinsichtlich ihrer Darstellung der GOtter und
Helden; dann folgt eine Entwickelungsgeschichte der Ilias, in welcher
eine erste, zweite, dritte und vierte Ilias nachgewiesen wird. Den Be-
schlufs macht ein Register.
Liest man am Eingange des Buches, dafs die Stellen mit mykenischer
Bewaffnung auch zugleich die sind, welche leicht in äolische Sprachform
gebracht werden kOnnen, während umgekehrt die mit ionischer Bewaff-
nung auch hartnäckig der Äolisierung widerstreben, so ist man übenascht
durch die Einfachheit der LOsung des homerischen Rätsels, die hierdurch
in Aussicht gestellt wird. Leider enttäuscht hier wie so oft die rauhe
Wirklichkeit. Sobald der Herr Verf. nämlich dazu schreitet, jene all-
gemein ausgesprochene Beobachtung im einzelnen anzuwenden, so lOst sich
dem Leser die an&ngs gehegte Hoffnung inuner mehr in Luft auf. Es
zeigt sich nämlich sehr bald, dafs Interpretationskfinste, Änderungen
■j
IKfene Philologische Bundschaa Nr. 25. 5?9
der Lesarten, Beseitigung von lutei'polationen, grofse Umstellungen und
ähnliche Mittel nötig sind, um die „Urilias^^ des Verf. in einigermafsen
gutem Zusammenhange herzustellen.
Was ffir ein Durcheinanderwerfen des Textes dazu nötig ist, zeigt
schon eine flfichtige Betrachtung des von Robert gegebenen Textes der
ürilias. Vers 1—372 derselben ist aus A l — 610 (mit Auslassungen),
dann folgt ein Stfick von JB, im ganzen 82 Verse, aber zusammengestoppelt
aus B 1—815, dann /l 422—469 mit Auslassungen, dann ff 219— 273,
dann wieder J 517 — 536, dann E 541 — 575 mit mannigfachen Aus-
lassungen, dann Z 5 — 529, mit Auslassungen, dann H 4 — 12, dann
^516 — 525, dann 0 110—142 — auch mit Auslassungen — , dann wieder
^ 526 — 533, dann A 84 — 574, dann / 80, 81, 83 — , davor und da-
hinter eineLficke— , dann 0 489—554, dann H9— 62, dann /16— 22,
dann fi'69— 74, dann 127—78, dann H 80— 108, dann 2V^39— 44, dann
H 363—393, dann wieder 76 Verse aus N^ in grofsen Sprängen zusammen-
gesucht aus 170—837, dann wieder B, dann JV, dann 0, dann 'N^ dann 0
usw. Dafs eine solche Durcheinanderwerfung des ursprünglichen Textes,
wie sie diese „Rekonstruktion^^ voraussetzt, den jetzigen Zusammenhang
des Iliastextes hervorgebracht haben soll, ist doch wohl unglaublich. Es
ist offenbar Robert so ergangen, wie schon so manchem, dafs eine Be-
obachtung, die an einigen Einzelpunkten gemacht ist, verallgemeinert
wird, und wenn sie nun im einzelnen systematisch angewendet werden
soll, so viele Hilfen braucht, dafs sie selber keine Hilfe mehr gewähren
kann. Trotzdem möchte Ref. nicht sagen, dafs aller Scharfsinn und Qeist,
der auf das Werk verwendet ist, geradezu verloren und verschwendet sei;
das angestrebte Ziel, mit Hilfe des neuen Kriteriums Licht in die home-
rische Frage zu bringen, ist freilich nicht erreicht; aber im einzelnen findet
sich doch so viel Interessantes, dafs die Lektüre des Buches reichlich lohnt.
Cöthen. H. Kluge.
302) Lad. Okecki, Fublii Cornelii Taciti de Oermania libellu8.
Leipzig,' Simmel & Co., 1903. II u. 74 8. 8. Ji 2.-.
Angesichts der höchst beklagenswerten Tatsache, dafs die studierende
Jugend aus Mangel an geeigneter Anleitung bisher gewöhnlich genötigt
ist, den „Wort- und Gedankensinn ^^ der Oermania „aufs Qeratewohl und
ungefiLhr^^ zu erraten, fühlte sich Herr Ok^cki bewogen, den hilflosen
Gymnasiasten deutscher Zunge beizuspringen und ihnen einen FGhrer
. 570 Nene Fbilologiiehe Bandschan Kr. 24.
indem wir dem Henroag. und seinen Mitarbeitern noch einmal unsere
rfickhaltslose, dankbare Anerkeonnng fttr das von ihnen in mfiheyoUer Ar-
beit geschaffene höchst verdienstliche und nutzbringende Werk aussprechen.
Wir zweifeln nicht, dafs das Studium der Philosophie und der Psycho-
logie durch das neue Wörterbuch die vielseitigste Anregung und Förde-
rung erfahren wird, und sind überzeugt, dafs dieses auch aufserhalb der
eigentlichen Fachkreise dieser beiden Wissenschaften in der gelehrten
Welt mit Dank begrfifst werden wird. ~ Die äufsere Ausstattung des Buches
kann in jeder Hinsicht als mustergültig bezeichnet werden. Der Druck
ist grofs und deutlich, und die einer Reihe von Artikeln beigefSgten
z. T. fiurbigen Abbildungen sind sehr fibersichtlich und lehrreich.
Bremen. F. Pabat.
296/297) 0. Müg^e, Edmond Bostand als Dramatiker. (Beilage
zum Jahresbericht des Qymn. zu Friedeberg Nm.) Friedeberg
Nrn., Eisermann, 1903. 18 S. 4.
BTik. Scheid, Edmond Bostands Entwickelungsgang und
seine Beiüehnng zur deutschen Literatur. (= Frank-
furter Zeitgem. Brosch. XXII, 10). Hamm i. W., Breer ftThie-
mann, 1903. S. 311— 341. 8. .A— .50.
Diese beiden Arbeiten vermehren die Rostandliteratur, ohne sie be-
deutend zu bereichem. Die Verfasser bringen im wesentlichen nur eine
Inhaltsangabe undWördigung der einzelnen Bühnenwerke, statt nun auch
Yon höherer Warte eine Gesamtcharakteristik des Dichters und seine Ein-
reihung in die französische Literaturentwickelung zu versuchen.
Die fiberschwengliche Huldigung Mügges, so sehr sie seiner idealen
Gesinnung Ehre macht, wird auf den Namen einer tiefgehenden Beurtei-
lung kaum Anspruch machen können.
Auch Scheids Versuch, einen Entwickelungsgang Bostands darzustellen,
scheint mir unvollkommen gelungen. Wenn Gyrano bis jetzt als Höhepunkt
seines Schaffens gelten mufs, so hätte der allmähliche Aufstieg dahin, das
mannigfaltige Anklingen der Ideen in den Vorläufern zu überzeugenderem Aus-
druck kommen sollen. „Die zauberische Kraft der begeisternden Idee 'S
das ist der Grundton auf Bostands Leier. Sie zeigt ihre Macht in der
Princesse lointaine — die Bomanesques sind mehr eine Formenübung —
als reine irdische Liebe (amour), als Nächstenliebe (charit6) und religiöse
Schwärmerei in der Samaritaine, im Gyrano als ritterliche Gesinnung (panache).
\
Neat Philologische Rnndschan Nr. 34. 671
Den Einflnfs 0. Ludwigs auf Bostand nachzaweisen, ist Scb. auch
nicht geglückt. Die Ähnlichkeit der Bomanesqnes mit Hanns Frei ist
fiberraschend, aber der Gedanke des Lustspiels ist zu sehr literarisches
Oemeingnt, um die Annahme einer unmittelbaren Anregung zu recht-
fertigen. Noch kflhner ist die Behauptung, der französische Dichter sei
mit seinem biblischen Stfick bei dem Verf. der Makkabäer in die Schule
gegangen ; sie stützt sich eigentlich nur auf die Tatsache, dafs beide Dra-
matiker Stoffe der heiligen Schrift behandeln.
Ich habe mich gefreut, dafs M. sowohl wie Seh. den Mut haben zu erklären,
dals der schöne fQnfte Akt von Cyrano trotz Erich Schmidt kein „Notdach^^ ist
Flensburg. K
298) Heinrich F. Junker, Gnmdrifs der Oeschiohte der
franzOnschen Literator von ihren Anfftngen bis zur
Gegenwart. 4. vermehrte und verbesserte Auflage. Münster
i. W., SchSningh, 1902. XX u. 534 S. gr. 8. broBeh.^4.80.
Wer 15—20 Jahre zurückdenkt, wird sich erinnern, wie wenig ge-
druckte Hilfsmittel damals dem Studierenden der neueren Sprachen zur
Verfügung standen, trotzdem er ihrer in so hohem Mafse bedarf. Der Alt-
philologe bringt die fDr sein Studium nötigen sprachlichen Kenntnisse auf die
Universität schon mit, dem Neuphilologen dagegen ist die altere Phase des
FranzSsischen oder Englischen etwas ganz Neues, das er in schulmftfsiger
Weise erst zu erlernen hat. Die Aneignung dieses seines Handwerks-
zeuges mufs dem Studenten schon deshalb erleichtert werden, weil er nach
zwölf- und mehrjähriger Schulzeit rein sprachlichen Dingen mit einer ge-
wissen, psychologisch begreiflichen Abspannung entgegentritt So liegt die
GeMr nahe, dafs er bei nicht ganz grofser Energie sich eine wissen-
schaftliche Bildung mit unsolider Grundlage erwirbt. Dem zu steuern ist
ja Pflicht der Universitätslehrer, aber nicht wenigen von ihnen fehlt Trieb
und Geschick, sich in solch elementarer Weise mit Anfilngern zu beschäf-
tigen, und aufserdem reicht die Erafk eines Mannes gar nicht für so viele
Studenten aus, wie sich in den achtziger Jahren den modernen Sprachen
widmeten und auch heute wieder widmen. Wenn nun auch zugestanden
werden muls, dafs die Tätigkeit der Hochschullehrer auf diesem päda-
gogischen Gebiet neuerdings reger geworden ist, so mufs es doch dankbar
begrüfst werden, wenn die Dozenten die Ausbildung, welche sie ihren
Studenten in Vorlesungen und Übungen übermittein, seit einer Beihe von
578 Neae FhUologlMlie Bnndsohaa Nr. 94.
Jahren duroh gedruckte Hilfsmittel stützen nnd erg&nsen, Kach-
folgende ZnsammenstellQDg gibt das Wichtigste dieser Literatur fQr daa
Gebiet der romanischen, bzw. ftanzösischen Philologie wieder. Ich nenne:
1) Eoschwitz, Anleitung zum Studium der französischen Philologie,
2) Körting, Handbuch der französischen Philologie. 3) Gröber, Grundrifs
der romanischen Philologie. 4) Körting, Lateinisch -romanisches Wörter-
buch. 6) Godefiroy, Lexique de l'ancien fraufais (einbändiger Auszug aus
dem grofsen Werke). 6)Sachs-Yillatke, Enzyklopädisches französisch-deut-
sches und deutsch-französisches Wörterbuch. 7) Schwan -Behrens, Gram-
matik des Altfhinzösischen. 8) Yoretzsch, Einführung in ^^ Studium der
altfiranzSaischen Sprache zum Selbststudium ffir Anfänger. 9) Junker,
Grundrifs der Geschichte der französischen Literatur. Man sieht an den
Verfassemamen, dafs wir diese Hilfsmittel fast ai^sschliefslich Gelehrten
verdanken, welche die romanische Philologie an ^eutscheii ÜQiversitäten ver-
treten. Aber auch Schulmänner fehlen erfreulicherweise als Autoren nicht.
So bei dem Werke, welchem diese Zeilen gewidmet sind. Ich weifs noch,
mit welcher Freude die erste Auflage des „Junker^' von ups Studenten
begrfifst wurde: die bis dahin vorhandenen Allgemeindarstellqngen der
französischen Literaturgeschichte genfigten nicht, weil sie die Jahrhunderte
bis zur klassischen Zeit vernachlässigten; auf Kolleghefte zurfiokzugreifen,
war auch schwierig, weil man in seiner Studienzeit alle Epochen der Lite-
raturgeschichte doch kaum zu Gehör bekam. Mit dem Erscheinen des
„Grundrisses^^ hatte die Unsicherheit ein Ende; man besafs ein Buch, in 4em
man nachschlagen und Literatur finden und nach dem man auch ffirs Examen
arbeiten konnte. Die zfinftige Kritik begrflfste Junkers Arbeit nicht mit
solchem Enthusiasmus. Es war ja auch zu natürlich , dafs diesem ersten
Versuch, die ganze französische Literaturgeschichte wissenschaftlich darzu-
stellen, allerlei Mängel anhafteten. Der Verf. hat die ihm damals von
vielen Seiten gegebenen Winke redlich befolgt, so dafs schon die zweite
Auflf^e als wirklich „verbesserte^ bezeichnet werden konnte. Wie sehr
sich das Buch seither in wissenschaftlichen und studentischen Kreisen
eingebürgert hat, zeigt die Tatsache, dafs es uns jetzt nach dreizehnjähriger
Existenz in vierter Auflage vorliegt. Ist der „ Grundrifs ^^ in seiner neu^n
Gestalt der dritten Auflage gegenüber wieder um gut dreifsig Seiten ge-
wachsen, so bezeichnet er auch qualitati? einen erkennbaren Fortschritt
Das Buch sorgt sowohl für die Bedürfnisse des lernenden wie für die
des wissenschaftlich tätigen Fachgenossen in ganz ausgezeichneter
Ifene Phllologisefae BandschAa Nr. 24. 678
W^ise. Den Dank, den der Verf. dieser Zeilen den ersten drei Auflagen
des ,, Janker*^ sohnldig zu sein glanbt, möchte er in den Wünsch kleiden,
dab die Erkenntnis von der Unentbehrlichkeit des trefflichen Hil&mittels unter
den Jüngern der romanischen Philologie immer mehr um sich greifen möge.
Feine. Oarl Frieolaad.
Thebdot Knott, Firaetelita, Ansichten und Gedanken aus
meinem Leben, welche des Gedenkens Tielleicht wert sind, von
Jolm Kuskin. Aus dem Englischen fibersetzt und heraus-
gegeben Yon Tlu Kh. I. Band. StraTsburg, J. H. Ed. Heite,
1903. XIV u. 297 S. 8. ul 4.-.
Nach der langen Reihe glänzend, streitbar und leidenschaftlich ge-
schriebener Bficher yerfafste Buskin 1885 als letztes grOlseres Werk eine
allerdings nicht zu buchstäblich zu nehmende Geschichte seines Le-
bens. 'Praeterita' ist 'the most charming thing that he ever gave to
the World' und ganz verschieden von seinen Mheren Schriften. Es ist
ein warmer Sonnenstrahl, der nach einem gewitterdurchtobten Nachmit-
tage noch einmal die Fluren und Höhen beleuchtet und verklärt, ehe das
Gestirn zur Rfiste geht. Schlicht, mit rfihrender Offenheit und liebens-
wfirdigem Humor charakterisiert Buskin seine Eltern und erzählt von
ihrem neunjährigen Brautstande. Er spricht mit wehmutig dankbarer
Erinnerung von seiner guten Oroydoner Tante und ihren Kindern, sowie
von der alten treuen Dienerin Anna, die Won ihrem Mädchen- bis
zu ihrem Greisenalter den Willen anderer tat und deren Bestem diente,
anstatt auf ihr Wohl bedacht zu sein\ und dabei eine besondere Gabe
hatte. Unangenehmes zu sagen, und 'eine eingewurzelte, r^ublikanische
Abneigung, etwas, was ihr geheifsen war, sofort oder zjor rechten Zeit zu
tun'. Wir werfen einen Blick in die eigenartige Erziehung»- und Unter-
richtsweise seiner puritanischen Mutter und bemitleiden den Knaben, der
auf Herne Hill einsam, ohne knabenhaftes Spiel, ja fast ohne jeden Ka-
meraden heranwächst, zwar manche guten Eigenschaften sich praktisch
aneignet, aber nie lernt, jemandem zu helfen oder ffir etwas zu danken.
An seiner Lieblingslektfire und den ersten literarischen Versuchen des
staunenswert frühreifen Knaben — er schrieb deutlich und orthographisch
richtig mit vier Jahren und begann mit sieben Jahren zu dichten —
erkennt man den späteren Helden- und Naturverehrer sowie den Keim
seines mittelalterlich - romantischen Dranges nach unmöglichen Idealen.
574 Nene PhHokgiadie BuAdaeliaQ Nr. 24.
Wie ein Idyll ans längst entschwnndener schOner Zeit ersdieint nns seine
beredte Schilderung der häufigen Beisen mit Vater, Mutter und Anna in
der Postkutsche durch England, Schottland und durch Frankreich nach
den Alpen. Man folgt den Beisenden mit Spannung nach Schaffhausen
oder Ober den Col de la Faucille und sieht das Alpenpanorama in herr-
licher Majestät, von der scheidenden Sonne rosig angehaucht, sich zackig und
solmrf am Horizonte emporheben. Die ersten Jahre seines Oxforder Auf-
enthalts, den er mit ergötzlicher Ironie erzählt, und in den auch seine
'Defenoe of Turner^ fällt, schliefsen den vorliegenden ersten Band des
anziehenden Buches. Natürlich ist der Inhalt viel reicher und deutungs-
voUer, als man nach dieser kurzen Skizze etwa annehmen möchte, und,
auch nur als ünterhaltnngslektfire betrachtet, höchst ergreifend und ge-
nufisreich, so dafs eine deutsche Bearbeitung mit aufrichtigem Danke zu
begrQ&en ist.
Die vorliegende Übersetzung liest sich leicht und flössig und lä&t
die Arbeit kaum ahnen, welche dahinter steckt Denn die Sprache Bus-
kins ist stellenweise recht schwierig in gutem Deutsch wiederzugeben
und erfordert nicht selten grölsere sprachliche, literarische und sachliche
Kenntnisse, als sie Übersetzern eigen zu sein pflegen. Enorr hat es ferner
als seine vornehmste Au^be bezeichnet, die naive Unbefangenheit des
Originals zu wahren, und der Versuch mufs eben&lls als geglöckt be-
zeichnet werden. Wenn man den deutschen Text mit dem Original ver-
gleicht, so stöfst man zwar auf eine Beibe von Unebenheiten des Aus-
drucks und Irrtflmem der Übersetzung, aber als Ganzes betrachtet, ist
diese wohl geeignet, den bedeutenden Mann einem weiteren deutschen
Publikum näher zu bringen. Dies ist ja auch das Programm der Heitz-
schen Oedankenlesen aus Buskin, und da 'Praeterita' zu seinen beliebtesten
Werken gehört, so ist die Hoffnung des Herausgebers gewifs be-
rechtigt, dafs es sich auch bei uns einen grö&eren Freundeskreis erwerben
werde, als irgend eine seiner anderen Schriften. Mit den Efirzungen,
welche mit Bficksicht auf deutsche Leser vorgenommen sind, ist Bef. im
allgemeinen einverstanden; unangenehm war ihm beim Lesen nur, dafs
der Interpunktion so wenig Aufmerksamkeit geschenkt woid^ ist.
Bremen. F. WüIimm.
Nene Philologisehe Bandecbaa Nr. 24. 575
300) Wilhelm Vidtor, Einfflhrnng in das Studium der eng-
liBohen Philologie mit Bficksicht auf die Anfordemngen der
Praxis. Mit einem Anhang: Das Englische als Fach des
Frauenstudiums. Marburg, Elwert, 1903. XII u. 120 S. 8.
Ji 2.50.
Die neue Auflage dieses Buches, das seit seinem ersten Erscheinen
im Jahre 1888 auf fast den doppelten umfang angewachsen ist, wird von
allen denen, die sich mit dem Studium der englischen Sprache und Lite-
ratur beschäftigen, freudig begrüfst werden.
Plan und Ziel der Schrift sind unverändert geblieben. Sie will nach
wie vor nicht mehr und nicht weniger als dem Studierenden eine An-
leitung fSr den Qang und die Einrichtung der wissenschaftlichen und
praktischen Fachstudien geben und ihn vor Mi&griffen, die oft mit un-
ersetzlichem Zeitverlust verbunden sind, bewahren. Dagegen will und
kann sie weder die methodische Führung des Dozenten im Kolleg und
Seminar, noch den Sat, der nur im Verkehr von Person zu Person sich
ermessen lälst, fiberflQssig machen, wie vom Verf. ausdrficklich im Vor-
wort betont wird.
Das Buch wird sich jedem, der es benutzt, als zuverlässiger Fflhrer
erweisen. Für keinen Zweig der englischen Philologie, von den Denk-
mälern der angelsächsischen Zeit bis zu den modernen Tageszeitungen,
wird man es vergebens zu Bäte ziehen.
Näher auf den Inhalt einzugehen, kann ich mir versagen, da wir es
mit einem in Fachkreisen bekannten Werk zu tun haben. Ich will nur
erwähnen, dafs die Änderungen gegenüber der zweiten Auflage sich im
wesentlichen auf zwei Punkte erstrecken. Einmal ist die neue preufsische
Prüfungsordnung für das Lehramt an höheren Schulen vom 12. September
1898 zugrunde gelegt worden, und zweitens hat die in den letzten Jahren
erschienene Fachliteratur gebührende Berücksichtigung gefunden.
MOge das vortreflfliche Buch auch in der neuen Gestalt zahlreiche
Freunde finden. Für den neuphilologischen Studenten ist es unentbehrlich;
aber auch jeder Lehrer des Englischen sollte es allein schon der Literatur-
angaben wegen seiner Bibliothek einverleiben.
Altona-Ottensen. H. Sehnldl.
578 Keae PhilologiBohe Raodschaa Kr. 25.
denen, die sich unschwer nach Ficks Theorie in äolische Sprachform
bringen lassen, während die Teile der Ilias, welche stark mit lonismen
durchsetzt sind, auch die jfingere Bewaffnungsart haben. Somit glaubt
der Herr Verf. auf diese Weise ein zuverlässiges Mittel gefunden zu haben,
diejenigen Teile der Ilias, welche ursprünglich die Grundlage des jetzigen
%os gebildet haben, von den jüngeren zu sondern. Er hat infolgedessen
auf den ersten 73 Seiten seines Buches eine Untersuchung über den unter-
schied der Bewaffnung in der Ilias und die Mittel, diesen Unterschied
praktisch an den einzelnen Iliasstellen festzustellen, vorausgeschickt unter
der Überschrift: „Mykenische und ionische Waffen.'^ Dann läfst er bis
S. 257 eine Analyse der Ilias folgen, wobei er den vorher festgestellten
Unterschied der Bewaffnung als Kriterium für das Alter der einzelnen
Stellen benutzt, natürlich unter fortwährender Heranziehung des zweiten
Mittels, nämlich der Untersuchung der Stellen auf die Möglichkeit oder
Unmöglichkeit, in äolische Sprachform umgewandelt zu werden. Hier-
durch gewinnt er nun einen ältesten Stamm der Ilias, die er als Urilias
bezeichnet. Die überzeugende Probe auf dies ganze Exempel soll nun
eine Rekonstruktion dieser Urilias bilden, welche von S. 272 bis 349 vor-
geführt wird und 2146 Verse zählt, zwischen denen noch an einigen
Stellen grOfsere oder kleinere Lücken geblieben sind, wo die jetzige Ge-
stalt der Ilias eine Bekonstruktion der alten Form nicht ermöglichte oder
nach des Verf. Ansicht überhaupt der ursprüngliche Text verschwunden
und durch jüngere Stücke ersetzt ist. Daran schliefst sich dann eine
Charakteristik der Urilias hinsichtlich ihrer Darstellung der GOtter und
Helden; dann folgt eine Entwickelungsgeschichte der Ilias, in welcher
eine erste, zweite, dritte und vierte Ilias nachgewiesen wird. Den Be-
schlufs macht ein Register.
Liest man am Eingange des Buches, dafs die Stellen mit mykenischer
Bewaffnung auch zugleich die sind, welche leicht in äolische Sprachform
gebracht werden kOnnen, während umgekehrt die mit ionischer Bewaff-
nung auch hartnäckig der Äolisierung widerstreben, so ist man übenascht
durch die Einfachheit der LOsung des homerischen Rätsels, die hierdurch
in Aussicht gestellt wird. Leider enttäuscht hier wie so oft die rauhe
Wirklichkeit. Sobald der Herr Verf. nämlich dazu schreitet, jene all-
gemein ausgesprochene Beobachtung im einzelnen anzuwenden, so lOst sich
dem Leser die anfangs gehegte Hoffnung immer mehr in Luft auf. Es
zeigt sich nämlich sehr bald, dafs Interpretationskfinste, Änderungen
■^
üfeiie Philologische Rondschaa Kr. 25. 579
der Lesarten, Beseitigung von lutei'polationen, grofse Umstellungen und
ähnliche Mittel nötig sind^ um die „Drilias^^ des Verf. in einigermafsen
gutem Zusammenhange herzustellen.
Was ffir ein Durcheinanderwerfen des Textes dazu nötig ist, zeigt
schon eine fluchtige Betrachtung des von Robert gegebenen Textes der
ürilias. Vers 1—372 derselben ist aus A l — 610 (mit Auslassungen),
dann folgt ein StQck von JB, im gauzen 82 Verse, aber zusammengestoppelt
aus B 1—815, dann J 422—469 mit Auslassungen, dann ff 219— 273,
dann wieder J 517 — 536, dann E 541 — 575 mit mannigfachen Aus-
lassungen, dann Z 5 — 529, mit Auslassungen, dann H 4—12, dann
^516—525, dann 0 110—142 — auch mit Auslassungen — , dann wieder
JV 526 — 533, dann A 84 — 574, dann I 80, 81, 83 — , davor und da-
hinter eine Lücke — , dann 0 489—554, dann S, 9—62, dann / 16—22,
dann S'69— 74, dann 127—78, dann 5*80—108, dann 2^39—44, dann
S 363— 393, dann wieder 76 Verse aus ^, in grofsen Sprängen zusammen-
gesucht aus 170—837, dann wieder U^ dann i^, dann O, dann N^ dann O
usw. Dafs eine solche Durcheinanderwerfung des ursprünglichen Textes,
wie sie diese „Rekonstruktion^' voraussetzt, den jetzigen Zusammenhang
des Iliastextes hervorgebracht haben soll, ist doch wohl unglaublich. Es
ist offenbar Bobert so ergangen, wie schon so manchem, dafs eine Be-
obachtung, die an einigen Einzelpunkten gemacht ist, verallgemeinert
wird, und wenn sie nun im einzelnen systematisch angewendet werden
soll, so viele Hilfen braucht, dafs sie selber keine Hilfe mehr gewähren
kann. Trotzdem möchte Bef. nicht sagen, dafs aller Scharfsinn und Oeist,
der auf das Werk verwendet ist, geradezu verloren und verschwendet sei;
das angestrebte Ziel, mit Hilfe des neuen Kriteriums Licht in die home-
rische Frage zu bringen, ist freilich nicht erreicht; aber im einzelnen findet
sich doch so viel Interessantes, dafs die Lektüre des Buches reichlich lohnt.
Cöthen. B. Kluge.
302) Lad. Okecki, Fublii Cornelii Taciti de Germania libelluB.
Leipzig,' Simmel & Co., 1903. II u. 74 S. 8. Ji 2.~.
Angesichts der höchst beklagenswerten Tatsache, dafs die studierende
Jugend aus Mangel an geeigneter Anleitung bisher gewöhnlich genötigt
ist, den „Wort- und Gedankensinn" der Germania „aufs Geratewohl und
ungefähr" zu erraten, ffihlte sich Herr Ok^cki bewogen, den hilflosen
Gymnasiasten deutscher Zunge beizuspringen und ihnen einen Fahrer
680 Kdue Philologische Bnndachaa ^t. 35.
durch die Dunkelheiten jener Schrift zu schenken. Ich hege indessen
einigen Zweifel, ob unsere Schale den Wert der dargebotenen Oabe voll zu
wfirdigen und das Hilfsmittel zu verwenden wissen wird ; denn der Kom-
mentar bietet neben einigen guten Beobachtungen doch gar zu viel Un-
brauchbares und Verfehltes. — Zutreffend erklärt 0. 3, 1 primum =
praestantissimum, wie Sali. dat. 3 otium atque divitiae, qnae prima mor«
tales putant; 4 a. E. frigora atque inediam unmittelbar auf adsuerunt
zu beziehen, dem dichterischen Sprachgebrauch gemäfs (vgl. Verg. Aen.
VI 833), empfiehlt sich, auch nach Baumstarks Ansicht, der stilistischen
Abwechselung wegen. Gut sind die Erläuterungen von 19, 10 melius
quidem adhuc, 20, 6 separet ingenuos sq., 29, 1 omnium harnm, 37, 18
quioque simul, 38, 8 quod saepe accidit, nicht fibel 43, 4 die Erklärung
von coarguit Der Kommentar hebt wiederholt und meistens richtig die
offenen oder versteckten Anspielungen des Tacitns auf römische Zustände
hervor. Im Widerspruch mit der Absicht des Verf., den Text „möglichst
kurz^' zu erläutern, sind einzelne Anmerkungen zu flbermäftigem Umfang
gediehen, z. B. die zu 9 a. E. deorum — videntur. Daneben finden sich
genug fiberflflssige oder solche Notizen, die fSr recht geringe Intelligenzen
bestimmt scheinen: 3, 2 ituri in proelia, unmittelbar vor dem Kampf,
3, 3 Ulis sc. Germanis, 14, 1 virtute, abL relationis; vinci sc. a comitatu,
37, 7 in aliis gentibus entspricht dem folgenden apud Suebos, 43, 10
plurimae, sehr viele u. a. m.
Ffir manche Ausl^ngsversuche O.s habe ich keine andere Bezeichnung
als: total verunglfickt, namentlich 2, 14 quidam sc. Germani, 4, 6 caemlei:
blaue Augen dürften sanfte Augen sein, dies ist aber mit truces schwer
zu vereinigen (allerdings!). Es sind wohl also hier graue Augen gemeint,
die auch truces sein können! — Warum mit der lancea (6, 2) „nur
eminus gekämpft werden konnte ^S möchte ich wohl wissen. 14 a. E.
persuaseris „Apostrophe an den Leser: Du fiberredest nicht einen Ger-
manen'^ Zu 17 a. E. nudae bracchia et lacertos (acc. „graecus^^ nach
altem Schema) bringt 0. geradezu Unsinn vor; 19, 7 publicatae sc. a ma-
rito, der öffentlichen Schau durch Entkleidung ausgestellt; 39, 10 eoque,
dem Semnonenlande zu, inde, vom Semnonenlande, ibi, im Semnonenlande.
45, 26 sollen occidentis insulae terraeque für den Schriftsteller das von
Vergil beschriebene Italien und die umliegenden Inseln bedeuten, weil der
Hinweis an Verg. G. 11 116—176 erinnere. Das begreife, wer kann!
Homburg v. d. H.
•>
Neue Philologigelie Bandschau Nr. 25. 581
303) Harvard Studies in Classical Fhilology. Vol. XIY.
'Greenoagh Memorial Volume'. Cambridge Mass. — Leipzig,
Harrassowitz, 1903. 175 S. 8. geb. Ji 6.50.
Dieser Band ist dem Gedächtnis des 1901 verstorbenen Harvard-
professor James Bradstreet Oreenongh gewidmet und mit dessen Bildnis
geschmfickt; er enthält an erster Stelle einen poetischen Nachruf in latei-
nischer Sprache von G(lement) L. S(mith) und eine Biographie des Ver-
storbenen aus der Feder von 0. L. Eittredge, der in warmen Worten die
Persönlichkeit des um die Begrfindung der Harvard Studies hoch-
verdienten Mannes schildert, seine wissenschaftliche und sonstige Wirk-
samkeit beleuchtet und mit einem Verzeichnis der Arbeiten Greenoughs
schliefst. Aus ^dem letzteren sei hervorgehoben die zuerst 1872 und dann
öfter erschienene ^ Latin Grammar for Schools and Colleges, founded on
Comparative Grammar' von Allen und Greenough, die ja auch diesseits
des Atlantic wohlbekannt ist; in Verbindung mit Allen hat G. auch eine
Anzahl von Ausgaben lateinischer Autoren veranstaltet (Cicero, Sallust,
Vergil, Ovid, Horaz, Livius, Cäsar); endlich ist er auch dichterisch tätig
gewesen, hat eine dramatische Fantasie 'The Queen of Hearts', ein kleines
Lustspiel 'The Blackb]rds^ eine Operette 'Old Eing Cole' u. a. m. verfalst.
Die meisten Bände der Harvard Studies enthalten Beiträge des Gelehrten.
Im fibrigen könnte man den vorliegenden Band beinahe auch als
'Terence Volume' bezeichnen, denn von den drei Arbeiten, die er enthält,
beschäftigen sich zwei mit Terenz und von diesen nimmt die zweite
wiederum allein 120 Seiten ein. Sie ist betitelt ^The Rdaüon of the
Seene-headings to the Miniatures in Manuscripts of Terence und hat
zum Verfasser John Calvin Watson.
Über das Verhältnis der verschiedenen Überlieferungszweige der Te-
renzischen Komödien sind wir bis jetzt noch nicht ins reine gekommen,
und nach und nach sind die mannigfaltigsten Ansichten darfiber geäufsert
worden. Dafs der Bembinus als älteste Handschr. einen besonderen Wert
hat, das wird wohl kaum bezweifelt; dagegen herrscht MeinungB-
verschiedenheit fiber die sogen. Calliopius- Rezension und fiber den Ur-
sprung und Wert der beiden Handdschr.-Familien 8 und /, zu denen noch
eine Mischklasse hinzukommt. Während bei uns in Deutschland die.
Meinung vorherrscht, dafs 8 im ganzen die bessere Überlieferung dai^stellt,
suchen amerikanische Gelehrte den Nachweis zu fBhren, dafs die Familie
y Anspruch auf höhere Wertschätzung habe. Hierher gehören die Arbeiten
582 Nene Philologische Bondschau Nr. 25.
von E. M. Pease (Transact. of the Amer. Phil. Assoc. 1887, 30 ff.), von
H. B. Fairclough (das. 1899, 1 ff.) and nun auch die vorliegende Ab-
handluDg, denn Watsons Untersuchung läuft darauf hinaus, daTs die Familie
d jünger ist als der Archetyp der Bilderhandschr., die die Familie / bilden.
An der Spitze der einzelnen Szenen der Terenzischen Komödien finden
wir Überschriften, die ein Verzeichnis der in der betr. Szene auftretenden
Personen geben und sich aus zwei Bestandteilen zusammensetzen, den
Namen und der Bollenbezeichnung. Man hat schon früher bemerkt, dafs
in einer grofsen Anzahl dieser Szenenunterschiiften die Namen in der
Beihenfolge erscheinen, wie ihre Träger in den Dialog eingreifen, femer
dafs häufig die Namen zweier Personen gleichen Charakters vereinigt
werden, und zwar an der Stelle, wo die erste von ihnen nach dem vorher
angegebenen Prinzip ihren Platz hat. Es fehlt aber bisher an einer aus-
reichenden und vor allem sämtliche Handschr. berücksichtigenden Erklärung
der Abweichungen von diesen Begeln. Nach Watsons Meinung hat man
dieselbe in den Illustrationen der Bilderhandschr. zu suchen. Die An-
ordnung der dargestellten Personen (die redenden stets vollzählig) hat mit
der Einrichtung der Bühne nicht das geringste zu tun; es ist vielmehr im
wesentlichen dieselbe, die wir in den Szenenüberschriften antreffen and
demnach durch die für die letzteren geltenden Grundsätze bestimmt.
Daneben aber befolgte der Illustrator noch ein anderes Prinzip; in den
hierfür geeigneten Szenen suchte er einen besonders charakteristischen
Punkt der Handlung darzustellen, und es ist, namentlich wo in einer
Szene mehr als zwei Personen auftreten, nicht schwer den Vers oder die
Verse zu bestimmen, die der Künstler im Auge hatte.
Dieses Prinzip läfst die Abweichungen der Figurenanordnung von dem
'usual Order' leicht verstehen, während anderseits die Abweichungen der
Szenenüberschriften von der gewöhnlichen Beihenfolge unerklärlich bleiben.
Da nun offenbar bei der weitgehenden Übereinstimmung zwischen Minia-
turen und Überschriften ein Zusammenhang zwischen beiden bestehen
mufs, so ist es klar, dafs die letzteren von den ersteren abhängig sind. Aller-
dings gibt es zwischen beiden auch öfter Differenzen, indessen läfst sich
nachweisen oder doch wahrscheinlich machen, dafs auch in diesen Fällen
ursprünglich Übereinstimmung herrschte; da nun die Bilder schwerlich
eine Änderung erfahren haben, müssen in den Überschriften Umstellungen
vorgenommen worden sein, hervorgegangen aus dem Bestreben in möglichst
allen Überschriften den *usual Order' herzustellen. Beste der ursprünglichen
^
Neue Philologische BundBchaii Nr. 25. 583
Anordnung sind hie und da in den RoUenbezeichnangen za finden, die
eben&lls von den Miniaturen abhängig sind. Die Abweichungen finden
sich hauptsächlich in d, doch hatte der Archetyp dieser Familie aller
Wahrscheinlichkeit nach eine mit den Bildern übereinstimmende Namen-
ordnung. Daraus folgt, dafs erstens die Szenenfiberschriften sämtlicher
Handschr. gemeinsamen Ursprungs sind und dafs der Ursprung der Über-
schriften in den Illustrationen einer alten Bilderhandschrift zu suchen ist
Aus diesem Zusammenhang ergibt sich des weiteren, dafs ursprüng-
lich die Verteilung der Bilder und der Überschriften auf den Text der
Komödie identisch gewesen, mithin von Haus aus die Szeneneinteilung
in allen Handschr. dieselbe gewesen sein mufs; wo sich Abweichungen
zeigen, müssen im Laufe der Zeit Änderungen eingetreten sein. Hierbei
handelt es sich nicht um eine geschlossene Absonderung einer ganzen
Familie, vielmehr variieren die einzelnen Glieder einer solchen unter-
einander, in d 16 mal, dagegen in y nur 2 mal. Es ist also nötig, die
Szeneneinteilung der Archetype von d und y festzustellen, und dabei ergibt
sich, dafs die Differenzen erheblich geringer sind, als man bei einer Ver-
gleichung der einzelnen Handschr. anzunehmen geneigt ist. Die ursprüng-
liche Einteilung ist am besten bewahrt im Bembinus (wegen seines
Alters) und in der Familie y (weil hier die Miniaturen eine Änderung
sehr erschwerten); die Differenzen finden sich meist im letzten Akt, wo
die Abschreiber, um Baum zu sparen, gelegentlich ein Bild wegliefsen,
namentlich wenn zwischen zwei Bildern nur wenig Verse standen. Watson
sucht nun noch weiter zurück zu der älteren eneichbaren Szeneneinteilung
zu gelangen und verwendet dabei einmal das Zeugnis des Donatkommen-
tars, in dem sich Spuren einer von unseren Handschr. gelegentlich ab-
weichenden Szeneneinteilung finden, sodann aber macht er sich die Ex-
planationes praeambulae des von Schlee veröffentlichten Terenzkommentars
zu nutze. Wölfflin hatte bereits bemerkt, da& diese Einleitungen ur-
sprünglich einer anderen Anordnung der Komödien folgen als der Kom-
mentar jetzt aufweist, und Watson erklärt, dafs die Quelle eine alte
Bilderhandschrift war. Da nun die Einteilung der Szenen aufs engste mit
der Illustration des Textes zusammenhängt und Donat bereits die Szenen-
einteilung kannte, so müssen die Bilder älter sein als Donat; da femer
bereits der Archetyp von d Szeneneinteilung und Überschriften hatte, die
letzteren aber ebenso von den Miiniaturen abhängig sind (wenngleich sie
nicht von dem Künstler selbst herrühren, sondern von einem Späteren
584 Nene Philologische Rundschftn Nr. 35.
beigeschrieben worden sind), so mfissen diese noeh ftlter sein als die
Überschriften, ffir die wir durch den Archei^p von d^ der wohl ins
3. Jahrb. gehört, bis znm 2. Jahrb. kommen, so daTs der Ursprung der
Bilder vielleicht im 1. Jahrh. zu suchen ist. Aus alledem ergibt sich,
dafs die Familie y am besten die Handschr. repräsentiert, die der Illu-
strator benutzte, und dafs ihr Ursprung somit ziemlich weit hinauf-
reicht.
Übrigens haben die Bilder und die Oberschriften in y nicht die
gleiche Überlieferung gehabt. Nachdem eine Zeitlang beide vereint waren,
mfissen einmal die Überschriften weggelassen worden sein, und sind dann
später aus einem dem Bembinus nahestehenden Kodex ergänzt (S. 163 ff.).
Bei einer anderen Rezension des Terenztextes wurden die Miniaturen weg-
gelassen, und daraus ging die Familie d hervor. Welche Stellung der Bem-
binus in dieser Überlieferungsgeschichte einnehmen soll, geht aus Watsons
Darlegungen nicht klar hervor; er könnte entweder ein Abkömmling jener
alten Bilderhandschr. sein, auf die y zurückgeht, nur dafs die Bilder wie
im Archetyp von d weggelassen wurden, oder aber man könnte annehmen,
dafs in einen von der Bilderhandschr. unabhängigen Zweig der Über-
lieferung die Szeneneinteilung und -fiberschriften fibertragen wurden.
Auch sonst lassen die Ausffihrungen Watsons noch für manchen Zweifel
Baum, doch ist hier eine Lösung nur von anderen Ausgangspunkte aus
möglich. Immerhin hat sich der Verf. durch seine grfindlichen Unter-
suchungen ein grofses Verdienst erworben und von seinem Standpunkte
aus einen recht wesentlichen Beitrag zur Aufhellung der Textgeschichte
des Terenz geliefert.
In gewissem Zusammenhange mit Watsons Arbeit steht die vorauf*
gehende Abhandlung von Karl E. Westen, betitelt The lüusbrated
Terence Mawuscripts, nämlich C (Vatic), P (Paris. 7899), F (Ambros.)
0 (Dnnelmensis). Das Verhältnis dieser vier Handschr. zueinander wird
festgestellt; C ist der beste Repräsentant der gemeinschaftlichen, wenn
auch nicht direkten Vorlage, P zeigt besonders lebendige Bewegung der
einzelnen Figuren; in i^ sind die Zeichnungen wenig sorgfältig und von
geradezu kindlicher Ausführung, während 0 eine, allerdings nicht ursprfing-
liche, reichere Ausgestaltung der Details aufweist. Nach gut beglaubigter
Überlieferung wurde in Giceros Zeit die Maske durch Boscius auf die
römische Bfihne gebracht; das hatte .zur Folge, dafs an die Stelle des
vüUus nunmehr der gestus trat, dessen Einzelheiten Quintilian, wenn auch
"^
Neue t^bilologiscbe tlnndscliau Kr. 2Ö. &86
in anderem Zusammenhange, eingehend geschildert hat. Nun zeigt sich,
wie man schon früher bemerkt hat, eine auffällige Übereinstimmung
zwischen Quintilians Angaben und den Bildern der Terenzhandschr., die
ihrerseits wieder Ähnlichkeit mit den entsprechenden pompejanischen Ge-
mälden aufweisen. Aus alledem folgert Weston, dafs die Illustrationen
zu Terenz auf eine sehr alte Handschr. zurückgehen und uns vielleicht
ein Bild geben von der szenischen Darstellung zur Zeit des Boscius; auf
jeden Fall gingen die Miniaturen bis auf die Zeit Tor Quintilian zurück.
Eine besonders wertvolle Zugabe bilden die Tafeln am Schlüsse des Bandes,
welche die Illustrationen zum Phormio nach den vier oben erwähnten
Handschr. enthalten.
Die dritte Arbeit, die den beiden besprochenen voraufgeht ^ bringt
Observations on the fourth Eclogue ofVirgü von W.W ar de Fowler.
Derselbe bekämpft die von Bamsay (in den Procedings of the Franco-
Scottish Society 1898) und von Beinach (in der Bevue de Thistoire des
Beligions, Nov. 1900) gegebenen Auslegungen des Gedichtes; er meint,
dafs es sich in den letzten vier Versen tatsächlich um die Geburt eines
Kindes von Fleisch und Blut handelt, dafs Vergil das Gedicht schrieb vor
der Geburt des Kindes, das Octavian im Jahre 40 von Scribonia erwartete,
und dafs es der Dichter, als dem Herrscher kein Sohn, sondern eine
Tochter geboren wurde, zurücklegte, um es erst mit den übrigen Eclogen
zu veröfifentlichen. Fowler verteidigt ferner die durch Quintilian überlieferte
Lesart qui non risere parentes, indem er unter Hinweis auf CatuU 61, 216
ridere im Sinne von arridere nimmt und in pa/rentes das Objekt dazu
erblickt, wobei er sich in Übereinstimmung befindet mit einer Note Sca-
ligers zu GatuU ; für den letzten Vers schliefst er sich der Erklärung des
Philargyrius an (bei Hagen Servius III 2 p. 88 ; auch in den Schol. Bern.),
da& Vergil anspiele auf einen Gebrauch in vornehmen römischen Familien,
eine Ansicht, die ebenfalls schon Scaliger vertreten hat.
Bremerhaven. P. Wessner.
304) Fritz Mauthner, Beiträge zu einer Kritik der Sprache
Dritter Band: Zur Grammatik und Logik. Stuttgart und
Berlin, J. G. Cottas Buchhandlung Nacht, 1902. 666 S. 8. J6 12.-.
(Schlufs.)
Wenn aber die Definition schon eine Null ist, so ist nach M. das
urteil noch weniger als Null, denn es sagt wenigstens in seiner ein-
i7eae t^hilologische ^nndschau itr. 25.
ftchsten Form nur ein Prädikat aus, w&hreDd die Definition doch mindestens
swei aussagt. Das Urteil ist nun freilich das Urphänomen des Denkens.
Aber da ancfa jedes Her z. B. in der Erkennung seiner Nahrang Urteile
ftllt, so ist das Urteil der Menschen, das mit dem Satz identisch ist,
eine offensichtliche Lnxusfdnlction. Das Urteil hat Oberhaupt „auszuscheiden
aus der logischen Disziplin 'S es ist „fremd in der toten Logik ^*. Es
enth&It niemals etwas, das nicht schon im Subjekt enthalten wäre. Nach-
dem so die Existenzberechtigung schon des Urteils in der Logik an-
gefochten ist, bleibt selbstverständlich auch vom Schlufsyerfiihren nichts
Brauchbares flbrig.
Auch die allgemeinen Denkgesetze finden bei M. keine Gnade.
Gegen den Satz der Identität werden allerlei interessante Beispiele ins
Feld gef&hrt, dafs z. B. Brot nicht Brot, Käse nicht Käse sei, wenn etwa
ein Feinschmecker von schlechtem Brot sage, das sei Oberhaupt kein Brot
Somit ist Brot zugleich Brot und nicht Brot! Aber bei allen den witzigen
und saloppen AusMen gegen dieses Denkgesetz wird seine Bedeutung fOr
die in Leben und Wissenschaft so oft vorkommende Quaternio terminoram
auch nicht mit einem Worte in Betracht gezogen. Das normative Ele-
ment der Logik existiert eben fOr M. nicht. Grofsen Baum nimmt die
Behandlung des Satzes vom zureichenden Grunde und die Unter-
sudiung der Kausalität Oberhaupt ein. In der metaphysisdien Vmge
des Yerhättnisses von post hoc zu propter hoc kommt er auf eigentOm-
Hchem Wege zur Aufteilung einer Art von Identität der beiden Auf-
fassungen. FOr einen Gott, sagt er, der alles Geschehen im ganzen Weltall
bis ins kleinste gleichzeitig wahrnehme, bestände kein Unterschied zwischen
VHrkung und blofser Zeitfolge (propter hoc = post hoc). Notwendig-
keit bestände zwar auch fOr diese allwissende Betrachtungsweise des Welt-
geschehens, aber M. wOfste als allwissendes Wesen nicht zu sagen, ob das
Weltbild im zweiten Augenblick aus dem ersten als Zeitfolge oder als
Wirkung hervorginge. Wir dächten, ein wirklich allwissendes Wesen
wufste dies. Aber sei dem wie ihm wolle, wir beschränkten Menschen
kommtn damit Ober den Eansalitätsbegriff doch nicht hinaus, selbst daim
nicht, wenn wir den Begriff der Notwendigkeit im Bewufstsein des all-
wissenden Wesens von dem Eansalitätsbegriff zu trennen vermochten.
Überraschend aber ist, wenn M. fortfthrt, in dieser undurchbrechlicben
Kette der Notwendigkeit habe weder die menschliche Sprache» noch die
Erscheinung einer logischen Folge irgend welchen Platz. Es ist gewifs
•i
Neae PhilologlidM Bundschau Kr. 95. 587
richtig, „die phantastische Allwissenheit, die alle Dinge sogleich wAfsta^S
hätte unmöglich daneben noch „Begriffe oder Worte von ihnen ^S „also
auch Iceine Klassifikation, die sogen. Naturgesetze '^ Die Allwissenheit
braucht freilich fflr ihren Bedarf keine Worte, aber der Mensch mit
allen seinen Bewegungen, also auch mit seinem Sprechen and Denken
geh5i*t doch auch in die Allnotwendigkeit hinein, und die Allwissenheit kennte
somit alle Worte der Welt samt dem Walten des Eausalitfttsbegriffes im
geistigen Leben des Menschen. Wir aber in unserem beschränkten Erden-
kreis vermögen das Allnotwendige nur in den kleinen Notwendigkeiten
zu begreifen, die wir Gesetze nennen und kausal verstehen, und die uns
u. a. zu Ekssifikationen und Begriflbbildungen führen. Und dabei ist es ohne
Belang, ob wir die Kausalität als Anschauui^form der menschlichen Vernunft
ansehen oder als immanente Eigenschaft alles Wirklichen; und jenseits
dieser Kausalität ist fSr uns Macht oder Phantastik religiöser oder irreli-
giöeer Art.
Darum wird auch der Erkenntnisgrund, den M. konsequenter-
weise als blofte indirekte Wahrnehmung ansehen und aus allem Denken
elinünieren möchte, — denn im Intellekt kann ja nichts sein, aulser was
in der Empfindung ist und war — , auch fernerhin noch zu Becht bestehen
bleiben im Denken und in der Lehre vom Denken, und die Merkmale
^alt und stinkend ^^ beim Käse werden uns nicht ohne weiteres t, Syno-
nyma ^^ sein, sondern wir werden aus dem Duft auf Alter und Qualität
schliefsen oder eben allerdings indirekt zu diesen Erkenntnissen kommen.
Diesen Umweg — was doch wohl der Sinn von „indirekt" ist — nennt
die Logik bisher eine schliefsende Tätigkeit aus Erkenntnisgrund. Ist der
Umweg schon sehr eingeübt, dann mag man von indirekter Wahrnehmung
reden. Die Beispiele, die M« gibt, sind meist von dieser eingefibten Art.
Wenn wir aber z. B. morgens im Freien Eisbildung beobachten und alle
Thermometer als tie£Bten Temperaturstand der Nacht 5 Gfrad B Aber
Null angeben, so werden wir auf starke lokalisierte Verdunstnngskälte
schliefsen nnd weiterhin auf starke Strömung trockener Luft während
der Nacht, und wir haben vielleicht, wenn uns der Znsamenhang noch
nicht bekannt war, nns hin und her besonnen, wie Eis im Freien sich
bilden könnte bei 6 Qrad Wärme. Das läßt sieh doch wohl nicht als
indirekte Wahrnehmung bezeichnen. Und die Beispiele fllr Erkenntms-
grande dieser Art sind in der Wissenschaft Legion. Ist freilich die Er-
schliefsung solcher Ursachen eingeübt, dann wird aus der ursprünglichen
588 Neue Philologische Rnndschau Nr. 25.
logischen Tätigkeit eine einfache indirekte Wahrnehmung. Ähnlich hat
sich die Sache sicher auch bei der Bildung von Klassifikationen und Be-
griffen verhalten.
unseren Glauben an Naturgesetze sucht M. in ähnlich phan-
tastischer Weise zu erschüttern. Wenn wir uns einen Geist vorstellten,
dem Millionen Jahre wären wie ein Tag, so sähe dieser Geist die Erde
in wenigen Stunden aus dem Feuerball der Sonne hinausfliegen, erkalten,
Schimmel — d. h. Vegetation und Tierwelt — erzeugen, dann erstarren
zu Stein und Eis und Tod und wieder in die mächtig aufglQhende Sonne
zurückstürzen. Einem solchen Geist sei die ganze Erde nichts mehr als
eine Seifenblase, nichts weiter als die „ Hypothese eines Übergangszustandes
der ürstoffe'S Damit wäre natürlich alles auf Erden, auch Tier und
Mensch, „noch weit mehr Hypothese^'. Dies aber doch wohl nur, wenn
dieser seltsame Geist nur die eine Seifenblase Erde und nicht auch alle
anderen Planeten und Sonnensysteme des Kosmos in ähnlicher Zeit-
verkürzung schauen könnte. Sonst müfste die Hypothese als solche weichen
und zwar der beobachteten Notwendigkeit oder dem erkannten
bei M. so scharf bekämpften Gesetz des Übergangs der ürstoffe. Natür-
lich wird mit solcher Phantastik die Notwendigkeit auch aller kleinsten
Veränderungen auf Erden nicht eliminiert und ebensowenig für uns die
Notwendigkeit, — nicht etwa den Dingen Gesetze ihrer Bewegung und
Veränderung vorzuschreiben, sondern zu beobachten , nach welchen imma-
nenten Notwendigkeiten oder Gesetzen diese Bewegungen sich vollziehen.
Es ist hier wohl nicht der Ort, auf weitere Einzelheiten des geist-
reichen Buches einzugehen. Wer Lust hat, an einzelnen Sätzen des
Buches Kritik zu üben, der hat reichliche Gelegenheit. Denn der Phan-
tasiereichtum und die souveräne Beherrschung des Wortes reifsen den Verf.
nicht selten zu Übertreibungen und halbwahren Sätzen hin, wo die sprachliche
Pointe der Vater des Gedankens war, oder wo ein gewisses saloppes Sich-
gehenlassen auf scharfen Gedankenausdruck überhaupt verzichtet, oder wo
er einen witzigen Einfall, wie sie ihm in Menge zuströmen, nicht unter-
drückt. Im ganzen darf man wohl annehmen, dafs auch nach M.s Ver-
nichtung der Grammatik und Logik kein Grammatiker und kein Logiker
seine Disziplin als beseitigt oder auch nur als noch mehr entwertet an-
sehen wird, als sie es bisher schon waren. Aber niemand wird ohne die
mannigfaltigste Anregung die Bände M.s aus der Hand legen. Er reizt
und treibt durch seine so sieghaft sich geberdende Skeptik, alle Fragen
^
Neue PhilologifNBhe Bandscban Sr. 25. 589
und Probleme wieder und wieder zu prQfen, und doch wird er in den
Grundgedanken', von denen er anseht, und in den Hauptzielen, denen er
zustrebt, schwerlich nachhaltigen Beifall finden. Wenn er z. B., das
letzte Ergebnis seiner Arbeit andeutend, sagt, die Philosophie gelange nur
bis zum Atheismus, erst die Sprachkritik führe die völlige Befreiung
vom Beligionsbegriff überhaupt herbei, so scheint uns dies gerade bei
den Ergebnissen der M.scheu Sprachkritik ein gründlicher Irrtum. Seine
Weltanschauung müfste konsequenterweise zu pessimistischem Quietismus
oder zu blofsem Sinnengenufs als letztem Ziel des Lebens führen, und
Nationen mit seinen Anschauungen wären völliger Dekadenz verfallen,
sterbende Nationen. Dem gesunden Menschen und Volk genfigt eben die
blofse Negation nicht, und sei sie noch so geistreich „ bewiesen '^ Sie
werden doch, unbekümmert um den Vorhalt anthropomorphistischer Denk-
weise, nach dem Endzweck des ganzen Treibens fragen, sie werden doch
in der Entwickelung des Lebensprozesses vom Protisten bis zu unserer
Kultur in Wissenschaft und Kunst, Religion und Ethik nicht ein Spiel
des Zufalls auf dem verlorenen Posten eines einzigen kleinen Planeten
sehen, sondern etwa im Sinne B. Euckens ein Hineinwachsen des Organi-
schen in immer höhere Daseinsformen, und werden gerade aus dem M.schen
Jammertal des Daseins heraus erst recht im Olauben zu erfassen und zu
erleben suchen, was das blofse Denken nicht zu bieten vermag. Und nur
auf dieser Basis werden sie die Menschheit auch fernerhin zu höheren
Daseinsformen führen, während der Glaube an Mauthner nur zu Stillstand
der Entwickelung und zum Untergang zu führen vermöchte. Die ernsten
Töne der Entsagung, die M. kurz vor Schlufs des ganzen Werkes vorüber-
gehend anschlägt, kann man nach allem Vorausgehenden kaum mehr als
echt empfinden, man glaubt vielmehr hinter ihnen ein „leises Kichern'^
zu vernehmen, wie es M. selbst zu vernehmen glaubt, wenn er das Wort
Tugend hört.
Lörrach. J. Keller.
305) Ciirtiu8-v. Harteli Griechische Schulgrammatik. 24. Aufl.
bearbeitet von Fl. Weigel. Wien, F. Tempsky, 1902. IV u.
310 S. 8. geb. M 3. 10.
Die meisten Herausgeber von griechischen Schulgrammatiken in den
letzten Jahren gingen darauf aus, in ihren Bflchern den Schfilern nur den
f&r sie notwendigen Lernstoff zu bieten; ja, es fehlte sogar nicht an sol-
690 Nene ^hikkgiMlia SaadMluni Nr. 85.
chen, die hierin entschieden zu weit gingen. Fl. Weigel, der die neue
Auflage der Cortius-Hartelschen Scholgrammatik bearbeitete, gdiGrt mcät
zu diesen; er bescbrtlukt sich nicht auf den Lernstoff, sondern fOgt auch
bei, was zu dessen Yerstftndnis und ErUftrung nfttig ist. So kommt es,
dafs das Buch in seiner Bearbeitung SIC Seiten bat, während die von
B. Meister besorgte 23. Auflage nur 266 Seiten aufwies.
Wer die griechischen Formen verstehen will, mu& mit den Ergeb-
nissen der Sprachwissensdiaft vertraut sein, und deehalb baute Gurtius
seine Gnumnatik auf dieser Grundlage auf. Der neue Heraufig. hat diesen
Teil der Grammatik einer grfindlichen Durchsieht unterzogen und tuiA
dem jetzigen Stand der Forschung berichtigt und ergänzt Dies gilt nidit
nur von einzelnen Erklärungen, die da und dort eingestreut sind, sondern
v<Mr allem von der Eisatzdehnung, der Stammabstnfung und der damit m
Verbindung stehenden Vokalentwickelnng aus den Liquida. Allerdings
hätte der Verf. dabei nicht ibersehen sollen, dafs der Periode der Ersatz-
dehnung eine solche ohne Ersatzdehnung vorherging, der oalni^f» is usw.
angehfiren. Auch erscheint es als unhaltbar, die stacken Stämme als die
uTBprflngliohen hinsustellen , aus denen sich die schwadien entwickelten.
Die Item T^aKoaT6g zeigt nicht Unterlassung der EfBatzdehnung , wie
der Verf. meint, der sie auf TQiaMn-tog zurBckffthrt, sondern Vokal-
entwickelnng aus der Idquida; denn Tfiayunnög steht infolge der Ein-
wirkung der Formen auf xavta fflr vniaycatJTdg = rfianuxt-vog, vgl bOoL
ßinacTÖg s=s att dnioatds.
Neben ier wissenschaftlichen Grundlage hat der neue Herauag. audi
der Anordnung in der Formenlehre sowohl als in der Syntax seine Anf-
merksamkeit gewidmet. Die sogen, att. Deklination ist unter die ün-
regelmäfsigkeiten der Deklination eingereiht, die Bildung des Futurums
ist getrennt von der des Aorists behandelt, die abweicheiide Tempus-
bildung einiger Verba pura ist unter die ergänzenden Bemerkungen Aber
die Flexion der Verba auf to verwiesen und ebenda wird auch das Fnt. att.
und dor. besprochen. In der Syntax ist der Abschnitt fiber die Pronomina
unmittelbar hinter die Lehre von dem Artikel, die Konsekutivsätze sind
gleich nach den Kausalsätzen und die Paragraphen fiber die Modalpartikel
Sv und die Fragepartikeln sind in das Kapitel von den Partikeln gestellt
worden. Keine Billigung kann es finden, daljs die Deklination des Kom-
parativs ßiktliav fidXviov schon in § 57 gelehrt wird, während die Bildnng
dieser Kompai-ative erst in § 60 folgt. Möglich, dafs eich der Verf. in
"j
Kira« l^hiloIogiiolM tNndaehMi JSr. 9ft. 591
einer neuen Anfkge auch noch dazu entecbliefet, jede Verbalklasee (noa
Goninracta, contracta, mnta, Kquida) besonders fBr sich zu befaandeb; einen
bedeutenden Schritt nach dieser Biobtong hat er schon gemacht, und TOin
päAigogischen Standpunkt aus wthrde sieh dies sehr empfehlen.
Wie in der Anlage, so zeigt sich auch im einzelnen fiberall die
bessernde Hand; besonders nimmt man diese auch in den Beispielen zu
den Begeln der Syntax wahr. Um so auffiillender ist es, dafs als Para-
digma ffir das Verbum wieder ildw erscheint, das B. Meister in der
23. Auflage dmrch naiitAeiif ersetzt hat. Manches kann auch jetzt noch
yereinftcht und berichtigt werden, besonders in § 117, der ein umfinip»
reiches Verbalverzeichnis bringt Die Bemerkimg in § 182, dafs das
Fut. pass. von allen diesen Verben nicht gebräuchlich sei, ist nur dann
zutrdTend, wenn noch der Zusatz „in der klassischen Sprache ^^ gemacht
wird; denn im Spätgriechisohen findet es nch. In §160,2 ist hlin:uv
entbehrlich, während in § 161 avlßv fehlt; in § 164, 2 wäre ein Hin-
weis auf Bfidy, crdy iari usw. angebracht; 166, 3 sollte das poet Jla/M-
ßdpto <re vf}g xu^ durch Imftfldrta&ai oder imliMiiißAno^ai aov t^
X^iQ6g ersetzt sein ; § 167 ist das seltene und auch mit dem Akkus. Tsrlrnndene
iTngqfgoiNliv zu sireichen, während § 2S2 der Genet. des substantivierten
Infin. zum Ausdruck des Zweckes nicht hätte gestrichen werden sollen.
Im ganzen kann man die neue Bearbeitung als eine wesentlich ver-
besserte aufs beste empfehlen. Neben ihr gibt es aber noch eine zweite
24. Auflage, die die Jahreszahl 1903 trägt und infolge engeren Druckes
und oasnnigfacher Efirzungen nur 299 Seit^i umfafst; alle in dieset* vor-
genommenen Streichungen und sonstige Änderungen, wie § 49, 2 die Hin-
zuflgnng der Worte „durch Ablaut", sind zu billigen. ß.
306) M. AuHUS, Coun abrögi de la littirature franfaise
depuis Bon origine jnsqa'ä noa jours. Ouvrage r^dig^
d^apr^ Bougeanlt, Paris, Albert, Demogeot Treizi^me Mitioo.
Leipzig, F. A. Brockhaus, 1903. X u. 174S. 8. ui 1.80; fek ^2.30.
Wenn Zahlen wirklich beweisen, mftfste eigentlidi vorli^nder Grund-
rif^ der französischen Literaturgeschichte etwas ganz Ausgezeichnetes sein :
hat er doch schon die 13. Auflage eriebt. Da es sich um «n Schulbuch
hanJMt, ist natftrüch ni<^t blofs ein wissensehaftlii^r, sondern auch ein
pädagogisAer Mafsstab anzulegen, und man versteht deshalb, wem ein
solcher „Oours abr^'^ wirklicfa nur das Wesentliche beritcksicht%t
692 Kdne Philologisohe BandBohaTi Kr. 25.
und vor allem das ausscheidet, was jugendlichen Lesern und Leserinnen
aus sittlichen Gründen vorenthalten werden mufs. Nur darf bei aller Be-
schränkung des Stoffes das wissenschaftliche Moment nicht aufser acht
gelassen werden: ein „Abrifs*^ mufs trotz des Fehlens vieler Einzelheiten
immernoch ein richtiges Oesamtbild des betreffenden Gegenstandes geben.
Eine Kollision zwischen pädi^ogischen und sachlichen Bücksichten dar
also auf keinen Fall stattfinden. Diese Klippe zu vermeiden, ist dem Ver-
fasser (der Verfasserin?) nicht gelungen. Er gibt Bilder aus der fran-
zösischen Literatur, aber nicht das, was er im Titel verspricht. Die Dar-
stellung der altfranzösischen Zeit halte ich ffir besonders verzeichnet und
lückenhaft, aber auch im Mittelfranzösischen fehlen Namen wie Villen,
Pathelin und d'Aubign^. In der Behandlung der klassischen Epoche ver-
misse ich Gyrano de Bergerac und Perrault. Aus der zweiten Hälfte des
19. Jahrh. ist manches aus Gründen der Sittlichkeit fortgelassen. Doch
bin ich der Ansicht, dafs Realismus und Naturalismus auch in einer Lite-
raturgeschichte für Schüler und Schülerinnen höherer Klassen nicht fehlen
dürfen. Eine geschickte Darstellung dieser bedeutungsvollen Sichtungen wird
das Seelenheil der jungen Leser nicht gefährden. Dafür könnte aus dem
19. Jahrb., speziell auf den S. 147 — 164 mancherlei Oberflüssiges fort-
bleiben. Um nun aber von dem, was nicht vorhanden ist, auch auf
das zu kommen, was den Inhalt des Buches tatsächlich ausmacht, so er-
kenne ich an, dafs die Darstellung der vom Verf. behandelten Partien der
französischen Literaturgeschichte sich recht glatt liest und in sehr ver-
ständiger Weise den richtigen Ton zu treffen weifs. In dieser Bichtung
kann ich also dem Buch durchaus weitere Verbreitung wünschen. Die
oben gekennzeichneten Mängel zu beseitigen, wird unter Zuhilfenahme
der vorzüglichen neueren Fachliteratur auch nicht schwer fallen.
Peine. Carl Frlesla&d.
307) H. Bogttive, Französiscli-deutsclieB und deutsch-firan-
zösisohes Taschenwörterbucli. Leipzig, Otto Holtzes Nach-
folger, 1903. I. Francais-allemand, 448 S. 8. II. Deutsch-fran-
zösisch, 484 S. 8. Zosammen geb. Ji 3. 75.
In handlicher Form bietet hier die durch ihre zahlreichen Wörter-
bücher bekannte Verlagsbuchhandlung ein französisch-deutsches und deutsch-
französisches Wörterbuch, das infolge eines einfachen Abkürzungssystems
auf engem Baume eine Fülle von Wörtern und Bedeutungen vereinigt.
■^
Nene Philologiaehe BmdacluMi Nr. 26. b&B
Auch die wichtigsten Wendungen sind mit aufgencnmnen, and in beson-
deren Listen sind die unregelmäTsigen französischen und deutschen Yerbal-
formen sowie die wichtigeren Abweichungen der beiden Sprachen in
Personennamen und geographischen Namen aufgefflhrt. Auf Aussprache-
bezeichnung ist dagegen verzichtet. Trotz des gedrängten Druckes ist
der Satz klar und deutlich, die Ausstattung ganz auf der Höhe. Zum
Nachschlagen bei der LektOre von Zeitungen und Bomanen kann das auch
im Format bequeme Werk gute Dienste leisten.
Bremen. W. BShrt.
308) J. B. Feten, XateriaUen zum Übenetien ans dem
Deutsehen ins FraniöeiBohe. Ffir Oberklassen höherer
Lehranstalten. 3. Auflage. Leipzig, August Neumanns Verlag
(Fr. Lncas), 1903. VII u. 128 S. 8.
Ich freue mich, die dritte Auflage des empfehlenswerten Buches hier
anzeigen zu können. Waren die „Mat^alien^^ ursprfinglich in erster Linie
fBr Klassenarbeiten bestimmt, so haben sie in der Praxis doch vorzugsweise
als Übersetzungsübungen Verwendung gefunden, und dem hat derJVerf.
schon in der zweiten Auflage Rechnung getragen. Die jetzt^ vorliegende
dritte Auflage enthält 70 Nummern und gibt damit eine Beihe von ge-
schichtlichen, literarhistorischen, geographischen uud naturwissenschaftlichen
Texten, denen sich einige allgemeinere Themata, eine Inhaltsangabe der
Gonfessions d'un ouvrier (Souvestre) und 9 Briefe anschliefsen. Die Stöcke
sind vorzflglich gewählt und verarbeitet, unter jedem Abschnitt gibt der
Verf. die nötigen Vokabeln und Ausdrücke und weist auf die Synonyma
hin, die bei der Übersetzung in Frage kommen. Es war mir eine rechte
Freude, mich in die deutschen Texte zu vertiefen und mir dabei die Vor-
teile zu vergegenwärtigen, die unsere Schüler von einer gründlichen Durch-
arbeitung der ihrem Gesichtskreis durchaus angepafsten Stücke haben
müssen. Ich begrfifse das Buch aber mit ganz besonderer Genugtuung,
weil es die Schüler zu ernstem Arbeiten und scharfem Denken zwingt
und durch seine Existenz allein schon beweist, dafs Übersetzungen in die
fremde Sprache glücklicherweise noch lange kein überwundener Standpunkt
sind. Wenn in der hoffentlich recht bald notwendig werdenden vierten
Auf hge an einzelnen wenigen Stellen der Tempuswechsel vermieden wird,
gibt mir das Buch zu Ausstellungen überhaupt keinen Anlafs mehr.
Nauen. Frlea.
594 Neae Philologische Rundschau Nr. 25.
309) Friedrich Theodor Vischer, Shakespeare -Vortrage.
Ffinfter Band: Heinrich VI. Blchard IIL Heinrich VIII.
Stattgart und Berlin, J. G. Cottasche Buchhandlung Nachfolger,
1903. Xn u. 404 S. 8. Ji 8.-^.
Im vorliegenden Bande wird die glänzende Charakteristik und Er-
klärung der Eönigsdramen , die im vierten Bande begonnen wurde (siehe
diese Zeitschr. 1902, S. 259 ff.)« ebenso vorzüglich weiter und zu Ende
geführt. Den Höhepunkt des Buches, zugleich einen der hervorragendsten
Abschnitte der ganzen trefflichen Beihe bilden die Ausführungen über
Richard IIL Nach einer kurzen Einleitung, die vor allem der histori-
schen und literargeschichtlicben Einordnung des Stückes in den ganzen
Zyklus gewidmet ist, folgt eine vollständige Übersetzung, die wieder viel
Eigenes von Yischer enthält, und dann kommen die Erläuterungen, die
ich schlechthin als die beste der mir bekannten Erklärungen der viel-
umstrittenen Tragödie bezeichnen möchte. Die Feinheit und Schärfe der
psychologischen Betrachtung dieses blutgierigsten und vollkommensten
Bösewichts ist ganz ausgezeichnet. Ihr gröfster Vorzug beruht darin, dab
sie uns den Mann überhaupt erklärlich erscheinen läfst, dafs sie ihn und
seine Laster und Verbrechen historisch und seelisch begründet; sie macht
ihn uns so, wie er ist, in höchstem Grade wahrscheinlich, sie erweist ihn
uns als eine natürliche, ja notwendige Gestalt und zwingt uns, ihm eben
deswegen auch noch unser Mitgefühl angedeihen zu lassen, weil wir ihn
begreifen können. Wie bei der Hamleterklärung im ersten Bande halte ich
es auch bei diesem Meisterstücke nicht für angebracht, Vischers Gedanken-
gängen und Darlegungen hier in Kürze nachzugehen. Dabei würden sie
nur verlieren, sie müssen selbst gelesen werden. — Nicht minder an-
ziehend und treffend wie der Hauptheld sind auch die Nebengestalten,
seine Opfer und seine Kreaturen, gezeichnet. Man lese nur etwa die Aus-
führungen über Bichards Werbung um Anna oder über seine Seelenqualen
vor dem Hereinbrechen der Katastrophe! Am Schlüsse der Einzel-
erläuterung erhalten wir dann noch einen eben wegen seiner Kürze wert-
vollen zusammenfassenden Bückblick über diese „Tragödie der Angst, der
Klage und allgemeinen Sichverfluchens^S in dem auch ihre Mängel, vor
allem ihre Mafslosigkeit, natürlich nicht verschwiegen werden.
Weniger eingehend als dieses Stück ist das sachlich ?rie dichterisch
viel tiefer stehende Expositionsdrama dazu, die drei Teile Heinrichs VL,
behandelt. Schon äufserlicb ist das Verfahren anders. Vischer zerlegt das
^
Neue Philologische Bandechaa Nr. 25. 595
ausgedehnte Werk immer in kurze Abschnitte, die auch nicht vollständig in
der Übei'setzung vorgefahrt werden, und knfipft daran anmittelbar seine
Erläuterungen an. Auch hier ist sein Geschick und die Eigenart seiner
Behandlung immer bewundernswert, aber es liegt in der Natur der Sache,
dafs man ihm hier nicht ganz so gespannt folgt wie bei den grofsen
Meisterwerken des Dichters. Wer sich aber gründlich in das Verständnis
der Königsdramen und insbesondere Richards III. einfuhren lassen will,
dem kann das Studium auch dieses Teiles der „Vorträge ^^ nicht dringend
genug empfohlen werden.
Ganz kurz (S. 349—373) ist dann die Besprechung des Schluä-
stfickes von Shakespeares gewaltigem Geschichts- und Eulturbild, von
Heinrich VIII., der aber auch, allerdings ohne näheres Eingehen auf die
Verfasserfrage, trefiend charakterisiert ist Einige der poetisch wirklich
wertvollen Stellen sind heraucgegriffen und noch besonders mit kurzen
Erläuterungen versehen.
Den Schlufs des Bandes bilden noch einige Nachträge zum vierten
Bande, Anmerkungen in der schon von frflher bekannten knappen Art
zum ffinften und endlich eine genaue, zahlenmäfsige Übersicht über Vischers
Anteil an den Übersetzungen im vierten und fünften Bande, der doch noch
erheblich gröfser ist als der Herausg. selbst anfangs vermutet hatte. —
Mit Spannung sehen wir dem Schlufsbande des trefflichen Werkes ent-
gegen, der die BSmerdramen und ein Gesamtinhaltsverzeichnis bringen soll.
Breslau. Herauum Jantzen«
310) Hartin Wolf, Walter Scotts Eenflworth. Eine Unter-
suchung über sein Verhältnis zur Geschichte und zu seinen
Quellen. (Diss. Wfirzburg 1902.) Leipzig, G. Fock, 1903.
77 S. 8.
Die literarische Verwendung der Amy-Bobsart-Legende findet sich bis in
unsere Tage. Es ist ein Verdienst der vorliegenden Arbeit, auf das Interesse,
das der Stoff verdient, neuerdings hingewiesen zu haben. Dieses Interesse
ist nicht nur ein literarisches oder historisches, sondern ein aUgemeines.
Es ist jedoch zu loben , dafs sich der Verf. gerade nur auf die Scottsche
Bearbeitung beschränkt bat; seine Darstellung ist dadurch für den Literar-
historiker und den Historiker gleich wertvoll geworden. Vor allem ist
der geführte Nachweis über die Art des Scottschen Schaffens für die
ästhetische und literarhistorische Beurteilung aller Waverley Novels von
696 Nwe Phüdogiaclw Rondacban Nr. 25.
aoTserordentlicheiii Werte. Es liefe sidi dieser Nachweis zweifelsohne an
einem einzigen Romane exakter führen, als wenn die ganze Beihe der
Waverley Novels oder eine Anzahl von ihnen znr Statniemng des Exempels
herangezogen worden wären. Das Verdienst der Arbeit wird gehoben dnrch
eine festgefügte, (ibersichtliche Darstellnng, die zwar nicht vers&nmt auf
abseits liegende Ziele hinzuweisen, sich je doch nicht anf ablenkende
Nebenwege fahren Iftfst
Die Tatsache, dafs Scott gewohnt war, seine firzfthlang auf Grund
irgend welcher Berichte aufzubauen, ist ja keinesw^ etwas Neues. Inter-
essant ist es nur, an dem bestimmten Beispiel des Eenilworth zu sehen,
wie weit diese Anlehnung ging und wie weit der Dichter sich Freiheiten
erlaubte; femer ist wichtig der neugeffihrte Nachweis, dafs üngenanig-
keiten in bezug auf historische Daten nicht immer Scott, sondern hSnfig
seinen ungenauen Quellen zuzuschreiben sind. Diese üngenauigkeiten be-
treffen nicht nur Jahreszahlen, sie finden sich selbstverständlich noch
häufiger bei der Konzeption der einzelnen Gestalten.
In Eenilworth stimmt, wie wir erfahren, nicht eine Jahreszahl; nicht
eine der Gestalten ist vollständig und enganschliefsend auf Grund der
Überlieferung konzipiert.
Es ist alles umgestürzt Immer von neuem zu bewundem ist dabei
welch grofsartige Bekonstraktion aus den Buinen hervorgegangen ist, eine
Bekonstraktion, die in wunderbarster Weise den Schein des Altertfimlichen
erweckt. Darin liegt ja die grofse ästhetische Kraft der Scottschen Er-
zählungen, die sie veralten nicht liefsen bis auf den heutigen Tag. Bei
Kenilworth kommt noch dazu die Macht des Stoffes, der so allgemein
menschlich, allgemein gfiltig, ewig neu ist
Solche Kraft wie Scott, Altes neu zu bauen, hat keiner vor ihm,
keiner nach ihm gezeigt.
Inzwischen ist aber der historische Boman durch den ästhetischen
Bealismus auf ganz andere Wege gefährt worden. Durch Wolfe Arbeit
aber wird die Frage angeregt, wo der gröfsere ästhetische Wert liege, beim
historischen Boman Scottscher Schule oder beim realistisch -historischen
Boman neuen Stils.
Der Arbeit Wolfs kann somit ein doppeltes Verdienst zugewiesen werden.
Sie ist eine gute literarhistorische Leistung und sie gibt Anregung nach
vielen Seiten hin. Beides hat sie mit wenig Diss. gemein, mit vielen
gemein aber hat sie den Mangel an eigenem Text Es hätte nidit ge-
'>
Mene ttülologigche ttündBchati Nr. 26. 6»?
schadet, wenn Zitate fiber Anthony Fester, Alasco u. a. (S. 42 ff.) gekfirat
worden wären nnd wenn das Schlnfsergebnis etwas mehr eigenen Text
daffir gezeigt hätte. Es handelt sich ja nicht darum durch eine Diss. nach-
zuweisen, dafs der Verf. mehr oder minder geschickt zu zitieren versteht,
sondern darum, dafs er ein eigenes Urteil, ein Resultat aus seinen For-
schungen bieten kann.
Dresden-Loschwitz. L. RoeieL
31t) Nonnan Smith, Studies in fhe Cartesian Fhilosophy.
London, Macmillan & Co. New Tork, The Macmillan Company.
1902. XIY U. 276 S. 8. geb. 5 s. net
Die vorliegenden Studien haben den Zweck, nachzuweisen, dala Des-
cartes, der für die Naturwissenschaften im grofsen und ganzen schon die
Methoden und Ideale der modernen Forschung richtig erfa&t hat, auf dem
Gebiete der Metaphysik noch fast gänzlich im Banne der Schohstik steht
Norman Smith untersucht zuerst die metaphysischen Grundsätze des Philo-
sophen, wie sie sich aus seinen eigenen Schriften ergeben, und beschäftigt
sich sodann mit der Frage, wie weit dieselben das Denken seiner Nach-
folger beeinflulBt haben, und welche Folgerungen sich fiberhaupt aus den-
selben ergeben. Die Abhandlung zerfällt dementsprechend in folgende
Abschnitte: 1. The Problem of Descartes. 2. His Method. 3. His Meta-
phyeics. 4. The Cartesian Principles in Spinoza aind Leibniz. 5. The
G. P. in Locke. 6. Hume*s Griticism of the G. P. 7. The Transition
to Eant. — Leider können wir hier auf die tfichtige und interessante Arbeit
nicht näher eingehen; wir wollen aber nicht versäumen, das Studium
derselben allen denen, die sich mit Descartes beschäftigen, nahezulegen. P.
312) J. J. Sauer, SpecimenB of Commerdal CorreBpondeiioe
coUected (by J. J. S.). Wien, Alfred Holder, 1903. XI u.
396 p. 8. Prioe, stitched 4 k. 40 h.; bound 5 k.
Auf etwa 370 S. hat der Verf. 274 Briefe zum Abdruck gebracht,
welche die verschiedenen Geschäftsfälle behandeln und ihm von englischen
sowie festländischen Firmen zur Verffigung gestellt worden sind. Nach
Möglichkeit hat er gesucht, etwas Zusammenhängendes und in sich Ab-
geschlossenes zu bieten. Er führt, soweit es geht, die einzelnen Ge-
schäftsfiOle durch. Da manche Firmen ihm nur die von ihnen aus-
gehenden Briefe zur Benutzung fiberlaBsen haben, die Gegenschreiben ihrer
Neae Philologisehe Randflchau Nr. 26.
Geschfiftsfreonde aber nicht aus der Hand geben zu dfirfen glaubten, so
entstanden Lücken, die darch Übungen mit kurzen Angaben ansgefUlt
sind. Durch den Grundsatz, die Geschäftsfälle möglichst durchzufahren,
ist die Anordnung des Stoffes beeinflufst und weicht von der meist üblichen
ab. Vorweggenommen ist der Abschnitt über die Bezahlung (Schecks,
Wechsel und das damit verbundene Bankgeschäft.) Dann kommen die
Aufträge (Angebot, Anfrage, Bestellung), ferner Beschwerde- und Mahn-
briefe, Erkundigungen und Auskunftserteilungen sowie Empfehlungs-
schreiben und Stellenbewerbungen. Weitere Kapitel behandeln den Ver-
sand, die Seeversichenmg und das Kommissionsgeschäft. Daran schliefsen
sich Briefe über Börsengeschäfte und einige Rundschreiben. Den Schlufs
bilden ein Verzeichnis der englischen Mafse, Gewichte und Münzen sowie
der gebräuchlichsten Abkürzungen und eine Beihe von Geschäftsformularen.
Die Angaben zu den Übungen ?rie auch die allgemeinen Bemerkungen zu
Anfang einiger Kapitel sind englisch abgefafst. Für solche Handels-
schulen, die mehr als ein Jahr auf die englische Handelskorrespondenz
verwenden können, ?rird sich das Buch als ein recht brauchbares Hilfs-
mittel beim Unterricht erweisen. Für sie ist auch wohl der Lehrstoff so
reichlich bemessen.
Bochum. Hl. Steffen.
313) Ernst Begel, Oesemits-Begel. Englische Sprachlehre. Aus-
gabe B. Oberstufe für Knabenschulen. 2. Aufl. Halle, H. Gesenius,
1903. Vm u. 258 S. 8.
Durch die neuen Lehrpläne von 1901 hat sich Begel genötigt gesehen,
die Oberstufe B seines Lehrbuches umzugestalten. Zunächst wurde sie in
eine Ausgabe für Knaben und eine für Mädchen getrennt und die Lese-
und Übungsstoffe in jedem der beiden Bücher ihrer Bestimmung ent-
sprechend eingerichtet, eine Änderung, die gewifs allseitig als zweck-
mäfsig begrüfst werden wird. Als ebenso praktisch wird von vielen an-
erkannt werden, dafs der Verf. der Grammatik insofern wieder zu ihrem
guten Becht verhelfen hat, als er sie systematisch und nicht mehr wie
früher eklektisch betreibt. Auch in einem anderen Punkte ist er zu
älterer Praxis zurückgekehrt, nämlich zu den verpönten Einzelsätzen. Zu
viel davon wäre allerdings auch meiner Ansicht nach vom Übel, aber
ganz zu entbehren sind sie nicht, wenn anders man rasch zum Ziele
kommen und auf die Dauer einüben will. Das Material an deutschen
Kene PhilologiBche Bundschan Nr. 25. 599
Einzelsätzen, die man wobl als ein notwendiges Übel bezeichnen kann,
scheint freilich etwas grofs, ist aber wohl wegen der Bemanenten auf
zwei Jahre berechnet. Die Auswahl der Stoffe fQr die Übnngsstficke ist
sehr umsichtig getroffen, da nicht nur die englischen, sondern auch die
deutschen Stücke englische Verhältnisse betreffen.
Dafs der Verf. vier Hölzelbilder seinem Lehrbuch einverleibt hat,
mag vielleicht nicht nach aller Geschmack sein. Doch scheint es, dafs
er sie in mafsvoUer Weise verwendet wissen will, und die Notwendigkeit,
die Bearbeitung der übrigen Stoffe nicht zu vernachlässigen, sorgt ja schon
für eine Vermeidung des Zuviel nach dieser Seite hin.
In Summa halten wir diese Neubearbeitung des Gesenius-Begel für
eine sehr glückliche und glauben, daß das Lehrbuch damit seine endgültige
Gestalt erhalten hat.
Dessau.
314) Alfred Jeremias, Im Kampfe um Babel und BibeL
Leipzig, J. C. Hinrichs, 1903. 38 S. 8. geh. Ji -.80.
Die vorliegende Schrift wendet sich hauptsächlich gegen eine Beihe
von Lrtümern und schiefen Auffassungen, welche sich in Eduard Kö-
nigs „Bibel und BabeP* und in der von demselben Gelehrten veröffent-
lichten Schrift „Babyloniens Kultur und die Weltgeschichte^* nachweisen
lassen. Jeremias verteidigt mit guten Gründen die neuerdings namentlich
von Fr. Delitzsch und H. Winckler vertretene Ansicht, dafs die
israelitische Kultur im ausgedehntesten Mafse durch die babylonisch-
assyrische beeinflufst worden sei. Andererseits teilt er durchaus Königs
positiv-kirchlichen Standpunkt, der die höhere Gottesauffassnng des alten
Testamentes als das Ergebnis einer direkten Offenbarung ansieht. Soweit
dieser Standpunkt nicht in Frage kommt, urteilt Jeremias, der eine sehr
gründliche Kenntnis des babylonisch -assyrischen Altertums an den Tag
legt, mit grofser Klarheit und Objektivität. Und unter den augenblick-
lichen Verhältnissen ist gerade der Umstand mit besonderer Befriedigung
zu begrüfsen, dafs Königs Polemik aus dem Lager der positiven Theo-
logie eine Entgegnung gefunden hat.
600 Meu ^bilologiMha fioadidum Kr. 26.
^
Vakanzen.
Bautzen, Handelsschale. ZweiObL 1) Frz. u. Deutsch, 2) Gesch. n. Deutsch.
Stadtrat.
Chemnitz« BG. L., N. Spr. Bfirgermeister Oerher.
Essen, HMS. u. Ln. S. Obl. Lat u. Frz. Dir. Dr. Fröchtling.
Flensburg, OB. Obl. Deutsch u. Gesch. Dir. Dr. Flebbe.
Gr. Llehterfelde, OB. Hilbl. Bei., Deutsch u. Gesch. Kuratorium.
Heide, BS. Obl. Deutsch, Gesch. u. Frz. Kuratorium.
Itzehoe, HMS. Zwei Obl. 1) BeL u. Deutsch., 2) N. Spr. Dir. Koehler.
— BS. u. BefEQ. Zwei Obl. 1) Spr., 2) Nat. Kuratorium.
Lfibeek, Katharineum. Hilfsl. Klass. Phil. Dir. Schubring.
Wittenberge, BS. Obl. Bei. u. Deutsch. Magistrat.
Zoppot^ Vvg. Obl. Deutsch, Gesch. u. Frz. I^istrat.
Yerlag Yon Friedrieh Andreas Perthes, Aktiengeseilscliaft, Gotha«
HilfslDuclileixi für den lateinisclieii Unterriclii
ZusammengeBteUt Yon
Professor Dr. R. Schnee.
SiTster Teil: PfaxaaexiaasainlvLXig.
Eingerichtet zur Aufnahme von weiteren im Unterrichte gewonnenen Aus-
drücken und Redensarten.
Für Quinta bis Prima.
Preia: Ji 1. — .
Zweiter Teil: Stiliatiaolia RacalrL.
Für Seknsda and Priva.
Preia: Jt —.80.
FIRST STEPS
IN ENGLISH CONVERSATION.
For use in sohools.
Ein Hilfsbuch
far den Gtebranch des Ei^liaehen als Untemehite-
nnd Sohnlyerkehriaprache.
Auf Grand der neuen LelurpUne toh 1901
bearbeitet von
Dr. phil. et jur. fJL. Thatnin,
Oberlehrer des Kadettenkorps.
Preis: Ji 0.80.
1^^ Zu 1)ezieheii durch alle Buchhandlungen.
Vtx di« BadftkÜOB Tenatwortlieh Dr. E. Lliwlf in Brtatl.
Dniek «nd Ynlaf ▼<« Fritdrieh ÄMix—M P«rtkM. AktitiiffMtllMhall, OoilM.
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GENERAL LIBRARY,
UNIV. OF MICH.
JAN 141904
Gotha, 26. Bezember. 1fr. 26, Jahrgang 1903.
Neue
PhilologischeRundschau
Herausgegeben Yon
Dr. C. Wagener und Dr. E. Ludwig
in Bremen.
Erscheint alle 14 Tage. — Preis fflr den Jahrgang 8 Mark.
Bestellungen nehmen alle ßachhandlnngen, sowie die Postanstalten des In- und Auslandes an.
Insertionsgebflhr fDr die einmal gespaltene Petitzeile 30 Pfg.
Inhalt: Bezensionen: 315) L. T rette r, Xenophontis Apologia Socratis (M. Wiesen-
thal) p. 601. — 316) W. W. Goodwin, Demosthenes on the crown p. 602. —
317) C. de Boor, Excerpta de legationibns (J. Sitzler) p. 603. — 318) Edwin
W. Pay, Plauti Mostellaria (W.) p. 604. — 319) F. Thtimen, Ciceronis oratio
pro Sulla (0. Wackermann) p. 605. — 320) RoyC. Plickinger, The meaning
of inl t^s axrivijs in writers of the fonrth Century (K. Weifemann) p. 605. —
321) Joh. Ero mayer, Antike Schlachtfelder in Griechenland (Aem. Pintschovius)
p. 607. — 322) 0. Bardenhewer, Geschichte der altkirchlichen Literatur
(Eb. Nestle) p. 613. — 323) W. Freund- H. Deit er, Wie studiert man klas-
sische Philologie (M. Hodermann) p. 615. — 324) Toreau de Marney, Gram-
maire fran9aise id^ographique (H. Schmidt) p. 615. — 325) Fr. Lotsch et
E. de Sauzö, Journal des demoiselles (Bahrs) p. 616. — 326) Fred. Harrison,
John Ruskin (F. Wilkens) p. 618. — 327) M. Trautmann, Bonner Beiträge
zur Anglistik (-tz-) p. 619. — 328) Otto, German CouTersation - Grammar,
revised by Fr. Lange (-i-) p. 621. — 329) A. Paz y M^lia, Taschenwörterbuch
der spanischen und deutschen Sprache (W. R5brs) p. 622. ~ 330) K. Mark-
B c h ef f el , Der Internationale Schülerbriefwechsel (K. Engelke) p. 623. — Vakanzen. —
Anzeigen.
315) L. Tretter^ XenophontiB quae fertur Apologia Socratis.
Becensnit adparatu critico et verborum iudice instruxit (L. T.).
Dissertatio e programmate Gymnasii Graeciensis seorsum expressa,
1903, „Sumptibus Gymnasii". XIV u. 14 S. 8.
Dem Herausg. ist es ergangen wie allen, die sich bei Xenophon mit
Fragen der höheren Kritik beschäftigen; er vermifste für die „Apologie"
die Grundlage einer kritischen Ausgabe und hat sich darum selbst an die
Arbeit gemacht. Ein Hauptverdienst dabei gebührt H. Scbenkl, der für
den Herausg. die drei Handschriften eingesehen hat, deren Beschaffenheit
die Einleitung anschaulich macht. Das Ergebnis, dafs cod. Tat. gr. 1335 (B)
allein zugrunde gelegt werden darf, ist unanfechtbar. Im apparatus criticus
ist, wie bei solchen Einzelarbeiten üblich, etwas reichlich Charta consu-
sumiert, der index ist sorgfältig. Die Arbeit ist also ein willkommener
Nene PhilologiiolM Bnndtoliaii Kr. 26.
^
Beitrag zar Neafestsetzung des XenopboDtextes, die unter Diels Ägide
die Italiener bei Weidmann in Angriff genommen haben.
Barmen. Max Wlei eallud.
316) W. W. Goodwin, DemoiiheneB on the crown with cri-
tical and explanatory notes and historioal Sketches ana essays. Cam-
bridge, the üniversity press. London, J. G. Glay & Sons, 1901.
X n. 368 S. 8. geb. 12 sh. 6.
Vorliegende schön ausgestattete Ausgabe bietet in Text und Kom-
mentar ein reiches Material, besonders in historischer Beziehung, indem
der Herausgeber die Periode von dem Heranrücken Philipps von Make-
donien bis zur Schlacht Ton Ghäronea ausführlich behandelt, damit Leben,
Politik und die einschlSgigen Beden des Demosthenes verbindend. Dann
folgen „ essays^': 1) eine Inhaltsangabe der verschiedenen Teile der Bede
mit Bemerkungen fiber das § 120 und 121 erwähnte Gesetz, 2) eine Dar-
legung über die ygag^ij naQccvöfifay mit interessanten Beziehungen auf
ähnliche Verhältnisse moderner Staaten, 3) fiber den Prozefs gegen Etesi-
phon, 4) über Äschines' und Pbilokrates* Verhalten beim Abschluls des
Friedens vom Jahre 346, 5) fiber den Amphiktyonenbund, 6) fiber Hero
den Physiker und Hero xalafih'qg anläfslich der Stelle cor. § 129. Zum
Schlufs folgt eine allgemeine Darstellung der handschrifU. Verbältnisse
mit den stichometrischen Angaben aus 2 bezfiglich der Eranzrede und
der dritten Philippischen. Was den Text selbst betrifft, so ist dieser
mit sachgemäfsen Erklärungen begleitet, auf die im einzelnen nicht ein-
gegangen werden kann. Mit der Angabe von Einzellesarten jedoch zwi-
schen Text und Eommentar ist nicht viel gewonnen, da sowohl eine
Wfirdigung als auch eine nähere Begrfindung der aufgenommenen fehlt.
Die Ausgabe kann aber aufs beste empfohlen werden, denn sie ruht
durchaus auf wissenschaftlicher Grundlage. Der Stichometrie freilich und
den rhythmischen Beziehungen und Gesetzen, auf denen die stichometri-
schen Zahlen beruhen, mfifste in Zukunft mehr Aufmerksamkeit geschenkt
werden; sicher bietet ein solch glänzendes Eunstprodukt wie die
Eranzrede der Untersuchung auf rhetorisch -rhythmischem Gebiete noch
viel Stoff.
Neue Philologische Bandschan Kr. 26.
317) C. de Boor, Ezcerpta de legationibns. ParsI: Excerpta
de legationibus Bomanorum ad gentes. XXI u. 227 S. 8.
Ji 8.-.
Pars U: Excerpta de legationibus gentium ad Bomanos.
S. 229 — 559. 8. Berolini, apud Weidmannes, 1903. J6 12.—.
Unter den auf Veranlassung des Kaisers Konstantin VIL Porphyro-
gennetos hergestellten gro&en Sammelwerken nehmen die historischen Ex-
zerpte eine hervorragende Stelle ein, die nach bestimmten Gesichtspunkten
angefertigte Auszöge aus früheren Oeschichtschreibern enthalten. Einen
Teil dieser bilden die Excerpta de legationibus, in denen Geschichtschreiber
von Polybios an bis in die byzantinische Zeit herab vertreten sind; von
Uteren finden sich nur Herodot und Thukydides, jeder mit zwei Stellen,
aus dem ersteren Y 13 und IX 4, aus dem letzteren I 24 u. 27. Die
Exzerpte zer&Uen in zwei Abteilungen, von denen die erste die Gesandt-
schaften der BSmer an auswärtige Nationen, die zweite die Gesandt-
schaften auswärtiger Nationen an die Bömer enthält. Ihr Hauptwert
für uns besteht darin, dafs sie Bruchstücke von Schriftstellern mitteilen,
deren Werke nicht auf uns gekommen sind, die wir also nur aus diesen
Exzerpten kennen lernen.
Der Ausgabe schickt der Herausg. eine Praefatio voraus, in der vrir
erfahren, daCs er aufser den Exzerpten de legationibus auch noch die
de insidiis herausgeben werde, während Th. Büttner- Wobst die Exzerpte
de virtutibus und H. Ph. Boissevain die de sententiis zur Herausgabe
übernommen haben. Über die Handschr. und ihr Verhältnis zueinander
hat der Herausg. in den Verhandlungen der Berliner Akademie der Wissen-
schaften 1902, S. 146 f., ausführlich gehandelt; daher teilt er hier nur
soviel darüber mit, als zum richtigen Verständnis der Ausgabe notwendig
ist. Aufserdem stellt er noch eine besondere Abhandlung über die Sammel-
werke des Konstantinos in Aussicht. Den Schlufs der Praefatio macht
die Aufzählung der früheren Ausgaben und die Angabe und die Becht-
fertigung des Verfahrens, dais er bei der Bearbeitung und Herausgabe der
Exzerpte eingehalten hat.
Der Herausg. hat sich als Ziel gesteckt, den Text herzustellen, den
der Exzerptor bei Anfertigung des Werkes selbst schrieb, und so einen
Einblick in die von ihm dabei benutzten Handschr. zu geben. Die Ent-
scheidung der Frage, wie sich der in den Exzerpten überlieferte Text zu
dem des Schriftstellers selbst verhält, überläfst er den Herausgebern des
6Öi Kene t^ologiBolie Aondtohan Kr. 26.
Schriftstellers, denen es auch obliegt , in jedem einzelnen Falle festzu*
stellen, was der Schriftsteller geschrieben hat Demnach beschränkt er
sich darauf, unr offenbare Fehler and Versehen der Abschreiber zu ver-
bessern, den Text des Exzerptors selbst aber unverändert zu lassen. Der
Herausg. hat sein Ziel auch vollständig erreicht; fiberall liegt jetzt klar
zutage, was in den Handschr. steht, und darin besteht das grofse Ver-
dienst der neuen Ausgabe, die von jetzt ab die .Grundlage aller weiteren
Forschungen auf dem Gebiete dieser Exzerpte sein wird.
Tanberbischofsheim. J. Sitzler.
318) Edwin W. Fay, T. Macd Flaut! Hostellaria. With
indroduction and notes (by £• F.). Boston, AUyn and Bacon,
1902. XLVII u. 157 S. 8. S 1.
Der genannte Verlag läfst unter der Oberleitung der Professoren
Bennet und Bolfe eine ^series of Latin Texts with especial reference to
the requirements of university work' erscheinen; zu dieser Sammlung
gehört auch die vorliegende Ausgabe der Mostellaria. Aus ihrer Bestim-
mung ergibt sich ihre Einrichtung. Die 'lutroduction' behandelt über-
sichtlich ^Plautus, the man and the writer\ ^The versification of Plautus'
^The dialect of Plautus'; es folgt auf 62 Seiten der Text der Komödie,
dem sich 90 Seiten 'Notes' anschliefsen, worauf ein knapper Index, der
alles Wichtige aus Einleitung und Anmerkungen berficksichtigt, den Schlufs
bildet Der Herausg. hat, wie er im Vorwort sagt, die kleine Ausgabe
von Goetz-SchöU als Grundlage benutzt, sich jedoch ihr gegenüber seine
Selbständigkeit gewahrt, indem er gelegentlich gegen jene an der Über-
lieferung festgehalten, in anderen Fällen die Lesart der Handschr. durch
Konjekturen ersetzt hat. Für die Erklärung haben ihm, wie er selbst
dankbar hervorhebt, die Ausgaben von Sonnenschein, Lorenz, Ussing, Scholl
und Leo gute Dienste geleistet. Jedoch haben wir keineswegs eine blofse
Kompilation vor uns; vielmehr bietet F. viel eigenes, wie er denn u. a.
häufig Parallelen aus der englischen Literatur zur Erläuterung des Textes
heranzieht. Die Anmerkungen bringen dem jungen Studenten reiche Be-
lehrung, allerdings auch soviel Übersetzungshilfen, wie sie selbst unseren
Schfilerkommentaren fremd sind. Doch das ist eine Eigentümlichkeit
dieser englisch -amerikanischen Ausgaben überhaupt und wird jedenfalls
durch die dortigen Uuterrichtsbedürfnisse vollauf gerechtfertigt sein. Jeden-
^
Neue Philologische Randwhaa Nr. 26. 605
falls macht die Aasgabe innerlich und äufserlich den Eindruck einer
soliden Arbeit.
Br. W.
319) H. Tullii Ciceronis oratio pro F. Comelio Sulla. Ffir
den Schulgebrauch erklärt von F. Thttmen. Gotha, Friedrich
Andreas Perthes, Aktiengesellschaft, 1903. II u. 77 S. 8.
(Auch in zwei nach Text und Kommentar getrennten Heften.)
Ji 1.20.
Die Ausgabe ist nach den bekannten und bewährten Grundsätzen der
„Bibliotheca Gothana'' bearbeitet, und danach ist das Bedürfnis des sich
vorbereitenden Schülers leitender Gesichtspunkt. In einer fibersichtlichen
Einleitung wird in einer für das Verständnis der Bede ausreichenden Weise
Sullas Person und politische Stellung und dabei der wesentliche Zweck
der Bede besprochen. Die Anmerkungen beziehen sich, soweit sie sprach-
liche Dinge betrefien, weniger auf eigentlich Grammatisches, wenngleich
dies nicht ausgeschlossen ist, als vielmehr auf Periodenbau, auf Stilistisches
und Bhetorisches, sowie auf Lexikalisches und Sprachgeschichtliches; die
grofse Mehrzahl der Anmerkungen aber dient dem sachlichen Inhalt
und bringt deshalb aufser zahlreichen geschichtlichen Notizen auch viel
Juristisches. Die nicht seltenen Übersetzungshilfen zeigen sowohl ge-
schmackvolle wie scharfe und erschöpfende Wiedergabe von Ausdrücken
und Wendungen. Vornehmlich will die Erklärung aber einem vollkom-
menen, auch ins einzelne gehenden Verständnis des Gedankenzusammen-
hanges dienen; zu diesem Zwecke ist nicht nur am Schlüsse der Ein-
leitung eine kurze Disposition gegeben, sondern namentlich wird an zahl-
reichen einzelnen Stellen im Verlaufe der Bede auf den Gedankenaufbau
aufmerksam gemacht. — Der Schüler, der sich mit ciceronianischem
Sprachgebrauch bekannt machen und eine der wichtigeren Beden gründ-
lich studieren will, wird diese Ausgabe mit Nutzen gebrauchen.
Hanau. O. Waokermann.
320) Boy C. FlickiBger, The meaning of eitl x^g axYjvi]; in
writers of the fonrth Century. Chicago, the university
Chicago press 1902. 16 S. 8.
In unserer Zeit tritt man Untersuchungen über die Bedeutung bestimmter
Bühnenausdrücke mit Mifstrauen entgegen; haben ja doch die bisherigen
zahlreichen Abbandlangen, welche sich mit dergleichen Fragen befassen,
606 Nene Fbilologisehe Bcrndflehan Nr. S6.
kaum ein anbestrittenes Ergebnis gezeitigt and in manchen Punkten noch
gröfsere Verwirrang hervorgernfen. Mit Recht erhebt FI. gegen die meisten
seiner Vorgänger den Vorwurf einer falschen Methodik; sie deuteten die
ins Auge gefafsten Beispiele von dem Standpunkte aus, den sie zur
Bühnenfrage eingenommen, reihten sie dann in Bubriken ein und ordneten
diese wieder nach ihrer vorgefafsten Anschauung und — die Geschichte
des Bedeutungswechsels eines szenischen Ausdruckes sei fertig. Die ent-
gegengesetzte Methode Fl.s, voraussetzungslos an jedes Beispiel eines be-
stimmten Schriftstellers heranzutreten und die aus dem Zusammenhang
hervorgehende Bedeutung ohne Bficksicht auf andere Fragen festzustellen,
bewährt sich in der vorliegenden Abhandlung aufs trefflichste; seine un-
befangene Untersuchung der vier Stellen bei Aristoteles (Poet. XIII, 6;
XVII, 1; XXIV, 4; XXIV, 8), wo der Ausdruck ini Tfjg cjxijv9s vor-
kommt, und einer fOnften demosthenischen Stelle (or. XIX, 337) ergibt,
dafs diese Schriftsteller des 4. Jahrb. — früher kommt der Ausdruck
nicht vor — ihn in demselben Sinne verstanden wie wir den modernen
„auf der Bfihne^S d. h. im Theater. Diese Stellen sowie die aus späterer
Zeit angeführten (S. 12 u. 13), wo die gleiche Bedeutung vorliegt, haben
also bei der Frage, ob der Spielplatz der Schauspieler gegenüber dem
Standort des Chores erhöht war, ganz auszuscheiden. Weniger befriedigt
F1.S Versuch, die spätere Gegenüberstellung der Ausdrücke oi im bezw.
äTtö dviAilvfi und oi inl bezw. ämcb OKtp^ zu erklären (S. 14). Der
angekündigten Untersuchung über das griechische Theater zur Zeit Plu-
tarchs — das ist doch wohl eine Untersuchung der bei Plutarch so zahl-
reichen Stellen, die sich auf das Theater beziehen — sieht der Bef. mit
um so gröfserem Interesse entgegen, als er selbst schon in dieser Zeit-
schrift (Jahrg. 1899, S. 304) eine Prüfung der einschläglichen Stellen
besonders bei diesem Schriftsteller als notwendig bezeichnete; auch jetzt
noch erscheint ihm ein solches Vorhaben nicht aussichtslos, doch möchte
er noch einmal zur Vorsicht mahnen und auf die Notwendigkeit der Vor-
frage hinweisen, ob Plutarch dem Wortlaut seiner Quellen zu folgen
pflegt oder nicht.
Schweinfurt. K. Wolfiimaatt.
*j
Nene Philologiielie Bandscban Nr. 26. 607
32t) Johannes Eromayer, Antike Sehlaehtf eider in Orieehen-
land« Bausteine zu einer antiken Kriegsgeschichte. I. Band:
Von Epaminondas bis zum Eingreifen der Bömer.
Mit sechs lithographischen Karten und vier Tafeln in Lichtdruck.
Berlin, Weidmann, 1903. X u. 362 S gr. 8. JH 12.—.
Der erste Band von „Eromayer, Antike Schlachtfelder in Griechen-
land" knfipft an die Schlachten von Mantinea im Jahre 362, Ghäronea 338,
an die von Sellasia und die von Mantinea 207 an und beschäftigt sich
besonders mit den Schlachtfeldern, aber auch des weiteren mit dem Ver-
laufe der Schlachten und ihrem kriegerischen und politischen Hinter-
grunde. In einem Schlufswort stellt K. noch die theoretischen Ergebnisse
der Einzeluntersuchungen zusammen.
In der mit Begeisterung ffir die Aufgabe geschriebenen Einleitung
(S. 1—24) macht uns Verf. mit den Grundsätzen bekannt, die ihn bei der
Behandlung des Stoffes geleitet haben. Die wichtigsten dieser Grundsätze
sind: die Schlacht sei nicht vom Kriege und auch nicht von der Politik
zu trennen, und zweitens: die „Sachkritik" müfste sich auf sorgMtigste
Quellenkritik stfitzen. Mit Delbrflck geht der Verf. hier, wie auch in
dem Abschnitt fiber die Schlacht von Sellasia und im Schlufswort ziem-
lich scharf ins Gericht, doch hat man dabei Überall das Gefühl, dafs sich
seine Polemik nur von sachlichen Motiven leiten läfsL Auch bei der
Feststellung des Schlachtfeldes soll die Quellenkritik die Leuchte sein,
wie diese ihrerseits wieder durch jene Licht empfingt. Vorsicht sei hier
geboten, aber „wer sich nicht getraut, hier den circulus vitiosus zu
vermeiden, der lasse die Hand von diesen Zauberkreisen"« E. erinnert
an Napoleon IIL und Stoffel, an Grundy und andere, die, von lokalen
Forschungen ausgehend, die Geschiebte gefSrdert haben. Er selbst hat
sich der Hilfe kundiger Offiziere und der ünterstfitzung des Generalstabes
der deutschen Armee zu erfreuen gehabt
Mit der Schlacht bei Mantinea im Jahre 362 beschäftigen sich,
nach einem Bückblick auf den Feldzug, der zu dieser führte, die S. 26
bis 123. Dem Urteil des Verf. von der Einseitigkeit des Xenophontischen
Berichtes und der Möglichkeit seiner Ergänzung in vielen und entschei-
denden Punkten durch Diodors Darstellung mOchte ich nicht ganz bei-
stimmen« Xenophon gibt doch alles Wesentliche, wenn auch ungleich
ausführlich, und gegen die Glaubwürdigkeit von Diodor-Ephoros spricht
Polyb. XU, 25 f. 4, während der von E. angenommene athenische Augen-
608 Neae Philologische Bnndichaii Nr. 26.
zeuge weder als ein glaubwürdiger noch Oberhaupt erwiesen ist. Ver-
möge der genauen Erforschung des bereits von Loring und Foug&res richtig
bezeichneten Schlachtfeldes aber und der sorgfältigen Berücksichtigung der
ganzen einschlägigen Materie trägt Verf. vieles zum Verständnis der Aufstellung
der Verbündeten, der Heeresbewegungen des Epaminondas vor der Schlacht
und des Verlaufes dieser bei. Auch die Aufstellungsänderungen auf dem
rechten Flügel der Verbündeten unmittelbar beim Anmarsch des Epaminondas
die E. (S. 70 u. 72) annimmt, sind sehr wahrscheinlich. Desgleichen gibt uns
E. auf Grund ausführlicher Berechnungen die ungefähre Stärke der Heere an,
in diesem Punkte die Richtigkeit der Überlieferung bei Diodor bestätigend.
Dagegendürfbe sich Es Versuch, die Schwierigkeit, die sich mit der Datierung
der Schlacht bei den Schriftstellern verbindet, zu heben, kaum allgemeiner Zu-
stimmung erfreuen. — Im ganzen gewinnen wir ein klares Bild der Schlacht,
wie man es nach den Bemerkungen von Delbrück (Gesch. der Eriegskunst I,
S. 135) kaum für möglich hätte halten können, und ein helles Streiflicht
fällt auf Epaminondas* Genie: er führte nicht nur in Strategie und Taktik
die Niederwerfungstheorie als erster durch, sondern behandelte auch zuerst
die Heeresmassen als einen lebendigen Organismus und pafste dessen Be-
wegungen dem Gelände an. Im allgemeinen hat seine geniale Art der
Eriegführung für immer gewirkt; im einzelnen blieb sie vorbildlich bis
zum Ende des 3. Jahrh. v. Chr., so auch in den drei anderen von E. be-
sprochenen Schlachten.
Noch deutlicher erkennen wir aus der Behandlung der Schlacht
von Ghäronea (S. 124 — 195) die grofse Bedeutung der Erforschung des
Schlachtfeldes. Diodors und Polyäns Schilderungen haben, wenn sie
auch wirklich, wie E. (S. 10 u. 167 Anm. 3) annimmt, auf militärisch
gute Quellen zurückgehen, doch nur einen untergeordneten Wert. Be-
züglich des Feldzuges und seiner Chronologie sucht Verf. durch ge-
schickte Verwertung und Eombinierung der vereinzelten Bemerkungen bei
den Schrifstellem, besonders auch in gleichzeitigen Beden, die für die
Chronologie freilich nicht viel bieten, über die bisherigen Besultate hinaus-
zukommen. Ein Hauptpunkt der Chronologie ist aufser dem Datum der
Schlacht die Zeit der Besetzung Elateas durch Philipp.. Die Besetzung
fällt in 339, aber kaum, wie E. (S. 172—176) annimmt, schon in An-
fang September, sondern erst in den Spätherbst; von den beiden für die
Schlacht möglichen Daten (2. August oder 1. September) wählt E. den
2. August 338. Über die militärischen Bewegungen beider Heere vor
^
Nene Philologische Kundscliau iTr. 26. 60d
der Schlacht erhalten wir von dem der Ortlichkeit vollständig kundigen
Verf. vorzügliche Auskunft. So fiber die Stellung Philipps von Elatea bis
Eytinion und die Besetzung der Linie von Parapotamioi bis zum Passe
von Graviä seitens der Griechen, die, an sich eine gute, doch von den
mannigfaltig zusammengesetzten und meist undisziplinierten Truppen der
Verbündeten — E. ist hier wohl etwas zu optimistisch — kaum gehalten
werden konnte. Gleich überzeugend ist die Schilderung der Einnahme
des Passes von Oraviä durch Philipp und der Aufstellung der Helleneu
zur Schlacht, zu der sie durch die politische Lage gedrängt wurden. Der
Baum, innerhalb dessen die Schlacht geschlagen sein mufs, ist auf 2 bis
3 Dkm eingeschränkt; nach des Verf. sehr annehmbarer Ansicht standen
die Hellenen vom westlichsten der drei in der Gegend von Ghäronea nach
Norden in die Ebene fliefsenden Bäche (Haimon bei Plut. Demosth. 19)
bis zum Westende des Akontiongebirges. Dafs Philipp mit seinem Flügel
zunächst zurückging, stimmt gut zur Beschaffenheit des Geländes, da er
dadurch die Athener aus einer sehr gedeckten Stellung in eine un-
günstige lockte. — Für ein Urteil über die Stärke der Streitkräfte
kann nach meiner Ansicht Justin kaum in Frage kommen, da Pompeius
Trogus den Sieg Philipps vermutlich hat vergröfsem wollen; Diodor kann
mit seiner Angabe von mehr als 30000 Mann zu Fufs und 2000 Reitern
auf Seiten der Makedonier und einer geringeren Macht auf der anderen
Seite das Richtige bieten. Die mühevollen und sorgfältigen Zusammen-
stellungen E.s, deren Resultat nur durch die schwierige Schätzung der
Truppenmacht der kleinen hellenischen Staaten, auch der Böoter, etwas
beeinträchtigt wird, kommen bei einem der Lage entsprechenden Abzüge
auf der hellenischen Seite ungeMr auf dasselbe Resultat. Im ganzen
führt E. durch seine sorgfältigen Zusammenstellungen, Untersuchungen
und Eombinationen, durch die Berücksichtigung der politischen Lage, ins-
besondere aber mit Hilfe seiner genauen Eenntnis des Geländes die Lösung
der mit dem Verständnis der Schlacht verknüpften Probleme erheblich
weiter.
In der Studie über die Schlacht von Sellasia (S. 196—277) führt
E., um das Verständnis zu f&rdern, in einem einleitenden Abschnitt auch
in die Anfänge des Erieges. Von den Quellen, die über die Schlacht
berichten, gibt er mit Recht dem Polybios den Vorzug. Selbst Delbrück,
der anfangs behauptete, dafs des Polybios Darstellung kriegsgeschichtlich
nicht zu verwerten sei, gibt im zweiten Bande seiner Geschichte der
61d Keaa Philotogiachi ftunJachan Hr. 26. ^
Eriegskonst schon zu, daTs ,,die Schlicht naninehr in gewissen grobeo Zfigen
Yereiftodlich '^ sei ; yielleicht kommt Polybios noch ganz zu seinem Becht.
Denn wir mfissen annehmen, dals er selbst das Sohlachtgelände genau
gekannt hat und seine Darstellung, wie E. (S. 272—276) erweist, auf
dem Originalbericht eines Augenzeugen der Schlacht, und zwar eines
Megalopolitaners in höherer Stellung und aus der unmittelbaren ümgebaug
des Philopömen beruht. Übrigens zeigt E., dafs Plutarchs Nachrichten
in ihren besseren Teilen, so im PhilopSmen, auf des Polybios Biographie
des Feldherrn zurfickgehen und nur, was er im Eleomenes aus Phylarch
hat, schon an sich im Werte zurücksteht. E.s Eritik der Quellen, wie
auch seine Auaftthrungen über die St&rke der beiden Armeen, seheint mir
in jeder Hinsicht stichhaltig.
Oanz besondere Verdienste haben sich E. und seine militärischen
Mitarbeiter, in erster Liaie Hauptmann Goppel, von dem eine sdbständige,
vorz^liche Aufnahme des Schlachtfeldes (Earte 5) herrührt, um die Be-
stimmung dieses erworben. Sie haben die Gegend genau untersucht und
sich, durch die Darstellung des Polybios und militärische Gesichtspunkte
geleitet, für das mittlere Eelephinatal, wohin schon Bofs die Schlacht
verlegte, entschieden. Da die nach diesem in Betracht kommende Strecke
von 3—4 km weiter eingeschränkt wird durch E.s Entdeckung eines
antiken Wegea, der s(^n 2 km südlich von der Vereinigung der drei von
Norden kommenden Straisen das Eelephinatal in südwe^icher Bichtung
verläfst, braucht E. nur mit diesen beiden Eilometern des Tales zu rechnen.
Seine Darstellung der Schlacht (S. 223-*244) macht einen tberzeugenden
Eindruck.
Dennoch habe ich leise Zweifel daran, dafs E. die alte Streitfrage
endgültig entschieden hat. Zwar weist er in der Beilage I die Einwürfe
Delbrück» (a. a. 0. I, 208 ff. und besonders II, 11 ff.) im ganzen über-
zeugend zurück, aber es bleiben mir gegen seine Ansetzung des Schlacht-
feldes einige Bedenken. Ist ea nicht auffallend, dafs Antigonos anfangs
für sein ganzes Heer den Gorgylos zum 7tq6ßXriixa nimmt? Soll man
der Nachricht, dafs die Makedonier fünf Stadien zurückgedrängt seien, die
zu dem von E. ai^enommenen Schlachtfelde nicht pafst (vgl. E. S. 244
Anm. 2 u. S. 272), jeden Glauben absprechen? Sie stammt aus Phjlarch
(Plut. Eleom. 28), tritt aber sehr bestimmt au£ Nicht ganz gelungea
scheint mir auch E.s Bechtfertigung des Verhaltens des Eleomenes nach
der Einnahme des Euas durch die Feinde (E. S. 261 f. ; vgL S. 242
^
ITene Philologiscbd BondBobaa Nr. 26. 611
nnd Delbr. I, 211). Die ErkläruDg liegt vielleicht m der Schwäche des
Eleomenes dem Antigonos gegenfiber, aber jedenfalls verdient die Stellung
auf dem Euas flberhaupt nicht das Lob, das ihr E. zollt Es war der
Schlflssel der ganzen Aufstellung der Spartaner, und dieser Schlüssel
konnte genommen werden, ohne dafs die Hauptmacht zur Verwendung
kam. Entweder ist auch des Polybios (II, 66, 11 f.) urteil von der Yor-
züglichkeit der Position der Spartaner unrichtig, oder er hat ein anderes
Terrain im Sinne gehabt. Schliefslich ist auch wohl Zweifel angebracht,
ob der Aufstieg der Feinde auf den Euas, wie E. ihn annimmt, überhaupt
möglich war. — Leakes Ansicht, dafs das Schlachtfeld an der unteren
Eelephina zu suchen sei, ist von E. (S. 220 f.) widerlegt; für die Eie-
pertsche Ansetzung desselben am Vereinigungspunkte des Baches von Yre-
sthena und der Eelephina ist nach E. (S. 219 Anm. 1) nicht jede Mög-
lichkeit ausgeschlossen. Ich glaube, das Schlachtfeld ist noch nörd-
licher, und zwar etwa da, wo sich der von rechts kommende und mit
dem obersten Laufe der Eelephina ziemlich parallel fliefsende Bach mit
ihr vereinigt, zu suchen, in einer Oegend, die E. nicht mehr als in Be-
tracht kommend angesehen hat. Dafs Antigonos von Argos über Tegea
kam, wufste Eleomenes nach Plut. Eleom. 26, einer Notiz, die doch
wahrscheinlich auf Polybios zurückgeht, und durch die schwierige Elisura
hat er nach meiner Ansicht schwerlich seinen Anmarsch erwartet, sondern
über Earyai ^) ; aber auch für jenen Fall konnte er von der von mir oben
bezeichneten Stellung aus leicht mit einem Detachement an der Elisura
Fühlung behalten. Eleomenes müfste dann zwischen der Eelephina und
dem nördlichen Ufer des Baches von Vresthena, Eukleidas unmittelbar
gegenüber am westlichen Ufer der Eelephina, nach Nordosten durch den
oben genannten, in die Eelephina fliefsenden Bach (= Gorgylos) gedeckt,
gestanden haben. Diese nördlichere Ansetzung von Olymp und Euas
scheint mir wenigstens Polyb. II, 66, 8 {an airilg Tfjg siaddov) und
Y, 24, 9 f. im Zusammenhange von Eap. 22 an zu fordern. Auch scheint
diese ganze Gegend des Pamon bis an die Eelephina Olympos geheifsen
zu haben (vgl. Bursian, Geogr. v. Griechenland II, 135), und vielleicht
ist die Gebirgsmasse auf der westlichen Seite dieses Flusses mit dem nord-
1) 369 geben die von Maniinea naob Süden gegen LakonkB zifbenden TtaebaBer
Ober Earyai nach SeHaeia (Xenopb. Hell VI, 6, 23-27; Diod XV, 64, 1). Über
Saxyai marichiert auch T. Qainctiiu Flamioiniui ans der Ckgend vonTtgea nach Sel-
lasia (LiY. XXXIV, 26, 9; 28, 1).
612 Nene Fhilologiscbe Bandseban Kr. 26.
östlich davon gelegenen Orte Ena (vgl. Borsian a. a. 0., S. 71 f. nnd
E. Curtius Pelop. II, 383) gleichnamig gewesen. Dagegen dürfte die Berg-
masse, die K., wie andere, mit dem Euas identifiziert, der Thornax
bei Paosan. in, 10, 8 sein, an dessen Namen noch hente die Bezeich-
nung „Turla^^ für Höhen in unmittelbarer Nähe derselben Bergmasse
anklingt. Auch kann eine lautliche Erinnerung an den Gorgylos in dem
nur zuerst so verschieden scheinenden Namen des heutigen Ortes Vourvoora
(vgl. die Karte von Hellas zu Bädekers Griechenland) stecken, bei dem
die Quelle des Baches liegt, den ich als den Gorgylos annehme; es gibt
ja neugriechische Ortsnamen, in denen die labiale Spirans aus der guttu-
ralen Media entstanden ist. Ob das von mir bezeichnete Terrain in
militärischer Hinsicht dem Schlachtberichte des Polybios entspricht, müfste
am Orte selbst festgestellt werden ^).
Über die Behandlung der Schlacht bei Mantinea vom Jahre 20 7
(S. 278—314) wenigstens noch einige Worte. Auch hier besteht der uns
lückenhaft und schlecht überlieferte Bericht des Polybios bei sorgi<iger
Berücksichtigung der politisch-militärischen Lage vollständig vor der Kri-
tik; ein Widerspruch ist weder in ihm selbst noch zwischen ihm und
dem aus des Polybios Philopömen stammenden des Plutarch, der aller-
dings Flüchtigkeit zeigt. — Die Stellung PhilopOmens ist durch die Beste
des Poseidon-Tempels am Fufse des Alesion lokalisiert. Der Graben, der
im Süden stark zwei Drittel des achäischen Heeres deckte, begann im
Westen bei der Katavothre von Milia und endete, wie schon Guischardt
angenommen hat, im Osten 7 — 800 Meter von dem genannten Tempel.
Die Brücke, in deren Nähe Philopömen den Machanidas mit eigener Hand
niedermachte, ist die der Strafse nach Pallantion. — Noch manche
1) Auch Sellasia hat, glaube ich, bedeutend nördlicher gelegen, als es jetzt
allgemein, auch von E. (S. 212 Anm. 1), angesetzt wird. Xenophon (HelL H, 2, 13
u. 19; VI, 5, 27; VII, 4, 12) und Polybios (XVI, 37 — nach dieser Stelle war es
nordöstlich von Pellana — ) müssen es sich als nördlicher liegend vorgestellt haben,
und damit stimmt, was wir bei Livius (XXXIV, 28; vgl. XXVI, 9), bei Diodor (XV,
64, 1 u. 5) und bei Polyän (III, 11, 6 — !) lesen. Auch die Worte bei Paus. III, 10, 7,
die nur durch Zusätze in der lateinischen Übersetzung (vgl. Ausg. von Schubarth und
Walz) entstellt sind, passen durchaus dazu. Liv. XXXIV, 28 scheint in die Gegend
von Arachova, auf das linke Ufer der Eelephina und vielleicht ein wenig südlicher zu
weisen; auch die Artemis Sellasia deutet auf die Nähe Sellasias bei Karyai, wo die
Festtänze der spartanischen Jungfrauen stattfanden. — Die Frage verdient meines
Erachtens, wie die nach der Lage des Olympos und Euas, noch einmal genau durch-
forscht zu werden.
Nene Fhilologisclie Bundscban Nr. 26. 613
Einzelheiten des Schlachtverlanfes werden durch E. in richtige Beleuch-
tung gerückt. Die Eatapelten des Machanidas hatten eigentlich fQr eine
Belagerung Mantineas dienen sollen. Als dessen rechter Flügel zwischen
dem Graben und dem Poseidon-Tempel hindurchgebrochen war, liefs Philo-
pömen die am weitesten nach Ituks stehende Abteilung seines linken
Phalanxflügels einfach „Linksum'' machen und sich im Laufschritt dorthin
bewegen. Dafs Philopömen darauf nicht dort einen Hauptaugriff unter-
nahm, kommt daher — und dies meint auch Polybios tatsächlich ->, dafs
die spartanische Phalanx dem Angriffe des Philopömen zuvorkam. Durch
eine Beihe von solchen Klärungen erhalten wir bei E. zum ersten Male
ein wirklich lichtvolles und verständliches Bild des ganzen Verlaufes dieser
Schlacht bei Mantinea.
Auch das Seh lufs wort, auf dessen theoretische Ergebnisse ich nicht
mehr eingehen kann, ist sehr lesenswert. Mit Recht wird in ihm u. a. auch be-
sonders der enge Zusammenhang zwischen Schlacht und Schlachtgelände betont.
Erwähnen mufs ich noch die schöne Ausstattung des gut und fesselnd
geschriebenen Buches, dem vorzügliche Earten und Skizzen sowie hübsche
Lichtdrucke beigegeben sind.
Hadersleben. Aem. Piatsohowlas.
)22) Otto Bardenhewer, Oesohiohte der altkirohliohen Lite-
ratur. Zweiter Band: Vom Ende des zweiten Jahrhun-
derts bis zum Beginn des vierten Jahrhunderts.
Freiburg i. Br., Herdersche Verlagsbuchhandlung, 1903. XVI u.
665 S. 8. Ji 11.40; geb. Ji U.-.
Der erste Band dieses grofs angelegten, auf sechs Bände berechneten
Unternehmens ist in Nr. 14 des Jahrg. 1902 der Bundschau angezeigt
und empfohlen worden. Aus Versehen war dort gesagt, dafs der zweite
Band bis zum Ende des 4. Jahrh. reichen solle; in Wirklichkeit war
auch schon in der Vorrede des ersten Bandes, wie jetzt auf dem Titel,
nur der Beginn, nicht das Ende dieses Jahrhunderts genannt. In zwei
Teilen behandelt der Band die kirchliche Literatur des 3. Jahrb., das
als ^das Zeitalter der Entstehung einer theologischen Wissenschaft' be-
zeichnet wird, und zwar in einem ersten Teil die Schriftsteller des Orients,
im zweiten die des Okzidents. Ein Nachtrag gilt den ältesten Märtyrer-
akten von der Mitte des 2. Jahrh. an, und ein Anhang den jüdischen
und heidnischen Schriften, welche von den Christen übernommen und
614 Ken« Phüoloi^he Rniidsehaa Nr. 26.
überarbeitet worden sind. Dieser Anhang (S. 90) ist etwas kürzer als die
übrige Literatur behandelt. Für die selbständige christliche Literatur
haben wir hier, wie ans der Anzeige des ersten Bandes wiederholt werden
darf, einen durchaus zuverlässigen Führer. Selbst auf den Gebieten, auf
denen ich genauer zu Hause bin, wüTste ich nur weniges nachzutragen.
Clemens von Alexandria ist auf 50, Origenes auf 90 Seiten behandelt
Von den Lateinern erhält TertuUian 62, Cyprian 70, der griechisch
schreibende B5mer Hippolytus 60 Seiten. An Wiederholungen fehlt es
allerdings nicht ganz, namentlich in den voraus- oder nachgeschickten
allgemeinen Überblicken, vgl. S. 365 u. 381, 327 mit 392 u. 455, 341
u. 493, 396 u. 457. Der Druck ist sehr korrekt. Einzig aufTallend ist
die Schärfe gegen Harnack in Anmerkungen wie S. 362. 388. Der
katholische Standpunkt des Verf. verrät sich, abgesehen von dem Titel,
den er im Vorwort zu rechtfertigen sucht, nur leise, z. B. in der Tat-
äache, dals aus Cyprian wohl das im Wortlaut angeführt wird, was er
zum Preise von Born sagt, während von den ebenso bezeichnenden Worten
gegen Bom kein einziges im Original zitiert ist. Unter den Literatur-
angal^en vermisse ich da und dort die Artikel der Protestantischen Beal-
enzyklop&die, z. B. von Bonwetsch bei Clemens und Hippolytus, von Preu-
sehen bei Laktanz. Die Aufsätze von Harnack zu Theognost und Theonas
waren offenbar noch nicht erschienen, als die betreffenden Bogen gedruckt
wurden, ebenso der dritte Band der Oxyrhynchus Papyri mit dem inter-
essanten Bruchstück aus Julius Africanus. Von dem Beichtum des In-
halts mögen die Paragraphenüberschriften 45 — 60 zeugen: Pantänus, Ele-
mens, Judas, Origenes, Demetrius von Alexandrien und Herakles von
Alexandrien, Ambrosius und Tryphon, Ammonius, Dionysius von Alexan-
drien, Anatolius, Theognostus, Pierius, Petrus von Alexandrien, Pbileas
von Thmuis, Hesychius, Hierakas, der sogen. Theonasbrief und der Brief
des Presbyters Psenosiris. Dies die im ersten Kapitel behandelten Ale-
xandriner; dann kommen die Syro-Palästinenser (§ 60 — 70) und die Klein-
asiaten (§ 71—74), und ähnlich im zweiten Teil bei den Schriftstellern
des Okzidents zuerst die Afrikaner (§ 77—80), dann die Bömer (§ 81- 84)
und die übrigen Okzideutalen (§ 85 — 88). Als kleine Berichtigung noch,
dab S. 149, Anm. 4, auf eine Schrift von Erusch verwiesen ist, als
%a. a. O.'S die, soweit ich gesehen, mit ihrem vollen Titel erst S. 193
genannt ist. Möge das Werk fröhlich weiterschreiten.
Manlbronn. Bb. NMtl#.
' Nwie Phaologjach» BandselMWi Nr. 26. BIS
323) Wilhelm Freund, Wie stadiert man klassiscfae Philo-
logie? Sechste, vennehrte und rerbesserte Auflage, bearbeitet
von H. Beiter. Stuti^rt, Wilhelm Yiolet, 1903. 212 S. 8.
Wie Wilhelm Freunds Triennium philologicum von den Studierenden
der klassisdben Philologie, jQngeren und Siteren Semestern, als Bepetitorium
und Bepertorium geschätzt wird, so erfreut sich auch sein Werkchen : Wie
studiert man klassische Philologie? seit einer langen Reihe yon Jahren im
Kreise derer, die sich dieser Wissenschaft widmen, der gröfsten Beliebtheit.
Die zur Besprechung vorliegende sechste Auflage ist, den Erforder-
nissen der Neuzeit entsprechend, von H. Deiter bearbeitet Vergleicht
man sie mit frOheren Auflagen, so mufs man anerkennen, dafs die aus
jenen übernommenen Partien (zweites Kapitel: Name, Begriff und um-
fang der klassischen Philologie; drittes Kapitel: Die einzelnen Disziplinen
der klassischen Philologie; fünftes Kapitel: Die Meister der klasriscben
Philologie in alter und neuer Zeit; sechstes Kapitel: Die Bibliothek des
Studierenden der klassischen Philologie) in vorteilbaftestor Weise gekfirzt
bzw. erweitert und berichtigt worden sind. Neu hinzugetreten sind das
erste Kapitel: Die Universität und ihre Einrichtungen, das vierte Kapitel:
Das Studium der klassischen Philologie nebst Yerteilui^ der Arbeit auf
acht Semester; wie diese, so tragen auch die beiden letzten Kapitel (die
Staatsprüfung und die Promotion) nicht nur der wissenschaftlichen, son-
dern auch der praktischen Seite des Studiums Rechnung, indem sie dem
ai^h^den Philologen eine Fülle schätzenswerter, auf reiflicher Er-
wägung beruhender Batschläge an die Hand geben. Nicht ohne Interesse
ist auch, von den übrigen Zutaten abgesehen, die im Anhange mitgeteilte
Zusammenstellung der jetzigen Lehrer der klassischen Philologie und ihrer
hauptsächlichsten Vorlesungen im Sommersemester 1903.
Da die vorliegende Auflage also mit vollem Bechte als eine ver-
noehrte und verbesserte bezeichnet werden darf, sei sie allen, die ihre
Schritte dem Studium der klassischen Philologie zulenken, als zuverlässiger,
zeit- und sachgemäfser Mentor aufs beste empfohlen!
Wernigerode a. H. Max Hedermaim.
324) Toreau de Mamey, Grammaire &an9ai8e idöographique.
Französische Grammatik mit suggerierenden (ideographischen)
Zeichen. Leipzig« £. Haberland, 1903. VII u. 134 S. 8. Ji 2.50.
Der Verf. dieses Buches will mit Hilfe der Ideographie, d. L einer
Methode, Begriffe und Oedanken durdi kurae und einfache Zekhen dar-
616 Nene Philologische KnndBchan Nr. 26.
zustellen und dem Gedächtnis einzuprägen, den Lernenden befähigen, sich
alle Einzelheiten der französischen Grammatik schnell und sicher anzu-
eignen. Ein ungeahnter Erfolg soll der Lohn dieser neuen Lehrweise sein.
Ich mufs gestehen, dafs ich nicht einzusehen vermag, inwiefern die
aus geraden und krummen Linien bestehenden Diagramme dazu beitragen
könnten, die Übermittelung der Formen und Gesetze der fremden Sprache
zu erleichtern. Insbesondere scheint mir die Einübung der Konjugation
an der Hand der symbolischen Zeichen durchaus nicht vereinfacht Denn
eine Vereinfachung liegt doch nicht darin, wenn z. B. verlangt wird, dafs
21 unregelmäfsige Imperfektformen besonders gelernt werden. Bisher
leitete man dieses Tempus von der nous-Form des Präsens ab, und es
ergab sich dabei, dafs die französische Sprache keine einzige unregel-
mäfsige Imperfektform hat. An anderer Stelle wird der Nutzen der Ver-
allgemeinerung besonders lebhaft betont. Es wird gesagt, dafs man alle
Verben der ersten Konjugation zu handhaben versteht, sobald man ein
Verb dieser Konjugation gründlich gelernt hat. Glaubt denn der Verf., dafs
das bei den bisherigen Methoden anders war? Welchen Zweck hat es,
Infinitive wie ester, quärir, fiorir, chaloir, duire, tistre u. a. zu verzeichnen ?
Wozu ist es nötig, die Paradigmen der vier Konjugationen an drei ver-
schiedenen Stellen aufzufuhren und fragende, verneinte und passive Formen
durch ganze Tempora hindurch zur Anschauung zu bringen? Die Folge
davon ist, dafs die Behandlung des Verbs einen unverhältnismäfsig grofsen
Raum einnimmt, drei Viertel des ganzen Buches. Wird sich der Schüler
das Geschlecht der Substantive besser merken, wenn man ihm, wie es
S. 102 geschieht, 25 weibliche Endungen mit zahlreichen Ausnahmen
bietet? Der lautliche Teil ist im allgemeinen korrekt, doch sollte man
nicht französische Laute, z. B. p, t und h den entsprechenden deutschen
Lauten gleichsetzen. Ebensowenig ist der dumpfe französische e-Lant
gleich deutschem e in Gabe. Noch auffälliger ist S. 15 die Behauptung,
dafs die Verbalendung ai wie ä ausgesprochen wird.
Der Fleifs, den der Verf. auf sein Werk verwandt hat, verdient alles
Lob ; aber die Methode, die er empfiehlt, wird schwerlich Anhänger finden.
Altona-Ottensen. B. Schmidt.
325) Fr. Lotsch et E. de Sauzö, Journal des demoiselles.
Leipzig, Bengersche Buchhandlung, 1903. 8. Jährlich Ji 6.—.
Dem bei Benger erscheinenden und von Imker herausgegebenen Fran-
zösisch-englischen Lern- und Übungsblatt (English- Journal -Fran9ais),
'^
Nene PbilologlBcbe Bnndsehan Kr. 26. 617
welches hauptsächlich ffir die männliche Jugend bestimmt ist, hat sich
neuerdings in gleichem Verlage als Gegenstfick für die weibliche — zu-
nächst freilich nur fßr die französische Sprache — oben genannte Zeit-
schrift zugesellt.
Die bisher vom April bis September erschienenen elf Nummern lassen er-
kennen, dafs es den Herausgebern mit ihrer Absicht den jungen Leserinnen
ein Mittel zu liefern zur Erhaltung ihrer sprachlichen Kenntnisse und zur
EinfQhrung in das literarische Leben Frankreichs, durchaus ernst ist.
Der Inhalt setzt sich in bunter Abwechselung aus kleinen Erzählungen,
literarischen, wissenschaftlichen und kulturgeschichtlichen Mitteilungen, Ge-
dichten, Anekdoten, Bätsein u. a. zusammen, und fiberall merkt man, dafs
bei der Auswahl mit peinlicher Sorgfalt verfahren wird und in stetem
Hinblick auf das Ziel den Leserinnen Anregendes und Belehrendes in an-
genehmer Form zu bieten.
Von Artikeln literaturgeschichtlichen Inhalts heben wir hervor Y. Hugo,
prosateur, worin neben einer gerechten Würdigung des Dichters auch hfibsche
Episoden aus seinen beiden bedeutendsten Bomanen Notre Dame de Paris
und Les Miserables geboten werden, ferner Legouv^, Tart de bien lire, Gaston
Paris und Chansons populaires. Auch eine der neuesten Gestalten auf
dramatischem Gebiete wird vorgeffihrt, der vielgefeierte Verfasser des Cy-
rano de Bergerac, Edmond Bestand, und in der letzten Nummer wird auch
mit dem Abdruck eines amfisanten dramatischen Schwanks der älteren
Zeit, der bekannten Farce Patelin, begonnen.
Ober Sitten und Gebräuche handeln u. a. die Artikel Mai, les
Bosi^res, Feux de la Saint-Jean, üne Strange coutume. Von Erzählungen
nenne ich Mateo Falcone von Merim^e, eine korsische Geschichte; Jean
Beboul, eine Probe von A. Dumas* Erzählungskunst, aufserdem ein Stflck
aus Poum, dem reizenden Werkchen von Paul et Victor Margueritte, den
schon berfihmt gewordenen Söhnen des im Todesritt von Sedan gefallenen
tapferen Beitergenerals. Etwas zu rührselig ist nach meinem Geschmack
L'Orgue enchantä von Bouchez; doch mag das ja für manche jugendliche
Leserinnen gerade das Bichtige sein.
Wir können nicht umhin, die Verfasser zu diesem AnfiE^ng ihres
Unternehmens zu beglückwünschen und glauben ihnen einen guten Erfolg
davon voraussagen zu dürfen.
Dessau.
618 Nene FhiMogifolie Bondiehaii Kr. 26.
326) English Men of Letten. Frederio HaniBOiii John Buakm.
London, Macmillan & Co., 1902. YIII a. 216S. 8. geb. 2 b.
Die früher erschienenen Biographien Buskins sind entweder sehr nm-
fangreich oder einseitig and Iflckenhaft und dämm kritisch nicht zuver-
lässig. Die vorliegende hat nun jenen gegenüber unleugbare Vorzüge.
Sie ist von hoher Warte geschrieben, das Werk eines feinsinnigen, weitherzi-
gen Literaten, eines Meisters der englischen Prosa, und bietet auf 216 Seiten
eine vollständige aber zusammengedrängte, eine sympathische aber durch-
aus unparteiische Darstellung des Lebens und der Werke John Buskins.
Die 'English Men of Letters" Series* hat durch die vorliegende Mono-
graphie also eine wertvolle Bereicherung erfahren« Harrisons Darstellung
beruht auf persönlichen Erinnerungen an gemeinsames Streben , auf einer
genauen Kenntnis der vorhandenen Literatur und vor allem auf. einem
vorurteilslosen Studium der Ideen Buskins. Er hat es verstanden, die
günstigen und ungünstigen Einflüsse, welche auf Buskin von Kindheit an
einwirkten und sein späteres Wesen bestimmten, so einzuordnen, dafs dem
Leser das schliefsliche tragische Geschick nicht nur verständlich, sondern
folgerichtig erscheint. Buskins Ideen aber hat er nicht nur nachgedacht,
sondern auch prüfend weitergedacht. Und hier setzt dann seine Kritik
ein, die bei allem Wohlwollen Buskins Schwächen nicht übergeht und
seine Schlufsfolgerungen nicht teilt In dieser unparteiischen, Punkt für
Punkt geübten Kritik scheint mir der Hauptwert des Buches zu liegen,
während ich den andern in der kondensierten Vollständigkeit seines In-
halts finden mOchte. Alle bedeutenderen Werke Buskins sind charakteri-
siert, doch ohne lange Exkurse oder Inhaltsangaben. Nur 'Fors\ das neben
vielem Unbrauchbaren Buskins typische Gedanken enthält, ist mehr Baum
gewidmet. Jeder menschlich Fühlende wird nicht ohne Eiigriffenheit die
Kapitel über Buskins persönliches Leid, seine Enttäuschungen und selbst-
quälerischen Gedanken lesen. Interessant sind die Partien, wo Harrison
die Punkte hervorhebt, in denen sich Buskin mit A. Gomte berührt, ohne
Sympathie für ihn zu haben oder ihn auch nur zu kennen. Auf die
sozialen Schriften 1^ Harrison indes mit Becht das gröfsere Gewicht
und nennt Buskin bezeichnend: 'a pioneer of the things which to-day the
best spirits of our time yeam to see\ Buskins Kunstphilosophie mag
hinter uns liegen — seine Verdienste um neue Ideale kann niemand
schmälern — , und wenn wir auch heute vielerlei von seinen sozialen
Forderungen erfüllt sehen — in Deutschland z. B. Unfall-, Alters- und
Nene PhOoIogisohe Bnndiebaa Kr. 26. 619
InyalidenversicheniDg — , so murs doch unser soziales Gewissen noch eine
bedeutende Schärfung erfahren. Und nach dieser Sichtung hin wird auch
das vorliegende Buch wirken, dessen LektQre ich warm empfehlen kann.
Denn es handelt sich schliefslich um die Darstellung des Versuchs eines
bedeutenden Mannes, ernste Eulturfragen zu lösen, durch einen Mitkämpfer
von klarem Blick und warmem Herzen.
Bremen. P. Wllkeas.
327) Bonner Beitrftge snir Anglistik. Herausgegeben von M. Traut-
mann. Heft VII: Trautmann, Finn und Hildebrand. Zwei
Beiträge zur Kenntnis der altgermaniscben Heldendichtung.
Heft VIII: E. Krämer, Die altenglischen Metren des Boetius.
Herausgegeben und mit vollständigem Wörterbuch versehen.
Heft XII: Sammelheft. Bonn, P. Hansteins Verlag, 1903.
1902. 131, 150, 182 S. 8. JH 4.50-, Jf 4.50; Ji 5.-.
Von dieser schönen Bonner Sanmüung, deren letzte Heftgruppe
(IX — XI) wir auf S. 597 S. im Jahrg. 1902 dieser Zeitschr. kurz besprochen
haben, zeichnet sich das uns nunmehr vorliegende XII. Heft durch einen
sehr merkwfirdigen Inhalt aus. Zwar der erste Aufsatz Finn fällt aus
dem Bahmen des Gewohnten nur dadurch äu&erlich heraus, dals Traut-
mann die altenglischen Buchstaben, so wie sie in den Handschriften ge-
schrieben sind, nachbilden ]iefs und nun in dieser historisch getreuen, uns
zunächst zwar etwas auffällig erscheinenden, aber im Grunde doch an-
erkennenswerten Form die altenglischen Vierte abdruckt, ein Verfahren,
das zweifellos f&r die Beurteilung textkritischer Fragen viel ffir sich hat.
Inhaltlich bietet der Aufsatz eine dankenswerte, von einigen Fehlgriffen
allerdings nicht freie, aber scharfsinnige und sachliche kritische Erläuterung der
beiden bekannten Finntexte, Beowulf V. 1069—1159 und des Finnbruch-
stfickes. Auf diese „Berichtigung und Erklärung^' der Texte folgen dann
einige Bemerkungen fiber die uns nur recht dfirftig bekannte Finnsage,
darauf ein Abdruck der von Trautmann neu hergestellten Texte in den alt-
englischen Typen und eine von ihm angefertigte neuhochdeutsche Über-
setzung davon. — Der zweite Beitrag aber, Hilddfrand, ist &st revolu-
tionär zu nennen, denn er stellt die gänzlich neue, kfihne Behauptung
auf, dafs das bekannte althochdeutsche Hildebr<mdslied nicht deutschen,
sondern altenglischen Ursprunges sei und dafs die uns erhaltene Fassung
nichts als eine Übersetzung aus dem Altenglischen ist. Auf sechs Grfinde
620 Neue Fhilologigche RnndBchan Nr. 26.
stfitzt er diese Thesen: 1) kommen in der Handschrift mehrere alteng-
lische Buchstaben vor, 2) enthält sie einige altenglische Worte, 3) stim-
men ganze Wendungen mit solchen flbereln, die wir ans der Sprache der
altenglischen Dichter kennen, 4) ergeben richtige althochdeutsche Verse bei
wörtlicher Übersetzung ins Altenglische richtige altenglische Verse, 5) wer-
den fehlerhafte althochdeutsche Verse bei wörtlicher Übersetzung zu rich-
tigen altenglischen Versen und 6) entstehen beim Übersetzen tadellose
altenglische Verse, wenn man unnötige und der Sprache der altenglischen
Dichter ungemäfse Worte tilgt! Dem Beweise dieser Behauptungen gilt
die gesamte umfangreiche „Berichtigung und Erklärung'^ des Textes, bei
der es an Gewalttätigkeit und Willkür gegenüber der Überlieferung keines-
wegs fehlt, wenn auch ein paar glückliche Erklärungsversuche nicht ab-
geleugnet werden sollen. Im einzelnen auf eine Widerlegung dieser selt-
samen Hypothese einzugehen , die dem Germanisten nicht schwer fallen
dürfte, ist hier nicht der Ort, und es sei nur auf H. Jantzens Au&atz in
Nr. 209 der Beilage zur Allg. Ztg. (München) hingewiesen, der ausführ-
lich dagegen zu Felde zieht und an dem altniederdeutschen Ursprung des
Liedes festhält.
Heft Vni bringt dagegen mit der schönen neuen Ausgabe der Metra
des Boetius von Krämer wieder eine sehr ernsthafte und anerkennenswerte
Leistung, die sich durch besondere Sorgfalt und Besonnenheit in der Text-
besorgung auszeichnet. Die Einleitung handelt ausführlich über Über-
lieferung und Quellen, über Versbau und Sprache und vor allem über die
Ver&sserfrage. Krämer bleibt auf Grund eingehender Prüfung des Ma-
terials und der bisher geäufserten Meinungen bei der Ansicht beharren,
dafs König Alfred ihr Verfasser sei. Zwar könne man das nicht unzwei-
deutig beweisen, aber man könne noch weniger stichhaltige Gründe da-
gegen anführen. Es folgt dann nach einer Übersicht über die bisherige
Literatur die kritische Ausgabe selbst und, was besonders wertvoll ist,
ein vollständiges Wörterbuch zu den Gedichten mit Angabe aller
Belegstellen.
Das Sammelheft XII enthält vier gröfsere Arbeiten. In der ersten
legt H. Forstmann etwas weitschweifige „Untersuchungen zur
Guthlac-Legende^* vor (S. 1—40). Ihr erster Abschnitt erörtert
sehr breit das Verhältnis des altenglischen Guthlac zur Vita S. Guthlaci
von Felix von Groyland und gelangt nur zur Bestätigung der längst fest-
gestellten Tatsache, dafs beide Werke voneinander unabhängig sind. Wich-
Nene Fhilologisobe Bandscliaa Nr. 26. 621
^ ■ ■ ■ .. ■_. •■•■ • ■•= 'B.
tiger ist der zweite Abschnitt, der eine Ausgabe der mittelenglischen
Guthlac- Legende nach den beiden vollständigen Handschr. gibt und
die Vita als Quelle des Dichters erweist. Ein SchluCsabschnitt endlich
stellt eine Bibliographie der in England erschienenen Guthlac-Biographien
zusammen. — In der zweiten Abhandlung legt L. Ostermann „ünter-
guchungen zu Batis Baving und dem Gedicht the Thewis of
Gud Women^' vor (S. 41—102), die zunächst eine Laut- und Flexions-
lehre enthalten; danach werden die Gedichte in den Sfiden Schottlands
und in die zweite Hälfte des 15. Jahrb. eingeordnet. Auch die metri-
schen Verhältnisse und die Verfasserfrage werden erörtert; als wichtigstes
Ergebnis ist dabei hervorzuheben, das Browns im Y. Hefte der Beiträge
aufgestellte Behauptung, die Gedichte stammten von einem Geistlichen
am Hofe Jakobs L, namens David Bäte, als hinfällig erwiesen wird. —
Bein metrischen Fragen ist die dritte Arbeit von A. Schneider ge-
widmet, „Die mittelenglische Stabzeile im 15. und 16. Jahr-
hunderte Auf Grund fleifsiger und sorgfältiger Beobachtungen an einer
Beihe datierbarer, meist schottischer Gedichte wird nachgewiesen, — alles
nach Trautmannscher Methode und ganz in seinem Sinne — dafs die in
Frage kommenden Verse, die teils mit, teils ohne Endreim sind, ebenso
wie die gleichartigen des 14. und 15. Jahrh. als Siebeutakter aufzufassen
seien. — Der letzte Aufsatz von W.Heuser, „Festländische Ein-
flüsse im Mittelenglischen'S wirft eine sehr wichtige und noch
wenig geklärte Frage auf, indem er einen Teil des Einflusses zu erweisen
versucht, den die niederländische (vlämische) Sprache auf die englische
ausgeübt haben kann. Mehrfache Schreibungen und Formen in mittel-
englischen Bomanzen deuten ziemlich sicher darauf hin, dafs ein solcher
stattgefunden hat; ob dem wirklich so ist, und in welchem Mafse er vor-
handen ist, das genauer zu ermitteln, mufs noch weiterer Forschung vor-
behalten bleiben, aber schon die Anregung Heusers ist jedenfalls mit Dank
und Anerkennung zu begrüfsen. -tz-.
328) Otto, Oennan Conversation-Orammar. (Method Gaspey-
Otto-Sauer.) 28^ Edition, revised by Franz Lange« Heidel-
berg, London, etc., Julius Groos. VIII u. 418 S. 8. geb. ^5.—.
Die vorliegende neueste Auflage des altbekannten und in der Praxis
gut bewährten Ottoschen Lehrbuches unterscheidet sich von der vorher-
gehenden Ausgabe, abgesehen von Verbesserungen, die der Heransgeber
Neae Philologische Btindflchaü Nr. 26.
auf Grund aeiner Erfahrungen als ehemaliger Examinator der deutschen
Sprache und Literatur an der Universität Manchester im einzelnen ein-
geführt hat, namentlich dadurch, dafs jetzt im zweiten Teil tOt die früheren
Übungsstücke zusammenhängende Leseabschnitte eingesetzt worden sind,
und dafs ein ausführliches alphabetisches Wörterverzeichnis zu den eng-
lisch-deutschen Stücken hinzugekommen ist. Wir haben das Buch in
einer früheren Auflage längere Zeit hindurch beim Privatunterricht be-
nutzt und mit diesem recht befriedigende Erfolge erzielt. Die Ände-
rungen in der neuen Ausübe werden die Brauchbarkeit der Sprachlehre
jedenfalls nur erhöhen. Vielleicht wäre es kein Fehler, wenn später ein-
mal etwas mehr Hilfen für die Aussprachen hinzugefügt würden, nament-
lich da, wo die Quantität eines Vokals zweifelhaft sein kann (lachen, er-
wachen, Sache, nach und nach, brach, stach, Küste, Wüste u. dgl.),
Etwas „bookish^^ ist teilweise noch die Anwendung des Konjunktivs
Praesentis, wie sie auf S. 268 ff. gelehrt wird. Der Indikativ, welcher
hier in manchen Fällen als erlaubt hingestellt wird, mufste zumeist
soweit wenigstens die ungezwungene Umgangssprache und auch der nicht
rhetorisch gefärbte Schreibstil in Frage kommt, als das jetzt fast einzig
Gebräuchliche bezeichnet werden. Wir meinen Sätze wie z. B. die
folgenden (S. 269): „Sagen Sie es ihm, damit er es wisse ^S „Verstecken
Sie sich, damit man Sie hier nicht finde.'' (S. 271): „Bitten Sie Ihren
Vater, dafs er Ihnen Geld gebe." „Ich erlaube (oder: rate) nicht, dals
er nach Paris gehe.'' Auch die feinen Unterschiede zwischen Indikativ
und Konjunktiv, welche auf S. 272 unter (d) gelehrt werden, kommen für
die ungezwungene Sprech- und Schreibweise jetzt nicht mehr in Frage:
man setzt überall beim Präsens (bzw. Fatur) in den betreffenden Fällen
ruhig den Indikativ. Der Konjunktiv des Praeteritums (würde) ist
besser als der des Präsens in dem auf S. 269 gegebenen Beispiele: „Sie
begleiteten ihn, damit er nicht mutlos werde." Noch idiomatischer
allerdings wäre „damit er nicht mutlos werden sollte". -i-
329) A. Faz y Mölia, Taschenwörterbuch der spanischen
und deutschen Sprache. Berlin, Langenscheidtsche Yerlags-
buchhandlung (o. J.). XY u. 525 u. 486 S. 8. Beide Teile in
einem Bande. geb. Jf 8. 50.
Das vorliegende, von dem Oberbibliothekar an der Madrider National-
bibliothek Paz 7 Melia zusammengestellte Taschenwörterbuch zeichnet
Nene Philologische Bnndschau Nr. 26. 628
sich wie alle YeröfifentlichungeD der Yerlagsfirma durch vorzfiglich klaren
Druck und schöne, fibersichüiche Anordnung yorteilhafb aus. Gerade bei
Taschenwörterbfichem , bei denen es in erster Linie auf bequeme Be-
nutzung ankommt, ist dies immer das Haupterfordernis. Alles andere
erscheint dagegen nebensächlich. Aber das vorliegende Wörterbuch ver-
einigt hiermit auch noch einige andere Vorzüge. Es bietet in der be-
kannten, aber hiBr etwas vereinfachten phonetischen Umschreibung der
Methode Toussaint-Langenscheidt die genaue Aussprachebezeichnung. Auf-
ge£allen ist mir jedoch, dafs die Qualität der offenen und geschlossenen
e und 0 nicht angegeben ist. Dies müfste fflr die betonten Silben wenig-
stens durchgeführt werden. Ein Hauptgewicht ist ferner darauf gelegt,
dafs nur echt kastilianische und wirklich gebräuchliche Wörter, castellano
castizo, aufgenommen sind ; daf&r bürgt die Autorität des Verfassers. Bei
einer neuen Auflage dürfte es zweckmälsig sein, bei den spanischen Verben
Abweichungen in Betreff der Konjugation anzugeben.
Das in bequemem Format gedruckte Werk wird allen denen, die
eines Wörterbuches zu praktischen Zwecken, auf Reisen, beim Lesen und
im Geschäft bedürfen, sehr willkommen sein.
Bremen. W. RShrs.
330) K. Markscheffel, Der Internationale Schülerbriefwechsel.
' Marburg, Elwert, 1903. 44 S. 8. JH —.80.
Die Schrift gibt eine knappe Darstellung von der Entwickelung dieser
Einrichtung und hebt die Verdienste ihrer hauptsächlichen Förderer:
Mieille, Stead und Hartmann gebührend hervor. Unter den Zeitschriften,
welche f&r diese Institution eintreten, wäre auch die Nonysche Les Quatre
Langues zu erwähnen; auch sie vermittelt Korrespondenten und wendet sich
mit ihrem Inhalt an Schüler. Der Verf. legt ferner den vielseitigen
Nutzen des internationalen Schülerbriefwechsels dar, ohne ihre Mängel zu
verschweigen, mit Ausnahme eines und eines sehr gewichtigen : ich meine
die durch den brieflichen Verkehr übertragenen moralischen Schäden,
deren Möglichkeit meines Erachtens bei dem in Frankreich vorherrschen-
den System von Internaten und bei der oft bedenklichen Orientierung der
Neigungen ihrer Zöglinge nicht ganz von der Hand zu weisen ist. Und
eine strenge Überwachung, an sich schon dem Wesen des Briefwechsels
widerstreitend, ist unmöglich und das um so mehr, als die Adressen-
624 Nene Philologische RnndflchAQ Nr. 26.
YermitteluDg sehr oft nicht durch die Zentrale, sondern durch andere, schon
korrespondierende Schfiler geschieht.
Zum Schlufs gibt M. einige BrieFproben aus seinem Weimarer Er-
fahrungskreise und im Anhang die Begeln für den internationalen Schüler-
briefwechsel.
Flensburg. K. Engelke.
Vakanzen.
Gr.-Lichterfelde, 0. Obl. Deutsch u. N. Spr. Kuratorium.
Gaben, HMS. Direktor (N. Spr.). Magistrat.
Hagen 1. W., G. u. RG. Obl. Math. u. Phys. Direktor Dr. Braun.
Kiel, Bef.-G. Obl. Gesch. Magistrat.
limbarg, G. u. BG. Obl. Math. u. Phys. Kuratorium.
Lippstadt, BG. Obl. Gesch. Direktor.
Montabaur^ G. Obl. Deutsch. Kuratorium.
M.-Gladbach, OB. Obl. N. Spr. Oberbfirgermeister.
Neanklrchen, BG. Obl. N. Spr. Kuratorium.
Eemscheid, Beform-Sch. Obl. Lat. Direktor.
Schweidnitz, G. Obl. Deutsch, Lat., Griech. Magistrat.
Viersen, G. Obl. Gesch. u. Deutsch. Bürgermeister.
Verlag Ton Friedrich Andreas Perthes, Aktiengesellschaft, O^otha.
Deutsch-lateioisches Ubmigsbuch für Quarta
im Anschlufs an die Lektüre des
Ooirzxell'u.s 3>srex>os.
Von
Netzker und Bademann.
Preis M 2.—
Für den Sehulgebraueh
erklärt von
Dr. Karl Linde,
Oberlehrer am HerzogL Gymnaninm zn Helmstedt
Preis: Ji 1.20.
Zn beziehen durch alle Bachhandlnngen.
Für die Bedaktlon rerantworüieh Dr. E. Ludwig in
Dmclc und Verlag Ton Friedrich Andreae Perthes, Aktiengesellaehafl, Gotha
Hierzu als Beilagen: 1) Titel und Register zn Jahrgang 1908 der .»ICeaeii
Philologiselien Bnndseium^^ ; 2) Prospekt der Weidmannselien Bneliluuidliiiif in
Berlin SW., betr. Gau er, Grammatioa militans, u. a. Verlagswerke.